Nicht-tarifäre Handelshemmnisse in Frankreich und Deutschland ausgehend vom...

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B. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse in Frankreich und Deutschland ausgehend vom Holzmaschinen-Fall unter besonderer Berücksichtigung der Cassis de Dijon Rechtsprechung Was ist eine nicht-tarifäre Handelshemmnis? Was sagt die „Cassis de Dijon” Rechtsprechung? (I). Im „Holzmaschinen-Fall” handelt es sich um die technischen Normen in Frankreich und in Deutschland (II). Dann ist es interessant die Grundsätze der Vorbeugung anwendbar auf Arbeitsmittel (III) und der Gesundheitschutz und die Sicherheit an Arbeitsstätten (IV) zu studieren. I. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse und die Cassis de Dijon Rechtsprechung Es ist wichtig zu bestimmen, was ein Handelshemmnis (1), und ein nicht-tarifäres Handelshemmnis (2) ist. Die Rechtsprechung Cassis de Dijon präzisiert die Rechtfertigungen für die Handelsbeschränkungen (3). 1) Definition des Begriffes Handelshemmnisse Der Ausdruck „Handelshemmnisse“ besteht aus zwei Wörter: „Handel“ und „Hemmnisse“. Unter Handel versteht man den Kauf und Verkauf von Waren. Er kann national oder international sein. Ein Hemmnis ist etwas, das hemmt, beschränkt. Daher sind die Handelshemmnisse Behinderungen, die die (internationale) Handelsbeziehungen erschweren. Der Begriff des „Handels“ ist nicht auf bestimmte Formen des Absatzes beschränkt, sondern erfasst sämtliche Arten wirtschaftlicher Tätigkeit einschließlich des Betreibens von Niederlassungen. Die „Eignung“ zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels verlangt nicht die Feststellung einer tatsächlichen Beeinträchtigung, sondern nur eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, mit der die Beeinträchtigung

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Semirararbeit: ich bin Französin aber ich habe eine Seminararbeit auf Deutsch in Deutschland geschrieben.

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B. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse in Frankreich und Deutschland ausgehend vom „ Holzmaschinen- Fall ” unter besonderer Berücksichtigung der „ Cassis de Dijon ” Rechtsprechung

Was ist eine nicht-tarifäre Handelshemmnis? Was sagt die „Cassis de Dijon” Rechtsprechung? (I). Im „Holzmaschinen-Fall” handelt es sich um die technischen Normen in Frankreich und in Deutschland (II). Dann ist es interessant die Grundsätze der Vorbeugung anwendbar auf Arbeitsmittel (III) und der Gesundheitschutz und die Sicherheit an Arbeitsstätten (IV) zu studieren.

I. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse und die „ Cassis de Dijon ” Rechtsprechung

Es ist wichtig zu bestimmen, was ein Handelshemmnis (1), und ein nicht-tarifäres Handelshemmnis (2) ist. Die Rechtsprechung Cassis de Dijon präzisiert die Rechtfertigungen für die Handelsbeschränkungen (3).

1) Definition des Begriffes Handelshemmnisse

Der Ausdruck „Handelshemmnisse“ besteht aus zwei Wörter: „Handel“ und „Hemmnisse“. Unter Handel versteht man den Kauf und Verkauf von Waren. Er kann national oder international sein. Ein Hemmnis ist etwas, das hemmt, beschränkt. Daher sind die Handelshemmnisse Behinderungen, die die (internationale) Handelsbeziehungen erschweren. Der Begriff des „Handels“ ist nicht auf bestimmte Formen des Absatzes beschränkt, sondern erfasst sämtliche Arten wirtschaftlicher Tätigkeit einschließlich des Betreibens von Niederlassungen. Die „Eignung“ zur Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen Handels verlangt nicht die Feststellung einer tatsächlichen Beeinträchtigung, sondern nur eine bestimmte Wahrscheinlichkeit, mit der die Beeinträchtigung eintreten kann. Zudem muss diese Beeinträchtigung „spürbar“ sein, wobei die Spürbarkeit der Handelsbeeinträchtigung nicht mit der ebenfalls erforderlichen Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung verwechselt werden darf. Es gibt verschiedene Handelshemmnisse: die tarifären (Exportzölle, Importzölle, Exportsubventionen) und die nicht-tarifären Handelshemmnisse.

2) Nicht-tarifäre Handelshemmnisse

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Im Jahre 1985 veröffentlichte die europäische Kommission ein Weißbuch. In diesem forderte sie, dass die Mitgliedstaaten der europäischen Gemeinschaft nicht nur die körperlichen und fiskalischen, sondern auch die technischen Hindernisse beseitigen. Die technischen Hindernisse sind im Vertrag nicht vorgesehen. Exportbeschränkungen, Einfuhrquoten, verschiedene technische oder rechtliche Vorschriften sind nicht-tarifäre Handelshemmnisse. Diese Hindernisse können auch auf Verwaltungsebene auftreten. Die technischen und verwaltungsmäßigen Handelshemmnisse sind Behinderungen des innergemeinschaftlichen, freien Verkehrs und ergeben sich aus staatlichen Regelungen. Die Vorschriften variieren je nach Ort der Vermarktung und Verbrauch der Erzeugnisse. Des Weiteren sind sie an Formalitäten gebunden und warden Prüfungen unterzogen. Die nicht-tarifären Handelshemmnisse haben negative Auswirkungen auf den gemeinsamen Markt. Wenn ein Wirtschaftssubjekt seine Erzeugnisse in einem Mitgliedstaat verkaufen will, muss es sich immer nach den Vorschriften des jeweiligen Mitgliedstaates richten. Im Falle der Nichterfüllung der nationalen Vorschriften kann dies zu Sanktionen führen. Artikel 23 I EG besagt: „Grundlage der Gemeinschaft ist eine Zollunion, die sich auf den gesamten Warenaustausch erstreckt; sie umfasst das Verbot, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung zu erheben, sowie die Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs gegenüber dritten Ländern”. Der Vertrag „umfasst das Verbot, zwischen den Mitgliedstaaten Ein- und Ausfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung zu erheben”. Durch das Verbot tarifärer Handelshemmnisse zwischen den Mitgliedsstaaten stellen diese nicht länger ein Problem dar. Um das Problem der nicht-tarifären Handelshemmnisse zu lösen, wurden verschiedene Lösungen in Betracht gezogen. Bis Anfang der achtziger Jahre wandte die Kommission die Technik der Harmonisierung durch Richtlinien an. Die technischen Normen der Mitgliedstaaten, die übermäßig detailliert und oft unterschiedlich waren, wurden durch gemeinschatliche Vorschriften ersetzt. Dieser Versuch der Rechtsangleichung war nicht sehr erfolgreich. Die Texte waren äußerst lang und detailliert, weswegen dieses Vorgehen ins Stocken geraten ist. Die Rechtsprechung des EUGH hat die Lücken ausgefüllt.

3) Die Rechtsprechung „ Cassis-de-Dijon ”

Die „Dassonville” Entscheidung führte zur Definition des Begriffs „Maßnahmen gleicher Wirkung” (a). Das Urteil „Keck” grenzt nichtdiskriminierende Verkaufsbeschränkungen vom Verbot des

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Artikels 28 EG (b) ab. Das Urteil „Cassis de Dijon” präzisiert die Rechtfertigungen für die Handelsbeschränkungen (c).

a) Maßnahmen gleicher Wirkung: die „ Dassonville- Formel”

Der EUGH legt den Begriff „Maßnahmen Gleicher Wirkung” in Artikel 28 EG in umfassender Weise aus. Im Jahr 1974 hat er die klassische Definition des Begriffs im Fall „Dassonville” gegeben: „Jede Handelsregelung der Mitgliedstaaten, die geeignet ist, den innergemeinschaftlichen Handel unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, ist als Maßnahme gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Beschränkung anzusehen”. Im Fall „Dassonville” ging es im Ausgangsverfahren vor einem belgischen Gericht um die Strafverfolgung gegen Händler, die schottischen Whisky in Frankreich gekauft und nach Belgien eingeführt hatten. Ihnen wurde zur Last gelegt, dass sie keine Ursprungsbescheinigung der britischen Zollbehörden hatten. Damit hatten sie gegen belgische Vorschriften verstoßen. Der EUGH qualifizierte derartige Formalitäten zum Nachweis der Echtheit des importierten Erzeugnisses, die sich nur Direktimporteure ohne Schwierigkeiten beschaffen können, als eine vertragswidrige Maßnahme gleicher Wirkung.

b) Die Ausgrenzung nichtdiskriminierender Verkaufsbeschränkungen vom Verbot des

Artikels 28 EG: die „ Keck-Formel”

Der EUGH hat in ständiger Rechtsprechung bestätigt, dass die „Dassonville-Formel” unterschiedslos auf inländische und eingeführte Waren Anwendung findet. Er hat klargestellt, dass der Grad der Handelsbeeinträchtigung gleichgültig ist. Das Urteil im Fall „Keck” im Jahre 1993 brachte eine Präzisierung der „Dassonville-Formel”. Der EUGH behauptet, dass Artikel 28 EG nur Beschränkungen des Warenhandels zwischen den Mitgliedstaaten, nicht aber Beschränkungen des Handels schlechthin verbietet. Im Fall „Keck” ging es um ein französisches Verbot, Waren unter dem Einkaufspreis weiter zu veräußern. Nach der „Keck-Rechtsprechung” stellen nationale Bestimmungen keine Maßnahmen gleicher Wirkung im Sinne des Artikels 28 EG dar, die als „bestimmte Verkaufsmodalitäten”

1. die Verkaufs- oder Absatzmodalitäten von Waren regeln und2. für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer unterschiedslos

gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben und

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3. die den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedstaaten rechtlich wie tatsächlich in gleicher Weise regulieren.

c) Immanente Schranken des Artikels 28 EG: die „ Cassis de Dijon-Formel”

Die Urteile „Dassonville” und „Keck” betreffen das Verbot der mengenmäßigen Beschränkungen und der Maßnahmen gleicher Wirkung. Der EUGH hat in gleicher Weise die Rechtfertigung für die Handelsbeschränkungen präzisiert. Der EG-Vertrag verbietet die Handelsbeschränkungen im Sinne von Artikel 28 ff. EG nicht absolut. Artikel 30 EG behandelt die Ausnahmen von dem Verbot der mengenmäßigen Beschränkungen und der Maßnahmen gleicher Wirkung. Es handelt sich um Ausnahmen, die die öffentliche Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, der Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen betreffen. Der Artikel führt auch den Schutz des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums an.

In der Entscheidung „Cassis de Dijon” hat der EUGH das Verbot des Artikels 28 EG näher präzisiert. In diesem Fall ging es um eine deutsche Vorschrift, nach der Trinkbranntweine nur mit einem Mindestweingeistgehalt von 25% Alkohol in den Verkehr gebracht werden durften. Daher darf der französische Johannisbeerlikör Cassis de Dijon mit einem Alkoholgehalt von 15-20% in Deutschland nicht vermarktet werden. Das hessische Finanzgericht fragte den EUGH nach Atrikel 234 EG, ob Regeln wie die deutschen Bestimmungen Maßnahmen gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellen. Gemäß dem EUGH müssen „Hemmnisse für den Binnenhandel der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen über die Vermarktung dieser Erzeugnisse ergeben, hingenommen werden, soweit diese Bestimmungen notwendig sind, um zwingenden Erfordernisse gerecht zu werden, insbesondere den Erfordernissen einer wirksamen Steuerlichen Kontrolle, des Schutzes der öffentlichen Gesundheit, der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes”.

Der EUGH weicht vom Wortlaut des Artikels 30 ab. Zu den verbindlichen Erfordernissen zählt er nicht nur den Schutz des öffentlichen Gesundheitswesens, sondern auch die Wirksamkeit der Steueraufsicht, die Lauterkeit des Handelsverkehrs und den Verbraucherschutz. Die Alkoholsteuer ist dem Begriff der öffentlichen Sicherheit zuzuordnen. Die Lauterkeit des Handelsverkehrs und der Verbraucherschutz greifen in den Schutz des gewerblichen Eigentums ein. Sie sind jedoch unabhängige Begriffe.

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II. Frankreich und Deutschland in „Holzmaschinen-Fall ”

Frankreich und Deutschland sind zwei wirtschaftliche Partner (1). Der Holzmaschinen-Fall beweist, dass die verschiedenen technischen Normen Probleme verursachen können (2, 3).

1) Frankreich und Deutschland, zwei wirtschaftliche Partner

Frankreich und Deutschland gehören zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Gemeinschaft. Seit vielen Jahren ist Deutschland ein wichtiger Partner für Frankreich. Deutschland ist der erste Handelspartner von Frankreich mit einem Handelsvolumen von 150 Milliarden Euro im Jahre 2006 (86,1 Milliarden Euro für die französischen Einfuhren und 63,5 Milliarden Euro für die französischen Ausfuhren nach Deutschland). So ist Deutschland Frankreichs erster Kunde und sein erstes Lieferland. Mit 8,7 % Marktanteil in Deutschland ist Frankreich, noch vor den Nierderlanden und China das erste Lieferland. Französische Unternehmen bedienen den deutschen Markt hauptsächlich in den Bereichen der Auto- und Flugzeug- und Elektroindustrie.

2) Der „ Holzmaschinen-Fall ”

In Frankreich und Deutschland gelten häufig unterschiedliche technische Normen. Diese verschiedenen technischen Normen können den Unternehmen erheliche Probleme bereiten. Die „Holzmaschinen-Rechtstsprechung” des EuGH bringt einige Klarheit in diese Problematik. Es ist wichtig die Tatbestände (a), die Beurteilung der EUGH (b), die Praxis (c) zu studieren. Mann kann der „Holzmaschinen-Fall” und die „Cassis de Dijon” Rechtsprechung vergleichen (d).

a) Die Tatbestände

In diesem Fall ging es um eine französische Regelung über die Sicherheit von Holzbearbeitungsmaschinen. Die sich aus dem Dekret Nr. 80.543 ergebende Regelung bestimmt, daß Maschinen nach dem Grad Ihrer Gefählichkeit in drei Kategorien eingeteilt werden. Eine vorherige Prüfung wird für die Anwendung dieser Vorschrift eingeführt. Ohne Konformitätsbescheinigung (Kategorie 1), Sichtvermerk (Kategorie 2) oder Zulassung (Kategorie 3) darf keine Maschine auf den französischen Markt gebracht werden. Diese Regelung gilt sowohl

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für inländische als auch für importierte Maschinen. Die Kommission hat Frankreich um Auskunft über diese Regelung und Stellungnahme bezüglich einer möglichen Vertragsverletzung gebeten. Nachdem Frankreich dem nicht vollständig nachkam erhob die Kommission gemäß Art. 226 EG Klage beim EuGH bezüglich einer Verletzung ihrer Pflichten aus Artikel 28 EG. Nach Ansicht der Kommission sind die Mitgliedsstaaten dazu verpflichetet, die unterschiedichen Auffassungen der anderen Mtigliedsstaaten bezüglich der Sicherheitsstandards zu berücksichtigen und anzuerkennen. Sie müssen diese Auffassungen als annehmbar oder entsprechend betrachten. Daher müssen die Mitgliedstaaten darauf verzichten ihre eigenen Regelungen auf importierte Erzeugnisse anzuwenden. Die Erzeugnisse müssen jedoch dasselbe Sicherheitsniveau aufweisen.

b) Die Beurteilung des EUGH

In seinem Urteil von 1986 betont der EUGH in seinen Ausführungen, dass der Binnemarkt, nicht auf der gegenseitigen Annerkennung nationaler Normen basiert, sondern den Zweck des ungehinderten Güterverkehrs verfolgt. Die Mitgliedsstaaten sind für die Regulierung der Marktordnung insoweit zuständig, insoweit keine gemeinschaftliche Regelung oder eine Angleichung der nationalen Regelungen existiert. Diese Befugnis wird demnach nur durch Artikel 28 EG beschränkt. Im Holzmaschinen-Fall lässt der EUGH zu, dass ein Mitgliedstaat ein Erzeugnis, das schon Gegenstand einer Genehmigung oder einer Prüfung in einem Mitgliedstaat war, einer neuen Prüfung unterworfen werden darf. „Nach ständiger Rechtsprechung ergibt sich aus Artikel 30 EG, dass eine solche nationale Regelung nur mit dem EG-Vertag vereinbar ist, soweit sie für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und des Lebens von Menschen erforderlich ist. Zwar ist es Sache der Mitgliedstaaten zu entscheiden, inwieweit sie diesen Schutz sicherstellen wollen, doch darf dieser weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen Mitgliedstaaten darstellen”.

c) In der Praxis

Welche Auswirkungen diese Rechtssprechung des EuGH hat, ist in der Praxis nicht ganz klar. Der EUGH führt dabei aus, dass eine nationale Regelung von einem eingeführten Erzeugnis, das ein gleiches Schutzniveau sicherstellt, nicht die Einhaltung der gleichen Vorschriften oder Kennzeichen fordern darf wie von einem innländischen Erzeugnis. Aber was ist ein gleiches Schutzniveau? Wie ist es zu bestimmen? Dieser Begriff des gleichen Schutzniveau kann abstrakt scheinen.

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Bei jeder mengenmäßigen Beschränkung ist notwendigerweise das Prinzip der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Die nationale Befugnis muss europarechtskonform ausgeübt werden. Sie muss die zwingenden Notwendigkeiten des freien Marktes berücksichtigen. Die nationale Regelung darf nicht nur ihre eigenen Ziele, sondern muss auch den in den anderen Mitglieddstaaten garantierten Schutz berücksichtigen: „ [...] Es würde dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zuwiderlaufen, wenn eine nationale Regelung verlangen würde, dass die eingeführten Erzeugnisse den Bestimmungen und technischen Anforderungen, die für die in dem betreffenden Mitgliedstaat hergestellten Erzeugnisse gelten, buchstabengenau entsprechen, obwohl sie dasselbe Schutzniveau für die Benutzer gewährleisten”.

Im Holzmaschinen-Fall weist der EUGH die Klage der Kommission ab, weil die Kommission den Beweis, dass es ein gleiches Schutzniveau in den anderen Mitgliedstaaten gibt, nicht erbringt. Außerdem erbringt sie keinen Beweis, dass der Import von der französischen Regelung behindert wurde.

d) Vergleich zwischen „ Holzmaschinen-Fall ” und „ Cassis de Dijon ” Rechtsprechung

Eine interessante Frage ist, ob die Entscheidung der Holzmaschinen der Rechtsprechung „Cassis de Dijon” entspricht. Gemäß der „Cassis de Dijon” Rechtsprechung kann ein Gut, das ordnungsgemäß in einem Mitgliedstaat vermarktet wird, ohne Beschränkung in der europäischen Gemeinschaft in Umlauf gebracht werden. Dieser Grundsatz hat eine wichtige Grenze: ein Mitgliedstaat kann sich auf die Erfordernisse des Artikels 30 EG oder andere wichtige Erfordernisse des Gemeinwohls berufen, um den freien Handel einzuschränken. Dabei darf die Beschränkung keine Sonderregelung für ausländische Produkte oder Personen darstellen und muß dem Erfordernis eines überragenden Gemeinwohlziels entsprechen.

In der Entscheidung „Holzmaschinen” wiederholt der EUGH die Argumente der „Cassis de Dijon” Rechtsprechung. Im Fall „Cassis de Dijon” sagt der EUGH, dass in Ermangelung einer gemeinschaftlichen Regelung die Herstellung und Vermarktung einer Ware, sowie das Erlassen aller die Herstellung und Vermarktung dieser Ware für ihr Hoheitsgebiet betreffenden Vorschriften Sache der Mitgliedstaaten ist. Nach dem Wortlaut der „Cassis de Dijon” Rechtsprechung müssen Hemmnisse für den Binnenmarkt der Gemeinschaft, die sich aus den Unterschieden der nationalen Regelungen ergeben, hingenommen werden, soweit diese Bestimmungen notwendig sind. Im „Holzmaschinen-Fall” widerholt der EUGH diesen Begriff der Notwendigkeit: „[...]eine solche Regelung ist nur mit dem Vertrag vereinbar, soweit sie für einen wirksamen Schutz der Gesundheit und

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des Lebens von Menschen erforderlich ist”. Diese Bestimmungen bedürfen zwingenden Erfordernissen, unter anderem des Schutzes der öffentlichen Gesundheit. Im Fall „Cassis de Dijon” ging es um Liköre, während es im Holzmaschinen-Fall um Maschinen geht. Der EUGH wiederholt jedoch die gleiche Beweisführung. So erläutert er, dass es für den Bereich der Prüfung der Sicherheit von Holzbearbeitungsmaschinen weder eine Gemeinschaftsregelung noch eine Harmonisierung der nationalen Rechtsvorschriften gibt. Demnach fällt dieser Bereich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. In dieser Hinsicht stimmt die „Holzmaschinen-Fall” mit „Cassis de Dijon” überein. Im „Holzmaschinen-Fall” erklärt der EUGH, dass ein Mitgliedsstaat ein Erzeugnis, dass schon in einem anderen Mitgliedsstaat zugelassen worden ist, einem erneuten Untersuchungs- und Zulassungsverfarens unterwerfen darf. Dies wurde nicht in „Cassis de Dijon” geschrieben. Die Anrufung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit ist auch neu.Was die technischen Normen betrifft, so ist die „Cassis de Dijon-Formel” schwieriger anzuwenden. Im Fall „Cassis de Dijon” handelt es sich um die Gesundheitschutz bezüglich des Verbrauchs von Liköre. Die technischen Normen können Auswirkungen auf die Gesundheit der Benutzer haben, aber das ist manchmal schwer zu beweisen.

3) Die technischen Normen im „Holzmaschinen-Fall”

In der Entscheidung bezieht der EUGH sich auf die Lage in Deutschland. Daher können wir die Auffassungen der Sicherheit in Frankreich (a) und in Deutschland (b) vergleichen.

a) Die französische Auffassung der Sicherheit

In Frankreich dient die Sicheheit von Maschinen vorrangig dem Schutz des Benutzers: „der französische Gesetzgeber gehe von dem Gedanken aus, (1) dass der Benutzer [der] Maschinen vor seinen eigenen Fehlern geschützt werden müsse und dass die Maschinen so gebaut sein müssten, (2) dass der Anteil der menschlichen Tätigkeit beim Betrieb der Maschinen auf das unbedingt erforderliche Maß beschränkt sei”.

1- Wenn der Benutzer einen Fehler macht, muss die Maschine dieser Fehler korrigieren. Die Maschinen müssen die falsche Benutzung bemerken. Der Benutzer muss immer vor der Maschine oder dem Gerät geschützt werden. Gemäß der französischen Regelung müssen die Maschinen höchstgradig automatisiert sein. Die Automatisierung schützt den Benutzer. Sie ist gewissermaßen der Arbeitsschutz.

2- Gemäß der französische Auffassung der Sicherheit greift der Benutzer nur dann ein, wenn sein Eingreifen erforderlich ist, wodurch die Unfallrisiken begrenzt werden sollen.

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b) Die deutsche Auffassung der Sicherheit

Im „Holzmaschinen-Fall” zeigt der EUGH auf, dass sich die Lage in Deutschland davon unterscheidet. Das deutsche System betont nämlich die Ausbildung des Benutzers. Mit einer guten Ausbildung kann der Benutzer bei Problemen mit der Maschine geeignete Maßnahmen ergreifen. In Deutschland ist die Arbeitersausbildung so wichtig wie die Sicherheit der Maschinen. Ein Arbeiter kann durch eine entsprechend gute Ausbildung mit einem gefährliches Gerät umgehen. Die Kommission erklärt, dass die französischen technischen Bestimmungen eine einzige Art von Schutzvorrichtung an Hobelmaschinen vorschreiben. Die deutschen Normen schreiben jedoch eine andere Art von Schutzvorrichtung vor, die nach den französischen technischen Bestimmungen nicht zulässig ist. Die Kommission kritisiert die französische Regelung dahingehend, dass sie die vollautomatischen Maschinen zusehr begünstigt. Die vollautomatischen Maschinen seien nämlich von der vorherigen Prüfung ausgenommen. Die Kommission bezeichnet es als statistisch erwiesen, dass die nach den Arbeitsschutzkonzeptionen anderer Mitgliedstaaten hergestellten Maschinen nicht mehr Unfälle verursachen als die der französische Regelung entsprechenden Maschinen.

Dagegen ist der EUGH der Ansicht , dass diese Statistiken nicht sehr aussagekräftig seien. Die Statistiken berücksichtigen nicht die berufliche Ausbildung der Benutzer. Die Ausbildung führt aber dazu, dass das Schutzniveau für Gesundheit und Leben eines Menschen unterschiedlich zu beurteilen ist. Diese Statistiken beweisen nicht, dass die Auffassungen der Sicherheit anderer Mitgliedstaaten, besonders Deutschlands, dasselbe Schutzniveau wie die französische Konzeption gewährleisten. Der EUGH behauptet, dass die deutsche und die französische Konzeption der Sicherheit und des Arbeitsschutzes verschieden sind. In Deutschland sind die Maschinen vielleicht nicht so sicher wie in Frankreich, aber dagegen sind die Arbeiter besser ausgebildet als in Frankreich. Es ist daher nicht interessengerecht, unsicherere Maschinen in Mitgliedstaaten einzuführen,in denen die berufliche Ausbildung nicht so gründlich ist. Im „Holzmaschinen-Fall” kann die Kommission nicht beweisen, dass das Schutzniveau in den anderen Mitgliedstaaten dem in Frankreich enspricht. Daher gilt das Schutzniveau der anderen Mitgliedstaaten als verschieden. Die eingeführten Maschinen würden in Frankreich eine Gefahr für die Gesundheit und das Leben darstellen, deshalb ist der EUGH der Meinung, dass die Ausnahme des Artikels 30 EG hier gegeben ist.

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III. Die Grundsätze de r Vorbeugung anwendbar auf Arbeitsmittel

Die Arbeitsmittel können Risiken für die Arbeiter entstehen lassen (1). Deshalb hat die Europäische Union die „Maschinen” Richtlinien beschlossen (2). Diese Richtlinien wurden in deutsches und französisches Recht umgesetzt (3).

1) Die Arbeitsmittel und die Risiken

Gemäß der Richtlinie 89/655/EG ist ein Arbeitsmittel jedes Gerät, jedes Werkzeug, jede Anlage, jede Maschine, die für die Arbeit benutzt wird. Diese Definition ist weitreichend, denn sie umfasst Werkzeugmaschinen, beweglichen Maschinen, Hebemaschinen, Gerüste und Leitern. Die Arbeitsmittel können der Gesundheit ihrer Benutzer schaden. Dabei besteht das Risiko von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten, da die Arbeitsmittel schneiden, verbrennen oder elektrisieren können. Die Berufskrankheiten können ihre Ursache in den Arbeitsmitteln haben. Eine Auffassung des Arbeitsmittels, die diese Risiken berücksichtigt, kann die Risiken vermindern.

2) Die Maschinen Richtlinien

Frankreich und Deutschland gehören zu den Europäischen Gemeinschaften und der Europäischen Union. Die technischen Normen werden durch europäischen Richtlinien festgesetzt. Gemäß Artikel 249 Abs. 3 EG ist die Richtlinie für die Mitgliedsstaaten, an die sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überlässt es aber den innerstaatlichen Stellen, die Form und die Mittel auszuwählen, die sie für die Erreichung des Zieles als geeignet ansehen. Eine Richtlinie muss ins nationale Recht umgesetzt werden. Die meisten Arbeitsmittel unterliegen dem Awendungsbereich der Richtlinie 98/37/EG. Diese Richtlinie wird oft als „Maschinen” Richtlinie bezeichnet. Es gibt jedoch zwei Maschinen Richtlinien:–die „alte” Maschinen Richtlinie 98/37/EG ist noch bis einschließlich 28.12.2009 anzuwenden. Sie wurde mehrmals abgeändert.

und–die „neue” Maschinen Richtlinie 2006/42/EG, die ab dem 29.12.2009 gilt und die erste Richtlinie aus Klarheitsgründen abändert.

Durch die Maschinen Richtlinien sollen nicht-tarifäre Handelshemmnisse in der Union abgebaut werden. Die Maschinen Richtlinien finden Anwendung auf die Vermarktung, die Inbetriebnahme der Maschinen und auf die Vermarktung von

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Sicherheitsvorrichtungen für die Maschinen. Die Mitgliedsstaaten dürfen ihre Vermarktung nicht behindern, soweit die Erfordernisse der Richtlinien erfüllt werden. Wenn das nicht der Fall ist, kann die Vermarktung verboten werden, oder die Behörden können das Erzeugnis aus dem Sortiment nehmen. Der Ausdruck „Maschine” bezeichnet entweder die Gesamtheit der Verbindungsglieder oder die Vorrichtungen, die mindestens einen beweglichen Teil oder aktiven Teil umfassen, Stromkreise, und die Gesamtheit der Maschinen, die in einer Fließanlage funktionieren. Das Wort „Maschine” bezeichnet auch die Einrichtungen, die ersetzt werden können und die Sicherheitsvorrichtungen. Nicht darunter fallen jedoch Ersatzteile und Werkzeuge.

Der Zweck der Richtlinien ist die Vorbeugung von Unfallgefahren durch die Maschine. Die Richtlinien regeln die Aufstellung, die Zerlegung, das Anstellen, die Einstellungen, die Erhaltung und die Beförderung der Maschine. Die Gebrauchsanweisung muss auf die Probleme, die wegen eines falschen Gebrauchs eintreten können, hinweisen. Die Richtlinien sehen die CE-Kennzeichnung (entweder von französisch „Communauté européenne”: Europäische Gemeinschaft, oder „Conformité européenne” soviel wie Übereinstimmung mit EU-Richtlinien) vor. Die CE-Kennzeichnung ist eine Kennzeichnung nach EG-Recht für bestimmte Produkte in Zusammenhang mit der Produktsicherheit. Durch die Anbringung der CE-Kennzeichnung bestätigt der Hersteller, dass das Produkt den geltenden europäischen Richtlinien entspricht.

Die „neue” Maschinen Richtlinie macht einen klareren Unterschied zwischen der Richtlinie „Maschinen” und der „Niederspannung” Richtlinie (73/23/EG). Die „neue” Richtlinie führt sechs Kategorien von elektrischen Maschinen auf, die in das Gebiet der „Niederspannung” Richtlinie fallen. Vor der „neuen” Richtlinie berücksichtigte man die wichtigste Ursache der Risiken bei der Risikoabschätzung. Was alle anderen Maschinen betrifft, sind die Sicherheitsmaßnahmen auf die elektrischen Risiken anwendbar. Aber alle anderen Erfordernisse und die Pflicht zur Abschätzung der Übereinstimmung für die Vermarktung werden ausschließlich durch die Maschinen Richtlinie geregelt.

Die „neue” Maschinen Richtlinie findet Anwendung auf unvollständige Maschinen. Eine unvollständige Maschine ist „eine Gesamtheit, die fast eine Maschine bildet, für sich genommen aber keine bestimmte Funktion erfüllen kann”. „Eine unvollständige Maschine ist nur dazu bestimmt, in andere Maschinen oder in andere unvollständige Maschinen oder Ausrüstungen eingebaut oder mit ihnen zusammengefügt zu werden, um zusammen mit ihnen eine Maschine im Sinne dieser Richtlinie zu bilden”.

Die „neue” Maschinen Richtlinie macht einen klareren Unterschied mit der „Aufzüge” Richtlinie. Hebemaschinen, deren

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Geschwindigkeit nicht mehr als 0,15 m/s beträgt, und Aufzüge für Baustellen werden der Maschinen Richtlinie unterstehen.

Die „neue” Richtlinie beinhaltet eine detaillierte Liste der Sicherheitskomponenten. Sie führt die Pflicht einen Verantwortlichen für die technischen Akte in der Europäischen Union zu haben ein. Der Exporteur außerhalb der Europäischen Union muss im Namen dieser Person auf die Übereinstimmungserklärung hinweisen.

Es gibt also einen Willen der Europäischen Union die Sicherheit der Maschinen zu verbessern.

3) Die Umsetzung der Maschinen Richtlinien in Frankreich und in Deutschland

In Frankreich wurde die Richtlinie 98/37/EG von Verordnungen umgesetzt:

- Verordnung vom 12. Januar 1999 (Ministerium für Arbeit und Wirtschaft) - Verordnung vom 20. Oktober 1999 (Verkehrs-, Infrastruktur- und Raumordnungsministerium)

- Verordnung vom 28. November 2000 (Verkehrs-, Infrastruktur- und Raumordnungsministerium)

- Verordnung vom 10. Dezember 2001 (Ministerium für Arbeit)

- Verordnung vom 18. Dezember 2003 (Arbeits- und Landwirtschaftsministerium)

Die Richtlinie 2006/42/EG wurde mit einem Dekret vom 7. November 2008 Nummer 2008-1156 in nationales Recht überführt. Die Maßnahmen dieses Dekrets werden am 29. Dezember 2009 in Kraft treten.

In Deutschland wurde die erste Maschinen Richtlinie von der neunten Verordnung zum Geräte- und Produktsicherheitsgesetz (Abkürzung: 9. GPSGV) vom 12. Mai 1993 umgesetzt. Diese Verordnung wurde zuletzt durch Artikel 1 der Verordnung zur Änderung von Verordnungen nach § 3 des Geräte- und Produktsicherheitsgesetzes vom 18. Juni 2008 geändert. Die Richtlinie 2006/42/EG wurde mit dieser Umänderung umgesetzt.

IV. Gesundheitsschutz und Sicherheit an Arbeitsstätten

Es ist interessant die Geschichte des Arbeitsschutzes in Frankreich und Deutschland zu kennen (1). Seit ihrer Gründung hat die Europäische Union viele Beiträge gebracht (2). Was ist die gegenwärtige Lage in Deutschland und in Frankreich (3)?

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1) Geschichte

Im XIX. Jahrhundert durchliefen Deutschland und Frankreich eine Ära des Aufschwungs der Großindustrie. Dieses Wachstum regte den Gesetzgeber an die ersten schützenden Maßnahmen zu erlassen an. Diese Maßnahmen waren zugunsten der schwächsten Arbeiter: die Frauen und die Kinder.

a) In Frankreich

Im Jahre 1892 ist die Aufsichtsbehörde für die Arbeit geschaffen worden. Ein Gesetz bereitet den ersten Weg einer Schutzpolitik für die Gesundheit und die Sicherheit der Arbeiter. Im Jahre 1906 wurde das Arbeitsministerium begründet. Eine Verordnung vom 10. Juli 1913 verlangte gründliche Vorschriften für Gesundheitspflege, die Sicherheit und die Verhütung von Bränden an den Arbeitstätten. 1973 wurde der Begriff der Arbeitsbedingungen eingeführt. Das Büro für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen würde gegründet. Ein Gesetz vom 6. Dezember 1976 stellte den Grundsatz der Arbeitsunfallrisikenverhütung auf. Sie muss in alle Arbeitslagen (z.B. Beschäftigungsorte, Maschinen, Geräte) integriert werden. Seit 1973 gibt es das Arbeitsgesetzbuch.

b) In Deutschland

1884 wurde unter Bismarck das Unfallversicherungsgesetz verabschiedet, das auch zur Gründung der Berufsgenossenschaften führte. Im Jahre 1924 wurde in Berlin die Klinik für Berufskrankheiten eingerichtet und 1933 zum Universitätsinstitut ausgebaut. Am 7. August 1996 wurde das Arbeitsschutzgesetz beschlossen. Sein Ziel ist, die Gesundheit aller Beschäftigten einschließlich der des öffentlichen Dienstes durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern. Das Arbeitsschutzgesetz ist die Ermächtungsgrundlage zum Erlass von Rechtsverordnungen auf dem Gebiet der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Auf dieser Grundlage wurden bislang folgende Verordnungen erlassen: Baustellenverordnung, Betriebssicherheitsverordnung, Bildschirmarbeitsverordnung, Lärm- und Vibrations- Arbeitsschutzverordnung, Lastenhandhabungsverordnung, persönliche Schutzausrüstungen-Benutzungsverordnung.

2) Der Beitrag der Europäischen Union

Viele Richtlinien bezüglich des Arbeitsschutzes wurden auf dem Grundsatz des Titels XI des EG Vertrags („Sozialpolitik, allgemeine und

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berufliche Bildung und Jugend”) beschlossen. Sie betreffen im Wesentlichen die Angleichung der Arbeiterrechte, die Einschränkung der Risiken und der Gefahren an den Arbeitsstätten. Die tödlichen Arbeitsunfälle haben sich in der Europäischen Union zwischen 1994 und 2000 um mehr als 30% verringert. Außerdem haben die schweren Unfälle um 15% vermindert.

Die Richtlinie 89/39/EG über die Sicherheit und die Gesundheit der Arbeiter setzt die allgemeinen Vorschriften für die Verhütung der Berufsrisiken ein. Nach dem Stand dieser Richtlinie wurden etwa zwanzig Richtlinien angenommen (z.B. Minimale Sicherheitsfestlegungen auf den Baustellen).

3) Die gegenwärtige Lage in Deutschland und in Frankreich

Es ist wichtig die Rechtsquellen zu kennen (a) und die gesetzlichen Bestimmungen zu vergleichen (b).

a) Die Rechtsquellen

In Deutschland sind zwei Gesetze besonders wichtig für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeiter. Es handelt sich um das Arbeitsschutzgesetz und die Arbeitsstättenverordnung.

Das Arbeitsschutzgesetz regelt für alle Tätigkeitsbereiche die grundlegenden Arbeitsschutzpflichten des Arbeitsgebers, die Pflichten und die Rechte der Beschäftigten sowie die Überwachung des Arbeitsschutzes nach diesem Gesetz durch die zuständigen staatlichen Behörden. Es setzt die europäische Rahmenrichtlinie „Arbeitsschutz” 89/39/EG in deutsches Recht um. Der Arbeitgeber hat nach dem Arbeitsschutzgesetz die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten und zu verbessern. Die Beschäftigten sind verpflichtet, festgestellte Mängel, die Auswirkungen auf Sicherheit und Gesundheit haben können, dem Arbeitgeber zu melden.

Die Arbeitsstättenverordnung legt fest, was der Arbeitgeber bei der Einrichtung und beim Betrieb von Arbeitsstätten in Bezug auf die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Beschäftigten zu beachten hat. Geregelt werden z.B. Anforderungen an Arbeitsräume, Pausen-, Sanitärräume, Beleuchtung und Raumtemperatur. Die alte Arbeitsstättenverordnung von 1975 ist durch die neue strukturierte Verordnung aus dem Jahr 2004 abgelöst worden. Das neue Konzept der Verordnung folgt der Regelungssystematik der europäischen Arbeitsstättenrichtlinie: danach werden Schutzziele und allgemein gehaltene Anforderungen, aber keine detaillierten Vorgaben festgesetzt.

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In Frankreich gibt es ein Arbeitsgesetzbuch („Code du Travail”). Es fasst die meisten Gesetze und Regierungsverordnungen zusammen, die auch für das Arbeitsrecht gelten. Das erste Arbeitsgesetzbuch wurde im Jahre 1910 begonnen, aber erst im Jahre 1922 beendet. Ein neues Arbeitsgesetzbuch wurde 1973 verkündet. Es enthält einen gesetzgebenden Teil und einen verordnungsrechtlichen Teil. Im Jahre 2008 ist ein neues Arbeitsgesetzbuch in Kraft getreten. Man nimmt an, dass es das Arbeitsrecht vereinfacht. Das Arbeitsgesetzbuch regelt die Tarifverhandlungen, das kollektive Arbeitsrecht, das individuelle Arbeitsrecht, die Arbeitszeit, die Sicherheit und die Gesundheit bei der Arbeit.

b) Vergleich der gesetzlichen Bestimmungen

In Frankreich und in Deutschland haben die Arbeitgeber Pflichten bezüglich der Sicherheit und der Gesundheit ihrer Beschäftigten (α). Die Beschäftigten haben auch Pflichten in diesen Bereichen (β). In beiden Ländern gibt es Bestimmungen für den Nichtraucherschutz bei der Arbeit (γ) und Pläne und Strategien für die Sicherheit bei der Arbeit (δ).

α) Pflichten der Arbeitgeber bezüglich der Sicherheit und der Gesundheit der

Beschäftigten

Gemäß § 3 des Arbeitsschutzgesetzes ist der Arbeitgeber verpflichtet „die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen.” Artikel L 4121-1 „Code du travail” sagt im Wesentlichen das gleiche. Denn Arbeitsschutzgesetz und Artikel L 4121-1 „Code du travail” setzen teilweise die Richtlinie 89/391/EG um. Daher ist es normal die gleichen Bestimmungen wieder zu finden. In beiden Ländern müssen die Arbeitgeber die Gefahren an ihrer Quelle bekämpfen. Sie müssen die Arbeit so gestalten, dass eine Gefahr für Leben und Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird. Gemäß den binden gesetzlichen Bestimmungen sind die individuellen Schutzmaßnahmen nachrangig gegenüber anderen Maßnahmen insbesondere den kollektiven Schutzmaßnahmen. In Deutschland und in Frankreich müssen die Arbeitgeber eine Ausbildung über die Sicherheit organisieren. Die Unterweisung muss Anweisungen und Erläuterungen, die eigens auf den Arbeitsplatz oder den Aufgabenbereich ausgerichtet wird,

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umfassen. Sie muss regelmäßig wiederholt werden. Was die Ausbildung betrifft, so scheint es, dass es keinen Unterschied zwischen den zwei Ländern gibt. Vielleicht sind die Ausbildungen in der Praxis verschieden.

β) Pflichten der Beschäftigten bezüglich der Sicherheit und der Gesundheit

Nach Artikel L 4122-1 „Code du travail” und § 15 Arbeitsschutzgesetz müssen die Arbeiter die Sicherheitsmaßnahmen beachten. Sie müssen auch für die Sicherheit und Gesundheit anderer Personen sorgen, die von ihren Handlungen oder Unterlassungen bei der Arbeit betroffen sind. Die Sicherheit und die Gesundheit bei der Arbeit sind die Sachen der Arbeitgeber und der Beschäftigten.

γ) Nichtraucherschutz bei der Arbeit

In Frankreich und in Deutschland gibt es Vorschriften um die nicht rauchenden Beschäftigten zu schützen. Passive Nikotinvergiftung ist nämlich die Todesursache von vielen Menschen.In Deutschland hat der Arbeitgeber „die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten an Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind”. In Frankreich obliegt dem Arbeitgeber eine Schutzpflicht und eine Verpflichtung zur Herbeiführung eines Erfolges gegenüber den Beschäftigten, was ihren Schutz gegen die passive Nikotinvergiftung in dem Betrieb betrifft. Die „Cour de Cassation” hat das in einer Entscheidung von 29. Juni 2005 unterstrichen. Daher muss der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen treffen. § 5 II Arbeitsstättenverordnung besagt, dass in Arbeitsstätten mit Publikumsverkehr der Arbeitgeber Schutzmaßnahmen nur insoweit zu treffen hat, als die Natur des Betriebs und die Art der Beschäftigung dies zulassen. Diese Schutzmaßnahmen sind folglich nur bedingt. In Frankreich sind die Vorschriften strenger. Das Dekret vom 15. November 2006 statuiert den Grundsatz des Rauchverbots in allen öffentlichen Einrichtungen. Die Unternehmen sind in gleicher Weise betroffen. Das Dekret stellt enge Bedingungen für die Einrichtung von speziellen Orten für die Raucher. Das Rauchverbot findet Anwendung an den Arbeitsstätten, wenn der Ort kollektiv, geschlossen und bedeckt ist (z.B. Versammlungsräume, Räume sich zu erholen, Büros...).

δ) Pläne und Strategien für die Sicherheit und die Gesundheit bei der Arbeit

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In Deutschland und in Frankreich gibt es Pläne und Strategien um die Sicherheit und die Gesundheit bei der Arbeit zu verbessern. In Deutschland trägt sie den Titel „gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie” und in Frankreich „Plan santé au travail” (Plan für die Gesundheit bei der Arbeit). In beiden Ländern ist das zentrale Ziel Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten durch einen effizienten und systematisch wahrgenommen Arbeitsschutz zu fördern. Die gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie wird von der nationalen Arbeitsschutzkonferenz entwickelt, gesteuert und fortgeschrieben. Die nationale Arbeitsschutzkonferenz dafür setzt sich aus jeweils für drei stimmberechtigten Vertretern von Bund, Ländern und Unfallversicherung als ständige gemeinsame deutsche Arbeitsschutzstrategie sowie bis zu jeweils drei beratenden Vertretern der Spitzenverbände der Sozialpartner zusammen. In Frankreich werden die Forschung und die Ausbildung über die Gesundheit bei der Arbeit betont. Zweck ist die Zahl von Arbeitsunfällen zu verringern.

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