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15 Jahre Zeitung gegen den Krieg (ZgK) Die Zeitung gegen den Krieg –ZgK wur- de wenige Tage nach Beginn des Nato- Kriegs gegen die Bundesrepublik Jugos- lawien, gemeinhin als „Kosovo-Krieg“ abgekürzt und verharmlost, gegründet. Die Schlagzeile auf der Titelseite der ersten Ausgabe, die eine Woche nach Kriegsbeginn erschien, lautete: „SPD- Kanzler ordnete Krieg an“. Auf Seite 1 stand: „Herausgeberin: PDS im Bundes- tag“. Während des Nato-Kriegs gegen Jugoslawien erschienen fünf Ausgaben; die Zeitung wurde bis Juni 1999 in einer Gesamtauflage von mehr als einer Million Exemplaren gedruckt. Allerdings gab es einen harten Ein- schnitt. Am 15. April 1999 äußerte der Fraktionsvorsitzende der SPD, Peter Struck, im Bundestag: „Ich möchte dar- auf hinweisen, dass mir eine Zeitung vorliegt, herausgegeben von der PDS im Deutschen Bundestag, in der der Bundesminister für Verteidigung, Herr Kollege Rudolf Scharping, als ´Kriegs- minister´ tituliert wird. Ich weise diese Unerhörtheit deutlich zurück.“ Am 20. April 1999 sagte Rudolf Scharping im Parlament, es sei ihm „scheißegal“, wie die PDS ihn bezeichne. Es sei jedoch ein Skandal, dass die PDS „mit Steuer- geldern diese Zeitung gegen den Krieg finanziert.“ Daraufhin beschloss die PDS-Fraktion mehrheitlich, die Heraus- gabe der Zeitung einzustellen. Eine Woche später erschien Ausgabe 4, nun- mehr mit der Angabe: „Herausgegeben und unterstützt von: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. und einzelnen Bundestagsabgeordneten der PDS“. 14 PDS-MdBs (von insgesamt 37) hatten sich bereit gefunden, mit ihrem Namen und mit Geld das weitere Erscheinen der Zeitung zu ermöglichen. In dieser Form erschien die ZgK bis Ende 2002, meist zwei Mal im Jahr. Nach der Bun- destagswahl vom September 2002, bei der die PDS an der 5-Prozent-Hürde scheiterte, gelang es, die Zeitung wei- terzuführen – nunmehr primär gestützt auf viele einzelne Initiativen der Anti- kriegsbewegung und Verbände wie DFG-VK, VVN-BdA und den Bundes- ausschuss Friedensratschlag. Im Som- mer 2004 wurde ein neuer juristischer Träger der ZgK gegründet, das Büro für Frieden und Soziales (BFS) e.V. Im BFS e.V. erscheint die Zeitung bis heute. Die Verbindung zum Verband DFG-VK wurde ausgebaut. Als Herausgeberin- nen und Herausgeber zeichnen seit mehreren Jahren Heike Hänsel (Tübin- gen), Ulrich Sander (Dortmund), Monty Schädel (Waren/Müritz), Bärbel Schind- ler-Saefkow (Berlin) und Laura von Wimmersperg (Berlin). Ach ja, in Ausgabe 1 der ZgK gab es auch grüne Stimmen gegen den Krieg. Hans-Christian Ströbele schrieb: „Ich schäme mich für mein Land, das jetzt wieder (…) Bomben auf Belgrad wirft.“ Das war damals eine deutliche Minder- heit bei den Grünen. Vergleichbar zur heutigen Situation (siehe Seite 7). nr.37 „Das Militär, diesen Schand- fleck der Zivilisation, zum Verschwinden zu bringen!“ Albert Einstein Nr. 37 Frühjahr 2014 Erster Weltkrieg und Lehren für heute Seite 2 U. Sander Bundeswehr gefechtsbereit Seite 3 J. Wagner EU-Nato-Offensive in der Ukraine Seite 4 F. Schmid Im Visier: Ukrainisches Öl & Gas Seite 6 C. Ronnefeldt 15 Jahre Kosovo-Krieg Seite 8 X. Hall Atomwaffen werden modernisiert Seite 12 A us dem Nato-Haupt- quartier tönt es: Seit März 2014 erlebten wir eine „historische Zäsur“. Die Rede ist von einer „Wieder- kehr des Kalten Kriegs“ – davon dass „Russland jetzt zahlen muss“. Deutschlands Finanzminister ver- gleicht Putins Vorgehen auf der Krim mit der Politik Adolf Hitlers 1938/39. Die Bundeswehr statio- niert Kampfflugzeuge in den bal- tischen Staaten. Washington stellt ultimative Forderungen an Mos- kau. Sie zündeln. In Osteuropa kann es jederzeit brennen. Und ein Brand in der Ukraine kann leicht zu einem neuen Weltenbrand werden. Halten wir fest: Als das sowjet- ische Politbüro unter Michail Gor- batschow 1990 in die deutsche Wiedervereinigung einwilligte und kurz darauf den Warschauer Pakt auflöste, da gelobte der Westen, die Nato werde „not a single inch“ – nicht einen Zenti- meter – weiter nach Osten ausge- dehnt werden. Russland werde nicht eingekreist. Das schien fair: Mehr als 100 Millionen Menschen entzogen sich dem russischen Machtbereich; der Kreml ließ die- se ohne einen Schuss abzugeben ziehen. Mehr als eine Million rus- sischer Soldaten wurden aus Ost- deutschland und dem übrigen Mittel- und Osteuropa abgezogen. Es hätte eine Zeit der allgemeinen Abrüstung beginnen können. Doch das Gegenteil findet statt. Neue Aufrüstung – und die Ein- kreisung Russlands. Nicht nur die westliche Wirtschaftsmacht, die EU, greift immer weiter nach Osten aus. Der militärische Arm des Westens, die Nato, verlängerte sich bereits bis in die baltischen Staaten. Es gab auch bereits zwei Kriege, mit denen der Westen offen demonstrierte, was noch alles folgen könnte: 1999 bombte die Nato in Jugoslawien („Koso- vo-Krieg“); 2008 marschierte die vom Westen unterstützte georgi- schen Armee in die russisch kon- trollierte Region Südossetien ein. Ohne Zweifel verstößt die Ein- verleibung der Krim in die Russi- sche Republik gegen internationa- les Recht. Doch was war dem vor- ausgegangen? In Kiew wurde eine rechtmäßig gewählte Regierung wegge- putscht. Das neue westlich orien- tierte Regime wird maßgeblich von antirussischen und faschisti- schen Kräften bestimmt. Eine der ersten Handlungen der neuen Führung in Kiew bestand darin, die russische Sprache in den Gebieten, in denen mehrheitlich Russinnen und Russen leben, nicht mehr als Amtssprache zu gestatten. Wohlgemerkt: Der rus- sische Anteil an der gesamten Bevölkerung der Ukraine liegt bei knapp 30 Prozent. Vor diesem Hintergrund müs- sen die Volksabstimmung auf der Krim und die Einverleibung der Halbinsel in den russischen Staat gesehen werden. Wobei der Ver- gleich mit dem Kosovo absolut zutreffend ist: In einer klar umgrenzten Region eines Staates (des Kosovo in Jugoslawien bzw. der Krim in der Ukraine) entschied sich eine deutliche Mehrheit für die Abtrennung. Die aktuelle Krise in der Ukrai- ne mag noch einmal eingedämmt werden. Sicher ist jedoch: Der Westen – die Nato, die US-Regie- rung, die EU und nicht zuletzt die deutsche Regierung – orientieren auf Krieg und Bürgerkrieg. Was im Westen der Ukraine Anfang des Jahres gelobt und kofinanziert wurde – Demos, Barrikaden und besetzte Regierungsgebäude – fin- det inzwischen spiegelbildlich im Osten der Ukraine statt und wird als „Terrorismus“ verteufelt. War- nungen der Altbundeskanzler Hel- mut Schmidt und Gerhard Schrö- der oder der Grünen Ex-Bundes- tags-Vizepräsidentin Antje Vol- mer, man werde sich ins eigene Fleisch schneiden, werden kühl ignoriert. Und als der Siemens- Boss Joe Kaeser Ende März in Moskau weilte und aus reinem Konzern-Interesse für „Zurückhal- tung und Vernunft“ warb, da gif- tete der Verband der Deutschen Autoindustrie, der Auftritt des Siemens-Bosses mit Wladimir Putin sei „einfach nur peinlich ge- wesen“. Heute droht eine vergleichbare Entwicklung, wie es sie in den vergangenen 150 Jahren im Kapi- talismus mehrfach gab: Die Eigen- dynamik des Militärischen droht die Oberhand zu gewinnen. Alles Gerede von der Dominanz des Fi- nanz- und Heuschrecken-Kapitals mit einer Nivellierung nationaler Strukturen könnte sich als Schall und Rauch erweisen – genauso wie dies 1914 der Fall war, als die Theorien vom Ultra-Imperialismus und der Vorherrschaft des Finanz- kapitals, die u.a. Karl Kautzky entwickelt hatte, tragisch mit der Realität kapitalistischer Entwick- lung widerlegt wurden und der nationale Wahn in Krieg und wechselseitiges Völkermor- den mündete. Wir appellieren an die Vernunft und an die Herzen der Menschen: Es heißt: Wir müssten „sparen“; alles, auch eine Kita und ein Jugendzentrum, müsste „sich rechnen“. Ist es aber nicht so, dass das Militär, die Bundes- wehr und die Rüstung sich zu 100 Prozent nicht rechnen? Dass diese Gelder in Schulen, in Kitas und bei neuen Jobs fehlen? Es heißt: Die Rüstungsausgaben müssten „verstetigt“ werden. Ist es nicht so, dass allein die Rüstungs- ausgaben der EU mit 190 Milliar- den Euro im Jahr größer sind als diejenigen Russlands, Chinas und Japans zusammengenommen? Machen die Rüstungsetats der Na- to, einschließlich des Rüstungs- etats der USA nicht mehr als 70 Prozent der weltweiten Rüstungs- ausgaben aus? Es heißt: Die EU, der IWF und insbesondere die deutsche Regie- rung wollten der ukrainischen Be- völkerung helfen. Ist es nicht so, dass diese „Hilfe“ darin besteht, die Lebenshaltungskosten und die Arbeitslosenquote massiv zu er- höhen? Kann man die verheeren- den Folgen dieser Art „Hilfe“ nicht plastisch auf dem Balkan, in Griechenland, Portugal, Spanien oder auf Zypern studieren? Es heißt: Die EU, die Nato und die US-Regierung verfolgten in der Ukraine demokratische Ziele. Ist es nicht so, dass mehr als 70 Prozent der Menschen in Deutsch- land sich gegen eine weitere west- liche Eskalation in der Ukraine aussprechen und dass 75 Prozent der deutschen Bevölkerung den Einsatz der Bundeswehr im Aus- land ablehnen? Stoppt die Kriegstreiber! Enga- giert euch für den Erhalt des Frie- dens! N A T O - A u s g r i f f gen Osten

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15 Jahre Zeitung gegenden Krieg (ZgK)

Die Zeitung gegen den Krieg –ZgK wur-de wenige Tage nach Beginn des Nato-Kriegs gegen die Bundesrepublik Jugos-lawien, gemeinhin als „Kosovo-Krieg“abgekürzt und verharmlost, gegründet.Die Schlagzeile auf der Titelseite derersten Ausgabe, die eine Woche nachKriegsbeginn erschien, lautete: „SPD-Kanzler ordnete Krieg an“. Auf Seite 1stand: „Herausgeberin: PDS im Bundes-tag“. Während des Nato-Kriegs gegenJugoslawien erschienen fünf Ausgaben;die Zeitung wurde bis Juni 1999 ineiner Gesamtauflage von mehr als einerMillion Exemplaren gedruckt.

Allerdings gab es einen harten Ein-schnitt. Am 15. April 1999 äußerte derFraktionsvorsitzende der SPD, PeterStruck, im Bundestag: „Ich möchte dar-auf hinweisen, dass mir eine Zeitungvorliegt, herausgegeben von der PDSim Deutschen Bundestag, in der derBundesminister für Verteidigung, HerrKollege Rudolf Scharping, als ´Kriegs-minister´ tituliert wird. Ich weise dieseUnerhörtheit deutlich zurück.“ Am 20.April 1999 sagte Rudolf Scharping imParlament, es sei ihm „scheißegal“, wiedie PDS ihn bezeichne. Es sei jedochein Skandal, dass die PDS „mit Steuer-geldern diese Zeitung gegen den Kriegfinanziert.“ Daraufhin beschloss diePDS-Fraktion mehrheitlich, die Heraus-gabe der Zeitung einzustellen. EineWoche später erschien Ausgabe 4, nun-mehr mit der Angabe: „Herausgegebenund unterstützt von: InformationsstelleMilitarisierung (IMI) e.V. und einzelnenBundestagsabgeordneten der PDS“. 14PDS-MdBs (von insgesamt 37) hattensich bereit gefunden, mit ihrem Namenund mit Geld das weitere Erscheinender Zeitung zu ermöglichen. In dieserForm erschien die ZgK bis Ende 2002,meist zwei Mal im Jahr. Nach der Bun-destagswahl vom September 2002, beider die PDS an der 5-Prozent-Hürdescheiterte, gelang es, die Zeitung wei-terzuführen – nunmehr primär gestütztauf viele einzelne Initiativen der Anti-kriegsbewegung und Verbände wieDFG-VK, VVN-BdA und den Bundes-ausschuss Friedensratschlag. Im Som-mer 2004 wurde ein neuer juristischerTräger der ZgK gegründet, das Büro fürFrieden und Soziales (BFS) e.V. Im BFSe.V. erscheint die Zeitung bis heute. DieVerbindung zum Verband DFG-VKwurde ausgebaut. Als Herausgeberin-nen und Herausgeber zeichnen seitmehreren Jahren Heike Hänsel (Tübin-gen), Ulrich Sander (Dortmund), MontySchädel (Waren/Müritz), Bärbel Schind-ler-Saefkow (Berlin) und Laura vonWimmersperg (Berlin).

Ach ja, in Ausgabe 1 der ZgK gab esauch grüne Stimmen gegen den Krieg.Hans-Christian Ströbele schrieb: „Ichschäme mich für mein Land, das jetztwieder (…) Bomben auf Belgrad wirft.“Das war damals eine deutliche Minder-heit bei den Grünen. Vergleichbar zurheutigen Situation (siehe Seite 7).

nr.37„Das Militär, diesen Schand-fleck der Zivilisation, zumVerschwinden zu bringen!“

Albert Einstein

Nr. 37 Frühjahr 2014

Erster Weltkrieg und Lehren für heute Seite 2

U. Sander Bundeswehr gefechtsbereit Seite 3

J. Wagner EU-Nato-Offensive in der Ukraine Seite 4

F. Schmid Im Visier: Ukrainisches Öl & Gas Seite 6

C. Ronnefeldt 15 Jahre Kosovo-Krieg Seite 8

X. Hall Atomwaffen werden modernisiert Seite12

Aus dem Nato-Haupt-quartier tönt es: SeitMärz 2014 erlebten wireine „historische Zäsur“.

Die Rede ist von einer „Wieder-kehr des Kalten Kriegs“ – davondass „Russland jetzt zahlen muss“.Deutschlands Finanzminister ver-gleicht Putins Vorgehen auf derKrim mit der Politik Adolf Hitlers1938/39. Die Bundeswehr statio-niert Kampfflugzeuge in den bal-tischen Staaten. Washington stelltultimative Forderungen an Mos-kau.

Sie zündeln. In Osteuropa kannes jederzeit brennen. Und einBrand in der Ukraine kann leichtzu einem neuen Weltenbrandwerden.

Halten wir fest: Als das sowjet-ische Politbüro unter Michail Gor-batschow 1990 in die deutscheWiedervereinigung einwilligteund kurz darauf den WarschauerPakt auflöste, da gelobte derWesten, die Nato werde „not asingle inch“ – nicht einen Zenti-meter – weiter nach Osten ausge-dehnt werden. Russland werdenicht eingekreist. Das schien fair:Mehr als 100 Millionen Menschenentzogen sich dem russischenMachtbereich; der Kreml ließ die-se ohne einen Schuss abzugebenziehen. Mehr als eine Million rus-sischer Soldaten wurden aus Ost-deutschland und dem übrigenMittel- und Osteuropa abgezogen.Es hätte eine Zeit der allgemeinenAbrüstung beginnen können.

Doch das Gegenteil findet statt.Neue Aufrüstung – und die Ein-kreisung Russlands. Nicht nur diewestliche Wirtschaftsmacht, dieEU, greift immer weiter nachOsten aus. Der militärische Armdes Westens, die Nato, verlängertesich bereits bis in die baltischenStaaten. Es gab auch bereits zweiKriege, mit denen der Westenoffen demonstrierte, was noch

alles folgen könnte: 1999 bombtedie Nato in Jugoslawien („Koso-vo-Krieg“); 2008 marschierte dievom Westen unterstützte georgi-schen Armee in die russisch kon-trollierte Region Südossetien ein.

Ohne Zweifel verstößt die Ein-verleibung der Krim in die Russi-sche Republik gegen internationa-les Recht. Doch was war dem vor-ausgegangen?

In Kiew wurde eine rechtmäßiggewählte Regierung wegge-putscht. Das neue westlich orien-tierte Regime wird maßgeblichvon antirussischen und faschisti-schen Kräften bestimmt. Eine derersten Handlungen der neuenFührung in Kiew bestand darin,die russische Sprache in denGebieten, in denen mehrheitlichRussinnen und Russen leben,nicht mehr als Amtssprache zugestatten. Wohlgemerkt: Der rus-sische Anteil an der gesamtenBevölkerung der Ukraine liegt beiknapp 30 Prozent.

Vor diesem Hintergrund müs-sen die Volksabstimmung auf derKrim und die Einverleibung derHalbinsel in den russischen Staatgesehen werden. Wobei der Ver-gleich mit dem Kosovo absolutzutreffend ist: In einer klarumgrenzten Region eines Staates(des Kosovo in Jugoslawien bzw.der Krim in der Ukraine) entschiedsich eine deutliche Mehrheit fürdie Abtrennung.

Die aktuelle Krise in der Ukrai-ne mag noch einmal eingedämmtwerden. Sicher ist jedoch: DerWesten – die Nato, die US-Regie-rung, die EU und nicht zuletzt die

deutsche Regierung – orientierenauf Krieg und Bürgerkrieg. Wasim Westen der Ukraine Anfangdes Jahres gelobt und kofinanziertwurde – Demos, Barrikaden undbesetzte Regierungsgebäude – fin-det inzwischen spiegelbildlich imOsten der Ukraine statt und wirdals „Terrorismus“ verteufelt. War-nungen der Altbundeskanzler Hel-mut Schmidt und Gerhard Schrö-der oder der Grünen Ex-Bundes-tags-Vizepräsidentin Antje Vol-mer, man werde sich ins eigeneFleisch schneiden, werden kühlignoriert. Und als der Siemens-Boss Joe Kaeser Ende März inMoskau weilte und aus reinemKonzern-Interesse für „Zurückhal-tung und Vernunft“ warb, da gif-tete der Verband der DeutschenAutoindustrie, der Auftritt desSiemens-Bosses mit WladimirPutin sei „einfach nur peinlich ge-wesen“.

Heute droht eine vergleichbareEntwicklung, wie es sie in denvergangenen 150 Jahren im Kapi-talismus mehrfach gab: Die Eigen-dynamik des Militärischen drohtdie Oberhand zu gewinnen. AllesGerede von der Dominanz des Fi-nanz- und Heuschrecken-Kapitalsmit einer Nivellierung nationalerStrukturen könnte sich als Schallund Rauch erweisen – genausowie dies 1914 der Fall war, als dieTheorien vom Ultra-Imperialismusund der Vorherrschaft des Finanz-kapitals, die u.a. Karl Kautzkyentwickelt hatte, tragisch mit derRealität kapitalistischer Entwick-lung widerlegt wurden und dernationale Wahn in Krieg und

wechselseitiges Völkermor-den mündete.

Wir appellieren an dieVernunft und an die Herzender Menschen: Es heißt:Wir müssten „sparen“;alles, auch eine Kita undein Jugendzentrum, müsste

„sich rechnen“. Ist es aber nichtso, dass das Militär, die Bundes-wehr und die Rüstung sich zu 100Prozent nicht rechnen? Dass dieseGelder in Schulen, in Kitas undbei neuen Jobs fehlen?

Es heißt: Die Rüstungsausgabenmüssten „verstetigt“ werden. Ist esnicht so, dass allein die Rüstungs-ausgaben der EU mit 190 Milliar-den Euro im Jahr größer sind alsdiejenigen Russlands, Chinas undJapans zusammengenommen?Machen die Rüstungsetats der Na-to, einschließlich des Rüstungs-etats der USA nicht mehr als 70Prozent der weltweiten Rüstungs-ausgaben aus?

Es heißt: Die EU, der IWF undinsbesondere die deutsche Regie-rung wollten der ukrainischen Be-völkerung helfen. Ist es nicht so,dass diese „Hilfe“ darin besteht,die Lebenshaltungskosten und dieArbeitslosenquote massiv zu er-höhen? Kann man die verheeren-den Folgen dieser Art „Hilfe“nicht plastisch auf dem Balkan, inGriechenland, Portugal, Spanienoder auf Zypern studieren?

Es heißt: Die EU, die Nato unddie US-Regierung verfolgten inder Ukraine demokratische Ziele.Ist es nicht so, dass mehr als 70Prozent der Menschen in Deutsch-land sich gegen eine weitere west-liche Eskalation in der Ukraineaussprechen und dass 75 Prozentder deutschen Bevölkerung denEinsatz der Bundeswehr im Aus-land ablehnen?

Stoppt die Kriegstreiber! Enga-giert euch für den Erhalt des Frie-dens!

NATO-AusgriffgenOsten

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In diesen Tagen habenviele Publikationen denErsten Weltkrieg zum

Thema. In der Regel han-delt es sich um oberfläch-liche Darstellungen, umdie Beschreibung desKriegsgeschehens – daserste Mal wurden Massen-vernichtungswaffen einge-setzt –, um die angeblicheKriegsbegeisterung imAugust 1914 in Deutsch-land – in Wirklichkeit hat-te diese vor allem die bür-gerlichen, kleinbürgerli-chen und intellektuellenSchichten erfasst – und um das The-ma der Verantwortung für denKriegsbeginn (wobei inzwischen dielängst erwiesene Kriegsschuld desdeutschen Kaiserreichs immer wiederrelativiert wird). Äußerst selten wer-den in diesen Publikationen dieimperialistischen Ziele und diemateriellen Interessen der kriegs-führenden Mächte angesprochen.So gut wie nie geht es um Lehrenfür heute. Genau darum soll es imFolgenden bei sechs Antworten aufsechs Behauptungen gehen.

Das Gedenken an den Ersten Welt-krieg, der vor 100 Jahren ausbrach,ist vor allem eine Angelegenheitder Erinnerungskultur. Es hat mitdem Hier und Heute nichts zu tun.Antwort: Wenn es bei einem reinen„Gedenken“ bleibt, dann ist dies tat-sächlich der Fall. Wenn es jedochum Denken im Sinne von Nachden-ken und Analyse geht, dann ist esfalsch, lediglich auf die Schublade„Erinnerungskultur“ zu verweisen.Der Erste Weltkrieg bahnte sich seitmehreren Jahrzehnten an. Er wurdeeinigermaßen präzise von denenvorhergesehen, die den Krieg als Teilder Logik kapitalistischer Konkur-renz analysierten – beispielsweisevon Friedrich Engels, der bereits am15. Dezember 1887 diesen kommen-den großen Krieg wie folgt geradezuprophetisch beschrieb: „Acht biszehn Millionen Soldaten werdensich untereinander abwürgen unddabei ganz Europa so kahlfressen,wie noch nie ein Heuschrecken-schwarm. Die Verwüstungen desDreißigjährigen Krieges zusammen-gedrängt in drei bis vier Jahre undüber den ganzen Kontinent verbrei-tet; (…) Zusammenbruch der altenStaaten und ihrer traditionellenStaatsweisheit, derart, dass die Kro-nen zu Dutzenden über das Straßen-pflaster rollen …“ (Marx/ Engels,Werke, Bd. 21, 350 f.).

So war es. So kam es. Eine we-sentliche Ursache des Ersten Welt-kriegs war der Kampf der großenimperialistischen Mächte Großbri-tannien, Frankreich und Deutsch-land um die Vorherrschaft auf demneu gebildeten Weltmarkt. Der ent-scheidende Grund dafür, dass vorallem das Deutsche Reich im Som-mer 1914 ausgesprochen kriegstrei-berisch agierte, hatte damit zu tun,dass Deutschland bei der Aufteilungder Kolonien in Afrika und Asien„zu spät“ gekommen war und diesnun militärisch wettmachen wollte.

Der Grund für den Beginn des Ers-ten Weltkriegs war das Attentatauf den österreichischen Kronprin-

zen in Sarajewo am 28. Juni 1914.Ein vergleichbares singuläres Er-eignis, das einen Krieg auslöst, istheute unvorstellbar. Dafür gibt esheute eine besser entwickelte Di-plomatie und Krisenlösungsstrate-gien.Antwort: Ein Attentat auf eine ein-zelne Person mag heute nicht soelektrisierend wirken wie 1914, weiles keine relevanten absolutistischenHerrscherdynastien mehr gibt. Es seiaber daran erinnert, dass der Koso-vo-Krieg damit begründet wurde, esgelte die Serben für das „Massakervon Racak“ zu bestrafen (dabei sinddie Urheber dieses Verbrechens bisheute unbekannt; siehe S. 8). ZumAfghanistan-Krieg kam es, weil dieUS-Regierung sich für die Attentatevom 11. September 2001 rächenwollte. Die Parallelen springen förm-lich ins Auge.

Der Erste Weltkrieg liegt ein gan-zes Jahrhundert zurück. Damalssah die Welt völlig anders aus. DerKrieg, der die heutige Zeit weitmehr prägt, war der Zweite Welt-krieg, der auch zeitlich näher liegt.Antwort: Tatsächlich gab es imZweiten Weltkrieg insoweit eineSondersituation, als damals in derSowjetunion eine nichtkapitalisti-sche Gesellschaft existierte, gegendie zunächst die AchsenmächteDeutschland, Italien und Japan Kriegführten.

Im darauffolgenden Kalten Kriegrichteten sich dann konsequenter-weise alle kapitalistischen Ländergegen die Sowjetunion und die vonMoskau dominierten Warschauer-Pakt-Staaten. Diese Situation hatsich nach der Wende von 1989-1991grundlegend verändert.

Inzwischen haben wir es auf dergesamten Welt erneut fast aus-schließlich mit kapitalistischen Län-dern und Blöcken zu tun. Und diesist just die entscheidende Parallelezur Zeit vor dem Ersten Weltkrieg –mit diesem Wettlauf der imperialisti-schen und kapitalistischen Mächteum die Welthegemonie. Allerdingsgibt es eine interessante Parallele zubeiden Weltkriegen: Heute wird er-neut, wie im Ersten und wie im

Zweiten Weltkrieg versucht, dasFeindbild Russland zu projizieren.Wobei die hierbei verwendetenMetaphern auch im Ersten Weltkriegeine wesentliche Rolle spielten:Deutschland (der Westen) wird als„zivilisiert“ präsentiert; der russischeStaat unter „Zar Putin“ wird jedochals „despotisch“ verteufelt. Wobeiman, um den Teufel zu bekämpfen,dann auch mal (in Kiew) mit Faschi-sten zusammenarbeiten darf.

Eine Ausgangssituation wie es sievor dem Ersten Weltkrieg mit demKampf um die Kolonialreiche gab,gibt es heute nicht.Antwort: Der Begriff „Kolonien“ istheute Teil einer historischen Termi-nologie. Doch einige Regime, die dieEU auf dem Balkan seit Mitte der1990er Jahre errichtete, habendurchaus kolonialen Status – übri-gens ausgerechnet gerade dasjenigemit der Hauptstadt Sarajewo, dasStaatengebilde Bosnien-Herzegowi-na, ein EU-Protektorat. Sodann wer-den die heutigen Regierungen inAthen, teilweise auch diejenigen inLissabon und Nikosia, von EU undTroika wie Halbkolonien behandelt.

Vor allem aber gibt es die folgen-de Parallele: Die EU kann heute imKampf auf den Weltmärkten nurdann bestehen und nur dann ihrePosition ausbauen, wenn sie ihre Pe-ripherie beherrscht.

Das ist eine unübersehbare Paral-lele zur Zeit vor dem Ersten Welt-krieg: Damals kämpfte Deutschland,verbündet mit Österreich-Ungarn,darum, auf Augenhöhe mit Englandund Frankreich um die Weltvorherr-schaft zu gelangen. Heute kämpftdie Europäische Union, die maßgeb-lich von Deutschland beherrschtwird, darum, ganz Osteuropa im All-gemeinen und die Ukraine im Be-sonderen zu beherrschen, um mitden USA und China konkurrierenzu können. Wobei die US-Regierunglängst selbst vor Ort mitmischt. Sie-he das „Fuck EU!“.

Wir haben heute in Deutschlandeine stabile Wirtschaft und eine

funktionierende Demo-kratie. Jeder Vergleichmit 1914 ist an denHaaren herbeigezogen.Antwort: Lesen wirdazu nochmals unauf-geregt die Erklärung,die W.I. Lenin für denErsten Weltkrieg imSeptember 1914 schrieb:„Der europäische Krieg,den die Regierungenund bürgerlichen Partei-en aller Länder jahr-zehntelang vorbereitethaben, ist ausgebro-chen. Das Anwachsen

der Rüstungen, die äußerste Zuspit-zung des Kampfes um die Märkte […], die dynastischen Interessen derrückständigsten, der osteuropäischenMonarchien mussten unvermeidlichzu diesem Krieg führen […] Territo-riale Eroberungen und Unterjochungfremder Nationen, Ruinierung derkonkurrierenden Nation, Plünderungihrer Reichtümer, Ablenkung derAufmerksamkeit der werktätigenMassen von den inneren politischenKrisen in Russland, Deutschland,England und anderen Ländern, Ent-zweiung und nationalistische Ver-dummung der Arbeiter […] – das istder einzige wirkliche Inhalt undSinn, die wahre Bedeutung desgegenwärtigen Krieges.« (Lenin,Werke, Bd. 21, 13)

Und wie sieht es heute aus? Esexistiert eine mit Globalisierungmassiv verstärkte Weltmarktkonkur-renz. Wir erleben einen enormenAnstieg der Rüstungsausgaben (vorallem in den USA und China). Esgibt den Ruin ganzer Volkswirt-schaften (Griechenland, Portugal,Spanien, Irland). Es gibt die ver-schärfte innere Krise, vor allem inder EU (Eurokrise) mit einer selbstim Aufschwung ansteigenden Mas-senarbeitslosigkeit. Und wir sindZeugin und Zeuge von immer neuenVersuchen der Verdummung und derEntzweiung derjenigen, die am mei-sten unter der Krise leiden müssen.

1914 gab es eine Kriegsbegeiste-rung. Eine solche gibt es heutenicht. Antwort: Das trifft zu. Trotz allerKriegspropaganda sind mehr alszwei Drittel der deutschen Bevölke-rung gegen Auslandseinätze derBundeswehr, also gegen Kriege mitdeutscher Beteiligung.

Daran sollten wir ansetzen. Undzugleich über die wahren Ursachenvon Krise und Krieg aufklären.

Die beiden Zitate wurden mit freundlicherGenehmigung des PapyRossa-Verlags über-nommen aus: Gerd Fesser, Deutschland undder Erste Weltkrieg (siehe die PapyRossa-Anzeige auf Seite 6)

2 zeitung

1. Behauptung

2. Behauptung

3. Behauptung

5. Behauptung

4. Behauptung

6. Behauptung

ImpressumDie Zeitung GEGEN DEN KRIEG (ZgK) wird her-ausgegeben von Heike Hänsel (Tübingen), UlrichSander (Dortmund), Monty Schädel (Waren/Müritz), Bärbel Schindler-Saefkow (Berlin), Lau-ra von Wimmersperg (Berlin) & Winfried Wolf(Michendorf). Die ZgK erscheint im Büro für Frieden und So-ziales – BFS e.V., Wilhelmshorst.

Verantw. Redakteur (V.i.S.d.P.) Winfried WolfISSN 1611-2881

Unterstützende Personen, Parteien, Initiativen& OrganisationenDie Anstifter (Stuttgart) // Antikriegsforum Lud-wigshafen // bundesweite attac-AG Globalisie-rung und Krieg // Friedensbündnis Karlsruhe //Galerie Olga Benario, Berlin // Willi Hoffmeisterals Sprecher des Ostermarsches Ruhr // DeutscheFriedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienst-gegnerInnen (DFG-VK) // Friedensbündnis Karls-ruhe // Jochen Traut für den Geraer Dialog/So-zialistischer Dialog (in der Partei Die Linke) //Sozialistische Linke, Karlsruhe // Peter Strutynskials Sprecher des Bundesausschusses Friedensrat-schlag // Initiative Vereinigte Linke // Nordbre-mer Bürger gegen den Krieg // Vereinigung derVerfolgten des Naziregimes – Bund der Antifa-schistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) //PapyRossa Verlag Köln // Rüstungs-Informati-onsbüro (RIB e.V.), Freiburg // Sozialistische Zei-tung, Köln // DIE LINKE (Parteivorstand).

Gestaltung Joachim Römer

Adressen Postanschrift: BFS e.V. · An den Ber-gen 112 · 14552 Michendorf E-mail: [email protected] Telefon: 030 – 27 731 83 // Fax: 030 –22776179 (MdB-Büro Heike Hänsel)

Preise & Konto Der Versand erfolgt auf Bestel-lung zu den folgenden Preisen (Unkosten):> von 1 bis 50 Ex. zu 30 Cent je Ex. > von 51 bis 499 Ex. zu 25 Cent je Ex.> ab 500 Ex. zu 20 Cent je Ex.Jeweils zuzüglich Porto und Verpackung.

Abos Die ZgK wird in der Regel in größerenKontingenten bestellt, teilweise auch in Formfester Bestellungen. Preise siehe oben. Die ZgKkann auch wie folgt in Einzelexemplaren abon-niert werten. Als Abo gelten hier jeweils vierAusgaben der ZgK in Folge:

> bei Bezug von je 1 Ex. = Abopreis 12 Euro> bei Bezug von je 3 Ex. = Abopreis 14 Euro> bei Bezug von je 5 Ex. = Abopreis 16 Euro.

Spenden & Konto Die Zeitung GEGEN DENKRIEG finanziert sich vor allem über Spendenund Unkostenbeiträge durch Friedensinitiativenund Einzelpersonen und durch die ehrenamtlicheArbeit von Autorinnen und Autoren.Der BFS e.V. ist anerkannt als gemeinnützigerVerein; Spenden sind steuerlich abzugsfähig.BFS e.V. · MBS (Mittelbrandenburgische Spar-kasse) · BLZ 16050000 · Kto.Nr.: 3527001866 ·IBAN: DE04 1605 0000 3527 0018 66 · BIC: WELADED1PMB.

Der Erste Weltkrieg und einige Lehren für heute

Otto DixDer Krieg

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AFRICOM: Steuerungder US-Kriege in Stuttgart

Heike Hänsel

Die in Stuttgart-Möhringen stationierte US-Kommandozentrale AFRICOM spielteine maßgebliche Rolle bei der Zielauswahl, Planung und Durchführung geziel-

ter Tötungen durch US-Drohnen in Afrika. Seit einem Jahr berichten nun Medienwie das ZDF-Magazin Panorama, Süddeutsche Zeitung, WDR und NDR immer wie-der darüber. Das Buch „Geheimer Krieg“ und die gleichlautende Website sind nurzu empfehlen. Die Bundesregierung behauptet, nichts zu wissen, und vertraut demNATO-Partner USA, ähnlich wie in der NSA-Affäre. Neue Aussagen eines ehema-ligen Drohnenpiloten und geheime Militärdokumente belegen nun auch die zen-trale Bedeutung der Flugleitzentrale in Ramstein für den geheimen US-Drohnenkrieg.

Wenn von deutschem Staatsgebiet aus gezielte Tötungen im Ausland vorberei-tet und durchgeführt werden, muss die Bundesregierung handeln. Neben demVerstoß gegen das Völkerrecht wird auch das Grundgesetz missachtet, das nichtnur das Recht auf Leben schützt, sondern auch Handlungen verbietet, die geeig-net sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenle-ben der Völker zu stören.

Die unverfrorene Ahnungslosigkeit der Bundesregierung trotz zahlreicherMedienberichte, trotz Strafanzeigen von Linken-Abgeordneten und trotz neuerBelege bleibt nicht ohne Reaktion. Der diesjährige landesweite Ostermarsch inBaden-Württemberg beginnt vor dem AFRICOM. Weitere Aktivitäten werden vor-bereitet. Ein bundesweiter Aktionstag in Ramstein wäre sicherlich ein gutesMobilisierungsziel für die Friedensbewegung.

Attraktive Bundeswehr =abgeschaffte Bundeswehr

Monty Schädel

Als die Regierungsparteien in ihrer Koalitionsvereinbarung festhielten, eine „Attrak-tivitätsoffensive für die Bundeswehr“ durchführen zu wollen und die neue Kriegs-

ministerin dann Kindergärten in Kasernen forderte, war dies im Grunde nur das berüch-tigte Tüpfelchen auf dem i. Denn seit Jahren bereits durchdringt das Militär und dasMilitärische immer umfassender die gesamte Gesellschaft. Kooperationsvereinba-rungen für die Bundeswehrpräsenz in den Schulen. Bundeswehreinsätze im Innernbeim Fußball, bei Demos, bei Naturkatastrophen. Bundeswehr-Werbepräsenz bei Mes-sen, Volksfesten und im Sport. Militärmusiker zum Advent in Kirchen und Benefizfür Arbeitslose. Verbindungsoffiziere bei Landräten und Landesregierungen. Undnatürlich die Kriegsbeteiligungen unter dem Deckmantel der Bewahrung von „Frei-heit“ und „Demokratie“ und die Normalität des massenhaften weltweiten Waffen-handels.

Nach dem Jahreswechsel dann klare Worte und Handlungen. Die „militärischeZurückhaltung“ der vergangenen Jahre müsse in Frage gestellt, außenpolitischeInteressen gewahrt und neue Verantwortung übernommen werden, um neue Machtzu bekommen. Im Zuge der Krise um die Krim dann auch ein Schwerpunkt auf denEinsatz des Militärs.

Wenn Politik und Militär gemeinsam immer offensiver dem Militärischen bis hinzum Krieg das Wort reden, erhält die Art des Widerstandes besondere Bedeutung.Wer heute immer noch allein den Dialog und die Kooperation als Weg zum Friedenfavorisiert, gibt sich nicht nur der Lächerlichkeit preis, sondern versäumt es auch,den Militärs und dem Militärischen etwas Wirkungsvolles entgegen zu setzen. DerKrieg und die Kriegsvorbereitung mit all ihren Facetten brauchen Widerstand inunterschiedlichsten Formen. Vor allem benötigen sie diesen in offensiver Weise.Sagen wir deutlich: Soldaten sind Mörder. Militär wird zum Krieg führen vorgehal-ten – und dann auch in Kriegen eingesetzt.

Eine attraktive Bundeswehr ist eine abgeschaffte Bundeswehr.

EU-Kooperation mitFaschisten in Kiew

Andrej Hunko

Die enge Kooperation der EU mit der ukrainischen de-facto-Regierung ist einehistorische Zäsur. Zum ersten Mal in der Geschichte des Staatenbunds wird mit

einer Regierung in Europa kooperiert, an der offen faschistische Kräfte einflussreichbeteiligt sind: Mehrere Minister, ein Vize-Ministerpräsident und der Generalstaats-anwalt Oleh Machnizkyi gehören der Swoboda-Partei an. Auch der Chef des Natio-nalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine, Andrij Parubij, war Mitbe-gründer des Swoboda-Vorläufers Sozial-Nationale Partei. Beim Charakter von Swo-boda kann es keinen Zweifel geben: Bei ihrem Deutschland-Besuch im letzten Jahrwar ihr Ansprechpartner die sächsische NPD.

Bundesregierung und EU verschweigen oder verharmlosen den Charakter dergegenwärtigen de-facto-Regierung. Mal wird Swoboda lediglich als nationalistischbezeichnet, mal wird ihr Einfluss klein geredet. Der ehemalige EU-Kommissar Ver-heugen sagte dazu: „Als in Österreich vor 15 Jahren die FPÖ in die Regierung kam,haben wir Österreich bestraft. Die FPÖ von Haider damals ist im Vergleich zu dem,was wir in der Ukraine mit Swoboda haben, aber wirklich ein Kindergeburtstag“.Heute werden Faschisten in der Ukraine als Rammbock gegen Russland und gegenlinke soziale Positionen gebraucht. Bei den Präsidentschaftswahlen 2011 und beiden Parlamentswahlen 2012 gewannen der inzwischen aus dem Land gejagte Vik-tor Janukowitsch bzw. seine Partei der Regionen. Nach der Nicht-Unterzeichnungdes Abkommens mit der EU und den beginnenden Protesten forderten viele, dar-unter die Europäische Linke, ein Referendum über diese Frage. Das wurde von dengleichen abgelehnt, die heute sagen, sie wollten die Ukraine demokratisieren. Statt-dessen wurden Swoboda und der noch aggressiver auftretende Rechte Sektorunterstützt. Der bewaffnete Umsturz am 22. Februar 2014 und die Absetzung vonJanukowitsch waren zweifellos verfassungswidrig. Deshalb wird die de-facto-Über-gangsregierung von vielen im Osten der Ukraine und von Russland nicht aner-kannt. Um die Spannungen in der Ukraine abzubauen, braucht es eine Rückkehr zudemokratischen Prinzipien. Und eine Ächtung der Faschisten.

Heike Hänsel ist Bundestagsabgeordnete der LINKEN, entwicklungspolitische Sprecherin der Frakti-on DIE LINKE und Mitherausgeberin der Zeitung gegen den Krieg – ZgK. · Monty Schädel ist Mit-herausgeber der Zeitung gegen den Krieg und Politischer Geschäftsführer der DFG-VK · AndrejHunko ist MdB der LINKEN und Wahlbeobachter des Europarates in der Ukraine.

gegen den krieg

Ulrich Sander

W as der 91-jährige deutsche Außenpoliti-ker Egon Bahr Ende 2013 einigen Heidel-berger Schülern erklärte, dürfte bald in

die Sammlung sowohl geflügelter als auch zutref-fender Worte vordringen: „In der internationalenPolitik geht es nie um Demokratie oder Menschen-rechte. Es geht um die Interessen von Staaten.“

Bundeswehr-Generalinspekteure führten in den90er Jahren aus und schrieben es in die Verteidi-gungspolitischen Richtlinien: Militär ist dazu da,um deutsche Interessen zu verteidigen. Sie stelltendabei fest: Es gibt nur noch zwei Währungen in derWelt – erstens wirtschaftliche Interessen und zwei-tens militärische Macht, um die ersteren durchzu-setzen. Den Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz(CDU) hörte ich im September 1991 auf einerTagung vor hohen Offizieren und Rüs-tungsmanagern sagen: „Wir glauben, dass wir diewichtigsten Folgen des Zweiten Weltkrieges über-wunden und bewältigt hätten. Aber in anderenBereichen sind wir heute damit befasst, noch dieFolgen des Ersten Weltkrieges zu bewältigen.Jugoslawien ist als eine Folge des Ersten Weltkrie-ges eine sehr künstliche, mit dem Selbstbestim-mungsrecht nie vereinbar gewesene Konstruktion.“

So kam es zum Krieg um Jugoslawien und gegenSerbien. Eine Folge des Ersten Weltkrieges war auchdie Sowjetunion; sie gibt es nicht mehr. Was vonihr übrig blieb, soll nun ebenfalls „überwunden“werden. Mittels politischer, aber auch militärischer„Interessenvertretung“.

Schon im Januar 2003 sagte der damalige Gene-ralinspekteur der Bundeswehr, General WolfgangSchneiderhan, es gelte „über bisher Undenkbares“nachzudenken: Über die Frage, „ob es richtig seinkann, nicht abzuwarten, ob man von einem ande-ren angegriffen wird, sondern sich gegen diesemögliche Gefahr vorauseilend zu schützen undselbst die Initiative zu ergreifen.“

Und nun erklärt die NATO Russland wieder zumFeind. Es werden Aufklärungsflugzeuge und Bom-ber an die NATO-Ostgrenze verlegt, US-Marinekreuzt vorm Baltikum und im Schwarzen Meer.Eine Woche vor dieser NATO-Feinderklärung ließdie neue Kriegsministerin Ursula von der Leyen(CDU) ähnliches verlauten: Es sei „für die Bünd-nispartner an den Außengrenzen wichtig, dass dieNATO Präsenz zeigt“. Da schien dies wenige Tagelang voreilig zu sein. Am 2. April konnte dann dieSüddeutsche Zeitung, die derzeit an der Spitze derKriegstreiberei schreitet, beglückt die „Renaissanceeiner Feindschaft“ verkünden. Die SZ meldete,AWACS-Flugzeuge und sechs Eurofighter der deut-schen Luftwaffe seien nach Polen und in die balti-schen Staaten unterwegs, um den dortigen Luf-traum „intensiver zu überwachen“.

Noch intensiver als bisher. Denn bereits am 5.März, vor der „Krim-Aggression“, die angeblich

eine harte Reaktion verlangt, war die deutsche Luft-waffe in voller Gefechtsbereitschaft. „Der Luftwaf-fenstandort Kalkar wächst“, war ein im Halbverbor-genen erscheinender Provinzbericht der RheinischenPost überschrieben. Weiter dort: „Der Luftverteidi-gungsgefechtsstand der Nato auf dem UedemerPaulsberg wird umstrukturiert. 1600 Soldaten sollenbald in Kalkar oder Uedem dienen.“

Beim „traditionellen Aschermittwoch-Fischessenin der von-Seydlitz-Kaserne“ in Kalkar kam es ansLicht: Generalmajor Günter Giesa und anschließendBrigadegeneral Franz-Josef Nolte berichteten überdie Neuausrichtung der Bundeswehr. In Kalkar undUedem wurde zum 1. Juli 2013 das Zentrum Luft-operationen in Dienst gestellt. „Das Herzstück istdie Operationszentrale Luftwaffe auf dem Paulsbergin Uedem. In diesem 24-Stunden-Gefechtsstandwerden alle einsatzbezogenen Führungsaufgabender Luftwaffe gebündelt.“ Von dort aus „wird derLuftraum über 14 Nationen überwacht. Der Zustän-digkeitsbereich reicht vom Baltikum bis nach Groß-britannien und von den Alpen bis nach Island",sagte Brigadegeneral Franz-Josef Nolte.

Rund 350 zusätzliche Soldaten sind in den ver-gangenen Monaten nach Kalkar und Uedem ver-setzt worden. Es sollen weitere 50 hinzu kommen,so dass im Jahr 2017 voraussichtlich rund 1600Soldaten in Kalkar beziehungsweise Uedem dienenwerden. Laut Oberstabsfeldwebel Klaus Sattlergehört der Standort Kalkar/Uedem damit zu denwenigen Bundeswehr-Standorten, die im Rahmender Neuausrichtung gestärkt worden sind.

Der Führungsgefechtstand ist schon jetzt einsatz-bereit. Bundeswehr-Flugzeuge wie der Eurofighter 2werden zwischen dem 12. und 23. Mai über Nieder-sachsen und Sachsen-Anhalt hinwegbrausen. Zur-zeit läuft die Feinplanung, wie Oberstleutnant Alex-ander Feja vom Zentrum Luftoperation Kalkar am30. März berichtete. 4500 Soldaten aus mehrerenLändern sind an der Übung beteiligt.

Kalkar/Uedem ist das Bundeswehrpendant zumUS-Standort Ramstein, von wo u.a. dieKampfdrohneneinsätze in Afrika und Afghanistangeflogen werden (siehe S.3 und S.10). Dasselbe sollKalkar für den gesamten Raum nördlich der Alpenleisten. Ramstein und Kalkar sind feste Bestandtei-le des Raketenschirms, der derzeit gegen den Ostenaufgebaut wird.

Wir geraten in eine Situation wie in der Nachrü-stungsdebatte vor 30 Jahren. Damals sagte die Frie-densbewegung: Raketen sind Magneten. Wer vonhier die Waffen gegen Russland richtet, der trägtdazu bei, dass sich Russlands Waffen gegen unsrichten. Der am 5. März beim Fischessen in Kalkarbezeichnete Radius für Luftgeschosse bezieht auchMoskau und St. Petersburg ein.

Ulrich Sander ist Mitherausgeber der Zeitung gegen den Krieg– ZgK und Bundessprecher der Vereinigung der Verfolgten desNazi-Regimes / Bund der Antifaschisten

Die Bundeswehr ist gefechtsbereit

Erneut werden die Waffen gegen den „Feind Russland“ gerichtet. Damit richten sich erneut russischeWaffenauf uns

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Die strategische Position der Ukraine für Nato und Russland

Jürgen Wagner

Der polnische AußenministerRadek Sikorski verdeutlichtejüngst, welche Ziele die EU

verfolgt: „Wenn die EU eine Super-macht werden will – und Polen be-fürwortet dies –, dann benötigt siedie Kapazitäten, um Einfluss in derNachbarschaft ausüben zu können.[…] Manchmal müssen wir Gewaltanwenden, um die Diplomatie zuunterstützen.“ Damit wird die Exi-stenzberechtigung der EuropäischenUnion aus Sicht der größeren Mit-gliedstaaten auf den Punkt gebracht.Auf gleicher Augenhöhe – als Glo-balmacht – können diese Staatennur dann mit Ländern wie China umMacht und Einfluss ringen, wenn siedie EU und ihr Umfeld in die Waag-schale werfen können. Dies erfordertunter anderem, dass der europäischeNachbarschaftsraum unter Kontrollegebracht wird.

Zu diesem Zweck wurde im Jahr2003 mit der Kommissionsmitteilung„Größeres Europa“ die EuropäischeNachbarschaftspolitik (ENP) auf denWeg gebracht, die offiziell ein Jahrspäter ins Leben gerufen wurde. Sieerstreckt sich derzeit auf 15 Ländersüdlich und östlich der EuropäischenUnion und definiert als ein Einfluss-und Interventionsgebiet eine Artimperialen Großraum. In einem zen-tralen Strategiedokument der EU-Außenbeauftragten Catherine Ash-ton vom 15. Oktober 2013 heißt es:„Die Union muss in der Lage sein alsSicherheitsgarant – mit Partnern somöglich, autonom wenn nötig – inseiner Nachbarschaft entschieden zuhandeln. Dies schließt direkte Inter-ventionen ein.“

Offiziell geht es bei der ENP dar-um, Demokratie, Rechtsstaatlichkeitund Marktwirtschaft zu fördern,allerdings ohne den Ländern einerealistische Beitrittsperspektive zueröffnen. Faktisch sollen die Nach-barländer jedoch mittels sogenann-ten Assoziationsabkommen neolibe-ral „reformiert“ und als Absatz- undInvestitionsgebiete in die EU-Ein-flusssphäre integriert werden: „DieAssoziationsabkommen, welche dieEU im postsowjetischen Raum vor-antreibt, sind ein Schlüsselelementbei der Ausweitung der EU-Einfluss-sphäre nach Osten“, urteilt etwa Joa-chim Becker, Professor an der Wirt-schaftsuniversität Wien.

Allein deshalb war es aus euro-päischer Sicht hochgradig ärgerlich,dass sich die Ukraine diesem Bestre-ben verweigerte und am 21. Novem-ber 2013 die Verhandlungen um einsolches Abkommen mit der EU aufEis legte. Doch die Ukraine ist nichtnur von ökonomischer, sondern alsSchlüsselstaat im härter werdendenMachtkonflikt zwischen der Euro-päischen Union und Russland auchvon immenser geopolitischer Bedeu-tung. Und hier dürfte auch derHauptgrund dafür liegen, dass wederdie EU, noch die USA gewillt waren,kampflos das Feld zu räumen undstattdessen auf Eskalation setzten.

Neoliberales Assoziations-abkommenDie Assoziationsverhandlungen mitder Ukraine wurden im Jahr 2005aufgenommen und mündeten in einunterschriftsreif vorliegendes Doku-

ment, das aus einem knapp 500seiti-gen Hauptteil besteht, von denen diePassagen zu handelsbezogenenAspekten über 350 Seiten ausma-chen. Doch der Löwenanteil verbirgtsich in den Anhängen und Protokol-len, insgesamt deutlich über 2000Seiten, die ebenfalls – und das fastausschließlich – der Präzisierung derim Hauptteil folgendermaßen anvi-sierten Freihandelszone gewidmetsind: „Die Vertragsparteien sollenwährend einer Übergangszeit vonmaximal 10 Jahren nach in Krafttreten dieser Vereinbarung eine Frei-handelszone errichtet haben.“ (Arti-kel 25) Verwiesen wird dann auf dieAnhänge I und II, die allerdings nureinige wenige Ausnahmen festlegen,sodass die jeweiligen Schutzzöllenach Auskunft der EuropäischenUnion für den Fall der Unterzeich-nung des Abkommens um 99,1 Pro-zent (Ukraine) bzw. 98,1 Prozent(EU) abgesenkt würden.

Darüber hinaus werden auch sogenannte nicht-tarifäre Handels-hemmnisse – etwa Mengenbegren-

zungen – faktisch verboten: „DieVertragsparteien dürfen keine Ein-fuhrzölle, Steuern oder andere Maß-nahmen mit ähnlichen Auswirkun-gen erheben oder aufrechterhalten,die im Zusammenhang mit der Aus-fuhr von Gütern auf das Gebiet deranderen Vertragspartei stehen.“ (Ar-tikel 30) Schließlich soll der „freieund faire Wettbewerb“ (level-playingfield) zwischen europäischen undukrainischen Firmen zusätzlich nochdurch die Einführung einheitlicher –europäischer wohlgemerkt – Pro-duktstandards und Zertifizierungs-methoden gefördert werden.

Von EU-Seite wird argumentiert,der verschärfte Wettbewerb würdeder Ukraine nach dem Abschluss ei-nes Assoziationsabkommens einenregelrechten Wirtschaftsboom be-scheren. So prognostiziert EU-Erwei-terungskommissar Stefan Füle fürdiesen Fall eine Verdopplung derukrainischen Exporte in die EU undeinen Anstieg des Bruttoinlandspro-dukts um bis zu 12 Prozent. Demge-genüber wird von russischer Seite

richtigerweise argumentiert, die Ab-schaffung von Schutzzöllen undnicht-tarifären Handelshemmnissenwürde die ukrainischen Firmen, diedurch die Einführung teurer euro-päischer Produktstandards und Zer-tifizierungsprozesse noch zusätzlichbelastet würden, der übermächtigenEU-Konkurrenz schutzlos ausliefern.So äußerte sich etwa Sergej Glasjew,Präsident Wladimir Putins Beraterfür eurasische Integrationsfragen:„Wenn die Ukraine die Vereinbarungüber die Assoziation mit der EU un-terzeichnet und sich in diese nichtgleichberechtigte Freihandelszonebegibt, so wird sie bis 2020 im Wirt-schaftswachstum und in der Han-delsbilanz ein Minus erhalten. Wirschätzen die Verluste auf etwa mi-nus 1,5 Prozent des Bruttoinlands-produkts pro Jahr. Bis 2020 wirdeine Verdrängung ukrainischer Wa-ren vom eigenen Markt, begleitetvon einem Wirtschaftsrückgang undeiner Verringerung der Entwick-lungsmöglichkeiten erfolgen.“

Solche Bedenken scheinen auch

innerhalb der Janukowitsch-Regie-rung eine wichtige Rolle gespielt zuhaben. Deshalb wurde versucht, di-verse Schutzoptionen für heimischeUnternehmen in das Abkommenhineinzuverhandeln, was von der EUjedoch kategorisch abgelehnt wor-den war. Als Russland darüber hin-aus auch noch beträchtliche Vergün-stigungen in Aussicht stellte (einenPreisnachlass auf Gaslieferungenvon rund 3 Milliarden US-Dollarjährlich und den Aufkauf vonStaatsanleihen in Höhe von 15 Mil-liarden US-Dollar, war es vollkom-men vernünftig, dass die Januko-witsch-Regierung das Abkommen imNovember 2013 versenkte.

Geopolitisches Filetstück Für Russland ist die Ukraine derwichtigste Pufferstaat gegen die zu-nehmend als feindlich wahrgenom-mene Expansion von NATO und EU.Gerade deshalb wird das Land auchim Westen als geopolitisches Filet-stück ersten Ranges betrachtet, wieder Top-Stratege Zbigniew Brzezins-ki bereits 1997 betonte: „Die Ukrai-ne, ein neuer und wichtiger Raumauf dem eurasischen Schachbrett, istein geopolitischer Dreh- und Angel-punkt, weil ihre bloße Existenz alsunabhängiger Staat zur Umwand-lung Russlands beiträgt. Ohne dieUkraine ist Russland kein eurasi-sches Reich mehr. [...] Wenn Moskauallerdings die Herrschaft über dieUkraine mit ihren 52 Millionen[heute 45 Mio.] Menschen, bedeu-tenden Bodenschätzen und dem Zu-gang zum Schwarzen Meer wieder-gewinnen sollte, erlangte Russlandautomatisch die Mittel, ein mächti-ges, Europa und Asien umspannen-des Reich zu werden.”

Genau vor diesem machtpoliti-schen Hintergrund sind die im Ver-gleich zu anderen Assoziationsab-kommen vollkommen untypischenPassagen zur Intensivierung der mil-itärischen Zusammenarbeit in dereuropäisch-ukrainischen Beschluss-vorlage aus russischer Sicht äußerstBesorgnis erregend: „Die Parteiensollten […] die schrittweise Annähe-rung im Bereich der Außen- undSicherheitspolitik, einschließlich derGemeinsamen Sicherheits- und Ver-teidigungspolitik (GSVP) fördern.Vor allem mit Blick auf eine Steige-rung der ukrainischen Teilnahme anEU-geführten zivilen und militäri-schen Krisenmanagementoperatio-nen sowie an den wichtigen Übun-gen und Manövern, einschließlichdenen im Rahmen der [GSVP].“ (Ar-tikel 7, Absatz 2) Spätestens durchden teils in aller Offenheit geführtenDiskurs, die Ukraine sei wünschens-werterweise nur eine Durchgangs-station auf dem Weg zur Einverlei-bung des gesamten postsowjetischenRaums, dürften schließlich in Mos-kau sämtliche Alarmglocken geläu-tet haben. So heißt es etwa in einemArtikel von Andreas Umland in derInternationalen Politik, der wohlwichtigsten außenpolitischen Zeit-schrift Deutschlands: „Bis vor kurz-em schien die EU ignoriert zu haben,dass sich Moskau gegen eine Inte-gration der Ukraine wehren könnte.Eine solche Blauäugigkeit gegenüberden außenpolitischen Interessen desKremls hat Tradition. […] Nun stehensie [die Menschen in der Ukraine]

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EU-Expansionspolitik auf Kollisionskurs

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Heike Hänsel

Die Erhöhung der Entwick-lungsgelder für Länder desglobalen Südens hat für die

Bundesregierung im Haushalt keinePriorität. Ganz im Gegenteil: Trotzder Forderungen entwicklungspoliti-scher Organisationen, das gegenüberder UNO zugesagte Ziel, 0,7 Prozentdes Bruttoinlandsproduktes für denEntwicklungshilfe-Etat einzusetzen,endlich zu erfüllen, liegt der bundes-deutsche Anteil beharrlich unter 0,4Prozent. Im Fall der Ukraine abersitzt das Portemonnaie locker. DerGrund ist einfach: Im schwelendenKonflikt mit Russland wird die Ent-wicklungszusammenarbeit ziemlichunverblümt für das geopolitischePowerplay eingesetzt. Das ist nichtnur zynisch, sondern auch verant-wortungslos. Entwicklungsgelder,die Armut bekämpfen und Krisenvorbeugen sollen, können so zuFinanzmittel für kommende Konflik-te werden.

In den Worten von Bundesent-wicklungsminister Gerd Müller hörtsich das so an: „Es kommt jetzt“ –also nach dem Sturz der gewähltenRegierung unter Viktor Januko-witsch – „dringend darauf an, dieReformkräfte in der Ukraine zu stär-ken“, sagte er der Welt am Sonntag.Welche „Reformkräfte“ meint derMinister? Die neue de-facto-Regie-rung der Ukraine wird von denreichsten Oligarchen der Ukraineunterstützt und besteht unter ande-rem aus nationalchauvinistischenund antisemitischen Kräften bis hinzur Nazi-Partei Swoboda (siehe S.3).Diese Partei ist mit mehreren Mini-stern an der Regierung beteiligt undstellt darüber hinaus einige Provinz-gouverneure.

Das scheint Minister Müller eben-so wenig zu kümmern wie die Kanz-lerin und den Außenminister.

Das Ziel, „Stärkung der Reform-kräfte“, will sich der CSU-Politikereiniges kosten lassen. Um 20 Millio-nen Euro soll die Entwicklungshilfefür die Ukraine kurzfristig aufge-stockt und damit auf über 40 Millio-nen fast verdoppelt werden. Und dastrotz stagnierendem Entwicklungse-tat für 2014! Dass die neue Spen-dierfreudigkeit der Bundesregierungim Fall der Ukraine nicht entwick-

lungspolitisch, sondern geopolitischmotiviert ist, bestätigt der Staatsmi-nister im Auswärtigen Amt, MichaelRoth. „Die Stabilisierung der Ukrainehat ihren Preis“, sagte der SPD-Mann der NachrichtenagenturBloomberg. Es müssten nun wohlnoch „viele Milliarden“ fließen.

Zahlreiche Projekte der staatli-chen Gesellschaft für InternationaleZusammenarbeit (GIZ), die primärder Umsetzung der Entwicklungspo-litik dient, hatten und haben dasZiel, die Ukraine für die EU-Konzer-ne zu öffnen. BundesfinanzministerWolfgang Schäuble (CDU) verglichkünftige Zahlungen an das Regimein Kiew mit dem Hilfspaket für Grie-chenland. So werden neoliberaleStrukturreformen als Entwicklungs-

politik verkauft. In ausgewähltenPilotregionen, Autonome RepublikKrim, Czernivtsi und Donezk, alsoden Industrie- und Bergbauregionender Ukraine, will die GIZ bereits seit2009 vor dem Hintergrund der an-gestrebten EU-Annäherung die„Wettbewerbsfähigkeit und die Inte-gration in neue Märkte verbessern“,da „solche marktorientierten, infor-mationsbasierten Förderansätze“noch nicht ausreichend vorhandenseien.

Die Kooperation im agrarwirt-schaftlichen Bereich seit dem Jahr2008, dient auch deutschen Unter-nehmen, die Saatgut und Agrartech-nik verkaufen – für Kredite, dieDeutschland und die EU zur Verfü-gung stellen. Doch nicht nur diese

indirekte „Entwicklungshilfe“ fürdeutsche Maschinenhersteller istproblematisch. Der Agrarministerder neuen politischen Führung inKiew, Igor Schwajka, gehört derfaschistischen Swoboda-Partei an.Sollen deutsche Entwicklungshelfe-rInnen demnächst mit Rechtsradika-len Pläne schmieden?

Die Unterordnung der Entwick-lungszusammenarbeit unter geopoli-tische und wirtschaftpolitische Inter-essen beschränkt sich im Zuge derOsterweiterung von EU und NATOnicht nur auf die Ukraine. Auch imFall von Georgien drückt die GroßeKoalition aufs Tempo. Als Reaktionauf die Krim-Krise will Brüssel auchmit der Regierung in Tiblissi raschein bereits geplantes Assoziierungs-abkommen abschließen. Auch hierist Berlin federführend beteiligt. DerParlamentarische Staatssekretär imEntwicklungshilfeministerium,Hans-Joachim Fuchtel, will seinRessort nutzen, um die EU-Osterwei-terung zu unterstützen. „Natürlichwerden wir Georgien bei (...) derAnnäherung an Europa“ – gemeintist die EU – „auch gerne weiterhinim Rahmen unserer langjährigen,erfolgreichen Entwicklungszusam-menarbeit unterstützen“, sagte er.Gemeint ist damit laut Fuchtel die„Umsetzung europäischer Werte derKommunalen Selbstverwaltung“ und

weitere Reformen, z.B. „für mehrökonomischen Wettbewerb“. Georgi-en wünsche sich zudem „Unterstüt-zung bei der Annäherung an euro-päische Standards für die Infrastruk-tur". EU-Annäherung als neues Ent-wicklungsziel.

Entwicklungspolitik kann auchFriedenspolitik sein, wenn sie dazubeiträgt, armuts- und verteilungsbe-dingte Konflikte zu lösen. Die Unter-ordnung der Entwicklungszusam-menarbeit unter die Pläne zur Oster-weiterung von EU und NATO drohtjedoch im Gegenteil zu münden,wenn sie Teil der Eskalationspolitikvon EU und Nato in neuer (alter)Kalter-Kriegs-Manier gegenüberRussland wird. Gleichzeitig sind dieneoliberalen Strukturanpassungenvon IWF und EU für die Bevölke-rung in den osteuropäischen Staatenmit mehr und nicht mit wenigerArmut und Arbeitslosigkeit verbun-den; die sozialen Spannungen wer-den damit wachsen. In Kombinationmit der billigend in Kauf genomme-nen Kooperation und der Unterstüt-zung faschistischer Kräfte in derUkraine schafft das eine gefährlicheGemengelage.

Heike Hänsel ist Bundestagsabgeordnete derLINKEN, entwicklungspolitische Sprecherinder Fraktion DIE LINKE und Vorsitzende desUnterausschusses Vereinte Nationen, Inter-nationale Organisationen u. Globalisierung

5gegen den krieg

Entwicklungshilfe-Ziel: Heranführung an die EUDeutsche Kooperationsprogramme mit der Ukraine und Georgien werdender Geopolitik und Konzerninteressen untergeordnet

vor der Entscheidung: Gehört ihrLand zum westlich geprägten Euro-pa oder ist es Teil einer russisch ge-prägten ‚eurasischen‘ Zivilisation?[…] Mit der Annäherung der Ukrainean die EU würde sich nicht nur dieReichweite europäischer Werte undInstitutionen um hunderte Kilometergen Osten ausdehnen. Russlandmüsste sich mit der Heranführungder Ukraine an die EU endgültig vonseinem neoimperialen Träumen ver-abschieden. […] Die Ukraine hat des-halb nicht nur als solche für die EUeine große Bedeutung. Sie könntefür den Westen insgesamt zum Torfür eine schrittweise Demokratisie-rung des riesigen, vormals sowjeti-schen Territoriums im nördlichenEurasien werden. […] Deutschlandsollte es – schon aus historischenGründen – nicht an Beherztheit,Prinzipienfestigkeit und Weitsicht inseiner künftigen Ukraine-Politik feh-len lassen.“

Zwischen den Fronten Die soziale Situation der großen Be-völkerungsmehrheit ist miserabel.Bereits vor diesem Hintergrund wares durchaus nachvollziehbar, dassviele Menschen in der Ukraine nachder Aussetzung der Assoziationsver-handlungen aus Unzufriedenheit mitder korrupten Janukowitsch-Regie-rung auf die Straße gingen. Dochdiese Proteste wurden schnell voneinem Dreierbündnis gekapert, dassich neben den westlich orientierten(und finanzierten) Parteien JuliaTimoschenkos (Batkiwschtschina)und Witali Klitschkos (Udar) auchaus der rechtsradikalen Partei vonOleg Tjagnibok (Swoboda) zusam-mensetzte. Nicht zuletzt deutschePolitiker unterstützten dabei massivden anschließenden Eskalationspro-zess, der schlussendlich zur Abset-zung Janukowitschs und der Einset-zung einer pro-westlichen „Regie-rung“ führte. Sie hofierten dabei

auch die Faschisten, die später fürihre „Verdienste“ mit wichtigenPosten in der Übergangsregierungbelohnt wurden.

Die Menschen in der Ukraine wirddiese feindliche Übernahme wohlnoch teuer zu stehen bekommen.Arseni Jazenjuk kündigte als Chefder „Übergangsregierung“ bereits„schmerzhafte Einschnitte“ imTausch gegen neue IWF-Kredite an.Beschlossen ist bereits eine 50-pro-zentige Erhöhung der Energiepreise.Weitere massive Sozialkürzungen,insbesondere im Rentenbereich, sindderzeit im Gespräch. Für das ukrai-nische Gasnetz scheint sich der US-Konzern Chevron zu interessieren,Teile der Schwerindustrie sollen vondeutschen Unternehmen ins Augegefasst worden sein.

Unterdessen hat Witali Klitschkoseinen Verzicht auf eine Kandidaturbei den vorgezogenen Präsident-schaftswahlen am 25. Mai 2014 be-

kanntgegeben. Julia Timoschenkoverlor durch extrem russlandfeindli-che Sprüche zusätzlich an Boden. Soscheint aktuell der aussichtsreichsteKandidat der milliardenschwerePetro Poroschenko zu sein. Dieserhatte als einziger in der Oligarchen-Gruppe die Proteste von Anfang anunterstützt. Unter ihm dürfte sichdie „Westwendung“ der Ukrainefortsetzen. Er deutete sogar an, einNATO-Beitritt seines Landes scheite-re nicht an ihm, sondern am Unwil-len des Bündnisses, diesen Schritt zugehen.

Russland reagierte auf all dieseEntwicklungen mit der völkerrechts-widrigen Annexion der Krim-Halb-insel und schlug damit einen weite-ren Nagel in den Sarg des Nicht-Einmischungsgebots, das den Schutzkleinerer Länder vor Willküraktenvon Großmächten gewährleistensoll. Allerdings bediente sich Mos-kau dabei lediglich eines Drehbuchs,

das vom Westen verfasst wordenwar (Kosovo, Süd-Sudan). Und essollte auch nicht vergessen werden,dass die seit vielen Jahren erfolgen-de geopolitische Offensive desWestens die Aktion war, die nun zurrussischen Reaktion führte. Es wärealso am Westen, der Eskalationsspi-rale Einhalt zu gebieten und diebeste Möglichkeit hierfür wäre, sichmit Moskau – das demgegenüberaufgeschlossen scheint – auf einekategorische Blockfreiheit der Ukrai-ne zu verständigen. Auch wenn einesolche Einigung aufgrund der Inter-essenskonstellation eher fraglich ist,wäre sie mit Sicherheit vor allemauch die beste Lösung für die Men-schen in der Ukraine selbst, dieansonsten sicher noch lange unterdem Gerangel der Großmächte zuleiden haben werden.

Jürgen Wagner ist aktiv bei der Informati-onsstelle Militarisierung IMI e.V., Tübingen.

Ausschnitte von der GIZ -Webseite

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Anmerkungen:1 Ausführlich: Fred Schmid, Ukrainische Opposition – sponsored by Exxon, Chevron, Monsanto…

www.iswmuenchen.de.2 George Soros, Ein Marshall-Plan für die Ukraine, Süddeutsche Zeitung vom 27. Februar 2014.3 Siehe auch W. Listl, Wie George Soros die Ukraine unterstützt, www.kommunisten.de.4 Siehe: www.euractiv.de/ukraine-und-eu/artikel/fracking-shell.5 Siehe: www.netzfrauen.org/ 2013/12/12agrar-monopoly-ukraine-monsanto.de6 Vgl. Doro Schreier, Agrar-Monopoly in Ukraine – Monsanto realisiert Großprojekt, www.netzfrauen.org7 Zitiert nach netzfrauen, a.a.O.8 Nach: www.agrarukraine. com

Fred Schmid

Stolz verkündete die US-„Fuck-the-EU“-Staatssekretärin Victo-ria Nuland, dass man mehr als

fünf Milliarden Dollar investiert ha-be, um die Ukraine beim Aufbauihrer „demokratischen Fähigkeitenund Institutionen“ zu unterstützen,als „Vorbedingungen damit sich ihreeuropäischen Hoffnungen erfüllen“.Sie sprach am 13. Dezember 2013vor Mitgliedern des Ukraine Busin-ess Council im Rahmen einer Veran-staltungsreihe, die laut Council vonExxonMobil, Chevron, Monsanto,Coca-Cola, Global-Logic und demukrainischen System Capital Mana-gement gesponsert wurde.1 Sieschloss ihre Rede mit der Aufforde-rung an die Sponsoren, weiter anihrer Seite zu stehen, „während wirdie Ukraine in die Zukunft führen,die sie verdient“. Was durchaus alsDrohung verstanden werden kann.

Sicherlich ist es primär der geo-politische Aspekt, das Roll-back ge-gen Russland, weshalb die Ukraineden US-Amerikanern und EU-Euro-päern so wichtig ist. Als Schlüssel-feld auf dem „eurasischen Schach-brett“ (Brzezinski). Wobei Wirt-schaftsblöcke erpresserisch einge-setzt werden – siehe die ProjekteAssoziierung mit der EU oder Beitrittzur eurasischen Zollunion Russlands– um politische Ziele zu erreichen.Durchaus ein Vorgeschmack auf dieAußenfunktion der geplanten Trans-atlantischen Freihandelszone (TTIP).

Daneben sind es aber auch hand-feste ökonomische Interessen, diehinter dem Griff nach der Ukrainestecken. Das macht zunächst stutzig,handelt es sich doch bei dem, nachRussland, flächenmäßig zweitgröß-ten Land Europas um das größte Ar-menhaus des Kontinents. Die Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung (BIP) be-trug im vergangenen Jahr mit 3862

Dollar gerade mal halb so viel wiedie der ärmsten EU-Mitgliedsstaaten,Bulgarien (7411 Dollar) und Rumä-nien (8630), und etwa ein Sechstelvon Griechenland (21617). Als Ab-satzmarkt ist da für westliche Kon-zerne wohl nicht allzu viel zu holen.Wobei die westeuropäischen Dis-counter das Land dennoch in ihreHandelsketten legen werden, getreuder Devise „Kleinvieh macht auchMist“.

Glieder in der Wertschöpfungs-kette der MultisSchon eher bietet sich die Ukraineals Produktionsstandort für FilialenTransnationaler Konzerne an. Somacht sich der milliardenschwereFinanz-Zocker George Soros, der inder Ukraine schon seit langem seineStiftung „Renaissance Foundation“für „westliche Werte“ wirken lässt,seine realökonomischen Investiti-ons-Gedanken: „Die Ukraine könntemit ihrer gut ausgebildeten Bevölke-rung und mannigfachen Industrienein interessanter Investitionsstandortwerden“.2

Und mit Billigstlöhnen, wäre hin-zuzufügen: Nach Angaben desukrainischen Statistikamtes lag derDurchschnittslohn Mitte 2012 umge-rechnet bei rund 300 Euro pro Mo-nat. Soros Idee: „Ein Deal könnte soaussehen: Die Ukraine öffnet seinenHeimatmarkt für europäische Fir-men, die dort Ableger für die lokaleFertigung und Produktion einrich-ten. Im Gegenzug öffnet die EUihren Absatzmarkt für diese ukraini-sche Firmen und hilft ihnen so beider Eingliederung in die Weltwirt-schaft“.

Das ist im wesentlichen auch derökonomische Inhalt des jetzigen EU-Assoziierungsabkommen. Er bedeu-tet auf gut kapitalistisch: Die ausWesteuropa operierenden Transna-tionalen Konzerne gründen Tochter-

firmen in der Ukraine, die dort denMarkt aufrollen und die heimischeWirtschaft platt machen; wie ge-schehen in den anderen osteuropäi-schen Ländern. Als produktive In-seln in einem Meer des Desasters ausArmut und Arbeitslosigkeit exportie-ren diese Konzerntöchter dann zuBilligstpreisen infolge Niedrigstlöh-nen in die EU-Länder. Sie würden zuwichtigen Gliedern in den Wert-schöpfungsketten der Multis.3

Die ökonomischen Pläne westli-cher Multis und Geopolitiker greifenaber weiter. Das offenbart sich erstauf den zweiten Blick. Vor allemdann, wenn man die oben genann-ten Haupt-Sponsoren des UkraineBusiness Council als Fix- und Leit-sterne, die zum Kern der Interessenführen, erkennt: Exxon, Chevron,Monsanto. Die Ukraine soll offenbarin Zukunft einen erheblichen Stel-lenwert im Energie- und Agro-Business des Metropolen-Kapitalseinnehmen. Als Lieferant von Erdgasbzw. Öl und Saatgut bzw. von soge-nannten Energiepflanzen.

Angesichts der bisherigen Ener-giearmut und Energieabhängigkeitdes Landes klingt dies unwahr-scheinlich. Wird doch mehr als dieHälfte des Erdgases aus Russlandgeliefert. Aber das Land könnte einebedeutende Rolle bei dem EU-Be-streben spielen, sich von der Ener-giezufuhr aus Russland unabhängigzu machen. Dies ist Teil des geostra-tegischen Spiels. Und das lässt sichgut mit den Profitinteressen der dreiMultis verbinden.

Ölmultis kämpfen um ukraini-sche Öl- und GasfelderNach einem Bericht der DeutschenWirtschafts-Nachrichten (13.3.14)und von Bloomberg View (11.3.14)sicherten sich vor den Unruhen inder Ukraine eine Gruppe um ExxonMobil (USA), Shell (Großbritannien),

der rumänischenTochter des öster-reichischen Ölkon-zerns OMV unddes staatlichenukrainischen Ener-giekonzerns NAKNadra Ukrainy dieRechte, Erdöl undErdgas im Schwar-zen Meer zu för-dern. Die Gruppeplant, 735 Millio-nen Dollar zu in-vestieren, um zweiBohrbrunnen 80Kilometer südwest-lich der Krim-Küste zu bauen.„Exxon und Shellbefinden sich jetzt[nach der Integra-

tion der Krim in den russischenStaat; d. Red.] in einer rechtlichenGrauzone“, sagte Chris Weafer, Part-ner bei Makro Advisory in Moskau.Sie verfolgten einen „Explorations-Deal mit einer Regierung, die baldnicht mehr über die Gerichtsbarkeitüber die Region verfügen könnte“.

Ebenfalls im Jahr 2013 hat sicheine Gruppe um ENI, der größte Öl-und Gasproduzent Italiens, an derOstküste der Krim die Rechte gesi-chert, in einem Gebiet mit 1400Quadratkilometern die Fördermög-lichkeiten für Öl und Gas zu erkun-den. Man wisse noch nicht, wie sich„die neue Situation“ auf die Lizenzauswirke, sagte ENI-CEO Paolo Sca-roni. An dem entsprechenden Kon-sortium ist ENI mit 50 Prozent betei-ligt, Electricité de France (EDF) hält5 Prozent und die staatlichen ukrai-nischen Unternehmen Vody Ukrainyund Chornomornaftogaz (Schwarz-meer-Gas) 35 bzw. 10 Prozent. Indiesem Fall gibt es das zusätzlicheProblem, dass die ukrainisch-staatli-che Chornomornaftogas ihren Sitz inSimferopol auf der Krim hat und da-mit jetzt russisch ist. Das Unterneh-men hat Lizenzen für 17 Felder, dar-unter elf Gasfelder, vier Ölfelder undzwei Gaskondensat-Felder. Die Ge-samtreserven aller Gasfelder werdenauf 58,6 Milliarden Kubikmeter be-ziffert.

Chevron: Schiefergas-Prospektio-nen in der Ukraine.„Chevron macht die Ukraine unab-hängiger von Russland“, titelte dasHandelsblatt am 5. November 2013.Aber abhängiger von dem Öl-Multi,wäre hinzuzufügen. Chevron will imwestukrainischen Olesska-FeldSchiefergas nach der umstrittenenFracking-Technik fördern. Die ukrai-nische Regierung unterzeichnete da-zu mit Chevron ein 10-Milliarden-Dollar-Abkommen zur Förderungvon Schiefergas. Das Abkommen hateine Laufzeit von 50 Jahren. Im Ja-nuar 2013 wurde bereits ein ähnli-cher Vertrag zur Schiefergas-Förde-rung im Yuzivska-Feld in der Ost-Ukraine mit Shell unterzeichnet.Shell und Chevron wiederum planenzunächst Investitionen von 150 Mil-lionen bzw. 260 Millionen Euro fürErkundungsbohrungen. Auch Shellrechnet mit Investitionen zwischen10 und 50 Milliarden Dollar. Bei die-sen Dimensionen und Laufzeiten derInvestitionsabkommen – jeweils einhalbes Jahrhundert! – sind natürlichstabile politische Verhältnisse imwestlichen Sinn erwünscht.

Die Ukraine verfügt über 1,2 Bil-lionen Kubikmeter Schiefergas,schätzen die Experten der U.S. Ener-gy Information Administration (EIA).Das wären die drittgrößten Schiefer-

gas-Reserven Europas, nach Norwe-gen und Frankreich.4 Eine Gesetzge-bung, die Schiefergasförderung re-guliert, fehlt komplett in der Ukrai-ne. Mit den Abkommen mit Chevronund Shell werde die Ukraine bis2020 ihren Gasbedarf selbst deckenkönnen, sagte Anfang November2013 Ministerpräsident Januko-witsch. „Unter einem optimistischenSzenario wird es uns sogar befähi-gen, Energie zu exportieren.“ Dieenergiearme Ukraine als Energielie-ferant nach Westeuropa? Nicht soabwegig, wenn man noch die dritteOption ins Auge fasst.Monsanto: Agrar-MonopolyIm Mai 2013 teilte Monsanto, derweltgrößte Saatgut-Hersteller, mit, erplane den Bau einer Saatgut-Anlagefür konventionellen Mais in derUkraine. 140 Millionen Dollar sollendafür investiert werden. Die Produk-tion erfolge für den lokalen Marktund für den Export.5 Auf die Erzeu-gungsmöglichkeit von gentechnischveränderten Mais dürfte Monsantonicht lange warten müssen. Offiziellsind gentechnisch veränderte Orga-nismen in der Ukraine zwar nichterlaubt, doch inoffiziell werden siebereits flächendeckend eingesetzt.Die Schwellen für ökologische undbiotechnische Standards liegen indem armen Land so niedrig wie ineinem Entwicklungsland. Umsomehr, wenn die Interessen mächtigerAgrokonzerne ins Spiel kommen.Die Ukraine wird für das internatio-nale Agrobusiness immerattraktiver.6

Doch Monsanto geht es offenbarnicht nur um konventionelle undgenmanipulierte Saatgutherstellung.Der Agro-Konzern ist auch im Be-reich Biokraftstoffe im Geschäft. Ineiner Mitteilung an seine Aktionärevom 5. November 2013 heißt es u.a.:„Die Kapazitätssteigerungen bei derSaatgutverarbeitung durch Monsan-to in Rumänien, Ungarn und derTürkei sind Bestandteil von Investi-tionen in Europa in Höhe von 500Millionen Euro, die auf zehn Jahreverteilt sind.

In diesem Rahmen sind weitereInvestitionen in Frankreich, derUkraine und Russland vorgesehen,wodurch die Saatgutproduktion desUnternehmens mehr als verdoppeltwird und strategische Partnerschaf-ten mit Zulieferern in ganz Europagestärkt werden […] Die Investiti-onen an mehreren Standorten um-fassen Pflanz- und Bewässerungssy-steme sowie Ausrüstungen zur Ener-gieerzeugung durch die Verbren-nung von Maiskolben, die als Ne-benprodukt der Saatguterzeugunganfallen.“.7

Warum in Zukunft nicht auch derdirekte Anbau von Energiepflan-

6 zeitung

Von der „Kornkammer Europas“zur Tankstelle der EU?

Ukrainischer Ressourcen-Poker

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zen?! „Gerade die Ukraine, bekanntals Kornkammer Europas, bietet In-vestoren ein interessantes Betäti-gungsfeld“, heißt es in einer Anprei-sung von Agroconcorde Internatio-nal Ltd, gegründet von einem ukrai-nischen Unternehmer (40-Prozent-Anteil), einem österreichischenImmobilienfachmann und einemösterreichischen Agrarunternehmer(je 30 Prozent). „Die derzeit herr-schenden Pachtstrukturen werden –mit großer Wahrscheinlichkeit – in

Kürze durch die Möglichkeit derEigentumserwerbung ersetzt.“8.

Die großflächige Ukraine besitztdie besten und ertragreichsten Bö-den der Welt, fast ein Drittel derSchwarzerde-Böden auf dem Globus.„Die stetig wachsende Weltbevölke-rung und der Einsatz von Landwirt-schaftsprodukten für die Zwecke derEnergiegewinnung lassen ein erheb-liches Defizit an landwirtschaftli-chen Produkten entstehen...“ Dasführe zu erheblichen Preissteigerun-

gen bei landwirtschaftlichen Pro-dukten. „Wer dann Zugang zu Res-sourcen hat, ist auf der `Gewinner-seite´“, prophezeit Agroconcord.Monsanto will sich diesen Zugangoffenbar dauerhaft sichern. Vorsorg-lich schluckte der Agro-Gigant imJahr 2013 schon mal die Geschäfts-bereiche Raps- und Roggensaatgutsowie den Vertrieb von Mais- undSonnenblumensaatgut der deutschenDieckmann-Gruppe.

„Monsanto sieht gute Wachstums-

möglichkeiten für den Rapssaatgut-markt in Deutschland, Zentral- undOsteuropa“, kommentiert Björn Neu-mann, Geschäftsführer Saatgut vonMonsanto Deutschland den Deal.Gelbe Rapsfelder soweit das Augereicht, das könnte dann die Zukunftder Agrar-Ukraine sein. Die Pestizi-de, die zur Spritzung bei einemgroßflächigen Anbau dieser Pflanzeerforderlich sind, liefert der Gift-und Gen-Konzern gleich mit. Die„Kornkammer Europas“ könnte dann

zur Agrokraftstoff-Tankstelle der EUwerden. Agrodiesel und SuperbenzinE 10 aus der Ukraine. Dazu Schiefer-gas, mit Chemikalien und Unmengenvon Trinkwasser aus dem Gesteinherausgespritzt.

Alles, um letztlich Russland denÖl- und Gashahn zuzudrehen.

Fred Schmid ist Ökonom und aktiv im In-stitut für sozial-ökologische Wirtschaftsfor-schung in München (isw).

Uli Cremer

Am 1. April 2014 tagte dasHohe Westliche Gericht inForm der NATO-Außenmini-

ster und befand, Russland habe mitder Annexion der Krim Völkerrechtverletzt, gegen das Grundlagendoku-mente des Euro-Atlantischen-Part-nerschaftsrates der NATO (in demRussland Mitglied ist) und gegen dieGrundakte NATO-Russland ver-stoßen. Der Vorwurf des Völker-rechtsbruchs ist ja korrekt.

Eigenartig beziehungsweise ge-wöhnungsbedürftig ist es jedoch,Derartiges aus dem Mund vonNATO-Chef Rasmussen zu hören.Niemand anderes als die NATOselbst hatte vor 15 Jahren mit demKosovokrieg 1999 eben dieses Völ-kerrecht gebrochen. 2003 unter-stützten dann auch einige europä-ische Regierungen, u.a. die dänischeunter Ministerpräsident Rasmussen,den völkerrechtswidrigen Irakkriegder USA und beteiligten sich an der„Koalition der Willigen“. Insofernwird seitens der NATO auf einen ge-wissen Gedächtnisverlust der Öffent-lichkeit spekuliert.

In EU-Kreisen und in Washingtonheißt es: Das Vertrauen zu Russlandals Basis für Kooperation welcherArt auch immer sei nun nicht mehrgegeben. Nun hatte die NATO in den

letzten 20 Jahren wenig zur Vertrau-ensbildung in Richtung Moskau bei-getragen. Die eigene Einflusszonewurde nach Osten vorgeschoben,russische Vorschläge jeder Art igno-riert.

Wie die „Vertrauensbildung“ inRussland wahrgenommen wurde,kann man in den einschlägigen Re-den Putins vor dem Bundestag 2001,in München 2007 oder auch in sei-ner Krimrede 2014 nachlesen. EineBeziehung auf Augenhöhe war na-türlich auch der NATO-Russland-Ratnie, dort wurden den russischen Ver-tretern nur die vorher gefassten Be-schlüsse der NATO verkündet. Dieser„Dialog“ wurde von den NATO-Außenministern nicht beendet, son-dern quasi zur Bewährung ausge-setzt; da heißt es „… kann fortge-setzt werden, wenn nötig“. Mögli-cherweise ist dieses Gremium aberder russischen Regierung inzwischenherzlich egal.

Als Strafe wurde von den NATO-Außenministern festgesetzt, die zivi-le und militärische Kooperation derNATO mit Russland zu suspendieren.Nun fragen sich viele: welche Ko-operation denn eigentlich? Jenseitsder erwähnten Grundsatzdokumenteerstreckte sich die Zusammenarbeitauf gemeinsame Militärmanöver, ge-meinsame Militäroperationen (z.B.bei der Piratenjagd vor Somalia) und

nicht zuletzt auf die logistische Un-terstützung, die Russland für denNATO-Afghanistankrieg leistete.

Konkret geht es um die so ge-nannte Nordroute, über die in Af-ghanistan ein erheblicher Teil desNachschubs (zeitweise ein Drittel derGesamtmenge) fließt und die überrussisches Gebiet verläuft. 2011/2012hatte die NATO monatelang nur die-se Landroute zur Verfügung odermusste auf den besonders teurenLufttransport ausweichen. DennPakistan hatte nach der Bombardie-rung eines pakistanischen Grenzpo-stens durch die NATO die kosten-günstigere Hauptroute monatelanggesperrt. Außerdem kam es in Paki-stan seit Beginn des Krieges immerwieder zu Anschlägen auf LKWs mitNATO-Gütern.

Vor diesem Hintergrund, so einBericht in der Frankfurter Allgemei-nen Zeitung, „baute die Nato die al-ternativen Verbindungswege überdie nördlichen AnrainerstaatenTurkmenistan, Usbekistan und Tad-schikistan aus. Dazu werden zumTeil Wege genutzt, die Moskauwährend der sowjetischen Invasionangelegt hatte.“ (16.5.2012) Aucheine Eisenbahnstrecke von Usbeki-stan zur NATO-Hauptstadt in Nor-dafghanistan, Masar-e-Sharif, istseit 2011 in Betrieb.

Zwischenzeitlich wurde sogar der

Plan verfolgt, der NATO zusätzlichals Umschlagsplatz einen Flughafenim russischen Uljanowsk (der Ge-burtsstadt Lenins) zu überlassen. Ge-gen die Proteste der Kommunisti-schen Partei verteidigte Putin seiner-zeit das Vorhaben: „Wer nicht wolle,dass russische Soldaten an der Gren-ze zwischen Tadschikistan und Af-ghanistan kämpfen müssten, dembleibe nichts übrig, als der NATO zuhelfen.“ (FAZ 11.4.2012) Allerdingsentschied sich die NATO nach erstenProbetransporten gegen das Projekt.

Doch mit alldem soll nun Schlusssein. Insofern wird die NATO-Frontam Hindukusch, an der mit Standvom 1. April 2014 immer noch51178 Soldatinnen und Soldatenaktiv sind, durch den aktuellenNATO-Beschluss in Mitleidenschaftgezogen. Die beabsichtigte Truppen-reduktion auf 8000 bis 12000 Mannund Frau bis Ende 2014 kann nunwohl nicht im beabsichtigen Umfangerfolgen, da dies logistisch nichtumsetzbar ist. Oder es müsste allerleischweres Gerät zurückgelassen wer-den. Zumindest die Zeitpläne gera-ten durcheinander.

Der russische Vize-Premiermini-ster Rogosin (früher russischer Ver-treter bei der NATO, heute auf derUS-Sanktionsliste) sagte vor fünfJahren einmal: „Entweder trage dieAllianz den Sieg davon, was gegen-

wärtig kaum wahrscheinlich sei,oder die Nato werde noch auf abseh-bare Zeit in Afghanistan bleiben unddie Kämpfer der Taliban, von AlQaida und anderen Terrorgruppenauf sich ziehen… Am wahrschein-lichsten sei jedoch, dass sich dieNato bald aus Afghanistan zurück-ziehe – und dann werde es für Rus-sland gefährlich. Ein Rückzug derNato würde von allen Extremisten,die sich in und um Afghanistantummeln, als Einladung aufgefasst,den Kampf über die Grenzen Afgha-nistans hinaus nach Norden zu tra-gen … um sich schließlich gegenRussland zu wenden … Das sei derGrund, weshalb Russland ein ‚objek-tives Interesse‘ am Erfolg desWestens in Afghanistan habe…“(FAZ 28.1.2009)

So hätte für Russland die Annexi-on der Krim einen Zweitnutzen: DieNATO könnte mit größerer Truppen-stärke als geplant auch nach 2014 inAfghanistan bleiben, was den russi-schen Interessen dient. In dieserHinsicht könnte sich die aktuelleNATO-Entscheidung, die zivile undmilitärische Zusammenarbeit mitRussland zu suspendieren, als klassi-sches Eigentor erweisen.

Uli Cremer, Grüne Friedensinitiative undDFG-VK-Mitglied.

7gegen den krieg

Russische Hilfe beim Afghanistan-Rückzug entfälltNATO-Eigentor

Zukunftsvion à la Multis: Rapsfelder soweit das Auge reicht. „Monsanto sieht gute Wachstumsmöglichkeiten für den Rapssaatgutmarkt in Deutschland, Zentral- und Osteuropa.“

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Clemens Ronnefeldt

Vor 15 Jahren, am 24. März1999, sagte der damaligeBundeskanzler Gerhard

Schröder in seiner TV-Ansprache andie deutsche Bevölkerung: „LiebeMitbürgerinnen und Mitbürger, heu-te abend hat die NATO mit Luft-schlägen gegen militärische Ziele inJugoslawien begonnen. Damit willdas Bündnis weitere schwere undsystematische Verletzungen derMenschenrechte unterbinden und ei-ne humanitäre Katastrophe im Koso-vo verhindern. Der jugoslawischePräsident Milosevic führt dort einenerbarmungslosen Krieg. Die jugosla-wischen Sicherheitskräfte habenihren Terror gegen die albanischeBevölkerungsmehrheit im Kosovoallen Warnungen zum Trotz ver-

schärft. Die internationale Staaten-gemeinschaft kann der dadurch ver-ursachten menschlichen Tragödie indiesem Teil Europas nicht tatenloszusehen. Wir führen keinen Krieg,aber wir sind aufgerufen, eine fried-liche Lösung im Kosovo auch mitmilitärischen Mitteln durchzusetzen(...)“1.

Der Kosovo-Krieg ist vor demHintergrund der Kriege in Kroatienund Bosnien-Herzegowina von 1991bis 1995 zu sehen, denen allein inBosnien-Herzegowina mehr als100000 Menschen zum Opfer fielen– und die zur Aufnahme von mehrals 350000 Flüchtlingen in Deutsch-land führten.

Im Kosovo gab es viele Jahre langgewaltfreie Basisinitiativen. Diesewurden im Westen kaum unter-stützt2. Auch Ibrahim Rugova, 1992

und 1998 zum Präsidenten im Koso-vo gewählt und Verfechter einer ge-waltfreien Politik, fand im Auslandmit seinem Ansatz nur wenig Be-achtung.

Der Kosovo- bzw. Jugoslawien-krieg wurde mit der Begründung ge-führt, einen Völkermord zu verhin-dern. Dabei wurde in fast allen Leit-medien überwiegend die serbischeSeite als Täter und die albanischeBevölkerung als Opfer dargestellt.Der WDR-Film „Es begann mit einerLüge" von Jo Angerer und MatthiasWerth zeigte, dass die deutscheÖffentlichkeit massiv belogen wurde,um die dritte Bombardierung Bel-grads in einem Jahrhundert zurechtfertigen.3 So hatte der deutscheVerteidigungsminister Rudolf Schar-ping behauptet, es existiere ein so-genannter „Hufeisenplan“, mit demdie Serben die Albaner aus dem Ko-sovo vertreiben wollten. Der Planwar zu Propagandazwecken erfun-den worden. Auch hatte es ein be-hauptetes Massaker im Stadion vonPristina nie gegeben.

Bei den Verhandlungen in Ram-bouillet wenige Wochen vor denNATO-Bombardierungen im März1999 legten die Nato-Vertreter ulti-mativ einen Vertrag vor, den, wieRudolf Augstein schrieb, kein Serbemit Schulbildung hätte unterzeich-nen können. Danach sollten Nato-Truppen u.a. im gesamten verbliebe-nen serbischen Teil JugoslawiensBewegungsfreiheit und Immunität

genießen.4Die Lunte, mit der der Krieg ge-

zündet wurde, war das sog. Massa-ker von Racak vom 15. Januar 1999mit 45 Toten. Wie die Menschen zuTode gekommen sind und wer dieVerantwortung dafür trägt, ist bisheute nicht restlos aufgeklärt. Sospielte der Leiter der Kosovo-Verifi-kationsmission (KVM) der OSZE, der

US-Amerikaner William Walker, einedubiose, wenn nicht provokativeRolle.5

Obgleich damit von Anfang anunklar war, wer für das Massakerverantwortlich zeichnete, war fürAußenminister Joschka Fischer Ra-cak der Wendepunkt – hin zumNato-Krieg.

Grundlegend falsch: EntwederVölkermord oder KriegDer Friedensforscher Johan Galtungsagte bereits 1999: Die Grünen „sa-hen nur zwei Möglichkeiten: entwe-der ethnische Säuberungen oderBombardements. Und das warfalsch". Insbesondere JoschkaFischer trieb mit seiner Parole „Niewieder Krieg und nie wieder Ausch-witz“ seine Partei und viele Men-schen in Deutschland in eine Sack-gasse, die den Realitäten nicht ent-sprach. Er handelte dabei mit großerWahrscheinlichkeit wider besseresWissen.

Viele gut dokumentierte Faktenbelegen: Die Alternative „Völker-mord oder Krieg“ stellte sich sonicht. Mehr noch: Es gab auf der ei-nen Seite – und vor Beginn desKrieges – Ansätze für eine Entspan-nung der Konfrontation zwischender serbischen Seite und der kosovo-albanischen Bevölkerung. Auf deranderen Seite vertiefte der Kriegsbe-ginn diese Konfrontation noch wei-ter. Dies wird im Folgenden an Handvon fünf Aussagen von Zeitzeugen,Beteiligten und Institutionen doku-mentiert:

Nato-Generalsekretär Solana:„Lage beruhigt sich“In einem Brief (zitiert in Die Wochevom 2. Juli 1999) an den Mi-litäreinsatzbefürworter Erhard Epplerschrieb Prof. Dieter S. Lutz, damalsLeiter des Instituts für Friedensfor-schung und Sicherheitspolitik (IFSH)an der Universität in Hamburg: „Ichbeginne mit dem Holbrooke-Milose-vic-Abkommen vom 13. Oktober1998. Vierzehn Tage nach Abschlussdieser Vereinbarung ging NATO-Generalsekretär Solana am 27. Okto-ber 1998 mit folgender Einschät-zung an die Öffentlichkeit: `Erfreuli-cherweise kann ich nun berichten,dass in den letzten 24 Stunden mehrals 4000 Angehörige der [serbischen]Sonderpolizei aus dem Kosovo abge-zogen worden sind. (...) Die Sicher-heitskräfte werden auf den Umfangabgebaut, den sie vor dem Ausbruchder jetzigen Krise hatten. (...) Ich for-dere die bewaffneten Gruppen derKosovo-Albaner auf, den von ihnenerklärten Waffenstillstand aufrecht-zuerhalten´“.

OSZE-General Loquai: „Die Flücht-linge kehren zurück. Die UCK rücktvor“Dieter S. Lutz zitierte in dem ge-

nannten Brief auch Heinz Loquai:„Die sichtbare internationale Präsenz[der OSZE-Mission; C.R.] an Brenn-punkten des Geschehens trug zurEntspannung der Lage bei, ließ dieFlüchtlinge wieder in ihre Dörferzurückkehren. Mitte November wur-den nur noch wenige hundert in ei-nem Lager künstlich zurückgehalten,um den Medien ein solches Campvorführen zu können. Doch es gabein Problem, auf das anscheinendniemand vorbereitet war. Die UCK,die sich an die Vereinbarungen nichtgebunden fühlte, rückte dort ein, wodie Jugoslawen abgerückt waren.Von jugoslawischer Seite wurde wie-derholt erklärt, wenn die UCK wei-terhin das geräumte Gebiet besetze,werde das zu Reaktionen führen."

Loquai: Der Krieg schuf erst daswirkliche Drama von Vertreibungund FluchtBrigadegeneral Heinz Loquai fassteseine Analyse in der NDR-4-Sen-dung „Streitkräfte und Strategien“am 22. Mai 1999 folgendermaßenzusammen:

„Vertreibungen und Flüchtlings-ströme setzten ein, nachdem dieinternationalen Organisationen dasKosovo verlassen und die Angriffebegonnen hatten. D.h. der Krieg ver-hinderte die Katastrophe nicht, son-dern machte sie in dem bekanntenAusmaß erst möglich. [...] Der Frie-den wurde u.a. verspielt,

- weil die meisten NATO-Staateneinseitig Partei gegen die Serbenund für die Kosovo-Albaner nah-men. Hierdurch stärkte undermunterte man die UCK, und manförderte selbst bei gemäßigten Ser-ben den Eindruck, dass die NATOohnehin die Sache der Albanerbetreibe,

- weil die Europäer den USA zugefügig waren und den aufgebau-ten Zeitdruck hinnahmen, ohnesich der allmählichen Militarisie-rung der Politik zu widersetzen.

- weil die NATO glaubte, durch ihreLuftangriffe Milosevic innerhalbkurzer Zeit zum Nachgeben zuzwingen und die Durchhaltefähig-keit eines diktatorischen Regimesunterschätzte.

- weil die politische und militärischeFührung der NATO außer achtgelassen hatte, dass der Einsatzallein von modernen Kampfflug-zeugen gegen bewegliche, aus gut-er Deckung operierende Bodenzielerisikoreich, aufwendig und vonsehr begrenzter Wirkung ist“.

Parlamentarischen Versammlungder NATO: Es war vor allem diekosovo-albanische UCK, die denKonflikt neu eskalieren ließ, umden Krieg herbeizuführen.Die Parlamentarische Versammlung

8 zeitung

„Es begann mit einer Lüge“Vor 15 Jahren begann der Nato-Krieg gegen Jugoslawien („Kosovo-Krieg“)

Anmerkungen:1 Pressemitteilung Nr. 111/99 vom 24. März 1999, herausgegeben vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, Bonn.2 Siehe das Vorwort von Prof. Dieter S. Lutz in: Clemens Ronnefeldt, Die neue NATO, Irak und Jugoslawien, Minden, 1. Auflage 2001, S. 9.3 http://www.youtube.com/watch?v=NqPnn-GD4-k4 Im „Annex B“ dieses Abkommens hieß es: „Das Nato-Personal genießt Immunität vor jeder Form der Festnahme, Ermittlung oder Haft von

Seiten der Behörden der Bundesrepublik Jugoslawien. […] Das Nato-Personal wird […] in der gesamten Bundesrepublik Jugoslawien freienund ungehinderten Zugang genießen […] Das schließt das Recht ein […] Manöver durchzuführen, sich einzuquartieren und alle Gebieteund Einrichtungen zu nutzen, die erforderlich sind, für Unterstützung, Übung und Operation.“

5 Heinz Loquai schrieb über William Walker wie folgt: „Eine objektive Betrachtung kann nicht umhin, das Verhalten des Leiters der KVMals unangemessen und außerhalb aller normalen Regeln für eine Person mit diplomatischem Status im Gastland zu bewerten. Er zog miteiner Schar von Journalisten vor Ort, ließ diese frei schalten, walten und fotografieren und, wie ein Teilnehmer sagte, die Toten auch me-diengerecht positionieren.“ Heinz Loquai, Der Kosovo-Konflikt - Wege in einen vermeidbaren Krieg, Baden-Baden 2000, S. 50.

6 Zitiert im Vorwort von Prof. Dieter S. Lutz in: Clemens Ronnefeldt, Die neue NATO, Irak und Jugoslawien, Minden, 1. Auflage 2001, S. 7.

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Im Februar 2013 kam es zu einemdenkwürdigen Treffen zwischenDGB-Chef Michael Sommer und

Verteidigungsminister Thomas deMaizière, auf dem eine enge beider-seitige Kooperation vereinbart wur-de. Auf den hierauf einsetzendenProtest reagierte Michael Sommer inseiner Rede auf dem GEW-Gewerk-schaftstag im Juni 2013 mit der An-kündigung, einen friedenspoliti-schen Workshop abhalten zu wol-len, auf dem alle strittigen Fragenerörtert werden könnten.

Dieser „Dialog“ fand auch am 30.Oktober 2013 statt. Zu ihm wurdenjedoch fast ausschließlich Personengeladen, die dem Militär naheste-hen, weshalb hiergegen massiveProteste organisiert wurden. Schonzuvor wurde von der Frauenfrie-denskonferenz die Kampagne „Wirwidersprechen!“ ins Leben gerufen,um möglichst viele Menschen hinterder Forderung, gegen diesen Schul-terschluss des DGB mit der deut-schen Kriegspolitik zu mobilisieren.Dies kann zunächst dadurch gesche-hen, den folgenden Aufruf zu unter-zeichnen. Sinnvoll ist es jedochauch, zu dem Thema Veranstaltun-gen durchzuführen, um so lokaldarauf zu drängen, dass diesemThema verstärkte Aufmerksamkeitgewidmet wird.

Gerade vor dem 20. DGB-Bun-deskongress vom 11. bis 16. Mai2014 in Berlin ist es wichtig, gegeneinen Schulterschluss von DGB undBundeswehr zu protestieren.

AUFRUF: WIR WIDERSPRECHEN!!

Am 5. Februar 2013 folgte deroffiziell Bundesverteidigungs-

minister genannte Thomas de Mai-zière (CDU) der Einladung des DGB-Vorsitzenden Michael Sommer indas DGB-Haus, um dort gemeinsamvor die Medien zu treten.

„Die Bundeswehr versteht sich alsein Teil der Friedensbewegung“,erklärte de Maizière, und MichaelSommer widersprach nicht.

WIR WIDERSPRECHEN!

Die Bundeswehr, aufgebaut von derNazi-Generalität, entgegen demPotsdamer Abkommen von 1945und gegen den Widerstand der Ar-beiter- und Friedensbewegung, warund ist kein Teil der Friedensbewe-gung, im Gegenteil. Sie war und istein Instrument der deutschen Ban-ken und Konzerne, um ihre Herr-schaft aufrechtzuerhalten. Sie warund ist ein Instrument, um derenInteressen weltweit abzusichern –wie es inzwischen jeder – auchMichael Sommer – in den „verteidi-gungspolitischen Richtlinien“ nach-lesen kann.

„Das Verhältnis zwischen bewaff-neter Macht und Arbeiterbewegung

warhistorischbelastet, das ist esheute nicht mehr“, erklärteMichael Sommer.

WIR WIDERSPRECHEN!

Die Arbeiter- und Friedensbewe-gung hat zu Recht gegen die Wie-derbewaffnung Deutschlands nachdem Zweiten Weltkrieg gekämpft.Tausende Kolleginnen und Kollegensind deswegen mit Verfolgung undGefängnisstrafen belegt worden.Und heute zeigt jeder Tag erneut,wie belastet das Verhältnis zwischenbewaffneter Macht und Arbeiterbe-wegung ist. Um nur ein paarSchlaglichter zu nennen:

- Weltweite Kriegseinsätze: Seit1991 wird in immer offenererForm die Aufgabe der „Bundes-wehr“ als weltweit einzusetzendesInstrument zur Sicherung derdeutschen Kapitalinteressen fest-geschrieben. Die deutsche Armeeist längst keine „Bundeswehr“mehr, sondern entgegen ihremgrundgesetzlich niedergeschriebe-nen Auftrag eine weltweite Ein-satzarmee, die in zwölf Ländernmit fast 9000 Soldaten Krieggegen andere Völker führt. Tho-mas de Maizière erklärt, prinzipiellgebe es keine Region mehr, in derDeutschland nichts zu suchenhabe (MDR Info 1.7.2012). Es sindunsere Söhne und Töchter, die hierfür die Interessen des deutschenKapitals verheizt werden!

- Einsatz in Klassenzimmern: Trotzaller Proteste werden vermehrtBundeswehrangehörige eingesetzt,um bereits unsere Kinder für dasTöten und Sterben zu werben.2012 wurden an deutschen Schu-len 334000 Schüler dem Einflussvon Bundeswehrjugendoffizierenund Wehrdienstberatern ausge-setzt, mit 30000 Vorträgen undSeminaren wurden Lehrer und an-dere Multiplikatoren herangezogen– Tendenz steigend! Hinzu kom-men öffentliche Rekrutengelöbnis-se, Beförderungsappelle, Auftritteauf Messen, Volksfesten etc.!

- Der Einsatz der Bundeswehrgegen das eigene Volk: Ein sol-

cherwird seit2006 mit demflächendecken-den Netz der Heimat-schutzkommandos systema-tisch aufgebaut, durch de Maiziè-res Konzeption der Reserve mitMasse gefüllt. Seit dem Bundes-verfassungsgerichtsurteil vom Juli2012 wird sogar dem bewaffnetenEinsatz gegen das eigene Volk Türund Tor geöffnet – der klarste Be-weis, dass von einem „unbelaste-ten Verhältnis“ keine Rede seinkann!

Zu all dem schweigt Michael Som-mer nicht nur, sondern er behauptetentgegen allen Beschlusslagen desDGB, dass der DGB keine Positiongegen die zunehmenden Auslands-einsätze der Bundeswehr, gegen den

Afgha-nistan-

Krieg hät-te. Mehr noch,

im klaren Wider-spruch zur Satzung

des DGB erklärt Sommer,man müsse alles dafür tun, „die Sol-daten anständig auszurüsten“, waseinem Freibrief zur Aufrüstunggleichkommt.

WIR DAGEGEN ERKLÄREN:

Wir müssen alles dafür tun, umgegen diesen Schulterschluss desDGB mit der deutschen Kriegspolitikdie alte und wieder hochaktuelleErkenntnis zu setzen:

„Bei der Masse der arbeitendenMänner und Frauen liegt die Ent-scheidung über Sein oder Nichtseindes heutigen Militarismus.“ (RosaLuxemburg, 1871-1919)

Wirwerden des-

wegen nicht nach-lassen, gerade in den Ge-

werkschaften um diese Erkenntniszu kämpfen. Und Dich, Michael, er-innern wir an das Schicksal DeinesAmtskollegen Christian Fette, derauf dem 2. DGB-Bundeskongress1952 abgewählt wurde, weil er sichentgegen den Beschlüssen des DGBfür die Remilitarisierung verwendenließ!

München, 16. Februar 2013,Arbeitstreffen der Initiative Frauen-friedenskonferenz

Wir bitten, den Aufruf zu unter-zeichnen! Online bei www.frieden-mitmachen.de oder perMail an Barbara Tedeski · Nimmer-fallstr. 33 · 81245 München ·[email protected] mit folgendem Text:Ich unterstütze ebenso den Aufrufund bin mit der Veröffentlichungmeines Namens einverstanden:Nachname · Vorname · Gewerk-schaft · ggf. Funktion (Funktionsan-gaben dienen der Information) ·Adresse · E-Mail · Ort, Datum

gegen den krieg 9

Von einer kriegerischen und gewaltvollen Welt…Das Jahr 2014 markiert den 100. Jahrestag des Beginnsdes Ersten Weltkriegs. Dieser Krieg gilt als Symbol füreine globale Dominanz der strukturellen und kulturel-len Gewalt und ist der Beginn eines Jahrhunderts der„Kultur des Krieges und der Gewalt“, das zwei Welt-kriege, mit besonderer Verantwortung und SchuldDeutschlands, und unzählige regionale Kriege undKonflikte hervorbrachte.

… zu einer Kultur des Friedens, der Gewaltlosigkeit und GerechtigkeitNichtsdestotrotz werden Gewaltfreiheit und Alternati-ven zu Gewalt und Krieg zu Beginn des 21. Jahrhun-derts weltweit immer stärker eingefordert. Frieden istdie Herausforderung für alle; die Vernunft muss in denDienst ziviler Konfliktlösungsstrategien gestellt werden.

Vor diesem Hintergrund und unter dem Motto „Froma World of War and Violence to a Culture of Peace andNonviolence“ wird im Zeitraum vom 6. bis zum 9. Juni2014 das Sarajevo Peace Event in der Hauptstadt Bos-niens und Herzegowinas stattfinden. Es soll Gelegen-heit bieten, die Erfolge und Herausforderungen in Hin-blick auf Frieden und Gewaltfreiheit in Europa zu re-

flektieren und zu diskutieren. Im Rahmen des Eventssind eine Vielzahl von Aktivitäten geplant. Dazuzählen Vorträge, Plenumsdiskussionen, mehr als 100Workshops, ein Friedensmarsch sowie ein internationa-les Jugendcamp. Des Weiteren gibt es kulturelle Akti-vitäten, wie ein Film- und Musikfestival.

Die Themen, die dort behandelt werden, sind in fünfKategorien unterteilt:

Militarismus und dessen Alternativen

Frieden und soziale Gerechtigkeit

Kultur des Friedens und der Gewaltfreiheit

Gender, Frauen und Frieden

Versöhnung und Vergangenheitsbewältigung

Das Sarajevo Peace Event wird das größte internationa-

le Friedensevent des Jahres 2014.

Friedensaktivisten aus aller Welt, sowie zahlreiche

internationale Politiker und Friedensnobelpreisträger

werden Teil sein dieses großen Festivals des Friedens,

der kulturellen Vielfalt, der Toleranz und der Solidarität.

Bitte jetzt anmelden und registrieren unter www.peaceeventsarajevo2014.eu

der NATO, ein Gremium, das alsBindeglied zwischen dem Bündnisund den Parlamenten fungiert, ver-abschiedete im Dezember 2000, al-so ein knappes halbes Jahr nachKriegsende, einen Generalberichtüber „Die Folgen des Kosovo-Kon-fliktes und seine Auswirkungen aufKonfliktprävention und Krisenmana-gement". Darin heißt es:

„So nutzte die UCK das Holbroo-ke-Milosevic-Abkommen als Atem-pause, um ihre Kräfte nach denRückschlägen des Sommers zu ver-

stärken und neu zu gruppieren. Dieserbischen Repressionen ließen unterdem Einfluss der Kosovo-Verifikati-onsmission der OSZE (KVM) in derZeit von Oktober bis Dezember 1998nach. Dagegen fehlte es an effekti-ven Strategien zur Eindämmung derUCK, die weiterhin in den USA undWesteuropa – insbesondere Deutsch-land und der Schweiz – Spendensammeln, Rekruten werben undWaffen über die albanische Grenzeschmuggeln konnte. So nahmen dieAngriffe der UCK auf serbische

Sicherheitskräfte und Zivilisten abDezember 1998 stark zu. Der Kon-flikt eskalierte neuerlich, um einehumanitäre Krise zu erzeugen, wel-che die NATO zur Interventionbewegen würde."6

Zwei deutsche Altkanzler kritischzum Kosovo-KriegIm Zusammenhang mit der Krim-Krise beurteilte AltbundeskanzlerGerhard Schröder den Angriff von1999 als Verstoß gegen das Völker-recht: „Da haben wir unsere Flug-

zeuge (...) nach Serbien geschicktund die haben zusammen mit derNato einen souveränen Staat ge-bombt – ohne dass es einen Sicher-heitsratsbeschluss gegeben hätte“(Frankfurter Allgemeine Zeitung,10.3.2014). Sein Vorgänger, Altbun-deskanzler Helmut Schmidt, hieltbereits 1999 die deutsche Kriegsbe-teiligung für nicht zu rechtfertigen:„Gegängelt von den USA haben wirdas internationale Recht und dieCharta der Vereinten Nationen miss-achtet“ (Frankfurter Rundschau,

3./4.4.1999). Gegen keine einzigeverantwortliche Person dieses vonder NATO im März 1999 begonne-nen Krieges wurden bisher Ermitt-lungen eingeleitet.

Clemens Ronnefeldt ist Referent für Frie-densfragen beim deutschen Zweig des Inter-nationalen Versöhnungsbund. Dem 1914 ge-gründeten Internationalen Versöhnungs-bund gehören in rund 40 Staaten der Erdeca. 100000 Mitglieder an. Der Verband hatBeraterstatus bei den Vereinten Nationen.Siehe auch Ronnefeldt im Aachener Frie-densmagazin www.aixpaix.de

Wir widersprechen! Kein Schulterschluss von DGB und Bundeswehr

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10 zeitung

Peter Strutynski

Die Verbreitung der Drohnen-technologie schreitet mitgroßer Geschwindigkeit vor-

an. Drohnen 900 verschiedenerTypen befinden sich bereits in denArsenalen von nahezu 90 Staaten.Die meisten von ihnen sind Überwa-chungsdrohnen. Über Kampfdroh-nen, also bewaffnete unbemannteLuftfahrzeuge, verfügen hingegenbisher nur etwa 20 Staaten, und die-jenigen Staaten, die solche Killer-waffen bereits eingesetzt haben, las-sen sich noch an einer Hand ab-zählen: Es sind die USA, Israel undGroßbritannien. Deutschland istnoch nicht dabei.

Noch vor einem Jahr hat der Plander Bundesregierung, „mit Raketenbestückte Drohnen zu beschaffen,[...] einen Sturm der Empörung ent-fesselt, vom ehrbaren katholischenMilitärbischof bis zu den üblichenAufgeregten im Netz“, wie die Süd-deutsche Zeitung zu berichten wus-ste (11.5.2013). Der Artikel aus derFeder von Joachim Käppner brachgleich auch eine Lanze für Kampf-drohnen, die einzig und allein „dem

Schutz der Soldaten auf dem Ge-fechtsfeld“ dienen würden. Droh-nen-Kritiker wie der schon zitierteMilitärbischof oder die „plakativ“formulierenden Ostermarschiereroder eine „außenpolitisch naive“Vertreterin von Pax Christi wollteneinfach nicht begreifen, dass Kampf-drohnen Waffen wie alle anderenseien. Und: „Soldaten müssen ihreWaffen notfalls einsetzen, und siesollten bessere Waffen haben undnicht schlechtere.“

Die Vorteile für das Militär sind in der Tat enorm. Die neue Krieg-führung im 21. Jahrhundert setzt aufHightech und Kampfroboter. Ober-stes Ziel ist dabei die militärischeKontrolle über geostrategisch wich-tige Weltregionen sowie die Mini-mierung eigener Verluste – etwanach dem Modell NATO-Krieg gegenJugoslawien 1999 oder NATO-Luft-krieg in Libyen 2011: In beiden Krie-gen hatte die NATO keinerlei eigeneOpfer zu verzeichnen. Kampfdroh-nen übernehmen Aufgaben, die vonSoldaten nur ungern erledigt wer-den: wenn sie nämlich schmutzig,langweilig oder besonders gefährlichfür Leib und Leben sind. Im militäri-

schen Jargon sind das die sog. D3-Aufgaben: dirty, dull und dangerous.Und gegenüber bemannten Kampf-jets können Drohnen lange Zeit (24oder mehr Stunden) in der Luft blei-ben und sie müssen bei einem evtl.Verlust nicht in einer möglicherwei-se gefährlichen Rettungsmission ge-borgen werden. Was aus militäri-scher Sicht vorteilhaft erscheint,erweist sich bei kritischer Sicht alsverheerend.

Die Argumente der Ostermar-schierer und anderer Drohnen-Geg-ner sind zahlreich und sollen imFolgenden rekapituliert werden:

Erstens: Der Einsatz von Kampf-drohnen dient ausschließlich der„gezielten Tötung“ von Menscheninnerhalb und außerhalb von Krie-gen. Die USA (in Pakistan und Je-men), Großbritannien (in Afghani-stan) oder Israel (im Gazastreifen)wenden bereits diese Waffe gegen„mutmaßliche Terroristen“ an – miteiner verheerenden Bilanz, was ins-besondere die dabei getöteten Zivil-personen betrifft. Dies haben Unter-suchungen über die Drohneneinsätzein Pakistan und zuletzt ein UN-Be-richt über den israelischen Militär-einsatz in Gaza hinreichend belegt.Eine im Sommer 2013 vorgelegteStudie eines US-Militärberaterskommt zu dem Ergebnis, dass beiDrohnenangriffen in Afghanistanzehn Mal mehr Zivilisten getötetwurden als bei „konventionellen“Luftangriffen. Larry Lewis, der dieStudie für das Center for Naval Ana-lyses, einem dem US-Militär nahestehenden Institut, durchführte, un-tersuchte Luftangriffe in Afghani-stan von Mitte 2010 bis Mitte 2011und konnte sich dabei auf geheimeDaten der Streitkräfte stützen. DieStudie selbst ist unter Verschluss, ihrAutor gab aber der britischen Zei-tung The Guardian (2.7.2013) bereit-willig Auskunft über wichtige Er-gebnisse, auch wenn er keine kon-kreten Daten preisgab. Gründlich wi-derlegt wurde die immer wieder keh-

rende Behauptung – die auch derUS-Präsident Barack Obama vertrat–, Drohnenangriffe seien präziser alsAngriffe von bemannten Kampfflug-zeugen. Das genaue Gegenteil seider Fall. Dies habe damit zu tun,dass Piloten genauere Anweisungenbekämen, wie Zivilpersonen zuschützen seien.

Zweitens: Die ferngesteuerte Tötung„Verdächtiger“ ist nichts anderes alseine Aushebelung der Gewaltentei-lung und eine Aufweichung rechts-staatlicher Grundsätze und Verfah-ren: Politiker, die solche Einsätzeanordnen, sind Ankläger, Ermittler,Richter und Henker in einer Person!Sie bestimmen, wer als Terrorist zugelten hat und interpretieren derenVerfolgung und ggf. physische Be-seitigung als Teil eines von der UN-Charta gedeckten Verteidigungskrie-ges.

Vollends absurd wird die Situati-on dann, wenn Drohnenangriffeunter der Regie der Geheimdienstestattfinden, wie das zum Teil beimUS-Drohnenkrieg der Fall ist.

Drittens: Der Einsatz von Kampf-drohnen senkt die Schwelle fürkünftige Kriege. Der Kampfeinsatzerfolgt aus einer sicheren Entfer-nung (z.B. in einem US-Hauptquar-tier in der Wüste Nevada), die unbe-mannte Drohne tötet in einer Entfer-nung von 6000 oder 8000 Kilome-tern Entfernung vom „Piloten“. DieAngreifer tun dies ohne jedes per-sönliche Risiko – es genügt einKnopfdruck bzw. ein Mausklick amComputer.

Sie könnten auch von deutschemBoden, von Ramstein, Kalkar oderPotsdam aus gelenkt werden. Wenndie Theorie von den asymmetrischenKriegen zutreffend ist, dann hier.

Viertens: In Regionen zu leben, indenen die selbsternannten Anti-Ter-ror-Krieger „Terroristen“ vermuten,bedeutet für die dort lebenden Men-schen eine unerträgliche psychische

Belastung. Die permanente Bedro-hung durch ferngesteuerte Kampf-drohnen verängstigt und terrorisiertdie Bevölkerung, insbesondere Kin-der. Dies hat eine Studie („Livingunder Drones“) von Wissenschaft-lern der Stanford University und derNew York University belegt. Sie hat-ten im Auftrag der britischen Men-schenrechtsorganisation Reprieve dieAuswirkungen von Luftschlägen ge-gen Aufständische im NordwestenPakistans untersucht. Konkreter An-lass war der Tod von 50 Einwohnerneiner Ortschaft bei einer einzigenDrohnen-Attacke im März 2011. Re-prieve-Direktor Clive Stafford Smithschilderte die Situation in der be-troffenen Region: „Der Alltag brichtzusammen: Kinder sind zu veräng-stigt, um zur Schule zu gehen, Er-wachsene meiden aus Angst Hoch-zeiten, Beerdigungen, Geschäftstref-fen und alle Gelegenheiten, bei de-nen sich Menschen in Gruppen zu-sammen finden. Noch immer ist keinEnde in Sicht, nirgends können sichdie gewöhnlichen Männer, Frauenund Kinder in Nordwest-Pakistansicher fühlen.“ Besonders verheerendsei die Praxis der doppelten Angrif-fe. Dabei werden auch die Helfer ge-tötet, die den Verletzten nach einemersten Drohnenangriff zu Hilfe eilen.(Der Tagesspiegel, 25.9.2012) Wegendes weltumspannenden „Kriegesgegen den Terror“ gibt es grundsätz-lich keinen Landstrich auf dieser Er-de, der nicht in das Visier der „Anti-Terror-Krieger“ geraten könnte.

Fünftens: Kampfdrohnen entziehensich bislang bestehenden Rüstungs-kontroll- oder Abrüstungsvereinba-rungen. Die Ausrüstung der Streit-kräfte mit Kampfdrohnen bedeutetzugleich eine neuerliche Anheizungdes Rüstungswettlaufs. Und der istbereits in vollem Gange: Die Volks-republik China ist heute schon diezweitgrößte Drohnenmacht hinterden USA. Ihre Luftwaffe verfügte imJahr 2011 über 280 Kampfdrohnen(Neuen Zürcher Zeitung, 25.11.2013).

Kampfdrohnen für die neuen Kriege

Oben: Air-Base Ramstein, unten: Steuerung von Kampfdrohen

Das Buch zum Thema:Peter Strutynski (Hg.):

TÖTEN PERFERNBEDIENUNG.Kampfdrohnen im weltweiten Schattenkrieg.Promedia-Verlag: Wien2013 · 224 Seiten14,90 Euro(ISBN 978-3-85371-366-2)

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Sabine Lösing

In jüngster Zeit wurde die Forde-rung nach einer europäischen Ar-mee wieder verstärkt von promi-

nenter Seite in die Debatte einge-speist. Zuletzt meldete sich die neuedeutsche VerteidigungsministerinUrsula von der Leyen zu diesemThema zu Wort. In der ARD-„Tages-schau“ wurde das hiermit verbunde-ne Gesamtkalkül folgendermaßenbeschrieben: „Stärkeres internatio-nales Engagement, mehr humanitäreHilfe in Krisenländern - die Bundes-wehr muss sich auf mehr Einsätzeim Ausland einstellen. Ministerinvon der Leyen will den Kurs mili-tärischer Zurückhaltung beenden.Langfristiges Ziel: eine Europa-Ar-mee.“

Eine aktive – „verantwortungsbe-wusste“ – Außenpolitik erforderedemzufolge den häufigeren Einsatzmilitärischer Gewalt. Dafür sei per-spektivisch der Aufbau einer euro-päischen Armee unumgänglich. Ge-gen diese vorherrschende Sichtweiselassen sich aus meiner Sicht minde-stens drei Einwände formulieren.

Erstens stellt sich die Frage, obdie Europäische Union wirklich In-terventionstruppen benötigt, um inKonflikte einzugreifen, für die sie –etwa als Folge ihrer Wirtschaftspoli-

tik oder der Rüstungsexporte – häu-fig eine erhebliche Mitverantwor-tung trägt. Da ersichtlich keineBereitschaft existiert, diese konflikt-verschärfenden Praktiken zu been-den, hat es stark den Anschein, alszielten diese Militäreinsätze erstin-stanzlich darauf ab, bestehende Un-gerechtigkeiten aufrechtzuerhalten –ungerechte Verhältnisse, die dem ge-genwärtigen Weltwirtschaftssystemzugrunde liegen. Als Reparaturbe-trieb für eine verfehlte Außenpolitiksind Militäreinsätze aber ein gänz-lich ungeeignetes Mittel. Jüngst hatder Libyen-Krieg dokumentiert, dassdamit Konflikte nicht „gelöst“ wer-den.

Zweitens soll die gemeinsame Be-schaffung und Nutzung von Mili-tärgerät („Pooling & Sharing“) alswichtiger Zwischenschritt in Rich-tung einer EU-Armee die Kapazitä-ten erhöhen, um künftig „besser“ fürAuslandsinterventionen gerüstet zusein. Es geht also nicht darum, Gel-der einzusparen, um sie etwa in denSozialbereich umleiten zu können,die Devise lautet vielmehr „MoreBang for the Buck!“ („Mehr Waffenfür das Geld“). Dies wird auch vonClaude-France Arnould, der Chefinder EU-Verteidigungsagentur, be-stätigt: „Pooling & Sharing kannkeine Ausrede sein, weniger zu inve-

stieren; vielmehr eröffnet es einenWeg, zusammen über Fähigkeiten zuverfügen, die einzeln unerreichbarwären und bei der Anwendung die-ser Kapazitäten, mehr Effektivität zuerreichen.“ Ob sich die erhofftenEffizienzsteigerungen überhauptrealisieren lassen, ist allerdings an-gesichts der bisherigen Erfahrungenmit europäischen Kooperationspro-jekten eher fraglich. Doch selbstwenn dies der Fall sein sollte, würdeein schlagkräftigerer Militärapparatdazu führen, dass zivile Konfliktlö-sungsstrategien noch mehr an denRand gedrängt würden. Der ohnehinbeobachtbaren Tendenz, militärische„Lösungen“ zu suchen, würde weiterVorschub geleistet. Wer über denHammer verfügt, für den sind be-kanntlich alle Probleme Nägel.

Dies wiegt drittens umso schwe-rer, weil sich die heute bereits fak-tisch kaum existierende demokrati-sche Kontrolle der so genannten„Gemeinsamen Außen- und Sicher-heitspolitik“ (GSVP) durch die Eu-ropäisierung der Militärpolitik nochweiter verschlechtern dürfte. Diesbetrifft vor allem die Aushöhlungnationaler Kontrollbefugnisse – ge-rade mit Blick auf Deutschland wirdetwa verstärkt gefordert, die Nut-zung von „gemeinsamem“ Militär-gerät für Auslandseinsätze dürfe

nicht durch ein ablehnendes Votumdes Bundestages verhindert werden.Deshalb forderten etwa die CDU-Verteidigungsexperten AndreasSchockenhoff und Roderich Kiese-wetter: „Eine wirkungsvolle Gemein-same Auen- und Sicherheitspolitikwird die militärischen Fähigkeitender einzelnen Staaten in so starkemMaße zusammenlegen und untergeteilte Führung stellen, dass esnicht möglich sein wird, nationaleVorbehalte als Einzelmeinungdurchzusetzen. […] Dieser Souverä-nitätsverzicht betrifft gerade denBundestag mit seiner im europäi-schen Vergleich eher starken Mit-spracherolle und müsste sich ineiner Reform des Parlamentsvorbe-halts bei Auslandseinsätzen derBundeswehr niederschlagen.“

Der drohende Abbau national-staatlicher Kontrollbefugnisse sollaber in keiner Weise durch die Auf-wertung des Europäischen Parla-ments aufgefangen werden. GemäßArtikel 36 des EU-Vertrags wird inall diesen Fällen das EP „gehört“und „unterrichtet“. Doch zu ent-scheiden hat es nichts – übrigensebenso wie der EuropäischeGerichtshof (Artikel 275 AEUV).Auch die vor nicht allzu langer Zeitins Leben gerufene „Interparlamen-tarische Versammlung“ ist leider

nicht mehr als ein Feigenblatt. DieGewaltenteilung ist in der Frage derEU-Militärpolitik somit faktisch auf-gehoben – und dies wird auch sobleiben.

Ohnehin ist es irreführend voneiner EU-Armee zu sprechen. Diesewird es realistisch betrachtet wohlniemals geben. Es ist schlicht nichtvorstellbar, dass die Staats- undRegierungschefs der großen Mit-gliedsländer im hochsensiblen Mili-tärbereich umfassend Kompetenzenabtreten werden – im Gegenteil. DasSpiel über die EU-Bande gibt ihnenvielmehr die Möglichkeit, in Militär-fragen möglichst viel „Beinfreiheit“zu erhalten und weitgehend abseitsjeglicher demokratischer Kontroll-mechanismen agieren zu können.

Einen Kuhandel der Marke „tau-sche Demokratie gegen Effizienz“darf es in der entscheidenden Fragevon Krieg und Frieden jedoch nie-mals geben. Auch der Verweis aufvermeintliche Sparzwänge ist abso-lut irreführend. Wer wirklich sparenmöchte, hat eine klare Alternative.Diese lautet: ABRÜSTUNG!

Sabine Lösing ist Mitglied des EuropäischenParlaments (MdEP) und Mitglied der ParteiDIE LINKE.

11gegen den krieg

Irrweg EU-Armee

Die USA haben ca. 350. Und Russ-land setzt künftig ebenfalls aufDrohnen und möchte bis 2020 sie-ben Milliarden Euro in deren Ent-wicklung stecken. Da die großenDrohnen-Hersteller (wie etwa Gene-ral Atomics, USA) über eine gut auf-gestellte Lobby mit Verbindungen inhöchste Regierungskreise verfügen,ist davon auszugehen, dass sich dieRüstungsspirale weiter drehen wird.Denn zum einen wollen immer mehrStaaten in den Besitz dieser Killer-waffen kommen. Zum anderen wirdselbstverständlich an technischenGegenmaßnahmen (Abwehrsysteme,Raketen, neue Ortungsverfahrenusw.) gearbeitet. Schon wird imBlätterwald an der Schreckensvisiongearbeitet, Kampfdrohnen könnten

ja auch in die Hände von „Terrori-sten“ geraten. Das gehört aber eherins Fach „Propaganda“. Denn Droh-nen mit tödlichen Waffen zu be-stücken, ist eine aufwändige techni-sche und finanzielle Operation. Ganzunabhängig davon bleibt aber rich-tig: Solche Waffen gehören in nie-mandes Hand!

Sechstens: Nicht von der Hand zuweisen ist schließlich die Gefahr derweiteren Automatisierung des Krie-ges. Schon heute sind Wissenschaft-ler im Regierungsauftrag damitbeschäftigt, vollautomatische Robo-tersysteme zu entwickeln, die auto-nom, d.h. letztlich unabhängig vonmenschlichen Entscheidungen, ihreZielsuche und das Abfeuern ihrer

tödlichen Fracht erledigen. Andersals Menschen sind Killer-Roboternicht leidensfähig und schreckensomit vor nichts zurück. Eine derartentfesselte Kriegsmaschinerie führtzu noch schrecklicheren Kriegen;denn die Opfer bleiben Menschen.

Obwohl die schwarz-rote Bundes-regierung in ihrem Koalitionsvertragdie Beschaffung von Kampfdrohnennicht ausgeschlossen hat, hielt sichder öffentliche Protest – anders alsbeim Euro-Hawks-Skandal – inGrenzen. Auch das Versprechen derneuen Verteidigungsministerin Ursu-la von der Leyen, künftig stehe beider Bundeswehr der „Mensch imMittelpunkt“ und der müsse mit dembesten Material und den besten Waf-fen ausgerüstet werden, hat die Ge-

müter nicht sonderlich bewegt. Vie-les deutet darauf hin, dass die Bun-desregierung noch in diesem Jahrdie Beschaffung von Drohnen be-schließen will, die nachträglich auchmit Waffen bestückt werden könn-ten. Das könnten die US-amerikani-schen Drohnen „Predator B“ oder„Reaper“ oder die israelische „HeronTP“ sein; letztere wird als Auf-klärungsdrohne bereits in Afghani-stan eingesetzt. Darüber hinaus ar-beitet die Europäische Union an derEntwicklung einer eigenen Kampf-drohne.

Die Anti-Drohnen-Kampagne, diesich in Deutschland vor einem Jahrgegründet hat und sich als Teil einerinternationalen Bewegung versteht,hat also viel zu tun. Ihre Forderun-

gen – zusammengefasst in einemUnterschriften-Appell – richten sichvor allem gegen Herstellung, Weiter-gabe und Gebrauch von Kampfdroh-nen, gegen die Weiterentwicklungder Drohnentechnik hin zur vollau-tomatischen Kriegführung (Roboteri-sierung) sowie gegen die militäri-sche, geheimdienstliche und polizei-liche Verwendung der Drohnen zurmassenhaften Ausspähung der eige-nen oder fremder Bevölkerungen.Die Friedensbewegung sollte sichdiese Forderungen zu Eigen machenund auf breiter Front für den Appellwerben.

Peter Strutynski ist Politikwissenschaftler,Mitglied der AG Friedensforschung, Kassel,www.ag-friedensforschung.de; Sprecher desBundesausschusses Friedensratschlag.

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Christine Hoffmann

Wir lassen die Politik nicht davonkommen mit Korrekturen am Proze-dere und am Zeitpunkt, wann, wer

von welchen geplanten oder genehmigtenKriegswaffenexporten erfährt. BeimRüstungsexport geht es nicht um Zah-len, sondern um Menschen. Um Men-schen, die durch Waffen aus Rüstungs-schmieden in Deutschland, verletzt,getötet oder ihrer Heimat beraubt wer-den. Immer wieder wird da, wo Kon-trahenten über ausreichend Waffenar-senale verfügen, aus Konfliktenbewaffneter Kampf und Krieg. Demtreten wir entgegen, denn Waffenhan-del schafft Flüchtlinge.

Deutschland ruht sich auf der Posi-tion des europäischen Binnenlandesaus und überlässt den weitaus ärmerenLändern an den sogenannten europäi-schen Außengrenzen – siehe Dublin II-Abkommen - die Hilfe für die Flücht-linge, die aus Kriegen in Syrien,Afghanistan und aus Armutsfallen inLändern Afrikas Zuflucht, Arbeit undSicherheit für ihre Familien in Europasuchen. Schlimmer noch: AusDeutschland wird die Technik geliefert,die Grenzzäune zu todbringenden Fol-terinstrumenten macht. Aus Deutsch-

land wird auch die Technik geliefert, die auto-kratischen Regierungen die Überwachung derKommunikation von Freiheitsbewegungen undMenschenrechtsverteidigern im Land erstermöglicht.

Als drittgrößter Waffenlieferant der Welt

fördert die Bundesregierung den internationa-len Waffenhandel. Falsche Politik bleibt falsch,auch wenn sie durch Instrumente wie denInternationalen Waffenhandelsvertrag trans-parenter gemacht wird. Falsche Politik rächtsich früher oder später. Das gilt für die Kunge-

lei mit den früheren Diktatoren Libyens undÄgyptens genauso wie für die seit Jahrenandauernde Aufrüstung Saudi-Arabiens.Kriegswaffen in alle Welt zu liefern und dieBundeswehr mit im eigenen Lande produzier-ten Hightech-Waffensystemen kampfestaug-

lich machen zu können, ist seit derWiederbewaffnung falsche Politik.Das ändern auch die Jahrzehntenicht, die seitdem vergangen sind. Eswird zum himmelschreiendenUnrecht, weil der deutscheRüstungsexport immer mehr Men-schenleben kostet und bedroht.Allein an Kleinwaffen aus Deutsch-land stirbt in der Welt alle 14 Minu-ten ein Mensch.

Darum macht mit bei den vielfäl-tigen Protesten gegen Aufrüstungund Krieg, zum Beispiel bei der Akti-on gegen Rüstungsfinanzierung amMorgen des 22. Mai 2014 vor derFrankfurter Messe. Mehr Informatio-nen und Beteiligungsmöglichkeitenfindet ihr unter www.aufschrei-waffenhandel.de. Gemeinsam wer-den wir die Waffenhändler stoppen.Früher oder später.

Christine Hoffmann ist pax christi-General-sekretärin und Sprecherin der Kampagne„Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhan-del!“

12 zeitung

Grenzen öffnen für Menschen. Grenzen schließen für WaffenAktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel! Das Bündnis gegen Rüstungsexporte arbeitet weiter.

Xanthe Hall

Präsident Obama hat in seiner Berliner Re-de im Juni 2013 deutliche Worte dafürgefunden, wonach sich nukleare Sicher-

heit nicht auf das Thema Diebstahl von Mate-rialien für den Bau von Atomwaffen begrenze,als er sagte: „Solange Atomwaffen existieren,sind wir nicht sicher“. Doch der nukleareSicherheitsgipfel in Den Haag am 24./ 25.März 2014 lenkte von der eigentlichen Aufga-be ab, Atomwaffen weltweit endlich zu besei-tigen. Auch wenn die nukleare Sicherheitwichtig ist: Die humanitären Folgen eines Ein-satzes bleiben aus medizinischer Sicht daszentrale Thema. Zwei Staatskonferenzen zumThema humanitäre Folgen von Atomwaffen inNorwegen 2013 und Mexiko 2014 haben dieseAnsicht bestätigt. Noch in diesem Jahr treffensich wieder Vertreter von Staaten in Wien, umdarüber zu sprechen, wie ein Atomwaffenein-satz und seine katastrophalen Folgen für dieMenschheit verhindert werden können.

Weltweit existieren 17000 Atomwaffen;rund 2000 davon werden ständig in höchsterAlarmstufe gehalten. Das Risiko, das dies fürdie Menschheit darstellt, wird nach wie vorverschwiegen. Es wird immer suggeriert, dassAtomwaffen nur in den Händen von so ge-nannten Schurkenstaaten oder nichtstaatli-chen Akteuren gefährlich sind. Es gab jedoch

in den vergangenen 70 Jahren Tausende vonUnfällen mit Atomwaffen: Atomwaffen gehenverloren, Atomraketen explodieren, Flugzeugemit Atomwaffen stürzen ab und U-Boote mitAtomwaffen an Bord sinken auf den Meeres-grund. Es gab eine Reihe von Fehlalarmsitua-tionen, in denen die Welt bereits am Abgrundstand und das Glück hatte, dass vernünftigeLeute zufällig die richtigen Entscheidungentrafen. Gleichzeitig mehrten sich in letzter ZeitBerichte über Alkohol- und Drogenmiss-brauch, Schummeleien bei Eignungstests undschlechte psychische Zustände bei den US-Soldaten, die die Atomwaffen warten undsicherstellen sollen.

Die USA haben sicherlich die höchstenSicherheitsstandards aller Atomwaffenstaaten,trotzdem kam es dort und in Großbritannienund Frankreich zu äußerst gefährlichen Vor-fällen. Über die Situation in Russland, China,Indien, Pakistan, Israel oder Nordkorea wissendie Experten sehr wenig. Das größte Sicher-heitsproblem besteht heute in der Gefahr, dassseitens staatlicher oder nichtstaatlicher Akteu-re eine oder mehrere Atomwaffen eingesetztwerden, ob absichtlich oder aus Versehen.

Die deutsche Bundesregierung behauptet,das Ziel einer atomwaffenfreien Welt zu ver-folgen. Doch in Wirklichkeit versteckt sie sichhinter ihre NATO-Mitgliedschaft. Seinen an-fänglichen Versuch, bei der NATO den Abzug

der US-Atomwaffen aus Deutschland zu errei-chen, hat der damalige Außenminister GuidoWesterwelle wieder fallen gelassen. Frank-Walter Steinmeier wiederum überlässt die Dis-kussion den Regierungen in den USA und inRussland, die untereinander die Reduzierungvon taktischen Atomwaffen klären sollen. Lei-der sprechen sie kaum noch miteinander undwenn, dann nicht über Abrüstung.

Noch schlimmer: Die US-Atomwaffen inDeutschland sollen unter dem Vorwand vonSicherheit und Zuverlässigkeit erneuert wer-den. Ab 2020 werden neue Atombomben inEuropa stationiert, voraussichtlich in Belgien,Deutschland, Italien, den Niederlande und derTürkei. Somit werden zwar die letzten 20 ver-bliebenden Atombomben – die jetzt in Büchelin der Eifel lagern – abgezogen, aber nur umdurch neuere, präzisere und besser lenkbareAtombomben ersetzt zu werden. Diese stehendann wieder Deutschland im Rahmen der„nuklearen Teilhabe“ der NATO als Ab-schreckungsmittel zur Verfügung. Allerdingsstellt sich die Frage, warum man solche Bom-ben mit soviel Aufwand und Kosten moderni-siert, wenn man sie nie einsetzen will. Alleineder neue Heckteil, der die Bombe lenkbarmacht, verursacht für Entwicklung und Pro-duktion Kosten von über einer Milliarde US-Dollar.

In den Niederlanden läuft schon eine heiße

Debatte zu dem Thema. Im Parlament wurdebereits beschlossen, dass die Ausgaben von 11Milliarden US-Dollar für die neuen Atombom-ben eine Verschwendung für etwas seien, dasohnehin nicht benötigt wird. Daher sollten dieneu gekauften F35-Trägerflugzeuge für dieNiederlande keine Atomwaffen tragen.

In Deutschland vermissen wir diese Debatte.Im Gegenteil, in der Bundestagsdebatte am 3.April haben wir von Dr. Hans-Peter Uhl (CDU/CSU) gehört, dass jetzt, da die Leute in Osteu-ropa wegen der Krim-Krise Schutz bei derNATO suchen, nicht über „einseitige Abrü-stung“ geredet werden dürfe. Man will die Dis-kussion über den Abzug von Atomwaffen unddie NATO-Atomwaffenpolitik verdrängen. EinKonflikt Mitten in Europa zwischen den altenKontrahenten aus dem Kalten Krieg ist meinesErachtens immer noch mit der Gefahr desAtomkriegs verbunden. Aus diesem Grund istdie Ächtung von Atomwaffen weltweit drin-gender denn je. Die Atomwaffen in Europahaben noch nie von einem Konflikt abge-schreckt; im Gegenteil sie bleiben eine Gefahr,weil man auf den „dummen Gedanken“ kom-men könnte, sie tatsächlich einzusetzen. Unddie Hemmschwelle sinkt, wenn man sie durchModernisierung effizienter macht.

Xanthe Hall ist Abrüstungsreferentin der IPPNW (Inter-nationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges) undSprecherin der Kampagne „atomwaffenfrei. Jetzt!“

„Solange Atomwaffen existieren, sind wir nicht sicher“Die in Büchel in der Eifel lagernden Atomwaffen sollen modernisiert werden

Termine der nächsten Monaten:11.-16. Mai – 20. Bundeskongress des DGB –Arbeit. Gerechtigkeit. Solidarität.Zum 20. Parlament der Arbeit kommen 400 Dele-gierte aus den acht Mitgliedsgewerkschaften desDGB zusammen. Dabei wird es auch um die Posi-tion des DGB zur Bundeswehr, deren Politik undderen Kriegseinsätze gehen. (Siehe S. 9) // Info:www.wir-widersprechen.de / www.dgb.de

16.-18. Mai – Konferenz „Wissenschaft zwi-schen Krieg und Frieden“Militarismus und Militarisierung von Wissen-schaft und Forschung damals und heute in Pots-dam // Programm: www.16.mai2014.zeitung-gegen-den-krieg.de/

06.-09. Juni – Peace Event Sarajevo 2014Infos hier in der Zeitung oder unter www.peaceeventsarajevo2014.eu/

24. Juni – Tagung des „Bundesverbandes derDeutschen Sicherheits- und Verteidigungsindu-strie“Der Lobbyverband für Überwachung, Krieg undMilitärgerät soll nicht ohne kritische Aufmerk-samkeit tagen. // Aufruf unter:www.stopptdenwaffenhandel.dfg-vk.de

09.-17. August - Sternfahrt für Frieden undAbrüstung nach BerlinVor 100 Jahren begann der erste, vor 75 Jahren

der Zweite Weltkrieg, daher: mit dem Fahrrad vonBayern, NRW, M-V und überall „Für Frieden,Abrüstung und ein ziviles Europa!“ // Infos: www.sternfahrt2014.dfg-vk.de

09.-16. August – Antiatomcamp 2014Dieses Jahr wollen wir gemeinsam mit euch unse-re Zelte bei Kiel aufschlagen, Stadt der Landesre-gierung und Sitz der sogenannten „Reaktorauf-sicht“. Kiel liegt direkt an der am meisten befahre-nen künstlichen Wasserstraße der Welt – etwawöchentlich fährt auch ein Uranfrachter durchden Nord-Ostsee-Kanal. Um den Zugriff auf Res-sourcen wie Uran, Kohle und Öl wird global Krieggeführt. Rüstungsindustrie und NATO-Marine-stützpunkt bieten auch diesbezüglich zahlreiche

antimilitaristische Interventionsmöglichkeiten inund um Kiel. http://antiatomcamp.nirgendwo.info

17.-24.08.2014 War-Starts-here-CampAuf dem Gefechtsübungszentrum der Bundeswehr(GÜZ) in der Altmark üben Soldaten verschiede-ner Länder den Krieg. Mit Millionenaufwand wirddafür auf dem Gelände sogar eine künstlicheÜbungsstadt gebaut. Auf dem Camp in der Nähedes GÜZ wird es Seminare, Infoveranstaltung undSpaß geben. Aktionstag rund um das Gelände istam 23.08.2014. www.warstartsherecamp.org

Termine der Ostermärsche und anderer Akti-vitäten auch unter www.friedenskooperative.de/termdat.htm