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Premieren haben ihre eigenen Gesetze: sie fal- len aus dem Rahmen, werden besonders be- achtet und besonders gründlich vorbereitet. Der sorgfältigen Vorbereitung steht ein Mangel an Routine gegenüber, so daß nicht jede Pre- miere glänzend ausfällt. In der Regel stellt aber das Neue einer Premiere die spätere Routine in den Schatten. Dies gilt zum Beispiel für das erste Lehrbuch der Dermatohistopathologie, das vor 150 Jahren in Berlin veröffentlicht wur- de und an das wir im Abschnitt „Memories“ erinnern wollen. Eine zweite Premiere betrifft „Pink & Blue“ sel- ber: Wir haben eine neue Rubrik aufgenom- men, das „Bilderbuch der Biopsie“. Mit dieser Ergänzung kommen wir einer Anregung von Lesern und Einsendern nach, die sich Informa- tionen über Biopsietechniken und -indikatio- nen wünschten, zum Beispiel über Vor- und Nachteile der Shave-Biopsie, über Laser-indu- zierte Gewebsartefakte und über die Schnitt- randkontrolle bei malig- nen Tumoren. Obwohl die Hautbiopsie die mit Abstand wichtigste dia- gnostische Maßnahme in der Dermatologie ist, wird sie in Lehrbü- chern nur beiläufig be- handelt, und es fehlen Übersichtsarbeiten, die anhand konkreter Bei- spiele die Grundlagen der Biopsie vermitteln. Die Konsequenzen sind für klinisch tätige Kol- legen, Dermatopatho- logen und Patienten gleichermaßen spürbar, denn eine Biopsie, die Drei Premieren Nr. 5 III 1998 Zeitschrift des Zentrums für Dermatopathologie Freiburg Schriftleitung und redaktionelle Verantwortung: Wolfgang Weyers, Carlos Diaz, Imke Weyers, Susanna Borghi Druck: pronto Freiburg Inhalt: Zu diesem Heft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Was ist das ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bunt gemischt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2 Bilderbuch der Biopsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Der besondere Fall: Livedo durch Calciphylaxie . . . . . . . . . . . . . . . . 6 Memories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Für Sie referiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9 Das ist es ! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Klinische Befunde - histopathologisch erläutert . . . . . . . . . . . . . . . . 12 Dermatologie einmal anders: Exzision des malignen Melanoms . . . . . . . . . . . 13 “Der Duft des Melanoms”: Diagnostischer Alltag von Platone.

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Premieren haben ihre eigenen Gesetze: sie fal-len aus dem Rahmen, werden besonders be-achtet und besonders gründlich vorbereitet.Der sorgfältigen Vorbereitung steht ein Mangelan Routine gegenüber, so daß nicht jede Pre-miere glänzend ausfällt. In der Regel stellt aberdas Neue einer Premiere die spätere Routinein den Schatten. Dies gilt zum Beispiel für daserste Lehrbuch der Dermatohistopathologie,das vor 150 Jahren in Berlin veröffentlicht wur-de und an das wir im Abschnitt „Memories“erinnern wollen.

Eine zweite Premiere betrifft „Pink & Blue“ sel-ber: Wir haben eine neue Rubrik aufgenom-men, das „Bilderbuch der Biopsie“. Mit dieserErgänzung kommen wir einer Anregung vonLesern und Einsendern nach, die sich Informa-tionen über Biopsietechniken und -indikatio-

nen wünschten, zum Beispiel über Vor- undNachteile der Shave-Biopsie, über Laser-indu-

zierte Gewebsartefakteund über die Schnitt-randkontrolle bei malig-nen Tumoren. Obwohldie Hautbiopsie die mitAbstand wichtigste dia-gnostische Maßnahmein der Dermatologieist, wird sie in Lehrbü-chern nur beiläufig be-handelt, und es fehlenÜbersichtsarbeiten, dieanhand konkreter Bei-spiele die Grundlagender Biopsie vermitteln.Die Konsequenzen sindfür klinisch tätige Kol-legen, Dermatopatho-logen und Patientengleichermaßen spürbar,denn eine Biopsie, die

Drei Premieren

Nr. 5III 1998Zeitschrift des Zentrums fürDermatopathologie Freiburg

Schriftleitung und redaktionelle Verantwortung:Wolfgang Weyers, Carlos Diaz,Imke Weyers, Susanna Borghi Druck: pronto Freiburg

Inhalt:

Zu diesem Heft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1Was ist das ? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Bunt gemischt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2Bilderbuch der Biopsie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Der besondere Fall:

Livedo durch Calciphylaxie . . . . . . . . . . . . . . . . 6Memories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7Für Sie referiert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9Das ist es ! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12Klinische Befunde -

histopathologisch erläutert . . . . . . . . . . . . . . . . 12Dermatologie einmal anders:

Exzision des malignen Melanoms . . . . . . . . . . . 13

“Der Duft des Melanoms”: Diagnostischer Alltag von Platone.

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nicht beurteilt werden kann, nutzt keinem. In„Pink & Blue“ wollen wir dazu beitragen, dieLücken in der Darstellung der Hautbiopsie zuschließen.

Die dritte Premiere betrifft unser Zentrum fürDermatopathologie. Wir haben Zuwachs be-kommen, und unser neuen Mitglied heißtPlatone. Wie der Name verrät, ist Platone ge-bürtiger Italiener, seine Vorfahren waren je-doch durchaus gemischt. Dementsprechendversteht Platone eine Vielzahl von Sprachengleich gut. Er gilt als Denker, dem es gelingt,fast jeden Knochen, an dem er nagt, zuknacken. Platone ist jedoch nicht nur Philo-soph, der den Problemen des Lebens mit stoi-scher Gelassenheit begegnet – er hat auch dia-gnostische Fähigkeiten, die wir uns für unsereArbeit am Mikroskop zunutze machen: Plato-ne erschnüffelt Diagnosen! Die Präzision sei-nes Urteils ist erstaunlich: zum Beispiel hat erbei der Differenzierung zwischen MorbusBowen und Carcinoma in situ noch niemalsfalsch gelegen! Das gleiche gilt für die Unter-scheidung von seborrhoischen Keratosen undBasalzellpapillomen. Platones Spezialgebietsind allerdings Verknöcherungen, und wir sindsicher, daß er auf diesem Gebiet zu einer ech-ten Autorität werden wird!

Bunt gemischt

Zu den Höhepunkten im Leben der deutschenDermatologie zählt seit Jahrzehnten die Mün-chener Fortbildungswoche. Ihren hohen An-spruch und die große Akzeptanz verdankt dieVeranstaltung ihrer praktischen Ausrichtung:anstelle von inhaltsleeren Kurzvorträgen, diemehr der Selbstdarstellung des Referenten alsder Belehrung des Publikums dienen, werdenSchwerpunkte gesetzt und ausführlich bespro-chen mit dem Ziel, dem Hautarzt bei seinertäglichen Tätigkeit weiterzuhelfen. Nicht im-mer wird dieses Ziel erreicht, aber in der Regelist für jeden Teilnehmer etwas dabei, was fürihn neu und praktisch wichtig ist.

Auch bei der letzten Fortbildungswoche vom26. bis zum 31. Juli war dies der Fall. Mehr als1300 Teilnehmer – zu etwa gleichen Teilen ausKlinik und Praxis – trafen sich im MünchenerSheraton-Hotel zu Plenarveranstaltungen, 132

Was ist das?

Nachdem die erste Auflage der Geschichte der Dermatologieim Nationalsozialismus rasch vergriffen war, liegt das Buchnun im zweiten Druck vor. „Death of Medicine in NaziGermany” ist bei Madison Books in den USA erschienen undkostet 18.95$ (Paperback, ISBN 1-56833-122-3) bzw. 49,95$(Hardcover, ISBN 1-56833-121-5).

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Kursen und 24 Mittagsseminaren. In denHauptvorträgen ging es unter anderem umneue Aspekte in der Anwendung von Me-dikamenten wie Cyclosporin und Methotrexat,um Behandlungsstrategien bei Pannikulitiden,um die Frage, wann bei allergischer Rhinokon-junktivitis symptomatisch therapiert und wannhyposensibilisiert werden sollte, um Indikationund Durchführung der Thromboseprophylaxeund um häufige Fehler in der Phototherapie.

Neu im Programm der Fortbildungswoche warein mehrtätiger Histologie-Kurs, an dem ne-ben elf anderen Seminarleitern auch WolfgangWeyers vom Zentrum für DermatopathologieFreiburg beteiligt war. In halbstündigem Rhyth-mus wurden 36 Teilnehmer am Diskus-sionsmikroskop in die Grundlagen der derma-tohistopathologischen Diagnostik eingeführt.Das Spektrum der Themen umfaßte melanozy-täre, epitheliale und mesenchymale Tumorenebenso wie besondere Erscheinungsformenentzündlicher Dermatosen, zum Beispiel diepsoriasiforme Dermatitis und die Interface-Dermatitis. Besser als jede Plenarverstaltungdies könnte, vermittelte die intensive Einfüh-rung am Mikroskop Grundkenntnisse in derDermatohistopathologie, die für die praktischeklinische Tätigkeit – von der Durchführungvon Biopsien bis hin zur Interpretation vonBefunden – unverzichtbar sind.

Im Rahmen der Münchener Fortbildungs-woche wurde am 26. Juli die Deutsche Der-matologische Akademie gegründet, die pari-tätisch von der Deutschen DermatologischenGesellschaft und dem Berufsverband derDeutschen Dermatologen ge-führt wird und Fortbildungs-aktivitäten auf dem Gebietder Dermatologie koordinie-ren soll. Darüberhinaus sol-len die Fortbildungsveran-staltungen der DeutschenDermatologischen Akademiemit Punkten bewertet wer-den, so daß deren Besuch alsQualitätssicherungsmaßnah-me nachgewiesen werdenkann, wie dies in den USAschon lange üblich ist.

Apropos USA: WolfgangWeyers wurde Ende Septem-ber nach New York gebeten,wo er am Mount SinaiHospital in einem etwa ein-stündigen Vortrag auf dieGeschichte der Dermatolo-gie im Nationalsozialismus

einging, die auch für die amerikanischeDermatologie erhebliche Konsequenzen hatte.Von New York aus ging es nach Nevada, wo erin Reno auf dem 7. Jahreskongreß derAmerican Society of Dermatology zum glei-chen Thema sprach. Im Rahmen des Kongres-ses in Reno wurden darüberhinaus mehrfachaktuelle Probleme der amerikanischen Derma-tologie angesprochen. So berichtete der frühe-re Präsident der American Academy of Derma-tology und Leiter der Hautklinik an der Uni-versity of California in San Francisco, RichardOdom, daß nach dem Zusammenschluß sei-ner Universität mit der Stanford Universityallen über 55jährigen die vorzeitige Pensio-nierung nahegelegt worden sei, was viel überdas Interesse der kommerziell betriebenen Kli-niken an der Qualität der medizinischen Ver-sorgung aussage. John Marascaldo, ein nieder-gelassener Dermatologe aus Mississippi, erzäh-lte, er habe bei einem Patienten ein Karzinomentdeckt und entfernt. Die Bezahlung des Ein-griffs sei trotz histopathologischer Bestätigungder Diagnose von der Krankenkasse verwehrtworden, da der Patient nicht wegen des Karzi-noms in die Praxis gekommen sei. Bei einemanderen Patienten habe er eine solare Keratoseam rechten Handrücken entfernt und dies soim Krankenblatt notiert. Wiederum wurde dieBezahlung verweigert, diesmal mit der Be-gründung, die Lokalisationsangabe sei zu un-genau. Der alten Erfahrung gemäß, daß ameri-kanische Entwicklungen den deutschen oft nurum wenige Jahre vorausgehen, muß man sichauf gleichartige Argumente vonseiten deut-scher Krankenkassen vorbereiten.

Fröhliche Tafelrunde: Treffen des Zentrums für Dermatopathologie am Lago Maggiore – v.r.n.l.: ImkeWeyers, Carlos Diaz, Christa Kühnl-Petzoldt, Bernard Ackerman, Wolfgang Weyersund ganz links außen die aparte Hand von Susanna Borghi.

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Ein weiteres Thema, das unter amerikanischenDermatologen derzeit diskutiert wird, sindmedizinische Experimente an behindertenKindern und Gefängnisinsassen, die über vie-le Jahre hinweg durch Albert Kligman von derUniversity of Pennsylvania in Philadelphiadurchgeführt wurden. Kligman, der durch Auf-tragsstudien für die Industrie zu Reichtum unddurch die Einführung von Tretinoin zu Ruhmgelangte, infizierte zum Beispiel behinderteKinder durch Einreiben von Pilzmaterial in dieKopfhaut, um anschließend die Wirksamkeitvon Antimykotica testen zu können, und be-gründete sein Vorgehen gegenüber Medizin-studenten mit den Worten: „Diese Kinder seh-nen sich so nach Aufmerksamkeit – wenn manihnen mit dem Hammer auf den Kopf hauenwürde, würden sie einen noch dafür lieben.“

Für die amerikanischeArmee führte Kligmanunter anderem Haut-testungen mit toxi-schen Substanzen undStudien mit Halluzi-nogenen wie LSDdurch. Bei Testungenvon Schädlingsbekäm-pfungsmitteln wandteer so hohe Dosen an,daß ihm zum Teil von-seiten der chemischenIndustrie Aufträgewieder entzogen wur-den; zum Beispielüberschritt er bei kuta-nen Dioxin-Tests anStrafgefangenen dievon Tierversuchen ab-geleitete Testkonzen-tration fast um das500fache. Albert Klig-man sah in den Ge-fangenen nach eige-nem Bekunden nur„Acres of Skin“, diedarauf warteten,bestellt zu werden.„Acres of Skin“ istauch der Titel einessoeben erschienenenBuches von Allen M.Hornblum, das Klig-mans Experimente anKindern und Gefange-nen zum Gegenstandhat (Routledge Verlag,New York, London,ISBN 0-415-91990-8).

Ganz andere Experimente wurden am zweitenWochenende im Oktober in Norditalien durch-geführt. Ein Treffen des Zentrums für Dermato-pathologie Freiburg am Lago Maggiore war An-laß, umfangreiche Untersuchungen zur Qualitätvon Pasta und Getränken anzustellen. Gele-gentliche Nebenwirkungen wurden im Interesseder Wissenschaft in Kauf genommen. Nach Ab-schluß dieser Studien wurde auch an anderenProjekten gearbeitet, zum Beispiel am Pro-gramm für das 20. Kolloquium der InternationalSociety of Dermatopathology im September1999 in Prag und an einem Vortrag über PaulGerson Unna, den A. Bernard Ackerman EndeJanuar in Hamburg halten wird. Auf all diesenGebieten wurden Fortschritte erzielt, am ein-drucksvollsten waren jedoch die Erfolge auf demGebiete der Gastronomie! 4

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Stratum reticulare dem neu einsprossendenBindegewebe als Matrix dienen und erhalteneAdnexstrukturen zur Reepithelisierung beitra-gen. Von ihren obersten Anteilen abgesehen,sind Hautanhangsgebilde bei superfiziellenBasalzell-Karzinomen fast immer tumorfrei (imUnterschied zu initialen Plattenepithelkarzi-nomen und Melanomen). Eine Randbildungzur Tiefe wird schon durch die Unterspritzungdes Tumors mit Lokalanästhetica verhindert.Wenn die dadurch entstehende Quaddel flachan der Basis abgetragen wird, ist eine ausrei-chende Exzision zur Tiefe in der Regel ge-währleistet. Eine Randbildung zu den Seitenist dagegen nicht selten, da die horizontaleAusdehnung des superfiziellen Basalzell-Kar-zinoms klinisch oft unterschätzt wird. Geradein dieser Hinsicht bietet aber die Shave-Exzision Vorteile, da der seitliche Exzisions-abstand leichter vergrößert werden kann, alsdies bei spindeligen Exzisionen bis ins Fett-gewebe der Fall ist. Und auch bei Shave-Exzi-sionen läßt sich die Vollständigkeit der Tumor-entfernung durch histopathologische Schnitt-rand-Kontrolle sichern.

Exzision eines superfiziellen Basalzell-Karzinoms: für den nur0,5 mm in die Tiefe reichenden Tumor wurde fast das40fache (knapp 2 cm) an gesunder Haut geopfert.

Trotz der Größe der Exzision reichen Anteile des Tumors anden lateralen Schnittrand (Pfeil): die vertikale Ausdehnung derExzision war zu groß, die horizontale zu klein!

Bilderbuch der Biopsie

Der Ärger über zu kleine Biopsien gehört zumAlltag des Dermatopathologen. Ein paar Prä-parate sind fast immer dabei, die zu klein sind,um eine verläßliche Diagnose zu gestatten.Aber auch zu große Biopsien können ärgerlichsein, z.B. wenn zur Entfernung flacher epithe-lialer Tumoren ausgedehnte Exzisionen erfol-gen. Am häufigsten ist dies bei superfiziellenBasalzell-Karzinomen der Fall, deren horizon-taler Durchmesser oft sehr groß ist, währenddie Tiefenausdehnung nur Bruchteile vonMillimetern beträgt. Bei der Entfernung solcherBasalzell-Karzinome durch Spindel-Exzisio-nen wird ein Vielfaches des Tumorvolumensan gesunder Haut geopfert und entsprechendgroße Narben sind die Folge.

Um ein günstigeres Verhältnis von erkrankterzu nicht erkrankter Haut zu erzielen, bietetsich bei superfiziellen Basalzell-Karzinomenals Alternative die Shave-Exzision an, die beigroßen Tumoren mit dem Skalpell, bei kleine-ren mit der scharfen Ringkürette erfolgenkann. Die Narbenbildung ist dabei sehr vielgünstiger, da erhalten gebliebene Anteile des

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Der besondere FallLivedo durch Calciphylaxievorgestellt von Petra Pingel-Döring (Lollar) und Imke Weyers(Freiburg)

Eine 59jährige Patientin stellte sich wegen seitacht Wochen bestehender Rötungen am rech-ten Unterschenkel vor, die mit Überwärmungund Schmerzen einhergingen. Anamnestischgab die Patientin an, vor 26 Jahren postpartaleine rechtsseitige Beinvenenthrombose ent-wickelt zu haben, ferne bestehe seit 4 Jahreneine dialysepflichtige Niereninsuffizienz. Dieklinische Untersuchung ergab am rechten Un-terschenkel in einem umschriebenen, imDurchmesser etwa 20 cm großen Areal unre-gelmäßig begrenzte, blaß- bis tiefrote Ery-theme. Daneben fanden sich fokal weißlicheMaculae, vereinzelt Petechien sowie verkru-stete Ulcera und kleine atrophische Narben.Diese Befundkonstellation war charakteri-stisch für die „Livedo-Vasculitis“, bei der dieerythematösen Bereiche Folge einer Hyper-ämie im Randbereich minder durchbluteterBezirke sind und die weißlichen Verfärbungenund Ulzera Folge von Gefäßverschlüssen.

Die Laboruntersuchungen ergaben Zeichender Niereninsuffizienz mit sekundärem Hyper-parathyreoidismus (Kreatinin 6,5 mg/dl, Ca 2,8mmol/l, Phosphat 2,3 mmol/l, Parathormon1268 pmol/l). Ferner wurden Entzündungs-zeichen (BSG 17/38, CRP 18,9 mg/l), antinu-kleäre Antikörper (ANA 1:80, anti-SSA pos.)und ein reduzierter Protein-C-Spiegel festge-stellt. Histopathologisch fanden sich Throm-ben in Gefäßen des superfiziellen und tiefenPlexus sowie intravaskuläre Verkalkungen.

Für akut auftretende Kalkablagerungen im Ge-webe wurde 1962 von Selye der etwas un-glückliche Begriff „Calciphylaxis“ geprägt, der– analog dem Begriff „Anaphylaxie“ – eineSensibilisierung des Gewebes gegenüber Kalk-niederschlägen andeuten sollte. Mit einer Aller-gie hat diese „Sensibilisierung“ jedoch nichtszu tun, und die „sensibilisierenden“ Substan-zen sind keine Allergene, sondern Regulatorendes Calciumphosphat-Stoffwechsels, insbe-sondere das Parathormon. Die häufigste Ur-sache der Calciphylaxie ist ein sekundärer Hy-perparathyreoidismus bei chronischer Nieren-insuffizienz. Wenn die Niere nicht mehr aus-reichend Vitamin-D produziert (fehlende Um-wandlung von 25-Cholecalciferol in 1,25-Di-hydrocholecalciferol), die enterale Calciumre-sorption sinkt und der Serumspiegel von Cal-cium abzufallen droht, wird von der Neben-

Bizarr konfigurierte und unscharf begrenzte Erytheme amrechten Unterschenkel (Pfeile). Der linke Unterschenkel isterscheinungsfrei.

An der Innenseite des rechten Unterschenkels sieht manneben blassen, unregelmäßig begrenzten Erythemen (Pfeile)flache, verkrustete Ulcera und kleine atrophische Narben.

Zahlreiche Blutgefäße waren durch Kalkablagerungen voll-ständig verschlossen (großer Pfeil). Am linken Bildrand erneutthrombosierte Venolen (kleiner Pfeil).

Multiple Thromben in dermalen Venolen (kleine Pfeile). DieAnämie führte im betroffenen Bereich zu einer Nekrose derEpidermis und ihrer Ablösung von der Dermis (großer Pfeil).

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schilddrüse vermehrt Parathormon gebildet,das u.a. Calcium aus dem Knochen mobili-siert. Ferner geht die Niereninsuffizienz mit ei-ner reduzierten renalen Phosphatausschei-dung und einer Hyperphosphatämie einher. Jehöher der Parathormonspiegel und das Calci-umphosphat-Produkt, desto eher kommt es zuKalkablagerungen in Hautgefäßen und damitzum klinischen Bild der Livedo-Vasculitis.

Der gemeinsame Nenner jeder Livedo-Vascu-litis sind Gefäßverschlüsse, die durch die un-terschiedlichsten Faktoren bedingt sein kön-nen. Im Unterschied zu früheren Annahmenliegt eine echte Vasculitis nur selten vor; sehrviel häufiger sind Gerinnungsstörungen. Diehier geschilderte Patientin wies einen redu-zierten Protein-C-Spiegel auf, der gut zurAnamnese einer Beinvenenthrombose paßte.Ein Protein-C-Mangel wurde bei der Calci-phylaxie schon mehrfach beschrieben. Dieeinseitige Lokalisation der Hautveränderungenließ sich durch die zurückliegende Beinvenen-thrombose erklären. Eine Strömungsverlangsa-mung im vorgeschädigten Bein und der Pro-tein-C-Mangel dürften sowohl zu den Kalkab-lagerungen als auch zur Thrombosierung der-maler Venolen beigetragen haben. Thrombenund intravaskuläre Verkalkungen haben sich

dann wahrscheinlich gegenseitig verstärkt undgemeinsam das klinische Bild der Livedo-Vasculitis verursacht.

Über eine Livedo auf dem Boden intravasculä-rer Kalkablagerungen bei Patienten mit Nie-reninsuffizienz und sekundärem Hyperpara-thyreoidismus wurde in den letzten Jahrenmehrfach berichtet. Die frühzeitige Erkennungund histopathologische Sicherung dieser Kom-plikation ist wichtig, da innerhalb kurzer Zeitausgedehnte, schmerzhafte Ulzerationen ent-stehen können. Gefährdet sind vor allemFrauen nach mehrjähriger Hämodialyse. The-rapie der Wahl ist die Parathyreoidektomie, diein der Regel zu einer prompten Besserung derHautveränderungen führt.

Literatur:Hafner J, Keusch G, Wahl C et al. Uremic small-artery disea-se with medial calcification and intimal hyperplasia (so-called calciphylaxis): A complication of chronic renal failureand benefit from parathyroidektomy. J Am Acad Dermatol1995; 33: 954-962.Dereure O, Leray H, Barneon G et al. Extensive necrotizinglivedo reticularis in a patient with chronic renal failure,hyperparathyroidism and coagulation disorder: regressionafter subtotal parathyroidectomy. Dermatology 1996; 192:167-170.Angelis M, Wong LL, Myers SA, Wong LM. Calciphylaxis inpatients on hemodialysis: a prevalence study. Surgery 1997;122: 1083-1089.

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MemoriesDie Hautkrankheiten durch anatomische Untersuchungen erläutert – 150 Jahre

„Tief ist der Brunnen der Vergangenheit. Sollteman ihn nicht unergründlich nennen?“ Diesfragt Thomas Mann in seinem Roman „Josephund seine Brüder“ und erläutert, „daß, je tieferman schürft, je weiter hinab in die Urwelt desVergangenen man dringt und tastet, die An-fangsgründe… sich als gänzlich unerlotbar er-weisen und vor unserem Senkblei, zu welcherabenteurlichen Zeitenlänge wir seine Schnurauch abspulen, immer wieder und weiter insBodenlose zurückweichen.“ Die Vergangen-heit bietet „Scheinhalte und Wegesziele, hin-ter denen, wenn sie erreicht sind, neue Ver-gangenheitsstrecken sich auftun,“ aber keinenfesten Grund, keinen Ausgangspunkt.

Wie mit der Vergangenheit im allgemeinen, soverhält es sich mit der Vergangenheit der Der-matohistopathologie im besonderen. Auch beiihr fällt das Senkblei immer tiefer, über Unna,Virchow und Müller hinaus bis ins 18., ins 17.Jahrhundert. Was war der Ausgangspunkt der

Dermatohistopathologie? Die anatomischenStudien des Marcello Malpighi? Die makro-skopischen Untersuchungen von Querschnit-ten der Haut durch Jean Astruc und PierreRayer? Die Einführung des Begriffes „Dermato-pathologie“ durch Seguin Henry Jackson?

Wenn überhaupt von einem Ausgangspunktder Dermatohistopathologie gesprochen wer-den kann, wenn unter all den Scheinhalten,die unser Senkblei erreicht, sich einer als halb-wegs tragfähig erweist, dann gilt dies für daserste Lehrbuch des Fachgebietes, das im Jahre1848 unter dem Titel „Die Hautkrankheitendurch anatomische Untersuchungen erläutert“veröffentlicht wurde. Sein Autor war GustavSimon, praktizierender Arzt und Privatdozentan der Berliner Universität. Am 2. November1810 in Berlin geboren, hatte Simon in Berlinund Bonn Medizin studiert. In Bonn hatte ererstmals Kontakt mit Johannes Müller, der dortPhysiologie und vergleichende Anatomie lehr-

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fast alle Krankheiten der Haut auf dem Bodenihrer mikroskopischen Veränderungen ver-ständlich zu machen. Simon wollte „ermitteln,welche Bestandtheile des so zusammengesetz-ten Hautorgans bei den einzelnen Krankheitendesselben sich verändert zeigen und welcherArt diese Veränderungen sind,“ nicht zuletztmit dem Ziel, „nachzuweisen, daß viele dervon den Schriftstellern aufgestellten Arten undUnterarten unnützer Weise als besondere un-

terschieden und miteigenem Namen be-legt werden.“ DieDarstellung der mi-kroskopischen Ana-tomie sollte dem Stu-dierenden den Zu-gang zu den Haut-krankheiten ebnen.

Diese Zielsetzungmachte eine engeKorrelation von klini-schen und histopa-thologischen Befun-den erforderlich. Si-mon schickte daher„der Beschreibungder feineren Structur-veränderungen einekurze Schilderungdessen, was man mitbloßem Auge beiden einzelnen Haut-leiden wahrnimmt,voraus,“ eine Metho-de, die in den Lehr-büchern der Derma-topathologie bis heu-te beibehalten wur-de. Eine weitere Me-thode, die sich bisheute erhalten hat,

war die einleitende „Beschreibung der gesun-den Haut“, die die Voraussetzungen für dasVerständnis pathologischer Veränderungenschaffen sollte.

Wie jeder Neubeginn steckte auch das ersteLehrbuch der Dermatopathologie voller Feh-ler. Da in der Zeit vor Einführung von Lokal-anästhetica Biopsien nur selten durchgeführtwurden und die meisten Krankheiten nur aus-nahmsweise untersucht werden konnten,waren Simons Erfahrungen begrenzt und seineErklärungsversuche oft spekulativ. So führte erSchwielen auf eine druckbedingte „Aus-schwitzung von Blutflüssigkeit“ zurück undglaubte, „indem dies überschüssige Material

te. Nach seiner Approbation ließ sich Simon inBerlin nieder, blieb aber wissenschaftlich aktiv,vor allem im Hinblick auf mikroskopischeStudien von Hautpräparaten, die er in MüllersArchiv für Anatomie und Physiologie veröf-fentlichte. Zu seinen wichtigsten Beiträgenzählten eine Untersuchung über die Histo-pathologie von Kondylomen (1839) und eineStudie über die Akne (1842), in der Simon alserster Demodex folliculorum beschrieb.

Mit der Unterstüt-zung Johannes Mül-lers, der inzwischenden Lehrstuhl fürAnatomie an derFriedrich-Wilhelm-Universität in Berlininnehatte, wurde Si-mon 1844 habilitiertund übernahm ander Charité eine Ab-teilung für Syphilis,die später durch eineeigenständige der-matologische Abtei-lung ergänzt wurde.Der Einfluß Müllersund seiner vielenSchüler, die die Zell-Lehre und die Zellu-larpathologie etab-lierten – darunterTheodor Schwann,Jacob Henle, RobertRemak und RudolfVirchow – prägte daswissenschaft l icheLeben Berlins, undso war es kein Wun-der, daß sich die Ber-liner Dermatologen –im Unterschied zuFerdinand Hebra in Wien – intensiv mit derMikroskopie der Haut beschäftigten. Im Jahre1848 wurden die ersten beiden Bücher zu die-sem Thema von zwei Berlinern veröffentlicht:„Beiträge zur Anatomie und Pathologie dermenschlichen Haut“ von Felix von Bären-sprung und „Die Hautkrankheiten durch ana-tomische Untersuchungen erläutert“ vonGustav Simon.

Schon diesen beiden Titeln ist zu entnehmen,daß von Bärensprungs Buch kaum mehr warals eine ungeordnete Sammlung von „Beiträ-gen“ zu wenigen Themen, wie Callus, Verruca,Kondylom und Komedo, während GustavSimon Neuland betrat, indem er versuchte,

Titelblatt des ersten Lehrbuchs der Dermatohistopathologie –publiziert im Jahre 1848 von Gustav Simon.

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dann wohl zur Bildung von Epidermiszellenverwendet wird, häufen sich letztere in abnor-mer Menge an und bedingen die beschriebeneHypertrophie der Lederhaut.“ Die Ursache derSchuppenbildung bei der Psoriasis sah erdarin, daß „die eben gebildete Epidermis ver-muthlich fortdauernd durch unter ihr sichanhäufende Exsudate wieder von der Leder-haut getrennt wird.“ Und von den Röteln be-hauptete er, sie seien „ohne Frage eine modifi-cirte Form von Scharlach,“ die nur „durch dengeringen Umfang der Flecken“ vom gewöhnli-chen Bild abweiche, weshalb es unnütz sei,„diese Modification noch ferner unter einembesonderen Namen aufzuführen.“

Alle diese Fehleinschätzungen können jedochSimons Verdienst um die Entwicklung der Der-matohistopathologie nicht schmälern. SeinBuch, das vor 150 Jahren erschien, war einegelungene Premiere, und sicher hätte Simonselbst noch einiges daran verbessert, hätte erdazu Gelegenheit gehabt. Ihm blieb jedochwenig Zeit. Schon bald nach Erscheinen derzweiten Auflage seines Buches im Jahre 1851stellten sich Zeichen der Neurosyphilis ein.Rasch zunehmende Persönlichkeitsverände-rungen machten die Einweisung in eineHeilanstalt erforderlich, in der er die letztenJahre seines Lebens verbrachte. Gustav Simonstarb im Alter von 46 Jahren am 11. Mai 1857.

Für Sie referiert

Die „lymphocytic infiltration Jessner-Kanof“ istkeine spezifische Hautkrankheit, sondern eineVariante des diskoiden Lupus erythematosus.Dies war das Ergebnis einer gemeinsamenStudie des Zentrums für DermatopathologieFreiburg und des Zentrums für Dermatologieund Andrologie der Universität Gießen. Defi-nitionsgemäß soll sich die lymphocytic infil-tration vom diskoiden Lupus erythematosusdurch das Fehlen epidermaler Veränderungenunterscheiden. In den vergangenen Jahr-zehnten wurden weitere Unterschiede postu-liert, zum Beispiel hinsichtlich der Infiltrat-zusammensetzung und der Ablagerung vonImmunglobulinen. Eine Untersuchung an 72Patienten ergab nun, daß Fälle von gesicher-tem Lupus erythematosus ohne Epidermis-beteiligung (Lupus erythematosus tumidus)nicht von der lymphocytic infiltration abzu-grenzen sind, weder in bezug auf klinischesund histopathologisches Bild noch in bezugauf Infiltratzusammensetzung und Verlauf. Beizwei Patienten, die das klassische Bild der„lymphocytic infiltration“ aufwiesen und keinesonstigen Anhaltspunkte für einen LE erkennenließen, wurden im weiteren Verlauf typischeHerde eines diskoiden LE mit Epidermis-beteiligung festgestellt. Bei Fehlen einer epi-dermalen Beteiligung heilten die Hautverän-derungen unter Therapie mit Corticosteroidenoder Hydroxychloroquin spurlos ab, währendbei Patienten mit Epidermisbeteiligung Rest-veränderungen (wie Atrophie oder Pigment-

verschiebungen) zurückblieben. Rezidive wa-ren bei beiden Verlaufsformen häufig. Vor demHintergrund dieser Daten erscheint dieDiagnose „lymphocytic infiltration“ nichtmehr gerechtfertigt (Weyers et al.: Am JDermatopathol 1998; 20: 225-232).

Die häufig geäußerte Ansicht, die zirkumskrip-te und die systemische Sklerodermie seienhistopathologisch nicht zu unterscheiden,wurde an der Universität von Puerto Ricoüberprüft. Obwohl beide Erkrankungen nichtin jedem Fall voneinander abgegrenzt werdenkonnten, wurden signifikante histopathologi-sche Unterschiede zwischen systemischerSklerodermie und Morphea festgestellt. Dasentzündliche Infiltrat war bei der systemischenSklerodermie in der Regel geringer ausgeprägtals bei der Morphea, und die Sklerose er-streckte sich im Unterschied zur Morphea nurselten auf das obere Stratum reticulare und nieauf das Stratum papillare. Diese Unterschiedesind nicht nur differentialdiagnostisch wichtig,sondern sprechen auch für eine grundsätzlicheTrennung dieser beiden klinisch völlig unter-schiedlichen Krankheiten (Torres, Sanchez:Am J Dermatopathol 1998; 20: 242-245).

Der Morbus Pfeifer-Weber-Christian ist keineeigenständige Erkrankung, sondern eineVermischung von Symptomen unterschiedli-cher Fettgewebsentzündungen. In einer Stu-die aus Rochester, in der 30 Fälle nachunter-sucht wurden, die ursprünglich als MorbusPfeifer-Weber-Christian diagnostiziert wordenwaren, gelang es, die für dieses Krankheitsbildbeschriebene Symptomenkombination vonrezidivierenden nodulären Pannikulitiden, Fie-

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Fehlens bzw. der geringen Zahl neoplastischerZellen vor allem bei kleinen Biopsien dieDiagnose erheblich erschwert ist. Die Sklero-sierung und die damit verbundene Abnahmevon Tumorzellen wurden als Regressionsphä-nomen interpretiert (Diaz et al.: J Cutan Pathol1998; 25: 440-444). Als weitere Variante desDermatofibrosarcoma protuberans wurde vomZentrum für Dermatopathologie Freiburg dasDeep Dermatofibrosarcoma protuberans be-schrieben, bei dem die Tumorzellen auf dieSubkutis begrenzt sind. Auch dieses erstmalsbeschriebene Phänomen ist wichtig für diehistopathologische Differentialdiagnose (Diazet al.: Histopathology 1998; 32: 552-555).

Als diagnostisches Problem kann sich sowohlklinisch als auch histopathologisch das primärkutane CD30-positive großzellig-anaplatischeNon-Hodgkin-Lymphom erweisen. Klinischdeshalb, weil es sich häufig als isolierter, ero-dierter, exophytischer Knoten präsentiert, dermit einem Granuloma pyogenicum oder einemamelanotischen nodulären Melanom verwech-selt werden kann. Histopathologisch deshalb,weil anstelle neoplastischer Lymphozyten nichtselten ein entzündliches Begleitinfiltrat mitNeutro- und Eosinophilie im Vordergrund stehtund die dermalen Zellverbände eine pseudo-karzinomatöse Epithelhyperplasie induzierenkönnen. Ein solcher Fall wurde vom Zentrumfür Dermatopathologie Freiburg exemplarischvorgestellt. Die korrekte Einordnung ist auchdeshalb wichtig, weil die Prognose günstig ist:nach Vollremission, etwa durch kombiniertechirurgische und radiologische Therapie, blei-ben drei Viertel der Patienten rezidivfrei (Diaz etal.: Z Hautkr 1998; 73:614-618).

ber, Lipoatrophie und Lipophagie auf andere,spezifische Erkrankungen zurückzuführen. Zudiesen zählten vor allem Fälle von Erythemanodosum, postphlebitischer Pannikulitis undartefizieller Pannikulitis. Da es heute in derRegel möglich ist, spezifische Diagnosen zustellen, sollte der Begriff „Morbus Pfeifer-Weber-Christian“ nach Ansicht der Autorennicht mehr verwendet werden (White, Winkel-mann: J Am Acad Dermatol 1998; 39: 56-62).

Wer auf experimentelle Daten warten wollte –jetzt sind sie da! Die alte Erfahrung, daß Injek-tionen von Lokalanästhetica als wenigerschmerzhaft empfunden werden, wenn manzuvor an der Injektionsstelle eine Hautfalteaufwirft und mit den Fingern mehrfach drückt,wurde an der Universität von St. Louis bestä-tigt. Auf einer Analogskala mußten über 100Patienten den Grad ihrer Mißempfindung beider Injektion von Lokalanästhetica angeben;der Vergleich von Lokalanästhetica-Injek-tionen mit und ohne vorausgehendesZwicken der Haut ergab einen hochsignifi-kanten Unterschied. Neben der geringerenSchmerzempfindung hatten die gezwicktenPatienten zudem noch den Vorteil, zu wissen,daß sie nicht träumten (Fosko et al.: J Am AcadDermatol 1998; 39: 74-78).

Eine besondere Erscheinungsform des Derma-tofibrosarcoma protuberans wurde vom Zen-trum für Dermatopathologie Freiburg be-schrieben, und zwar eine Variante, bei der dieTumorzellen über weite Strecken hinwegdurch sklerotisches Bindegewebe ersetzt sind.Die Bedeutung dieser als sklerosierendesDermatofibrosarcoma protuberans bezeich-neten Veränderung liegt darin, daß wegen des

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Es handelt sich um ein Angiosarkom, und esgibt keine klinische Differentialdiagnose! Wel-cher andere Prozeß ginge mit einer flächenhaf-ten Rötung und Induration sowie mehreren exo-phytischen Knoten einher? Ein Hämatom mithämorrhagischen Blasen ist schon wegen derInduration und der scharfen, bizarr konfigurier-ten Begrenzung nicht möglich. Zudem isterkennbar, daß es sich bei den exophytischenAnteilen um derbe Knoten und nicht um pralleBlasen handelt. Ein Naevus flammeus ist eben-falls nicht induriert. Zwar können knotigeVeränderungen innerhalb eines Naevus flam-meus auftreten – zum einen durch Entwicklungvon Hämangiomen, zum anderen durch zuneh-mende Gefäßerweiterungen im Rahmen dersogenannten „tuberösen Degeneration“ –, dochdiese Knoten entstehen nicht auf dem Boden ei-nes großflächigen Plaque. Auch die Lokalisa-tion am Unterbauch schließt einen Naevusflammeus mit sekundären Hämangiomen oder

tuberöser Degeneration aus. Ein Kaposi-Sarkomist differentialdiagnostisch ebenfalls auszu-schließen. Zwar können sich Kaposi-Sarkomesowohl als Plaques als auch als Knoten präsen-tieren, aber großflächige Plaques mit multiplenexophytischen Knoten wie im vorliegenden Fallwerden beim Kaposi-Sarkom nicht gesehen.

Die Lokalisation am Unterbauch ist für ein An-giosarkom ungewöhnlich. Zumeist treten An-giosarkome am behaarten Kopf oder (in derRegel nach chirurgischer und radiologischerTherapie eines Mamma-Karzinoms) an Ex-tremitäten mit chronischem Lymphödem auf.Die ungewöhnliche Lokalisation des abgebil-deten Angiosarkoms erklärt sich aus einer hiererfolgten Radiotherapie. Die Diagnose desAngiosarkoms wurde histopathologisch bestä-tigt, und auch die schlechte Prognose des Tu-mors bestätigte sich. Der Patient starb an achtMonate nach Diagnosestellung.

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Das ist es !

Klinische Befunde - histopathologisch erläutert

Knotige und diffuse Infiltrate mit stark unterschiedlicherZelldichte in der gesamten Dermis und in der oberenSubcutis. Schon in der Übersicht sind epidermisnah zahlrei-che, zum Teil bizarr konfigurierte Gefäße zu sehen (Pfeil).

Bei stärkerer Vergrößerung erkennt man plumpe, pleomorpheEndothelzellen mit teilweise hyperchromatischen Kernen undprominenten Nucleoli sowie labyrinthähnliche Gefäßräume.Die Tumorzellen exprimierten den Endothelzellmarker CD 31.

Das Spektrum der Hautveränderungen bei derPityriasis lichenoides ist groß – es reicht vonUlcera über hämorrhagische Bläschen bis hinzu schuppenden Papeln. Am häufigsten findensich flache, braun-rötliche Papeln, die teilwei-se von einer oblatenartigen Schuppe bedecktwerden. Die braun-rötliche Farbe der Efflo-reszenzen kommt im wesentlichen durch Hä-morrhagien zustande: Erythrozytenextravasatesieht man sowohl in der papillären Dermis als

auch in der Epidermis. Mit einer Vasculitis hatdies allerdings nichts zu tun. Vasculitiszeichenfinden sich bei der Pityriasis lichenoides nurausnahmsweise und dann auch nur fokal, sodaß sie als Epiphänomen aufzufassen sind.Der pathologische Prozeß, der der Piytriasislichenoides zugrunde liegt, ist eine Interface-Dermatitis, d.h. eine durch Lymphozyten her-vorgerufene Schädigung der Epidermis, die miteiner Schwellung basal gelegener Keratino-

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zyten und einzelnen Keratinozyten-Nekroseneinhergeht. Die epidermalen Veränderungenführen bei der Pityriasis lichenoides im weite-ren Verlauf zur Entwicklung langgestreckter Pa-rakeratose-Hügel, die der klinisch wahrnehm-baren Schuppe entsprechen.

Die Kombination von Interface-Dermatitis,Erythrozytenextravasaten und langgestrecktenParakeratosehügeln ist für die Pityriasis liche-noides diagnostisch. Nicht immer sind jedochall diese Zeichen vorhanden. Hämorrhagienfinden sich vornehmlich in frischen Efflores-zenzen, Parakeratosehügel in späteren Sta-dien. In der Vergangenheit wurden daher aku-te und chronische Formen der Pityriasis liche-noides als eigenständige Krankheitsbilderscharf voneinander abgegrenzt. Tatsächlichhandelt es sich jedoch um ein Spektrum, das

weder morphologisch noch biologisch eineEinteilung in die klassischen Kategorien derPityriasis lichenoides et varioliformis acutaund der Pityriasis lichenoides chronica zuläßt.Frühere Angaben, nach denen die akute Vari-ante einen heftigen, aber kurzen, und diechronische einen milden, aber langfristigenVerlauf nehmen soll, konnten in jüngeren Stu-dien nicht bestätigt werden (z.B. Gelmetti etal.: J Am Acad Dermatol 1990; 23: 473-478).Zudem finden sich akute und chronische Lä-sionen häufig gleichzeitig beim selben Patien-ten. Neben der Morphe der Effloreszenzenund ihrer symmetrischen Verteilung mitSchwerpunkt am Rumpf ist gerade das poly-morphe Bild, das durch Veränderungen in un-terschiedlichen Entwicklungsstadien bedingtist, ein wichtiges Kriterium für die klinischeDiagnose der Piytraisis lichenoides.

Multiple Papeln in unterschiedlichen Entwicklungsstadien,teilweise rötlich braun und nicht schuppend (kleiner Pfeil),teilweise kaum gerötet und von einer großen, festhaftendenSchuppe bedeckt (großer Pfeil). Die Polymorphie derEffloreszenzen ist ein wichtiges Kriterium für die klinischeDiagnose der Pityriasis lichenoides.

Histopathologisch sieht man ein bandförmiges Lymphozyten-infiltrat in der oberen Dermis, eine Schwellung von Keratino-zyten in der Basalzellschicht, reichlich Erythrozytenextravasa-te (kleine Pfeile) und langgestreckte Parakeratosehügel. Einweiterer typischer Befund sind neutrophile Granulozyten in-nerhalb der Hornschicht (großer Pfeil).

Dermatologie - einmal anders Exzision des malignen Melanoms

Wenn einer Haus baut und möchte einenweitläufigen Keller, dann gräbt er entspre-chend weit. Will er einen tiefen Keller, etwafür mehrere Kellergeschosse und eine zusätzli-che Tiefgarage, dann gräbt er entsprechendtief. So einfach ist das!

Jedenfalls in der Architektur. In der Medizinscheint es nicht immer so einfach zu sein.Beim malignen Melanom zum Beispiel gräbtman um so weiter, je tiefer das Melanom ein-gedrungen ist. Die horizontale Ausdehnungder Exzision wird von der vertikalen Ausdeh-

nung des Tumors abhängig gemacht. Das istnicht einfach zu verstehen. Aber es ist einfachzu erklären: es ist einfach Quatsch!

Warum aber wird ein Prinzip, dessen grundle-gender Mangel an Logik jedem Kind einleuch-ten sollte, dennoch propagiert? Warum wird,auch wenn der empfohlene Exzisionsabstandfür Melanome allmählich kleiner wird, welt-weit am Grundsatz „je tiefer, desto weiter“festgehalten? Warum empfiehlt zum Beispieldie „Kommission malignes Melanom derDeutschen Dermatologischen Gesellschaft“

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indem er den Exzisionsabstand von der Pro-gnose eines Melanoms abhängig machte. Derfür die Wahl des Exzisionsabstandes entschei-dende Parameter ist jedoch nicht die Prognose(d.h. die Wahrscheinlichkeit einer Meta-stasierung), sondern die Wahrscheinlichkeiteiner Persistenz des Primärtumors. Allein derUmstand, daß unvollständig entfernte Primär-tumoren und Satellitenmetastasen nicht aus-einandergehalten wurden, verlieh dem Bres-low’schen Junktim seine Glaubwürdigkeit: jedicker der Primärtumor, desto mehr „Lokal-rezidive“ wurden registriert, denn nur beidicken Primärtumoren traten Satellitenmeta-stasen auf.

Wäre es aber nicht sinnvoll, durch eine weiteExzision neben dem Primärtumor gleich nochklinisch inapparente Satellitenmetastasen zuentfernen? Im Prinzip ja. Wenn da welchewären! Tatsächlich aber sind Metastasen inunmittelbarer Nähe des Primärtumors sehr sel-ten – ihre Inzidenz wird selbst bei dickenMelanomen auf weniger als 5 % geschätzt.Darüberhinaus läßt sich ihre Lokalisation nichtvorhersagen. Metastasen sind nun einmal bös-artig und halten sich nicht an die Klassifika-tionen des Menschen. In einem Abstand von 6cm treten sie ebenso gerne auf wie in Abstän-den von 4, 3 oder 2 cm. Man soll also (denEmpfehlungen der DDG zufolge) bei über 2mm dicken Melanomen allseits 3 cm gesundeHaut exzidieren, um klinisch inapparente Me-tastasen zu entfernen, die dort mit weit über90%er Wahrscheinlichkeit ohnehin nicht sindund deren Entfernung, selbst wenn sie dortwären, keinen prognostischen Vorteil brächte?Welchem Patienten will man das erklären?

Anders verhält es sich mit dem Ziel, denPrimärtumor vollständig zu entfernen. MancheMelanome haben eine weit größere horizonta-le Ausdehnung, als dies klinisch zu erwartenwäre, und in solchen Fällen kann ein großerExzisionsabstand von Vorteil sein. Notwendigist er aber nicht! Erweist sich ein Melanom alsgrößer als erwartet und findet sich histopatho-logisch an den Schnitträndern, dann muß maneben nachexzidieren. Das mag ärgerlich sein,dem Patienten wird dadurch aber nicht ge-schadet (das Märchen von einer Prognosever-schlechterung durch unvollständige Exzisionist längst widerlegt!). Zudem läßt sich die Aus-dehnung maligner Melanome in der Regel kli-nisch recht gut abzuschätzen. Und wenn man(was stets erfolgen sollte!) die Vollständigkeitder Exzision durch eine sorgfältige Kontrolleder Schnittränder histopathologisch überprüft,

für Melanome mit einer vertikalen Ausdeh-nung von <=1mm einen horizontalen Exzi-sionsabstand von 1 cm und für Melanome miteiner Dicke von >1 mm einen Exzisionsab-stand von 3cm (Hautarzt 1994; 45: 285)?

Wie so oft liegt die Ursache eines irrationalenKonzeptes in der Vergangenheit: in der unkriti-schen Übernahme und Fortführung von Strate-gien, die auf Voraussetzungen beruhen, dieinzwischen längst als falsch erkannt sind (s.Weyers W, Dermatopathol Pract Concept1997; 3: 238-246). Für das Konzept der weitenExzision maligner Melanome hatte eine dieserfalschen Voraussetzungen besondere Bedeu-tung: die Annahme, Rezidiv sei Rezidiv. Daserneute Wachstum eines unvollständig ent-fernten Melanoms und das Auftreten von Me-tastasen in der Tumorumgebung wurden jahr-zehntelang nicht unterschieden, sondern fan-den als „Lokalrezidiv“ gemeinsam Eingang instatistische Erhebungen. In Wirklichkeit sindunvollständig entfernte Primärtumoren, wennsie erneut auffällig werden, in der Regel sehrdünn und haben eine entsprechend gute Pro-gnose, während Satellitenmetastasen eine all-gemeine Metastasierung anzeigen und einesehr schlechte Prognose aufweisen – die 5-Jah-res-Überlebensrate liegt bei weniger als 40%.Da beide Phänomene nicht unterschieden wur-den, wurde die Prognose von unvollständig ent-fernten Primärtumoren als zu schlecht und dievon Satellitenmetastasen als viel zu gut einge-schätzt. Dies hatte zur Folge, daß weite Sicher-heitsabstände sinnvoll erschienen, zum einen,um die als sehr gefährlich geltende Persistenzeines Primärtumors mit allen Mitteln auszu-schließen, und zum anderen, um Satellitenme-tastasen zu erfassen, von deren Entfernungman sich irrigerweise erhoffte, eine weiterge-hende Metastasierung verhindern zu können.Und so galt viele Jahre lang die Devise: „Lie-ber eine große Narbe als ein kleiner Grab-stein.“

Von den Exzisionen mit exzessivem Sicher-heitsabstand rückte man ab, als man erkannte,daß die Prognose des Melanoms wesentlichvon der Tumordicke bestimmt wird. AlexanderBreslow stellte 1970 fest, daß Melanome miteiner Tumordicke unter 0,76 mm eine exzel-lente Prognose aufweisen, und forderte, beisolch dünnen Melanomen auf eine elektiveLymphknotendissektion zu verzichten. SiebenJahre später empfahl er darüberhinaus eine Re-duktion des Exzisionsabstandes. Zwar be-wahrte Breslow dadurch weltweit viele Tonnengesunder Haut vor der überflüssigen Entfer-nung, machte jedoch einen logischen Fehler,

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dann ist die Persistenz von Anteilen des Pri-märtumors zuverlässig zu verhindern.

Es könnte alles so einfach sein: für Ärzte undPatienten! Tatsächlich aber werden selbst inFällen, in denen Melanome mit großem Ab-stand in toto exzidiert wurden, ausgedehnteNachexzisionen vorgenommen, nur um denstarren Therapieschemata der DDG gerecht zuwerden. Obwohl in solchen Fällen aus derUntersuchung der Erstexzision klar hervorgeht,daß keine Tumoranteile mehr vorhanden seinkönnen, werden die großen Narben nochmalsexzidiert und erneut zur histopathologischen

Untersuchung eingesandt, die dann natürlichnichts ergibt als: eine Narbe! Durch diesesirrationale Vorgehen haben sich die Derma-topathologen zu den profundesten Narben-kennern der gesamten Humanpathologie ent-wickelt!

Wenn man sich zum Ziel setzt, Narben zu be-gutachten, dann muß man an den Empfehlun-gen zur Melanomexzision festgehalten. Wenndas Ziel dagegen heißt, Patienten vernünftig zubetreuen, dann wird es Zeit, daß auch in derMelanomchirurgie das Mindestmaß an LogikEinzug hält, ohne das kein Keller gegraben

6cm lange Narbe nach Exzision eines fortgeschrittenen malignenMelanoms. Das Melanom wurde bereits klinisch diagnostiziertund mit Abstand in toto entfernt. Die Therapie war ausreichend.

Für den Patienten keine Bagatelle: Um den Therapieschematader DDG zu entsprechen, müssen Melanome mit einer Dicke> 1 mm mit einem Sicherheitsabstand von 3 cm exzidiert wer-den. Bei einem im Durchmesser 2 cm großen Melanom bedeu-tet dies einen 8cm großen Defekt, der eine plastischeDeckung unvermeidlich macht.

Dieses fortgeschrittene Melanom ist scharf begrenzt und wur-de mit Abstand in toto exzidiert. Wegen der Tumordicke von2,2 mm ist es nicht unwahrscheinlich, daß bereits klinischinapparente lymphogene oder hämatogene Metastasen vorlie-gen. Trotz der bereits vollständigen Entfernung des Primär-tumors werden in vielen Kliniken ausgedehnte Nachexzisio-nen durchgeführt, die histopathologisch nichts als eine Narbezeigen. Die Prognose wird dadurch nicht verbessert.

Dieses Melanom wurde nicht vollständig entfernt. Trotz dergeringen Tumordicke (0,4 mm im zentralen Anteil, der ein-deutige histopathologische Zeichen eines malignen Melanomsaufwies) erreicht die intraepidermale Proliferation atypischerMelanozyten die seitlichen Schnittränder. Eine Nachexzisionist erforderlich. Nach vollständiger Exzision ist die Prognosedes Melanoms ausgezeichnet, da wegen der geringenTumordicke Metastasen nicht zu erwarten sind.