Nr · 2018-01-10 · Im Kino und Fernsehen kann man sie täglich miterleben – Geschich-ten mit...

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Im Kino und Fernsehen kann man sie täglich miterleben – Geschich- ten mit verwickelten Handlungsfä- den, die von einer Komplikation zur anderen führen und sich doch am Ende entwirren. Alles, was unklar war, wird dann offensichtlich, was tragisch erschien, entpuppt sich als Missverständnis, schmerzhafte Ein- drücke glätten sich, und wenn am Ende noch eine Hochzeit steht, dann ist das Glück perfekt. Der Wunsch nach einem Happy End ist so groß und allgemein, dass die Autoren solcher Geschichten sich ihm kaum entziehen können. Einige versuchten es. So ließ Sir Arthur Conan Doyle den Meisterde- tektiv Sherlock Holmes sterben, wurde daraufhin aber vom Publikum so massiv be- drängt, dass er ihn unter mysteriösen Umständen wieder auferstehen ließ. Charles Dickens zeichnete im »Oliver Twist« das düstere Bild einer Kindheit im sozialen Abseits, hatte aber vor eigener Armut so viel Angst, dass er zum Ende des Fortsetzungsro- mans die realistische Schilderung der Armut durch ein märchenhaftes Rettungsszenario ersetzte. Und sollte ein Roman ohne Happy End tatsächlich er- folgreich sein und zur Verfilmung anstehen, dann wird er für das Drehbuch umgeschrieben, um das Geschäft an der Kinokasse nicht zu gefährden. Die Sehnsucht nach dem Happy End ist gut ver- ständlich, spiegelt sie doch das Streben eines jeden wider, aus allem das Beste zu machen. Leider ist im wahren Leben ein Happy End nicht so leicht zu erreichen wie im Film oder Roman. Auch bei Streit- fragen der Wissenschaft bleibt das Ende häufig offen, und wann immer ein Happy End vorgelegt wird, ist Vorsicht angezeigt. Eines jener Happy Ends der Wissenschaft schien sich in den letzten Jahren auf dem Gebiete der Dermatologie anzubahnen: das Happy End der atopischen Dermatitis. Ende gut – alles gut ? Nr. 10 II 2000 Zeitschrift des Zentrums für Dermatopathologie Freiburg Schriftleitung und redaktionelle Verantwortung: Wolfgang Weyers, Carlos Diaz, Imke Weyers, Susanna Borghi Inhalt: Zu diesem Heft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Was ist das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bunt gemischt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Der besondere Fall: Lineare IgA-Dermatose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Bilderbuch der Biopsie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Memories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 Klinische Befunde – histopathologisch erläutert . . . . 10 Für Sie referiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 Das ist es ! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Dermatologie einmal anders: Immunpathogenese der atopischen Dermatitis . . . 13 Welcome Cocktail beim 6. Gießener Dermatohistologischen Kolloquium: Wilhelm Meigel (Hamburg, links) im Gespräch mit Susanna Borghi (Freiburg). Im Hintergrund: Hans-Joachim Schulze (Fachklinik Hornheide).

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Im Kino und Fernsehen kann mansie täglich miterleben – Geschich-ten mit verwickelten Handlungsfä-den, die von einer Komplikation zuranderen führen und sich doch amEnde entwirren. Alles, was unklarwar, wird dann offensichtlich, wastragisch erschien, entpuppt sich alsMissverständnis, schmerzhafte Ein-drücke glätten sich, und wenn amEnde noch eine Hochzeit steht,dann ist das Glück perfekt.

Der Wunsch nach einem HappyEnd ist so groß und allgemein, dassdie Autoren solcher Geschichtensich ihm kaum entziehen können.Einige versuchten es. So ließ SirArthur Conan Doyle den Meisterde-tektiv Sherlock Holmes sterben,wurde daraufhin aber vom Publikum so massiv be-drängt, dass er ihn unter mysteriösen Umständenwieder auferstehen ließ. Charles Dickens zeichneteim »Oliver Twist« das düstere Bild einer Kindheit

im sozialen Abseits, hatte aber vor eigener Armutso viel Angst, dass er zum Ende des Fortsetzungsro-mans die realistische Schilderung der Armut durchein märchenhaftes Rettungsszenario ersetzte. Undsollte ein Roman ohne Happy End tatsächlich er-folgreich sein und zur Verfilmung anstehen, dannwird er für das Drehbuch umgeschrieben, um dasGeschäft an der Kinokasse nicht zu gefährden.

Die Sehnsucht nach dem Happy End ist gut ver-ständlich, spiegelt sie doch das Streben eines jedenwider, aus allem das Beste zu machen. Leider ist imwahren Leben ein Happy End nicht so leicht zuerreichen wie im Film oder Roman. Auch bei Streit-fragen der Wissenschaft bleibt das Ende häufigoffen, und wann immer ein Happy End vorgelegtwird, ist Vorsicht angezeigt. Eines jener Happy Endsder Wissenschaft schien sich in den letzten Jahrenauf dem Gebiete der Dermatologie anzubahnen:das Happy End der atopischen Dermatitis.

Ende gut – alles gut?

Nr.10II 2000Zeitschrift des Zentrums fürDermatopathologie Freiburg

Schriftleitung und redaktionelle Verantwortung:Wolfgang Weyers, Carlos Diaz,Imke Weyers, Susanna Borghi

Inhalt:

Zu diesem Heft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Was ist das? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Bunt gemischt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Der besondere Fall:

Lineare IgA-Dermatose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Bilderbuch der Biopsie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8Memories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8Klinische Befunde – histopathologisch erläutert . . . . 10Für Sie referiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11Das ist es ! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12Dermatologie einmal anders:

Immunpathogenese der atopischen Dermatitis . . . 13

Welcome Cocktail beim 6. Gießener Dermatohistologischen Kolloquium:Wilhelm Meigel (Hamburg, links) im Gespräch mit Susanna Borghi (Freiburg).Im Hintergrund: Hans-Joachim Schulze (Fachklinik Hornheide).

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Über viele Jahre wurde darüber gestritten, was dieatopische Dermatitis eigentlich sei. Im Unterschiedzu assoziierten Erkrankungen, wie der allergischenRhinitis und dem allergischen Asthma bronchiale,wurde eine allergische Genese in Abrede gestellt,und selbst die Frage, ob die atopische Dermatitisals spezifische Hautkrankheit aufzufassen sei, bliebunentschieden. Der lange und komplizierte Mei-nungsstreit schien sich in den letzten Jahren zulösen, als immunologische Studien eine spezifischeAntigenerkennung über IgE-Rezeptoren auf Langer-hans-Zellen nahelegten, gefolgt von einer charakte-ristischen Immunantwort unter Dominanz von Th2-Zellen. Die atopische Dermatitis schien als spezifi-sche Form einer allergischen Kontaktreaktion eta-bliert. Ende gut – alles gut? Mehr zu dieser Fragefinden Sie in unserer Rubrik »Dermatologie – ein-mal anders«.

Bunt gemischt»Eine Steigerung ist schwer!« Dies war die einhelli-ge Bilanz des 6.Gießener dermatohistologischenKolloquiums, zu dem vom 3. bis zum 5. März 2000etwa 150 Dermatologen und Pathologen aus siebeneuropäischen Ländern und den USA nach Gießenkamen. Organisiert vom Zentrum für Dermatopa-thologie Freiburg und dem Zentrum für Dermatolo-gie und Andrologie der Justus-Liebig-UniversitätGießen, war das Kolloquium in diesem Jahr ganzder klinisch-histopathologischen Korrelation ge-widmet.

Das Leitthema – »From the Patient to the Micro-scope and Back Again« – sollte verdeutlichen, dassder Schritt vom Mikroskop zurück zum Patientenhäufig wichtiger ist als der Schritt nach vorn zurnächst aufwendigeren Diagnosemethode. Da sich

2Ausklang eines stimulierenden Kongress-Tages in Kloster Arnsburg - von links nach rechts: O. Braun-Falco (München), W.Weyers (Freiburg), A.B. Ackerman (New York), G. Borroni (Pavia) und W.-B. Schill (Gießen).

Was ist das?

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krankhafte Veränderungen der Haut unmittelbarbeobachten und gezielt biopsieren lassen, ist dieDermatopathologie weiter entwickelt als jedes an-dere Gebiet der Humanpathologie. Durch das Stu-dium von Hautkrankheiten gemäß Unnas Maxime,»das klinische Bild mit einem histologisch geübtenAuge zu betrachten und das histologische Bild mitdem Blick des Klinikers zu analysieren,« sind dieseKrankheiten nicht nur in ihrer stereotypen Manife-station bekannt, sondern in all ihren Varianten undEntwicklungsstadien. Nichtsdestotrotz sehen sichDermatologen und Dermatohistopathologen täg-lich mit Fällen konfrontiert, in denen klinische undhistopathologische Befunde unvereinbar erschei-nen. In solchen Fällen wird nicht selten versucht,eine Klärung durch serologische oder molekulareZusatzuntersuchungen herbeizuführen. So wichtigdiese Untersuchungen in Einzelfällen sein mögen,bietet die Rückkehr zum Patienten mit genauererklinisch-histopathologischer Korrelation mehr Aus-sicht auf Erfolg.

Die klinische Analyse von Hautveränderungenwurde zum Auftakt des Kolloquiums von WolfgangWeyers (Freiburg) besprochen. In seinem halbstün-digen Vortrag ging er auf Geschichte und unter-schiedliche methodische Ansätze der makromor-phologischen Diagnostik ein und zeigte Möglich-keiten einer »Pattern-Analyse« auf, beginnend mitder Untersuchung aus der Distanz (u.a. Zahl undVerteilung von Effloreszenzen) und endend mit derBeurteilung der Effloreszenzen aus der Nähe (u.a.Farbe, Symmetrie und Begrenzung). Sein Diagnose-ansatz entsprach methodisch der Pattern-Analysein der Dermatohistopathologie, die in den letztendrei Jahrzehnten von A. Bernard Ackerman (NewYork) entwickelt wurde und sich inzwischen allge-mein durchgesetzt hat. Ackerman selbst ging an-schließend ausführlich auf die Möglichkeiten undGrenzen seiner Methode ein.

Nach diesen einleitenden Übersichtsvorträgen wur-den Klinik und Histopathologie unterschiedlicherDermatosen in allen ihren Ausdrucksformen dar-gestellt. Das Spektrum umfasste Mangelerkran-kungen wie Pellagra und Acrodermatitis enteropa-thica (B. Zelger, Innsbruck), die Mykosis fungoides(A.B. Ackerman) und B-Zell-Lymphome (L. Cerroni,Graz), den Lupus erythematosus (A. B. Ackerman)und Sklerodermien (H. P. Soyer, Graz), melanozytä-re Tumoren (L. Cerroni), pigmentierte Schleimhaut-veränderungen (H. J. Schulze, Münster) und pig-mentierte Nagelstreifen (E. Haneke, Wuppertal),Karzinome und entzündliche Erkrankungen derGenitalien (C. Rose, Würzburg und W. Weyers),Erythrodermien (C. Tomasini, Turin), die Rosazea(M. Braun-Falco, München), Artefakte (M. Boncz-kowitz, Kelkheim) und Ablagerungsdermatosen (W. Meigel, Hamburg) sowie Vaskulitiden (B. Zel-

ger) und Pannikulitiden (C. Diaz, Freiburg). Höhe-punkt war eine ausführliche Darstellung von Klinikund Histopathologie unterschiedlichster Arzneimit-tel-bedingter Dermatosen durch Dieter Metze(Münster), die in den nächsten Monaten in einerSerie von Artikeln im Journal »Dermatopathology:Practical and Conceptual« publiziert werden wird.Aufgelockert und abgerundet wurde das Programmdurch ein Quiz, bei dem die Teilnehmer des Kollo-quiums aufgefordert waren, klinische und histo-

pathologische Bilder einander zuzuordnen. DieFälle wurden anschließend von Mitarbeitern derGießener Hautklinik (P. Mayser, M. Eberl, C. Loeserund M. Bonczkowitz) vorgestellt.

Völlig neuartig und stimulierend war ein Pro-grammpunkt, der mit »Consultations« überschrie-ben war. G. Borroni (Pavia), C. Rose, C. Tomasini,M. Tronnier (Lübeck), W. Weyers und B. Zelgerstellten dabei schwierige Fälle vor und baten je-weils drei Experten sowie das Auditorium um ihreMeinung. Die Vorstellung erfolgte in mehrerenEtappen: zunächst wurden histopathologische Be-funde demonstriert und dann durch klinische Bil-der, anamnestische Angaben und Laborbefunde er-gänzt. Nach jeder dieser Etappen wurden die Fälleaufs Neue diskutiert, wobei die in Betracht ge-zogenen Differenzialdiagnosen nicht selten mehr-fach wechselten. Dieses schrittweise Vorgehenführte nicht nur zur einer Ausreizung von allen ver-fügbaren diagnostischen Kriterien, sondern auch zu

6. GiessenerDermatohistologisches

Kolloquium

From the Patient to the Microscope And Back AgainClinicopathologic Correlation in Dermatopathologymit Unterstützung der International Society of Dermatopathology

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nomentstehung« – zum Beispiel um»DNA-Reparatur und Rekombina-tion in der Onkogenese« (H.-W.Stürzbecher, Lübeck) und »Tumorin-vasionsmodelle beim malignen Me-lanom« (R. Hofmann-Wellenhof,Graz) – zum anderen um die »Histo-pathologische Differenzialdiagnose«von Basalzellkarzinomen, Lympho-men und Pseudolymphomen, figu-rierten Erythemen, Histiozytosenund mesenchymalen Tumoren. Erst-mals wurde im Rahmen einer ADH-Tagung auch ein Anfänger-Seminarangeboten, in dem die Themen-komplexe »Vesikulöse und bullöseDermatosen« (H.H. Wolff, Lübeck),»Ekzem, Psoriasis, Interface« (W.Weyers, Freiburg), »Dermatosen mitEosinophilie und Neutrophilie« (P.

Kiehl, Hannover), »Granulomatöse Dermatosen«(M. Tronnier, Lübeck) und »Immunhistochemie« (C.Rose, Würzburg) anhand weniger exemplarischerPräparate beleuchtet wurden. Ein Rahmenpro-gramm mit gemütlichem Gesellschaftsabend im Hi-storischen Weinkeller des »Heiligen-Geist-Hospi-tals« rundete die Tagung ab.

Ineinem

etwas kleinerenRahmen fand am

1. Juli eine weitereffFortbildungsveran-iistaltung statt, dieiiiivom Zentrum fürDermatopathologie

iFreiburg in Zusam-iimenarbeit mit dem

iPathologischen Insti-itut der Albert-Lud-wigs-Universität Frei-iburg organisiert wur-iide: das 2. Dermato-

pathologische Som-iimer-Seminar.

iiIm exzellentiiausgestatte-iiten Kurssaal

ides Pathologi-schen Institutes wur-4

einem lebhaften und befruchtenden Meinungsaus-tausch, wie er ansonsten auf Kongressen nur seltenvorkommt. Trotz der Beteiligung führender Exper-ten auf dem Gebiet der klinischen und histopatho-logischen Diagnostik (neben den Referenten z.B.auch Prof. Wolff aus Lübeck und Prof. Braun-Falcoaus München) konnten mehrere Fälle nicht zuge-ordnet werden und stellen möglicherweise Beispie-le bislang unerkannter Dermatosen dar.

Die Bereitschaft zur Diskussion wurdedurch die familiäre Athmosphäre des Kol-loquiums gefördert, die am Abend des er-sten Veranstaltungstages beim festlichenAbendessen in Kloster Arnsburg ihrenHöhepunkt fand. Begleitet wurde derAbend von schwungvollen Rhythmen der»Academic Brass Band«, die unter Lei-tung von Christoph Loeser von der Gieße-ner Hautklinik das Thema des Kolloquiumsleicht variierte: »From the Patient to the Mouth-piece and Back Again.« Dass manches an nfester und flüssiger Nahrung den Weg »Fromthe Plate to the Mouthpiece« fand, ohne jemalswieder zurückzukehren, sei der Vollständigkeithalber ergänzt.

Die zweite große Fortbildungsveranstaltung aufdem Gebiete der Dermatohistopathologie im er-sten Halbjahr 2000 war die Jahrestagung derArbeitsgemeinschaft Dermatohistologie (ADH) der Deutschen DermatologischenGesellschaft, die zusammen mit dem Han-sischen Dermatologentreffen vom 23. bis 25.Juni in Lübeck stattfand. Die Organisatoren, H.H.Wolff und M. Tronnier von der Lübecker Hautklinik,hatten zwei unterschiedliche Themenbereiche inden Mittelpunkt gestellt: zum einen ging es um»molekulare und zelluläre Mechanismen der Malig-

Wenigstens einer der Experten der »Consultations« schien zufrieden mit seinerDiagnose – von links nach rechts: E. Haneke (Wuppertal), D. Metze (Münster)und B. Zelger (Innsbruck).

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führungsgang am Rande eines Granuloms nachge-wiesen. Unsere Freude über die Entdeckung diesermöglichen Ursache der Cheilitis granulomatosawährte aber nur kurz, denn der Befund ließ sich inkeinem der anderen Präparate bestätigen. UnsererAnsicht nach spricht derzeit alles dafür, die Cheili-tis granulomatosa als eine orale Manifestation desMorbus Crohn einzuordnen.

Auf unseren Artikel über IGEL-Leistungen in derDermatologie gab es ebenfalls einige Zuschriften.Dabei interessierten vor allem die Kosten, die fürdie histopathologische Untersuchung von Präpa-raten anfallen, die im Rahmen von IGEL-Leistungenentnommen wurden. Diese Kosten können nichtverbindlich angegeben werden, liegen jedoch imallgemeinen unter 30DM.

den histopathologische Präparatevon 50 entzündlichen und 50 neo-plastischen Hautkrankheiten zumEinzelstudium ausgelegt. Die Prä-parate stammten aus der Schnitt-Sammlung der International Societyof Dermatopathology, die von Su-sanna Borghi vom Zentrum für Der-matopathologie Freiburg verwaltetwird. Das Schnitt-Seminar wurdedurch ein Quiz ergänzt, dessen ein-zelne Fälle von Carlos Diaz, Imkeund Wolfgang Weyers (Zentrum fürDermatopathologie Freiburg) sowieGabriele Köhler (Pathologisches In-stitut der Universität Freiburg) aus-führlich dargestellt wurden. Zur Ent-spannung folgte dann noch einStadtrundgang, der mit einem ge-mütlichen Beisammensein im Bier-garten endete.

Einige Leserbriefe erreichten uns zur letzten Aus-gabe von »pink & blue«. Darin ging es unter ande-rem um den »besonderen Fall«, die Blepharitis

granulomatosa. V. Aplas aus Dormitz teil-te uns mit, beim Studium zahlreicherPräparate von Cheilitis granulomatosa in

Serienschnitten sei es ihm gelungen,»gewebsfremde korpuskuläre Gebilde« inMakrophagen nachzuweisen, die er alsMykobakterien interpretierte und für dieCheilitis granulomatosa verantwortlich

machte. Die Relevanz solcher Einzelbeobach-tungen sollte allerdings nicht überbewertetwerden. Wir selbst haben vor einiger Zeit 25

Fälle von Cheilitis granulomatosa in Serien-schnitten untersucht und bei einem der ersten

Präparate einen rupturierten Speicheldrüsen-Aus-

Die "Academic Brass Band" - im Bild rechts: Christoph Loeser von der GießenerHautklinik.

vorgestellt von Gert-Jochen Dittrich (Gummersbach), Detlef Zillikens (Würzburg) und Wolfgang Weyers (Freiburg)

Ein 70jähriger Patient stellte sich mit zahlreichenteils prallen, teils bereits eröffneten, im Durchmes-ser bis 2 cm großen Blasen am Stamm vor, die sichinnerhalb einer Woche entwickelt hatten. Die um-gebende Haut wies ein retikuläres Erythem auf.Der übrige Stamm, Extremitäten, Kopf undSchleimhäute waren erscheinungsfrei. Wegeneiner Hornhauttransplantation stand der Patient

seit acht Monaten unter Behandlung mit Cyclo-sporin A (200 mg/die). Ansonsten nahm er keineMedikamente ein.

Eine Probebiopsie ergab eine subepidermale Bla-se, in deren Lumen zahlreiche neutrophile undeosinophile Granulozyten zu sehen waren. Unter-halb der Blase fand sich in der oberen Dermis einperivaskuläres und interstitielles Infiltrat mit zahl-reichen neutrophilen und eosinophilen Granulo-zyten. Aufgrund dieser Befundkonstellation unddes Alters des Patienten wurde zunächst an einbullöses Pemphigoid gedacht. Stufenschnitte erga-

Der besondere FallLineare IgA-Dermatose

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ben jedoch am Rande der Blase subepidermale An-sammlungen neutrophiler Granulozyten, wie siefür die Dermatitis herpetiformis und die lineareIgA-Dermatose charakteristisch sind. In der indirek-ten Immunfluoreszenz fanden sich lineare IgA-Ab-lagerungen im Blasendach, und im Immunoblotkonnten an der Universitäts-Hautklinik WürzburgIgA-Antikörper gegen die lösliche Ektodomäne unddie NC16A-Domäne des BP180-Antigens nachge-wiesen werden. IgG-Antikörper waren im Elisa undImmunoblot nicht nachweisbar.

Von ophthalmologischer Seite wurde die Cyclospo-rin-Therapie zwei Monate später abgesetzt. Die Be-handlung der linearen IgA-Dermatose erfolgte mit100 mg DADPS und initial 48 mg/die Methyl-prednisolon, das in der Folge auf eine Dosierungvon zuletzt 8 mg/die reduziert wurde. Unter dieserTherapie war der Patient erscheinungsfrei, jedochtraten bei weiterer Dosisreduktion erneut Blasenauf.

Die lineare IgA-Dermatose ist ein sehr heterogenesKrankheitsbild. Erstens sind die Antikörper gegenunterschiedliche Antigene gerichtet, teils gegen dasBP180-Antigen in der Lamina lucida der Basal-membran, teils gegen das Typ-VII-Kollagen der An-kerfibrillen. Zweitens kann die lineare IgA-Derma-tose ein großes Spektrum klinischer Veränderungenaufweisen, das vom Bild eines bullösen Pemphi-goids bis hin zu targetoiden Effloreszenzen reicht,die an ein Erythema exsudativum multiforme den-ken lassen. Auch die Schleimhäute können betrof-fen sein, in schweren Fällen unter dem klinischenBild eines vernarbenden Pemphigoids.

Drittens wurden sowohl »idiopathische« Fälle vonlinearer IgA-Dermatose beschrieben als auch Fälle,die in Assoziation mit Infektionen (z.B. Infekte desoberen Respirationstraktes, Herpes zoster, HepatitisC) oder Medikamenten auftraten. Manche Autorensahen das auslösende Moment in einer Kombina-tion von Infektion und Arzneimittel-Gabe (z.B. Van-comycin-Therapie bei Sepsis). Arzneimittel-indu-zierte Fälle entwickeln sich in der Regel 1 bis 14Tage nach Therapiebeginn und heilen innerhalbweniger Tage nach Absetzen des Medikamentes ab.Verantwortlich sind v.a. Vancomycin, Amiodaron,Captopril, Diclophenac und Phenytoin, aber auchüber zwei Fälle von linearer IgA-Dermatose beigleichzeitiger Cyclosporin-Therapie wurde berich-tet. Im hier geschilderten Fall war die Erkrankungwahrscheinlich unabhängig von der Cyclosporin-Therapie, da sie erst mehrere Monate nach Beginnder Behandlung auftrat und auch nach Absetzenvon Cyclosporin fortdauerte.

Bis 1979 wurde die lineare IgA-Dermatose nichtvon der Dermatitis herpetiformis abgegrenzt. In-zwischen ist dies gelungen, aber hinter dem Begriff

Zahlreiche gruppiert stehende pralle Blasen am Thorax eines70jährigen Patienten.

Überwiegend pralle Blasen auf entzündlich geröteter Haut.

Subepidermale Blase in Assoziation mit einem perivaskulärenund interstitellen Infiltrat aus Lymphozyten, eosinophilenGranulozyten und neutrophilen Granulozyten. Diese Befund-konstellation findet sich bei diversen bullösen Autoimmun-dermatosen, einschließlich des bullösen Pemphigoids.

Die diagnostisch wegweisenden histopathologischen Verände-rungen finden sich am Rande der klinisch wahrnehmbarenBlase: umschriebene subepidermale Kollektionen neutrophilerGranulozyten sind charakteristisch für IgA-vermittelte bullöseDermatosen und sprechen gegen ein bullöses Pemphigoid.

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me zu subepidermalen Blasen führen. So verschie-den die Ursachen IgA-mediierter subepidermalerbullöser Dermatosen sind, so gleichförmig sind dieletzten Schritte der pathophysiologischen Reaktion,die sich im charakteristischen histopathologischenBild niederschlagen.

Literatur:Petit D, Borradori L, Rybojad M, Morel P. Linear IgA bullousdermatosis after heart transplantation. J Am Acad Dermatol1990; 22: 851.Kuechle MK, Stegemeir E, Maynard B, et al.. Drug-inducedlinear IgA bullous dermatosis: report of six cases and reviewof the literature. J Am Acad Dermatol 1994; 30: 187–192.Lan JX, Willcox MD, Jackson GD, Thakur A. Effect of tearsecretory IgA on chemotaxis of polymorphonuclear leuco-cytes. Aust N Z J Ophthalmol 1998; 26 (Suppl. 1): S.36–S.39.Zillikens D, Herzele K, Georgi M et al.. Autoantibodies in asubgroup of patients with linear IgA disease react with theNC16A domain of BP180. J Invest Dermatol 1999;113:947–953.

»lineare IgA-Dermatose« verbergen sich immernoch mehrere spezifische Krankheiten, deren Cha-rakterisierung aussteht. Zum Beispiel sind Erkran-kungen im Kindes- und jungen Erwachsenenalternicht durch Medikamente induziert und zeichnensich klinisch häufig durch anuläre Erytheme mitrandständigem Bläschensaum aus. Medikamenten-induzierte Fälle werden dagegen im höheren Le-bensalter beobachtet und erinnern klinisch meistan ein bullöses Pemphigoid, wie dies auch beimhier geschilderten Patienten der Fall war. Durch ge-naue Charakterisierung der Autoantikörper, derenBindung an bestimmte Antigen-Domänen und Kor-relation dieser Befunde mit klinischen und anam-nestischen Daten sollte künftig ein besseres Ver-ständnis der Krankheitsgruppe der linearen IgA-Dermatose möglich sein.

Einstweilen bleibt es noch bei der Diagnose »line-are IgA-Dermatose«, die definiert ist durch band-förmige Niederschläge von IgA-Antikörpern an derdermoepidermalen Junktion und das histopatholo-gische Bild einer subepidermalen Blasenbildungmit Ansammlungen neutrophiler Granulozyten inden Papillenspitzen. Diese Veränderungen findensich jedoch vornehmlich im entzündlichen Rand-bereich von Blasen und sind nach erfolgter Blasen-bildung häufig nicht mehr nachweisbar. Zwar do-minieren beim bullösen Pemphigoid eosinophileund bei der linearen IgA-Dermatose neutrophileGranulozyten im Blasenlumen und in der oberenDermis, jedoch sind häufig beide Zelltypen vertre-ten, so dass die Abgrenzung schwierig sein kann.Auch im vorliegenden Fall ergab sich die Ver-dachtsdiagnose erst, nachdem in Stufenschnittender Randbereich der Blase sichtbar wurde.

Dass die histopathologischen Veränderungen beider Dermatitis herpetiformis und den verschiede-nen Krankheiten, die als »lineare IgA-Dermatose«bezeichnet werden, identisch ist, scheint auf derAntikörper-Klasse zu beruhen: IgA-Antikörper wir-ken stark chemotaktisch für neutrophile Granulo-zyten, die daraufhin im Stratum papillare akkumu-lieren und durch Freisetzung proteolytischer Enzy-

? ??

Wenn Sie Fragen oder Anregungen haben,rufen Sie uns an:

Zentrum für Dermatopathologie Freiburg,

Postfach 1268,79012 Freiburg,

Tel: 0761-316 25Fax: 0761-39772

e-mail: [email protected]

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Der Aufbau der Haut ist in Abhängigkeit von derLokalisation sehr unterschiedlich. Die anatomi-schen Besonderheiten bestimmter Regionen kön-nen das histopathologische Erscheinungsbild vonErkrankungen modifizieren und dadurch die Dia-gnose erschweren. Zum Beispiel weisen melanozy-täre Naevi im Bereich des Nabels und des Genita-les oft eine starke Vermehrung von Einzelmelano-zyten auf, die an ein Melanom erinnern kann. AnHandinnenflächen und Fußsohlen gehen Erkran-kungen wie die Psoriasis vulgaris und die Mykosisfungoides, die im allgemeinen eine nur geringeSpongiose zeigen, nicht selten mit stark ausgepräg-ter Spongiose einher. Ungewöhnlich ist das histo-pathologische Erscheinungsbild von Hautkrankhei-

ten auch an den Streckseiten der großen Gelenke.Insbesondere an den Ellenbogen führt die ständigemechanische Belastung zu einer unregelmäßigenEpithelhyperplasie mit Hypergranulose und kom-pakter Orthokeratose. Dadurch werden zum einenKrankheitsbilder vorgetäuscht, die die gleichen Ver-änderungen zeigen, z.B. der Lichen simplex chro-nicus und alte Verrucae vulgares, zum anderenwird die Erkennung von Erkrankungen erschwert,die gewöhnlich andere Charakteristika aufweisen,wie z.B. die Psoriasis vulgaris, bei der das Stratumgranulosum normalerweise verschmälert ist. WennHautveränderungen in anderen Lokalisationen vor-liegen, sollten Ellenbogen- und Kniestreckseitenbei Biopsien daher möglichst gemieden werden.

Psoriasis vulgaris an der Streckseite des Ellenbogens: anstelleder für die Psoriasis typischen gleichmäßigen Epidermishyper-plasie mit verstrichenem Stratum granulosum sieht man eineunregelmäßige Epidermishyperplasie mit Hypergranulose.

Die übereinander gestaffelten Parakeratosehügel mit Einlage-rung neutrophiler Granulozyten (Pfeile) ermöglichen trotz desansonsten ungewöhnlichen histopathologischen Erscheinungs-bildes in diesem Fall die Diagnose einer Psoriasis vulgaris.

Bilderbuch der Biopsie

Das Rudolf-Virchow-Krankenhaus am Augusten-burger Platz in Berlin gibt es immer noch: als»Campus Virchow-Klinikum« ist es mit seinen 26theoretischen Instituten, 50Kliniken und 2500 Bet-ten inzwischen Teil der Berliner Charité. Umrahmtvon zahlreichen Neubauten, erinnern noch mehre-re historische Pavillons an das Jahr 1906, als dasRudolf-Virchow-Krankenhaus als größtes Kranken-haus Europas eingeweiht wurde.

Ein ganzes Fünftel des Krankenhauses war damalsder dermatologischen Abteilung gewidmet, dieüber mehr als 400 Betten und ein eigenes Pförtner-haus verfügte. Leiter der Abteilung wurde Abraham

Buschke, ein Schüler von Neisser und Lesser, derder Klinik fast dreißig Jahre vorstand, ehe er 1933als Jude entlassen wurde und zehn Jahre später imKonzentrationslager von Theresienstadt umkam.Eine Straße innerhalb des »Campus Virchow-Klini-kum« ist heute nach Buschke benannt.

Von der riesigen dermatologischen Abteilung derGründungszeit sind inzwischen nur wenige For-schungslabors übrig geblieben. Auch der Gegen-stand wissenschaftlichen Interesses hat sich verän-dert: an die Stelle der morphologischen Diagnostikist die allergologische Grundlagenforschung getre-ten. Insofern symbolisiert das Rudolf-Virchow-

MemoriesScleredema Buschke – 100 Jahre

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einer Sitzung der Berliner Dermatologischen Ge-sellschaft vor genau 100 Jahren erstmals vorgestelltwurde.

Buschke berichtete über einen 44jährigen Mann, derim Anschluss an eine Influenza eine »eigenthümli-che Starre im Nacken« entwickelte. »Diese Steifig-keit breitete sich allmählich auf den Thorax, das Ge-sicht und die unteren Extremitäten aus… Die Hautan den eben beschriebenen Stellen fühlt sich brett-hart an, nur an einigen Stellen ist sie leicht elastischgespannt. Dellen sind nicht einzudrücken und dieHaut in Falten nicht zu erheben.« Buschke dachtezunächst »an eine Sklerodermie sehr acuten Gra-

des, aber eine genaueInspection ergab, dassdie Verdickung nicht inden oberen Schichten,sondern in den tiefenLagen der Cutis ihrenSitz hatte und dass nurdurch diese Verände-rungen die Haut selbstgespannt erscheint.«Die Diagnose einerSklerodermie war seinerAnsicht nach daher aus-zuschließen.

Auf die Fallvorstellungvon Abraham Buschkefolgte eine lebhafte Dis-kussion, deren Inhalteim Sitzungsbericht nach-zulesen sind (Arch DermSyph 1900; 53: 383).Nach Meinung einigerTeilnehmer lag »keinGrund vor, diesen Fallvon einer acuten Skle-rodermie abzugrenzen.«Der Leiter der Charité-Hautklinik, Edmund Les-

ser, hielt das Krankheitsbild für das Analogon einesSclerema neonatorum im Erwachsenenalter, undAlfred Blaschko nahm eine mittlere Position ein:»Vorläufig kennen wir,« so führte er aus, »wederdie Ursache der Sklerose noch des Sklerems; nur dasscheint fest zu stehen, dass es einen Krankheitszu-stand gibt, welcher von der gewöhnlichen Sklero-dermie zu trennen ist und typisch verläuft, acutanfängt und vorwiegend in den tieferen Schichtenund dem subcutanen Gewebe seinen Sitz hat.«

Wegen der vermuteten Beziehung zum Scleremaneonatorum wurde das Krankheitsbild als Sclerede-ma adultorum bezeichnet. Diese Namensgebungberuhte auf falschen Voraussetzungen, denn erstenshat das Scleredema Buschke mit dem Scleremaneonatorum nichts zu tun und zweitens kommt es

Krankenhaus wie kein anderes die Entwicklung derDermatologie: Schrumpfung bis zur Selbstauflö-sung, Verlagerung auf Randbereiche und Vernach-lässigung des eigentlichen Kerngebietes: der mor-phologischen Diagnostik von Hautkrankheiten mitnachfolgender gezielter Therapie.

Vieles an dieser Entwicklung ist notwendig undsogar wünschenswert. Nachdem chronische Erkran-kungen wie Syphilis und Tuberkulose nahezu ver-schwunden sind, wären dermatologische Abteilun-gen mit mehreren hundert Betten heute völlig un-sinnig, und die Erweiterung des Spektrums dermato-logischer Forschung ist Folge zunehmender patho-physiologischer Kenntnisseund Voraussetzung fürneue Perspektiven. In ande-rer Hinsicht aber sind Per-spektiven verloren gegan-gen. So sind in einer klei-nen Ambulanz die Mög-lichkeiten, unbekannte Der-matosen wahrzunehmen,sehr viel geringer als ineiner riesigen Hautklinikwie der des Rudolf-Vir-chow-Krankenhauses. Undselbst nach erfolgter Wahr-nehmung ist das Interessean einer genaueren Cha-rakterisierung, Mitteilungund Weiterverfolgung heu-te viel geringer als vor 100Jahren.

Zur Zeit des AbrahamBuschke schlug sich diehohe Patientenzahl derHautklinik des Rudolf-Virchow-Krankenhauses inzahlreichen Publikationennieder. Fast jede Woche er-schien ein Artikel in derDermatologischen Wochenschrift, und da Buschkedie Angewohnheit hatte, sich selbst stets zum Erst-autor der Arbeiten zu machen, hieß es in Dermato-logenkreisen: »Es geht von Mund zu Mund, schonwieder Buschke und…« Bei den Artikeln handeltees sich nicht nur um kasuistische Beschreibungenbekannter Krankheitsbilder, sondern häufig um Fäl-le, die nicht sicher zugeordnet werden konnten undsich im weiteren Verlauf als eigenständige Krankhei-ten erwiesen. Demzufolge gibt es kaum einen ande-ren Dermatologen, dessen Name mit so vielen Haut-krankheiten assoziiert ist, wie Abraham Buschke: zunennen sind der Buschke-Löwenstein-Tumor, dasBuschke-Ollendorf-Syndrom, die Buschke-Hitze-melanose und die auch als Busse-Buschke-Krank-heit bezeichnete Kryptokokkose. Am bekanntestenaber ist das Scleredema Buschke, das im Rahmen 9

Abraham Buschke (1868–1943)

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auch im Kindesalter vor. Das Sclerema neonatorumberuht auf Abweichungen in der Zusammensetzungder Neutralfette bei meist frühgeborenen Säuglin-gen und zeichnet sich histopathologisch durch Ein-schlüsse von Triglycerid-Kristallen in Fettzellen derSubkutis aus. Das Scleredema Buschke ist dagegendurch eine massive Verdickung der Dermis charak-terisiert. Wie bei dem von Buschke geschildertenFall, entwickelt es sich häufig im Anschluss an Infek-tionen, wird jedoch auch in Assoziation mit Diabe-tes mellitus und Paraproteinämien beobachtet.

Die Pathogenese des Scleredema Buschke ist nochheute unklar. Daran, dass es sich um einen eigen-ständigen pathologischen Prozess handelt, besteht

aber kein Zweifel, und diesen Prozess in seiner Be-sonderheit erkannt zu haben, ist das Verdienst Abra-ham Buschkes. Es ist auch das Verdienst derer, diedie Voraussetzungen für Fallvorstellungen schufen,indem sie Sitzungen dermatologischer Gesellschaf-ten etablierten, die offene Diskussion auf solchenSitzungen förderten und eine Zusammenfassung derDiskussionen in Fachzeitschriften publizierten. Sit-zungen dermatologischer Gesellschaften gibt es im-mer noch, die Diskussion ist aber stark in den Hin-tergrund getreten, und die alte Tradition, Diskussi-onsbeiträge in Fachjournalen abzudrucken, wurdevöllig verlassen. Insofern sind die Voraussetzungenfür die Charakterisierung unklarer Krankheitsbilderheute sehr viel schlechter als vor 100 Jahren.

Scleredema Buschke: Massive derbe Schwellung und Rötungim Bereich des oberen Rückens.

In fortgeschrittenen Stadien des Scleredema Buschke ist dieDermis stark verdickt. Entzündliche Veränderungen fehlen.

Das Scleredema Buschke ist klinisch durch eineausgeprägte Induration der Haut gekennzeichnet,die vor allem die Nacken- und Schulterregion, denoberen Stamm und das Gesicht betrifft. Häufig sinddie betroffenen Regionen auch leicht gerötet.

Die Induration ist im wesentlichen durch eine mas-sive Verbreiterung des Stratum reticulare bedingt.Die Dermis wird so dick, dass ihre untere Begren-zung selbst durch tiefe Stanzbiopsien in der Regelnicht erfasst wird. Da die Dicke der Dermis ein wich-tiges diagnostisches Kriterium für das ScleredemaBuschke ist, sollten Biopsien möglichst tief reichen.

In frühen Stadien der Erkrankung werden die Kol-lagenfaserbündel durch Muzineinlagerungen von-einander separiert. Das Muzin lässt sich in derAlcianblau-Färbung meist gut nachweisen, so dassauf die manchmal empfohlenen Spezial-Fixierun-

gen des Gewebes (z.B. Kryofixierung oder Fixie-rung in Cetylpyridinium), die die Nachweisbarkeitvon Muzin verbessern sollen, verzichtet werdenkann. In späteren Stadien fehlt die Muzinvermeh-rung; die Kollagenfaserbündel sind stark vergrö-bert und dicht gelagert. Im Unterschied zum Skle-romyxödem findet sich keine Vermehrung vonFibrozyten und im Unterschied zu frischen Herdeneiner Sklerodermie kein nennenswertes Entzün-dungsinfiltrat. Die Abgrenzung von alten Herdeneiner Sklerodermie kann ohne ausreichende kli-nische Angaben dagegen schwierig sein.

Obwohl Ätiologie und Pathogenese des Sclerede-ma Buschke unbekannt sind, legen die histopatho-logischen Veränderungen eine Aktivierung vonFibrozyten nahe, die sich in der anfänglichen Mu-zinvermehrung und der anschließenden massivenFibrose niederschlägt.

Klinische Befunde – histopathologisch erläutert

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Für Sie referiert

In einer Studie der Universität Madrid wurden 155Naevi sebacei im Hinblick auf assoziierte Tumorenuntersucht. Am häufigsten fand sich eine Assozia-tion von Naevi sebacei mit Trichoblastomen(7,7%), gefolgt vom Syringocystadenoma papillife-rum (5,8%) und dem Sebomatricom (4,5%). Häu-fig waren darüber hinaus auch endophytische War-zen (7,7%) und eine Induktion primitiver Haarfolli-kel (6,4%). Basalzellkarzinome wurden nicht beo-bachtet. Die Empfehlung, Naevi sebacei wegeneiner Tendenz zur Entwicklung maligner Neopla-sien frühzeitig zu entfernen, wurde von den Auto-ren in Frage gestellt (Jaqueti G et al.: Am J Derma-topathol 2000; 22: 108–118).

Neben morphologischen Charakteristika wieAsymmetrie, unregelmäßiger Begrenzung, unregel-mäßiger Färbung und großem Durchmesser wirdauch die Vergrößerung eines Pigmentmals als klini-sches Kriterium zur Diagnose eines malignen Mela-noms herangezogen. An der Universität Wien wur-den 1612 als »gewöhnliche melanozytäre Naevi«eingeordnete Tumoren auflichtmikroskopisch übereinen längeren Zeitraum hinweg kontrolliert. EineVergrößerung wurde in 5,3% aller Naevi festge-stellt, und zwar vor allem bei Patienten unter20 Jahren. Auflichtmikroskopisch wiesen sich ver-größernde Naevi einen peripheren Saum bräun-licher Globuli auf. Die sich vergrößernden Pig-mentzelltumoren wurden exzidiert; histopatholo-gisch konnte die Naevus-Diagnose in allen Fällengesichert werden. Bei ansonsten unauffälligen Pig-mentzelltumoren hat die anamnestische Angabeeiner Vergrößerung der vorliegenden Studie zufol-ge keine diagnostische Relevanz (Kittler H et al.:Arch Dermatol 2000; 136: 316–320).

Der Spitz-Naevus weist ein breites Spektrum klini-scher und histopathologischer Erscheinungsformenauf. Zu diesen Varianten zählen zum Beispiel derpigmentierte Spindelzellnaevus und der desmopla-stische Spitz-Naevus. Als bislang nicht charakteri-sierte histopathologische Variante des Spitz-Nae-vus wurde vom Zentrum für DermatopathologieFreiburg der angiomatoide Spitz-Naevus beschrie-ben. Er ist gekennzeichnet durch epitheloide Mela-nozyten, die wenig oder kein Pigment aufweisenund zumeist einzeln in einem fibrösen Stroma ge-legen sind. Das Stroma enthält darüber hinausmassenhaft kleine Blutgefäße mit prominentenEndothelien. Unter 400 Spitz-Naevi wurde die an-giomatoide Variante fünfmal beobachtet. DieKenntnis des angiomatoiden Spitz-Naevus istwichtig, um einer Verwechslung mit vaskulärenNeoplasien vorzubeugen (Diaz C et al.: Am J Der-matopathol 2000; 22: 135–139).

Im American Journal of Dermatopathology setzteCarlos Diaz vom Zentrum für DermatopathologieFreiburg seine Serie über die algorithmische Dia-gnose kutaner Weichteiltumoren anhand der imhistopathologischen Schnitt dominierenden Far-ben fort. Als Tumoren mit Dominanz von pink be-sprach er u.a. muskuläre Neoplasien, Fibromato-sen und den Granularzelltumor. Da das Fehlen vonBlautönen in der Übersichtsvergrößerung mit einergeringen Zellularität der Neoplasie korreliert, sindTumoren, die sich vornehmlich pink anfärben, fastdurchweg gutartig (Diaz C: Am J Dermatopathol2000; 22: 191–196).

Eine lymphomatoide Papel ist nicht gleichbedeu-tend mit der lymphomatoiden Papulose. Von derAbteilung für Pathologie und Dermatologie der Uni-versity of California in San Francisco wurde ein Fallbeschrieben, der klinisch und histopathologisch alletypische Zeichen einer lymphomatoiden Papuloseaufzuweisen schien: eine 81jährige Patientin ent-wickelte plötzlich zahlreiche Papeln am Stamm undan den Extremitäten, die unter der klinischen Ver-dachtsdiagnose einer lymphomatoiden Papulosebiopsiert wurden. Histopathologisch fand sich einoberflächliches und tiefes Infiltrat atypischer Lym-phozyten, die eine starke Expression von CD30 auf-wiesen. Trotz dieser für die lymphomatoide Papu-lose typischen Befundkonstellation wurde eine zwei-te Biopsie durchgeführt, in der sich bei ansonstengleichem Bild eine Milbe in der Hornschicht nach-weisen ließ – ein Beispiel dafür, dass auch Arthropo-denreaktionen (in diesem Fall eine Scabies) mitCD30-positiven atypischen Lymphozyten einherge-hen können. Die Kenntnis solcher diagnostischerFallen ist auch für den Kliniker wichtig, der bei kli-nisch ungewöhnlichen Befunden oder Krankheits-verläufen die Diagnose stets überdenken sollte(McCalmont TH, LeBoit P: Am J Dermatopathol2000; 22: 188–190).

Das Granuloma anulare manifestiert sich in der Re-gel mit Papeln oder anulären Plaques. Von der Uni-versität in Cincinnati wurde auf die Patch-Form desGranuloma anulare hingewiesen, die klinischdurch kaum wahrnehmbare, nicht infiltrierte fleck-förmige Veränderungen und histopathologischdurch ein mäßig ausgeprägtes interstitielles Infiltratvon Histiozyten charakterisiert ist. Im Unterschiedzur üblichen klinischen Differenzialdiagnose desGranuloma anulare muss die Patch-Form der Erkran-kung vor allem von der makulösen hyperpigmen-tierten Variante der Morphea und dem Patch-Stadi-um der Mykosis fungoides abgegrenzt werden (Mu-tasim DF, Bridges AG: J Am Acad Dermatol 2000; 42:417–421).

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Typische histopathologische Veränderungen einer Prurigo-papel: neben der unregelmäßigen Epithelhyperplasie mitHypergranulose und kompakter Orthohyperkeratose siehtman auch vergröberte Kollagenfasern in den elongierten der-malen Papillen (Pfeil).

Langfristiges Kratzen führt zu einer Epithelhyperplasie mitHypergranulose und kompakter Orthokeratose. Ferner siehtman als Folge einer fortdauernden Irritation nicht selten einleichtes Entzündungsinfiltrat, Areale von Parakeratose sowiePlasma und neutrophile Granulozyten in der Hornschicht.

Das ist es!

Es handelt sich um einen Lichen simplex chronicusbzw. um kleine, dicht stehende Prurigopapeln. Bei-de Begriffe bezeichnen den gleichen Prozess, näm-lich umschriebene, erhabene Hautveränderungen,die als Folge langfristigen Kratzens entstehen. DerBegriff »Prurigo« wird für etwas größere, der Begriff»Lichen simplex chronicus« für kleine Papeln ver-wendet. Auf dem Bild dominieren kleine Papeln, sodass differenzialdiagnostisch an andere Erkrankun-gen zu denken ist, die den Namen »Lichen« tragen,zum Beispiel an den Lichen planus oder den Lichenmyxedematosus. Gegen diese Erkrankungen sprichtjedoch die Lokalisation der Hautveränderungen ander Streckseite des Unterschenkels. Der Lichenamyloidosus, der ebenfalls mit kleinen, monomor-phen Papeln einhergeht und bevorzugt an den Un-terschenkeln auftritt, ist keine echte Differenzialdia-gnose, sondern eine Variante des Lichen simplexchronicus, bei der es infolge des Kratzens zu einemUntergang von Keratinozyten kommt, die nachfol-gend in die Dermis abtropfen und dort in Amyloid

umgewandelt werden. Dass die Hautveränderun-gen im vorliegenden Fall kratzbedingt sind, ist auchan der Verdickung der Haut mit Betonung desHautlinienreliefs zu erkennen, die vor allem amFußgelenk als flächenhafte Lichenifikation hervor-tritt.

Während die Diagnose kratzbedingter Hautverän-derungen anhand des klinischen Bildes mit Sicher-heit gestellt werden kann, ist eine Aussage über dieUrsache des Juckreizes, der den Patienten zumKratzen verleitet, nicht möglich. Der abgebildetePatient wies eine atopische Konstitution auf, sodass die Hautveränderungen auch als »Prurigo-form der atopischen Dermatitis« bezeichnet wer-den könnten. Zu dieser Einordnung bedarf es aller-dings zusätzlicher anamnestischer Angaben. DieHautveränderungen selbst unterscheiden sich innichts von kratzbedingten Papeln, die auf demBoden anderer pruriginöser Erkrankungen entste-hen und nicht mit einer Atopie assoziiert sind.

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Dermatologie – einmal anders Die Immunpathogenese der atopischen Dermatitis

Kaum eine andere Krankheit der Haut ist so um-stritten wie die atopische Dermatitis. Dabei ist siehäufig und in der Regel leicht zu erkennen: diecharakteristische Betonung von Gesicht, seitlichenHalspartien und großen Gelenkbeugen sowie dasNebeneinander von Rötungen, Lichenifikation undExkoriationen bei trockener, rauher Haut ermögli-chen meist eine Blickdiagnose. Zu allem Überflussgibt es noch viele andere Diagnosekriterien, wiezum Beispiel den Juckreiz, die oft positive Fami-lienanamnese, die Assoziation mit allergischerRhinokonjunktivitis und allergischem Asthmabronchiale, die Erhöhung des Serum-IgE und dieHäufigkeit positiver Testreaktionen auf Aeroallerge-ne, um nur einige zu nennen.

Gerade die Vielgestaltigkeit des klinischen Bildes,die die Diagnose erleichtert, erschwert aber die Ein-ordnung und ist verantwortlich für den anhaltendenMeinungsstreit über die Natur deratopischen Dermatitis. Ernest Bes-nier, der das Krankheitsbild 1892als erster klar herausarbeitete, be-stritt jegliche Spezifität der Haut-veränderungen. Seiner Ansichtnach lag das Wesen der Krankheitin einer hereditären Neigung zumJuckreiz, einer »prurigo diathési-que«, und die Hautveränderun-gen waren nichts als Kratzeffekte.Andere Autoren, wie Joseph Jadas-sohn und Guido Miescher, spra-chen sich für eine Spezifität derHautveränderungen aus, grenztensie aber vom Ekzem ab, da typi-sche morphologische Charakteri-stika eines Ekzems, wie Bläschenund Papulovesikel, fehlten. Wie-der andere Autoren ordneten dieKrankheit als Ekzem ein, bestrit-ten aber im Gegensatz zu ande-ren Krankheiten des atopischenFormenkreises eine allergischeGenese und grenzten die Haut-veränderungen als »endogenesEkzem« vom exogenen allergi-schen Kontaktekzem ab.

All diese unterschiedlichen Mei-nungen sind nicht Geschichte,sondern werden bis heute vertre-ten. Die atopische Dermatitisgleicht einem Schiff auf hoherSee, das dem Ruder nicht ge-horcht und von den unsteten

Wogen bald hierhin, bald dorthin gespült wird. Erstin den letzten Jahren kam durch neue immuno-logische Erkenntnisse Land in Sicht. Zunächst wur-den auf Langerhans-Zellen IgE-Rezeptoren nach-gewiesen, so dass die Hypothese einer IgE-ver-mittelten Kontaktreaktion vom »Ekzemtyp« neueNahrung erhielt. Aeroallergene lösten im »Atopie-Patchtest« eine vesikulöse Immunreaktion aus, dievon der allergischen Kontaktdermatitis nicht abzu-grenzen war. Darüber hinaus wurde gezeigt, dassPatienten mit atopischer Dermatitis vermehrt T-Helfer-Zellen vom Typ 2 aufweisen, deren Zyto-kine die IgE-Bildung (IL-4, IL-13) und die Reifungeosinophiler Granulozyten (IL-5) stimulieren. Da-mit schien das Szenario einer spezifischen atopi-schen Ekzemreaktion komplett: ein Aeroallergenbindet über IgE-Rezeptoren an Langerhans-Zellenund wird von diesen spezifisch sensibilisiertenTh2-Lymphozyten präsentiert, die einerseits eine

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allergene, wie sie im »Atopie-Patchtest« provoziertwird, mag in Einzelfällen für die Dermatitis undden Juckreiz verantwortlich sein.

Sehr viel wichtiger sind im klinischen Alltag jedochirritativ-toxische Einflüsse. Die meisten Patienten mitatopischer Dermatitis geben eine Unverträglichkeitvon Wolle an. Nicht selten sind Entzündungszeichenim Bereich scheuernder Kleidung am stärksten aus-geprägt (z.B. Kragenbereich, »Mamillenekzem«).Viele Atopiker entwickeln bei häufigem Wasserkon-takt eine irritative Kontaktdermatitis an den Händen.Und die meisten »Minimalformen der atopischenDermatitis« lassen sich durch die schwach irritativeWirkung von Schweiß oder Speichel erklären (z.B.Cheilose bzw. »Lippenleckekzem«, »Lutschekzem«am Daumen von Kleinkindern, »atopisches Analek-zem«).

Die besondere Neigung zur Entwicklung einer irri-tativen Kontaktdermatitis ist Folge der für Atopikertypischen »trockenen Haut«. Die Ursachen derHauttrockenheit sind nicht bekannt. Zwar wurdenVeränderungen im Lipidfilm (u.a. verminderter Ce-ramid-Anteil) und eine Reduktion wasserbindenderMoleküle im Stratum corneum (u.a. durch Filag-grin-Mangel) festgestellt, doch von diesen erstenunsicheren Befunden bis zu einem Verständnis derPathophysiologie ist noch ein weiter Weg. In jedemFall gehen die Hornschichtveränderungen bei Ato-pikern mit einer gestörten Barrierefunktion einher,die das Eindringen von Irritantien und Allergenenerleichtert.

Die Verhornungsstörung bei Patienten mit Atopiekann also nicht nur für irritative Kontaktdermatiti-den verantwortlich sein, die zusammen mit Kratz-effekten das klinische Bild der atopischen Dermati-tis bestimmen, sondern auch für die Entwicklungvon Allergien. Selbst respiratorische Allergien wur-den auf eine frühkindliche Sensibilisierung über dieHaut zurückgeführt (Taieb A, Contact Dermatitis1999; 41: 177-180). Durch chronische Allergensti-mulation bildet sich dann der immunologischePhänotyp der Atopie aus, einschließlich der Ver-mehrung von Th2–Zellen und der überschießendenProduktion von IgE. In diesen immunologischenVeränderungen die eigentliche Ursache der Atopiezu sehen, ist jedoch abwegig, und die Suche nachGenen, die den Immundefekt bedingen, wird trotzgelegentlicher Erfolgsmeldungen letztlich unergie-big sein. Die immunologischen Veränderungensind bei der Atopie nur ein Epiphänomen, das fürdie respiratorischen Beschwerden große Bedeutunghat, bei der atopischen Dermatitis aber nur eineuntergeordnete Rolle spielt.

Jede wissenschaftliche Hypothese muss sich daranmessen lassen, wie gut sie die Wirklichkeit zu er-klären vermag. Die Annahme eines hereditären Im-

spongiotische Entzündung herbeiführen, anderer-seits durch Stimulation der IgE-Bildung die Aller-genbindung weiter fördern. Die atopische Derma-titis galt als »Paradigma einer IgE-mediierten Typ-IV-Reaktion« (Bieber T, Pathol Biol 1995; 43: 871-875). Ende gut – alles gut?

Nicht ganz, denn die zahlreichen Argumente, dieschon früher gegen eine allergische Genese deratopischen Dermatitis angeführt wurden, bliebenvon den neuen Erkenntnissen unberührt. Zum Bei-spiel haben die meisten allergischen Reaktionen inHauttests, einschließlich des Atopie-Patch-Tests,keine erkennbare klinische Relevanz. Bei Patientenmit positiven Hauttest-Reaktionen oder Nachweisspezifischer Antikörper führt Allergenkarenz nurselten zu einer Besserung der Dermatitis. Wennkeine assoziierte respiratorische Allergie besteht,ist das Serum-IgE bei atopischer Dermatitis meistnormal. Das klassische klinische Bild der atopi-schen Dermatitis wurde sogar bei Patienten mitAgammaglobulinämie beobachtet, die keine IgE-Antikörper aufweisen. IgE-bindende Langerhans-Zellen sind für die atopische Dermatitis ebensowenig spezifisch wie eine Dominanz von Th2-Lymphozyten für Reaktionen auf Aeroallergene.Darüberhinaus können allergische Reaktionen vie-le Aspekte der atopischen Dermatitis nicht erklä-ren, wie zum Beispiel die trockene Haut und diesogenannten »Atopie-Stigmata«.

Die Schwierigkeiten in der Einordnung der atopi-schen Dermatitis sind darauf zurückzuführen, dasssich bei Atopikern viele pathogenetisch unter-schiedliche Hautveränderungen überlagern. Diemeisten dieser Veränderungen sind kratzbedingt:durch intensives Kratzen entstehen zum einen Ge-webedefekte, die von kleinen oberflächlichen Ex-koriationen über großflächige Erosionen bis hin zunarbig abheilenden Ulcera reichen, zum anderenführt langfristiges Kratzen zu einer Verdickung derEpidermis mit kompakter Hyperkeratose, die sichklinisch in umschriebenen Prurigopapeln oder flä-chenhaften Lichenifikationen niederschlägt. ImRahmen der Lichenifikation kommt es zu einerVergröberung der Hautlinien, die an den Unterli-dern von Atopikern zur »Dennie-Morgan-Falte«führt, während das »Hertoghe-Zeichen« Folge ei-nes kratzbedingten Haarverlusts im Bereich derAugenbrauen ist.

Warum aber kratzen die Patienten? Weil es juckt !Und warum juckt es? Wegen einer spezifischenImmunreaktion auf Umweltallergene? Das ist na-türlich möglich. Typ-IV-Allergien sind bei Atopi-kern nicht selten, und dass intensiver Hautkontaktmit Aeroallergenen eine juckende urtikarielle Re-aktion herbeiführen kann, ist bei entsprechenderSensibilisierung an jedem Reibetest ersichtlich.Auch eine spongiotische Immunreaktion auf Aero-

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mundefektes als Ursache derAtopie erklärt nur wenigeTeilaspekte des Krankheits-bildes. Die Annahme einergenetisch verankerten Diffe-renzierungsstörung desOberflächenepithels mit Be-einträchtigung der Barriere-funktion leistet da wesent-lich mehr: Sie erklärt, warumdie Haut bei den meistenAtopikern trocken und rauhist. Sie erklärt die besondereEmpfindlichkeit gegenüberirritativen Einflüssen, die fürdie Ausbildung einer chroni-schen Dermatitis mit Juck-reiz und Kratzeffekten ent-scheidend sind. Sie erklärtdie Entwicklung von Allergi-en und die verstärkte Bin-dung von Mikroorganismen,die sich in unterschiedlichenInfektionen, von der Impeti-go bis hin zu Mollusca con-tagiosa, niederschlägt. Diephysiologische Zunahme derBarrierefunktion in den er-sten Lebensjahren erklärt denhäufigen Rückgang der Be-schwerden nach dem Klein-kindesalter. Und schließlicherklärt die Störung der Barri-erefunktion auch die Asso-ziation der atopischen Der-matitis mit anderen Krank-heitsbildern. So heisst es all-gemein, viele Atopiker hät-ten gleichzeitig eine Ichthy-osis vulgaris. Tatsächlich istes umgekehrt: Patienten mitIchthyosis vulgaris weiseneine gestörte Barrierefunk-tion ihrer Hornschicht aufund entwickeln aus diesemGrunde den Phänotyp derAtopie. Ähnlich verhält essich mit anderen hereditärenVerhornungsstörungen, wiezum Beispiel dem Nether-ton-Syndrom.

Das Schiff der atopischenDermatitis ist damit nochlange nicht am Ziel. Es befin-det sich weiterhin auf hoherSee, aber ein Kurs liegt an,und der weist nicht in denHafen der Immunologie.

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Die durch anhaltendes Reiben verursachte Lichenifikation derAugenlider ist verantwortlich für die Vergröberung des Haut-linienreliefs und das Hervortreten der »Dennie-Morgan-Falte«.

Das Fehlen der lateralen Partien der Augenbrauen (Hertoghe-Zeichen) ist nicht Ausdruck einer genetisch fixierten Fehl-bildung, sondern Folge anhaltenden Kratzens und Reibens.

Atopische Dermatitis im Säuglingsalter: die Hautveränderun-gen sind direkte Folge des Kratzens. Die benachbarte Hautweist keine Entzündungszeichen auf, und den Händen nichtzugängliche Hautregionen sind erscheinungsfrei.

Kombination von Zeichen langfristigen und aktuellenKratzens: eine Lichenifikation der Kniegelenksbeuge, verbunden mit zahlreichen kleinen Exkoriationen, als typischeManifestation einer atopischen Dermatitis.

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Irritative Kontaktdermatitis in den Bauch- und Leistenfalteneiner Atopikerin. Nicht selten ist die atopische Dermatitis imBereich von Hautfalten am stärksten ausgeprägt, was durchdie irritative Wirkung von Schweiß bei herabgesetzterBarrierefunktion der Hornschicht erklärt werden kann.

Irritative Kontaktdermatitis am Hals einer Atopikerin. Für diehäufige Lokalisation der atopischen Dermatitis als Hals dürftev.a. die mechanische Irritation durch das Scheuern von Klei-dung verantwortlich sein, durch die die ohnehin gestörteBarrierefunktion der Hornschicht weiter herabgesetzt wird.

Bei Patienten mit Ichthyosis vulgaris ist die Barrierefunktionder Hornschicht eingeschränkt (siehe z.B. Lavrijsen AP et al.;Br J Dermatol 1993; 129–547–553). Dies erleichtert dasEindringen von Irritantien und Allergenen und kann dadurchsekundär zum immunologischen Phänotyp der Atopie führen.

Die starke Besiedlung der Haut durch Staphylokokken istnicht Ursache, sondern Folge von Exazerbationen der atopi-schen Dermatitis. Im Rahmen der Entzündung wird dieHornschicht weiter beeinträchtigt und die Bindung vonStaphylokokken begünstigt.