NZZ Artikel über das Weltkulurerbe in Tschechien

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Ilha de Moçambique Moçambique Mada- gaskar NZZ TSCHECHIEN Prag Telc NZZ Ceský Krumlov REISEN UND FREIZEIT B2 Donnerstag, 25. Oktober 2007 Nr. 248 Neuö Zürcör Zäitung Der Marktplatz von Telˇ c dient häufig als Kulisse für Historienfilme. PAWEL WYSOCKI / LAIF Gut zu wissen Anreise: Flüge nach Maputo mit der portugiesi- schen TAP ab Zürich über Lissabon; oder mit Swiss ab Zürich nach Johannesburg. Ab Johan- nesburg weiter mit South African Airways oder mit der mosambikanischen LAM nach Maputo. Von dort mit LAM nach Nampula, von wo aus man die Ilha de Mo¸ cambique im Bus oder im Taxi erreicht. Das Taxi kostet 100 US $. Beste Reisezeit: April bis Oktober. Schweizer erhalten Visum bei der Einreise am Flughafen von Maputo. Geschichtsträchtige Ilha de Mo¸ cambique Die Fortaleza S˜ ao Sebasti˜ ao thront über dem Indischen Ozean Wer seine Ferien abseits der Touristenströme verbringen will, aber trotzdem nicht auf den Genuss des Insel-Fee- lings, kulinarische Eskapaden und ein reichhaltiges kulturel- les Angebot verzichten möch- te, ist auf der Ilha de Mo¸ cam- bique gut aufgehoben. Die frühere Hauptstadt der portugiesischen Kolonie auf der nur einen Qua- dratkilometer grossen Insel im Indischen Ozean stellt mit ihrer Festung aus dem 16. Jahrhundert, der Fortaleza S˜ ao Sebasti ˜ ao, dem früheren Gou- verneurspalast und den stattlichen Bürgerhäusern ein eindrückliches Zeugnis europäischer Kolo- nialgeschichte auf dem afrikanischen Kontinent dar. Und genau wegen dieser zahlreichen histori- schen Bauten hat die Uno-Organisation für Erzie- hung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) die Ilha de Mo¸ cambique im Jahre 2003 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Gold, Stosszähne und Sklaven Der Charme der Insel, welche lange Zeit als Um- schlagplatz für Gold, Stosszähne und Sklaven diente, erklärt sich vor allem mit dem Gemisch der Kulturen: arabische, indische, europäische und nicht zuletzt Swahili-Einflüsse sind hier auf- einandergetroffen und haben eine bunte Mi- schung entstehen lassen. Viele historische Bauten sind nicht Museen, sondern Teil des Alltags der Inselbevölkerung, die sich inzwischen fast aus- schliesslich aus schwarzafrikanischen Muslimen und einigen Mestizen zusammensetzt. So ertönt beispielsweise selbst in der Fortaleza S˜ ao Sebas- ti˜ ao, dem während Jahrhunderten wohl grössten Steingebäude im Afrika südlich der Sahara, Kin- dergeschrei. Ein Teil der ehemaligen portugiesi- schen Soldaten-Unterkünfte ist in Klassenzimmer umgewandelt worden, und die frühere Kantine mit ihrem hohen Bogengewölbe wird als Turn- halle genützt. Die über dem Indischen Ozean thronende Festung war von Portugiesen ab 1558 gebaut worden, also gut 60 Jahre nach der Ent- deckung der Insel durch Vasco da Gama. Die For- taleza S ˜ ao Sebasti ˜ ao war zum Schutz gegen die Besitzansprüche der Swahili- und Araber-Fürsten errichtet worden und diente später auch als ideale Trutzburg gegen die Angriffe der Holländer. Die Festung ist gut erhalten. Bis zum heutigen Tage funktioniert die sechs Meter tiefe Zisterne, welche die Portugiesen zur Sicherung ihrer Trink- wasserversorgung eingerichtet hatten. In der Zis- terne läuft das Regenwasser zusammen, das mit einem ausgeklügelten System auf einer Dach- und Zinnenfläche von mehreren tausend Qua- dratmetern gesammelt wird. Wenn die Regenzeit schlecht ausfällt und die Brunnen auf der Insel versiegen, holen sich einheimische Macua-Frauen ihr Trinkwasser auch heute noch aus der Zisterne der Festung. Genützt werden von den Einheimi- schen schliesslich auch noch die Wohnhäuser, die von den Portugiesen nach der Aufgabe der Kolo- nie verlassen und dann von der mosambikani- schen Regierung verstaatlicht worden waren. Der ehemalige Stadtteil für Weisse und soge- nannte Assimilados ist deshalb heute genauso «schwarz» wie die andere Stadthälfte mit dem Namen Macuta, die von den Kolonialherrn der schwarzen Bevölkerung zugewiesen worden war. Während der überwiegende Teil der Häuser in Macuta-Town dicht gedrängt steht und mit Stroh- dächern gedeckt ist, gleicht der frühere weisse Stadtteil aber immer noch dem Muster einer por- tugiesischen Stadt, auch wenn inzwischen viele Häuser vom Zerfall bedroht sind. Dass die Insel nur von sehr wenigen Touristen besucht wird und deshalb durchaus noch die Be- zeichnung Trouvaille verdient, ist einerseits auf den komplizierten Anreiseweg, andererseits aber auch auf die Vernachlässigung durch die mosam- bikanische Regierung zurückzuführen. Seit der Verlegung der Hauptstadt nach Maputo im Jahr 1898 hat Ilha de Mo¸ cambique einen langsamen, aber stetigen Niedergang erlebt. Nach dem Ab- zug der Verwaltung setzte der Insel auch der Bau des Hafens und der Eisenbahnlinie von Nacala ins Landesinnere zu, danach der Bürgerkrieg und schliesslich die stiefmütterliche Behandlung durch die Frelimo-Regierung. Die ehemalige Be- freiungsbewegung sah in der Insel-Stadt lange nur ein Symbol der zwar vergangenen, aber immer noch verhassten kolonialen Besatzungszeit. Trotz seiner isolierten Lage hat das kleine Eiland durchaus nicht nur historische Bauten zu bieten. Die Zahl der Hotels und Zimmer ist zwar beschränkt, aber einige der Unterkünfte haben viel Charme und Ambiance. Das schönste Hotel und das beste Restaurant – geführt von einem französischen Koch, der aus mosambikanischen Meeresfrüchten kleine Wunderwerke zaubert – ist zweifellos das in einem ehemaligen Handels- kontor eingerichtete «Escondidinho». Ausge- zeichnete Langusten und Krabben-Gerichte wer- den aber auch im Restaurant Reliquias angebo- ten. Wer dagegen ein eher konventionelles Hotel vorzieht, ist im portugiesisch geführten «Omu- hipiti» gut aufgehoben. Unberührte Strände Viel Sehenswertes bieten zudem das Museum im ehemaligen Gouverneurspalast sowie das Ma- rine-Museum. In dem kleinen, neuen Museums- trakt ist unter anderem chinesisches Ming-Porzel- lan zu sehen, das aus einem Schiffswrack vor der Küste geborgen wurde. Das Porzellan zeugt vom regen Handel, der zwischen der Insel, dem euro- päischen Mutterland, Indien und China bereits vor Jahrhunderten bestand. Wer von historischen Bauten und Museen genug hat, mietet eine Dhau, ein traditionelles Segelschiff, und lässt sich zu einem Sandstrand am Festland oder zur kleineren Insel Goa fahren, auf die Vasco da Gama 1498 erstmals seinen Fuss gesetzt und wo er die portu- giesischen Besitzansprüche angemeldet hatte. Die Sandstrände sind phantastisch und völlig un- berührt. Und wer gerne taucht, kommt auf der Insel ebenfalls voll auf seine Rechnung. Jean-Pierre Kapp Gut zu wissen Information: Tschechische Zentrale für Touris- mus, Am Schanzengraben 11, 8002 Zürich, Tele- fon 044 287 33 44. Hier kann man eine informa- tive Broschüre zum Weltkulturerbe bestellen. Hotels: www.travelguide.cz; www.czechhotels.cz Lektüre: Weiss, Walter M.: Nachbarn entdecken – Tschechien. Orac-Verlag, Wien. Abseits der Touristenströme: Fortaleza S˜ ao Sebasti˜ ao auf der Ilha de Mo¸ cambique. L. ELOUNDOU ASSOMO / UNESCO Eine Weltkulturerbe-Tour durchTschechien Überraschend harmonische Stilvielfalt in Südböhmen Dutzende kleiner Bürgerhäu- ser reihen sich auf diesem langgestreckten Platz aneinan- der. Cremig-bunte Schmuck- fassaden und abwechslungs- reich gestaltete Ziergiebel prä- sentieren sich auffallend prächtig herausgeputzt, als gelte es, einen Schönheitswettbewerb zu gewin- nen. Gotik, Renaissance, Barock – alle Stile ver- binden sich hier zu einem verblüffend harmoni- schen Gesamtkunstwerk. Kein Wunder, dass der Marktplatz von Telˇ c (zu Deutsch: Teltsch) häufig als Kulisse für Historienfilme dient. Er gehört zu den stimmungsvollsten Architektur-Ensembles in Europa. «Bei uns gibt es genauso schöne Altstädte wie in Italien», erklärt Stadtführerin Jana stolz und fügt sogleich lächelnd an: «Unser Städtchen ist natürlich das allerschönste. Aber Sie werden in Tschechien noch viele erstaunlich gut erhaltene historische Orte finden.» Bei der Unesco ist das schon länger bekannt. Das seit Jahrhunderten kaum veränderte Telˇ c mit seiner malerischen Alt- stadt, die sich zwischen zwei Seen erstreckt, mit dem Renaissance-Schloss und dem Landschafts- park wurde bereits 1992 zum Weltkulturerbe er- hoben – zusammen mit den historischen Stadt- kernen von Prag und ˇ Cesk ´ y Krumlov. Reichtum, Macht und Kunstsinn Krumlov, das südböhmische Städtchen an den Ufern der Moldau, bietet sich in hervorragender Weise an als Ausgangspunkt für eine Tour zu den Weltkulturerbestätten in Tschechien. Wer durch die alten Gassen Krumlovs spaziert, wird bald vor einem riesigen Tor stehen, dem Eingang zu einer der grössten Burganlagen Europas. Hunderte Meter geht man von Innenhof zu Innenhof, über- windet mittels einer imposanten, dreigeschossi- gen Brücke eine Schlucht, um schliesslich im barocken Garten zu verschnaufen. Die Burg kün- det aber nicht nur von Macht und Reichtum, son- dern auch vom Kunstsinn ihrer Bewohner. Im Theater staunt man über Kostüme, Kulissen und Bühnentechnik – alles original aus der Zeit des Barocks. Eigentlich möchte man hier gar nicht so schnell wieder weg. Aber eine weitere Gruppe Interessierter begehrt Einlass. Weniger touristisch geht es im unweit von Krumlov gelegenen Holaˇ sovice (zu Deutsch; Hollschowitz) zu und her. Hier liegt ein ganz ande- rer, längst vergangener Kosmos vor den Augen der Besucher: die bäuerliche Welt des frühen 18. Jahrhunderts. Das fast komplett erhaltene Dorf ist ein beeindruckendes Beispiel für den sogenann- ten Bauernbarock, der in dieser Homogenität wohl nirgends sonstwo zu finden ist. Reich- geschmückte und stuckierte Giebelwände der Höfe, die den ausgedehnten Dorfanger mit klei- ner Kapelle und Fischteich säumen, erzählen vom Selbstbewusstsein der bäuerlichen Bauherren. «Wir sind hier die meiste Zeit unter uns», be- richtet der Mann am Tresen der Dorfkneipe, der wie viele in dieser Gegend ganz gut Deutsch spricht. Der Weltkulturerbe-Titel habe bisher nur wenige Touristen angelockt. Es scheint nicht so, als würde ihn das sonderlich stören. Dass Besu- cher hier mitunter das Gefühl beschleicht, in längst vergangene Zeiten einzutauchen, liegt wohl auch daran, dass die Aneignung westlicher Kommerz-Strategien den Ortsbildern noch nicht den Stempel aufgedrückt hat. Die Reise zum Weltkulturerbe bringt auch eine abwechslungsreiche Geschichtserzählung zu- tage, die nicht nur von den Herrschern und ihren Künstlern geschrieben worden ist, die aus den europäischen Kunstzentren – vor allem aber aus Italien – an die böhmischen und mährischen Höfe eingeladen wurden. Auch andere Kapitel werden aufgeschlagen, in denen vermeintlich weniger be- deutende Darsteller auftreten. Jüdisches Erbe In der Stadt Tˇ reb´ı ˇ c (zu Deutsch Trebitsch), östlich von Teltsch, findet sich eine weitere städtebauliche Rarität: eines der grössten ehemaligen jüdischen Wohnviertel. Mit der nur wenige Meter entfernten romanischen St.-Prokop-Basilika, die ebenfalls zum Weltkulturerbe zählt, sind die 120 Gebäude zu steinernen Zeugen für das friedliche Zusam- menleben von Juden und Christen geworden. Ver- winkelte Gassen führen durch das dichtbebaute Viertel zur Synagoge, die heute als Museum fun- giert. Jüdisches Leben gibt es in Tˇ reb´ı ˇ c allerdings seit dem Holocaust nicht mehr. Die Erinnerung daran wachzuhalten, ist eine Verpflichtung. Die Fahrt geht weiter nach Osten, wo das nächste umfangreiche Kapitel ein gänzlich ande- res Geschichtspanorama ausbreitet. Die Garten- landschaft um die Orte Lednice (deutsch: Eis- grub) und Valtice (deutsch: Feldsberg) ist ein romantisches Reich, das den Vergleich mit engli- schen Anlagen nicht zu scheuen braucht. Man sollte sich Zeit nehmen, um ziellos durch die Gär- ten und Wälder zu streunen – am besten mit dem Fahrrad, Überraschungen sind garantiert. Was sich die Fürsten der Familie Liechtenstein, die zu den mächtigsten in der Donaumonarchie gehörte, rund um ihre zwei Residenzen im Barock- und Neogotik-Stil und zahlreiche Seen und Teiche an- legen liessen, ist eine überaus romantische Land- schaft. Abseits der Schlossanlagen ragt auf einer Lichtung ein Triumphbogen empor, etwas weiter krönt eine Kolonnade einen Höhenzug. Plötzlich steht man im dichten Wald vor einer Ruinenburg und entdeckt überrascht sogar ein Minarett (mit Aussichtsplattform): Bauten, die keinem anderen Zweck dienen sollten, als anmutige Kulissen für einen Ausflug in die Natur zu sein. Wenig Kulturtouristen Die Stille dieser Landpartie wird allenfalls durch- brochen vom Getrappel der Pferde, die Reiter über die Wiesen tragen, oder vom sanften Ächzen eines der Ruderboote. Der Weg führt schliesslich nach Valtice, einer Winzergemeinde, die einlädt, den Tag bei einem Schoppen ausklingen zu las- sen. Dass schon die Liechtensteiner Weinbau be- trieben haben, daran erinnert die Weinstube im Schloss. Auch Winzer Tomas kann bestätigen, dass das tschechische Weltkulturerbe ein echter Geheimtipp ist. «Zu uns kommt man wegen des Weines – weniger wegen der Schlösser und Gär- ten.» Die Kulturtouristen machen sich offensicht- lich noch rar. Ulli Traub

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Abseits der Touristenströme: Fortaleza S˜ ao Sebasti˜ ao auf der Ilha de Mo¸ cambique. L. ELOUNDOU ASSOMO / UNESCO Eine Weltkulturerbe-Tour durch Tschechien REISEN UND FREIZEIT B 2 Donnerstag, 25. Oktober 2007 Nr. 248 Neuö Zürcör Zäitung

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REISEN UND FREIZEITB 2 Donnerstag, 25. Oktober 2007 � Nr. 248 Neuö Zürcör Zäitung

Der Marktplatz von Telc dient häufig als Kulisse für Historienfilme. PAWEL WYSOCKI / LAIF

Gut zu wissenAnreise: Flüge nach Maputo mit der portugiesi-schen TAP ab Zürich über Lissabon; oder mitSwiss ab Zürich nach Johannesburg. Ab Johan-nesburg weiter mit South African Airways odermit der mosambikanischen LAM nach Maputo.Von dort mit LAM nach Nampula, von wo ausman die Ilha de Mocambique im Bus oder imTaxi erreicht. Das Taxi kostet 100 US $.Beste Reisezeit: April bis Oktober. Schweizererhalten Visum bei der Einreise am Flughafenvon Maputo.

Geschichtsträchtige Ilha de MocambiqueDie Fortaleza Sao Sebastiao thront über dem Indischen Ozean

Ilha deMoçambique

Moçambique

Mada-gaskar

NZZ

Wer seine Ferien abseits derTouristenströme verbringenwill, aber trotzdem nicht aufden Genuss des Insel-Fee-lings, kulinarische Eskapadenund ein reichhaltiges kulturel-les Angebot verzichten möch-te, ist auf der Ilha de Mocam-bique gut aufgehoben. Die frühere Hauptstadt derportugiesischen Kolonie auf der nur einen Qua-dratkilometer grossen Insel im Indischen Ozeanstellt mit ihrer Festung aus dem 16. Jahrhundert,der Fortaleza Sao Sebastiao, dem früheren Gou-verneurspalast und den stattlichen Bürgerhäusernein eindrückliches Zeugnis europäischer Kolo-nialgeschichte auf dem afrikanischen Kontinentdar. Und genau wegen dieser zahlreichen histori-schen Bauten hat die Uno-Organisation für Erzie-hung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) die Ilhade Mocambique im Jahre 2003 in die Liste desWeltkulturerbes aufgenommen.

Gold, Stosszähne und SklavenDer Charme der Insel, welche lange Zeit als Um-schlagplatz für Gold, Stosszähne und Sklavendiente, erklärt sich vor allem mit dem Gemischder Kulturen: arabische, indische, europäischeund nicht zuletzt Swahili-Einflüsse sind hier auf-einandergetroffen und haben eine bunte Mi-schung entstehen lassen. Viele historische Bautensind nicht Museen, sondern Teil des Alltags derInselbevölkerung, die sich inzwischen fast aus-schliesslich aus schwarzafrikanischen Muslimenund einigen Mestizen zusammensetzt. So ertöntbeispielsweise selbst in der Fortaleza Sao Sebas-tiao, dem während Jahrhunderten wohl grösstenSteingebäude im Afrika südlich der Sahara, Kin-dergeschrei. Ein Teil der ehemaligen portugiesi-schen Soldaten-Unterkünfte ist in Klassenzimmerumgewandelt worden, und die frühere Kantinemit ihrem hohen Bogengewölbe wird als Turn-halle genützt. Die über dem Indischen Ozeanthronende Festung war von Portugiesen ab 1558gebaut worden, also gut 60 Jahre nach der Ent-deckung der Insel durch Vasco da Gama. Die For-taleza Sao Sebastiao war zum Schutz gegen dieBesitzansprüche der Swahili- und Araber-Fürstenerrichtet worden und diente später auch als idealeTrutzburg gegen die Angriffe der Holländer.

Die Festung ist gut erhalten. Bis zum heutigenTage funktioniert die sechs Meter tiefe Zisterne,welche die Portugiesen zur Sicherung ihrer Trink-wasserversorgung eingerichtet hatten. In der Zis-terne läuft das Regenwasser zusammen, das miteinem ausgeklügelten System auf einer Dach-und Zinnenfläche von mehreren tausend Qua-dratmetern gesammelt wird. Wenn die Regenzeit

schlecht ausfällt und die Brunnen auf der Inselversiegen, holen sich einheimische Macua-Frauenihr Trinkwasser auch heute noch aus der Zisterneder Festung. Genützt werden von den Einheimi-schen schliesslich auch noch die Wohnhäuser, dievon den Portugiesen nach der Aufgabe der Kolo-nie verlassen und dann von der mosambikani-schen Regierung verstaatlicht worden waren.

Der ehemalige Stadtteil für Weisse und soge-nannte Assimilados ist deshalb heute genauso«schwarz» wie die andere Stadthälfte mit demNamen Macuta, die von den Kolonialherrn derschwarzen Bevölkerung zugewiesen worden war.Während der überwiegende Teil der Häuser inMacuta-Town dicht gedrängt steht und mit Stroh-dächern gedeckt ist, gleicht der frühere weisseStadtteil aber immer noch dem Muster einer por-tugiesischen Stadt, auch wenn inzwischen vieleHäuser vom Zerfall bedroht sind.

Dass die Insel nur von sehr wenigen Touristenbesucht wird und deshalb durchaus noch die Be-zeichnung Trouvaille verdient, ist einerseits aufden komplizierten Anreiseweg, andererseits aberauch auf die Vernachlässigung durch die mosam-bikanische Regierung zurückzuführen. Seit derVerlegung der Hauptstadt nach Maputo im Jahr1898 hat Ilha de Mocambique einen langsamen,aber stetigen Niedergang erlebt. Nach dem Ab-zug der Verwaltung setzte der Insel auch der Baudes Hafens und der Eisenbahnlinie von Nacala insLandesinnere zu, danach der Bürgerkrieg undschliesslich die stiefmütterliche Behandlungdurch die Frelimo-Regierung. Die ehemalige Be-freiungsbewegung sah in der Insel-Stadt lange nurein Symbol der zwar vergangenen, aber immernoch verhassten kolonialen Besatzungszeit.

Trotz seiner isolierten Lage hat das kleineEiland durchaus nicht nur historische Bauten zubieten. Die Zahl der Hotels und Zimmer ist zwarbeschränkt, aber einige der Unterkünfte habenviel Charme und Ambiance. Das schönste Hotelund das beste Restaurant – geführt von einemfranzösischen Koch, der aus mosambikanischenMeeresfrüchten kleine Wunderwerke zaubert –ist zweifellos das in einem ehemaligen Handels-kontor eingerichtete «Escondidinho». Ausge-zeichnete Langusten und Krabben-Gerichte wer-den aber auch im Restaurant Reliquias angebo-ten. Wer dagegen ein eher konventionelles Hotelvorzieht, ist im portugiesisch geführten «Omu-hipiti» gut aufgehoben.

Unberührte SträndeViel Sehenswertes bieten zudem das Museum imehemaligen Gouverneurspalast sowie das Ma-rine-Museum. In dem kleinen, neuen Museums-trakt ist unter anderem chinesisches Ming-Porzel-lan zu sehen, das aus einem Schiffswrack vor derKüste geborgen wurde. Das Porzellan zeugt vomregen Handel, der zwischen der Insel, dem euro-päischen Mutterland, Indien und China bereitsvor Jahrhunderten bestand. Wer von historischenBauten und Museen genug hat, mietet eine Dhau,ein traditionelles Segelschiff, und lässt sich zueinem Sandstrand am Festland oder zur kleinerenInsel Goa fahren, auf die Vasco da Gama 1498erstmals seinen Fuss gesetzt und wo er die portu-giesischen Besitzansprüche angemeldet hatte.Die Sandstrände sind phantastisch und völlig un-berührt. Und wer gerne taucht, kommt auf derInsel ebenfalls voll auf seine Rechnung.

Jean-Pierre Kapp

Gut zu wissenInformation: Tschechische Zentrale für Touris-mus, Am Schanzengraben 11, 8002 Zürich, Tele-fon 044 287 33 44. Hier kann man eine informa-tive Broschüre zum Weltkulturerbe bestellen.Hotels: www.travelguide.cz; www.czechhotels.czLektüre: Weiss, Walter M.: Nachbarn entdecken– Tschechien. Orac-Verlag, Wien.

Abseits der Touristenströme: Fortaleza Sao Sebastiao auf der Ilha de Mocambique. L. ELOUNDOU ASSOMO / UNESCO

Eine Weltkulturerbe-Tour durch TschechienÜberraschend harmonische Stilvielfalt in Südböhmen

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Telc

NZZCeský Krumlov

Dutzende kleiner Bürgerhäu-ser reihen sich auf diesemlanggestreckten Platz aneinan-der. Cremig-bunte Schmuck-fassaden und abwechslungs-reich gestaltete Ziergiebel prä-sentieren sich auffallend prächtig herausgeputzt,als gelte es, einen Schönheitswettbewerb zu gewin-nen. Gotik, Renaissance, Barock – alle Stile ver-binden sich hier zu einem verblüffend harmoni-schen Gesamtkunstwerk. Kein Wunder, dass derMarktplatz von Telc (zu Deutsch: Teltsch) häufigals Kulisse für Historienfilme dient. Er gehört zuden stimmungsvollsten Architektur-Ensembles inEuropa. «Bei uns gibt es genauso schöne Altstädtewie in Italien», erklärt Stadtführerin Jana stolz undfügt sogleich lächelnd an: «Unser Städtchen istnatürlich das allerschönste. Aber Sie werden inTschechien noch viele erstaunlich gut erhaltenehistorische Orte finden.» Bei der Unesco ist dasschon länger bekannt. Das seit Jahrhundertenkaum veränderte Telc mit seiner malerischen Alt-stadt, die sich zwischen zwei Seen erstreckt, mitdem Renaissance-Schloss und dem Landschafts-park wurde bereits 1992 zum Weltkulturerbe er-hoben – zusammen mit den historischen Stadt-kernen von Prag und Cesky Krumlov.

Reichtum, Macht und KunstsinnKrumlov, das südböhmische Städtchen an denUfern der Moldau, bietet sich in hervorragenderWeise an als Ausgangspunkt für eine Tour zu denWeltkulturerbestätten in Tschechien. Wer durchdie alten Gassen Krumlovs spaziert, wird bald voreinem riesigen Tor stehen, dem Eingang zu einerder grössten Burganlagen Europas. HunderteMeter geht man von Innenhof zu Innenhof, über-windet mittels einer imposanten, dreigeschossi-gen Brücke eine Schlucht, um schliesslich imbarocken Garten zu verschnaufen. Die Burg kün-det aber nicht nur von Macht und Reichtum, son-dern auch vom Kunstsinn ihrer Bewohner. ImTheater staunt man über Kostüme, Kulissen undBühnentechnik – alles original aus der Zeit desBarocks. Eigentlich möchte man hier gar nicht soschnell wieder weg. Aber eine weitere GruppeInteressierter begehrt Einlass.

Weniger touristisch geht es im unweit vonKrumlov gelegenen Holasovice (zu Deutsch;Hollschowitz) zu und her. Hier liegt ein ganz ande-rer, längst vergangener Kosmos vor den Augender Besucher: die bäuerliche Welt des frühen 18.Jahrhunderts. Das fast komplett erhaltene Dorf istein beeindruckendes Beispiel für den sogenann-ten Bauernbarock, der in dieser Homogenitätwohl nirgends sonstwo zu finden ist. Reich-geschmückte und stuckierte Giebelwände derHöfe, die den ausgedehnten Dorfanger mit klei-ner Kapelle und Fischteich säumen, erzählen vomSelbstbewusstsein der bäuerlichen Bauherren.

«Wir sind hier die meiste Zeit unter uns», be-richtet der Mann am Tresen der Dorfkneipe, derwie viele in dieser Gegend ganz gut Deutschspricht. Der Weltkulturerbe-Titel habe bisher nurwenige Touristen angelockt. Es scheint nicht so,als würde ihn das sonderlich stören. Dass Besu-cher hier mitunter das Gefühl beschleicht, inlängst vergangene Zeiten einzutauchen, liegtwohl auch daran, dass die Aneignung westlicherKommerz-Strategien den Ortsbildern noch nichtden Stempel aufgedrückt hat.

Die Reise zum Weltkulturerbe bringt aucheine abwechslungsreiche Geschichtserzählung zu-

tage, die nicht nur von den Herrschern und ihrenKünstlern geschrieben worden ist, die aus deneuropäischen Kunstzentren – vor allem aber ausItalien – an die böhmischen und mährischen Höfeeingeladen wurden. Auch andere Kapitel werdenaufgeschlagen, in denen vermeintlich weniger be-deutende Darsteller auftreten.

Jüdisches ErbeIn der Stadt Trebıc (zu Deutsch Trebitsch), östlichvon Teltsch, findet sich eine weitere städtebaulicheRarität: eines der grössten ehemaligen jüdischenWohnviertel. Mit der nur wenige Meter entferntenromanischen St.-Prokop-Basilika, die ebenfallszum Weltkulturerbe zählt, sind die 120 Gebäudezu steinernen Zeugen für das friedliche Zusam-menleben von Juden und Christen geworden. Ver-winkelte Gassen führen durch das dichtbebauteViertel zur Synagoge, die heute als Museum fun-giert. Jüdisches Leben gibt es in Trebıc allerdingsseit dem Holocaust nicht mehr. Die Erinnerungdaran wachzuhalten, ist eine Verpflichtung.

Die Fahrt geht weiter nach Osten, wo dasnächste umfangreiche Kapitel ein gänzlich ande-res Geschichtspanorama ausbreitet. Die Garten-landschaft um die Orte Lednice (deutsch: Eis-grub) und Valtice (deutsch: Feldsberg) ist einromantisches Reich, das den Vergleich mit engli-schen Anlagen nicht zu scheuen braucht. Mansollte sich Zeit nehmen, um ziellos durch die Gär-ten und Wälder zu streunen – am besten mit demFahrrad, Überraschungen sind garantiert. Wassich die Fürsten der Familie Liechtenstein, die zuden mächtigsten in der Donaumonarchie gehörte,rund um ihre zwei Residenzen im Barock- undNeogotik-Stil und zahlreiche Seen und Teiche an-legen liessen, ist eine überaus romantische Land-schaft. Abseits der Schlossanlagen ragt auf einerLichtung ein Triumphbogen empor, etwas weiterkrönt eine Kolonnade einen Höhenzug. Plötzlichsteht man im dichten Wald vor einer Ruinenburgund entdeckt überrascht sogar ein Minarett (mitAussichtsplattform): Bauten, die keinem anderenZweck dienen sollten, als anmutige Kulissen füreinen Ausflug in die Natur zu sein.

Wenig KulturtouristenDie Stille dieser Landpartie wird allenfalls durch-brochen vom Getrappel der Pferde, die Reiterüber die Wiesen tragen, oder vom sanften Ächzeneines der Ruderboote. Der Weg führt schliesslichnach Valtice, einer Winzergemeinde, die einlädt,den Tag bei einem Schoppen ausklingen zu las-sen. Dass schon die Liechtensteiner Weinbau be-trieben haben, daran erinnert die Weinstube imSchloss. Auch Winzer Tomas kann bestätigen,dass das tschechische Weltkulturerbe ein echterGeheimtipp ist. «Zu uns kommt man wegen desWeines – weniger wegen der Schlösser und Gär-ten.» Die Kulturtouristen machen sich offensicht-lich noch rar.

Ulli Traub