no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische...

40
EINZIGARTIG NEU * Wissen * Unterhaltung * Hintergründe Im Interview Harald Mori Harald Mori GEVATTER TOD: Märchen als symbolische Darstellung } Anne Shirley Abschied ist wie sterben … SINN GEBER SINN GEBER? Nr. 03, März 2004 Österreich = nur 9.99 *! International = nur 15 no:os } Das Leben stellt Fragen } Haben Sie Antworten? BILD: BRITA SEIFERT Abschiednehmen in Würde: Leid,Sterben,Tod aus Sicht der Logotherapie

Transcript of no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische...

Page 1: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

EINZIGARTIG NEU* Wissen* Unterhaltung* Hintergründe

IImm IInntteerrvviieewwHarald

MoriHarald

Mori

GEVATTER TOD: Märchen als symbolische Darstellung

}Anne ShirleyAbschied istwie sterben …

SINNGEBERSSIINNNNGGEEBBEERR??

Nr. 03, März 2004Österreich = nur 9.99 ‡*!International = nur 15 ‡

no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten?

BILD: BRITA SEIFERT

Abschiednehmen in Würde: Leid,Sterben,Tod aus Sicht der Logotherapie

Page 2: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

sinneditorial

Machdem Toddas Lebenschwer!In Anlehnung an ein Zitat von Dr. Frankl appelliere ich an Ihre»Trotzmacht des Lebens«.

Kann ein Mensch loslassen, wenner Angst hat, fallengelassen zuwerden? Oder sich oder jemandenfallen zu lassen?

Welchen Weg habe ich in meinem

Leben zurückgelegt? Welche Sta-tionen machen diesen Lebenswegaus? Was habe ich in meinem Leben bewirkt? Wie wichtig warenmir Beziehungen? Welchen Wegwill ich gehen? Von wem oder wastrenne ich mich? Welche Beziehungen sind für michschmerzhaft? Aber änderbar?

Fragen über Fragen hält unser Le-ben für uns bereit. Bedarf es wirk-lich der Endlichkeit – des Todes?

Sie geschätzte Leserin und Lesersind vielleicht – nach der Lektüredieser Ausgabe von no:os – Ihrenpersönlichen „Antworten“ wiedereinem kleinen Stück näher gerückt.Das wünscht Ihnen von Herzen

AntwortWissend, dass unser Leben von Leid bedroht und durch den Tod begrenzt -dieses Faktum in weite Ferne drängend – hoffen wir, dass das Leid niemalsuns treffen möge. Der Tod noch in sehr weiter Ferne seiend.

Eine Traueranzeige in einer kleinen österreichischen Regionalzeitung:»Ein Kind ist gestorben:Markus Raphael,

seine Lebenszeit auf Erden:30.1.-1.2.«Nicht einmal drei Tage also. Ein Kind wird der Welt vorgestelltund zugleich verabschiedet, würde-voll. Der Schmerz der Familie ist un-ermesslich. Mit grosser Freude wurdeer erwartet. Es gab in der jungen Familie bereits eine kleine Tochter,Melanie mit Namen, drei Jahre alt.Auch Melanie freute sich auf ihr kleines Brüderchen. Dann der unver-ständliche Tod. Abschied. Der Vater singt das sterbende Kind in seinen Armen in das Jenseits. So ein Schicksal färbt das Leben schwarz. Alles erstarrt in Trauer. Für eine Ewigkeit. Normalerweise.

Die Familie, von der hier die Rede ist, schafft einen anderen Weg. Gibt Antworten auf das scheinbar Sinnlose. Zunächst wird eine Traueranzeige in die Zeitung gesetzt. Die Öffentlichkeit erfährt von

dem kurzen Leben des Markus Raphael. Ein Kind hat unter uns gelebt. War Antwort und Frage zugleich. Beim Begräbnis auf dem Friedhof sah man kein Schwarz. Nur Farben. Onkel und Tante trugen den kleinen weissen Sarg. Angehörige und Freundeder Familie liessen fünfzig bunte Luftballons in den Himmel steigen. Und die kleine Melanie in ihrer knallgelben Regenjacke geht auf eigenemWunsch neben dem Priester der Trauergemeinde voraus. Mit Sandküberl undSchauferl. Sie „schaufelt“ das Grab zu, damit es der kleine-re Bruder schön warm hat.Die Zeit ist vergangen. Es kam ein drittes Kind, ein kleinerSohn: Maxi. In den Wohnungen der Eltern und Grosseltern hängen die Fotos von allen drei Kindern an den Wänden.Selbstverständlich. In einigen Tagen ist der zweite Geburts-tag von Markus Raphael. Man bereitet eine kleine Feier vormit vielen bunten Luftballons und sein Vater wird wieder ein kleines Gedichtvortragen: „Ich weiss, dass es den Himmel gibt“ zum Beispiel.

Besonders gespannt sind wir auf Ihre Meinung zum neuen no:os und freuen uns auf Ihr Mail an [email protected] oder Ihre Zuschrift.Anregungen, Ideen, Wünsche, redaktionelle Beiträge werden sehr gerne —Beschwerden (auch, aber weniger gern) — entgegengenommen.

Franz Dorner,Herausgeber von

no:os

SINNvollDas, was dem Leben Sinn verleiht, gibt auch demTod Sinn

ANTOINE DE SAINT-EXUPÉRY

Logotherapeutenkreis Jeweils Donnerstags mit Beginn19.30 Uhr, in unserem Wohnzimmer.

13. Mai, 1. Juli, 23. September und 2. Dezember 2004Unsere Adresse:

2380 Perchtoldsdorf, Kraussgasse 18

Telefon: 01/8692202um Anmeldung wird gebeten!

Bis zum Wiedersehen, beziehungs-weise Kennenlernen, schicken wirherzliche Grüße!

Hermann und JohannaSchechner

»2« no:os Heft 03/2004-3

Page 3: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »3«

SinngehaltInhalt

thema interview

Reflexionen über Suizid und Selbstzerstörung 6

Leserbriefe 4

Seminare 38

Abschiednehmen in Würde 12

Leid, Sterben und Tod aus Sichtder Logotherapie und Existenz-analyse. Die Beschäftigung mit existen-tiellen Fragen stellt ein wesent-liches Kennzeichen der sinn-zentrierten Psychotherapie dar.

ahnung

Ein Abschied, der immerin Erinnerung bleibt 32

burn-out

„…das ist alles, was mir blieb von dir.“ 16

GEVATTER TODEine symbolische Dar-stellung des Ausbrennensbei helfenden Berufen 10

praxis

Psychotherapie einmal anders 36

aktion

SINN voll LEBEN 31

palliativ

Ein Fahrplan für das Handeln im Umkreis vonSterben, Tod und Trauerist die „Palliativ-Care“ 34

Lebensgefährte TOD 26

Totgeschwiegen und tabuisiert

Die Bibel als Lehrbuch 37

für das Leben und Sterben

Behinderungals Sinnaufruf? 30

Es gibt sie vielfach die Momente der Verzweiflung:Das Leben „fragt“ unbarm-herzig an, der Mensch hat zu„antworten“.

Harald Mori, vor demDr. Viktor-Frankl-Wegin Türkheim, im Interview 20

Kleine Taten sind wichtiger als grosseVorsätze

FOTO: HARALD MORI

FOTO

:ILS

INGE

RFO

TO:M

ARDO

Page 4: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

�NO:OS SCHADETNicht gelungen… gerne würde ich als fortge-schrittener Schüler von FrauDr. Lukas auch einen Artikelfür Ihre neue Zeitschrift verfas-sen, zum Beispiel zum ThemaLogotherapie und Mitarbeiter-führung. Ich selbst führe eingroßes sozialen Unternehmen.Leider muss ich Ihnen mitteilen,dass ich dies nicht tun möchte,solange die Zeitschrift, die ichim Prinzip sehr begrüße, in derAufmachung so bleibt. Die Zeit-schrift schadet dem Ruf der Lo-gotherapie mehr, als sie ihmnützt. Warum dieses zugegebe-nermaßen etwas hartes Urteil?Die Artikel sind inhaltlich nichtschlecht. Die Vielfalt der The-men, die Nähe zur Praxis, zumLeben sind positiv zu vermer-ken. Was nicht zum Geist derLogotherapie passt, ist dieübertriebene Farbigkeit und dieVielfalt der Schriftgrößen, wasnach meinem Empfinden anGeschmacklosigkeit grenzt bzw.einer bestimmten Art von Zeit-schriftenaufmachung entlehntist, die gefallen will, die Auf-merksamkeit erregen will unddieses Wollen ist eben nicht lo-gotherapeutisch. Sinnlichkeit,nicht Sinn; der Wille zum un-mittelbaren Erfolg, nicht derWille zum Sinn, scheint mir diePhilosophie der Ästhetik derZeitschrift zu sein. Die Ästhetikselbst ist ja immer auch eineAussage und deshalb sollte die-se so gestaltet sein, dass sie alsForm dem Inhalt des zu Trans-portierenden, hier der Logothe-rapie und deren Anwendung,wesensgemäß ist. Was noch zubedenken ist: Die Großen derLogotherapie, diejenigen, dieals Personen den Geist der Logotherapie in Forschung,

Lehre und Veröffentlichung be-gründet haben und weitertra-gen, allen voran Viktor Franklund Elisabeth Lukas, sollte mannicht in ein zu grelles undkünstliches Licht stellen durcheine zu gewollt wirkende Dar-stellung. Die Art und Weise desin den Vordergrund Stellens derPersonen irritiert, wenn mandiese Personen in Wirklichkeitetwas besser kennt bzw. gut ah-nen kann, wie sie dazu stehenoder stehen würden. Jedenfalls: Das allzu Plakativestört mich, es nimmt nach mei-nem Geschmack Würde.ZumPreis: 15 € sind zuviel und:Das „nur“ vor dem Preis würde ich weglassen oder istdie Zeitschrift eine Ware imAusverkauf? Diese Assoziation kann nichtgewollt sein. Mein Fazit: Die erste Kleiderprobe derZeitschrift ist nicht ganz gelun-gen. Der Sinn der Inhalte wirdzu sehr von einer unpassenden„Farbensinnlichkeit“ und übertriebenen Formenkomple-xität übermalt. Mein Empfehlung: Das Wie derWeitergabe der Logotherapienoch mal gründlich für die Zeitschrift überdenken. Dennoch: Die Grundidee istgut und viel Erfolg bei derWeiterentwicklung wünscht

GERALD WEIDNER

GEDANKENWirtschaft & Liebe - 2/04Seite 23, Artikel „You should love your customers“ von Dr. Schauer

Ich kenne zwei vollkommenkonträre Betrachtungsweisendes Begriffs Freundschaft. Dereine, „kaufmännische“ heißt:Die mit denen ich gute Ge-schäfte mache, sind meineFreunde. Das hat lange Traditi-on. Schon im alten Rom waren„amici“ die, die bei der Karrie-re hilfreich waren. Die andereSichtweise besagt, daß man mitFreunden eben keine Geschäftemachen soll. Weil dies sehrschnell eine Freundschaft zer-stören kann. In diesem Span-nungsfeld sehe ich auch IhreAusführungen zur Liebe, wo esum Kunden geht. Es ist letztlichimmer ein „touch“ von Prosti-tution im Spiel, wenn Liebe mitGeld in Verbindung gebrachtwird. Und Sie werden mir sicher nicht glauben machenwollen, daß das gebrocheneBein vom Fräulein Tochter des Kunden den Verkäufer in irgendeiner anderen Hinsichtinteressiert als auf den Abschluß eines Geschäfts hin. Und Überzeugung und Begei-sterung haben mit Liebe recht

wenig zu tun. Und sollten auchnoch besonders unter die Lupegenommen werden. Überzeu-gung wovon? Durch die ISO-Normen 9000+ werden dieProdukte in ihrer Qualität im-mer ähnlicher. Die Qualitätwird also immer weniger alsKriterium dienen können. Eherandere Vorzüge wie Termin-treue, Gültigkeit mündlicherAbsprachen, Schnelligkeit?Vielleicht Überzeugung vonsich selbst? Und diese wieder-um wäre die Begeisterung. Einer der andere von sichselbst überzeugt, strahlt irgend-wie Begeisterung aus.Das überzeugendste Argumentwird mehr und mehr der Preis.Und je günstiger der Preis, de-sto fraglicher sein Zustande-kommen (Fertigung in Bil-ligländern unter unbekanntenBedingungen, Kinderarbeit,Umweltschädigung, Arbeitslo-sigkeit im eigenen Land etc).Aber das wäre jetzt eine andereGeschichte. Gut ich sehe ein, daß es nichtso einfach ist, etwas beizutra-gen zum Thema „Wirtschaftund Liebe“ und daß die Angel-sachsen zu dem Wort „love“ ei-ne andere Beziehung haben alsdie deutschsprachigen Mitteleu-ropäer. Ich denke nur an dieRedewendung „to 'make' love“,die mit unserem Verständnisvon Liebe im Frankl'schen Sin-ne nicht viel zu tun hat. Ich sehe Liebe in der Wirtschafteher im innerbetrieblichen Ver-hältnis der Belegschaft unter-einander. Eine motivierte enga-gierte Truppe, die loyal ist weilsie sich eines loyalen Chefs be-wußt ist. Wo auch bei Krisennicht feig gemobbt, sondern reifmiteinander umgegangen wird.Ein Idealfall wäre ein ehrlicherChef, dessen Leute auch malauf einen Teil des Lohns ver-zichten können, um einen Kolle-gen zu behalten. Wie es von derFilderklinik in Stuttgart einmalberichtet wurde. Aber dazubraucht es eben reife Chefs undeine reife Belegschaft. Ein Chefder sich den größten Teil derEinkünfte einbehält und dannsagt es ist kein Geld da, istnatürlich unglaubwürdig. Ebenso wie eine Belegschaft,die bei jedem Handgriff ersteinmal bei der Gewerkschaftnachfragt, ob sie den auchwirklich tun müssen. Vom tegut-Konzern in Deutsch-land wird ähnlich erfreulichesberichtet, und Herr Berschnei-der hat ja jetzt ein Buch veröf-fentlicht über Logotherapie imbetrieblichen Umfeld.Vielleicht gibt es ja doch noch

Hoffnung.Mit freundlichen Grüßen

EMIL KNIES

ERRATUMLiebende Fürsorge - 2/04BildungIm letzten Heft, Seite 32, im Artikel der überaus engagierten Logotherapeutin Koslowsky, schlich sich ein besonders heimtückischer Druck-Sinnfehler-Teufel ein. Es sollte richtigerweise lauten:

… Die emotionale Bildung(daraus entwickelt sich die Beziehungsfähigkeit und Bindungsfähigkeit primär (welche den Charakter des späteren Menschen bestimmt)entwickelt sich in der Gebor-genheit in der Familie.

BRASILIENLukas - würdige LehrerinHabe mit grossem Interesse dieZeitschrift no:os - Nº 2 vom Januar 2004 gelesen. Ich dankeganz herzlich, dass Sie an michhier im fernen Brasilien ge-dacht. Ich erhielt im Jahre 2000das Buch von Dr. Elisabeth Lukas: Lehrbuch der Logothe-rapie. Eine „würdige“ undsehr begabte Schülerin von Dr. Viktor Frankl. Bin Schwester/Lehrerin und habe als Lehrfächer: Religion, Kirchengeschichte,Kunstgeschichte und arbeitemit einer Gruppe Lehrerinnenmit: Orientação Educacional -arbeite mit Testen, Interviews.Ich wünsche Ihnen und allIhren werten Mitarbeitern vielErfolg zu dieser neuen Zeit-schrift und damit auch die Verbreitung der Logotherapie.Was bedeutet Liebe…?Ich denke so: Nur wer mit Lie-be und aus Liebe lebt, machtsein Leben lebenswert. Hier mein bescheidener Beitragzu Ihrer sehr interessanten Anfrage beim Leser. Danke. Verbleibe mit herzlichen, brasilianischen Grüssen Ihre

SR MARIA HILTGARDIS

Schwerpunktthema: Alles nur eine Frage der Liebe! Oder?

EINZIGARTIG NEU* Wissen* Unterhaltung* Hintergründe

Nr. 02, Jänner 2004Österreich = nur 9.99 ‡*!International = nur 15 ‡

Liebende Fürsorge: Im Sinne von Verantwortlichkeit, Respekt!no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten?

Im InterviewDr.Elisabeth

Lukas}ZWANGS-LIEBE

Liebes-Wahn

LIEBEALL-UMFASSENDE

LeserBriefe

impressumHerausgeber, Verleger: Institut »abile«Kaiser Josef Platz 52, 4600 WelsHersteller, Chefredakteur, Layouter, Fotograf,Kolporteur: Franz Dorner. Einige Bilderstammen von privaten Webseiten, wobeiHinweise auf Rechtsinhaber fehlten. Wurdeein Urheberrecht an einem Bild verletzt, sen-den Sie bitte eine MailRedaktion: [email protected]: Dr. Katja Orter, Anne Shirley, Sabine Gerdenits, Alexandra Schaubmayr,Petra Wimmer, Gerhard Fröhlich, KlothildeHaidvogl, Dr. Eva MardoInternational: Dr. Heidi Ilsinger, EugenGraml, Hans Maislinger, Mag. Dr. DieterSchauer, MBA, Dr. Otmar Wiesmeyr

Blattrichtung gemäß §25 Mediengesetz:Hauptbestandteil neben Berichterstattung,Reportagen und Interviews ist das Thema»Existenzanalyse und Logotherapie«. MehrHintergrund, mehr Wissen, mehr Sinnfin-dung!

Ihre Meinung ist gefragt: [email protected] den vielen Zuschriften können wirnur eine kleine Auswahl veröffentlichen.Sinnwahrende Kürzungen behalten wir uns vor. Danke für Ihr Verständnis!

»4« no:os Heft 03/2004-3

Page 5: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Abschiedfür

immer: Der Todals Sinn-bringer?

Heft 04, Juni 2004,SINN-Frage:Veränderungen: Damitalles so bleibt, mussalles anders werden?Nehmen doch auch Sie dazu Stellung undsagen Sie uns doch sorichtig „Ihre Meinung“zum generellen Trend,hin zur „verbesserndenVeränderung“.Antworten und gerneauch Fotos bis EndeMai 2004 an [email protected]

Wir freuen uns darüber!

Heft 03/2004-3 no:os »5«

ALEXANDRA KUCHLIch bin noch zu jung und willmich gar nicht zu intensiv mitdem Tod auseinandersetzen.Was ist, wenn die Geschichtevom Leben nach dem Tod nichtstimmt? Der Gedanke, für ewige Zeit totauf dem Friehof zu liegen …

DR. WALTER BRENNERDie Besinnung auf den Todzeigt uns die Endlichkeit unseres Seins. Nur ein kurzer Augenblick desVerweilens ist uns auf dieser Erde gewährt.Wir sollten uns dessen bei unseren täglichen Handlungenbewusst sein.

Dr. KATJA ORTERWir begegnen dem Tod in vielerlei Gestalt: als Kränkung, Trennung und begrabene Hoffnung. Abschiede im Leben sind die ständige Vorbereitung auf unseren Abschied vom Leben.

SUSANNE BAUERDer Tod ist für mich die Tür zurAuferstehung. Ohne das Sterben gibt es keineAuferstehung.Der Tod ist der Beginn für undzu etwas Neuem.

Mag. ROSWITHA GRONISTERFür mich ist das Leben mit demTod nicht einfach aus, als ewigeSeele sehe ich aber die Begren-zung der Weiterentwicklung ingenau diesem einmaligen Erdenleben, daher ist es auchmit wichtig die geschenkte Zeit so sinnvoll wie möglich zu nutzen, allerdings macht michder Gedanke an ein Weiterlebennoch verantwortungsbewusster.Nicht der Tod sondern das Vervollkommenen des Ewigen ist mein persönlicherSinnbringer.

GERHARD FRÖHLICHTrotz der Tatsache, daß der Tod zu den meistverdrängtenFakten unserer Existenz zählt,gäbe es vermutlich kein »sinnvolles« Leben ohne die Einbeziehung seiner Endlichkeit.

sinnfrage

Page 6: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»6« no:os Heft 03/2004-3

Es war ein Februarabend im Jahr1984 - nach einer Lesung im PalaisAuersperg ging ich auf diesen

großen österreichischen Schauspielerzu; in meinen Händen ein Szenenfoto ausvergangenen Tagen - Hamlet, 1970, Salz-burger Festspiele. Er, der die Mittel-mäßigkeit haßte, der immer nach Vollen-dung suchte, rief auch bei seiner Umweltimmer nur extreme Gefühle hervor - soauch bei mir.Für mich war er trotz seiner Krankheit,trotz seiner jahrelangen Selbstzer-störung immer noch das Genie schlecht-hin. Ein ferner Klang eines einst so sinn-lichen Timbres war auch in diesenStunden für Sekundenbruchteile hörbar.

Es war mir vergönnt mit meinem Idol einpaar Worte zu wechseln. Seit diesem Tagsteht in meinem Wohnzimmer jenes ge-rahmte Szenenfoto mit Signatur und derWidmung mit den Worten: - Gute Gedan-ken -.Acht Monate später war der Selbst-mord auf Raten endgültig. Die „guten Gedanken“ aber begleiten mich beschützend bis zum heutigen Tag. Ichdurfte Oskar Werner noch begegnen.

Der Mensch ist das einzige Lebewesen,welches infolge der Fähigkeit zur Selbstre-flexion um die Begrenztheit seiner Existenzund um die Möglichkeit, Hand an sich zulegen, weiß: Dementsprechend wird sie

ihm bewußt oder zumindest hintergründigimmer als Chance oder als Gefahr gegen-wärtig sein und sich daher in vielen Äuße-rungen und Schöpfungen widerspiegeln.

Beim Selbstmordgefährdeten ist häufigeine Befindlichkeit gegeben, in der er so-wohl leben als auch sterben will. Selbst beijenen, welche noch so entschlossen sind,Selbstmord zu begehen, spielt sich einKampf zwischen selbsterhaltenden undselbstzerstörenden Kräften ab; wenn die er-steren auch noch so bescheiden repräsen-tiert sein mögen, so sind sie doch immervorhanden.

Das Phänomen der Suizidalität ist kli-nisch vielfältig, beginnend mit dem para-suizidalen Bedürfnis nach Ruhe und Pau-

Selbsttötung

Reflexionen über Suizid und

Selbstzerstörung

Oskar Werner

Page 7: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »7«

se, über dezidierte Todeswünsche undSuizidgedanken bis zu den verschiede-nen Typen der Suizidhandlung, einsch-ließlich dem leider vollzogenen Suizid.Suizidversuche bzw. Suizide könnenkurzschlußartig durchgeführt werden,

häufig sind sie jedoch längerfristig ge-plant, das gilt insbesondere für Suizide.Diese längerfristige Entwicklung zeigteinen stadienhaften Ablauf der suizida-len Krise mit einer mehr oder minder lan-gen Phase der Erwägung, einer daran

anschließenden Phase der Ambivalenzund der finalen Entschlußphase. Die Ent-wicklung läuft also meist nicht von derersten Erwägung in einem direkten Wegzum Entschluß, sondern ist durch ein län-gerdauerndes Unschlüssigsein gekenn-

„Wenn der Funke von mir

auf das Publikum über-

springt, habe ich das Gefühl,

drei Minuten im Leben

glücklich zu sein“

Page 8: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»8« no:os Heft Heft 03/2004-3

Selbsttötung

zeichnet. Je nachdem, welche Außenfakto-ren wirksam werden, kann die angebahnteEntwicklung zum Suizidversuch/Suizid aufgehalten oder angestoßenwerden.

1.) Erwägung:In dieser Phase tritt das präsuizidale

Syndrom (siehe f.) zutage. Es bestehen dy-namische, situative und diverse andere Ei-nengungen; Aggressionshemmung undSuizidphantasien treten in den Vorder-grund. Suggestive Momente wie etwa Sui-zid in der Familie oder Umgebung, Pres-semeldungen, Literatur und Filme könnendiese Situation noch verschärfen.

2.) Ambivalenz: Direkte Suizidankündigungen sind hier

als Hilferuf an die Außenwelt zu verstehen.Der Betroffene hofft, am Leben bleiben zukönnen, von seiner Umgebung Unterstüt-zung zu erhalten.

3.) Entschluß:Aus direkten werden indirekte Suizi-

dankündigungen, Vorbereitungshandlun-

gen werden getätigt, gefolgt von der „Ru-he vor dem Sturm“ bis zur finalen Aggres-sionsumkehr.

Die mittlere, also die Ambivalenzpha-se bietet noch eine große Chance, jeden Ge-fährdeten noch zu erreichen. Oft führt daszwischenmenschliche Gespräch über suizi-dale Gedanken zu einer Entlastung undzum Aufbrechen der suizidalen Isolationund Einengung des Betroffenen. Er erfährt,daß seine Notsignale angenommen werdenund daß prinzipiell Hilfsmöglichkeiten ge-geben sind.

Gruppen mit einem erhöhten Selbstmordrisiko:

Diese sind durch statistische Studienentdeckt und abgegrenzt worden, befindensich aber in ständiger Fluktuation (abhän-gig von der Gesellschaftsstruktur in einemLand) und differieren natürlich auch vonKulturkreis zu Kulturkreis.

- Alte Menschen (vorallem Männer),besonders wenn sie vereinsamt und kranksind.

- Unheilbar chronisch Kranke, beson-ders wenn sich ihr Leiden ständig ver-

schlechtert, mit Schmerzen verbunden istund keine Hoffnung auf reele Verbesserungbesteht.

- Süchtige, Alkoholiker und Drogenab-hängige.

- Aus rassischen, religiösen und politi-schen Gründen Verfolgte.

- Menschen in Ehe- und Liebeskon-flikten, Menschen in schwerem sozialemNotstand, besonders bei plötzlichem finan-ziellem Zusammenbruch.

- Jede Art von Depression- Personen, welche durch eine Suizi-

dankündigung auffällig wurden- Personen, welche durch einen Suizid-

versuch (Parasuizid) auffällig wurden.

Ist der Freitod wirklich frei gewählt?Das Problem, daß sich dabei immer

wieder stellt, ist die Frage, ob eine suizida-le Handlung eine freie Willensentschei-dung ist oder nicht. Viele empirische Be-funde sprechen dafür, daß die freieWillensbildung nur eine Fiktion ist, daßdem Entschluß zum Suizid eine Reihe psy-chopathologischer Symptome (präsuizida-les Syndrom) vorausgehen, die einen sol-

„Ich bin nicht der

Schauspieler, der ich gern

geworden wäre - wir können

nur die Schatten unserer

Träume verwirklichen“

Page 9: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »9«

chen Entschluß erst ermöglichen. KeinMensch will absichtlich sterben, die mei-sten der Betroffenen wollen jedoch unterden gegebenen Lebensumständen nichtmehr so wie bisher weiterleben.

Letztendlich darf aber einem Men-schen, bei allen Verpflichtungen der Ge-sellschaft gegenüber, nicht das Recht ge-nommen werden, sein Leben auch selbst zubeenden.

Die drei Elemente des präsuizidalen Syndroms:

1.) Einengung- Situative Einengung:Sie ist durch einen Verlust der Balance

zwischen Lebensumständen und dem Ge-fühl der eigenen Möglichkeiten gekenn-zeichnet. Die Situation wird als bedrohlich,unheimlich, grenzenlos, unüberschaubar,unbeeinflußbar und unüberwindbar erlebt,während hingegen die eigene Person alsklein, hilflos, ausgeliefert und ohnmächtigerlebt wird. Auf diese Weise herrscht derEindruck, von allen Seiten behindert undumzingelt zu sein; die eigenen Chancenwerden auf ein Minimum reduziert, es wirdeinem die Luft zum Atmen genommen.

- Dynamische Einengung:Darunter wird die Tatsache verstanden,

daß sich die Dynamik der Persönlichkeit ineine einzige Richtung entwickelt, währendandere Richtungen verkümmern.

Die dynamische Einengung bedeutetoft im äußeren Erscheinungsbild Sponta-nitätsverlust, Hemmung und passives Ver-halten.

- Einengung der zwischenmenschli-chen Beziehungen

Man kann sie sich als totale Isolierung(das tragischte Beispiel dafür sind alte Men-schen, deren Tod oft tagelang nicht bemerktwird), vorstellen, als zahlenmäßige Reduk-tion noch bestehender Verbindungen, bisman sich schließlich an eine einzige Personanklammert, von welcher dann im Wort-sinn Leben und Tod abhängig werden.

- Einengung der Wertwelt:Hier setzt eine tragische Verkettung ein,

welche oft zu einem Teufelskreis wird. Auseiner Verringerung des Selbstwertgefühlesresultieren Hemmung, Unsicherheit, Aus-weichen, man wirft oft auch ab, was früherlieb und teuer war. Später dann fehlen dieaufgegebenen Werte und sind somit als An-regung, Ziel und Erfüllung nicht mehr vor-handen.

2.) Gehemmte und gegen die eigenePerson gerichtete Aggression

Man muß sich dessen bewußt sein, daßjeder Selbstmord eine enorm aggressiveHandlung darstellt, Suizid ist ohne das Ge-fühl ungeheurer Erbitterung kaum mög-lich. Wenn sich auch die Aggression desSelbstmörders gegen die eigene Personrichtet, so sind im Grunde doch andereMenschen die eigentlich gemeinten Ziele,sie werden gleichsam in die eigene Personintrojiziert und dann mit derselben ver-nichtet.

3.) SelbstmordphantasienNahezu jeder Mensch hat sich schon

zumindest einmal in seinem Leben mit demGedanken, Selbstmord begehen zu können,gespielt. Dennoch führen solche moment-haften, aber auch rasch wieder verschwin-denden Ideen nicht zum Suizid, sie sind ansich noch keineswegs als alarmierend zubewerten. Grundsätzlich andersartig ist je-ne intensive gedankliche Beschäftigungmitdem Selbstmord, wo die genaue Art undWeise, wie man es tun könnte, konkretisiertwird.

Spurensicherung einer Selbstzerstörung

In psychoanalytischer Literatur findetsich für den Terminus Trieb folgende Defi-nition: Ein von einem inneren Drang aus-gehender psychischer Vorgang, der das In-dividuum auf ein Ziel hinstreben läßt.

Ein Trieb „wirkt“ wie eine konstanteKraft, und die Person kann sich ihm nichtdurch die Flucht entziehen, wie es beimäußeren Reiz möglich ist. „Der Charakterdes Drängenden ist eine allgemeine Ei-genschaft der Triebe, ja das Wesen dersel-ben.“ (S. Freud,1915, gesammelte Werke).Als kleinste psychologische Einheit, in derder Trieb repräsentiert ist und die als solcheauch bewußt werden kann, ist der„Wunsch“ zu sehen. In Freuds Triebdua-lismus wurde ab 1920 der Sexualtrieb alslebenserhaltenden Teil und der Todestrieb(Thanatos) als lebenszerstörenden Teil be-schrieben. Für den Gegensatz der beidenTriebarten dürfen wir auch die Polarität vonLiebe und Haß einsetzen.

Tatsächlich läßt sich dieser Gegensatzdas ganze Leben lang bei Oskar Werner be-obachten. Dies bezieht sich nicht allein aufseine Mutter - wo diese Ambivalenz amdeutlichsten zum Ausdruck kam - sondernauf alles, was er liebte. Diese Zwiespältig-keit entwickelte sich in späteren Jahren im-mer mehr zu einer Haßliebe gegen sichselbst - er drängte sich in den Untergang.

Was harmlos anfängt mit „Dickschäd-ligkeit“ und „Sich-selber-zuwider-Sein“endet in unaufhaltbarer Selbstzerstörung.

Für Oskar Werner gab es von Kindheitan nichts anderes als das Theater. Von sei-ner Familie nicht vorbelastet, spürte er denDrang dazu in sich: „Es“ war da.

„Der Dichter log die Wirklichkeit umim Sinne seiner Sehnsucht“ - Oskar Wer-ner machte die Sehnsucht zur Wirklichkeit,stellte die Kunst über das Leben, die Dich-tung über die Realität. Es herrschte eineÜbereinstimmung zwischen seinen Rollenund seinem Leben. Er erringt seine größtenErfolge mit Schicksalen, die das eigenesind. In seinem Theater in erster Linie alssein - wie er einmal bemerkte „Zwillings-bruder“ Hamlet, als Don Carlos, als Tassound Prinz von Homburg. In seinen Filmendergleichen vorallem als Schiffsarzt in DasNarrenschiff: „Die Rolle ist zwar nicht all-zu groß, kommt aber meinem Charakterungemein entgegen. Ich weiß, was Melan-cholie ist.“

Es ist klar zu erkennen, daß es kein Zu-fall war, daß er diese Rollen darstellte. Ei-ne höhere Macht kündigte sich an und pro-jizierte sein Leben an die Bühnenwand. Erwar bestimmt zu Großem und zu Leid - esscheint, daß das eine ohne das andere nichtmöglich ist.

Sein letztes Werk (1983, Prinz vonHomburg) war auch Oskar Werners letzteRolle. Die menschliche Tragödie alsTragödie eines Menschen. In keiner Rollezuvor war er weltvergessener, zielverlore-ner.

So wie in seinem Leben schlechthin,war er auch im Akt der Selbstzerstörung einKompromißloser. War da dennoch nie-mand, der ihm im letzten Moment noch dieHand entgegen gereicht hätte, um ihn zuretten?

Der Kurs war schon lange vorher vor-gegeben, von kleinen Umwegen und Ab-weichungen war manchmal die Rede, wel-che jedoch immer wieder in dieeingeschlagene Richtung mündeten.

Für mich ist die Erinnerung an einenMythos, an eine Legende, an einen Men-schen, allgegenwärtig.

LiteraturE.Ringel: Das Leben wegwerfen?, Molden Verlag Wien,1999.P.Schuster, M.Springer-Kremser: Bausteine der Psychoana-lyse, WUV, 1997.M.Mazura: Oskar Werner, Neff Verlag Wien, 1986.

- GERHARD FRÖHLICH

Page 10: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»10« no:os Heft 03/2004-3

Burn-out & TOD

Einem armen Mann, der schonzwölf Kinder hatte, wurde noch eindreizehntes geboren. Aus Sorge,für dies nicht mehr genug Brot zuhaben, beschloss er, den ersten,dem er auf der Straße begegnete,zu bitten, die Patenschaft des Kin-des zu übernehmen. Dieser Erstewar der gütige Gott, den der armeMann aber nicht als Pate wollte, daer „den Reichen geben und die Armen verhungern lasse“. Dochwusste er nicht, wie weise Gott Armut und Reichtum verteilt. Derzweite war der Teufel. Auch demwollte er sein Kind nicht anver-trauen, da er die Menschen in dieIrre führe. Der dritte war schließ-lich der Tod, dem der Mann seinenSohn gerne als Patenkind über-gab, da er „ohne Unterschied Arme und Reiche nehme“.

Als der Junge groß geworden war,zeigte ihm der Tod als Patenge-schenk im Wald ein wundertätiges

Heilkraut und versprach, ihn zu einemberühmten Arzt zu machen. Er werde amKrankenbett immer auch zugegen sein.Wenn er beim Kopf des Kranken stehe,könne dieser gerettet werden, wenn eraber bei den Füßen stehe, gehört er ihm.Da der junge Mann auf diese Weise im-mer auf den ersten Blick die Lage gleicherfasste und das Heilkraut anwendete,wenn der Kranke zu retten war, sonst aber

wusste, dass kein Kraut auf Erden mehrwirksam sein konnte, wurde er bald zumberühmtesten Arzt der Welt.Da wurde er eines Tages zum kranken Kö-nig gerufen und erkannte gleich, dass ernicht zu retten war, da der Tod zu seinenFüßen stand. Nun griff der Arzt zu einerList, indem er den König umdrehte, dassder Tod nicht mehr bei den Füßen, son-dern beim Kopf zu stehen kam. Der Todwar über ihn sehr erzürnt, drückte aberdieses eine Mal noch ein Auge zu, weil ersein Patensohn war. Doch würde es ihnden Hals kosten, wenn er dies nochein-mal täte. Bald darauf erkrankte auch desKönigs einziges Kind, die Königstochter.Er ließ im ganzen Land verkünden, dassderjenige, der sie vom Tode erretten könn-te, ihr Gemahl werden und einst die Kro-ne erben sollte. Als der Arzt an ihr Bettkam, erkannte er wiederum sogleich, dasssie verloren war, da auch diesmal der Todzu des Mädchen Füßen stand. Er ent-schloss sich, betört durch ihre Schönheitund die Aussicht auf die Krone, seine Listtrotz der Warnung des Todes ein zweitesMal anzuwenden. Das Mädchen kam so-gleich wieder zu Kräften, doch packediesmal der Tod den Arzt mit seiner eis-kalten Hand und führte ihn in eine unter-irdische Höhle, wo Abertausende vonKerzen brannten, große, mittlere und klei-ne, die schon am Verlöschen waren.Jeden Augenblick erloschen einige, an-dere brannten wieder auf, so dass dieFlämmchen in beständigem Wechsel hin-

und herzu hüpfen schienen. Es waren dieLebenslichter der Menschen. Als der Arztden Tod nach seinem eigenen Lebenslichtfragte, erschrak er, als er sah, dass esschon fast ganz heruntergebrannt war. Sobat er den Tod, ihm ein neues Licht anzu-zünden. „Tut es mir zuliebe, damit ichmein Lebens genießen kann, König wer-de und Gemahl der schönen Königstoch-ter.“ Der Tod aber sagte, „ich kann nicht,erst muss eins verlöschen, ehe ein neuesanbrennt“. „Dann stelle das alte Licht aufein neues, das gleich fortbrennt, wenn eszu Ende ist“, sagte der Arzt. Der Tod tatso, als würde er seinen Wunsch erfüllen,und langte ein frisches großes Licht her-bei; da er aber Rache nehmen wollte, ver-sah er’s beim Umstecken absichtlich, unddas kleine Stückchen fiel zu Boden undverlosch. Und alsbald sank der Arzt zuBoden und war jetzt selbst in die Handdes Todes geraten. (Nacherzählung des Grimm-Märchens).

Wenn etwas fortgenommen wird,womit wir tief und wunderbar

zusammenhängen,so ist viel von uns selbst

fortgenommen.Gott aber will, dass wir uns

wiederfinden,reicher um alles Verlorene

und vermehrtum jeden unendlichen Schmerz.

Rainer Maria Rilke

GevatterTodTodGrimmsches Märchen

Eine symbolische Darstellung des Ausbrennens

bei helfenden Berufen

Page 11: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »11«

Das Burn-out-Syndrom bei hel-fenden Berufen wird sehr sym-bolisch im Grimmschen Mär-

chen vom „Gevatter Tod“ dargestellt. DieGeschichte wirft ein Licht auf den Sinnunserer Existenz. Sinn trotz Tod? Frankl:„Der Tod macht das Leben nicht nur nichtsinnlos, er macht es sogar erst sinnvoll.Denn die Lebensverantwortung einesMenschen ist nur zu verstehen in Hinblickauf Zeitlichkeit und Einmaligkeit.“ 1

„Der Mensch ist imstande, eine persönli-che Tragödie in einen menschlichen Tri-umph umzusetzen.“ 2 Unser Starren aufunser unausweichliches Ende, unsereübermächtige Angst über die Brüchigkeitdes Lebens fixiert uns in einer Abhängig-keit. Gerade weil der Tod eine ständigeBedrohung unserer Existenz ist, sindKrankheit und Heilung, Sterben undWandlung, Seiten derselben Gestalt. Wirhaben oft deutliche Ideen, wie Leben zusein habe, und weil unser gelebtes Lebendiesen Ideen nicht entspricht, sind wir oftnicht einverstanden damit, sehen auchdas, was eigentlich ist, NICHT. Erst in Si-tuationen, wo das Ich keinen Auswegmehr weiß, wenn es uns also sehr schlecht

geht, sind wir offen für etwas, was ausdem Unbewussten kommt. Es ist eine Si-tuation von Tod und Wiedergeburt. DieseSituation ist in der Therapie sehr häufiganzutreffen.„Was am Ende zählt, ist das Sinnvolle un-ter dem Verwirklichten, ist das Gute un-ter dem Gewählten, ist das Schöne unterdem Erlebten, ist das Tapfere unter demErlittenen, ist das einer Ewigkeit würdi-ge, das in die Ewigkeit hinein gerettetworden ist.“ 3

Krisen sind Chancen - Wachstum undHeilung sind nur möglich, wenn Altes los-gelassen wird und auch stirbt. Sich auf dasLeben einlassen, neue notwendige Le-bensschritte zu gehen, das heißt immerauch ein Abschiednehmen von Vergan-genem. Es fordert von uns loszulassen,immer wieder loszulassen - vieles ist vor-bei, jedoch eingebettet in die Ewigkeit.„Es ist gut so, wie es jetzt ist“ - dann er-ahne ich den tieferen Sinn in einer wohl-tuenden Gelassenheit. Wenn wir uns nicht freiwillig auf den zy-klischen Verlauf der Lebensvorgänge ein-stimmen, werden wir schließlich von ih-nen eingeholt. Dann mag es eine

manifeste Krankheit, das „existentielleVakuum“ oder die „Midlife-crisis“ sein,die uns zur Suche nach dem Sinn heraus-fordert, mit dem Ziel, dass wir unserenLebenskreis ohne Bitterkeit schließenkönnen.Selbst am Vorabend der Apokalypse nichtzu resignieren, sondern „ein Apfel-bäumchen pflanzen“? Die größte Gefahr,als Helfende auszubrennen, besteht darin,in einer Pose der eigenen Omnipotenz zuverharren.Das Märchen vom „Gevatter Tod“ lehrtuns, dass besonders wir professionellenHelfer die Existenz des Todes anerkennenund insgesamt die Grenzen unserer Kunstakzeptieren müssen, anstatt in der an-maßenden Haltung des allmächtigen Hei-lers uns zu versuchen.Literatur1 Viktor E. Frankl, Ärztliche Seelsorge, Verlag Franz Deuticke, Wien, 10. Auflage 1982, Seite 832 Viktor E. Frankl., Der unbewusste Gott, dtv, München, 7. Auflage 1988, Seite 873 Elisabeth Lukas, Die magische Frage wozu?, Herder, Freiburg, 1991, Seite 48Anthony de Mello, Was weiß der Frosch vom Ozean, Herder, Freiburg, 2002Anselm Grün, Buch der Lebenskunst, Herder, Freiburg, 5. Auflage, 2003

- HEIDI ILSINGER

FOTO: ILSINGER

Page 12: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Würde & TOD

»12« no:os Heft 03/2004-3

Die Beschäftigung mit exi-stentiellen Fragen stellt einwesentliches Kennzeichen

der sinnzentrierten Psychothera-pie dar. Der Sinnbegriff und seinBezug zu Tod und Sterben kann imRahmen der Thanatopsychologieempirisch nachgewiesen werden.Die integrative Bedeutung desSinnbegriffs wird in der ganzheitli-chen Betrachtungsweise von Le-ben, Sterben und Tod sichtbar. ImLeiden und Sterben eines Men-schen wird seine Würde transpa-rent. Der sinnvolle Umgang mitLeid, Sterben und Tod zeigt sich imAnnehmen des Todes, im verant-wortungsbewußten Handeln undin einer würdevollen Sterbebeglei-tung, die Menschen in ihrer exi-stentiellen Not annimmt und sie er-leben lässt, dass sie ihren Wert undihre Würde durch all das Leid undSterben hindurch bewahren.

I. EinleitungDie Auseinandersetzung mit dem Lei-

den, Sterben und dem Tod in unserer Zeiterfolgt auf dem Hintergrund einer ständigzunehmenden Lebenserwartung der Be-völkerung, beeindruckender Fortschrittein der Intensivmedizin und deutlich ver-

besserter Lebensbedingungen in derwestlichen Welt.

Ethik und Politik scheinen mit den ra-santen Entwicklungen in Medizin, Bio-genetik und Humanbiologie und der zu-nehmenden Komplexität nicht mehrSchritt halten zu können. Davon zeugendie zunehmende Tendenz zu Polarisie-rungen, unübersehbare Spannungen undauch Anzeichen von Resignation ange-sichts der Unüberschaubarkeit und Viel-schichtigkeit der Probleme.

Das Wohl einer Gesellschaft wird al-so zunehmend davon bestimmt, inwiefernes gelingt, angesichts der großen Fort-schritte in Medizin, Biologie und ihrer an-gewandten Techniken das ethische Be-wusstsein in demselben Maßeweiterzuentwickeln und die darauf grün-dende Handlungskompetenz entspre-chend zu erweitern.

Die sinnzentrierte Psychotherapiekann auf eine lange Tradition in der Be-schäftigung mit ethischen und existenti-ellen Fragestellungen verweisen.

Im Folgenden sollen daher der Sinn-begriff, dazu vorliegende empirische Un-tersuchungen, seine integrative Bedeu-tung, ethische Aspekte und was demMenschen Halt trotz seiner Vergänglich-keit verleiht in Hinblick auf das Leben,Leiden, Sterben und den Tod erörtert und

damit in Zusammenhang stehende Fragenbeantwortet werden.

II. Der Sinnbegriff, empirische Untersuchungen und seine integrative Bedeutung

Nach Gregory Bateson (1973) undRobert Dilts (1987) wird dem Sinnbegriffim Rahmen von Veränderungsprozesseneine besondere Bedeutung beigemessen.

Reinhard Tausch untersuchte dieSinnkonzeptionen und unterschiedlichenSinnerfahrungen von 140 Befragten„Denn mir war klar geworden: Erfahrun-gen von Sinn und Sinnlosigkeit sind sehrbedeutsam für das Erleben und Verhaltenfür die seelische Gesundheit von Men-schen.“ (1)

Die Untersuchungen zeigten, dasssich Sinnerfahrungen auf seelisch-kör-perliche Vorgänge auswirken. Auf Übe-reinstimmungen verweisen auch die Er-gebnisse von James C. Crumbaugh undLeonhard T.Maholik (1963) und Elisa-beth Lukas (1982). Sie bestätigen insge-samt die Existenz eines „Willens zumSinn“, der, wenn er frustriert wird, Sinn-losigkeits- und Leeregefühle verursacht.

Für Viktor E. Frankl zählt der Tod ne-ben der Schuld und dem Leid zur tragi-schen Trias im menschlichen Leben. DieBewältigung des Todes steht in unmittel-

Leid, Sterben und Tod aus Sicht derLogotherapie und Existenzanalyse

Abschiednehmen in

Würde

Page 13: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »13«

barem Zusammenhang mit der Bewälti-gung des Lebens.

„Woher kommt es, dass sich alles inuns dagegen sträubt? Das rührt daher, dasses gar nicht wahr ist, dass dem Menschendaran liegt, leiblich zu vegetieren; worumes ihm lediglich zu tun ist, das ist letzt-lich: geistig zu existieren. Er will nicht dasein, da sein um jeden Preis; sondern das,was er wirklich will, ist: sinnvoll sein.Nicht die Dauer der Existenz ist maßge-bend und ausschlaggebend, sondern dieSinnfülle der Existenz. Kann doch einkurzes Leben sinnvoll sein, während einlanges Leben sinnlos bleiben kann. Ja,mehr als dies: gäbe es keinen Tod, wäredas Leben also überhaupt endlos, so wä-re es ebendarum auch schon sinnlos. DerMensch könnte alsdann alles und jedesimmer wieder aufschieben: ebensogutwie heute könnte er etwas ja auch mor-gen und übermorgen tun. Es gäbe keiner-lei Verpflichtung dazu und keinerlei Ver-antwortung dafür, den Augenblick zunützen, um Werte zu verwirklichen unddas Dasein mit Sinn zu erfüllen.“ (2)

Die Untersuchungsergebnisse Mun-nichs (1961, 1966, 1968, 1973, 1984) be-stätigen, dass die Einschätzung, ein er-fülltes Leben geführt zu haben, eine großeBedeutung für das Annehmen des Todesim Alter hat.

Durlak (1972) überprüfte die Hypo-these, ob zwischen dem Sinnerleben undder Furcht vor Tod und Sterben eine ne-gative Beziehung besteht. Bei zwei ge-trennten Stichproben von Schülern undStudenten stellte er Korrelationen von -.54 und -.68 zwischen dem „Purpose inLife Test“ (PIL) von Crumbaugh & Mah-olik (1964) und der FODS von Lester(1967) fest. Durlak (1973) wiederholtedas Ergebnis bei einer Gruppe ältererFrauen.

Blazer (1973), Bolt (1978) und Dro-let (1990) fanden ebenso signifikante ne-gative Korrelationen zwischen dem PILund der Todesfurcht.

Florian & Snowden (1989) berichtenvon einem inversen Zusammenhang zwi-schen der „Fear of Personal Death Scale“und der Wertschätzung des Lebens. Eineeindeutige Beziehung lässt sich zwischenLebenszufriedenheit und Todesfurchtherstellen. Hochängstliche Personen ge-ben weniger Zufriedenheit an als niedri-gängstliche (Hickson et al. 1988: Given& Range 1990; White & Handal 1990-91).

Eine deutsche Untersuchung vonKumpf (1976) ergab keine negativen Zu-

sammenhänge zwischen Sinnerleben undTodesfurcht. „Auf zwei Dimensionen tra-ten sogar signifikante positive Korrelatio-nen auf: Je mehr Bedeutung im Leben ge-sehen wurde, desto größer war die Furchtvor dem Totsein und die Furcht vor derphysischen Zerstörung. Möglicherweisedrückt sich in der Umkehrung der Bezie-hung eine qualitative Veränderung desSinnerlebens von Jugendlichen aus.

Wenn gesellschaftliche Prozesse dazugeführt haben, dass sich die Werte in denSiebziger-Jahren in Richtung Selbstori-entierung, Hedonismus, Eskapismus undGegenwartsorientierung verschoben(z.B. Leger 1980), dann wäre es erklär-bar, warum gerade der Verlust der Fähig-keit, Erfahrungen zu machen und der Ver-lust des Körpers, der Basis sinnlicherErlebnisse, als besondere Bedrohung er-lebt werden.“ (3)

Die empirischen Untersuchungen be-stätigen die Bedeutung des Sinnerlebensund der Lebens-zufriedenheit für die Be-wältigung der Furcht vor Tod und Ster-ben. Andererseits geht eine höhere Be-deutung, die dem Leben geschenkt wird,mit einer größeren Furcht vor dem Tot-sein einher, was auch mit einem Werte-wandel in Zusammenhang gebracht wird.Die integrative Bedeutung des Sinnbe-griffs zeigt sich darin, dass Leben, Ster-ben und Tod eine Einheit bilden und zu-sammengehören. Zum Sinn des Lebensgehört auch die Grenze in Form des To-des. Der Sinn des Todes wiederum er-schließt sich über das einzigartige undeinmalige Leben des Menschen. Das Bildvon Zaun und Garten veranschaulicht die-sen Zusammenhang. Der Zaun ist nursinnvoll, weil es einen Garten gibt und dieForm des Gartens wird nur durch denZaun erkennbar. – Der Sinn des Sterbenswird sichtbar im oft schweren Ringen umdas Annehmen des Todes.

III. Ethische AspekteWie der Mensch mit seinem Leiden,

Sterben und Tod umgeht, wird damit zurentscheidenden Frage. – Daraus wirdauch verständlich, weshalb Viktor E.Frankl der Verwirklichung von Einstel-lungswerten eine besondere Sinnträchtig-keit beimisst. – Wie der Mensch sein Lei-den trägt, wird auch als ein Zeichen derReife betrachtet.

„Sinnvolles Leiden ist ein Leiden<um .......willen>. Indem wir es akzeptie-ren, intendieren wir es nicht nur, sondernintendieren wir durch das Leiden hin-durch etwas, das mit ihm nicht identisch

ist: wir transzendieren das Leiden.“ (4)Der Mensch, der über sich selbst hin-

auswächst, reift zu sich selbst heran. Trotzwidrigster Umstände wie Konzentrati-onslager und Kriegsgefangenschaft undmassiven Einschränkungen seines Schaf-fens und Erlebens vermag er zu einer in-neren Freiheit zu gelangen.

Die Tagebücher von Etty Hillesum,die unter dem Titel „Das denkende Herz“erschienen sind, stellen ein ergreifendesZeugnis einer solchen inneren Reifungdar. „Das Leben hier (Anm.: Konzentra-tionslager Ausschwitz) kostet mich nichtviel von meiner wesentlichen Kraft – kör-perlich wird man zwar etwas mitgenom-men und ist oft bodenlos traurig – aber imInnersten wird man immer stärker.-

Das Leben und das Sterben, das Leidund die Freude, die Blasen an meinenwundgelaufenen Füßen und der Jasminhinterm Haus, die Verfolgungen, die zahl-losen Grausamkeiten – all das ist in mirwie ein einziges starkes Ganzes, und ichbeginne immer mehr zu begreifen, wie al-les zusammenhängt, ohne es bislang je-mandem erklären zu können.“ (5)

Im Leiden und Sterben eines Men-schen wird seine Würde transparent. Dasses zum Mensch-sein gehört, ein leidenderzu sein – ein Homo patiens, erschließt sichihm als wesentliches Merkmal unseresDaseins.

Die Thanotopsychologie (RandolphOchsmann 1993) konnte nachweisen,dass Personen, die sich mit dem Tod aus-einandersetzen, eher zu einer positivenBewertung tendieren, weil er Teil ihrerpersönlichen Zukunft wird, die sie nichtals Bedrohung sehen wollen (dazuSchneider 1984). Im Gegensatz dazu nei-gen Personen zur Verdrängung des Todes,die sich mit dieser Thematik nicht be-schäftigen.

Wie der Mensch mit Leiden, Sterbenund Tod umgeht, betrifft jedoch nicht nurihn als Person sondern auch sein unmit-telbares Umfeld und das gesellschaftlicheSystem, dem er angehört. Sich den her-ausfordernden, oft belastenden und drän-genden Fragen des „Homo patiens“ zustellen, kann als notwendige und fort-währende Aufgabe angesehen werden,die dazu beiträgt, einen menschenwürdi-gen Umgang mit den letzten Fragen desMenschen zu finden.

IV: Was dem Menschen Halt trotzseiner Vergänglichkeit verleiht

Gibt es so etwas wir Halt angesichtsder Vergänglichkeit?

Page 14: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»14« no:os Heft 03/2004-3

Würde & TODSeit Jahrtausenden geht der Mensch

dieser uralten Frage nach. In unübertreff-barer Weise sucht das Buch Hiob nachAntworten angesichts der Geworfenheitunserer Existenz und in Hinblick auf dieFrage nach einem letzten Halt.

Hiobs Antwort ist letztlich eine meta-physische, religiöse.

„Der Herr hat gegeben, der Herr hatgenommen; gelobt sei der Name desHerrn.“ (6)

Viele Menschen finden einen letztenHalt in Gott, dem sie sich auch in ihrenletzten Stunden anvertrauen. „Dein Willegeschehe!“ betete ein Freund bis zu sei-nem letzten Atemzug.

In einer zunehmend säkularisiertenWelt stellt sich aber auch die Frage nachAntworten jenseits von Metaphysik undReligion.

Untersuchungen belegen, dass sichreligiöse und nicht religiöse Menschenhinsichtlich des Auftretens und der Be-wältigung todbezogener Angst nicht un-terscheiden. Allerdings konnten eindeuti-ge Belege für Veränderungen derEinstellungen zum Diesseits und Jenseitsals Folge der Konfrontation mit Tod undSterben erbracht werden. (siehe Ochs-mann 1993, S.148)

Viktor E. Frankl betrachtet die Ver-gänglichkeit unter dem Aspekt des „Ver-gangenseins“. „Für gewöhnlich sieht derMensch nur das Stoppelfeld der Ver-gänglichkeit; was er übersieht, sind dievollen Scheunen der Vergangenheit. ImVergangensein ist nämlich nichts unwie-derbring-lich verloren, vielmehr alles un-verlierbar geborgen. Aber nicht nur schaf-fend füllen wir die Scheunen unsererVergangenheit, erfüllen und verwirkli-chen wir Sinn und Werte, sondern aucherlebend und leidend.“ (7)

Während die schöpferischen Wertedie aktive Lebensgestaltung in Beruf,Freizeit, Familie, Partnerschaft und Ge-sellschaft betonen, stehen bei den Erleb-niswerten das Erleben, die Hingabe unddas Sich-ergreifen-lassen im Vorder-grund.

Die höchste Form der Wertverwirkli-chung geschieht durch die konkrete Um-setzung von Einstellungswerten, wie derMensch mit Einschränkungen des Le-bens, mit Leid, Sterben und Tod umgeht.

In seinem bekannten Fallbeispiel„Frau Linek“ beschreibt Viktor E.Frankl,wie bedeutungsvoll die Würdigung vonwertvollen Lebenseinstellungen durchdie Mitmenschen ist und auch angesichtsvon Leid, Tod und Vergänglichkeit Sinn

entdeckt werden kann.„Langsam ging die alte Frau aus dem

Hörsaal. Eine Woche später starb sie. Siestarb wie Hiob: satt an Jahren. Währendihrer letzten Lebenswoche aber war sienicht mehr deprimiert. Im Gegenteil, siewar stolz und gläubig. Anscheinend hat-te ich ihr zu zeigen vermocht , dass auchihr Leben sinnvoll war, ja dass noch ihrLeiden einen tieferen Sinn hatte.“ (8)

Die Therapieziele der sinnzentriertenPsychotherapie wie Stärken der Selbst-transzendenz, Weiterentwicklung derLeidfähigkeit und das Übernehmen vonVerantwortung können dazu beitragen,dass Leidende, sterbenskranke Men-schen, Angehörige, betreuende Personenund Ärzte Antworten auf die Frage nachder Vergänglichkeit finden.

In diesem Zusammenhang sei auchdie Hospizbewegung genannt, die sich inbesonderer Weise für ein menschenwür-diges Sterben und eine sinnvolle Sterbe-begleitung einsetzt.

V. Was verbirgt sich hinter demSterbewunsch eines Menschen?Entspricht er wirklich seinemWunsch, nicht mehr weiterlebenzu wollen, oder ist er vielmehr alsHilferuf zu sehen?

Der Schweizer Schriftsteller Josef Vi-tal Kopp schreibt an Leukämie erkranktin seinem letzten Lebensjahr: „Wenn mansich vor Schmerzen über den Teppichwälzt, den Atem presst und sich mit äußer-ster Mühe der Klagen erwehrt, danntaucht die Fata Morgana auf. Jetzt schleu-nigst sterben, nur rasch fort und weg.Wenn sich dann plötzlich das Blut wiederbekehrt, die Schmerzen sinken und wohl-befindliche Stunden wie aus dem Nichtsauftauchen, dann ist man betreten, fast in-digniert, dass man nun plötzlich wiederumdisponieren muss.“ (9)

Der Sterbewunsch eines Menschenwurzelt oft in Gefühlen wie Einsamkeit,Verlassenheit, Resignation, Traurigkeitund Sinnlosigkeit.

Der Sterbewunsch löst auch Betrof-fenheit aus, fordert zu Stellungnahme undzum Mitleiden heraus und erbittet unsereAnteilnahme. Er kann auch als Ausein-andersetzung mit der Vergänglichkeit undals Ringen um das Annehmen des Todesbetrachtet werden. Unzweifelhaft stellt ereinen unüberhörbaren Aufruf an uns Mit-menschen dar, den Menschen in seinerBedrängnis und existentiellen Geworfen-heit anzunehmen. Wahre Anteilnahmeversucht die existentiellen Fragen ernst zu

nehmen, auch wenn sie belastend sindund Betroffenheit auslösen.

Im Buch Hiob erweisen sich die Hel-fer nicht nur als hilflos, sondern werdenihm sogar zur Last. Ihre Belehrungen undErmahnungen erreichen ihn nicht. Der lei-dende Hiob erwartet nichts so sehr als ihrErbarmen und ihr Mitleid.

Wie schwer sich selbst professionelleHelfer tun, leidende Menschen und ihrLeid anzunehmen, erlebte ich als Super-visor an einer Therapiestation für Dro-gensüchtige. Ein Teilnehmer der Super-visionsgruppe berichtete von einem anAIDS erkrankten Mann mittleren Alters,den er auf seinem schweren Weg zu be-gleiten versuchte. In seinem Bemühen,gemeinsam möglichst viele Sinnmög-lichkeiten für die ihm noch verbliebeneZeit zu entdecken, überhörte er der ei-gentlichen Fragen und wehmütigen Kla-gen des tief getroffenen Mannes.

Der Sterbewunsch eines Menschenbedeutet eine besondere Herausforderungfür seine Angehörigen, Freunde und pro-fessionellen Helfer auf dem Hintergrundder konkreten Situation, sein wesentlichesAnliegen heraus zu hören, ihn in seinerexistentiellen Not anzunehmen und ihm,wenn notwendig, Hilfe anzubieten.

VI. In welchem Zusammenhangsteht der Sterbewunsch mit derSinnfrage?

Die Sinnfrage angesichts des Sterbe-wunsches eines Menschen stellt sichzweifach. Zum einen betrifft sie den Men-schen selbst, der diesen Wunsch geäußerthat, und zum anderen seine unmittelbareUmgebung.

Wer in seinem Leben keine Aufgabe,keinen Sinn mehr zu entdecken vermag,dessen Lebenswille beginnt nicht seltenabzunehmen.-Umgekehrt zeigen vieleErfahrungen in Konzentrationslagern undauch in der Psychotherapie, dass gute undlangfristige Ziele inneren Halt, Mut undHoffnung verleihen. Viktor E.Frankl be-richtet von Häftlingen, die sich allgemeinder Hoffnung hingaben, kommendes Jahrzu Weihnachten wieder daheim zu sein.Diese Erwartung erfüllte sich jedochnicht. In der Woche zwischen Weihnach-ten und Neujahr kam es in diesem Kon-zentrationslager zu einem Massensterben.Wer in seinem Leben keine Aufgabe mehrsieht, sich nichts mehr erwartet, läuft Ge-fahr aufzugeben und zu verzweifeln.Wem es jedoch gelingt, die kopernikani-sche Wendung zu vollziehen und in sei-nem Leben wieder Aufgaben, Hoffnung

Page 15: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »15«

und Sinn zu entdecken, weiß sich gehal-ten und vermag auf die drängenden Fra-gen seines Lebens zu anworten und seinLeben insgesamt zu ver-antworten.

„Tatsächlich stellte sich bald heraus,dass jenseits von dem, was die beidenHäftlinge vom Leben zu erwarten hatten- ihr Leben mit ganz konkreten Aufgabenauf sie wartete. … Auf den einen wartetesomit ein Werk, auf den andern einMensch. Beide waren demnach gleicher-maßen in jener Einzigartigkeit und Un-vertretbarkeit bestätigt, die dem Lebentrotz des Leidens einen unbedingten Sinnzu geben vermag.“ (10)

Diesen Erfahrungen kommt auchauch in der psychotherapeutischen Praxiseine besondere Bedeutung zu. Ein de-pressiver und von massiven Sinnzweifelngeplagter Patient, der das Fehlen vonsinnvollen Zielen in seinem Lebenschmerzlich vermisste, ließ sich von die-sem Erfahrungsbericht Viktor E. Franklsbesonders beeindrucken und sich ermuti-gen, seine konkrete Sinnsuche wiederaufnehmen. Auch eine Frau bestätigte die-se Erfahrungen anlässlich einer Tagungeines Selbsthilfevereins von Dialysepati-enten und Nierentransplantierten: „Alsmein Lebenswille bereits sehr schwachwar, bat mich mein Mann, ich möge dochihm zuliebe am Leben bleiben.- Diesesinnvolle Aufgabe hat mich tatsächlicham Leben erhalten.“

Der Sinn des Sterbens liegt im An-nehmen des Todes. Insofern kann derSterbewunsch eines Menschen zur sinn-vollen Auseinandersetzung mit existenti-ellen Fragen und der Bewältigung vonAngst und Furcht vor dem Tod beitragen.Damit wenden wir uns den Sinnangebo-ten zu, die Angehörige und professionel-le Helfer zu vermitteln vermögen.

„Wenn man viele Jahre lang an denSterbebetten von Kindern und alten Leu-ten sitzt, ihnen zuhört und sie auch wirk-lich anhört, werden sie bemerken, dass siewissen, ob der Tod nah ist. Da sagt ihnenauf einmal jemand auf Wiedersehen,wenn sie noch gar nicht daran denken,dass der Tod schon bald eintreten könnte.Wenn sie aber dann diese Aussage nichtvon sich weisen, sondern sitzen bleiben,so sagt ihnen der Sterbende noch alles,was er ihnen mitteilen möchte. Wenn die-ser Kranke dann stirbt, haben sie doch eingutes Gefühl, dass sie vielleicht die ein-zige Person waren, die seine Worte ernstgenommen hatte.“ (11)

Indem wir Anteil nehmen am Leid,ihm das Gefühl geben, wertvoll zu sein,

und ihn erleben lassen, dass seine Würdedurch all das Leid und Sterben hindurchbestehen bleibt, werden wir dem Aus-spruch Viktor E. Frankls gerecht: „Durchdas Trösten anderer werden wir selbst ge-tröstet.“(12)

VII. Der Sinn des Todes als letzteVerwesentlichung des Lebens

Der Sinn bezieht sich nicht auf denTod als Faktum sondern darauf, wie wirmit dem Tod umgehen. Im Reifwerdenzum Tode hin, im Annehmen des Todesund in der würdevollen Begleitung wirderkennbar, was unter einem sinnvollenUmgang mit dem Tod zu verstehen ist.Der schon einmal erwähnte Dichter JosefVital Kopp schreibt: „Das Gepäck ist ge-schnürt, der Seegang wird sanft und manwird nicht fertig alle Wunder einzuheim-sen, die sich bieten.- Das Entscheidendeverträgt immer weniger Lärm.“ (13)

Der Sinn des Todes besteht in einerletzten Verwesentlichung des Lebens, diedie Würde und Einzigartigkeit der Persontransparent werden lässt.

Der Tod als unverrückbare Lebens-grenze stellt für den Menschen eine stän-dige Herausforderung dar, sich seiner im-merwährenden Verantwortung bewußt zuwerden und danach zu handeln. Die Be-reitschaft zu verantwortlichem Handelnim Leben und das Annehmen des Todeskönnen als Prozesse angesehen werden,die auch von Krisen, einem oftmals un-vorstellbarem Ringen, Sinnlosigkeitsge-fühlen und großem Leid gekennzeichnetsind. Reifwerden und persönlichesWachstum beinhalten auch Irrwege,Schmerzen und Leid.

Das betrifft auch die Mitleidenden.Ich erinnere mich an den Tod einer an

AIDS verstorbenen Mitarbeiterin einesDrogentherapiezentrums in Caltanisettaauf Sizilien. Ich sehe noch deutlich dasBild jener rotblonden, sommersproßigen,jungen Frau mit dem Namen Chiara vormir, die zuvor selbst drogenabhängig warund sich nun sehr für Drogensüchtige ein-setzte. Ihr unerwarteter Tod hatte alle,Therapeuten und die ganze Gemeinschafttief erschüttert und bewegt. Zugleich ver-spürte ich aber auch eine ungeheuer star-ke Solidarität und einen ganz intensivenGemeinschaftssinn, so als wollten sie erstrecht dieser schrecklichen Krankheit undihren Ursachen trotzen.

Als ich die Mutter zum Grab ihrerTochter begleitete, vertraute sie mir an,dass ihr in den letzten Jahren, seit Chiarain dieser Gemeinschaft arbeitete, ihre

Tochter, die sie für verloren hielt, wiedergeschenkt worden sei. Die herzliche undliebevolle Beziehung zu ihrer Tochterwährend der letzten Monate ihres Lebenssei für sie ein wunderbares Geschenk ge-wesen, das ihr in ihrer tiefen Trauergroßen Trost gespendet habe.

Ein sinnvoller Umgang mit dem Todwirkt über den Tod hinaus. Er kann zureigenen Bewältigung des Todes zu Soli-darität und Verantwortungsbereitschaftanleiten.

VIII. Resümee Die Sinnfrage führt uns zu den Wur-

zeln unserer Existenz. Wie wir mit Leid,Sterben und Tod umgehen, wird damit zurentscheidenden Frage.

Der Sinn des Leidens liegt in der Ver-wesentlichung unserer Existenz, die unsdie Einzigartigkeit und Würde des Men-schen gewahr werden lässt.

Der sinnvolle Umgang mit den letz-ten Fragen des Menschen kann als le-benslanger Prozess beschrieben werden,der Aggressionen, Ängste, Ohnmachts-,Sinnlosigkeits- und Verlassenheitsgefüh-le beinhaltet. Während sich der Sinn desSterbens im Annehmen des Todes er-schließt, wird der Sinn des Todes in derEinmaligkeit und im Verantworten unse-res Lebens erfahren.Leid, Sterben und Tod stellen eine be-sondere Herausforderung für die An-gehörigen, professionellen Helfer undschließlich für das ganze gesellschaftlicheSystem dar. Eine würdevolle Sterbebe-gleitung zeigt sich im Anhören und An-nehmen der existeniellen Not des Men-schen, im Anteilnehmen und Mitleiden.Sie unterstützt damit auch die Bewälti-gung der eigenen Todesangst und fördertSolidarität und verantwortungsbewußtesHandels. Literatur1. Tausch, Reinhard (1993). Sinn-Erfahrungen. Bochum:Medizinische Materialien, Heft 86, S.12. Frankl, Viktor E. (1984). Der leidende Mensch. Bern: Hans Huber, S.2113. Ochsmann, Randolph (1993). Angst vor Tod und Sterben. Göttingen:Hogrefe, S.724. Frankl, Viktor E.(1984). Der leidende Mensch. S.2095. Gaarlandt, J.G.(1995). Das denkende Herz. Reinbek: Rowohlt, S.2106. Weiser, Artur (1968). Das Buch Hiob. Göttingen: Vandenhoeck&Ruprecht, S.257. Frankl, Viktor E.(1987). Logotherapie und Existenzanalyse.München:Piper, S.1428. Frankl, Viktor E.(1983). Ärztliche Seelsorge. Frankfurt: Fischer, S.2339. Unveröffentliches Manuskript10. Frankl, Viktor E.(1983). Ärztliche Seelsorge. S.11211. Kübler-Ross, Elisabeth (1987). Über den Tod und das Leben danach. Melsbach: Graphica, S.812. Frankl, Viktor E.(1984). Der leidende Mensch. S.20613. Unveröffentlichtes Manuskript

- OTMAR WIESMEYR

Page 16: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»16« no:os Heft 03/2004-3

STrauer & TOD

„Schmerzt dich der Verlust einer Sache, ist es ein Zeichen, daß Du sieliebtest als Du sie hattest.“

Augustinus

Trauerphänomene sind vielgestaltigund treten nicht nur durch den Todeines geliebten Mensch auf. Wir er-

leben Sterben und Tod in vielen Aspekten:Trennung, Verlust, Entzug - all diese Be-reiche beziehen die Vergänglichkeit mit ein:Abschied von der Jugend,wenn man er-kennt, daß die Realitätsprüfung im Hier undJetzt den Idealen von einst nicht mehrstandhält.

Trauer beinhaltet aber auch dieungelebten Bereiche: als Abschied vonden eigenen Wünschen, wenn wir erken-nen, daß sich das, was wir erträumt haben,nie mehr erfüllen wird: der Partner, den wirhätten lieben können, hat jemand anderenerwählt. Die „große Sehnsucht vom klei-nen Leben“ (D. Hellmann) bleibt unerfüllt:wir haben das Wunschkind zu lange hin-ausgeschoben. Den Traumberuf haben wiraus Bequemlichkeit nicht ergriffen: daß eruns erfüllt hätte, wissen wir erst, seit wir er-kannt haben, daß der Zug längst abgefah-ren ist.

Und schließlich die großen end-gültigen Abschiede, die uns jene neh-men,die uns von Anfang an begleiteten:aufhören, Enkelkind oder Kind zu sein. Diegrausame Paradoxie der nicht eingehalte-

nen Generationenfolge: Eltern, die ihreKinder gehen lassen müssen. „ Als meineTochter starb, habe ich das Weinen ver-lernt,“berichtet Olga P, die ihr ältestes Kindvor zwanzig Jahren durch eine schwereK r a n k h e i tve r lo r.Diebittere Er-kenntnis, daßauch unserefrühesten Ge-fährten undF r e u n d enicht unver-w u n d b a rsind: „Am Tag, alsConny Kra-mer starbund alleG l o c k e nklangen/daswar eins c h w e r e rTag/ weil inmir eine Welt zerbrach.“ So versuchte inden 1970er Jahren Juliane Werding mitihrem berühmten Antidrogensong die Trau-er um den Verlust ihrer ersten Liebe zu ver-arbeiten.

Doch auch das Abbrechen einerBeziehung kann ähnliche Verzweif-lung auslösen, kann ähnlich unserSelbsterleben erschüttern wie der

reale Tod eines Partners. All dem ge-meinsam ist der tiefe innereSchmerz, der in seiner Nichtannah-me und in seinem Nichtaushaltenzur großen Gefahr wird.

Der Konflikt Liebe und Tod begleitetuns unser ganzes Leben, bei einem wirkli-chen Sterben jedoch wird er radikal gestellt.Leben steht wesentlich unter dem Aspektdes immer wieder notwendigen Abschied-nehmens, und um Abschiede, welcher Artsie auch sein mögen, zu verkraften, müs-sen wir trauern können, müssen wir mitdem ständigen Abschiednehmen umgehenkönnen.Wie bewältigen wir den Verlustvon geliebten Menschen, sei es durch Tododer Trennung, wie lange brauchen wir, umden Schmerz zu überwinden und uns für ei-nen Neubeginn in unserem Leben zu öff-nen?

In der Trauerforschung hat sich diesbe-züglich ein Vier - Phasen - Modell etabliert:die Phase des Nicht-Wahrhaben-Wol-lens - in dieser herrscht meistens Empfin-dungslosigkeit vor, welche nicht einer Ge-fühllosigkeit, sondern einem Gefühls-schock entspringt- die Phase der auf-brechenden Emotionen, in der Wut,Ruhelosigkeit und inneres Chaos vorherr-schen- die Phase des sich Suchensund sich Trennens- und die Phasedes neuen Selbst- und Weltbezugs:der Verlust wird nun zunehmend akzeptiert,

„...das ist alles, was mir blieb von dir.“Abschiede im Leben sind Vorboten

des Abschieds vom Leben.Versuch einer Auseinandersetzung

mit Trauer und Trennung.

Page 17: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »17«

ohne daß der Verlorene oderVerstorbene deshalb einfachvergessen wäre. „Wieschmerzvoll Trauer auch seinmag, wenn man durch sie hin-durchgeht - die meisten Men-schen sind offenbar in der La-ge, nach einer mehrmonatigenPhase der Trauerarbeit weiter-zuleben und im Alltag zufunktionieren. Durch dieseTrauerarbeit wird dieLücke im Beziehungs-netz ausgebessert - dasNetz ist dann zwar nurein geflicktes Netz undnicht mehr so schön wiefrüher, aber es funktio-niert.“

Wir begegnen einer Band-breite von Trauerphänome-nen, die von der Unfähigkeit,Schmerz zuzulassen bis zutiefer Verzweiflung und völli-ger Fassungslosigkeit reicht.

Allerdings gibt es unter besonderenUmständen auch bei der Trauer patholo-gische Formen, die - entweder durch ihreüberlange Dauer oder durch ihr spezifi-sches Erscheinungsbild -an die klinischeDepression grenzen oder in diese überge-hen.

Deshalb wird die Unterscheidung ineine normale und traumatische Trauerre-aktion getroffen.

Diese Grenzziehung beschäftigte Sig-mund Freud bereits zu Beginn des20.Jahrhunderts: in seiner Arbeit „Trauerund Melancholie“ (1917) bezeichnet derBegründer der Psychoanalyse erstmalsTrauer als „Reaktion auf den Verlust ei-ner geliebten Person oder einer an ihreStelle gerückten Abstraktion wie Vater-land, Freiheit, ein Ideal...“

Freud wählte somit eine relativ breitePerspektive, in welcher Trauer nicht nurim Zusammenhang mit dem Tod eines na-hestehenden Menschen, sondern allge-mein als naheliegende Reaktion auf Ver-lusterlebnisse gesehen wird. In seinenweiteren Ausführungen charakterisiert erTrauer als einen schmerzlichen, aber nor-malpsychischen Prozeß, bei welchem dieLibido schrittweise aus ihren Verknüp-fungen mit dem verlorenen Objekt abge-zogen und einem neuen Objekt zugeord-net wird.

Im Gegensatz dazu ist nach Freud die„Melancholie seelisch ausgezeichnetdurch eine tiefe schmerzliche Verstim-mung, eine Aufhebung des Interesses für

die Außenwelt, durch den Verlust der Lie-besfähigkeit, durch die Hemmung jederLeistung und die Herabsetzung desSelbstwertgefühls.“

Eine Differenzierung, die bereits inder antiken Mythologie angedacht wur-de: Niobe erstarrt nach der Ermordungihrer 14 Kinder zu Stein. Orpheus erträgtden Tod seiner Frau Euridike, die er durcheigene Schuld an die Unterwelt verliert,nicht: auch er verfällt in Stupor,“ beschmutzt und trauernd, die Gabe derCeres verschmähend.“

Damit wird eine der möglichenWurzeln der pathologischen Trau-er sichtbar: sich am Tod eines na-hestehenden Menschen schuldigzu fühlen oder dies tatsächlich zusein.

Damit das Leben nach dem Verlustnoch als lebenswert empfunden werdenkann, ist es notwendig, eine neue, verin-nerlichte Beziehung zum Verlorenen auf-zunehmen. Existenzanalytisch ist es nichtnotwendig, die Libido vom verlorenenObjekt abzuziehen: die Beziehung zumDu oder zur Sache bleibt erhalten, es än-dert sich allerdings die Form, wie sie ge-lebt wird. Ein wesentlicher Aspekt derTrauer liegt in der durch Einstellungs-modulation möglichen Erhaltung der Be-ziehung. Gelingt dies, ist die Aufnahmevon neuen Beziehungen und die Hin-wendung zu neuen Werten wieder mög-lich. Trotz des Verlustes kann als Folgedes gelingenden Trauerns ein vertieftesEmpfinden für das Leben erreicht werden,getragen durch die Erkenntnis, daß „in der

Trauer die Liebe weiterlebt.“ (E. Lukas)Für die psychotherapeutische Bear-

beitung scheinen einige existenzanalyti-sche Aspekte bezüglich Depression undTrauer von Bedeutung zu sein. Währendsich Ähnlichkeit bzw. Gemeinsamkeitenvon Depression und Trauer derart zeigen,daß beide eine Reaktion auf einen Verlust,eine Kränkung oder eine Enttäuschungsein können und auf psychomotorischerEbene z.B. durch Schlaf-, Eßstörungen,sexuelle Funktionsstörungen, Schwindel,diffuse Schmerzen Ähnlichkeiten auf-weisen, zeigen sich bezüglich Phänome-nologie und Dynamik doch wesentlicheUnterschiede.

Gelingende Trauer ermöglicht durchdas Annehmen der Gegebenheit des Ver-lustes, im Aushalten des Schmerzes durchZuwendung zu sich allmählich eine neueBeziehung zum verlorenen Wert. So kannes behutsam zu einer Neurorientierungkommen, die Leben in einer neuen Qua-lität erscheinen läßt.

Verzweiflung, tiefer Schmerz, unarti-kulierbare Trauer und das Gefühl, „es gehtnichts mehr.“ - Dies hat die Macht, uns zuzerstören. Erkennt man jedoch seine in-dividuellen Verarbeitungsstrategien, kön-nen sich Herbert Grönemeyers berühren-de Liedzeilen auch für einen selbsterfüllen: „ Habe dich sicher in meiner See-le/trag dich bei mir/ bis der Vorhang fällt..

LiteraturKatschnig, Heinz (Hg.) „Trauer und Depression - Wo hört das eine auf, wo fängt das andere an.“Facultas: Wien, 2000

- KATJA ORTER

Page 18: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»18« no:os Heft 03/2004-3

Abschiedsterben

SEX & LIEBE

ist ein bisschen wie

Nein – sterben kann definitivnicht so gemein sein … Nun,da muß ich gewaltig wider-

sprechen. Denn sterben soll ja an-geblich schön sein. Der Tod solldem Leben ja erst seinen Sinn ge-ben. Gott allein weiß, ob dastatsächlich der Wahrheit ent-spricht. Doch eines kann ichselbst bestätigen: Abschied istganz sicher nichts schönes,darüber kann ich Bändeschreiben. Nein, besser ge-sagt: darüber kann ich Sturz-bäche von Tränen beschrei-ben, Unmengen von„Kuschelrock“-CD’s in derrichtigen Reihenfolge wieder-geben und Dissertationen überLiebeskummer schreiben.Nein – sterben kann definitivnicht so gemein sein …

Zum Beispiel mein erstes ernst-haftes „Ich-will-mit-Dir-die-Zukunft(oder zumindest Teile davon)-ver-bringen-Exemplar“. Als ich michwiederholten Males als seine, put-zende, hemdenbügelnde Gattin inspe, die am Sonntag mit weißer Blu-se seine Eltern besucht, im Spiegelder Zukunft sah, nahm ich schreiendReißaus. Doch da war es schon zuspät – ich hatte mich bereits zu sehr ver-strickt in ein Geflecht aus „am-Sonntag-gibt-es-Schnitzel“ und „am-Freitag-ist-allgemeiner-Putztag“. Der arme Menschhatte sich allerdings auf derart sicherem

Terrain geglaubt, dass sein Herz am Tagmeiner Midlife-Crisis (mit 23!) an irrepa-rablem Liebeskummer erkrankte. Er, derin den ganzen fünfeinhalb Jahren keineTräne aus den Augenwinkeln drückte,heulte sich den Macho aus dem Leibe

während ich meine Habseligkeiten aus dergemeinsamen Wohnung räumte. Eine Se-kunde dachte ich „Was tust Du dem armenKerl an“, dann sah ich all die Töpfe undPfannen, das Bügelbrett und die Wasch-

maschine und stieg aufs Gaspedal in dieFreiheit.

Gut, ihr werdet sagen, dieser Abschiedwar nur für mein männliches Gegenübereine Katastrophe, aber als ich zwei Jahrespäter vernahm, dass er heiratet und seine

Zukünftige in freudiger Erwartungwar, lehnte ich mich entspanntzurück und wusste: dem Mann hastdu einen Gefallen getan! Er hatte seinsonntägliches Schnitzel wieder! (undsicher ein besseres als meines....) Wieheißt es so schön: Tue Gutes undschweige drüber...

Oder der nächste: von gemeinsa-mer Zukunft keine Rede. Nachdemer mich bereits nach 3 Monaten in derfrischesten Verliebtheit tagelang ig-norierte, servierte ich ihn gekonnt ab.Ein klares 2:0 für mich. Entschuldi-gung, aber ein bisschen Stolz hat fraudoch auch! Und Ihr Männer, schreibtEuch das hinter Eure Ohren: eineFrau will verwöhnt und umworbenwerden. Wir sind gar nicht so kom-pliziert gestrickt wie ihr immer denkt.

Nun – da saß ich dann in meinerWohnung, einsam und aller Männerentledigt, die ich nicht wollte unddachte über mein Leben nach. Dochmir blieb nicht viel Zeit, denn da kamder Nächste. Ein Exemplar der Gat-tung „Bindungsparanoia dritten Gra-

des“ mit durchlebter Scheidung der Elternund verlassen von der Mutter. Mein Hel-fersyndrom schrie JAund ich malte mir inbunten Farben die Welt aus, die ich ihmzeigen würde und die er nie gekannt hat –

… es ist aus!

Page 19: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »19«

Vielleicht muß manviele bittereAbschiede hinter sichbringen, bevor manwirklich liebt …

ein Familienleben. Nach wenigen Mona-ten hatte er es geschafft, sich meine sämt-lichen Verwandten anzueignen. Währendich nach einem ruhigen Wochenende fleh-te, wollte er meinen Onkel vierten Gradestreffen, mit dem er sich vor zwei Wochenbeim Heurigen angefreundet hatte. Erlechzte nach einem Familienleben, dochirgendwann erkannte ich, dass er meineFamilie wollte, aber nicht mich! Er woll-te keinen Millimeter abrücken von seiner„Ich-mache-was-und-wann-ich-will“-Single-Welt, unter Zukunft verstand er nursein nächstes Frühstück und meine Vor-stellung von einer gemeinsamen Wohnungentlockte ihm einen Gesichtsausdruck alshätte man ihn nach dem neuesten Strick-muster gefragt. Kurzum, ich erkannte, wieweit mich mein Helfersyndrom brachte!Es war eine Einbahnstrasse, die zur Sack-gasse wurde sobald ich ihn in die Vorzügeeines harmonischen Familienlebens ein-weihte. Ich erkannte, daß meine laienhaf-

ten, therapeutischen Versuche, ihn von sei-nem Scheidungstrauma zu heilen, dazuführten, dass ich keinen Bock mehr aufFamilie hatte und schon gar nicht auf ihn.Ich wusste, dass meine Aufgabe nun dar-in bestand, ihn aus dem Spinnennetz zu be-freien, in dass er sich widerstandslos ge-fangen nehmen ließ.

Was soll ich sagen? Auch dieser Ab-schied war ein trauriger mit dem bitterenBeigeschmack, dass dies die Rechnungwar, die einem präsentiert wird, wenn mansich einen Mann aus völlig falschen Mo-tiven angelt.

Die Liebe ist nur dann echt, wenn sienicht erklärbar ist; wenn sie aus heiteremHimmel passiert, als würde der Blitz ein-schlagen, wenn man nicht weiß, warum,wenn es einfach so ist, wie es ist. Vielleichtmuß man viele bittere Abschiede hintersich bringen, bevor man wirklich liebt, be-vor man verstanden hat, worum es wirk-lich geht. Doch eines hab ich nach jedem

Abschied gelernt – ich habe mich selbst je-des Mal ein bisschen besser kennen ge-lernt. Ich habe erkannt, dass man nur dannmit ganzem Herzen lieben kann, wennman sich selbst etwas bedeutet, wenn manes auch alleine schafft, ein glücklicherMensch zu werden, wenn der Andere eineErgänzung, aber kein Ersatz ist.

Man hat mir gesagt, meine Artikelwürden immer mit einem Mann enden.Nun, ich möchte Euch auch heute nichtenttäuschen. Denn ich habe durchaus nochetwas vor.

Ich muß nur noch warten bis diese ver-dammte Fußballmatch-Übertragung zuEnde geht. Aber bis dahin werde ich allei-ne Spaß haben. Noch eine Halbzeit – Mist– das muß ich doch schaffen …

Bis bald,herzlichst Eure

- ANNE SHIRLEY** Pseudonym - Name der Redaktion bekannt

Page 20: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

langjährWie ein Saunabesuch

(s)ein Leben entscheidend verändern sollte

Harald Mori

1962 in Klagenfurt geboren, Psychotherapeut, seit 1991 in freier Praxis, Ausbildung in Logotherapie und Existenzanalyse in Wien und Fürstenfeld-bruck, sowie vor allem bei Univ.-Prof. DDr. Viktor Frankl in Wien. 1987-1997 Schüler und Assistent von Prof. Viktor Frankl. Ausbildung in Psychoonkologie, seit 1999 Anerkennung als Lehrtherapeutfür Existenzanalyse und Logotherapie.

HARALD MORI: Psychothera-peut seit 1991, Schüler undpersönlicher Assistent vonProf. Viktor Frankl (1987-

1997), Lehrtherapeut, verheiratet mitDr. med. Claudia Mori, 1 Sohn.

no:oos: Sehr geehrte Hr. Mori, wie

sind Sie zur Logotherapie gekom-men?

MORI: Als Medizinstudent bekam ich ei-nes Tages von einer Pharmafirma ein EKG-Lehrbuch zugesandt welchem eine Broschü-re und zwei Audiocassetten von VorträgenProf. Frankls beigefügt waren. Da wurde ich

erstmals auf den Namen „Viktor Frankl“ auf-merksam.

no:oos: Wo hatten Sie Ihre ersteBerührung mit der Frankl’schen Exi-stenanalyse und Logotherapie?

MORI: Die erste Berührung war jene mitder Person Viktor Frankls selbst. Eine Be-

serie ABILELehrtherapeuten

»20« no:os Heft 03/2004-3

Page 21: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

hriger frankl-assistent

Heft 03/2004-3 no:os »21«

Im Jänner 1987 gab esfür mich eine

schicksalshafte Wende

Page 22: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

serie ABILELehrtherapeuten

gegnung, die im Jänner 1987 stattfand und fürmich eine schicksalshafte Wende in meinganzes Leben brachte.Ich hatte erfahren, dass Prof. Frankl

jeden Freitag um 12 Uhr in jene Sauna ging,welche sich im Keller des Hauses befand, woich in einer Kleinwohnung ohne Duschewohnte. Der Chef der Sauna erlaubte mir dortzu duschen wofür ich seinen Kunden den Blut-druck gemessen habe. Er wusste von meinemInteresse für Psychiatrie und so kam es, dassich – nach einem Jahr Be-denkzeit – es wagte, denberühmten ProfessorFrankl an einem Freitag inder Alsersauna anzuspre-chen.Er blickte mich kurz an undließ mich gewähren – daswar der Beginn einer Be-gegnung welche in einertiefen Beziehung – auf per-sönlicher und wissen-schaftlicher Ebene – mün-dete. Frankl war damalsfast 82 Jahre alt und ich 24.

no:oos: Worin be-stand Ihre Motivation,sich mit diesem kom-plexen Gedankenkon-strukt weiter zu be-schäftigen?

MORI: Die Grundfra-

gen der menschlichen Existenz haben michseit früher Jugend an sehr interessiert, späterauch die psychologischen Hintergründe unddie psychiatrischen Krankheitsbilder. Durch

Erwin Ringel hatte ich in Wien 3 Jahre langsehr viel über Psychoanalyse und Individual-psychologie gelernt und in den Vorlesungenviele PatientInnen erlebt. Viktor Frankls Lo-gotherapie und Existenzanalyse lernte ich zu-erst von ihm selbst kennen, durch die Ge-spräche und zeitgleich las ich ein Buch

Frankls nach dem anderen. Die „ÄrztlicheSeelsorge“ habe ich fast verschlungen. DieArt wie er sich ausdrückte, die Präzision undKlarheit mit der er schrieb und die Thematik

der Sinnfindung haben mich im In-nersten angesprochen.

no:oos: Warum habenSie sich für diesen Beruf ent-schieden?

MORI: Man kann sagen, derBeruf hat sich für mich entschie-den – eigentlich wollte ich Arztwerden, Chirurg und später Psy-chiater – dennoch gewann die Psy-chotherapie immer mehr an Be-deutung und im Zuge derAusbildungen die ich ebenfalls1987 in Wien bei Dr. Längle be-gonnen hatte, dann bei Dr. Lukasund Dr.Zsok in Fürstenfeldbruckfortsetzte stellte ich die Arbeit alsPsychotherapeut in den Vorder-grund und führe seit 1991 einefreie Praxis für Logotherapie undExistenzanalyse, welche den we-sentlichen Teil meiner Tätigkeit –neben Ausbildung und Vorträgen– ausmacht.

no:oos: Von wem habenSie am meisten gelernt?

MORI: Ich habe sehr viel vomMenschen gelernt bei den unzäh-ligen Ausfahrten als freiwilliger

Helfer beim Rettungsdienst vom Roten Kreuz – da kommt man dort hin, wo Leben und Unglück geschieht. Unverzichtbar sind die jahrelangen Erfah-rungen mit schwer krebskranken Menschenwährend meiner Pflegediensttätigkeit, insbe-sondere im St. Anna Kinderspital.

»22« no:os Heft 03/2004-3

Dr. Frankl, der Leiter desHauses und Harald Mori vordem „Viktor E. Frankl Haus“in Mölln bei Hamburg, 1994

Harald Mori bei einer Buch-signierung durch Dr. Frankl für Jeff Zeig, 1994

Page 23: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »23«

Ganzheitlich und nachhaltigst geprägt habenmich natürlich die Begegnungen und Ge-spräche mit Prof. Frankl selbst, in persönli-cher und wissenschaftlicher Hinsicht. Seit sei-nem Tod ist seine Witwe, Eleonore Frankl einegroße Stütze für mich.

no:oos: Welche ist Ihre wichtigste Eigenschaft?

MORI: Ich würde sagen, mein Durch-haltevermögen – persönlich und beruflich –fundierte Psychotherapie braucht eine lang-fristige Zielsetzung und manchmal einen lan-gen Atem.

no:oos: Was nervt Sie in IhremJob?

MORI: An meinem Job nervt mich garnichts. Ich bin gerne Psychotherapeut. Scha-de ist, dass einem die Zeit davonläuft – meinTag könnte mehr Stunden haben.

no:oos: Angenommen, Sie würdenin die nächste Bundesregierung alsSozialminister berufen, was würdenSie versuchen zu ändern?

MORI: Natürlich würde ich für einen frei-en Zugang zu fundierter Psychotherapie sor-gen: Erschwingliche Preise für die PatientIn-nen und faire Honorare für dieTherapeutInnen.

no:oos: Was bedeutet Glück fürSie?

MORI: Glück ist wohl ein gewisses Maßan Harmonie in den wesentlichen Lebensbe-reichen – Gesundheit und Freiheit.

no:oos: Was war Ihr größter per-sönlicher Erfolg?

MORI: Dorthin zu kommen, wo ich heu-te bin – Fehler und Krisen zu überwinden unddie glücklichen Zeiten wahrgenommen zu ha-ben …

no:oos: Von wann bis wann dauer-te Ihre Ausbildung - Weg - vom The-rapeuten, Lehrtherapeuten?

MORI: Für mich begann die Ausbildungim Jänner 1987 bei der ersten Begegnung mitViktor Frankl. Ich wollte „alles“ über ViktorFrankl und von der Logotherapie wissen.Im Herbst begann ich meine Ausbildung beider GLE und setzte diese in Fürstenfeldbruckfort. 1993 wurde ich in die Psychotherapeu-tenliste des Gesundheitsministeriums einge-tragen.1994 im Winter habe ich das „ABILE“ mit-begründet – immerhin wurde mein Namens-vorschlag für das Institut von allen Vor-standsmitgliedern angenommen – und esfolgten 8 Jahre intensiver Mitarbeit am Auf-bau des ABILE. Vieles wird dabei ja im Stil-len und im Hintergrund geleistet und alleGründungsmitglieder waren begeisterteKämpfer für die Etablierung einer Psycho-therapieausbildung wie sie dem ursprüngli-chen Geiste der Logotherapie und Existenz-

analyse entsprechen sollte.Der Löwenanteil der endlosen Arbeit undBemühungen wurde von Dr. Wiesmeyr gelei-stet, in einer ruhigen und unbeirrt konse-quenten Art – die letztlich allen Gegenwindenzum Trotz zu dem Erfolg führte, in dem ABILE heute wirken kann.Ich durfte Lehrtherapeut der ersten Stundewerden und bin es auch heute noch mit Begeisterung ausschließlich bei ABILE. 2002 legte ich die Vorstandsmitgliedschaftzurück, um mich mehr der Lehre widmen zukönnen. Auch ABILE geht mit der Zeit undmuß sich – wie der Mensch auch – innerlichimmer wieder erneuern können.

no:oos: Sie waren von 1987 bis1997 persönlicher Assistent von Prof.Dr. Frankl. Gab es da besondere Erlebnisse oder Vorkommnisse,berührende Momente?

MORI: Natürlich, viele sogar! Leben inGegenwart von Viktor Frankl war immer et-was Besonderes.

Eine junge befreundete Ärztin, Barbara, erlittdas Schicksal aufgrund einer falsch verab-reichten Injektion in den Rückenmarkskanal,bei vollem Bewusstsein erleben zu müssen,dass sie innerhalb von zwei Wochen amganzen Körper gelähmt sein würde. Danachfiel sie ins Koma und wurde nach drei Jahrendurch den Tod von ihrem schrecklichenSchicksal befreit. Frankl wusste durch michvon ihr und ließ sich von mir zu Barbara insSpital führen. Er war fast 90 Jahre alt.Sie sprachen eine halbe Stunde miteinanderund Barbara, in Vorahnung ihres Schicksalswar unendlich dankbar. Das war der Arzt Vik-tor Frankl.Als er eine seiner Herzschwächen hatte undmit dem Notarzt ins Spital gebracht werdenmusste – es war weit nach Mitternacht und erdrohte zu ersticken – da wiederholte er auf derKrankentrage immer nur die Worte: „Küm-mert Euch um meine Frau …“ Das war derMensch Viktor Frankl.

no:oos:Eine schier unvermeidliche

FOTOS: HARALD MORI

Dr. Frankl und Harald Mori bei einem Spaziergang entlang der Elbe, 1994

Page 24: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Frage: Was würden Sie heute andersmachen?

MORI: Mein Gott, eine schwierige Fra-ge – würde ich wesentliches anders machen,wäre ich nicht ich und nicht dort wo ich jetztbin. Ich würde versuchen geduldiger zu sein.

no:oos: Was sind Ihre nächstenPläne?

MORI: Ich möchte für meine Familiemehr Zeit haben, mich wissenschaftlichbetätigen und – wenn es die Zeit zulässt einBuch schreiben. Schon ein Frankl-Buch …

no:oos: Haben Sie ein Lieblingszi-tat, ein Lieblingsbuch?

MORI: Martin Heidegger: „Das Ver-gangene geht, das Gewesene kommt“ – hand-schriftlich bei Frankl im Archiv. Lieblings-buch: Grundsätzlich habe ich zu viele Bücher– „Hiob“ , von Joseph Roth ist ein sehr be-wegendes.

no:oos: Welcher Versuchung kön-nen Sie nicht widerstehen?

MORI: Am und im Meer zu sein… no:oos: Welche natürliche Bega-

bung vermissen Sie? MORI: Ich kann schlecht zeichnen…

no:oos: Welches Tier wären Siegerne?

MORI: Wenn ich wirklich ein Tier seinmuß, dann ein Delphin.

no:oos:Welche 3 Dinge würden Sieauf eine einsame Insel mitnehmen?

MORI: Die „Ärztliche Seelsorge“, einSegelschiff, ein Handy wäre auch fein.

no:oos: Was ist Ihnen peinlich?MORI: Nicht viel – ich vergesse nicht

gerne.no:oos:Mit welchen (auch verstor-

benen) Menschen würden Sie gerneam Stammtisch sitzen und plaudern?

MORI: Anne Sophie Mutter und Ursulavon der Leyen (Familienministerin von Nie-dersachsen und Frauenärztin) und natürlichSigmund Freud.

no:oos: Nachdem wir um Ihren intensiven Arbeitseinsatz wissen: Wiebauen Sie Stress ab?

MORI: Am besten beim Urlaub in Finn-land, beim Segeln am Meer, aber im Alltagdurch Freude an meiner Familie und Laufen.

no:oos: Ihr Lebensmotto, Credo,Zugang zu den Menschen?

MORI: Jeder Mensch ist einzigartig undeinmalig – auch ich selbst.

no:oos: Was soll über Harald Morieinmal in den Geschichtsbüchern stehen?

MORI: Wenn ich das schon beantwortenmuß: Er konnte dem Professor Viktor Franklda und dort ein wenig behilflich sein.

no:oos: Verraten Sie uns zuguterLetzt noch Ihre Hobbys, was beschäf-tigt Sie in Ihrer Freizeit?

MORI: Ich schätze Literatur (leider meistfachlich), Musik und Sport, vor allem das Lau-fen. Gezieltes Fernsehen öffnet die Türen zueinem kleiner werdenden Erdball und natür-lich Reisen. So wirklich „frei“ von den Grund-wahrnehmungen eines Psychotherapeuten istman ja kaum – Abschalten ist auch wichtig.

no:oos: Sehr geehrter Hr. Mori,danke dass Sie sich die Zeit für diesesInterview genommen haben und nochalles Gute, viel Liebe für Sie und vielKraft für Ihre weiteren Aufgaben.

MORI: Ich bedanke mich bei Ihnen.I N T E R V I E W

- FRANZ DORNER

serie ABILELehrtherapeuten

»24« no:os Heft 03/2004-3

FOTO

:HAR

ALD

MOR

I

Dr. Frankl trifft Claudia undHarald Mori in der AlserStrasse, 1992

Page 25: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

WIRTSCHAFT & TOD

Unser Wissen explodiertmit rasender Geschwin-digkeit. Verdoppelte sich

das Wissen früher etwa alle500-700 Jahre, so spricht manheute von einerWissensverviel-fachung in nureinem Jahr-zehnt. Wir sinduns (vermeint-lich) in vielenBereichen (derWirtschaft – undvielleicht auchdes Lebens) soaußerordentlichsicher, wir ver-fügen über eineVielzahl vonStudien und Un-tersuchungenzu allen mögli-chen Themen.Wir (glauben)über alles mög-liche, alles mög-liche zu wissen.

Doch wie si-cher ist dieses un-ser Wissen – waswissen wir dennnun wirklich mit Si-cherheit? Sokrates meinte, dass ernichts weiß (... und damit möglicher-weise mehr als manche andere). UndSeneca wird die Äußerung zuge-schrieben, dass nichts irgend jeman-dem gewiss(er) ist außer der Tod. -Doch was nun wissen wir wirklich vondieser für uns Menschen absoluten,100%-igen Sicherheit? Ich denkeherzlich wenig, möglicherweise sogarnichts – oder möglicherweise ge-nauso viel wie von vielem anderem:herzlich weinig bis vielleicht sogar garnichts. Wir glauben, wir haben dazuunsere Vorstellungen bis hin zu fest-en Überzeugungen.

Tod eines nächsten Angehörigen(in der Familie) erzeugt die höchstenStresswerte. Was aber ist (der) Tod?

Was ist es, das so unangenehm, soschrecklich, so extrem stressauslö-send in unserer Gesellschaft angese-hen wird? Es hat wahrscheinlich vor-rangig mit Veränderung und

Endgültigkeit im Gewohnten zu tun;oder anders ausgedrückt: wir sind esnicht gewohnt, haben wenig bis kei-ne Übung im gedanklichen Umgangmit dem Ende, dem (eigenen) Endli-chen, dem endgültig Anderen, mitdieser extremsten Form der unwie-derkehrbaren Veränderung; ... und alldiesem gefühlten nicht Gewachsen-sein mit einer (dann doch eingetrete-nen) Situation – dem Tod – empfin-den wir in höchstem Masse Stress.

Vor wenigen Monaten erst „be-gleitete“ ich eine Firma mittlererGröße von jahrzehntelanger guter Exi-stenz in ihre nunmehrige, beschlos-sene Auflösung, an ihr Ende, an ihrenTod. Es war dabei der feste Wille desFirmeneigentümers, ein für alle Mitar-

beiterinnen und Mitarbeiter gutes En-de herbeizuführen. Ich machte michdabei auf die Suche nach entspre-chender Literatur, Ratgebern, Check-listen etc. für eine gute Firmenauflö-

sung. Ich warüberrascht wiewenig ich fündigwurde. Es gabProzedere fürbzw. nach einerInsolvenz, einemKonkurs, Bera-tungen für Um-strukturierungenu.v.m., aber miteiner guten Ge-schäftsauflösunghaben wir unsw i r t s cha f t l i c hwahrscheinl ichebenso wenigbeschäftigt wiemit dem persön-lichen Abschied,dem Ende, demTod. - Wir ha-ben den Beginn,die Geburt, denAufstieg, dasWachstum, denFlug zu fernen

Planeten zum größten Teil unseresLebens erkoren; und dabei mögli-cherweise zu wenig Zeit für eine guteLandung am Ende der Reise einge-plant. - Am Tag und in den Minutender ersten Bekanntgabe des bevor-stehenden, geschäftlichen Endes än-derte sich binnen weniger Sekundendie Stimmung von fröhlicher Heiter-keit in tiefe Betroffenheit bis hin zuVerzweiflung. Und genau in diesen Si-tuationen menschlicher Extreme istgegenseitige Unterstützung und Hilfevon größter Wichtigkeit. Einfach nurda sein, zuhören, Wege und Mög-lichkeiten nach der momentan extre-men Veränderungen aufzeigen – undMut zusprechen: „Sag´ nur ein Wortund meine Seele wird gesund!“

Was ist der Tod? Manche sagen,sie hätten keine Angst vor dem Tod– es möge nur nicht schmerzvoll sein.Andere sagen, dies sei eine Lüge, ei-ne Verleugnung; in der Tiefe sei im-mer eine tiefgreifende Angst vor demTod. Und wieder andere reden nichtdarüber, verdrängen ihn so gut esgeht.Wir ahnen zwar, glauben zu wis-sen, dass wir sterben, aber in Wirk-lichkeit wissen wir nichts über denTod. Alles was wir wissen ist eine An-sammlung von Erzählungen und ei-genen Vorstellungen, die wir darausbildeten. Und so möchte ichschließen mit einigen persönlichenVorstellungen zum Tod, zum endgül-tigen Ende des Diesseitigen:

Ich glaube, dass es nach demTod unvorstellbar anders sein wird.Ich glaube, dass wir absolut keineAngst davor zu haben brauchen (unddennoch macht mich der Gedankeäußerst traurig, wenn andere vor die-ser Schwelle stehen und/oder sieüberschreiten). Ich denke, dass wirMenschen oft wie Bettler an unseremletzten Hemd festhalten, obwohl wirin einem Königreich der Fülle stehenund dies nicht erkennen können, weilwir so beschäftigt damit sind, um die-ses letzte Hemd zu kämpfen. Dochwir werden unser irdisches, körperli-ches Leben mit absoluter Gewissheiteines Tages einmal loslassen müs-sen, und ich glaube, wir werden un-endlich viel, unvorstellbar Neues da-nach bzw.dafür bekommen.Vielleichtist es mit den irdisch, menschlichenBegriffen von Freiheit, Liebe, Glück-seligkeit, dem Sein oder dem Selbstvergleichbar. - Die Ungewissheit,Ängstlichkeit und Trauer bleibt nur fürdie Hinterbliebenen.

Der Autor, Dr. Dieter W. Schauer, studierte1975-78 in Linz Betriebswirtschaft sowie 1979 inDallas/Texas. Von 1980-86 in leitenden Funktionenbei den Firmen Fischer, VAIT und Polo/Frantschachtätig. Seit 1987 geschäftsführender Gesellschaftereiner europaweit tätigen Firma im Speiseeisbereich.In den vergangenen 6 Jahren zunehmende Vortrags-, Seminar- und Beratungstätigkeit zu den Themen:FÜHRUNG und MARKETING für Firmen, Universitätenund Fachhochschulen.

Was ist der Tod? Ein bitteres Ende?Ein schöner Anfang? Oder nur eine Wendeim ewigen Herzschlag des Lebens?Der du so fragst, fürchtedich nicht vor der großenVerwandlung.Was an dir stirbt, ist nichtder Stoff, der sich tausend-mal wandelt, auch nicht dieKraft, die zum Schaffen dich zwingt.Was an dir stirbt ist:Das Bewußtsein,Mensch dieser Erde zu sein,damit du gewandelt zu neuer Gestalt weiter wirkestim Kreislauf. Darum rede nicht, Freund,vom Tode und Leben -denn dem Tode ist Widerpart die Geburt

und niemals das Leben, das beides in sich verbirgt.Doch nicht du selbst bist unsterblich in Stoff undKraft, die einer Mutter entsprungen.Sondern ein gütiges Schick-sal gab dir die Macht,unsterbliches Leben zu zeugen.Sei es in deinen Kindernoder in herrlichen Werkenund Taten,die durch Jahrzehntedie Fackel des Ruhmes dir tragen.So sei uns der Tod kein bitteres Ende,kein schönerer Anfang,aber eine glühende Wendeim ewigen Herzschlag des Lebens.

(Verfasser unbekannt)

Mag. Dr. DIETERSCHAUER, MBA

Wirtschaftscoach und Kommunikationsberater

der Tod?

Heft 03/2004-3 no:os »25«

Was ist

Page 26: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»26« no:os Heft 03/2004-3

Tabu & TOD

Totgeschwiegen und tabuisiert:

Die Haltung vieler Menschenmit der scheinbaren Ver-drängung und dem Aus-

blenden der Realität, dass das Le-ben und der Tod untrennbar sindund das tödliche dominante Gen„Sterblichkeit“, bereits mit derEmpfängnis Gewissheit ist.Dieser Gedanke an die VollendungSterben, Tod, Abschied sollte aberfür jeden Lebenden, begleitetdurch die bedrohliche Angst, dieTriebfeder für ein sinnvolles Lebensein. Es sollte Jeden bewusst sein,das nur ein beschränktes, unbere-chenbares Zeitguthaben zwischenEmpfängnis bis zum Tod zur Ver-fügung steht, welches die existen-zielle Brüchigkeit aufzeigt.

Bereits bei der Geburt bedeutet es Ab-schiednehmen, aus der mütterlichen Ge-borgenheit und der erste Gedanke an dasNeue Leben lässt uns den LebenskreislaufLeben und Tod, Anfang und Ende mit dergeerbten Sterblichkeit bewusst werden,

den mit dem Leben beginnt das Sterbenund damit die Sterbebegleitung und Le-bensbegleitung.

Es wird uns bewusst, dass wir unserLeben auf die Schwelle des Todes gesetzthaben und niemand die Zeitgrenze- denZeitpunkt, den Umstand und die Stunde,des unberechenbaren, nicht kalkulierba-ren Todes erkennen und berechnen kann.Wir wissen nun auch, dass das Leben unddas Sterben untrennbarzusammengehört undder Tod als Bedrohungunserer individuellenund sozialen Existenzbedeutet, ganz einfachausgedrückt, wo es Le-ben gibt, da gibt es auchden Tod.

Der Mensch hat dieFähigkeit den Tod be-wusst zu erleben, es er-möglicht den Gedankenan den Tod, sein Lebenzu bilanzieren und mitfortschreitenden Alter die Dimension deszu Erlebenden eingeengt wahrzunehmen,

man erlebt das Anwachsen der Vergan-genheit und zeigt den Verzehr des Geleb-ten mit der Gerichtetheit auf den Tod.

Es sollte für den Menschen möglichsein, ein bewusstes Leben zu führen, wasbedeutet, sich auch mit der Sterblichkeitauseinanderzusetzen, die eigenen Gren-zen anzuerkennen, denn nur so kann esden Menschen gelingen die Angst vordem Tode zu überwinden und die letzte

Lebensphase mitzube-stimmen. Die Lebensbi-lanz sollte uns ermögli-chen, unerhebliches anLebensplanung offen zulassen, dadurch könntemancher Schmerz, Trau-er, Schuldgefühl, Selbst-zweifel und Versagen vordem überraschenden Ab-schied geklärt und gelin-dert werden. Viele Men-schen planen sich einegozentrisches, oft bibli-sches irdisches Dasein

und Leben, beinahe die Unsterblichkeit,dabei ist nur die geplante Lebenszeit als

Die kostbarsteZeit zwischenEMPFÄNGNISund TOD,heißt LEBEN:Deshalb lebe!

Eugen Graml

Lebens-gefährteTOD

Page 27: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »27«

Ziel erkennbar, aber niemals das Unaus-weichliche, das Ende, der unberechenba-re Tod.

Nur so ist es erklärbar, das Menschendurch hohe Risikobereitschaft, Extrems-port, Sucht und andere Missbräuche dieGrenzen der Sterblichkeit derart heraus-fordern, aufs Spiel setzen und somit zumeigenen Roulettspieler des einzigen undeigenen Lebens werden ohne dabei dieZerbrechlichkeit des Lebens zu beachten,bis es heißt: „Rien ne va Plus= Nichts gehtmehr“.

Die Aussage des amerikanische Sati-rikers Woody Allen „ Ich habe keineAngst davor zu sterben, ich möchte nurnicht dabei sein, wenn es passiert“, cha-rakterisiert die Haltung vieler Menschenzum Thema Tod. Solange das ThemaSterben und Tod nicht unmittelbar be-troffen macht und nur Andere betrifft,wird diese Tatsache der Sterblichkeit ver-drängt und verschoben. Fatal für denMenschen wird es, wenn ein spontaner,unerwarteter Tod eines nahen Angehöri-gen eintritt, wenn kein Abschiednehmenmöglich war und die unabsehbarenSchmerzen der Trauer wirksam werden.

Am Totenbett wird es klar, nichtsmehr ist veränderbar, nichts mehr auf-schiebbar, kaum Zeit zum Abschied undder ist qualvoll, manchmal unerträglich

und grausam. Es wird klar, dass wir einMaß an Lebenszeit ver- und geplant ha-ben, aber wenig Zeit zum Sterben und Ab-schiednehmen.

Keiner kennt den eigenen Tod, nie-mand hat damit Erfahrung und kaum je-mand will als Gesunder daran denken,d.h. der eigene Tod bleibt uns somit fremd.

Schlimm und deprimierend wird es,wenn der Zeitpunkt und die Aufbruch-stimmung gekommen ist, gehen zu müs-sen, aber das Gefühl in Gedanken be-herrscht wird, das Leben verpasst zuhaben und die Bereitschaft des Loslassensverwehrt bleibt. Ich bin daher der Über-zeugung, dass zu einem sinnvollen undgeglückten Leben auch das Einverständ-nis zur eigenen Sterblichkeit gehört, dennsolange wir unsterblich sind dauert dasSterben ein Leben lang.

Immer an den Tod zu denken würdeuns paralysieren, längere Lebensplanun-gen als sinnlos erscheinen lassen, die Ri-sikobereitschaft würde absolut minimiertund uns handlungsunfähig machen, da derGedanke die Verletzbarkeit unserer Exi-stenz aufzeigt.

Unsere Gesellschaft mit ihrer zeit-genössischen Marktwirtschaft und ihrenMechanismen führen zu einer Ausgren-zung und Tabuisierung von Krankheit,

Sterben, Tod und Trauer aus dem gesell-schaftlichen, wie auch aus dem individu-ellen Bewusstsein. Diese schnelllebigeKonsum- Wegwerfgesellschaft hat denTod ausgebürgert, die Gesellschaft legtkeine Pause mehr ein und das Ver-schwinden eines Einzelnen, in der ano-nymen Großstadt unterbricht kaum mehrden kontinuierlichen Gang des Alltags.

Die Gesellschaft tendiert immer stär-ker, das Bild des jungen, gesunden Men-schen zum einzigen gültigen Leitbild zuerheben und das Altern und Sterben ausdem öffentlichen Bewusstsein zu drän-gen, mit dem Gedanken der Tod kommtnur in Krankenhäusern und hinter ver-schlossenen Türen.

Wir in der Klinik erleben neben dereinzigen Gesundheit, eine Unzahl anKrankheiten, die eine Bedrohung des Lebens darstellen und oftmals den Tod be-deuten. Das pflegerische Begleiten ist im-mer mit dem Faktum der Unbe-rechenbarkeit des Todes konfrontiert, bedeutet täglichen Kampf über Leben undTod und verlangt sich damit auseinander-zusetzen.

Dabei tauchen immer die gleichenFragen Warum- Wozu- Wieso auf, wofüres kaum eine befriedigende Antwort gibt,außer das Sterben und der Tod, die Voll-endung eines erfüllten und abzusch-ließenden Lebens sind.

Der Tod bedeutet für den Sterbendenwie für das Pflegepersonal ein Loslassen,wenn es heißt „ Nichts geht mehr“, wennnichts mehr veränderbar, nicht mehr kor-rigierbar und alles unausweichlich ist.

Für Pflegende darf das Sterben abernie zur Routine werden, sondern bedeu-tet sich auf die aktuelle und individuelleSituation einzulassen, das unbegreifliche,zerstörerische Werk des Todes so anzu-nehmen, damit das pflegerische Handelnein professionelles bleibt und nicht einlähmendes, hilfloses und ohnmächtigesBegleiten wird. Es ist daher notwendig dieVielfältigkeit des Abschiednehmens zukennen und den Faktor Zeit zum Ab-schiednehmen zu reservieren.

So wie die Menschheit mit der Freu-de der Geburt- Neubeginn und Be-grüßung zum irdischen Leben gegenü-bertreten, so müssen wir uns jeden Tagmit der unausweichlichen Trauer, Tod undAbschied auseinandersetzen. Der Tod, sotraurig und endgültig er auch ist, sollteman mit respektvoller Hingabe und Wür-de begegnen. Mancher Konflikt für pro-fessionelle Kräfte ergibt sich, weil oft we-nig Gelegenheit, Gefühle der Wut, Trauer

Page 28: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»28« no:os Heft 03/2004-3

begleitet mit den Zuständen des Schmer-zes und der Ohnmacht, herauszulassenbesteht, weil der pflegerisch ethische Wert„ des Gut-Sein-Müssens“, dies verbietet.

Erst wenn ich als Pflegender gelernthabe den Tod zu akzeptieren, wenn ich alsBegleiter mit dem Bewusstsein der eige-nen Sterblichkeit an die Seite des Ster-benden trete, kann der Prozess und der in-nige Abschied begleitend vollzogenwerden. Daraus können wir Pflegende dieKraft schöpfen dem Sterbenden kompe-tent beizustehen, ihm zu helfen, die Ruheund Würde zu bewahren und auch denAngehörigen in der Angst, Trauer undOhnmacht beizustehen. Der Begleiterwird nur dann eine würdige Sterbebe-gleitung begehen, wenn er den Tod auchals Teil seines Lebens bejaht und das Ster-ben als Teil seines Lebens annehmenkann, d.h. mit dem Sterbenden kongruentist. Der Sterbende nimmt seinen Beglei-ter intensiv wahr, es ist daher notwendigeine spürbare Nähe herzustellen und die-se mit allen Sinnen dem Sterbenden zu-gänglich zu machen.

Es verlangt:� das aktive Hinhören.� ein hohes Maß an Einfühlungs-vermögen und Aufmerksamkeit� mit Ehrfurcht begegnen unter Wahrung der Autonomie des Sterbenden� ein wertschätzendes Handeln� sich ausreichend Zeit nehmen

Es verlangt aber auch das Loslassenkönnen, wichtig er fühlt sich dabei in denArmen sicher und erlebt eine Angstneh-mende, Vertrauensvolle, Hoffnung ge-bende Begleitung. Seine Not und Hilflo-sigkeit verlangen einen würdevollenUmgang mit der Wah-rung der Souveränitätdes Sterbenden.

Ich bin ein Gegnerder Euthanasie und de-ren Einschätzung, viel-mehr bin ich für eine me-dikamentös unterstützteBehandlung, welchesein Schmerz und Quallinderndes, humanesSterben ermöglicht.

Die Schmerzlinde-rung sollte aber keinBetäuben bedeuten, son-dern durch eine frühzeitig einsetzende,individuelle und kontinuierliche palliati-ve Schmerz und Symptomtherapie, diemöglichst vollständige Erhaltung der gei-stigen Wahrnehmungsfähigkeit mit der

Handlungsfreiheit im Abschiednehmenermöglichen.

Ein Sterbender kann im Zustand desSchmerzes, seinen physischen, psychi-schen, sozialen und emotionalen Kum-mer schlecht bewältigen, er wäreblockiert im Abschiednehmen und Los-lassen.

Das optimale Begleiten verlangt einmultiprofessionelles Team:�Ärzte: für qualifizierte, individuell do-sierte Schmerz- und Symptomtherapie.� Pflege: Bedürfnisorientiertes, ganz-heitliches Begegneno Zuwendung und Sicherheito Kongruenz und menschliche Wärme, inder liebenden Pflege.o Nicht alleine lassen, den Abschieds-schmerz mit ertragen helfen.o Das Loslassen durch Klärung derSchuldgefühle und Selbstzweifel zu er-möglichen

� Die Frage nach dem Sinn� Die Lebensbilanz zulassen

� Psychologische und seelsorgerischeBetreuung.

Körper-Geist und Seele müssen ge-meinsam den trennenden, unaufhaltsa-men Abschied bestreiten. Nur so kann ichmir, eine nach Gottes Willen, freie Loslö-sung vom irdischen Leben in eine andereWelt der Läuterung, den Tod nicht als En-de und Abbruch sondern als Übergangund Vollendung vorstellen.

Der Mensch muss im Verlauf des Ster-bens die Möglichkeit bekommen, zu sei-ner Wahrheit zu finden, seinen eigenenTod zu sterben und in seinem Sterben dieVollendung zu erlangen.

So wie bei der Geburtder menschliche Bei-stand geleistet wird, so istdie menschliche Beglei-tung im Abschiedneh-men von elementarer Be-deutung. Der Sterbendebenötigt menschlicheUnterstützung, die ihmmit Empathie, Wahrhaf-tigkeit und Liebe ge-genübertritt, damit ersich auf die Wirklichkeitdes Sterbens einlassenkann.

Die Wahrheit kann der Betroffene nurdann erfahren, wenn sich die Sterbebe-gleitung mit der Sterblichkeit auseinan-dergesetzt hat und die eigene Lebens-wahrheit mit der eigenen Sterblichkeit in

innerer Stimmig-keit, mit derTransparenz undKlarheit der eige-nen Gefühle lebt.Nur wer mit dereigenen Wahrheitversöhnt ist, dieeigene Ohn-macht angenom-men und dieGrenzen des Le-bens transzen-diert überschrit-ten hat, kannanderen helfen,die Wahrheit an-zunehmen undGrenzsituationenzu überschreiten.

Der Tod für uns als Pflegende, ist dasÜberschreiten einer Grenze, wo es keinzurück mehr gibt, es verlangt die Akzep-tanz des bevorstehenden Todes, mit derkonkreten Todeserwartung welche denAbschluss des irdischen Lebens bedeutet.

Viele Angehörige sind mit dem Ster-benden konfrontiert, überfordert, das Ab-schiednehmen kommt oft zu spät, wenndas Sterben und der Tod, unmittelbar be-vorstehen. In diese Situation wird oft mitdem Flehen „ Du musst atmen Liebster,wenn du leben willst“, du musst weiter-leben, du kannst nicht gehen, die Ohn-macht ausgedrückt. Die Angst, Verzweif-lung wird im Bewusstsein mit der Trauer,der Betroffenheit, der nicht aufschiebba-ren Realität, mit der Überzeugung der un-bestechlichen Sterblichkeit Wirklichkeit.

Ein letzter wegwehender Hauch ent-fernt den Sterbenden in eine andere Welt.Leben und Tod haben sich dabei un-merklich vereint. Der Tod als Lebensge-fährte und Dirigent, hat das Leben und denTakt auf die Sekunde genau übernommenund bestimmt.

Die Ohnmacht des Unwiederbringli-chen endet oft in der Sprachlosigkeit nachdem Eintritt des Todes.

Der Angehörige zurückgelassen, fälltin die schutzlose Höhle des Alleinseins,welches zeitlos, raumlos und Leid erfüll-te Reise der Trauer bedeutet. Hier ist dieWärme der kompetenten Pflegebeglei-tung, das tröstende Wort mit dem ver-standen wird, von hoher Bedeutsamkeit.Ein Grossteil an Trauerarbeit ist began-gen, wenn ein umfassendes Abschied-nehmen stattgefunden hat.

Doch wo der Tod uns trennt, findet dieLiebe die Brücke des Gebets.

Tabu & TOD

EUGEN GRAML seit 1972 in der

Nervenklinik Wagner-Jauregg Linz,eine Gesundheitseinrichtung der gespag,

mit Herz in der Krankenpflege tätig.1975 das Psychiatrie-Gesundheit &

Krankenpflegediplom.Seit 1991 Stationspfleger

mit dem Motto:»Sterblich ist der Mensch im Vorhinein,

nicht im Nachhinein, deshalb:Lebe endlich, um endlich zu leben!«

Der Tod istnicht käuflich,er ist unbestechlichaber gütig.

Eugen Graml

Page 29: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »29«

ACHTUNG

Trotzdem!www.abile.org

www.der-wille-zum-sinn.org

Telefon 07242-207584 (Mittwoch + Freitag 11-14 Uhr)

Hat doch alles seinen Sinn!

Page 30: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»30« no:os Heft 03/2004-3

SINNAnrufBEHINDERUNG

Es gibt sie vielfach die Momenteder Verzweiflung: Das Leben„fragt“ unbarmherzig an, derMensch hat zu „antworten“. „InWirklichkeit gibt es keinen An-spruch auf irgendetwas, weder aufein gesundes, noch auf ein langes,noch auf ein angenehmes Leben.“(Lukas, 2002) Um zu der Haltungder Annahme zu kommen, brauchtes die notwendige Zeit zu klagenund jemanden der es empathischmitträgt, der einfach da ist.

Jemand, der die Hoffnung hochhält,das Leben geht weiter und es „trotz-dem“ wieder schöne Stunden geben

wird. Ein wichtiger Bewältigungsschrittist es die geistige Wahrnehmung auf dennoch vorhandenen Freiraum zu lenkenund darin nach Sinnmöglichkeiten zu su-chen. (Lukas 2002, S.162) Im Leid gibtes keinen Sinn, sondern nur im »Wie derBewältigung«. Vielleicht kann nach Jah-ren in einem Schicksalsschlag eine sinn-gebende Fügung erkannt werden.

Die Geburt eines behinderten Kindesist ein „unabänderliches Schicksal, demgegenüber der Mensch nichts andersmehr tun kann, als Haltung anzunehmen.“(Lukas 2002, S.172)

Es ist notwendig die eigene Erwar-tung und Vorstellung, wie ein Kind seinsoll, zu revidieren. Jeder wünscht sich eingesundes Kind und sieht nun die Zukunftdes eigenen Kindes durch die Behinde-rung eingeschränkt. Man fragt sich, war-um gerade mein Kind? Die Betroffenheitvon Verwandten und Freunde und manch-mal auch die Unfähigkeit des Arztes überdie Behinderung und deren Folgen zusprechen ist zusätzlich belastend. Für El-tern behinderter Kinder ist es oft wichtigzu wissen, was die Ursache der Behinde-rung ist und wie der erwartende Verlaufsein wird.

Durch meine Arbeit an einer Schulemit integrativem Schwerpunkt lerne ichimmer wieder Eltern kennen, welche gutdie Behinderung ihres Kindes bewältigthaben.

Diese Eltern � haben aufgehört mit dem Schick-

sal zu hadern und verzichten auf die Fra-ge Warum ist es gerade uns passiert? Sie

versuchen nicht die Behinderung durchspekulative Ideen zu erklären, wie z. B.:Mein Kind ist behindert, weil ich im 3. Schwangerschaftsmonat gestürzt binoder die „Schuld“ am vermeintlichen Ver-sagen von Ärzten und Hebammen fest-zumachen. Diese Eltern konzentrierensich auf das Hier und Jetzt und ihren Ge-staltungsmöglichkeiten.� lieben ihr Kind und wollen es vor

allem glücklich sehen.� haben Vertrauen, dass sich immer

wieder Wege eröffnen, das behinderteKind gut zu betreuen und zu fördern (Kindergarten, Schule, Werkstätte) � haben Vertrauen, dass andere

Bezugspersonen (Lehrer, Therapeuten)ihr Kind gut betreuen und fördern. Dadurch schaffen sie sich wieder einStück Freiraum für eigene Entwicklungs-möglichkeiten. � haben realistische Erwartungen

bezüglich der intellektuellen Förderbar-keit und der möglichen erreichbaren Zie-le bezüglich Selbstständigkeit.

Bei Gesprächen mit Eltern versucheich die Aussöhnung mit dem Schicksal zuunterstützen und den Gestaltungsspiel-raum aufzuzeigen. Ich wertschätze dasBemühen der Eltern um ihr Kind und wei-se darauf hin, dass sie die Experten für ihrKind sind und appelliere auf eine gute Zusammenarbeit im Sinne des Kindes.Unser aller Ziel ist es, das Kind zufriedenzu sehen, es seine Behinderung als zu sei-nem Wesen gehörig betrachten zu kön-nen, und es im lebenspraktischen Bereichzu möglichst viel Selbständigkeit zu er-ziehen.

Um den Eltern (wieder) bewusst zumachen, dass sich das Kind, trotz seinerBehinderung als glücklich erlebt, erzähleich Beispiele aus dem Schulalltag, bei de-nen ich merke, dass sich das Kind wohl-fühlt. Ich zeige auf, wo im Schulalltag Erlebniswerte (Ausflüge, Musik, …) undschöpferische Werte (kognitive Förde-rung, lebenspraktisches Training) ver-wirklicht werden und formuliere für dasbetreffende Kind realistische Ziele im ko-gnitiven, sozialen und lebenspraktischenBereich. Lösungsmöglichkeiten bei verschiedene Probleme� Es gibt Momente, in denen die

Eltern mit der Betreuung ihres behinder-ten Kindes überfordert sind. Dann ist esnotwendig gemeinsam nach Ressourcen(tatkräftige Hilfe, finanzielle Unterstüt-zung) zu suchen und Wahlmöglichkeiten(z.B. vorübergehende Unterbringung desKindes in einem Heim) zu überlegen. � Manche Eltern lassen immer

wieder neue Untersuchungen machen,um noch mögliche Heilungs- und Thera-piechancen ergreifen zu können oder ver-suchen alle möglichen auch kostspieligenTherapien im In- und Ausland.

Bei einem konkreten Elternpaar mer-ke ich, dass so vermeintliche Schuld ander Behinderung des Kindes bewältigtwerden soll. Ich wertschätze dann, dasssie schon soviel für ihr Kind geleistet ha-ben, das „Warum“ vielleicht immer einGeheimnis bleibt und lenke die Auf-merksamkeit darauf, dass sich ihr Kind invielen Situationen des Alltags als zufrie-den und manchmal auch als glücklich er-lebt.� Bei Unsicherheiten bezüglich

einer gewählten Therapie bestärke ich die Eltern eine Therapieform längere Zeit anzuwenden und bei Unklarheiten dieFachmeinung verschiedener Experteneinzuholen. Der Maßstab des Handelnssoll immer das Wohlergehen des Kindessein. Wenn sich das Kind physisch undpsychisch zufrieden fühlt, kann die Therapie nicht falsch sein.� Viele Eltern sind mit der Angst

konfrontiert, wie es weitergeht, wenn sieselbst aus physischen Gründen die Pflegenicht mehr leisten können. Ich versuchesie im Vertrauen zu stärken dass sich dannwieder „Türen“ öffnen werden und ermutige sie, sich unverbindlich Werk-stätten und Wohnplätze anzusehen.

In der Logotherapie glauben wir andie bedingungslose Sinnhaftigkeit des Lebens. Ein behindertes Kind ist ein lebendiger Sinnanruf für seine Mitmen-schen und für Gesunde ein Mahner zurDemut und Dankbarkeit, den es gibt kei-nen Anspruch auf „irgendetwas, wederauf ein gesundes, noch auf ein langes,noch auf ein angenehmes Leben.“ (Lukas 2002)

Literatur:Lehrbuch der Logotherapie, Lukas Elisabeth, 2002, 2. Auflage

- KLOTHILDE HAIDVOGL

Page 31: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Aufruf SINNspuren

Heft 03/2004-3 no:os »31«

� Was können Sie heute an sich selbst bestaunen? Welche SINNvolle Veränderung ist Ihnen widerfahren?

� Welche SINN-Erfahrungen haben Sie gemacht? Wie haben Sie SINN im Leben gefunden, was konkret unternehmen Sie um SINNvoll mit Ihrer Familie, Ihrer Umwelt zu sein?

�Was könnten andere an Ihnen bestaunen? Wofür könn-ten Sie anderen ein gutes Beispiel, ein SINN-Vorbild sein?

�Wann haben Sie sich zu Letzt mit Ihren Stärken beschäf-tigt? Was können Sie besonders gut? Privat? Beruflich?

� Und wenn es noch eine SINN-Kleinigkeit gäbe, die Sie bisher noch nie betrachtet, entsprechend gewürdigt oder in Erwägung gezogen haben, was könnte das für eine kleine oder grosse Fähigkeit, Besonderheit sein?

Lassen Sie unsere Leser teilhaben und schreiben Sie unsIhre Tipps und Anregungen an [email protected]

„Die Menschen machen weite Reisen, um zu staunen über die Höhe der Berge,über die riesigen Wellen des Meeres, über die Länge der Flüsse, über die Weite der Ozeane und über die Kreisbewegungen der Sterne. An sich selbst gehen Sie vorbei, ohne zu staunen.“ Augustinus

Schreiben

Sie bitte an

[email protected]

Aktion SINN-

voll-LEBEN

Kleine Taten sind wichtiger als grosse Vorsätze

Page 32: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Der Tod war für mich lange etwas,was ich immer vor mir herschob,von mir und meinen Verwandtenund Bekannten entfernt war. Ichhabe es schlichtweg aus meinerLebensvorstellung gestrichen.Doch auch wenn man noch so ei-nen großen Bogen darum macht,irgendwann kommt man mit die-sem Thema in Berührung.

Bei mir war es wirklich wie aus hei-terem Himmel. Ich war damals 14Jahre und es geschah total uner-

wartet.Damals feierten wir, meine Familie

und Oma den 70igsten Geburtstag mei-nes Großvaters, der nebenbei gesagt eineGrieche war, was davon zeugt, dass dieFeier sehr ausgiebig und lustig war, denndiese Eigenschaft hat er weiter gelebt.

Es war daher recht lustig und alle wa-ren guter Laune. Wir Kinder bekamen amSchluß um unseren kleinen Hunger zu

stillen, Rahm mit einer Semmel (denRahm konnten wir uns beliebig würzen).Die Erwachsenen ernährten sich haupt-sächlich von Alkohol und Süßigkeitenund hatten eine gute Unterhaltung.

Ich hatte also genug Zeit alle zu be-obachten und mit ihnen auch zu reden.

Als wir dann spät abends die Woh-nung verließen, zog ich meine Schwesterim Stiegehaus zu mir heran und meintemit ernsten Worten: Du S.. ich glaube derOpa stirbt heute. Sie schaute mich ent-geistert an und stammelte, warum ich dasglaube. Ich erklärte ihr, dass er heute sosonderbar „wunderlichwar“. Er hat sichdie Photos seiner Enkelkinder auf demFernseher angesehen, hat sich immer zuuns gesetzt, hat uns gestreichelt, hatte füralle ein nettes Wort übrig – ich konnte eseinfach nicht genau erklären, was anderswar als sonst, aber es war eindeutig einkomisches Gefühl. Meine Schwesterwollte das gar nicht hören, riß sich los undrannte die Treppe hinunter.

Am nächsten Morgen kam die böseÜberraschung. Meine Mutter schüttelteuns aus den Federn und verkündete uns,das Opa im Spital lag und er heute Nachtgestorben sei. Meine Schwester und ichkonnte uns nicht ansehen.

Aber es war kein Alptraum. Ich standeine Stunde später 1 Meter vor seinemSterbebett. Ich durfte damals nicht näherheran gehen. Aber ich konnte ihn von derEntfernung betrachten, durch die Tür hin-durch und er sah aus wie immer wenn erschlief.

Was mich bei der Heimfahrt am mei-sten beschäftigte, war, dass der Todschneller ins Leben treten konnte, als iches bisher für möglich hielt. Es war auchegal, ob es an einem Geburtstag, bei ei-ner schönen Feier, beim Sport oder an ei-nem sowieso schon schrecklichen Tag:Der Tod kann immer kommen!

Was mich beruhigte war meine Ver-mutung, dass mein Großvater den Todwohl schon erahnte, sich vorbereitenkonnte.

Ich bin heute der Überzeugung, dassder Tod, wen er nicht plötzlich eintrittspürbar ist für den Todgeweihten als auchfür die ihn Liebenden oder nahen Men-schen, die ihn begleiten.

Den größten Fehler den man begehenkann, ist den Tod zu ignorieren, so wie iches tat.

Ich hatte an diesem Tag das Glück, ei-ne gewisse Vorahnung zu haben und icherinnere mich heute nur gut an die Feierund wie mein Großvater war an diesemTag. Ich behalte Opa auch jetzt noch inguter Erinnerung, wenn ich für den klei-nen Hunger einen Rahm mit einer Sem-mel esse und weiß, dass ich den Tod nichteinfach beiseite schieben kann, sondernihn in mein Leben integrieren muss, umdamit auch besser umgehen zu können,wenn er eintritt.

- PETRA WIMMER

Vorahnung & TOD

ABSCHIED

»32« no:os Heft 03/2004-3

Ein Abschied, der immer in Erinnerung bleibt

Page 33: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

lebenSINNlichkeiten

Heft 03/2004-3 no:os »33«

FOTO

:CHR

ISTI

ANDÖ

RN

Page 34: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

PALLIATIV

»34« no:os Heft 03/2004-3

Palliativ & TOD

„Wenn mein Leben letztendlich gemessen wirdin Monaten, Wochen, Tagen, Stunden,möchte ich frei sein von Schmerzen,nicht unwürdig behandelt werdenund nicht alleine sein.

Gib mir deine Hand,gib mir dein Verständnis,gib mir deine Liebe.Und dann lass mich friedvoll gehenund hilf meiner Familie es zu verstehen.“

Definition WHO: „Palliativ care be-deutet die aktive und umfassende Behand-lung, Pflege, Begleitung von Patienten abdem Zeitpunkt, da ihre Krankheit nicht

mehr auf eine kurative (heilungsorientier-te) Behandlung anspricht. Schmerzbe-handlung und Beherrschung weiterer Be-gleitsymptome, sowie die Linderungpsychischer, sozialer und spiritueller Pro-bleme gewinnen dann eine überragendeBedeutung.“

Ein Tag auf der Palliativstation …

… um 7.30 Uhr trifft sich das Perso-nal (Ärzte, Pflegende, Praktikanten,Schüler) zur Morgenbesprechung. Danachteilt sich jede Pflegeperson jeweils drei bisvier Patienten zu, für die sie bis Diensten-de zuständig ist (Bezugspflegemodell).

Wann, wo und wie Patienten früh-stücken wollen, bestimmen sie selbst. Das-selbe gilt auch für die Durchführung derKörperpflege, die ein wesentlicher Teil desVormittags ist. Über die Körperpflege unddie Berührungen entsteht leicht ein sehr

enger Kontakt, der nicht selten ein tieferesGespräch ermöglicht. Dafür ist dann auchZeit.

Seelsorge und Psychotherapie werdenauch angeboten und gerne in Anspruch genommen. Angehörige und Freunde sindjederzeit willkommen und können gernebei der Pflege mithelfen oder auch Teiledavon übernehmen.

Ärzte machen ihre Visite indem siesich Zeit für den einzelnen Menschen neh-men und ausführliche Gespräche führen.Es kann dabei um Befundbesprechungengehen, Therapiemöglichkeiten erklärenoder aber oft auch das Überbringen vonschlechten Nachrichten. Es soll ein be-wußter Umgang mit Leben, Sterben unddem Tod ermöglicht werden, d.h. Freude,Liebe, Trauer, Schmerz, Sorge, Wut undEnttäuschung haben Platz, Raum und Zeit.

13-14 Uhr ist Mittagsbesprechung,wieder im gemeinsamen Team – es sollen

CCAARREECCAARREE„EIN VOLK OHNE VISIONEN GEHT ZU GRUNDE.

VISIONEN BENÖTIGEN FAHRPLÄNE. EIN FAHRPLAN FÜR DAS HANDELN IM UMKREIS VON STERBEN,TOD UND TRAUER IST DIE »PALLIATIV-CARE«

Page 35: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

Heft 03/2004-3 no:os »35«

Erfahrungen und Erlebtes mit Patientenausgetauscht werden, um so ein möglichstumfassendes Bild des einzelnen Men-schen zu bekommen. Natürlich werdenDetails von Gesprächen, die Patienten jemanden anvertraut haben nur dann wei-tergegeben, sofern dies für alle anderenauch relevant ist!

Der Nachmittag gestaltet sich wieder-um so, wie sich dies der einzelne Patientwünscht. Ein großer Aufenthaltsbereichmit Aquarium und einem Meditations-raum steht für alle offen. In jedem der

10 Einbettzimmer gibt es die Möglichkeitzum fernsehen und Musik hören. Um dasRaumklima oder für therapeutischeZwecke, verwenden wir gerne ätherischeÖle.

Abends, um 19 Uhr kommt die Nacht-dienstschwester und versorgt alle Patien-ten mit den Dingen, die für den Abendbenötigt werden und eine angenehmeNacht ermöglichen. Es kann dies eineMassage sein, eine Lavendelkompressezum einschlafen oder Medikamente gegenSchmerzen und für den Schlaf.

Angehörige sind auch über Nachtherzlich willkommen – sie können imZimmer beim Patienten schlafen.

Mit Gedanken von Hilde Dominmöchte ich schließen:

„Jeder, der geht, belehrt uns ein wenigüber uns selber.Kostbarer Unterrichtan den Sterbebetten.“

- ALEXANDRA SCHAUBMAYR

Page 36: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»36« no:os Heft 03/2004-3

SBetreuung & TOD

Kaum ein Lebewesen ist sotolerant, hilfsbereit immervorurteilslos zur Stelle wie

ein Hund. Meine Golden Retriever ganz beson-

ders. Zwar ist nur der helle, der Rüde, na-mens Fanfan of Smiling Hunter, ein ab derVeterinärmedizin ausgebildeter Therapeut,aber auch die fuchsrote Bärli (Bionca vonder Bildföhre) hat auch ihr Laien könnenoft unter Beweis gestellt: einmal hatten wirauf der Gerontopsychiatrischen Abteilungin der Baumgartner Höhe den traurigen Falleines verhältnismäßig jungen Mannes miteinem schweren Schädel-Hirn-Traumanach einem Verkehrsunfall. Er sprach nachdiesem Schicksalsschlag kein einzigesWort mehr und das schon über Monate hin-durch. Er wurde von einem anderen Kran-kenhaus in die Psychiatrie eingeliefert. DieÄrzte wussten nicht, ob er überhaupt nochsprechen konnte. Da kam ich auf denWunsch meiner Freundin, Frau OA Dr.Hermine Mollik-Kreuzwirt wieder einmalin ihre Abteilung, wo eben dieser Mann sta-tionär aufgenommen worden war. Als wirhinkamen, war es am Morgen und es gabgerade Frühstück. Auch besagter jungerMann war beim Essen dabei. Da ging „Bär-li“ freundlich auf ihn zu und nahm bei ihmPlatz, um um Futter zu betteln. „Na, was istdenn, möchtest du auch ein Stück Kipferlmit Butter, du lieber Hund?“ fragte plötz-lich der Patient die Bärli. Nun waren diediensthabenden Ärzte/innen undPfleger/innen „sprachlos“, manche hattensogar Tränen in den Augen. „Ich habefrüher auch so einen ähnlichen Hund ge-habt“, erklärte er in einwandfreiem Deutschund beide ließen es sich gut schmecken.

Solche Beispiele könnte ich in ver-

schieden Varianten stolz berichten. Einesaber haben alle gleich, wie ein unvorein-genommenes Tier Wunder wirken kann!Viele Patienten begannen mit mir eine Kon-versation, ihre Augen leuchteten, sie warenaus ihrer Lethargie gerissen, der Bann wargebrochen und es ergaben sich nette Ge-sprächsthemen.

Ich habe es nie bereut, die teure undzeitaufwendige Ausbildung meinem Hundzuteil werden zu lassen. Auch Bärli hat BGI und BG IIin einerHundeschu-le absolviert( B e g l e i t -hundeprü-fung I und IIfür Laien!).

So vielFreude habeich in mei-nem Lebenselten erlebtwie bei die-ser Tätig-keit, sowohlbeim Ge-ben, alsauch beimE m p f a n -gen!

A b e rauch an un-serer Schu-le, wo wirIntegrationsklassen unterrichten haben dieTiere bei Besuchstagen viel Freude bei denKindern ausgelöst. Auch bei Exkursionendurften sie uns begleiten und sie waren vomStreiten und Raufen abgelenkt, denn jeder

wollte als Nächster „Bärli“ und „Fanfan“an der Leine führen.

Eine zeitlang „verborgte“ ich Fanfan aneinen Zivildiener, einen Freund meinesSohnes, der in einer behinderten WG sei-nen Dienst versah. Auch dort freuten sichdie Klienten schon immer, wenn es Sonn-tag wurde und „Fanfan“ war der Star desTages.

Insgesamt kann ich mit Freude und Stolz sagen, dass bis auf einige wenige Aus

nahmen, die ein ganz geringer Prozentsatzwaren, wo Phobien vorlagen, meine Tiereimmer mir die „Show“ stahlen.

- EVA MARDO

einmal andersPsychotherapie

Frage nicht mehr nach dem Wert des Lebens, sondernnach dem Werte, den du deinem Leben geben kannst!

Râ, Bo Yin

Page 37: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

LEIB & SEELE

Im 1.Johannesbrief 3, 14-16 lesen wir: „Wir wissen,dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegan-gen sind, wenn wir die Brüder und Schwestern lie-

ben. Wer nicht liebt, bleibt im Tod.“

Die Liebe haben wir daran er-kannt, dass er sein Leben für uns ge-geben hat. So müssen auch wir dasLeben hingeben für die Schwesternund Brüder.“

Der tiefe Sinn liegt im Leben mit-einander und füreinander.

Als Getaufte sind wir Brüder undSchwestern in Christus, Jesus fordertuns auf, ihm nachzufolgen und das,was wir sind, haben und können, ge-schwisterlich zu teilen.

Wer bewusst in der Nachfolge Je-su lebt, für den ist der Gedanke an deneigenen Tod nichts Schreckliches son-dern eher tröstlich.

Als meine Mutter nach langemKrebsleiden von ihren Schmerzen er-löst wurde, waren auch zwei ihrerNichten am Sterbebett. Als sie sahen,wie das schmerzverzerrte Gesicht dersterbenden Lieblingstante ganz gelöstwurde, hörten sie auf zu weinen, fie-len sich um den Hals und riefen wört-lich: „Wir haben uns das nie vorstel-len können, dass das Sterben so schönsein kann!“ Für mich, der ich alsPfarrer immer wieder mit dem Ster-ben konfrontiert werde, war dies einesehr tröstliche (Glaubens-) Erfah-rung.

In unserer katholischen Kirche feiern wir bei den Heiligennicht ihren Geburtstag sondern ihren Sterbetag. Er ist der „Ge-burtstag“ für das Leben in der Gemeinschaft aller Erlösten imHimmel.

Christus der für uns gelebt hat und für uns gestorben ist, ist

der Grund unserer Hoffnung. Dies kommt in der Liturgie desBegräbnisgottesdienstes (Auferstehungsgottesdienstes) zumAusdruck: „In ihm erstrahlt uns die Hoffnung, dass wir in Se-ligkeit auferstehen. Bedrückt uns auch das Los des sicheren To-des, so tröstet uns doch die Verheißung der künftigen Unsterb-lichkeit. Denn deinen Gläubigen, Herr, wird das Leben nicht

genommen, sondern neu gestaltet...“

Früher haben die Gläubigen re-gelmäßig um eine „gute Sterbestun-de“ gebetet. Dieses Gebet ist heute ge-nauso sinnvoll, es ist letztlich einEinüben des Denkens an das eigeneSterben.

Immer, wenn uns ein lieberMensch durch den Tod entrissen wird,sind wir zutiefst betroffen. Dann mö-gen uns Worte aus der Hl. Schrift er-mutigen und aufrichten.

So lesen wir im Buch der Weisheit:„Die Gerechten sind in Gottes Handin Frieden.“

Einen der trostvollsten Gedankenschenkt uns der Prophet Jesaja:

„Gott, der Herr vernichtet den Todfür immer, er wischt ab die Tränen vonjedem Angesicht.“ (Jes. 25)

Paulus schreibt im 5. Kapitel sei-nes Korintherbriefes:

„Wenn unser irdisches Zelt abge-brochen wird, dann haben wir eineWohnung von Gott, ein nicht von Hän-den errichtetes ewiges Haus im Him-mel“.

In der Offenbarung des Johannesfinden wir die Verheißung:

„Gott wird in ihrer Mitte wohnen,und sie werden sein Volk sein, und er, Gott, wird bei ihnen sein.Er wird alle Tränen von ihren Augen abwischen: Der Tod wirdnicht mehr sein, keine Trauer, keine Klage, keine Mühsal. Denndas, was früher war, ist vergangen. Er, der auf dem Thron saß,sprach: Seht, ich mache alles neu!“ (Offenbarung 21,3)

HANS MAISLINGERPfarrer in Linz-St. Markus

Heft 03/2004-3 no:os »37«

Die Bibel

Lehrbuchfür das Leben undSterben

HOLZ

SCHN

ITT:

ERIC

HW

ULZ,

AUFE

RSTE

HUNG

Page 38: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

»38« no:os Heft 03/2004-3

ETHIK IM GESUNDHEITS-BEREICH:KRANKHEIT -TOD - STERBEN

Datum:18.04.2004So 09:30-17:30

Ort:Grüngasse 1A1040 WienÖsterreich

Beschreibung:Gesundheit undKrankheit, philosophische Pro-blematik des Todes, Todesangst, Suizid, Hospizbewegung,Sterbehilfe, Medizinethik

Ziel:Vermittelt werdensoll ein Überblicküber ethisch rele-vante Werthaltungenim Bereich vonKrankheit, Tod undSterben. Meinungenund Ansichten zumThema sollen ge-meinsam analysiertund aufgearbeitetwerden

Zielgruppe:Mitarbeiter und Mit-arbeiterinnen vonpsychosozialen undsozialpädagogischenEinrichtungen sowieinteressierte Kolle-gen und Kollegin-nen aus anderen Sozial- und Gesund-heitseinrichtungenwie Lebensberater,Sachwalter, Kran-kenschwestern,Krankenhelfer

Kosten: € 140,-

ReferentInnen:Dr. Euen-MariaSchulak

Anmeldung:Promente Wien1040 WienGrüngasse 1ATel: 01/5131530-113Fax: 01/5131530-360

ETHIK IM GESUNDHEITS-BEREICH: KON-ZEPTE UNDPROBLEME DERBIOETHIK

Das Seminar ver-steht sich als einephilosophische undpsychologische Ein-führung in die aktu-elle und überauskontroversiell disku-tierte Thematik derBio-Ethik.

Datum:16.05.2004, So

Ort:Grüngasse 1A1040 WienÖsterreich

Beschreibung:Bio-Ethik, Eugenik,gentechnische Ver-fahren, Gendiagno-stik, Klonieren, Komapatienten,Euthanasie

Ziel:Vermittelt werdensoll ein Überblicküber die maßgebli-chen Werthaltungenim Bereich der Bio-Ethik. Meinungenund Ansichten zumThema sollen ge-meinsam analysiertund aufgearbeitetwerden

Zielgruppe:Mitarbeiter und Mit-arbeiterinnen vonpsychosozialen und

sozialpädagogischenEinrichtungen sowieinteressierte Kolle-gen und Kollegin-nen aus anderen Sozial- und Gesund-heitseinrichtungenwie Lebensberater,Sachwalter, Kran-kenschwestern,Krankenhelfer

Kosten: € 140,-

ReferentInnen:Dr. Eugen-MariaSchulak

Anmeldung:Promente WienGrüngasse 1A1040 Wien, Tel:01/5131530-113Fax: 01/5131530-360

HÖR MAL WERDA SPRICHT! -UMGANG MITÜBERTRAGUNGUND GEGEN-ÜBERTRAGUNG

In diesem Seminarsoll mit Hilfe vonDenkmodellen so-wie Übungen ausder Transaktions-analyse und der IMAGO-Bezie-hungstheorie mehrKlarheit und Erleichterung mitdiesem Phänomen vermittelt werden.

Datum:24.05.2004 -25.05.2004

Ort:Grüngasse 1A1040 WienÖsterreich

Beschreibung:Was ist Übertragung/ Gegenübertragung-Nutzen und Ein-

grenzen von Über-tragung & Gegen-übertragung-Schärfung derWahrnehmung-Umgang mit Über-tragungsgefühlen-Theorieinputs inVerknüpfung mitFallbeispielen undÜbungen

Ziel:Erweiterte Wahr-nehmung und Bewußtheit, Unter-scheidung undHandhabung vonÜbertragungsge-fühlen sowie Über-tragungsreaktionen

Zielgruppe:MitarbeiterInnenvon Psychosozialenund Sozialpädagogi-schen Einrichtun-gen, sowie interes-sierte KollegInnenaus anderen Sozial-und Gesundheitsein-richtungen

Kosten: € 280,-

ReferentInnen:Hans Giffey

Anmeldung:Promente WienGrüngasse 1A1040 Wien, Tel:01/5131530-113Fax: 01/5131530-360

SEMINARWeiterbildungsinnbücher

FILIPPAS ENGELFilippa Sayn-Wittgenstein - 15 EuroGeb. Ausgabe - Don Bosco Verlag

Fast aus dem Stand stürmte in denvergangenen Wochen das Buch Filip-pas Engel aus dem Münchener DonBosco Verlag die deutschen Bestsel-lerlisten. Der Band enthält Tagebuch-aufzeichnungen der im Alter von 21Jahren tödlich verunglückten Prinzes-sin Filippa zu Sayn-Wittgenstein. Jetzthaben die Eltern der Prinzessin, FürstAlexander und Fürstin Gabriela sowieFilippas Ehemann Vittorio Mazzetti

d’Albertis eine Stiftung unter demNamen „Filippas Engel“ ins Leben ge-rufen. Damit sollen Personen und Pro-jekte unterstützt werden, die sich fürKinder und Jugendliche in Europa be-sonders verdient gemacht haben. Ge-fördert werden sollen insbesondereMaßnahmen in den Bereichen Kinder-und Jugendhilfe, Bildung, Kultur,Sport und Völkerverständigung.

Mit 8 Jahren beginnt Filippa ihr er-stes Tagebuch und lernt früh, ihre Ge-fühle und Erkenntnisse treffend inWorte zu fassen. Sie ist in ein bedeu-tendes Fürstenhaus hineingeboren,doch wie jedes andere Mädchen willsie ihren eigenen Weg im Leben ent-decken. In ihrem Tagebuch schreibtsie nachdenklich und witzig, spannendund anrührend von ihrer Suche: nachder großen Liebe, nach erfüllten Be-ziehungen und nach Gott. Filippa er-zählt, was ihr Freude macht, was siemit ihren Freunden erlebt und wie sieihren Platz in der Welt findet. Die Su-che nach sich selbst und dem eigenenLebensweg wird dadurch unmittelbarund authentisch für die Leserin undden Leser nachvollziehbar.

Page 39: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

eigentlichetherapie

Heft 03/2004-3 no:os »39«

Eines muss man dem Dr.Fröhlich

lassen-ein pfiffiger Psychotherapeut: Gibt so schnell

nicht auf!

Page 40: no:os} Das Leben stellt Fragen} Haben Sie Antworten? Nr.03 ...GEVATTER TOD Eine symbolische Dar-stellung des Ausbrennens bei helfenden Berufen 10 praxis Psychotherapie einmal anders

1.Reihe,

links:Dr.

Wölfl

Angelika,Durstberger Daniela,

Koslowsky M

ichaela,M

anuela Raidl-Mörth,

MM

ag.Pirker-Binder Ingrid,

Rumplm

ayr Angela,Dr.

Elly Frankl,Kaas Elisabeth,

Mag.

Scherzer M

ichaela,Warzel M

argarete 2.Reihe,links:Dr.Partl-Fuchshuber Eleonore,Mori Harald,Kletzander Christine,Dr.W

urm Doris,M

Mag.W

inkler Georg,Dr.Paschinger Rainer,Lang Irene,Ackerl Peter,Zottl Friedrich

Dr. Elly Frankl

im K

reise der Nachw

uchs-Logotherapeuten

po

wered

by