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nr. 645 mai 2009 ijar 5769 Erscheinungsort Wien Verlagspostamt 1010 P.b.b GZ 03Z034854 W DVR 0112305 2.- GEMEINDE magazin Die offizielles organ der israelitischen Kultusgemeinde wien

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GEMEINDEDie

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nr. 645 mai 2009ijar 5769

Erscheinungsort WienVerlagspostamt 1010 P.b.b

GZ 03Z034854 W

DVR 0112305 € 2.-

GEMEINDEmagazin

Die

offizielles organ der israelitischen Kultusgemeinde wien

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Medieninhaber (Verleger), Herausgeber: Israelitische KultusgemeindeWien. Zweck: Information der Mitglieder der IKG Wien in kulturellen, poli-tischen und or ganisatori schen Belangen. Stärkung des demokratischen

Bewusst seins in der österreichischen Bevöl kerung. Sitz: 1010 Wien, Seitenstettengasse 4, Postfach 145.Tel. Redaktion/Sekretariat 53 104/271, Anzeigenannahme 53 104/272, Fax: 53104/279, E-mail [email protected]: AV+Astoria Druckzentrum GmbH, A-1030 WienAlle signierten Artikel geben die persönliche Mei nung des Autors wieder, die sich nicht immer mit derMei nung der Redaktion deckt. Für die Kaschrut der in der GEMEINDE angezeigten Produkte überneh-men Herausgeber und Redaktion ausdrücklich keine Verantwortung. Nicht alle Artikel, die in derRedak tion einlangen, müs sen zur Veröffentlichung gelangen.

2 Mai 2009 - ijar 5769

GEMEinDEDie

AUS DER KULTUSGEMEINDEMZ - Tag der offenen Tür 3

IN EIGENER SACHEALEXIA WEISS

Serie: Hinter den Kulissen der IKG

Teil 9: Die EDv-Abteilung 4

ALEXIA WEISS

Herzlich willkommen in Wien! 6

POLITIKIN- UND AUSLAND

Gesteigertes Selbstbewusst-sein in der rechtsextremenSzene 8

Presse-Interview mit IKG-Präsident Muzicant 10

Nach Ebensee 12

Zwischenfall in Auschwitz 13

DANNY LEDERDer Prozess in Paris 14

Letzte Chance für Toplitzsee 19

ISRAEL

ULRICH W. SAHM

Papst kittet zerschlagenesPorzellan 20

URIEL HEILMAN

Peres, der Optimist 22

Israel 60 Jahre in der UN 23

WIRTSCHAFTREINHARD ENGEL

Israel ist keine Insel 24

WISSENSCHAFTCHAVA BUGAJERIMA-Tagung 27

Ausgewertet werden Meldungen von: APA, Jerusalem Post, Ha’aretz, MEMRI, Yediot Aharonot, Global intelligen-ce centre, Walla, Y-net, israelnetz (inn), nahostfocus (NOF), ICEJ, Honestly-concerned, GMW, JTA, ILI u.v.a.

Heilung von Schwerhörigkeit 29

JÜDISCHE WELTMARTA S. HALPERT

Triest: Nicht Hof- sondernHafenjuden 30

Panorama 34

KULTUR ALEXIA WEISS

Mit Stadtplan in dieVergangenheit 37

Ältestes Zeugnis jüdischenLebens in Österreich 39

ALEXIA WEISS

Jüdischer Salon reloaded 40

Ehrungen 42

Der „Liebesbrief” wird persönlich übergeben 43

ANITA POLLAKDie Hüterin des Schatzes 44

Tel Aviv - Hot City Cool 48

DOSSIER

L.. JOSEPH HEID

100 Jahre Kibbuz 49

Bildnachweis für Dossier „100 JahreKibbuz”: © Israelmages/HananIsachar, Israel Talby, Neil Mercer, EinHashofet Archive, Hashomer Hatzair,Uzi Tzur, A. Himmelreich, DanPorges, Tal Paz-Fridman.

Beilage:100 Jahre Tel Aviv

Titelbild: „Tel Aviv - Hot City Cool”Purim i Shenkin Street

© Eli Zuta

Fotos Seite 48:©Shira Weinberg

©Carmelle Rubinstein

PLENUM: 4. Juni - 2. Juli - 3. August - 3. September - 13. Oktober -5. November - 3. Dezember

INHALT &

LETZTE MELDUNGEN

ungarn: rechtsextreme unterzeichneten abkommen mit Polizei.

"Jobbik" hat auch gute chancen auf einzug inseuropaparlament

Budapest (APA/dpa) - Die außerparlamentarischerechtsextreme Jobbik-Partei hat erfolgreich einen Fuß inUngarns Polizei gesetzt. Jobbik-Chef Gabor Vona unddie Spitzen der Polizeigewerkschaft „Tatbereit” unter-zeichneten in Budapest ein sogenanntes Koopera tions -abkommen.

Schon zuvor hatten Beobachtern erkannt, dass „Tat be-reit” praktisch als Vorfeldorganisation von Jobbikinnerhalb der Polizei funktioniert. Die Gewerkschafthat nach eigenen Angaben rund 5.200 Mitglieder, waseinem Zehntel des Personalbestands der ungarischenPolizei entspräche.

Die Jobbik-Partei hetzt unter dem Schlagwort der„Zigeunerkriminalität” gegen die Roma in Ungarn. Siehat die paramilitärische Ungarische Garde ins Lebengerufen. Die Generalsekretärin der „Tatbereit”-Ge -werk schaft, Judit Szima, ist Vierte auf der Jobbik-Lis tefür die Europawahlen am 7. Juni. Der rechtsextremenPartei werden gute Chancen nachgesagt, die Fünf pro -zent hürde für den Einzug ins Europaparlament zuüberwinden.

Wünsche? Probleme? Anregungen?Wenden Sie sich vertrauensvoll an unsere IKG-Ombudsleute

Gustav Adler Tel: 0676 636 5118, Heinrich Ehlers Tel: 0676 421 3670DI Hans Gelbard Tel: 0699 11058 606 Dr. Slawik Jakubow Tel: 0664 103 2349 Prof. Dr. Franziska Smolka Tel: 531 04 -105

[email protected]

NICHT VERSÄUMEN:TEL AVIV BEACH AM DONAUKANAL

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Mai 2009 - ijar 5769 3

AUS DEM BÜRO DES PRÄSIDENTEN

Sonntag, 7. Juni 2009,11.00 - 13.00 Uhr Besichtigen Sie bei geführten Rundgängen die Ein- und Zwei bett pfle gezimmerund wer fen Sie einen Blick in eine Mus ter woh nung des Wohnheims.Gerne informieren wir Sie auch über unsere Senioren resi den zen im 7. und 8.Stock, die höchsten Standard und Komfort bieten werden. Alle weiteren Neu e -run gen erfahren Sie durch unsere Mit ar bei ter vor Ort und in unseren Bro schü ren.

Anfragen richten Sie bitte an Mag. Philipp Wagner, Tel.: 01/368 16 55-153, E-Mail: [email protected]

Wir freuen uns auf Ihr Kommen!

TAG DER TAG DER OFFENEN

OFFENENTÜRTÜR

im neuenMaimonides-Zentrum

SANATORIUM MAIMONIDES-ZENTRUM 1020 Wien, Simon Wiesenthal Gasse 5 /Wehlistraße 326-328

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4 Mai 2009 - ijar 5769

IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN

Wenn dieKaffemaschineComputer abstürzen lässt

Hardware-Beschaffung, Software-Updates, Netzwerk-Betreuung: die zwei Mann starke EDV-Abteilunghat in der Seitenstettengasse, bei ESRA, im Maimonides-Zentrum, derWohnheimverwaltung und dem neuenCampus im Prater alle Hände voll zutun. „Die Gemeinde“ sprach mit demAbteilungsleiter Markus Ivankovic.

VON ALEXIA WEISS

Rund 300 Benutzer werken täglich aneiner der 220 Arbeitsstationen, alsofix installierten Computern, die vomEDV-Zentrum in der Seitenstetten gas -se aus betreut werden. 15 weitere Userkönnen sich via VPn (Virtual Pri vatenetwork) über das internet in dasnetz werk einklinken (besonders ver-schlüsselt, vergleichbar etwa mit deminternetbanking). Markus Ivan ko vicund sein Kollege Marcin Marszal kows kimüssen da nicht selten Troubles hoo -ter spielen: dann etwa, wenn sich eineSoftware-Anwendung, wie beispiels-weise ein Buchhaltungsprogramm,plötzlich nicht mehr öffnen lässt, wennsich Computer nicht mehr hoch- odernicht mehr herunterfahren lassenwollen, wenn ein Mitarbeiter, etwanach einem Urlaub, sein Passwortver gessen hat.

Das Passwort-Problem ist leicht ge -löst, anderes kann länger dauern.Werden mehrere Probleme zeitgleichgemeldet, gilt es Prioritäten zu set-zen. „Jede Ab teilung möchte natürlichalles sofort gelöst haben. Wir müssendann aber schau en: wer kann im Momentwirklich nicht arbeiten? Was kann dochnoch et was warten?“

ivankovic und Marszalkowski sindaber mit weit mehr Dingen beschäf-tigt, als ständig alle Arbeitsstationenfür die Benutzer fit zu machen. DasiKG-netzwerk teilt sich in ein inneresund ein äußeres, alle Standorte sindüber Richtfunkstationen miteinanderverbunden. Das hat den Vorteil, dassdie beiden Techniker von ihrem Büroin der Seitenstettengasse aus auf je deneinzelnen PC zugreifen könne, egal ob

serVice

erreichbarkeit der edV-abteilung

Die EDV-Abteilung ist am besten erreichbar unter: [email protected]

SERIE

Hinter den Kulissen – Die IKG Wien stellt sich vor

Teil 8: Die EDV-Abteilung

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IN EIGENER SACHE • HINTER DEN KULISSEN

sich dieser im Maimonides-Zen trumin der Bauernfeldgasse oder bei ES RAin der Tempelgasse befindet. Seit neunJahren wird so gearbeitet, seit neunJah ren gibt es in den iKG-Büros auchan jedem Computer einen internet zu -gang. Davor gab es nur für einzelneMitarbeiter Modemlösungen.

Das interne netzwerk wird durch Fi - re walls besonders geschützt, die nochvor den Funkantennen geschaltet sind.Sicherheit ist insgesamt ein wich tigesThema: Software darf grund sätz lichnur von den EDV-Pro fis installiertwerden, eigenständiges Down loa dendurch die Mitarbeiter ist (wie mittler-weile in vielen anderen Unter nehmenauch) nicht gestattet. Überall sindAnti-Viren-Programme installiert. Da -mit werden Systemzu sam men brüchevermieden. Und: „In den letzten zehnJahren hatten wir kein Problem mit einemVirus“, betont ivankovic.

Am äußeren netzwerk hängt auchdie Videoüberwachung der iKG undaller angeschlossenen Organisatio -nen, die von der EDV-Abteilung tech-nisch ge war tet wird (die eigentlicheÜberwachung, also Auswertung derBil der, fällt in den Bereich der Sicher -heits ab teilung). Weiters sind die bei-den EDV-Fachmänner für die Telefon -an la ge zuständig. Sie kümmern sichauch um die neubeschaffung vonHard ware, sollte einmal eine Fest plat -te ih ren Geist aufgeben, eine Mausnicht mehr scrollen wollen oderschlicht bei einer Arbeitsstation einbe nötigtes Kabel abhanden gekom-men sein.

im Softwarebereich wird in der iKGeinerseits mit Fremdsoftware gear bei -tet (Buchhaltungsprogramm, e-card-System bei ESRA und in Kürze auchim Maimonides-Zentrum, immobi li -en programm), andererseits entwickelndie beiden Techniker auch selbst Pro -gramme für die Kul tus ge mein de, wieetwa Datenbanken (z.B. für das Mit -glie derservice, ESRA, die Zwi-Perez-Chajes-Schule). Ständige Weiter bil -dung ist daher für ivankovic ein ab so -lutes Muss: sowohl um selbst program-mieren, als auch um neue Fremd soft -wa re installieren und den Mitar bei ternerklären zu können. Trotz der sichstän digen weiterentwickelnden Tech -nologien, gilt es am Ball zu bleiben.Jüngstes Beispiel: e-mails, die überOut look auch am Mobiltelefon zu

em pfangen sind. Die Ausgabe undWartung von Diensthandys fällt übri-gens auch in den Aufgabenbereichder EDV-Abteilung.

„Das Allerwichtigste ist, dass das Netz - werk immer rennt“, sagt ivankovic. Eroder sein Kollege seien daher immererreichbar, schließlich gebe es imMai monides-Zentrum einen Rund-um-die-Uhr-Betrieb. Jeden Tag würdenSicherungen vorgenommen, da beiwerden alle geänderten Dateien neuabgespeichert. Am Wochenende gibtes eine Gesamtsicherung aller Da tei en.Fachleute sprechen bei diesem Proce -de re von einer „Differentialsi che -rung“.

Die Monatsbänder werden externaufbewahrt. So soll vermieden werden,dass beispielsweise bei ei nem Brandwichtige Daten verloren ge hen.

Zum Kopfschütteln bringt ivan ko -vic, wenn er bei manchen Mitar bei terndas aktuelle Passwort auf ein Post-itgekritzelt unter der Tastatur wieder-findet. immer wieder versuche er al leneinzutrichtern, dass diese infor ma ti onnirgends am Arbeitsplatz verfügbargemacht werden darf – mit nicht im -mer durchschlagendem Erfolg.

Zum Schmunzeln bringt den EDV-Chef dagegen folgende Episode: beiESRA funktionierte eines Tages diegesamte EDV-Anlage nicht. Es warein Kurz schluss, wie sich herausstell-te, verursacht durch eine defekteKaffee ma schi ne. Das Pikante daran:für alle EDV-Geräte gibt es ein eige-nes Strom netz, die dazugehörigenSteckdosen sind rot. Die Kaffee ma -schine war in einer roten Steckdoseangedockt worden. Kurz darauf einähnliches Sze na rio: Schuld war eineHalogen lam pe.

zur Person

ing. markus ivankovic, geb. 1966 in Wien, maturierte an einer HTL fürChe mie. Zunächst bei den Ents orgungsbetrieben in Simmering in diesemBereich tätig, dann, noch in diesem Job, Entwicklung hin zu EDV-Tä tig keit.Mitte der neunziger Jahre Zivil dienst im Maimoni des Zen trum, an schlies -send hauptberuflich Be treu ung der EDV bei ESRA.

im Zug der iKG-Verwal tungs re form 1999 gleitender Wech sel in die EDV-Abteilung der iKG, von der aus nun ESRA mitbetreut wird.

ivankovic ist im Sommer oft mit dem Rad unterwegs und verbringt amWochenende – so es der Job zu lässt – gerne kurzweilige Stunden mitFreunden. Zu Hause versucht er insgesamt, den Computer nicht dieOber hand bei seiner Freizeit gestaltung gewinnen zu lassen.

Verein religiöser frauen

Wir laden zu unserem

wohltätigkeitsabend,

der, s.G.w, am

Pfingstmontag, 1. Juni 2009,um 19.00 uhr

im gemeindezentrum der iKg

stattfinden wird,herzlich ein.

FestwochenWiener

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6 Mai 2009 - ijar 5769

IN EIGENER SACHE

Herzlich willkommenin Wien!Seit Anfang Mai steht Oberrab bi ner PaulChaim Eisenberg mit dem jungen Rabbi -ner Schlomo Hofmeister ein Gemein de -rabbiner unterstützend zur Seite. Er wirdsich vor allem der Arbeit mit Kindern undJugendlichen annehmen sowie An sprech -partner für in Wien lebende Juden bei re -li giösen Fragen ebenso wie bei Familien -problemen oder Alltagssorgen sein. Da rü ber hinaus soll Rabbiner Hofmeis terverstärkt die jüdischen Gemeinden in denBundesländern religiös betreuen.

VON ALEXIA WEISS

noch sind die Möbel nicht fertig auf-gestellt, die Kisten nicht ausgepackt.Rabbiner Schlomo Hofmeister istAnfang Mai dennoch bereits mit FrauHannah und Baby Josef Zwi in seineneue Wohnung nahe des Wiener Stadt -tempels eingezogen. Es sind helle,freundliche Räume, die der neue Ge -meinderabbiner bezieht. Räume, dieRabbiner Hofmeister nicht nur privatnutzen will: „Meine Frau und ich, wirsehen das als gemeinsame Anstellung. Wirmöchten, dass diese Wohnung ein offenesHaus ist, jeden Schabbos werden wirLeu te einladen.“

Für die Gastgeberrolle ist man bes tensgerüstet: aus israel mitgebracht hatdas Ehepaar Hofmeister einen zweiMe ter langen Tisch, der sich auf eineLänge von sechs Metern ausziehenlässt. Ein Raum wurde zudem alsGäs tezimmer konzipiert. „Wir könnenja niemanden zum Schabbos einladen unddann erwarten, dass er mit der U-Bahnkommt und mit dem Taxi nach Hausefährt.“

Rabbiner Schlomo Hofmeister sprichtmit leicht bayerischem Akzent, wasnicht verwundert, wenn man weiß,dass er in München groß geworden ist.Englisch, Französisch, Hebräisch sinddie weiteren Sprachen, in denen manmit ihm kommunizieren kann. Mit ein -ander reden: das ist einer der zentralenWünsche des Rabbiners für sein Wir -ken in Wien.

Auf Gemeindeebene heißt das: „Meinbesonderes Anliegen ist es, die Kehila(Hebr. für Gemeinde, Anm.) zusammen-zubringen.“ Für jeden Einzelnen heißtdas: Rabbiner Schlomo Hofmeisterwird für jeden ein offenes Ohr haben,der mit Sorgen zu ihm kommt, ob diesnun Eheprobleme sind, Ängste unter-schiedlichster natur, Erziehungsfra genoder sich jemand seiner momentanenLebenssituation nicht mehr ge wach -sen sieht. Auch seine Frau Han nah, sieist gebürtige israelin mit einem US-amerikanischen Vater und einer israe-lischen Mutter, wolle sich hier einbrin-gen, betont Rabbiner Hofmeister. Alsfrisch gebackene Mutter sei sie etwaideale Ansprechpartnerin für anderejunge Frauen, junge Mütter.

im Zentrum seiner Tätigkeit als Rab -bi ner wird in Wien aber die Arbeit mitKindern und Jugendlichen stehen.Kinder mit Religion bekannt zu ma -chen, damit könne man übrigens nichtfrüh genug anfangen, meint er. Esgehe darum, jüdische identität, jüdi-sches Selbstverständnis zu schaffen.

in den kommenden Wochen will Rab -bi ner Hofmeister Schulklassen be su -chen, mit Jugendorganisationen undStudierenden Kontakt aufnehmen –sich einen Eindruck verschaffen.Schiurim werden ab Herbst dann ei -nen Teil seiner Tagesroutine bestim-men. Eng zusammenarbeiten will er

dabei auch mit den Religionslehrernder Zwi Perez Chajes-Schule. Dochauch der Religionsunterricht für Kin -der, die keine jüdische Schule besu-chen, ist ihm ein Anliegen. Und derKontakt zu heimischen und interna-tionalen jüdischen Studenten, die inWien leben. Studierende, etwa ausAmerika, sind oft nicht Gemein de mit -glieder. Rabbiner Hofmeister betontdenn auch, dass er sich als Anlauf stel lefür alle in Wien lebenden Juden sieht,ob Gemeindemitglied oder nicht.

Befragt nach seiner persönlichen Aus -rich tung innerhalb des Judentums,will sich der neue Rabbiner nicht ineine Schublade legen lassen. „Thoraund Mizwes“, antwortet er schließlich.Und lacht. Er fühlt sich hier bereitssichtlich wohl, freut sich, in Österreichzu sein. Wien sieht er als eine dereuropäischen jüdischen Gemeindenmit hohem Zukunftspotenzial.

in den kommenden Wochen werdener und seine Familie viele neue Men -schen kennenlernen. Bereits Bekannt -schaft geschlossen hat das EhepaarHof meister mit der Feierlaune der Ber - mudadreieck-Gäste. Bis in die nachtsei die laute Musik zu hören, ob Wo -chenende, Montag oder Dienstag.Aber der Rabbiner nimmt auch dasmit Humor. Lieber Rabbiner Schlomo Hofmeister,herzlich willkommen in Wien!

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IN EIGENER SACHE

Mai 2009 - ijar 5769 7

ZUR PERSON

Rabbiner SchlomoHofmeister, ein ge -bürtiger Münch ner,lernte nach derMa tura an einemdeutschen Gym na -sium an verschie-denen Jeschiwos inEngland und Is ra el,studierte Sozialwissenschaften, Ge -schich te und Politik an der Münch nerLud wig-Maximilians-Universität (MLU)sowie der University of British Columbia(UBC). Sein Studium an der LondonSchool of Economics (LSE) schloss er2002 mit dem Master ab.

2004 Übersiedlung von London, wo erunterrichtete, nach Jerusalem, um seineRabbinatsstudien fortzusetzen, unteranderem im Rabbinerseminar TorasSchlo mo von HaGaon HaRav MoscheHalberstamm. Rabbiner Schlomo Hof -meister erhielt Semichos (Ordinationenals Rabbiner), und zwar „Jore Jore“ (Prü -fungen über die Halachot von u.a.Schab bat, Eruv, Mikwe und Kaschrut),unter anderem von HaGaon HaRavMosche Sternbuch, dem Vorsitzendendes Orthodoxen Rabbinatsgericht vonJerusalem, HaGaon HaRav AvrohomKop schitz, sowie HaRav HaGaon Jo -seph Jitzchok Lerner.

Als er im Jahre 2005 seine erste rabbini-sche Ordination erhielt, war er der ersteRabbiner, der nach 1945 in Deutschlandgeboren und aufgewachsen ist. Zuletztwar Rabbiner Hofmeister als leitenderDi rektor des Psalmenmuseums in Jerusa -lem tätig.

Der junge Rabbiner ist seit zweieinhalbJahren mit seiner Frau Hannah verheira-tet. Sohn Josef Zwi ist knapp zwei Mo -na te alt.

Die internationale jüdische

EHE-PARTNER-VERMITTLUNG

Weber José

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„60. euro-meeting für jüdische singles”in leukerbad (schweiz), 26. Juli – 2. august 2009

Unsere beliebte und schon traditionelle Sommer-Ferienwoche werden wirdieses Jahr in Leukerbad verbringen. Leukerbad ist ein wunderschönerFerienort, um geben von einem eindrucksvollen Panorama der WalliserAlpen, es liegt in einer Höhe von 1411 m.ü.M. Freuen Sie sich auf adrenalingespickte Augenblicke, sagenhafte Stunden,und erholsame Tage im grössten Thermalbade- und Wellnessferienort derAlpen.

Wir laden alle ca. 35 – 55-jährigen jüdischen singles aus ganz Europa herz-lichst ein, gemeinsam eine Ferienwanderwoche in angenehmer Atmos phä rezu verbringen. Ein vielseitiges Programm mit herrlichen Wanderungen(auch leichtere!), Unterhaltung und Sport erwartet uns.

Für diese Ferienwoche ist es uns gelungen, ein ausgezeichnetes 4* Hotelmit Hallenbad, Thermalbad, Beautyfarm und Fitnessmöglichkeiten zureservieren; Halbpension (vegetarisch, auch Fisch).

anmeldeschluss und zahlungsfrist: 25. Juni 2009

Die Anmeldungen werden in der Reihenfolge ihres Einganges berücksich-tigt und sind nur gültig, wenn die Zahlungen fristgerecht eingegangen sind.

informationen und Anmeldungen:mY tours ag, tramstrasse 38, ch-8050 zürich

tel. ++41(44)317 17 40, fax ++41(44)317 17 01, e-mail:[email protected]

gemeinsame Veranstaltung des instituts für österreichkunde mit deminstitut österreichisches Biographisches lexikon der österreichischen

akademie der wissenschaften

dr. PrimaVera driessen gruBer

„gar kein Verdienst, wirtschaftliche lage fürchterlich.“

Bericht über die erste sichtung der fragebögen der auswanderungsabteilung in der fürsorge-zentrale

der israelitischen Kultusgemeinde wien 1938/39

„Gar kein Verdienst, wirtschaftliche Lage fürchterlich.“ - so beschrieb dieOpern- und Operettensängerin Erika Heller, geboren 1896 in Czernowitz,seit 1905 in Wien lebend, ihre wirtschaftliche Lage am 20. Mai 1938 im sog.„Auswanderungsfragebogen“ der iKG Wien. Ausgehend von einigenFallstudien zu Musikschaffenden berichtet die Referentin über die ersteSichtung dieser „Auswanderungsfragebögen“ im „Bestand Jerusalem“ desArchivs der iKG Wien, welche sie im Rahmen ihrer Recherchen für ein„Österreichisches Handbuch der nS-verfolgten Musikschaffenden“ vonJuli 2008 bis Februar 2009 durchgeführt hat.

donnerstag, 18. Juni 2009, 18 uhr institut für österreichkunde

1010 Wien, Hanuschgasse 3/Stiege 1/3. Stock (Lift)

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8 Mai 2009 - ijar 5769

POLITIK • INLAND

Der Tabubruch von EbenseeVon Wolfgang Braun

Es gibt immer noch welche, die diewüste Attacke einiger junger Bur schenauf Holo caust-Überlebende bei derKZ-Ge denk feier in Ebensee als Laus -bu bengeschichte verharmlosen. Dasist, bei allem Respekt, fast noch unap-petitlicher als die Tat selbst.

Denn die Ereignisse in Ebenseemarkieren einen Tabubruch undsprengen in ihrer Wider wär tig keitund Dumm heit jede Vor stellung dar-über, was der of fen bar wieder unge-nierter auftretenden rechtsextremenSzene in Österreich zuzutrauen ist.

Dass es diese Szene gibt, dass sieforscher wird und Hem mungen fal-len, haben die vergangenen Wochenbewiesen: Rechtsextreme Schmie re rei -en an der Mauer des ehemaligen KZ-Mauthausen und neonazi-Aktio nenin Braunau sind Er eig nisse, die über-regional be kannt wurden. in Summewa ren es zu viele, um beschwichti-gend von Einzelfällen zu reden.

Zweifelsohne hat das Wiederer star -ken der FP rechtsextreme Gruppenbelebt. Denn die FP sendet oft perso-nelle und inhaltliche Signale aus, diein diesen Milieus als Ermutigung ver-standen werden. Gab es von führen-den FP-Politikern eine Verurteilungder Vorfälle in Ebensee? Gab es nicht- auch das ist ein Signal. Aber weil SPund VP aus wahltaktischen Gründen

die Brücken zur FP nicht abbrechenwollen, wird vieles salonfähig, waseigentlich indiskutabel ist: HeinzChristian Straches Wehrsport übun gen?

Eine Jugendsünde, sagte Ex-Kanz lerAlfred Gusenbauer. Aggressi ve blaueRhetorik in der Ausländerfrage? Wirdvon der VP teilweise übernommen.

Schließlich ist da noch das größteMiss verständnis im Fall Ebensee: Die -ser schade unserem Ruf und dem Land

als Tourismusziel, so die Sorge vonAußenminister Michael Spin deleg ger.Das aber trifft nicht den Kern. Dennein kompromissloses nein zu denÜber griffen in Ebensee sollte nichtdeshalb selbstverständlich sein, da -mit wir unsere Reputation im Aus -land aufrecht erhalten, sondern damitwir Österreicher uns weiter in denSpiegel schauen können.

Mit freundlicher Genehmigung © OÖN/Braun.

Rechtsextreme Szene zeigt gesteigertes Selbstbewusstsein Störaktion in Ebensee, Schmieraktionen in Mauthausen, Flugblätter zum Tag der Kapitulation Nazi-Deutschlands, Eklat in Auschwitzmit BRG-Albertgasse, unwillkommene jüdische Gäste in Serfaus, Burschenschafts aufmarsch am Heldenplatz, Holocaust-Leugner undEx-Ku-Klux-Klan-Führer David Duke in Österreich, „Thompson-Konzert” mit Ustascha-Fahnen – und auch der mutmaßliche Kriegs ver -brecher Milivoj Asner lebt nach wie vor gut beschützt in Kärnten.

POLI

TIK

Ehemalige Häftlinge wurden mit einer Machinengewehr-Atrappe bedroht undmit 'Sieg Heil' empfangen.

Gefangene des KZ Ebensee, 7. Mai 1945

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POLITIK • INLAND

Mai 2009 - ijar 5769 9

Rechtsextreme Szene zeigt gesteigertes Selbstbewusstsein Störaktion in Ebensee, Schmieraktionen in Mauthausen, Flugblätter zum Tag der Kapitulation Nazi-Deutschlands, Eklat in Auschwitzmit BRG-Albertgasse, unwillkommene jüdische Gäste in Serfaus, Burschenschafts aufmarsch am Heldenplatz, Holocaust-Leugner undEx-Ku-Klux-Klan-Führer David Duke in Österreich, „Thompson-Konzert” mit Ustascha-Fahnen – und auch der mutmaßliche Kriegs ver -brecher Milivoj Asner lebt nach wie vor gut beschützt in Kärnten.

20. 03. 2004: Die Jugendorganisation(Bund freier Jugend - BFJ) der als rechts -extrem klassifizierten Arbeits ge mein -schaft für demokratische Poli tik (AFP)veranstaltet in Oberöster reich zum zwei - ten Mal einen „Tag der Volkstreuen Ju gend”,bei dem laut DÖW ein führender Aktivistder noch weiter rechts stehenden NPD-Kon kur renz-Organisation „Be we gung deut - sche Volksgemeinschaft” spricht.

15. 10. 2004: In der Kärntner Bezirks -stadt Feldkirchen findet ein Treffen derAFP statt. Unter den Teilnehmern ist auchein bekannter rechtsextremer Aktivist.

13. 11. 2004: Rund 70 Skinheads versu-chen immer wieder, die Demon stra tioneiner etwa 200 Personen starken links-gerichteten Gruppierung in Dorn birn zustören. Etwa 20 der Skinheads werdenvorübergehend festgenommen.

26. 02. 2005: Rund 70 Skinheads störeneine angemeldete Antifaschismus-De - monstration der Sozialistischen Ju gendÖsterreichs (SJ) in Bludenz. Im April wer -den mehrere von ihnen verurteilt.

02. 09. 2005: In Graz geht das Black Me - tal Festival „Dunkelheit 2005” über dieBühne. Dabei sollen einigen Bands mitrechtsradikalen Hinter grund aufgetretensein.

11. 11. 2005: Der britische Rechts ex tre -mist David Irving wird in der Steier markfestgenommen. Er war auf dem Weg zueinem Stiftungsfest der Wie ner Burschen -schaft Olympia. Im Fe bru ar 2006 musser sich wegen Wie der betätigung vorGericht verantworten.

Januar 2006:Wiederholte rechtsextremeAktivitäten von Mitgliedern eines Fuß ball -fanclubs in der Hitler-Ge burts stadt Brau -

nau am Inn in Oberös terreich werden be - kannt. Die Männer heben u.a. bei ei nemAusflug in der KZ-Gedenkstätte Maut -hau sen die Hand zum Hitlergruß.

28. 06. 2006:Der Bund freier Jugend (BfJ)veranstaltet in Ried eine Vers ammlungmit dem Titel „Multikulti beenden, Füa un -sa Hoamatland!” - diese und eine Ge gen -veranstaltung werden von der Poli zeibe endet.

Oktober 2006: Die als rechtsextrem ein -gestufte AFP hält in Gumpolds kir chen(Bezirk Mödling) eine Tagung ab.

Januar 2007: Von einem Neonazi-Kon -zert im Bezirk Ried taucht ein Video auf,das Besucher mit Ha ken kreuz-Täto wie -run gen, Au schwitz-T-Shirts oder beimHitlergruß zeigt.

17. 03. 2007: Die Polizei löst in einemGasthaus in St. Johann (Pongau) ein Tref - fen von etwa 60 Aktivisten des BfJ ausOberösterreich auf. Auch einschlägigeBücher, Transparente und CDs werdenbeschlagnahmt. Der Pro zess im Jahr da -rauf endet mit (nicht rechtskräftigen) Frei -sprüchen.

Juni 2007: Deutsche und österreichi-sche SS-Veteranen treffen sich in Eber -schwang im Bezirk Ried. Es sollte dasletzte gewesen sein, denn der Gemein -de vorstand fasst 2008 einen Beschluss,mit dem weitere Ver samm lungen verhin-dert werden sollen.

23. 08. 2007:Der in Österreich nach demVerbotsgesetz verurteilte Neo na zi GerdHonsik wird in Spanien festgenommenund im April 2009 nicht rechts kräftig zufünf Jahren Haft we gen Wiederbetä ti gungverurteilt.

03. 09. 2007: Im Internet tauchen Vi de -os österreichischer Soldaten auf, aufdenen Grundwehrdiener die rechte Handzum Hitlergruß ausstrecken. Einer dervom Dienst enthobenen Re kruten wirdwenig später auf der Dorn birner Messenach einer Schlä ge rei verhaftet, er brülltdabei den Polizisten „Heil Hitler”-Pa ro -len entgegen.

19. 10. 2007: Den Sicherheitsbehördenwird ein Foto zugespielt, auf dem LASK-Fußballfans vor einer Gedenk tafel inNürn berg den Arm zum Hit lergruß aus-strecken.

27. 10. 2008: Neonazis stören mit ei nerHakenkreuzfahne und Sprech chö ren einRockkonzert der Kommu nis ti schen Ju -gend in Braunau.

29. 12. 2008: Es wird bekannt, dass Mit -ar beiter des Dritten National rats prä si -dent Martin Graf (F) und Olym pia-Bur -schenschafters im rechtsextremen deut-schen Internet-Versandhaus „Aufruhr”Be stellungen getätigt ha ben.

13. 02. 2009: Die Außenmauer der Ge -denk stätte des ehemaligen Konzen tra ti -onslagers Mauthausen in Oberös ter reichwird mit rechtsextremen Pa ro len be -schmiert.

April 2009: Im Wiener Donaupark wirdder Büste des argentinisch-ku banischenRevolutionärs Che Gue vara die Nase ab -gehackt. Auf einer einschlägigen Home -page findet sich ein Bekennerschreiben.

10. 5. 2009: Neonazis stören eine Ge -denkfeier im ehemaligen nationalsozia-listischen Konzentrationslager Eben seein Oberösterreich. Sie haben mit Soft gunsauf Besucher geschossen und Nazi pa ro -len gerufen haben.

Rechtsextremistische AktionenEine Chronologie der letzten vier Jahre

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10 Mai 2009 - ijar 5769

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„Die Presse am Sonntag”: Ariel Muzi cant,Chef der Israeliti schen Kultus ge mein deWien, sieht den Rechts extre mismus inÖsterreich auf dem Vor marsch. Den Bo -den dafür bereite die FP-Führung „syste-matisch” und absichtlich.

Im Tiroler Serfaus werden von einem Ho -tel jüdische Gäste kategorisch abgelehnt.Im ehemaligen KZ Ebensee haben bei ei -ner Gedenkfeier junge Burschen Nazi-Pa -ro len gebrüllt und Teilnehmer attackiert.Sind Sie beunruhigt oder gelassen?

Ariel Muzicant: Da muss man schondifferenzieren. in dem Serfauser Ho -tel war die Diktion das Problem - das„Vermiete nicht an Juden”. Die Tat -sache, dass es offenbar ein Problemzwischen dem Personal und einigenorthodoxen jüdischen Gästen gab,hätte vom Hotel einfach kommuni-ziert werden müssen. Aber man mussmit dem Schwingen der Antisemi tis -mus-Keule vorsichtig sein. Wenn im -mer alle gleich Antisemiten sind,wenn man bei jedem Unfug vor demFaschismus warnt und mahnt, tunwir uns schwer, empört aufzustehen,wenn einmal wirklich etwas passiert.Etwa wenn aus politisch-taktischenGründen Martin Graf in das natio nal -ratspräsidium gehievt wird. Einen LePen hat man nie in ein politisches Amtgewählt. Wenn ÖVP und Teile der SPÖKoalitionen mit einer offen rassisti-schen und antisemitischen Partei wieder FPÖ für möglich halten, weil dieFPÖ ja demokratisch gewählt wurde,dann müssten alle empört aufstehen.Dass die roten Landeshauptleute vonSalzburg und der Steiermark ein Tak -tieren mit der FPÖ überhaupt in Be -tracht zogen, ist skandalös. Das ist eineVerharmlosung, die bei Kreisky be gon -nen hat, bei Kurt Waldheim ex plo -diert ist, bei Jörg Haider weitergingund von Heinz-Christian Stra che jetztmaximiert wird. Und darauf reagierendie zwei großen Parteien mit Wursch -tigkeit und politischer Schlam pigkeit.

Gerade Sie haben doch etwa das BZÖ JörgHaiders schon einmal gelobt diese Kritikverwundert mich jetzt.

Moment! ich meine Jörg Haiders Be -hauptungen von der „ordentlichenBe schäftigungspolitik”, von den „eh -renwerten Herren der SS”. ich meineHaider in Krumpendorf und am Ul -richsberg. ich spreche nicht von JörgHaider, der sich mit dem BZÖ vonder FPÖ und ihrem rechtsextremenKern abgespaltet hat. Aber selbst un -ter Jörg Haider hat es in der FPÖ nieso eine Ansammlung von rechtsextre-men Funktionären gegeben wie beiHeinz-Christian Strache, Graf undMölzer heute. Diese fördern denRechtsextremismus in ihren eigenenReihen und wollen ihn systematischsalonfähig machen, und jetzt gibt esin Österreich eine Verdoppelung derAnzeigen. Die ideologischen Verant -wortlichen sind die Herren Mölzer,Strache und Co. Und gefördert wirddies von all jenen, die sich nicht auf-raffen können, eine Grenze zu ziehen,die man nicht überschreiten darf,nämlich mit der FPÖ keine gemeinsa-me Sache zu machen. Dass die ganzeÖVP und Teile der SPÖ Herrn Grafgewählt haben, war einer jener Damm -brüche, für die wir jetzt die Rechnungserviert bekommen. Man hat auch diefrüheren FP-Politiker Peter und Hauptnicht ins natio nalrats präsidium ge -wählt. Graf schon.

Aber Wilhelm Brauneder.

Da ist ein Unterschied zwischen Brau -n eder und Graf bitte!

Solche Wahlen oder Koalitionsdis kus sio -nen bewirken rechtsextreme Straftaten?

nicht direkt, aber da werden dieStimmung und der Boden aufbereitet.Wenn Graf und Mölzer jemanden ein-laden, der den Holocaust leugnet,wenn Strache ständig das Verbots ge -setz abschaffen will, dann erzeugt dasgenau jenes Klima, dass so etwas wiein Ebensee passiert. Die einen tanzenvor, diese jungen Burschen tanzennach. Die denken sich, das sei fesch.

Der SP-Bürgermeister von Ebensee hatar gumentiert, dass gerade die klare undintensive Aufarbeitung der Vergan gen heit

in Ebensee bei diesen Jugendlichen dieGe genbewegung ausgelöst haben könnte:genau dagegen zu provozieren.

Das kommt dann langsam an die Ar -gumentation heran, die Juden sindam Antisemitismus selbst schuld.

Wenn Sie weniger über Antise mi tis musreden: Wird er verschwinden?

Die Vergangenheitsbewältigung ist jaunbestritten, sich dagegen zu stellenist aber ein einfacher Tabubruch. DasProblem an der Vergangenheits be wäl - tigung ist die österreichische Selbst -einschätzung: Am Anfang war Öster-reich nur das erste Opfer, dann hießes bei Waldheim „Jetzt erst recht”, unddass „alle nur ihre Pflicht getan” hätten.Es wurde verniedlicht. Es ist auch heu - te eine Kultur der Bagatelli sie rung: „Na,mein Gott, das sind doch nur Ju gend tor -heiten.” Oder: „Man kann doch diesemalten, kranken Mann keinen Kriegs ver -brecherprozess machen”, heißt es da. Dasist die Stimmung. ich war diese Wo chebei einer Podiumsdis kus sion zumThe ma Verbotsgesetz im Juridicumeingeladen, bei der junge Rechte ver-suchten, die Veranstaltung lautstark zustören. Das erinnerte mich an dieStim mung in den frühen Sieb zi ger jah -ren, als die Auseinander set zun gen anden Universitäten mit den Rechten ge -walttätig ausgetragen wur den. Wennmeine Theorie nicht stimmt, wonach dieFPÖ mit ihrer Stim mungs mache da -

"Es hat etwas zu tun mit einer Kulturder Verharmlosung in diesem Land”

IKG-Präsident Muzicant im Gespräch mit Rainer Nowak

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Mai 2009 - ijar 5769 11

hin ter steckt, dass die extreme RechteMorgenluft wittert, dann geben Siemir ihre Er klärung, wa rum es dieseHäu fung von rechtsextremen Vorfäl lengibt.

Ich habe keine, ich weiß es nicht.

Die FPÖ instrumentalisiert die Angstvor der Wirtschaftskrise und vor denAusländern für ihre rechtsextremeHetze. Statt dass ein nachbar schafts -problem gelöst wird, bezeichnet dieFPÖ die Demonstration gegen dasislamische Zentrum im 20. Bezirk als„Marsch auf das Rathaus”. Kommtih nen das nicht bekannt vor? Da müs -sen doch alle Alarmglocken läuten.Wo sind wir denn? Weil dort ein paarJugendliche tanzen oder beten, gehtdas Abendland unter?

Aber wir waren doch schon weiter? Siehaben doch auch schon die Stimmung imLand vor wenigen Jahren wesentlich posi-tiver gesehen.

Das ist die Entwicklung der vergan-genen zwei oder drei Jahre. Warumlegt denn die FPÖ so dramatisch zu?Man kuschelt und verharmlost, nur dieWiener SPÖ hält da dagegen. AuchEbensee wäre nicht passiert, wenn manin der Affäre Graf gesagt hät te, da isteine rote Linie, die wird nicht über-schritten, der wird nicht ge wählt. Statt -dessen werden „Erklä run gen verlangt”und Lippen be kennt nis se abgegeben.

Glauben Sie wirklich, dass der Vorfall inEbensee nicht passiert wäre?

Ja, ich glaube das. Da ist eine Grund -stimmung in Teilen der Bevölkerung,die Hydra erhebt wieder ihren Kopf.Es gibt in Österreich keine Gefahr vomLinksextremismus, die Gefahr vonrechts sehe ich. Haben Sie den Artikelin „Zur Zeit” gelesen (Herausgeber An -dreas Mölzer, Anm.)? Da heißt es ganzunverfroren, dass „die jüdischen Spe -ku lanten und Betrüger vom Groß for mateines Alan Greenspan, George Soros oderBernard Madoff” schuld an der Welt wirt -schaftskrise seien, und Möl zer wirdvon zehntausenden Österreichern insEuropäische Parlament gewählt. Die -se Rechtsextremen sind nur eine Min -derheit, aber sie fühlen sich stärkerund sie sind gefährlich, weil sie ver -hetzen, neid und Hass schüren, dieÄngste der Menschen missbrauchen.

Aber wird zu wenig gesetzlich unternom-men?

Die Exekutive hat das gut im Griff.Aber die Staatsanwaltschaft verfolgtvieles nicht mehr.

Aber was soll man denn Ihrer Meinungnach tun? Franz Vranitzky hat mit seinervölligen Ablehnung jedweder Kooperationmit der FPÖ die Rechten auch nur stärkergemacht.

Dann macht sie das eben stärker, aberden Rest des Landes macht es nichtschwächer. Und irgendwann ist esdann vorbei, so wie Le Pens Zeit inFrank reich abgelaufen ist. Das mussman länger durchhalten. Das ist keineAusgrenzung, das ist eine notwendi-ge Abgrenzung.

Stimmen Sie dem Wiener Bürgermeisterzu, der die Methoden der FPÖ mit denender Nazis verglichen hat?

Ja, das kann man sagen. Und wennich den Herrn Kickl (Herbert, Gene ral -sekretär der FPÖ, Anm.) höre, erin nertmich dieses Gehetze und die Sprachean Joseph Goebbels.

Aber die FPÖ ist doch demokratisch legi-timiert?

Ja klar, das sagt auch Andreas Mölzer.Aber das Argument ist falsch. 1933war Adolf Hitler auch demokratischlegitimiert. Man hat mit ihm zusam -men gearbeitet. Hitler hat sich späteran die Macht geputscht. nicht, dassich das nun befürchte. Aber man mussjetzt auf die Wirtschaftskrise rea gie renund den Rechten den Boden entzie-hen, am besten mit einer öffentlichen

Beschäftigungsoffensive und ver-stärkter Solidarität zwischen allen Be -völkerungsschichten, mehr Steuer ge -rechtigkeit und einem „new Deal”,wie ihn Präsident Roosevelt in denDreißigerjahren vorexerziert hat.

Mit einer Reichensteuer?

Diesen Begriff lehne ich ab. Aber eineVermögenszuwachssteuer wäre dochlogisch und vor allem gerecht. Wa rumsoll ein Gewinn auf einen immo bi li en -verkauf nicht besteuert werden? Et -wa mit der ganz normalen Kapitaler-trags teuer? Warum gibt es keine hö -he re Grundsteuer? Warum gibt esangesichts der massiven Arbeits lo sig - keit keine weiteren Maßnahmen desStaates, die auf Solidarität und Ge -rechtigkeit basieren?

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12 Mai 2009 - ijar 5769

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Beratungsstellen gegen Rechtsradi -ka lismus und eine Bildungs of fen -

sive for dert das Mauthausen KomiteeÖs terreich (MKÖ) von der Bundes re -gie rung. Die aktuellen Ereignisse inEbensee oder in Auschwitz zeigten,dass Jugendliche in Österreich viel zuwenig über die Verbrechen des na -tionalsozialismus wissen, sagte MKÖ-Vorsitzender Willi Mernyi am 15. Mai,bei der Präsentation eines Maß -nahmenkatalogs in Wien.

Deutliche Kritik übte Mernyi an derBun desregierung: „Ebensee war einWeckruf, und dieser Weckruf muss ge hörtwerden.” Mit einer Politik nach demMotto „Ball flachhalten” könne mandieses Problem nicht lösen, „Neonazisgehören nicht beobachtet, sondern be -kämpft”.

Der evangelisch-lutherische BischofMichael Bünker zeigte sich beunruhigtüber die nachrichten „aus dem finsterenHerzen Österreichs” und plädierte da -für, Rassismus und Fremden feind lich - keit „sensibel auch im privaten Um feld”wahrzunehmen. „Bei uns rufen be sorg -te Eltern an, weil sie bei ihren Kin dernseltsame Zeichen sehen und nicht wissen,wie sie damit umgehen sollen”, berichteteMernyi. Anders als etwa bei der Dro -gen- oder Sektenberatung gebe eskeine Stelle, an die sich Eltern oderLehrerinnen wenden können.

Zusätzlich zu Beratungsstellen brau-che es eine breite Bildungsoffensive.Dazu will beispielsweise auch dasPlan spiel „miramix” beitragen, dasdas Mauthausen Komitee entwickelthat. Für die breite Verteilung fehltjedoch das Geld, ebenso gebe es zu we -nig Guides für die Führungen durchMauthausen. immer wieder müsstenAnfragen von Schulen mangels Ka -pa zität abgelehnt werden. Derzeitwerden, so Mernyi, 35 neue ehren-amtliche Mauthausen-Guides ausge-bildet. Damit können weitere 300Führungen für 7.500 Jugendliche statt - finden. Rund die Hälfte der Gui dessind Frauen, ein Drittel hat migranti-schen Hintergrund. „‘0815’-Füh run -gen bringen nichts”, meinte Mernyi, esgehe immer darum, bei der Lebens -wirklichkeit junger Menschen anzu-setzen und sich auf die jeweiligeunterschiedliche Zielgruppe zu kon-zentrieren. Sara-Lydia Husar ist einedieser jungen Guides. Das Erinnernan die Opfer sei wichtig und ein län-

gerer Prozess in der Begegnung mitJugendlichen, wobei auch die Vor-und nachbereitung an den Schuleneine entscheidende Rolle spiele, sagteHusar.

Angeboten werden vom MKÖ ab so -fort auch eigene „Zivilcourage-Trai -nings”. Bei diesen Workshops sollenJugendliche dafür gerüstet werden,im Kontakt mit neonazis und anderenRadikalen richtig handeln zu können.„Wir leben nicht in einem Land, das sichdurch Glanzleistungen der Zivilcouragehervortut”, sagte Bischof Bünker, derdas Zivilcourage-Training „auch fürErwachsene” gut fände. Verantwor -tung sieht der Bischof auch bei derPo litik: „Zivilgesellschaftliche Verwur -ze lung kann nicht von oben verordnet,aber ermöglicht werden.” Es sei beschä-mend, wie spät sich Österreich dereigenen Vergangenheit gestellt habe.Zwar werde der Grundkonsens ge genRechtsradikalismus immer wiederbeteuert, dennoch sei zu fragen, ob er„an der Basis der Gesellschaft angekom-men oder bloß Lippenbekenntnis ist”.Ebenso sei kritisch zu hinterfragen,ob es „ein politisches Feld gibt, das Ju -gendliche für ihre nicht verstehbaren undnicht entschuldbaren Handlungen alsErmutigung verstehen”.

Dass die FPÖ mit Slogans wie „Abend -land in Christenhand” für die EU-Wahlwirbt und FPÖ-Chef Heinz-ChristianStrache bei der „Anti-Moschee-Demo”in Wien demonstrativ ein Kreuz ge tra -gen habe, ist für Bischof Bünker „inhöchstem Maße fahrlässig”. Reli gi öse

Symbole zu „missbrauchen” sei ge -fähr lich, da religiöse Gefühle tiefeEmo tionen auslösen könnten, die auchzu negativen Handlungen führenkönnten. Die evangelische Kirche dis-tanziere sich ganz deutlich davon.

Auch Mernyi zeigte sich besorgt:„Wenn linke Demonstranten ‘Nazis raus’rufen und aus der Demonstration kommtzurück ‘aus dem Gefängnis!’, ist das an -gesichts des Vorfalls in Ebensee mehr alsgrauslich.” epdÖ

Lesen Sie in unserer nächsten Ausgabe einenausführlichen Bericht zum Thema „Ver mitt -lungs arbeit rund um die KZ-Gedenk stätteMauthausen”

Sara-Lydia Husar, Willy Mernyi und Bischof Michael Bünker beim Pressetermin.

Nach Ebensee: MauthausenKomitee fordert Bildungsoffensive

Ehemaliger Ku-Klux-Klan-Führer lebt jetzt in Österreich

in Prag saß er in Haft, in Zell amSee ge nießt er Freiheit: Ein ehema-liger An führer des rassistischenKlans wird in Salzburg geduldet.

Ein führender Aktivist der interna-tionalen rechtsextremen Szene hatof fen bar Gefallen an den österrei-chischen Bergen gefunden: DerAmerikaner David Duke, 59, ehe-maliger Ku-Klux-Klan-Führer,Teil nehmer der Holo caust-Leug -ner-Konferenz in Teheran undöffentlicher Unterstützer des Ho -locaust-Leugners Ernst Zündel.Duke tritt regelmäßig bei Ver an -stal tungen rechtsextremer Grup -pen auf, vor al lem in Deutschlandund Russ land.

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Mai 2009 - ijar 5769 13

Zum ersten Mal musste eine Schulevon der Holocaust Geschichts- undGedenkreise nach Polen und Au -schwitz-Birkenau nach Hause ge -schickt werden. nach drei Reisen mitrund 1.000 Teilnehmerinnen kam eszum ersten Mal vor, dass von MoRaHeine Aktion wie diese gesetzt werdenmuss te. in Anwesenheit von Holo -caust-Op fern und nachkommen wur -den neonazistische Handlungen undantisemitische Äußerungen getätigt,ein Schuler aus einer anderen Schuletätlich angegriffen, den MoRaH-Team -mitgliedern tätliche Gewalt ange-droht und der gesamte organisatori-sche Ablauf stark belastetDie drei Begleitlehrerinnen – wäh-rend der Reise fur das disziplinäreVer halten ihrer Schulerinnen und dasSetzen von disziplinären Maßnah menverantwortlich – haben diese Ver -antwortung, auch nach mehrmaligerAufforderung, bis zur Abreise, nichtwahrgenommen.

Die Reise begann schon mit denWor ten aus den hinteren Reihen: „Aufins KZ!“ und allgemeinem Geläch ter –wurde von Seiten der Lehrer abernicht weiter kommentiert. DieseWortmeldung gewinnt besonders anSchwere, da ein Holocaust Überle-bender mit im Bus saß. Die Schuler -innen werden von der MoRaH-Reise -bus leiterin verwarnt. ... Während desRundgangs durch das judische Vier -tel von Krakau, stellt sich heraus, dassSchulerinnen schwerwiegende Vor -ur teile gegen Juden haben. Dies gehtvon „alle Juden sind reich und in allenwichtigen Machtpositionen“, bis „dieJuden hauen einen nur ubers Ohr“ und„es muss einen Grund geben, warum alledie Juden umbringen wollten“.

nachdem sich der Eindruck verfe-stigt hatte, dass die Schulerinnen nichtauf das Programm, das sie erwartet,vorbereitet waren, wurden die Leh rer - in nen gebeten, noch einmal mit ih nenuber den Tag in Auschwitz–Birkenauzu sprechen. Den Ablauf, die Hin ter -grunde und den Gedenkmarsch zuerklären. Vor allem, auch in Hinblickdarauf, dass an dem Tag Überlebendeanwesend sein wur den und Men -schen, die in Auschwitz Angehörigeverloren h a ben. Von Lehrerseite

meinte man: Die Organisatoren hät-ten den Marsch bereits erklärt undman solle sich keine Sorgen machen...

Bei der Besichtigung von Au schwitzfallen weitere geschmacklose Bemer -kun gen: Auf einem der ausgestelltenKoffer steht der name „Gescheit“,wo raufhin ein Schuler meint: „Na sehrgscheit war er nicht, der Gescheit. Wenner in den Zug eingestiegen ist.“ Wasseine Freunde auch recht belustigte.

Das MoRaH-Team ging zu Beginnnoch davon aus, dass die Bemer kun -gen auf die ungewohnte Beschäfti -gung mit der Thematik zuruckzu fuh -ren seien. Denn es stellte sich baldheraus, dass die Mehrheit der Schüler -innen von den Leh rer innen auf diesesProgramm nicht vorbereitet wordenwaren und diese einen Teil der Schü -lerinnen gar nicht kannten.

MoRaH hat allen Begleitlehrerinnenim Vorfeld der Reise die Teilnahme anei nem Workshop empfohlen, in demsie auf die Reise und die Arbeit mitden Schu lerinnen vorbereitet werden.Dieser Vorbereitungsworkshop waräußerst gut besucht, wurde aber vonden Lehrerinnen der Albertgasse nichtin An spruch genommen. Daruberhinaus wurden von den Veranstalternalle Pä da go ginnen an geschrieben, sichan die psychosoziale Betreuung zuwen den, wenn es Schwierigkeiten beiSchulerinnen geben könnte. Auch die-ses An ge bot wur de von der Albert -gas se nicht genutzt, obwohl die Leh -rerinnen die Problematik zu mindesteines der Schuler gekannt haben. imGegenteil, es wurden MoRaH kei nein formationen uber bekannt schwieri -ge Schuler weitergeleitet, die auf die-ser Reise dabei waren.

„March of Remembrance andHope – Aus tria“ („MoRaH“)

ist ein gemeinnütziger Verein, der mit österreichi-schen Schülern und Schü le rinnen zu sam men arbei-tet. Er steht unter dem Ehrenschutz von National -rats prä sidentin Mag.a Barbara Pram mer.

Der Verein organisiert jähr lich eine mehrtägigeGe schichts- und Holo caust-Gedenkreise mit ös -terreichischen Schü lerInnen nach Polen. Die Ju -gend lichen kommen an unterschiedlichen Ortenzum Nachdenken und werden von Tourguides, psy -chosozialen Be treuerInnen, organisatorischen Rei - sebusleiterInnen und ZeitzeugInnen (Opfer undGe rech te) begleitet.

„Auf ins KZ!“ oder warum die BRG-Albertgasse vorzeitig von Auschwitz nach Hause fahren musste

Erste Reaktionen auf Ebensee

„Unfassbar, niederträchtig, beschämend!” Mitscharfen Worten verurteilte Na tio nalrats prä -si dentin Barbara Prammer umgehend die Er -eig nisse vom Wo chenende in der KZ-Ge denk -stätte Ebensee.

Entsetzt reagierte auch Kultur stadt rat An dreasMailath-Pokorny sofort auf den schockieren-den Überfall.

„Die Vorfälle von Ebensee sind schockierendund beschämend. Ich fordere die Bundes re -gierung auf, sich im Namen der Republik Ös -terreich offiziell bei den Teil nehmerInnen ausFrankreich und Italien zu entschuldigen”, soKarl Öllinger, Abgeordneter der Grünen.

„Die untragbaren Vorfälle zeigen die Wich tig -keit des Erinnerns und die Bedeu tung des uner-müdlichen Kampfes ge gen Intoleranz, Faschis -mus und Rechts ex tremismus auf”, so Unter -richts minis terin Schmied. Gelungene politi-sche Bildung sei „ein wesentlicher Beitrag fürdie friedliche Zukunft unseres Lan des”.

... seitens der Regierungsspitze gibt es nochimmer keine Entschuldigung bei den Opfernder Neonazi-Attacke von Ebensee

Zitate

"Ich möchte mich auch bei den Christen be -dan ken, dass sie den Mut gehabt ha ben, mituns Nazis zu gehen. Langsam finde ich dasschon als einen Ehrentitel." - so die Sprecherinder Anti-Moschee-Bür geri nitiative „Moscheeade!” in der Dammstraße, Hannelore Schus ter.

Der freiheitliche Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Andreas Mölzer, be für ch tet, die Strafenfür die mutmaßlichen jugendlichen Täter vonEben see könnten womöglich nicht verhält-nismäßig ausfallen.

Die Vorfälle in Ebensee seien „zwar zu verur-teilen”, meinte H.C. Stra che am Par teitag, erpräsentierte aber auch eine an de re Sicht derDinge: Die mutmaßlichen Täter - laut Stra cheaus ro ten und schwarzen Eltern häu sern - hät -ten in dem Stollen „Woche für Wo che ge spielt”.Am Tag der Er eignisse sei es zuerst zu einemStreit zwischen den Jugendlichen und den Be - su chern gekommen, wobei es in Fol ge zu„blö den Sa gern” gekommen sei. Die Burschen ge hören „an den Ohren ge zo -gen”, mit ihnen „Klar text geredet” und ihneneine „ordentliche Tach tel” gegeben. Jedoch ge -hör ten sie nicht „wo chen lang in U-Haft ge -nom men”.

„Glawischnig und Co. sind mittlerweile die ein -zigen in der Republik, die ein paar Bu ben aufGrund pubertärer Dummheiten für Jahre ins Ge - fängnis sperren wollen!”

FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky

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14 Mai 2009 - ijar 5769

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Prozess in Paris über einen Foltermord

an der Schnittstelle zwischen Jugendkriminalität

und Judenhass

Sie nannten ihn „den anderen“, sietraktierten ihn mit Messerstichen undbrennenden Zigaretten. Sie hielten ihn– zu einem Bündel verschnürt unddadurch regungslos – bei Minusgradenin einem Keller gefangen. Über dreiWochen dauerte das Martyrium vonIlan Halimi, einem 23-jährigen PariserJuden, der im Januar 2006 von einerBande junger Vorstädter entführt worden war, um von „den reichenJuden“ Lösegeld zu erpressen.

Doch die geforderte Summe erwiessich als nicht rasch genug eintreibbar –Halimi war bloß Angestellter in einemkleinen Telefonladen, seine Mutter eineAlleinerzieherin von drei Kindern mitgeringem Einkommen. Schließlichwurde Halimi getötet.

Jetzt stehen 27 Täter und Komplizenvor einem Geschworenengericht inParis. Der Prozess, der bis Juli anberaumt ist, verdeutlicht dieBedrohung, die auf Juden in städtischen Problemzonen lastet - ander Schnittstelle zwischen brachialsterJugendkriminalität und antijüdischemHass. Dieser wird von islamischenFundamentalisten und ihrenVerbündeten geschürt. Zu letzterenzählt der in Migrantenvierteln populäreBühnenkünstler Dieudonné, der beiden EU-Wahlen mit einer „anti-zionistischen Liste“ antritt.

VON DANNY LEDER, Paris

„Allah und sein Prophet haben die Judennicht gern“, hatte der Boss der Ent füh -rer, Youssouf Fofana, in einem Verhörnach seiner Festnahme erklärt undda mit auch seine Haltung für denProzess vorgegeben. So streckte derHauptangeklagte gleich am erstenPro zesstag, bei Eintritt in den Ge richts -saal, den Zeigefinger hoch und rief„Allah“. Als ihn die Richterin nachseinem namen fragte, erwiderte er:„Arabs - das heißt bewaffnete afrikanischebarbarische salafistische Revolte“. Aufdie Frage nach seinem Geburtsdatumantwortete der 28 Jährige Fofana: „13.Februar 2006“ – das Sterbedatum vonHalimi.

Am zweiten Prozesstag drohte Fo -fa na den Geschworenen, ihre Fotoswürden ins internet gestellt und einKopfgeld auf sie ausgeschrieben wer-den – je nach Urteilsspruch. Am drit-ten Prozesstag verhöhnte er die Fa -milie des Opfers: „Ihr hättet doch nurzahlen brauchen“.

Tatsächlich hat Fofana kaum mehretwas zu verlieren: eine Verurteilungzu lebenslanger Haft scheint ihm ge -wiss - im Gegensatz zu den 26 Mit an -ge klagten, von denen einige nun-mehr versuchen, sich reuig zu geben.ihre Anwälte beteuern, sie wären vonFofana verführt worden. Fast alle kla-gen über ihre Haftbedingungen (siemussten während eines Streiks derGe fängniswärter die Haftanstalt wech - seln und konnten deswegen zweinächte nicht ausschlafen).

ihr Opfer, ilan Halimi, hatte in ei nemTelefonladen auf dem volkstümlichenPariser Boulevard Voltaire gearbeitet.Dort war er von einem Mädchen an -ge sprochen und zu einem Rendez-vous gelockt worden, bei dem er vonFofana und seinen Kumpanen über-wältigt wurde.

Er wurde in einem Plattenbau imVorort Bagneux festgehalten. Mehreresei ner Bewacher misshandelten Hali miregelmäßig, weil sie „Juden nicht moch -ten“. Dass hinderte sie nicht daran, inder Zwischenzeit zu ihren Eltern zu -rückzukehren, damit diese „mit ihnennicht schimpfen“. Einer gab zu Pro to -koll, er habe als gläubiger Muslimdarauf geachtet, in der elterlichenWoh nung die „versäumten Tagesgebetenachzuholen“.

Auch Fofana hatte sich in den letztenJahren vor der Entführung Halimiseiner demonstrativen Befolgung desislams zugewandt. Den Anstoß zurislamischen Frömmigkeit habe er beiseinem Gefängnisaufenthalt erhalten,erklärte der wegen Raubüberfällemehrfach vorbestrafte Fofana. in sei-nem Umkreis galt er als „Kaid“ (einarabisches Wort für „Chef“, das imaktuellen französischen Sprachge -brauch den Boss einer kriminellen Ju -gendclique kennzeichnet). Gelegent -lich ließ sich Fofana als „Usama“ oder„Mohammed“ ansprechen. Er wurdeauch „der Große“ gerufen, der sichmit Einschüchterung und BrutalitätGe horsam verschaffte. Seine Mutter,die aus der Cote d’ivoire (Elfenbein -küste) eingewandert war, und alleinesieben Kinder erzog, hielt Youssoufallerdings für einen unreifen Versa -ger: „Er kann gar kein Kaid sein, er be -kommt von mir noch Taschengeld. Daspasst nicht zusammen.“

Dabei war es Fofana, der sich „dieEntführung eines Juden“ ausgedachtund dafür auch eine ideologische Be -gründung geliefert hatte. „Seiner(Fofanas) Ansicht nach, fressen die Ju dendas Geld des Staates, während er, alsSchwar zer, vom Staat als Sklave betrach-tet wird“, gab das iranisch-stämmigeMäd chen zu Protokoll, dass in Fofa -

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nas Auftrag Halimi in die tödlicheFalle gelockt hatte.

Seine Bande hatte bereits versuchtmehrere andere Juden zu kidnappen,war aber stets gescheitert, bevor sieHa limis habhaft werden konnte. DenTelefonladen, in dem Halimi als An ge -stellter arbeitete, hatten sie als „jü -disch“ ausgekundschaftet, weil erSamstags sperrte.

Der Familie Halimis ließ Fofana ei -ne Lösegeldforderung in der Höhe von450.000 Euro zukommen. Die Muttervon ilan Halimi, ebenfalls eine Al lein -er zieherin von drei Kindern und An -gestellte mit kleinem Einkommen,konnte diese Summe nicht auftreiben.Fofana war freilich der Überzeugung,dass „die Juden reich sind, und einer ver-schworenen Gemeinschaft angehören, diebereit ist zu zahlen“. Fofana wandte sichdaher mit seiner Lösegeld for de rungauch an einen x-beliebigen Rabbiner.

Es war auch Fofana, der Halimischließlich erstach, mit Benzin über-goss und anzündete. Danach flüchteteer in die Elfenbeinküste. Dort unter-nahm er allerdings keine Anstalten,um sich zu verstecken, sondern be -kann te sich zur Entführung Hali misund präsentierte sich als Wider stands -kämpfer der Schwarzen gegen denRassismus der Weißen. Auf Druck derfranzösischen Regierung wurde er anFrankreich ausgeliefert.

Während der Vorbereitung des Pro -zesses engagierte Fofana der Reihenach nicht weniger als 30 Anwälte,die er gleich darauf, meistens beglei-tet von beleidigenden Schreiben, wie-der entließ.

Es wäre aber verfehlt, die Tat aufFofanas krankhafte Persönlichkeit unddie naivität einiger seiner jungenKomplizen zu reduzieren. Schon seitJahren häufen sich in Frankreichsstädtischen Randvierteln Übergriffegegen Juden, die Täter sind überwie-gend Jugendliche aus moslemischen

Einwandererfamilien. Dabei vermi-schen sich, wie bei Fofana und seinerTruppe, psychische Labilität, sozialeVerwahrlosung, brachiale Jugend kri -mi nalität, radikal-islamische Pro pa -ganda und antijüdischer Hass. Judensind zwar bei weitem nicht die einzi-gen Opfer der Jugendgewalt, sie sindaber besonders gefährdet, auch wennFrankreichs Politiker und Behördenauf antijüdische Taten meistens raschund scharf reagieren.

Beim Spiel im Schulhof muss sichder Verlierer dafür entschuldigen,Jude zu sein

in Frankreich leben sowohl die mei-sten Juden Europas (rund 600.000) alsauch die meisten Moslems (etwa fünfMillionen). Die Mehrheit beider kon-fessionellen Gruppen stammt famili -en geschichtlich aus Frankreichs Ex-Kolonien in nordafrika, Angehörigebeider Gruppen wohnen oft noch Türan Tür in Migrantenvierteln. Aber diephasenweise anschwellenden Ge -waltakte und die dauerhafte An ma -che haben zum Auszug vieler Judenaus den unruhigsten Vorstädtennördlich von Paris geführt.

Die Anfeindungen sind diesen Ju -den teilweise sogar bis nach Paris ge -folgt, und zwar in die volkstümlichennordöstlichen Bezirke, wo sich heutejüdische Familien in besonderem Aus -maß konzentrieren. Dort kam es in denletzten Jahren ebenfalls zu Attac kenvon Jugendlichen aus nord- undschwarz afrikanischen Familien aufJuden, gelegentlich konnten sich jüdi-sche Jugendliche zur Wehr setzen.

Mit welcher Selbstverständlichkeitdie Stigmatisierung der Juden in denstädtischen Problemzonen gehandhabtwird, wurde am Rande einer Kam pa -gne gegen Vorurteile der Bewe gung„SOS-Rassismus“ wieder deutlich.Aktivisten dieser Bewegung veran-stalten gemeinsam mit Vertretern der„Union jüdischer Studenten Frank -reichs“ in Schulklassen im Parisernordosten Diskussionen und Rollen -spiele unter dem Titel: „Coexist“.Eine Journalistin des ‘Le Monde’ be -gleitete die Aktivisten in ein Collège(Unterstufen-Gesamtschule). Dabeierfuhr die Journalistin eher zufälligvon einer Lehrerin, dass im Schulhof

ein Katz-und Maus-Spiel Anklang ge -funden hatte, das die Kinder ‚Chat-Feuj’ (Katze-Jude) nannten. Berührtedie ‚Katze’ einen Schüler, musste die-ser niederknien und sich dafür ent-schuldigen, ein Jude zu sein. Das Spielwurde schließlich verboten.

im Bagneux, dem Ort der Entfüh -rung, hatte zwar die linke Rathaus -mehr heit Trauerkundgebungen fürHalimi organisiert, an der Persön lich -keiten und Jugendliche aus den di ver -sen Einwanderergruppen und darun-ter auch moslemische Würden trägerteilnahmen. Jüngere Teilneh mer miss-billigten aber im Einzelgespräch, wassie als eine „unbegründete Hervorhe bungdes Antisemitismus“ empfanden. DieseTendenz prägte generell den anfäng-lichen Umgang der Polizei- und Jus -tiz behörden und eines Teils der fran-zösischen Öffentlichkeit mit diesemFall: die Entführung von Halimi wäreeine rein kriminelle Angelegenheit.Die jugendlichen Täter wären zu„dumm und ungebildet“, um als An -hän ger einer (antijüdischen) ideo lo -gie eingestuft zu werden, meintenPolizei- und Justizsprecher.

Die Mutter von ilan, Ruth Halimi,antwortete wiederholt auf diese Sicht -weise. Zuletzt in einem gemeinsammit der Journalistin Emilie Frèche ver -fassten Buch („24 Jours“, Editions duSeuil): „Demnach können sie (die Ent füh -rer) keine Antisemiten sein, weil sie sich‚gedanklich auf dem Niveau Null’ befin-den würden, wie der Staatsanwalt erklärt

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Das Begräbnis von Ilan Halimi

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hatte. So als hätte die SS nur unter ‚kulti -vierten’ Menschen rekrutiert und nichtunter kriminellem Abschaum. Aber derHass gegen Juden war wohl nie eine Fra -ge der Intelligenz“. Fofana hatte seinetelefonischen Lösegeldforderungenan die „jüdische Gemeinschaft“ ge -rich tet, und dabei Passagen aus demKoran vorgesungen.

„Wie kann man sich der Einsicht ver-weigern, dass islamistische TV-Satelit ten - sender, aus denen sich antisemitischerHass ergießt, die jungen Entführer beein-flusst haben?“ fragt Ruth Halimi in ih -rem Buch.

in den Verhören der Entführer tratder spezifische Judenhass als „Ze mentdieser Gruppe“ (so der Sozio lo ge Di -dier Lapeyronnie) aber derartig in Er -scheinung, dass auch die die Staats -anwaltschaft schließlich nicht umhin

kam, in der Anklage von „vorsätzli-chem Mord wegen der tatsächlichen odervermeintlichen Zugehörigkeit des Opferszur einer bestimmten Religion“ zu spre-chen – ein erschwerender Tatbestand.

in der Siedlung, in der Halimi fest-gehalten wurde, und wo der Kreis derPersonen, die über ein vages Mit wis -sen verfügten, ziemlich breit gewesensein dürfte, stößt man heute oft aufdas übliche larmoyante Selbstmitleid:man sei „wegen der Medien“ in Verrufgeraten und würde noch immer unterdiesem „imageschaden“ leiden, kla-gen Einwohner.

Dahinter steckt freilich auch die an -hal tende Angst vor gewaltbereiten Ju -gendcliquen. Bei etlichen Halb wüch -sigen vor Ort genießt Fofana eine un -gebrochene Aura der Bewunderung.

Das Sprachrohr des antijüdischenRessentiments wird mit TV-Werbespots zündeln

Zeitgleich zum Prozess um die Er -mordung Halimis ist ein antijüdischerHetzer wieder in den öffentlichenBlick punkt gerückt. Der KomikerDieu donné Mbala Mbala kandidiert ander Spitze einer „anti-zionistischenLis te“ bei den EU-Wahlen im Groß -raum um Paris.

Der Sohn eines Kameruners undeiner Französin ist in den letzten Jah -ren zum Sprachrohr des antijüdischenRessentiments in den Migran ten vier -teln geworden. Einst eroberte der ein-fallsreiche und vielfältig be gabteBüh nenkünstler im Duo mit einemjüdischen Komiker, Elie Se moun, einbreites Publikum. Doch dann trenn-ten sich die beiden, und „Dieudonné“(so sein Bühnenname) ätzte fast nurmehr über „die Zionisten“. in inter -views wurde er explizit: die Judenseien „Nachfahren von Sklave n händ lern“,die Beschäftigung mit dem Holocaustsei „Erinnerungs-Pornographie“. Die„jüdische Lobby“ würde „die Schwarzenhassen, weil sie das Leiden verkörpern, dasdie Juden als ihr Geschäft beanspruchen.Jetzt genügt es, den Hemdsärmel hoch zukrempeln, um seine (KZ-) Nummer her -zu zeigen, und schon hat man Anrecht aufAnerkennung.“

Das war besonders infam, zumal dieBewegungen gegen anti-schwarzenund anti-arabischen Rassismus viel-fach von jüdischen Aktivisten getragenwurden. Aber mit diesen Sprüchenlieferte Dieudonné perspektivlosenJu gendlichen in Vorstädten einen Sün -denbock für ihre schwierige Lage –noch dazu einen Sündenbock, an demman sich leichter vergreifen konnteals an der französischen Mehrheits ge -sellschaft.

inzwischen ging Dieudonné mitdem Rechtsaußen-Tribun Jean-MarieLe Pen auf Tuchfühlung. Er ließ beiseinen inszenierungen Frankreichsprominentesten Holocaust-Leugner,Robert Faurisson, auftreten.

Trotzdem verfügt Dieudonné nochimmer über beträchtliche Beliebtheitvor allem in den Vororten, bei Musli -men aus nord- und Schwarzafrika,sowie bei Jugendlichen aus Familien,die aus den französischen Karibik -

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Paris, 23.02.06. - Gedenkveranstaltung für Ilan Halimi in der „Grande Synagogue de la Vic toi re”

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inseln stammen. Ein Teil der Muslimeund Franko-Araber sind über seinepausenlosen Tiraden gegen israel be -geistert, ein Teil der schwarzen Fran -zo sen sehen in ihm ein Opfer weißerDiskriminierung. Vor allem aber be-stärkt Dieudonné die in Migranten -vier teln zirkulierende Vorstellung, dieman als „antijüdische Weltan schau -ung“ bezeichnen könnte. Darin wer-den „die Juden“ als allmächtigerHerrschaftsklan dargestellt und fürsoziale Ausgrenzungen verantwort-lich gemacht, die Franko-Araber undschwarze Franzosen in der französi-schen Gesellschaft erleiden. Dem -entsprechend erklärte Dieudonné beider Pressekonferenz für den Start sei-ner EU-Wahlkampagne, „das zionisti-sche System“ sei auch in Frankreich ander Macht, wogegen sich der Auf standder „Sklaven“ richten werde – alsofast wortwörtlich die Hirnge spins te,die Youssouf Fofana von sich gibt.

Präsident Sarkozy versucht gegenzusteuern und erntetMisstrauen

Die Gefahr, die von Dieudonné aus-geht, liegt kaum im Bereich seiner vor -aussichtlich geringen Wahlergebnis se,sondern in der unterschwelligen An -stachelung der Gewaltakte gegen Ju -den in städtischen Randvierteln. Dieu -donné will seine Kampagne mit einerBustournee in den Vororten, und na -mentlich in jenen Gegenden beginnen,wo jüdische Gemeinschaften nochprä sent sind. Vor allem aber wird erals Kandidat über kostenlose Sende zeitfür Wahlwerbung in TV-Sendern ver-fügen. Seine Hetze könnte dann einMillionenpublikum erreichen – mitsicherem Effekt auf die labilstenJugendlichen.

Darauf angesprochen, erklärte derGeneralsekretär des französischenPrä sidentenamts und wichtigste Mit -ar beiter von nicolas Sarkozy, ClaudeGuéant: „Kann man sich heute mit ei -nem offen antisemitischen Programm beiWahlen präsentieren? Das ist absolutskan dalös. Die Behörden überprüfen der-zeit, ob diese Initiative gegen das Gesetzverstößt. Ich bin aber nicht sicher, ob esuns gelingen wird (diese Kandidatur) zuverbieten“.

Diese Erklärung löste vorwiegend

ne gative Reaktionen aus. Die meistenPolitiker der SP- und Zentrums op po -sition verurteilten zwar in allgemei-ner Weise Dieudonné, ereiferten sichaber über einen vorgeblichen „Trick“von Sarkozy: Der bürgerliche Staats -chef würde Dieudonné durch dieseEr klärung erst recht aufwerten, undsowohl das Stimmenpotential derOpposition aufsplittern als auch „diejüdische Wählerschaft“ an sich bin-den wollen. Tatsächlich jubelte Dieu -don né über diese angebliche „Wahl -hil fe“ durch die Reaktion aus demUmkreis des Staatschefs.

Damit offenbart sich neuerlich dasDilemma, das seit Amtsantritt vonPrä sident Sarkozy, 2007, etliche Fran -zosen verspüren, die in Sachen Ju -den hass besonders hellhörig sind. imGrunde ist die besorgte Reaktion ausdem Umkreis von Sarkozy auf denVor stoß von Dieudonné völlig richtig:die Vorstellung, dass der geschickteDemagoge via TV-Einschaltungen einMillionenpublikum erreicht, ist tat-sächlich unerträglich. Schon allein dieZielvorgabe dieser Kandidatur, der„Anti-Zionismus in Frankreich“, den dieKandidaten wiederholt als Kampf ge -gen ein „in Frankreich herrschendes Sys -tem der Ungleichheit“ definiert ha ben,entspricht dem Tatbestand der Ver het -zung gegen die Juden.

Sarkozy hat stets, auch noch bevorer Präsident wurde, etwa als innen -mi nister, auf antijüdische Drohungen

mit besonderer Entschlossenheit rea-giert – was nicht heißen soll, dass dieübrigen französischen Spitzen politi kerweniger deutlich auf Gewaltakte ge -gen Juden reagiert hätten. So prägtesein Vorgänger, Jacques Chirac, denSpruch: „Wer einen Juden angreift,greift Frankreich an“.

Aber manchmal vermittelt Sarkozyeine ganz persönliche nähe zur jüdi-schen Schicksalsgemeinschaft. Zu -min dest wird das so von einem Teilder Juden empfunden und von Ju den - hassern auch so registriert, währenddie breitere französische Öffentlich-keit diesem Aspekt bisher kaum Auf -merksamkeit schenkte.

Sarkozy ist praktizierender Katho lik,er hat sich aber mehrmals spontan zuseinen jüdischen Vorfahren be kannt,ihr Schicksal hat ihn sichtlich geprägt(der Vater stammte aus einer protes -tantischen Adels-Familie aus Ungarn,von denen sich Teile vermutlich aufSeiten der ungarischen Faschisten en -gagiert hatten. Ein Großvater, mütter-licherseits, kam hingegen aus einerjüdischen Familie aus Griechenland,die von den nazis fast vollständig aus - gelöscht wurde. in Frankreich kon-vertierte dieser Großvater zum Ka tho -lizismus).

Ansatzweise taucht eine Art Gleich -setzung zwischen dem außerordent-lich polarisierenden bürgerlichenStaats chef und der jüdischen Minder -heit auf – auch wenn zahllose Persön -lichkeiten und Aktivisten mit jüdi-schem Hintergrund in den Reihen derlinken Oppositionskräfte wirken. Vorallem aber besteht die Gefahr, dassauch die richtigen und notwendigenReaktionen auf antijüdische Hetze vonOppositionsbewegungen miss trau ischbetrachtet oder sogar rundweg ver-worfen werden, nur weil sie vonSarkozy ausgehen.

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Dieu donné Mbala Mbala

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18 Mai 2009 - ijar 5769

Starker Anstieg rechtsextremerStraftaten in DeutschlandRechtsextreme Täter haben im vergan-genen Jahr zwei Drittel aller politischmotivierten Straftaten in Deutsch landbegangen. 2008 wurden insgesamt20.422 Delikte von dieser Gruppe be -gan gen, teilte das innen mi nisterium inBerlin mit. Das waren 16% mehr als2007. Erstmals seit 2004 brach ten rechteGewalttäter zwei Menschen um.

insgesamt erreichten die Polit-Straf ta -ten mit 31.801 erfassten Delikten denhöchsten Stand seit Einführung derStatistik im Jahr 2001. im Vergleichzum Vorjahr gab es einen Zuwachsvon 11,4%.

insgesamt wurden 1.937 Menschendurch politisch motivierte Gewaltta tenverletzt, fast genau so viel wie 2007.Un gefähr 60% waren Opfer rech ter Ge -walt. Mit einem Plus von rund 45% istdie Zahl der Sach be schä di gungensprunghaft angestiegen.

Ge stie gen ist auch die politisch mo ti -vierte Kriminalität von Linken undAus ländern. Links motivierte Täterver übten 6.724 Straftaten - 14,6%mehr als 2007. Darunter fallen Sach -beschädigungen im Zusam men hangmit Landtagswahlkämpfen und ge -walt tätige Auseinander set zun gen mitRechten. Den prozentual stärksten An -stieg weist die Statistik bei der poli-tisch motivierten Auslän der krimi na -lität aus. Erheblichen An teil daran hat -ten Ermittlungen ge gen Anhänger derverbotenen Arbei ter par tei Kur dis tans(PKK). in diesem Bereich schnell tendie Straftaten um 64,5% auf 1.484 De -likte nach oben.

Mit 24.605 - 18% mehr als 2007 - hatteder größte Teil aller Polit-Delikte ei nenextremistischen Hinter grund. Rund19.000 und damit vier Fünftel dieserDelikte be gingen Rech te. Links ex tre -me wurden mit 3.124 Fällen (+ 13%)und Aus län der mit 1.312 Fällen (+75,6%) erfasst.

Extremistische Gewalt ta ten von Rech - ten stiegen um 6,3% auf 1042. im lin-ken Spektrum gingen diese Taten um15,8% auf 701 zurück. Politisch rechtsmo tivierte Straftaten mit frem den -feind lichem Hintergrund stiegen 2008um rund 3% auf 2.950. Gewalttatenmit fremdenfeindlichem Hintergrundgingen um rund 7% auf 409 zurück.Politisch rechts motivierte Straftatenmit antisemitischem Hintergrund san -ken um 4,2% auf 1.496.

Wie das innenministerium auf eineparlamentarische Anfrage der Linke-Abgeord ne ten Petra Pau mitteilte,wurden im vergangenen Jahr 53 Fälle(Vorjahr 30) von Schändungen jüdi-scher Fried höfe registriert.

Propaganda für Neonazi aufHomepage des BundestagesDer Mann ist neonazi, verehrt RudolfHeß und verachtet die Bundes re pu -blik. Frank Rennicke genießt in derrechtsextremen Szene Kultstatus, weiler als Liedermacher Texte formuliert,die dem Gemüt seiner „Kameraden”entsprechen. Diesen Mann habennPD und DVU Anfang April als Kan -di daten für das Amt des Bundes prä -sidenten nominiert. Der Lieder ma cherkann sich der Abscheu aller De mo kra -ten gewiss sein, doch auf der Home -pa ge des Bundestages wurde Renni ckeüberraschend pfleglich behandelt.ne ben Bundespräsident Horst Köhlerund den Gegenkandidaten von SPD,Gesine Schwan, und Linkspartei, Pe terSodann, fand sich der neonazi alsKan didat - mit Foto und einer Be schrei - bung, die dem „Vorstellungs text” vonnPD und DVU entnommen ist.

Ohne distanzierenden Hinweis wur -de Rennicke als „jüngerer Bewerber fürdas Amt des Bundespräsidenten” und„na tionaler Barde” präsentiert, der „einemoderne, national-alternative Opposi ti ongetreu Artikel 20 des Grundgesetzes”ver körpere, „unbequem, nicht angepasstund volksnah”. Die nPD freute sichüber die Gratis-Propaganda und hat,was einmalig sein dürfte, in einer Pres -semitteilung auf die „netzad res se”des Parlaments verwiesen.

Jüdischer Friedhof in Oslo geschändet Unbekannte haben einen jüdischenFried hof in Oslo mit Hakenkreuzenund anderen Schmierereien geschän-det. Wie der Rundfunksender nRKberichtete, stand auf einem der Grab -steine „Der Krieg ist nicht vorbei”.Über mögliche Hintergründe oderTäter gebe es noch keine Erkennt nis -se, hieß es weiter. Der 1869 eröffneteJüdische Friedhof am Osloer So fien -berg wird seit 1917 nicht mehr fürneue Gräber genutzt, aber als Be gräb -nisstätte erhalten und gepflegt. DieJüdische Gemeinde in norwegensHaupt stadt erstattete Anzeige gegenun bekannt. Während der deutschen

Be setzung zwischen 1940 und 1945wurde knapp die Hälfte der 2.000 Ju -den in norwegen deportiert und er -mor det. Heute leben etwa 1.500 Ju denin dem skandinavischen Land, in demAntisemitismus traditionell als we nigverbreitet gilt.

Drei Monate Haft für Holocaust-Leugner TobenDer deutschstämmige Holocaust-Leugner Frederick Toben (65) ist in seinerHeimat Australien wegen Ge richts - missachtung zu drei Monaten Haftverurteilt worden. Er hatte gegen dieAuflage verstoßen, kein antisemiti-sches Material mehr auf seiner Web -seite zu veröffentlichen. Toben warbereits vor einem Monat verurteiltworden, allerdings war das Strafmaßnoch nicht verkündet worden.

Kritik an Facebook wegenHolocaust-Leugnung Das Online-netzwerk Facebook ist inden USA wegen eines laxen Umgangsmit Holocaust-Leugnern in die Kritikgeraten. nach Beschwerden einesame rikanischen Anwalts löschte dasUn ternehmen zwei nutzer-Gruppen,in denen der Völkermord an den Ju -den im Zweiten Weltkrieg bestrittenwurde. Weitere sind nach nach US-Me dienberichten aber noch online.„Die Leugnung des Holocaust ist keineVerletzung unserer Nutzungsbedin gun -gen”, erklärte Facebook gegenüberdem Fachblog TechCrunch.

Rechtsextreme deutsche AnwältinverurteiltDie frühere Strafverteidigerin desdeut schen Holocaust-Leugners ErnstZündel muss wegen Volksverhetzungins Gefängnis. Außerdem wurde sievom Mannheimer Landgericht we genBeleidigung, nötigung und Ver un -glim pfung des Staates verurteilt. DenAngaben zufolge war nach dem Ur -teil noch offen, ob die VerteidigungRevision einlegen will. in dem Pro -zess ging es nicht um neue Vorwürfe,sondern um die Strafhöhe einer älte-ren Verurteilung. Die Anwältin Juristin - Lebens gefähr -tin des Rechtsextremisten Horst Mah ler- hatte in dem Prozess gegen Zündelden Völkermord an den Juden im na -tio nalsozialismus geleugnet. Sie be -fin det sich seitdem in Heidelberg inUntersuchungshaft. Ein fünfjähriges

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Berufsverbot gegen sie hat der BGHbe stätigt. Es ist die maximale Zeit -spanne, für die eine Berufsausübunguntersagt werden kann. nur in Aus -nahmefällen gibt es keine zeitliche Be -fristung. Zündel war im Februar 2007zu fünf Jahren Gefängnis verurteiltworden, der Höchststrafe für Holo -caust-Leugner. Er hatte nach Auf fas-sung des Gerichts von Kanada aus iminternet und in einschlägigen Publi ka - tionen den millionenfachen Mord anden Juden in der nS-Zeit bestritten.

SchweinegrippeEs ist eine Konstante des arabischenund muslimischen Antisemitismus,die Juden und den „Zionisten“ für al -les Übel auf der Welt verantwortlichzu machen. nach der Verbreitung vonAiDS und den Anschlägen vom 11.September wird ihnen von der isla-mistischen Hassindustrie nun auchdie Schuld an der Schweinegrippezugewiesen. Sowohl Organe derHamas, der Mus limbrüderschaft unddes iran, aber auch andere arabischeMedien sind seit Ausbruch derSchweine grip pe in dieser Richtungpropagandis tisch tätig.Beispiele der antisemitischen Propa -ganda gibt es unter dem Link: http://www.terrorisminfo.org.il/malam_multi-media/English/eng_n/html/as_e004.htm

Demjanjuk zeugte 1943 in Polen Sohn durch Vergewaltigung

Der nach Deutschland abgeschobenemutmaßliche nS-KriegsverbrecherJohn Demjanjuk soll einer polnischenZeitung zufolge während seiner Zeitals KZ-Aufseher in Polen einen Sohngezeugt haben. Demjanjuk habe imJahr 1943 die erst 16-jährige Polin Jad -wiga K. vergewaltigt, berichtete die‘Gazeta Wyborcza’ unter Berufungauf eine Freundin der Frau. Aus dererzwungenen Verbindung sei noch imselben Jahr ein Sohn geboren worden.Durch einen Gen-Vergleich zwischenden nachkommen des inzwischenver storbenen Sohnes und Demjanjukkönne möglicherweise die Zuge hö -rig keit des gebürtigen Ukrainers zuden Wachmannschaften des Ver nich -tungslagers Sobibor in Polen bewiesenwerden, berichtete das Blatt.

Die KZ-Wächter in Sobibor hätten dieMädchen der Umgebung oft zum Ge -schlechtsverkehr gezwungen oder siemit Gold dafür bezahlt, sagte die

Die Zeit für das „Unternehmen Top litz see” drängt. Ein letztes Mal und fürlediglich drei Monate hat die österreichische Regierung einer Expeditionnach dem nazigold zugestimmt und dafür bis zum 15. Juli 2009 das abso-lute Tauchverbot im Toplitzsee (Salz kammergut) aufgehoben.

Sensationell ist dabei die Zeugen aus sage der Bäuerin Ida Weissen ba cher.Die 81-jährige ist die einzige noch lebende Zeugin. Sie und drei andereBauern, haben beim Versenken des Gold schatzes unter strengster SS-Be -wachung geholfen. Dazu Expedi ti ons leiter norman Scott: „Das Aus se er landwar gegen Kriegsende eine wahre Schatz kammer. Unsere Nachforschungen weisendefinitiv daraufhin, dass der See zu einer Art Tresor wurde. Wir werden auch dieHöhlen erkunden, die Wehr machts tau cher damals in der Uferwand geschaffen undspäter mit einer abgesprengten Fels wand verschlossen haben."Norman Scott wurde bekannt, weil der einst einen Maya Schatz in Mexi kofand. Obendrein holte er sich zur Un terstützung einen prominenten Tiro lerForscher. Wolfgang Falch sorgte weltweit für Aufsehen, weil es ihm gelun-gen war, das letzte im Krieg abgestürzte US-Kampfflugzeug aus demTraunsee zu bergen.

50 Kisten mit 2.000 Kilogramm Gold barren aus der Goldreserve des Drit tenReiches, 22 Kisten Skorzeny-Gold, 20 Kisten Goldmünzen aus dem Tar ta -renschatz, 5 Kisten Kalten brun ner Bril lanten, 50 Kilo Feingold und eineBriefmarkensammlung sowie jüdisches Beutegut aus Ungarn. Das ist dernazi-Schatz, den der letzte Chef des Reichssicherheitshaupt amts, SS-Obergruppenführer und General der Polizei Ernst Kaltenbrunner (1903-1946),in Munitionskisten verschweißen und in einer nacht- und nebel aktion imApril 1945 mit Last wa gen aus Berlin in seine Heimat Österreich bringen ließ.

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UnternehmenToplitzsee

Nazi-Goldschatz: Finale im

Salzkammergut

Freundin der inzwischen verstorbenenK., irena Pylka, der Zeitung. K. sei da -mals blond und sehr schön gewesenund daher Demjanjuk schnell aufge-fallen. noch immer sollen demnachdrei Kinder sowie acht Enkelkindervon Demjanjuks angeblichem Sohn inPolen leben.

Demjanjuk war aus den USA nachMün chen abgeschoben worden. Ersoll 1943 für ein halbes Jahr KZ-Wäch -ter im nS-Vernichtungslager Sobiborgewesen sein. Er soll dafür wegen Bei -

hilfe zum Mord in 29.000 Fällen ange-klagt werden. Der heute 89-Jährigeweist die Vorwürfe zurück und gibtan, nie in Sobibor gewesen zu sein. inisrael war Demjanjuk 1988 wegen imVernichtungslager Treblinka verübter„Verbrechen gegen die Menschlichkeit,Kriegsverbrechen und Verbrechen gegendas jüdische Volk” zum Tode verurteiltworden. nach sieben Jahren Haftwurde er jedoch wieder freigespro-chen, weil letzte Zweifel an seineriden tität nicht ausgeräumt werdenkonnten. APA

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Am Ben Gurion Flughafen, we -nige Minuten ehe er eine ELAL Boeing bestieg, um sich an

einem köstlichen mediterranen Menüzu ergötzen, das ihm, entsprechendden Bedürfnissen der Delegation, Ste -wards der drei monotheistischen Re -li gionen servierten, kittete Papst Be -ne dikt XVi das Porzellan, das er in Je -rusalem zerschlagen hatte. Anstatt inJad Vaschem, der Holocaust Gedenk -stät te, die Verbrechen gegen Judenbeim namen zu nennen, das „Todes -lager Auschwitz“ und die Täter dieserVerbrechen, „die brutale Vernichtungun ter einem gottlosen Regime, das eineIdeologie des Antisemitismus und Hasses

propagierte“, besann er sich darauf erstbei seiner Verabschiedung. Hat derPapst dazu gelernt? Hat er erst durchdie heftigen kritischen bis ablehnen-den Reaktionen in israel verstanden,welches Unheil er mit seiner „theolo-gischen Predigt“ in Jad Vaschemangerichtet hat?

Die „Pilgerreise in das Heilige Land“,wie es der Heilige Vater im Schattender für den Sonderflug LY 2009 be -reit stehenden Boeing 777 beschrieb,war aus Sicht der nicht-christlichenund nicht-katholischen Gastgeber inJordanien, in israel und in den paläs-tinensischen Autonomiegebieten vorallem eine hochpolitische Via Dolo ro -

sa. Die Gebete, Messen und An dach -ten wurden von ihnen nur als kuriose„Füller“ gesehen. Denn weder Judennoch Moslems verstehen die auf latei-nisch ausgesprochenen geheimnis-vollen Friedensbotschaften jenesMan nes mit den wunderschönen Hü -ten auf dem Kopf und mit Gold brokatgestickten märchenhaften Män teln.

So wetteiferten die Juden um eineerneute Anerkennung des von ihnenerlittenen Holocaust, ein erneutesSchuldbekenntnis der Kirche und einpaar persönliche Erklärungen desdeutschen Papstes, der einst Hitler -junge und Soldat bei der Wehrmachtwar. „Johannes Paul II kam als Opfer, derin Polen den Holocaust selber miterlebthat. Benedikt XVI kam als Täter, der in dieMachtmaschine der Nazis selber eingebun-den worden war. So verpatzte Ratzingereine nie wiederkehrende einmalige Chan cein den zweitausendjährigen Bezie hun genzwischen Judentum und Christenheit.“So formulierte es ein Vatikankennerund Mitglied der mitreisenden Jour -na listendelegation aus Rom. Ob dieWiedergutmachung auf dem Flug ha -fen dem jüdischen Volk genügt, wirdsich noch erweisen, denn in Erinne -rung bleiben vor Allem die Ein drucks - vollen aber inhaltlosen Bilder aus JadVaschem.

Beim politischen Wettrennen habenisraelis und Palästinenser gleich gutund gleich schlecht abgeschnitten. DerPapst verurteilte zwar den Sperrwall,die so genannte Mauer, vergaß abernicht, ihre Ursache zu erwähnen undebenso zu verurteilen: den Terror. Eheer seine Rede mit einem „Schalom“ ab -schloss, erwähnte er den „traurigs tenAnblick“ seiner Pilgerfahrt: die Mauer.Als er sie bei Bethlehem passierte, ha -be er ein Gebet gesprochen, damit dieVölker im Heiligen Land künftig in„Frieden und Harmonie“ zusammenle-ben könnten, und dass „solche Instru -men te der Sicherheit und Trennung über-flüssig werden mögen... indem allenFormen der Gewalt und Aggression eineAbsage erteilt werde“.

Den israelis sagte er: „Möge es univer-sell anerkannt sein, dass der Staat Israelein Recht auf Existenz hat und ein Rechtauf Frieden wie Sicherheit in internatio-nal zugestimmten Grenzen.“ Mit diesenWorten geißelt der Papst nicht nur je -ne antisemitischen Kritiker israels, diebis heute unermüdlich israels Er rich -tung und Legitimität in Frage stellen.

POLITIK • VATIKAN

20 Mai 2009 - ijar 5769

Papst kittet zerschlagenesPorzellan

von Ulrich W. Sahm

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POLITIK • VATIKAN

Damit dürfte der Papst auch einenWink in Richtung iran gemacht ha -ben, dessen Oberbefehlshaber erstkürzlich von der Fähigkeit des irange sprochen hatte, „israels Existenz“innerhalb von elf Tagen auszulöschen,falls der iran angegriffen werde.israels Ministerpräsident hatte in na -za reth den Papst auf die Bedrohungdes iran angesprochen, und der Papsthabe die antisemitischen Absichtendes iran verurteilt.

Auch die Palästinenser können po -li tisch voll zufrieden sein. Am Flug -hafen nahe Tel Aviv betonte derPapst, nicht nur als „Freund der Isra -elis“ gekommen zu sein, sondern auchals „Freund des palästinensischen Vol -kes“. Es bleibt zu prüfen, ob diese leichtunterschiedliche Formulierung einetiefere politische Bedeutung hat.

Während seiner Rundreise in israelund den palästinensischen Gebietenhatte der Papst ausdrücklich nicht die„Zwei-Staaten-Lösung“ ausgesprochenund auch nicht von einem „palästi-nensischen Staat“ geredet. Viel mehrverwendete er die ungewöhnlicheFormel eines „homeland“ (Heimat -land), auf das die Paläs ti nen ser einAnrecht hätten.

Am Flughafen endlich sprach derPapst aus, was seit einer Wochefälschlich in aller Welt berichtet wird,nämlich. „Lasst die Zwei-Staaten-Lö -sung eine Wirklichkeit werden, und nichtein Traum bleiben.“So konnte der Papst dann doch mitGenugtuung das Flugzeug besteigenund sich zufrieden über einen Auber -ginensalat mit Kichererbsen beugen.

Pilgerfahrt der verpatzen ChancenKommentar von Ulrich W. Sahm, Jerusalem, 13. Mai 2009

Jedem war klar, dass die heikle Reise des Papstes ins heikle Land schwierig werde.Vom 82-jährigen Heiligen Vater wurde ein unmöglicher diplomatischer Balanceaktabverlangt. Dank der ungeheuerlich intensiven Vorbereitungen mitsamt einer „wun -der baren“ Kooperation israelischer und palästinensicher Sicherheitskräfte, verliefder technische Ablauf des Besuches weitgehend pannenfrei. Gleichwohl verpasstenIsraelis, Papst und Palästinenser Chancen, positive Zeichen für die Zukunft zu setzen.

Die unglücklich formulierte theologische Predigt des Papstes in der Holocaust-Ge -denk stätte Jad Vaschem war die falsche Rede am falschen Ort und empörte die Juden.Sie wird noch lange Schatten auf den verbesserten aber delikaten Dialog zwischenHeiligem Stuhl und Judentum werfen.

Weil die Israelis den Blick des deutschen Papstes auf die Vergangenheit lenkten, ver-passten sie die Chance, ihm die schwierige politische Situation heute näher zu bringen.Die Bedrohung der Existenz Israels durch Iran, antisemitische Hetze in arabischenLändern, palästinensischen Terror und Beschuss Israels mit Raketen aus Gaza undge legentlich sogar Libanon hätte den Papst zu einem Wort der Solidarisierung mitIsrael animieren können.

So überließen es die Israelis allein den Palästinensern, unverblümt nur von ihren „Lei -den“ zu reden, Israels „Unterdrückung“ darzustellen und den Papst zu einer „Soli -da risierung“ allein mit den Leiden der Palästinenser zu bewegen. Weder Israelisnoch Palästinenser erwiesen sich fähig, die Anwesenheit des Papstes für konkrete Frie -denszeichen in der verworrenen aktuellen Lage zu nutzen. Entsprechend ließ sich derPapst mitreißen, in Bethlehem das alte Schema palästinensischer Feindschaft gegenIsrael zu festigen, anstatt es zu entschärfen.

Mit einem Mantel des Schweigens verhüllte der Papst die wahren Nöte der Christenin den Palästinensergebieten, wo Kirchen verbrannt, Christen ermordet, verfolgt underniedrigt werden. Hamas und antichristliche Aktivitäten von Islamisten in Gaza,Hebron und sogar Bethlehem sind für den Heiligen Stuhl ein Tabu-Thema. Einfa cherist es, über Mauer, Straßensperren und Abriegelung des Gazastreifens zu reden undallein Israel wegen der Abwanderung von Christen aus Bethlehem und Ramallah zubeschuldigen.

Mit Dekalog gepanzerter Oberrabbiner

Der sephardische Oberrabbiner ShlomoAmar hat bei dem Treffen mit Papst Be ne -dikt XVI im Heichal Schlomo (Palast desSalomon), dem traditionellen Sitz desOber rabbinats, einen überdimensionalenmetallenen Brust schild vor die Brust ge -hängt. In das Schild, das wie eine mittel-alterliche Ritterrüstung wirkte, waren dieers ten zehn Buchstaben des hebräischenAl phabets geritzt. Sie symbolisieren diezehn Gebote.

Laut Zeitungsberichten hatte sich Amarvor dem Besuch des Papstes mit seinemAmts vor gänger, Rabbi Ova dia Joseph, be -raten, wie er sich gegen das goldene Kreuzschützen sollte, das der Papst auf der Brustträgt. Rabbi Joseph soll Amar geraten ha -ben, sich einen metallenen Pan zer zuzu-legen und den vor der Brust zu tragen. ©

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POLITIK • ISRAEL

22 Mai 2009 - ijar 5769

Als ich kürzlich im Pressebereich beieinem Empfang zu Ehren von israelsStaatspräsident Shimon Peres saß,schien seine Zeit als Premier 1996 fastschon eine Ewigkeit her zu sein.Damals führte Peres als Premier mi-nis ter und Chef der Arbeiterpartei ei -nen vermeintlich unschlagbaren Wahl -kampf gegen seinen Konkur rent en,Likud-Chef Benjamin netanjahu. DerSieg schien Peres, der nach dem töd-lichen Anschlag auf Yitzhak Rabin1995 Regierungschef geworden war,absolut sicher, wurde netanjahu dochvorgeworfen, durch seine aggres si veRhetorik den Tod Rabins mitver-schuldet zu haben.

Doch die öffentliche Sympathie fürRabins Vermächtnis stellte sich alsäußerst kurzlebig heraus. Als es kurzvor den Wahlen zu einer Serie bruta-ler Terroranschläge durch die Hamasund ihre Verbündeten kam, drehte sichdie Meinung der Wähler in die entge-gen gesetzte Richtung und brachtenetanjahu bei der ersten Di rekt wahldes Premierministers den Sieg mit le -dig lich einem Prozentpunkt vor Pe -res.

Sein Skeptizismus hatte Peres´ Op -timismus vernichtend geschlagen.

Dreizehn Jahre später, nach immermehr fehlgeschlagenen Friedens ver -su chen, einer weiteren intifada undKriegen gegen die Hisbollah im Li -

banon und die Hamas in Gaza, kannkaum noch ein israeli zu den Opti -misten gezählt werden. Der israelischeSkeptizismus hat die Linke des Lan desziemlich dezimiert – die Arbeiterpar teiist nun israels viertgrößte Partei unddie drei Knesset-Sitze von Meretz sindnicht mehr als eine Fußnote im großenParlament – und den Aufstieg einernoch skeptischeren rechtsgerichtetenStaatsführung begünstigt.

So konnte sich Benjamin netanjahuauch diesmal, bei der Wahl 2009, wennauch nicht im Zuge einer Direktwahl,als Sieger vor der doch etwas optimi-stischeren Kandidatin der linken Ka -dima, Tzipi Livni, positionieren.

netanjahu ist ein Skeptiker geblie-ben und Peres auch heute noch ein Op -timist – doch diesmal sind sie Part ner.

Bei seinem Aufenthalt in den USAAnfang Mai erweiterte Peres seine po - sitive Sicht der Dinge sogar auf seinenehemaligen Rivalen: „Nach meinem Ur -teil wird die Regierung unter BenjaminNetanjahu Frieden schaffen“, meinte ervor den Vorständen jüdischer Organi -sa tionen, Diplomaten und Würden -trä gern im new Yorker Plaza Hotel.

Zwei Tage zuvor, bei der jährlichenWashingtoner Konferenz des Komi teesfür amerikanisch-israelische Bezie hun -gen, hatte Peres erklärt, dass netan ja -hu zwar einst sein politischer Geg ner

gewesen sei. „Doch heute ist er meinPremierminister. Er kennt die Ge schichteund will selbst Geschichte schrei ben. Inunserer Tradition bedeutet Ge schich te zuschreiben, Frieden zu schließen, und ichbin sicher, dass der Frieden für ihn oberstePriorität hat.“

noch ein paar Tage davor hatte ernetanjahu mit dem einstigen Likud-Hardliner Menachem Begin vergli chen,gegen den Peres ebenfalls eine histo-rische Premiers-Wahl verloren hatte(ebenfalls nachdem er Rabin abgelösthat te, als ein Finanzskandal diesenein holte).Begin wollte damals das Sinai-Gebietmit jüdischen Siedlungen füllen, er -klärte jedoch schließlich den Rückzugaus selbigem in einem historischenFrie densabkommen mit Ägypten – is -raels erster Land-für-Frieden-Ver trag.Damals, so Peres, war Ägyptens Prä si -dent Anwar Sadat nach Jerusalem ge -flogen und hatte so alles verändert –Be gin ließ diese Chance nicht verstrei-chen.

Und nun sei es erneut an der Zeit,auf Veränderung zu setzen: durch dieVer einigung sunnitischer arabischerStaa ten gegen den iran. Dies würdeisrael und seinem neuen Premier mi -nis ter eine weitere ganz besondereGele gen heit bieten, meinte Peres.„Es gibt eine unerwartete Veränderungauf arabischer Seite. Die Absicht des Iran,

Peres, derOptimistVon Uriel Heilman, JTA; Übersetzung: Karin Fasching-Kuales

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POLITIK • ISRAEL

eine iranische Hegemonie im MittlerenOsten zu installieren, lässt bei den meis -ten Arabern die Alarmglocken schrillen.“,er klärte der israelische Präsi dent. „Diemeis ten Araber verstehen, dass wir keinPro blem darstellen, sondern einenFreund.“„Es ist eine Chance; wir sollten sie nichtverstreichen lassen. Ich sage nicht, dasses einfach wird, aber die Möglichkeit be -steht. Wir haben nun die Gelegenheit,mit allen arabischen Parteien Frieden zuschließen. Und in den Verhandlungenmit den Palästinensern sind wir davonnicht allzu weit entfernt.“

Über das bevorstehende Treffen vonnetanjahu dem amerikanischen Prä si - denten Barack Obama sagte Peres: „Ichkann mir vorstellen, dass es ein sehr gu -tes Treffen wird zwischen dem amerikani-schen Präsidenten und dem israelischenPremierminister – keine Kon fron tation.”Außerdem hätte Obama bei einerZusammenkunft mit Peres gemeint:„Mein wichtigstes Ziel ist die SicherheitIsraels, und so lange ich Präsident bin,wird dies auch höchste Priorität behalten.“Peres hatte ihn daraufhin ge fragt, ober Obama diesbezüglich zi tie ren dür feund der US-Präsident hatte dies be -jaht.

Auch die Absicht Obamas, dasAtom programm des iran einzudäm-men stößt auf Peres’ Unterstützung.„Der Präsident meint: ‚Lass uns versu-chen, es aufzuhalten, indem wir uns en ga -gieren’. Wir sagen dazu: ‚Warum nicht?Lass es uns versuchen.’, erklärte Peres.„Wenn es uns gelingt: wunderbar. Wennnicht, werden wir eine andere Entschei -dung treffen.“

israel hat derzeit keinen leichtenStand bei den Vereinten nationen. imApril bezichtigte der iranische Prä si -dent Mahmoud Ahmadinejad die is ra -e lis auf der Un-Rassismuskonferenzin Genf des Genozids an den Paläs ti -nen sern. Vergangene Woche machteder kritische Un-Bericht über israelsMilitäroffensive in Gaza Furore. Am11. Mai knüpft sich der Weltsicher -heits rat in new York den nahost kon -flikt in einer hochrangigen Sitzungvor. Zu der Aussprache haben sich dieAußenminister Russlands, Groß bri -tanniens, Frankreichs und Österreichsangesagt. Die jüngste nahostdebattefällt auf einen für israel denkwürdi-gen Tag: Vor genau 60 Jahren, am 11.Mai 1949, trat es als 59. Mitglied denVereinten nationen bei.

Dass israel ein ambivalentes Ver hält - nis zu der Weltorganisation hat, istkein Geheimnis. Schon sein erster Mi -nis terpräsident, Ben Gurion, hatte dieUn mit „Um Schmum” abgetan - einerWortschöpfung aus Hebräisch undJid disch. „UM” steht für Vereinte na -tio nen und der Zusatz „Schm” bei derWortwiederholung signalisiert in derjiddischen Sprache vor allem eins:Spott und Verachtung. 1975 sacktendie Beziehungen auf einen Tiefpunkt.Die Un-Generalversammlung be -zeich nete Zionismus als Form vonRas sismus. Die israelis reagiertenprompt. Boulevards und Straßen derVereinten nationen hießen in israelfor tan Zionismus-Boulevard. 1991kassierten die Un die von israel als„bitteren Anti-Semitismus” gebrand-markte Resolution wieder ein.

israel fühlt sich sehr oft missverstan-den und als Sündenbock abgestem-pelt - wie jetzt wieder durch das Er geb -nis der Untersuchungs kom mis sionzum Gazakrieg. Dem Bericht sei esfast gelungen, „einen Keil” zwischenisrael und die Vereinten nationen zutreiben, erklärte Staatspräsident Shi -mon Peres nach einem Gespräch mitUn-Generalsekretär Ban Ki-moon innew York.

Wie viele Berichte und Resolu tio nenim Verlauf der sechs Jahrzehnte schonan die Regierung in Jerusalem gerich-tet wurden, weiß niemand aus demStehgreif zu sagen. Allein die Voll ver -sammlung verabschiedet jedes Jahr

„zwischen 20 und 22 Resolutionen, dieIsrael mit großer Mehrheit und im mereinseitig verurteilen”, sagt Meirav ElonSchachar, politische Beraterin der is -rae lischen Un-Botschaft in new York.

im Sicherheitsrat ist die Stimmunglaut Schachar „ausgewogener”. Dorthaben die USA mit ihrem Vetorechtseit Jahren die Hand über israel ge -hal ten und viele kritische Resolutio nenabgeschmettert. Dass sich das Blattunter US-Prä si dent Barack Obamawen den könnte, fürchtet die israelischeDiplomatin nicht, sagt sie. „Oba ma hatversprochen, für die Sicherheit unseresStaates einzutreten”.

Dafür gab es für ihr Land kurz vorEnde der Amts zeit von George W.Bush noch ei ne bittere Pille zu schlu-cken. Der Si cherheitsrat rang sichwährend des Ga za krieges nach tage-langem Tau zie hen mit den Arabernzur Resolution 1860 durch. Sie rief zuisraels Enttäu schung zur Waffenruheim Gaza strei fen auf, oh ne gleichzeitigein Morato ri um für die Kassam-Ra -keten der radikalislamischen Ha maszu verhängen.

Selbst mit stimmen im Sicherheits ratdurfte israel noch nie. Das liegt an derAufteilung der Un-Mitglieds län derin fünf große Blöcke. Geografisch ge -hört israel wie seine arabischen nach -barn zum Block der Asiaten. „Doch dortlehnte man uns ab”, sagt Schachar. Da -durch sei ihr Land jahrzehntelang nichtfür einen Sitz in dem 15-Länder-Gre -mi um aufgestellt worden. inzwi schenhaben sich die Chancen verbessert: DerBlock der westlichen Länder nahm is -rael 2000 bei sich auf, allerdings nurzum Wählen. Damit kann sich israeljetzt endlich um einen Rats sitz bewer-ben und hat seine Kandi da tur für 2019und 2020 auch schon an ge meldet.

Bis dahin will es in den Un-Aus -schüssen bleiben, in denen es bereitsaktiv ist. Auf dem Programm steht dieArbeit für nachhaltige Entwicklung,den Status von Frauen, Gesundheitund Bildung. „Wir bieten unser Know -how und setzen unsere Stimme beim Ent -wurf neuer Resolutionen ein”, sagt dieBeraterin an israels Botschaft, „so wiealle anderen Mitglieder auch”. im Wind -schatten steht israel mit seinen Bei -trägen zum Un-Haushalt. „Die sindniedrig” Gisela Ostwald/dpa©

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Gespräch im Weißen Haus: Obama schenkte Peres eine wertvolle Mezuzah

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Kein leichtes Jubiläum: Israel 60 Jahre in den UN

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Budgetverhandlungen sind nieeinfach. Aber in israel waren sieheuer „unangenehmer als sonst,“

befand ein Kommentator der Tages -zei tung Haaretz Mitte Mai. Die Grün -de dafür liegen klar auf der Hand:nicht nur musste Minister prä si dentBenjamin ne tanjahu die äußerst un -ter schiedliche Klientel einer heteroge-nen Koali ti on zufrieden stellen. Esdrängte aus einem viel mächtigerenAnlass: nach einigen Monaten ver-suchten Schön redens der Wirtschafts -lage mussten nun auch die israeli-schen Politiker eingestehen, dass dieweltweite Krise in Tel Aviv, Jerusalemund Haifa an gekommen ist.

Entsprechend widersprüchlich fieldas Doppel-Budget für 2009 und 2010dann auch aus, dem mit Ausnahmeder vier Shas-Minister alle Koalitions -part ner am eng bestuhlten Regie -rungs tisch zugestimmt hatten. Esmuss versuchen, das Unmögliche mög - lich zu machen: die stotternde Wirt -schaft in Gang bringen, Banken undUn ternehmen mit Liquidität versor-gen, aber gleichzeitig die Ver schul - dung nicht über Gebühr steigen lassen.

Dazu wird es staatliche Garantie-Pro gramme für Banken, Exporteureund Mittelbetriebe geben. infrastruk -tur-Projekte, deren Pläne schon län-ger in den Schubladen liegen, betref-fen sie nun Straße, Bahn oder den öf -fentlichen Verkehr in großen Städten,sollen vorgezogen werden, um Arbeitzu schaffen. Forschungsintensive Un -ter nehmen sollen mehr Geld erhalten.Aber gleichzeitig muss der Staat aufdie Bremse steigen – und die Bürgermüssen mitzahlen. So hat der Premierden Ministerien jeweils um sechs Pro -zent engere Rahmen gesteckt. Das be -trifft aber nicht alle. Die Offiziere, dieRüstungslieferanten und nicht zuletztder linke Regierungspartner EhudBarak konnten Kürzungen beim Mili -tär abwenden, umso deutlicher werdendiese in anderen Bereichen ausfallen,etwa bei der Bildung.

Als erste Antwort gingen gleich ein-mal Lehrer und Müllmänner auf dieStraße. Und weil sich netanjahu grö-ßere Kämpfe mit den Gewerk schaf tenersparen wollte, erhielten die se vomrechten Premier ein um fangreichesPaket an Zugeständ nis sen: Künftigdürfen etwa die Polizis ten kollektivmit ihrem Arbeitgeber verhandeln,

große staatliche Unternehmen werdenzumindest vorerst von gröberen Spar -programmen ausgenommen: die Postoder die Wasserwerke. Beschlossenwurde auch eine Mehrwertsteuerer -hö hung um einen Prozentpunkt, vonbisher 15,5 auf 16,5 Prozent – und dieErhöhung von Luxussteuern, etwa aufgroßmotorige Autos oder auf Alko hol.

Wie hart diese Verhandlungen hin-ter den Kulissen geführt wurden, zeigtauch die Demission des obers ten Bud -getbeamten im Finanzminis te ri um,Ram Belinkov, der sich vom Büro desMinisterpräsidenten umgangen fühl-te und den Hut nahm: Er könne die-ses Budget nicht verantworten. Undauch nationalbankchef Stanley Fischerließ mit Warnungen nicht lange aufsich warten: Allzu hoch dürfte der An -stieg der neuverschuldung nicht aus-fallen, sonst drohten zusätzliche Steu -ern oder Lohnkürzungen für Beamte.

Die Krise ist angekommen.Egal wie die Ergebnisse der Ver hand -lun gen jetzt im Detail aussehen, wich - tig ist zunächst einmal die Eini gung.

Denn die vorige Regierung unter Mi -nis terpräsident Ehud Olmert hattevor den letzten Wahlen kein Budgetmehr zustande gebracht, seither wur -de das Land mit Provisorien verwaltet:der Fortschreibung des al ten Budgets2008, Monat für Monat mit jeweils ei -nem Zwölftel der Jahres summe. „Daswar sicher ein Problem, dass beim Ein trittder Krise keine funktionierende Regie rungim Amt war,“ kommentiert auch derösterreichische Handelsde legierte inTel Aviv, Christian Lassnig.

Denn mittlerweile lassen sich dieAus wirkungen der internationalenWirtschaftskrise auf israel nicht mehrübersehen. Die Bank of israel revi-dierte ihre Prognosen für 2009 in meh -re ren Stufen nach unten, die jüngsteer wartet bereits einen Rückgang desBruttonationalprodukts um 1,5 Pro -zent.

Der internationale Wäh rungsfonds,der sich zuletzt mit seinen Osteu ro pa-Berechnungen nicht gerade be währthatte, geht von einem noch et was stär -keren Schrumpfen der Wirt schafts lei s -tung in israel aus: minus 1,7 Pro zent.Sollten diese Prognosen halten, dann

WIRTSCHAFT • ISRAEL

24 Mai 2009 - ijar 5769

WIR

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Israel ist keine InselDie Krise ist mittlerweile angekommen. Zu eng sind die Verflechtungen mit den großenWirtschaftsblöcken Europa und Amerika.

VON REINHARD ENGEL

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WIRTSCHAFT • ISRAEL

wäre das immer noch besser als inEu ropa, wo die einzelnen Volks wirt -schaf ten um vier, fünf und mehr Pro -zent zurückgehen werden. Aber auchfür die israelische Wirtschaft bleibengenug gravierende Probleme zu lösenübrig, und es ist nicht nur die Bedie -nung der gestiegenen Staatsschulden,die sich in Richtung fünf bis sechsProzent neuverschuldung bewegen.Denn nach fünf kräftigen Wachs tums -jahren brechen die Steuereinnahmenweg, die Ausgaben bleiben hoch bzw.steigen im Angesicht der Krise.

Die Exporte sind laut Statistikamtdrastisch zurückgegangen, im Märzlagen sie rund 24 Prozent unter jenendes März 2008. Und in manchen Bran -chen war es noch dramatischer. Dashängt direkt von den schwachenAufträgen in den USA und in Europaab, sei es in der Automobilindustrieoder in den Elektronikbranchen, an dieisraelische Firmen Know-how undBau gruppen zuliefern. Dabei hat is ra-el noch Glück im Unglück: Es gibt imLand kaum den Typus der altenSchorn steinindustrie, deren Struktur -krisen jetzt zum Überlebenskampffüh ren, etwa Stahlwerke.

Die Knappheit an Finanzierungs ka -pi tal traf einige große Unter neh -mensgruppen ins Mark. So gerietetwa ‘Africa israel’ von Lev Leviev inSchieflage, eine Reihe großer immo -bi lien-investitionen in den USA undin Russland waren entweder steckengeblieben oder hatten dramatisch anWert verloren. Das betraf auch dasfrü here Redaktionsgebäude der newYork Times im Zentrum von Man hat -tan, das man aufwendig zu einem mo -dernen Bürokomplex umgebaut hat te,und wofür sich dann nicht ge nugMie ter fanden. Die Unterneh mens an -leihen von Africa israel fielen ins Bo -denlose – wurden de facto Junk Bonds.Erst im April konnte die Gruppe mitdem Verkauf der riesigen Ramat AvivShopping Mall im norden von TelAviv und eines weiteren Einkaufs zen - trums im Landesinneren an Me lis ronden Schuldendruck etwas er leichtern,und die Kurse erholten sich.

Aber auch andere Sektoren wurdenhart getroffen. Der Tourismus meldetdeutliche Rückgänge, etwa die Hotel -lerie mit minus 15 Prozent im erstenQuartal, beschreibt der aktuelle Wirt -schafts- und Finanzbericht der BankHapoalim vom Mai 2009. Dabei gab essowohl weniger internationale Tou ris -ten wie einen Rückgang der is ra e li -schen inlands-Urlauber. nachge lassenhaben auch investitionen in die im mo -bilien-Branche. Die Käufe von Woh -nun gen oder Häusern in isra el durchAusländer gingen drastisch zurück,im letzten Quartal 2008 um 60 Pro zentgegenüber dem letzten Vierteljahr2007. Aber es sind nicht nur wohlha-bende Amerikaner oder Europäer, dieweniger interesse zeigen, auch is ra e lisselber halten sich mit dem Er werb neu -en Wohnraums zurück, sagen Markt -erhebungen vom April. Das schlägtnatürlich unmittelbar auf die Bau bran -che und auf die immobilien maklerdurch.

Die Folgen all dieser Entwicklun genauf den Arbeitsmarkt sind entspre-chend grimmig. Monat für Monatstei gen die Zahlen der neu Entlasse -nen, die Arbeitslosenrate schießt nachoben, im Februar 2009 lag sie schonbei 6,9 Prozent, und noch ist keinEnde des Anstiegs abzusehen. Die Ex -perten des nationalen Arbeitsamteser warten für das Jahresende 2009 eineGesamtzahl von 300.000 Beschäfti -gungslosen. „Der Trend der letzten Mo -

nate,“ so der Direktor des Ar beits am -tes Yossi Farhi Ende April vor einemKnesset-Ausschuss, „war 20.000 Ent -lassungen pro Monat.“

Auf der anderen Seite hat die nach -frage nach Arbeitskräften deutlichnachgelassen, berichten Jobbörsen.„Bis zum Vorjahr hat es in Israel einen ein-deutigen Arbeitnehmermarkt gegeben,“beobachtet auch HandelsdelegierterLassnig. „Jetzt ist daraus ganz schnell einArbeitgebermarkt geworden.“ Die Un -ternehmen können sich ihr Personalunter einer Zahl von Bewerbern aus-suchen und auch niedrigere Gehälteranbieten. Mit eine Rolle spielt dabei,dass zahlreiche Auslands-israelis zu -rückkommen, vor allem aus den USA,weil auch dort der Arbeitsmarkt en gergeworden ist.

Lichtblicke.Freilich bleibt nicht alles düster. nochhält der private Konsum einigermaßenund stützt den Handel. Es gibt Unter -nehmen, die weniger stark vom inter-nationalen Konjunktureinbruch ab -hän gig sind, etwa gewisse Lieferan -ten von elektronischen Schlüssel kom -po nenten ans US-Militär. Oder dieche mische und pharmazeutische in -dustrie. So berichtete etwa Teva, einerder 20 größten Pharmakonzerne derWelt und nach eigenen Angaben glo-bal der wichtigste Generika-Herstel ler,auch im ersten Quartal 2009 einen bei-nahe unverändert hohen Cash-flowvon 733 Millionen Dollar. Darin ent-halten sind allerdings die Ergeb nisse

Mai 2009 - ijar 5769 25

Finanzminister Yuval Steinitzspricht zur Finanzkrise in Israel

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Shopping Mall in Ramat Aviv

Stanley Fischer übergibt den Finanzreport2008 an Knesset-Mitglied Moshe Gafni

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aus der jüngsten Übernahme des US-Medikamenten-Erzeugers Barr Phar -ma ceuticals. Zu diesem ge hört auch diekroatische Pliva, einer der bedeutend-sten Generika-Lieferanten in Mit tel ost - europa. Teva beschäftigt übri genswelt weit rund 38.000 Mit arbeiter, derTrend zu günstigen nach bau-Medi ka -menten dürfte angesichts angespann-ter Gesund heitsbudgets in vielen Län -dern kaum abreißen.

Und schließlich gab es heuer zu Jah -resbeginn eine Erfolgsmeldung, diefür israelis, die nicht unmittelbar inder Energiebranche tätig waren, über - raschend kam. Vor der Küste Haifasstießen Probebohrungen auf einmäch tiges Gasfeld – in 5000 MeternTiefe. „Das ist die größte Entdeckung inder Geschichte unseres Unternehmens,“jubelte Charles Davidson, Chairmanvon noble Energy, einem der beteilig-ten Unternehmen. Erste Schätzungenergaben Gasmengen in der Größen ord - nung des Jahres-Gesamt ver brauchsvon Deutschland, und noch sind dieErgebnisse weiterer Probebohrungen

nicht darin enthalten. Schon sprichtman von der Möglichkeit, den israeli-schen Gasbedarf für viele Jahre selbstdecken zu können, bisher wurde vorallem aus Ägypten importiert. Wennauch nicht gleich Autarkie hergestellt

werden kann, so hat sich die Ver hand -lungsposition der israelischen Ener gie-Manager doch deutlich verbessert.Und auch der Finanzminister wirdkünftige Schulden leichter bezahlenkönnen.

WIRTSCHAFT • ISRAEL

26 Mai 2009 - ijar 5769

Hoffnung auf Infrastruktur

„Die ersten Monate heuer waren grau sam.“ Der österreichische Han dels de legiertein Tel Aviv, Chris ti an Lass nig, spürt nur wenig Erleich terung davon, dass die mi nus25 Prozent Handels vo lumen ziemlich genau im statistischen Schnitt des israeli-schen Außen handels liegen. Vor allem die Maschi nenlie fe run gen aus Österreichsind ein gebrochen, in der unsicheren Wirt schaftslage wird zunächst einmal ver-schoben, was nicht unmittelbar zur Pro duk tion notwendig ist. Lassnig: „Es wirdauch da wieder aufwärts ge hen, In ves titionsentscheidungen fallen nur nicht von heuteauf morgen, und vorher muss sich die Lage einigermaßen klären. Momentan wäre esKaffeesud-Leserei, den Zeitpunkt für ein Ende der Krise vorherzusagen.“ Aber es gibtauch Sektoren, in denen das Ge schäft wei ter läuft: Holz, Chemie, Phar mazeutika.Gewisse Hoffnungen setzt die Wirt schaftskammer auf die Ankündigung der is -raelischen Regierung, schon län ger geplante In frastrukturprojekte jetzt im An ge -sicht der Krise zu be schleu nigen. Bereits bisher gab es der artige Lie ferungen, vorallem von Siemens-Österreich im Zusammenhang mit dem Eisenbahn-Ausbau.Da böten sich wieder Chancen für österreichische Unternehmen.

Ebenfalls härtere Zeiten erlebt To ni Maurer, bei der Raiffeisen Zen tral bank (RZB)als Vice Presi dent für internationale Großkun den zu ständig. Er hat in den letztenJah ren unter anderen is raelische Im mo bi lien-Investoren in Mittel ost euro pa be treut,die dort Shop ping-Center, Bürotürme oder Wohnblocks ge baut haben. Jetzt stehenzahlreiche Projekte still, vor al lem in Russ land und der Ukraine. Ent we der findetman verwaiste Baustellen, oder man hat nach Kauf der Grund stücke erst gar nichtmit dem Aus hub begonnen, weil keine Finan zie rung auf zustellen war. Maurerglaubt, dass mit wenigen Aus nah men alle In ves toren-Gruppen die Krise überste -hen werden. Israel selbst sei re lativ stabil, die größ ten Probleme habe man sich inden USA eingehandelt. Aus Osteuro pa wer de sich niemand zurückziehen, am Auf -schwung nach der Krise möchte man partizipieren. Der eine oder an de re suche be - reits wieder nach Kauf mög lichkeiten, nachdem die örtli chen Preise gesunken sind.

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Der Teva-Pharmakonzern beschäftigtwelt weit rund 38.000 Mit arbeiter

Probebohrungen vor der Küste Haifas

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WISSENSCHAFT • ISRAEL

Alle zwei Jahre findet in israel eininternationales Treffen jüdischer

Mediziner statt, dieses Jahr im April inTel Aviv. Heuer kamen lediglich 14oTeilnehmer aus dem Ausland.

Wie in früheren Jahren waren dieEnt wicklungen im Bereich der Bio tech -nologie im Fokus der Tagung. Es istbeeindruckend, wie schnell sich For -schung weiterentwickelt, aber vor al -lem, wie viel Wert auf praktische undökonomische Anwendung gelegt wird.

Faszinierend war der Vortrag vonProf. A. Orenstein, der eine Vision deszukünftigen Operationsraums gegebenhat. Die bisherigen Verbesserungenwie Herzschrittmacher, Ballon, undStunt, um nur einige zu erwähnen,waren alle im mechanischen Bereich.Hier gibt es insofern noch Verbes se -rungs potential, als die Visuali sie rungs -geräte zu verkleinern und zu verein-fachen sind, damit sie während der OPals Kontrolle für präziseres Arbeitenverwendet werden können. in israelwurde ein MRI-Gerät entwickelt, dasnur 50 cm groß ist. Laser-Schneide ge rä tewerden auf die visualisierten Rei zeder diagnostischen Geräte automatischreagieren können. Ein Roboter, der sodas pathologische Gewebe aufspürenkann, wird die Hand des Chirurgener setzen und das Lasermesser führen,um dieses Gewebe zu entfernen.

Der echte Durchbruch im Opera ti -ons saal wird aber, fern von allen me -chanischen Verbesserungen, in Rah -men der Bio-Chirurgie erfolgen. israelist weltweit führend im Bereich derBio- und Gewebe- Technologie. in ten siveStammzellenforschung wird in israelbereits seit Jahren betrieben.

Eine junge Forscherin aus Haifa, dieeiner nichtjüdischen Minderheit an -gehört, schilderte ihre Fortschritte beider Entwicklung von Insulin produ-zierenden Zellen. Seit 24 Jahren wirdgeforscht, um insulin produzierendeBeta-Zellen aus embryonalen Stamm -zel len herzustellen. Heute ist es be -reits möglich, eine genügende Anzahlsolcher Zellen in sechs Stunden zu er -halten. Viele Patienten auf der ganzenWelt warten auf diese neue biotech-nologische Errungenschaft. Daher istes wichtig, diese Forschung schnellweiter zu entwickeln. Damit wird die -sen Patienten auch auf einer sozio-öko -nomisch sinnvollen Weise geholfen.

Um diese bedeutenden Fortschrittein der Forschung weiter zu ermögli -chen, müssen Ausbildung und Erzie -hung geändert werden.

Die neuen Erfindungen aus israelsind besonders zielorientiert, um Un -tersuchung und Behandlung effizien-ter, billiger und einfacher zu machen,wie z.B.: Nasenspray als Impfung, ein-fache Analyse der ausgeatmeten Proteinefür die Krebsdiagnose, Darmunter su chungmit Kamera, die dem Patienten dieschmerzhafte und teurere Rektos ko -pie ersparen soll. im Bereich des Herz - klappen-Ersatzes wird bereits mit Hil feeines Gerätes der „Edward Life Scien -ce“ operiert, ohne dass das Herz ge -öff net wird. Der Zugang zum Herzenkann durch eine Vene oder durch Ar -terie verschafft werden.

israel hat die höchste Rate (absoluteZahl) der Patente in Bereiche der Wis -sen schaften des Lebens.

Maru Gate, geboren 1983 in Äthio-pien und im Alter von 8 Jahren nachisrael eingewandert, hat auf dem Ye -shiva Gymnasium maturiert und warOffizier bei einer Eliteeinheit der isra -e lischen Armee. Er hat die Schwestervon Assael geheiratet, das Ehepaar hateinen einjährigen Sohn. Derzeit stu-diert er an der Ben Gurion Univer si tätMedizin.

Assael Lubotzky ist 1983 in Jerusalemgeboren. Sein Großvater issar Lu botz -ky hat als Partisane in Litauen gegendie nazis gekämpft. Er war Offizier inderselben Eliteeinheit wie Maru undwurde im letzten Libanonkrieg schwerverletzt. nach vielen Jahren Therapiekann er heute, wenn auch noch aufKrücken, wieder in die Zukunft blik-ken. Die beiden wurden als besonderesBeispiel vorgestellt für den „Vertrag“,der zwischen der Bevölkerung israelsmit allen ihren „Schattierungen“ undder jüdischen Bevölkerung auf allerWelt besteht.

Die Medizin in israel, erzählte Leut -nant Colonel Dr. Benjamin Zeev Sander,muss auch unter Feuer funktionierenund die Armee ist täglich mit ethischenEntscheidungen konfrontiert. TrotzKrieg und Terror werden die Palästi -nenser aus den Autonomiegebietenkostenlos in den Spitälern in BeerSheva, Hadassah und Tel Hashomerbehandelt, obwohl sie keine israelischeKrankenversicherung haben. Sehr oftwerden sie von der israelischen Ar -mee primär versorgt. 2008 waren 1.180Patienten aus Gaza im Tel Hashomerhospitalisiert, hauptsächlich Kinderim Bereich der pädiatrischen Kardio -lo gie. Über den Fall eines jungenMäd chens wurde berichtet: sie wurdewegen einer malignen Erkrankung >

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Tagung der „World Fellowship“ derIsraeli Medical Association (IMA)

Dr. Tzahi Ziv-Ner, Präsident der „WorldFellowship“, mit Assael und Maru

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nach Amman zur Behandlung trans-feriert. Dort wurde die Therapie ver-weigert, weil die Eltern die Behand -lung nicht bezahlen konnten. Schließ -lich wurde sie ins Chaim Sheba M.C.nach israel gebracht. Die Kosten wur -den vom Shimon Peres-Fond über-nommen. Dieser Fond übernimmtjähr lich Behandlungskosten für 3.000palästinensische Kinder aus den Au -to nomiegebieten.

Ethik und EntwicklungDie Ethik muss mit den Ent wick lun -gen der Medizin Schritt halten unddie Dynamik in diesem Bereich istbemerkenswert. Die Wahl zwischengut und böse ist ein moralisches Di -lem ma, Religion und Gesetze habenabsolute Antworten dafür. in dermedizinischen Ethik gibt es die Wahlzwischen zwei Möglichkeiten, diebei de ihre positiven Seiten haben. DasGesetz ist ein Spagat zwischen zweiEinstellungen. in israel ist die „hala-chische“ Einstellung danach gerichtet,was (nachweislich) zum Wohl der Pa -tien ten geschieht. Auf diesem Be kennt -nis basieren Forschung und Gesetz.

Ein neues Gesetz, das den Hirntodals gesetzlichen Tod anerkennt, wur dein israel am 24. März 2008 bestätigt.Die Richtlinien wurden genau festge-legt. Aus Pietätsgründen wurde denVerwandten, die den Hirntod nicht ak -zeptieren wollten, erlaubt, den ge setz -lich „Toten“ weiter zu beatmen. Hirn -tod ist visuell nicht wahrnehmbar,kann aber mit Geräten genau festge-stellt werden. Da es diese Technik frü-her nicht gab, war man bis ins 18.Jahr hundert auf sichtbare Zeichen an -ge wiesen: durch tagelanges War ten,bis alle vitalen Zeichen der einzelnenZellen erloschen waren (halachischnicht konform), Stillstand der At mung,der durch Hinhalten einer Feder fest-gestellt wurde oder Sistieren desHerzschlags bei Herztod.

K. Baddarani von der Al/Taj Or ga ni -sation berichtete über die medizinischeEthik des islam, die auf der Scha riabasiert. Er betonte, dass jede fünftePerson weltweit und jede sechste Per -son in israel Muslim ist und diesenGesetzen gehorcht. Auch hier, wie beider Halacha, richten sich viele Über-legungen nach dem Wohle des Pa ti en -ten. Seiner Meinung nach sind es al -lerdings absolute Gesetze, die nicht

geändert werden dürfen, auch wennes darüber neue medizinische Er kennt - nisse gibt.

Ethik und Holocaust Auch die Themen Holocaust undEthik haben bei der Tagung nicht ge -fehlt. Besonders aktuell, weil in israelgerade Jom HaSchoa-Gedenktag war.Einige der Probleme stehen bis heutein der Medizin zur Diskussion. Dr.Halpin aus Sidney sagte, dass bisheute darüber diskutiert wird, ob mandie Forschungsergebnisse der nazisverwenden darf. Diejenigen, für diedie Rettung des Lebens mit allen Mit -tel erlaubt ist, wollen auch die For -schungs ergebnisse der „hoch qualifi-zierten“ nazis berücksichtigen, die an -deren meinen, dass deren Methodenso verwerflich waren, dass man ihreErgebnisse nicht verwenden sollte.

Dr. Haliolua aus Frankreich berich-tete über Dr. Hinselmann, einem an ge -sehenen deutschen Mediziner, der 1924das Kolposcop (ein wichtiges Gerät inder Gynäkologie) entwickelt hat, spä-ter der nationalso zialisti schen Parteibeitrat und in Auschwitz gemeinsammit Eduard Wirth (einem bekanntenVerbrecher, der später Selbstmord be -ging) Operationen an lebendigen Pa ti -en tinnen ohne narkose durchführte,um sein Gerät „zur klinischen Tes -tung“ zu überprüfen. Erst nach diesem„Test“ wurde das Gerät zugelassen.Hinselmann wurde nach dem Kriegzu einer kurzen Haftstrafe (und klei-nen Geldstrafe) verurteilt. Trotzdemhielt er Vorträge in aller Welt und warinternational anerkannt. Seine Anwe -sen heit bei diesen „Operationen“ inAuschwitz (die schriftlich dokumen-tiert sind), wurden in seiner Bio gra -phie „vergessen“.Auch über französische Ärzte, die mitdem Vichy-Regime kooperierten, wur -

de berichtete. Einer von ihnen wurdespäter Vorsitzender des französischenÄrzteverbandes. Auch über Eutha na -sie an 77.000 Geisteskranken, davon5.000 Juden, wurde gesprochen.

Die Israelische Ärztevereinigung (IMA)/Worldfellowship, die diese Ta gung orga-nisiert hat, versteht sich als Organi sa -tion jüdischer Ärzte weltweit, die anKontakten mit Ärzten in israel, aberauch untereinander, interessiert ist.Der Austausch von Ärzten und dieberufliche Zusam menarbeit werdenunterstützt. Bisher wurden jährlich13-15 Fellowships für israelis ins Aus -land und 100 Fel low ships aus demAusland nach israel vergeben. Die Or -ganisation will im Sinne der Men -schen rechte und der medizinischenEthik im Sinne jüdischer Werte zu -sam menarbeiten.

Auch für Studenten werden Chan -cen für Weiterbildung und nützlicheKontakte offeriert. Der Verband ar bei -tet auch mit der UnO, um interessierteÄrzte in Dritte Welt-Länder zu ver-mitteln.Es werden Aktionen für die iMA un ter -stützt, wie z.B. eine weltweite Un ter -schriftenaktion, als im ‘Lancet’ ein Ar -tikel erschien, der den Ausschluss deriMA aus der Weltorganisation der Ärz -te verlangte. Der Erfolg war, dass derPräsident der iMA, Yoram Blaschar,zum Präsidenten der Weltor gani sa ti ongewählt wurde. Chava Bugajer

Falls Sie Arzt/Ärztin, PsychologIn, Bio -log In oder StudentIn sind oder an derenmedizinischen Berufen angehören undan einer Zusammenarbeit mit der IMAin Form eines Verbandes (Chapter) inÖs terreich von der IMA/WF interessiertsind, melden Sie sich bitte unter folgen-der Email-Adresse: rabbinat@ikg-wien

WISSENSCHAFT • ISRAEL

28 Mai 2009 - ijar 5769

Dr. Hava Bugajer (mi.) mitMitgliedern der Executive der IMA.

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WISSENSCHAFT • ISRAEL

Israelische Erfindung erleichtert Haut -krebsfrüherkennung - Eine israelischeFirma hat ein Gerät entwickelt, daswo möglich einen Durchbruch bei derFrüherkennung von Hautkrebs dar-stellt. Mittels optischen Faserkabelnzum Absuchen nach bösartigen Le -ber flecken ermöglicht es eine weitauspräzisere Erfassung als das bloßeAuge des Arztes.Das Gerät der Firma Skin Cancer Scan -ning befindet sich derzeit noch in derklinischen Testphase im Beilin son-Kran kenhaus in Petach Tikva. Es hatjedoch bereits eine Treffgenauigkeitvon 92% bei der identifizierung ver-schiedener Hautkrebsarten bewiesen.Die neue Technologie beruht auf demPrinzip, dass Krebszellen sich schnel-ler vermehren als gesunde Zel len undihre gesteigerte metabolische Aktivi tätEnergie in einer höheren Fre quenzfrei setzt. Diese Aktivität wird vondem Gerät erfasst.

Rat aus Israel - holte sich US-PräsidentBarak Obama für seine geplante Ge -sundheitsreform. Dem Planungs teamgehören mit Prof. Gabi Bin Nun undDr. Osnat Luxemburg zwei israelischeExperten an.

Schlaganfälle - und ihre Folgen könnenmit einem neuen virtuellen System the -rapiert werden. Ärzten des Jerusa le -mer Hadassah-Klinikums entwickeltenein Magnet Resonanz ima ging Sys tem,mit dem die Motorik der Betroffenensignifikant verbessert wird.

Nieren für Kinder - Das weltweit ersteStammzellen-Forschungsinstitut fürKinder wurde von Dr. Benjamin Dekelin israel gegründet. Seine bahnbre-chende Forschung zur der isolierungadulter nieren-Stammzellen wurdebe reits im „nature Medicine“ veröf-fentlicht. Jetzt arbeitet der Kinder-ne -phrologe mit seinem Team an derEntwicklung funktionierender nierenaus adulten Stammzellen. Hoffnungfür Tausende Kinder mit chronischemnierenversagen.

Eigenverantwortung erhöht Produkti vi tätZu diesem Resumé kommen Forscherder Universität Haifa. in einer Studiekonnten sie nachweisen, dass die Ar -beitsleistung und das Verantwor -tungsbewusstsein der Arbeitnehmerzu nimmt, wenn ihnen mehr Autono -mie und Entscheidungsbefugnis amArbeitsplatz übertragen werden. ILI

Mai 2009 - ijar 5769 29

Heilung vonSchwerhörigkeit

denkbar

israelische wissen schaft ler

haben einen weggefunden, der

möglicherweise zur heilung von verschiedenen arten vonschwerhörig keit führen könnte. in zusammenarbeit mit amerikanischen Kollegen entdeckten sie, dass bestimmtemoleküle in den genen für dentod von haarzellen im innenohrverantwortlich sein können.

Die Entdeckung könnte helfen, Hör -schä digung bei Menschen zu heilen,sei sie nun durch Alterung oder gene-tische Defekte verursacht. Wie die„Jerusalem Post” berichtet, arbeitetendie Genetikerin Karen Avraham vomSackler institut der Universität TelAviv und Lilach Friedman drei Jahrelang an den Molekülen, die „Micro -RNA” genannt werden. Sie veröffent-lichten ihre Ergebnisse im Journal ‘Pro - ceedings of the national Acade my ofSciences of the United States ofAmerica’.

Rund jeder zweite ältere Mensch lei -det an einem gewissen Grad anSchwer hörigkeit. Zudem wird einesvon 1.000 Kleinkindern aufgrund ei -nes Gendefektes taub geboren. Eingesundes Baby kommt mit 15.000sensorischen Härchen in jedem Ohrauf die Welt, die ihm das Hören er -möglichen. Die Härchen verwandelnSchall in elektrische impulse, die zumGehirn geleitet werden. Wenn dieseZellen absterben, was man Apoptosenennt, kommt es zu einer Hörbe hin -derung.

MicroRnA wurde zuerst 1993in amerikanischen Laborenuntersucht; Es handelt sichum Moleküle, die die Gen ko -

dierung regulieren und darü-ber entscheiden, ob Proteineproduziert werden. Sie sindverantwortlich für die korrekte

Funktionsweise von Zellen inTieren und Pflanzen. Man weiß, dass

die MicroRnA an Krankheiten be -teiligt sind wie etwa bei einigenKrebsarten sowie Leber- und Herz-Kreislauferkrankungen.

Das Team von der Universität Tel Aviv,Kollegen des Weizmann insti tuts fürMolekulargenetik und Biologen derPur due University in indiana habenanhand von Mäusezellen herausge-funden, dass die Moleküle der Micro -RnA entscheidend für die Entwick -lung und den Tod der Haarzellen iminnenohr sind. Diese Entdeckung öff-net viele Möglichkeiten für möglicheBehandlungen von Schwerhörigkeit,egal, ob diese nun altersbedingt odergenetisch verursacht ist. Die innen oh -ren von Mäusen sind denen vonMen schen funktionell sehr ähnlich,sagte Avraham gegenüber der„Jerusalem Post”. inn

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Der jüdischen Literaten gedenkt mannoch immer in den stimmungsvollenCafés. Im ehemaligen Ghetto der Stadtsucht man vergeblich nach einerErinnerungstafel.

Eine Reportage VON MARTA S. HALPERT

Der Stadtführer aus istrien ist gutinformiert und sehr höflich. Er zeigtauf ein helles, renoviertes Straßen -schild mit der Aufschrift „Via del Pa -ne“. „Das ist ein Hinweis auf die Berufeder Juden von damals, sie waren Bäcker“,gibt er sein Wissen preis. in diesenverwinkelten, engen Straßenzügendes ehemaligen Ghettos von Triesthaben sich schon seit geraumer Zeitkleine Altwaren- und Buchgeschäfteangesiedelt. Vergeblich sucht mannach einer info-Tafel zur Geschichteder Juden in dieser ehemaligen k.u.k.Vielvölkerstadt.

Die Zeit der Bäcker scheint auf 1696zurückzugehen, als hinter der PiazzaUnità d’Italia das Ghetto mit einer ho -hen Mauer und drei Toren eingerichtetwurde. Doch weder an dieses histori-sche Ereignis noch an die Schreckendes faschistischen italien im ZweitenWeltkrieg wird hier erinnert. „Das istnicht notwendig“, meint der bemühteTour-Guide, „dieser Stadtteil ist hierlängst integriert“. Fast bis zur Un kennt - lichkeit, möchte man hinzufügen.

Das aktive jüdische Leben spielt sichan diesem sonnigen Schabbat-Mor gentatsächlich woanders ab. Zwi schenzwei belebten Einkaufs straßen stehtin der Via San Francesco d’Assisi diemächtige Synagoge von Triest. Sie isteine der größten Europas und hat dieWirren der Zeit unbeschadet über-standen. Stolz ragt sie in frischem Weißaus den modernen Wohnhäusern her-vor und besetzt ein riesiges Straßen -eck. 1912 eingeweiht, zeugt sie vondem blühenden wirtschaftlichen undgeistigen Leben, das die Juden hier

erfolgreich mitgestaltet haben. Auchals Gründer der Assicurazioni Gene ra li,einer der größten VersicherungenEuropas.

„Im Schnitt kommen 50 Leute amSchab bat zum Gottesdienst“, erzähltRabbi David Yitzhak Margalit, der seitAugust 2007 die jüdische Gemeindemit rund 600 Mitgliedern betreut. Erwurde von der Gemeinde direkt ausisrael angeworben, spricht gut ita lie -nisch, ein wenig Deutsch und Eng -lisch. Er ist schon in israel geboren,seine Eltern stammten aus Transsyl -vanien. „Es gibt eine jüdische Schule,ein Altersheim und koscheres Essen aufBestellung“, berichtet der knapp 60-Jährige, dessen Kinder und Enkel kin -der in israel verblieben sind. „MeineFrau ist hier, der Rest der Familie kommtimmer wieder zu Besuch.“ Ein „histori-scher Kompromiss“ ist Rabbi Mar -galit beim Gebetsritus gelungen: AnWochentagen wird nach sephardi-schem, Nossach und an den Feier ta gennach aschkenasischem gebetet.

JÜDISCHE WELT • AUSLAND

30 Mai 2009 - ijar 5769

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Triest: Nicht Hof- sondern Hafenjuden

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Welt – nicht nur KaffeehausliteraturGleich in der nähe der Synagoge liegtdas Café San Marco, als Dichter-Hochburg obligate Station eines lite-rarischen Stadtspaziergangs. Von derbelebten Via Cesare Battisti fällt manunvermittelt in ein Kaffeehaus bestermitteleuropäischer Tradition, mit Le -derbänken, gefüllten Bücherregalenund Likörflaschen vor einem riesigenSpiegel. Hierher kamen die Großender Triestiner Literatur – und einigedavon waren Juden. Der EngländerJames Joyce war die Ausnahme, dieStammgäste waren Italo Svevo undUm berto Saba.

Edoardo Weiss, ein Schüler SigmundFreuds, entstammte ebenso einer jü -dischen Familie aus Triest wie FiorelloLa Guardia, Bürgermeister von newYork von 1933 bis 1945.

Auch den Triestiner Schriftsteller,Essayisten und Germanistik-Pro fes -sor Claudio Magris kann man hier an -treffen, der sich seine Heimat Triestund den Mythos Mitteleuropa zumLe bensthema gemacht hat. Ein guterAnlass, hier sein Triest-Buch zu lesenoder einen kleinen Roman von Ma gris’verstorbener Frau Marisa Madieri:Sie beschreibt das Schicksal ihrer Fa -milie, die nach dem Zweiten Welt -krieg aus Rijeka, dem einstigen italie-nischen Fiume, nach Triest kam unddort lang in einem Flüchtlingsheimhausen musste.

Die Kaffeehaus-Tradition wird inTriest weiter hochgehalten: „Mankann hier auch einfach zwei, drei Stun densitzen und lesen”, sagt Franco Felli pi,der das Café San Marco seit zehnJahren führt. Für einen Gast macht ereinen „Cafe in B”, einen Espresso nachTriester Art, der in einem winzigenGlas statt in einer Tasse serviert wird.„Wir müssen noch herausfinden, werdiese Tradition nach Triest gebracht hat.Manche sagen, es waren die Türken, aberes hätten auch die Juden sein können,denn sie trinken ihren Kaffee traditionellaus Gläsern.”

Ging es den Juden während derShoa in Italien besser?nicht nur die jüdische Bevölkerungvon Triest ist überaltet, auch die all-gemeine leidet unter dieser demogra-phischen Entwicklung. Dennoch be -müht sich heute die jüngere Gene ra -tion die kosmopolitische Tradition derStadt, in der italienische, österreichi-sche, slawische, levantinische undjüdische Bewohner zusammen lebten,wiederzuerwecken. Die einstige Welt -stadt hat im 20. Jahrhundert an derGrenze zum kommunistischen BlockEuropas wesentlich an Bedeutungverloren.

Von 1382 bis 1918 war Triest mit Ös -ter reich verbunden – abgesehen vonkurzen Unterbrechungen am Beginndes 16. Jahrhunderts und während

der napoleonischen Besetzung – undverdankte dem österreichischen Kai -ser haus den Aufstieg zur erfolgreichenHandels- und Finanzmetropole, dermit der Erklärung zum Freihafendurch Kaiser Karl Vi. (1719) begann.Die große Bedeutung, die Triest imWelthandel hatte, drückte sich etwadarin aus, dass von hier aus der Suez-Kanal mitfinanziert und die Welt -markt preise etwa für Kaffee wesent-lich mitbestimmt wurden. Trotz derBindung an Österreich waren vieleTriestiner leidenschaftliche Anhängerder italienischen FreiheitsbewegungIrredenta und planten 1882 ein Atten -tat auf Kaiser Franz Joseph, das dannallerdings scheiterte.

nach dem Ersten Weltkrieg fiel Triestzusammen mit istrien an italien undverlor damit als Hafen das riesigeHinterland der Donaumonarchie, wasden wirtschaftlichen niedergang un -vermeidlich machte. Seit 1947 gehör-te der größte Teil der istrischen Halb -insel zu Jugoslawien, Triest und derschmale Küstenstrich bis Muggia ka -men als „Freies Territorium Triest“zunächst unter englisch-amerikanischeVerwaltung und erst 1954 zu italien.Der Hafen blieb zwar in Betrieb, er -lang te aber nie mehr seine einstige Po -sition. Durch den Zusammenbruchdes Kommunismus und die europäi-sche integration ergeben sich für dieHafenstadt aber neue Perspektiven.

Die Zahl der Juden in italienschrump fte von 47.000 vor dem Kriegauf 30.000 danach. Das hatte mehrereUrsachen: 4.000 Austritte aus dem Ju -dentum gab es nach der Rassenge setz - gebung von 1938 – und nur wenige

JÜDISCHE WELT • AUSLAND

Mai 2009 - ijar 5769 31

Das ehemalige Ghetto

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32 Mai 2009 - ijar 5769

JÜDISCHE WELT • AUSLAND

von denen wurden später rückgängiggemacht. Durch die Auswanderungvon 11.000 ausländischen und 6.000italienischen Juden wurden die Ge -mein den weiter dezimiert. Über 8.000italienische Juden fielen der nS-Ver -nich tungspolitik zum Opfer. nach1945 ergab sich auch eine neue regio-nale Verteilung mit zwei großen Ge -meinden – Rom und Mailand mit12.000 bzw. 6.000 Mitgliedern, sechsmittleren Gemeinden mit rund ein-tausend Mitgliedern (Florenz, Genua,Livorno, Turin, Triest und Venedig)und 14 kleineren mit um die 100Mitglieder.

Die italiener arbeiteten gleich mitKriegsende an ihrem neuen image:Bereits 1945 wurden Zeugenaussagenvon jüdischen Überlebenden, die ita -lienern ihre Rettung verdankten, ge -sammelt und den Botschaften in derganzen Welt zugeschickt. Das darausresultierende Bild des „guten italie -

ners“ sollte sich auf Kosten des deut-schen Verbündeten durchsetzen, derdie italiener zu einer ihnen eigentlichwesensfremden Politik verleitet hatte,so wollte man sich gleichzeitig wohl-tuend vom nationalsozialismus inDeutschland abheben. Dass die Ras -sen gesetzgebung in italien nicht aufDruck der deutschen nS-Regierungentstand, blieb meist unerwähnt. DieTatsache, dass italien im Verhältnis zuden anderen besetzten Ländern weni-ger jüdische Opfer der Deportationzu verzeichnen hat, hängt sowohl mitder kürzeren Besatzungszeit – 18 Mo -nate – als auch mit einer verbreitetenHilfsbereitschaft der Bevölkerungzusammen. Die meisten Juden warennicht versteckt, sondern mit Auswei -sen versorgt, die von Beamten derStan desämter gefälscht waren.

Die erfolgreichen Hafenjuden unddas KZ von San SabbaDer kommerzielle und gesellschaftli-che Aufstieg der Juden in Triest be -gann langsam mit dem Toleranz pa tentJosef ii. als die Tore des Ghettos geöff-net wurden. Der Gründung der ers tenSynagoge und der Schola piccola imJah re 1748 folgten drei weitere Syna -go gengründungen, in denen nach spa-nischem, griechischem und deutschemRitus gebetet wurde. Diese Bet häuserwurden ebenso wie zwei wei tere Schu -len 1928, 1934 und 1937 zerstört. Weildie jüdischen Kaufleute ihre Waren la -ger am Hafen hatten, wur den sie auch„Hafenjuden“ ge nannt. Der Großteilihrer verlassenen, prächtigen Wohn -häu ser werden heu te als Museen ge -nutzt, zum Beispiel das „Museo Mor -purgo“, der ehemaligen Banker fa mi lie.Das KZ von San Sabba

Das Jüdische Museum ‘Carlo e Vera Wagner’

Die Synagoge von Triest