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2018. 127 S., mit 1 Abbildung und 20 Tabellen ISBN 978-3-406-72684-2 Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.chbeck.de/24374954 Unverkäufliche Leseprobe © Verlag C.H.Beck oHG, München Claus Leitzmann Veganismus Grundlagen, Vorteile, Risiken

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2018. 127 S., mit 1 Abbildung und 20 Tabellen ISBN 978-3-406-72684-2

Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.chbeck.de/24374954

Unverkäufliche Leseprobe

© Verlag C.H.Beck oHG, München

Claus Leitzmann Veganismus Grundlagen, Vorteile, Risiken

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Die rein pflanzliche Ernährung findet zunehmend ein stärkeresöffentliches und ein beginnendes politisches Interesse. Einige Ex-perten sind sogar davon überzeugt, dass der Veganismus bereitsvor Ende dieses Jahrhunderts aus gesundheitlichen Gründen,gesellschaftlichen Überlegungen sowie aus ökologischen Erfor-dernissen und ethischen Anliegen die einzig vertretbare und da-her dominierende Ernährung sein wird.Der renommierte Ernährungswissenschaftler Claus Leitzmannstellt Entwicklung und Formen des Veganismus dar und unter-sucht die Motive von Veganern. Detailliert setzt er sich mit dendokumentierten Vorteilen und den potenziellen Risiken des Vega-nismus auseinander und liefert so allen, die mit dem Gedankenspielen, sich vegan zu ernähren, eine fundierte Basis für eine ver-nünftige Entscheidung über das zukünftige Ernährungsverhal-ten. Dabei berücksichtigt er auch den Einfluss veganer Ernährungauf ernährungsmitbedingte Erkrankungen. Abschließende Aus-führungen gelten der praktischen Umsetzung einer veganen Er-nährungsweise.

Prof. Dr. Claus Leitzmann ist Biochemiker und Ernährungswis-senschaftler und leitete zuletzt das Institut für Ernährungswis-senschaft der Universität Gießen. Seine langjährigen Tätigkeitenan Universitäten in den USA, Thailand und China sowie eineVielzahl von Veröffentlichungen begründeten sein internationa-les Renommee. Leitzmann erhielt den Zabelpreis für Krebsprä-vention und den Preis der Broermann Stiftung für präventiveErnährung. Bei C.H.Beck sind von ihm lieferbar: Vegetarismus.Grundlage, Vorteile, Risiken (42012); Die 101 wichtigsten Fra-gen: Gesunde Ernährung (22013).

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Claus Leitzmann

VEGANISMUS

Grundlagen, Vorteile, Risiken

Unter Mitarbeit von Markus Kellerund Stine Weder

Verlag C.H.Beck

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Mit 1 Abbildung und 20 Tabellen

Originalausgabe© Verlag C.H.Beck oHG, München 2018

Satz: C.H.Beck.Media.Solutions, NördlingenDruck: Druckerei C.H.Beck, Nördlingen

Umschlaggestaltung: Uwe Göbel, MünchenPrinted in Germany

isbn 978 3 406 72684 2

www.chbeck.de

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

I. Einführung 9

II. Kennzeichen veganer Ernährungs- undLebensweisen 131. Begriffe und Definitionen . . . . . . . . . . . . . 132. Formen veganer Ernährung . . . . . . . . . . . . 143. Soziodemographische Merkmale . . . . . . . . . 19

III. Motive vonVeganern 201. Der ethisch-philosophische Hintergrund . . . . . 232. Religion und Glaube . . . . . . . . . . . . . . . 253. Gesundheitliche Motive . . . . . . . . . . . . . . 274. Soziale, ökologische und ökonomische

Anliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29

IV. Historische Entwicklung desVeganismus 311. Anfänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322. Das Zeitalter der Industrialisierung . . . . . . . . 343. Von 1933 bis zum Ende des 20. Jahrhunderts . . . 374. Gegenwart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39

V. Die Evolution der Ernährung des Menschen 411. Urzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422. Neolithische Revolution . . . . . . . . . . . . . . 443. Die Industrialisierung der Nahrungs-

mittelproduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . 444. Die artgerechte Ernährung des Menschen . . . . . 45

VI. Ernährungsphysiologische BewertungdesVeganismus 491. Von der Risiko- zur Nutzenbewertung . . . . . . 492. Gesundheitsverhalten . . . . . . . . . . . . . . . 50

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3. Ermittlung der Nährstoffversorgung . . . . . . . . 534. Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr . . . . . . 555. Nahrungsenergie- und Nährstoffversorgung . . . . 586. Bioverfügbarkeit einzelner Nährstoffe . . . . . . . 877. Fremdstoff- und Schadstoffbelastung . . . . . . . 89

VII. Veganismus in verschiedenen Lebensphasen 941. Schwangerschaft und Stillzeit . . . . . . . . . . . 942. Säuglinge, Kinder und Jugendliche . . . . . . . . 1013. Senioren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103

VIII. Der Einfluss veganer Ernährung aufernährungsmitbedingte Erkrankungen 1051. Übergewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1052. Atherosklerose und Herz-Kreislauf-

Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1063. Bluthochdruck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1074. Diabetes mellitus . . . . . . . . . . . . . . . . . 1085. Osteoporose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1096. Zahnkaries . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1107. Krebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

IX. Praktische Umsetzung einer veganenErnährungsweise 1131. Wissenschaftlich begründete

Ernährungsempfehlungen für Veganer . . . . . . . 1132. Besondere Lebensmittel für Veganer . . . . . . . . 1153. Praxis der veganen Ernährung . . . . . . . . . . . 116

X. Risiken veganer Ernährung 120

XI. Schlussbemerkung 123

Danksagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 126

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Vorwort

Die derzeitige Situation unseres Planeten und seiner Bewohnerist durch eine Reihe von Problemen gekennzeichnet, zu deren Lö-sung ein grundsätzliches Umdenken und Umlenken erforderlichist. Ein maßgeblicher Teil dieser Probleme hängt mit unserer Er-nährung zusammen. Neben der kritischen Gesundheitssituationin Wohlstandgesellschaften, dem Widerspruch von Nahrungs-verschwendung einerseits und fast einer Milliarde Menschen,die Hunger leiden, andererseits, finden dramatische ökologischeVeränderungen statt, wie Klimawandel, Regenwaldabholzung,Monokulturen und Massentierhaltung. Dadurch findet dasThema pflanzliche Ernährung zunehmend ein stärkeres öffentli-ches und ein beginnendes politisches Interesse. Bereits seit meh-reren Jahrzehnten werden pflanzlich betonte Ernährungsformennicht nur in wissenschaftlichen Fachgremien diskutiert, sondernauch in zunehmendem Maße in Form vegetarischer und veganerErnährung praktiziert. In den letzten Jahren gibt es ein stetigwachsendes Interesse an der veganen Ernährung.

Die berechtigte Frage, ob eine vegane Ernährung mit Risikenverbunden ist, kann heute in differenzierter Weise anhand dervorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse beantwortet wer-den. Aufgrund fehlender Daten basierten früher die Antwortenmeistens auf Einzelfällen sowie auf einer Mischung aus Speku-lationen, Vorurteilen und theoretischen Überlegungen.

Inzwischen gibt es vielfältige wissenschaftliche Daten, die be-legen, dass bereits eine pflanzlich betonte, besonders aber einevegetarische oder vegane Ernährungsweise günstige Wirkungenauf die Gesundheit ausüben. Fundierte Aussagen auf Basis derwissenschaftlichen Fakten können bestehende Vorbehalte besei-tigen. Die potentiellen Vorteile einer veganen Ernährung machendiese Kostform für immer mehr bewusst lebende Menschen zurErnährungsweise ihrer Wahl. Die häufig auftretenden Lebensmit-

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Vorwort8

telskandale, die zu über 90% mit Produkten vom Tier verbun-den sind, beunruhigen die Menschen und tragen ebenfalls dazubei, sich pflanzlich zu ernähren. Auch die Ratlosigkeit der moder-nen Medizin bei bestimmten Gesundheitsstörungen sowie derunbefriedigende Zustand unseres Gesundheitssystems begünsti-gen den Trend zum Veganismus.

Es liegen wenige Fachbücher, viele Ratgeber und eine inzwi-schen unüberschaubare Anzahl von Kochbüchern zum Veganis-mus vor. In dem vorliegenden Buch sollen unter anderem dieteilweise widersprüchlichen Aussagen zum Veganismus geklärtwerden. Die dokumentierten Vorteile und die potentiellen Risi-ken des Veganismus werden auf einer wissenschaftlichen Basisdargestellt, die eine fundierte Entscheidung für das zukünftigeErnährungsverhalten erlaubt.

Einige Experten sind davon überzeugt, dass der Veganismusbereits vor Ende dieses Jahrhunderts aus gesundheitlichen Grün-den, gesellschaftlichen Überlegungen sowie aus ökologischen Er-fordernissen und ethischen Anliegen die einzig vertretbare unddaher dominierende Ernährung sein wird.

Hinweise zur SchreibweiseIm Text gelten viele Aussagen für Vegetarier und Veganer glei-chermaßen. In manchen Fällen wird dafür zusammenfassendder Begriff «Pflanzenesser» und für deren Kost «pflanzlicheKost/pflanzliche Ernährung» verwendet.

Menschen, die Fleisch essen, werden als «Mischköstler» be-zeichnet oder als Menschen die eine «konventionelle Kost» ver-zehren.

Der Begriff «vollwertig» steht im Sinne der Gießener Konzep-tion der Vollwert-Ernährung für eine zeitgemäße, abwechslungs-reiche, nährstoffreiche, präventive, gesunderhaltende, regional,saisonal und kulturell orientierte, bezahlbare, umweltfreundli-che und damit nachhaltige, zukunftsfähige Kost/Ernährung.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird für die Bezeich-nung weiblicher und männlicher Formen nur die männlicheForm verwendet, wobei selbstverständlich Männer und Frauengleichermaßen einbezogen sind.

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I. Einführung

Den Begriff «Veganismus» gibt es erst seit 1944. Davor wurdenMenschen, die sich rein pflanzlich ernährten, meist den Vegeta-riern zugeordnet. Besonders der Hinduismus und der Buddhis-mus lehnten den Verzehr von Produkten getöteter Tiere ab. Dieentscheidenden Beweggründe waren das Prinzip, anderen Lebe-wesen keinen Schaden zuzufügen, sowie der Glaube an die See-lenwanderung und/oder eine Wiedergeburt.

Der Veganismus ist ein Lebensstilkonzept, das mehr als dieAuswahl und Zubereitung von Lebensmitteln umfasst. So wer-den in der Regel alle Produkte gemieden, für die Tiere herange-zogen oder gar getötet werden, wie Leder, Wolle oder Daunen.Veganismus befasst sich darüber hinaus mit weiteren Aspektenwie körperliche Aktivität, Umgang mit Suchtgiften, die Welter-nährungslage, Umweltanliegen und vor allem Tierrechten. Frü-her wurden Vegetarier und besonders Veganer nicht nur belä-chelt, sondern verspottet. Sie galten als kränkliche, schwache,mangelernährte und irregeleitete Sektierer, die sich aus schein-bar sentimentaler Tierliebe heraus den Zwang auferlegen, auftierische Produkte zu verzichten. Kurz, sie erweckten Misstrauen.Eine Ernährung ohne tierisches Protein wurde gerade von derWissenschaft als undurchführbar erachtet.

In der Blüte der Vollwert-Ernährung in den 1980er und1990er Jahren hat sich in Deutschland der Fleischkonsum umetwa 10% reduziert und ist bis heute relativ konstant bei etwa60 kg pro Person und Jahr geblieben. Insbesondere der jüngere,überwiegend weibliche Anteil der Bevölkerung trägt zur weitersteigenden Verbreitung der pflanzlichen Lebensweise bei. Immermehr Prominente aus Sport, Kunst, der Unterhaltungsindustrieund Politik praktizieren eine vegane Lebensweise.

In der Bevölkerung gab und gibt es immer noch die Befürch-tung, dass der Veganismus zu einer Unterversorgung mit ver-

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I. Einführung10

schiedenen Nährstoffen führt. Dieser Glaube speist sich ausverschiedenen Quellen, nicht zuletzt aus Verlautbarungen derWissenschaft, die eine Ernährung ohne tierische Lebensmittelals Lieferanten von beispielsweise Protein, Eisen und VitaminB12 als Mangelernährung erachten.

In der Vergangenheit beruhten diese Aussagen nur teilweiseauf Daten aus wissenschaftlichen Studien, oft hingegen auf Ver-mutungen, Vorurteilen oder Einzelfällen. Den wenigen Wissen-schaftlern, die sich für eine pflanzliche Ernährung aussprachen,wurde Unwissenschaftlichkeit und Dogmatismus oder eine fehl-geleitete Weltanschauung nachgesagt. Außerdem wurde dieseneher störenden Querdenkern unterstellt, dass sie mit ihren An-sichten und Überzeugungen zur Verunsicherung der Bevölkerungbeitragen. Tatsächlich zeigten die wenigen existierenden Studienzum Veganismus aber nur, dass schwere Mangelerscheinungen,insbesondere aufgrund von Vitamin-B12-Mangel, lediglich inAusnahmefällen oder bei extremer und einseitiger veganer Er-nährung auftraten.

Inzwischen hat sich auch hier das Bild stark verändert. Zu-nehmend wuchs das Interesse der Wissenschaftler an dieser inwestlichen Ländern ungewöhnlichen Ernährungsweise. Die zu-nehmende Zahl an Untersuchungen mit Veganern lieferte dannden wissenschaftlichen Beweis dafür, dass sich in fast allen Fällendas Gegenteil dessen zeigte, was zunächst vermutet oder auchbefürchtet wurde.

Die Wissenschaft konnte in einer Reihe von teilweise großangelegten Studien überzeugend nachweisen, dass eine gut zu-sammengestellte vegane Ernährung – zumindest bei Erwach-senen – eine bedarfsdeckende bis optimale Versorgung mit allenNährstoffen sichern kann. Eine Ausnahme bildet Vitamin B12,das in Form angereicherter Lebensmittel, als Supplement oderals Vitamin-B12-haltige Zahnpasta zugeführt werden muss.

Der am häufigsten genannte Grund, keine von Tieren stam-menden Produkte zu verzehren, hat sich in den letzten Jahrengeändert. Früher waren es eher gesundheitliche Beweggründe,heute sind es ethische Anliegen, die bei der Entscheidung fürVeganismus im Vordergrund stehen. Wer konsequent über die

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I. Einführung 11

Zusammenhänge unserer Lebensgrundlagen nachdenkt, kommthäufig zu dem Ergebnis, dass aus ethischen Gründen der Vega-nismus die einzig verantwortbare Ernährungsweise ist.

Aus gesundheitspolitischer Sicht bleibt der wichtigste Faktorbei veganer Kost das präventive Potential gegenüber Krankhei-ten. So wird auch von der etablierten Medizin inzwischen er-kannt, das eine pflanzliche Ernährung in erheblichem Maßedazu beitragen kann, ernährungsmitbedingten Erkrankungenwie Übergewicht, Diabetes mellitus Typ 2, Fettstoffwechsel-störungen, Atherosklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Blut-hochdruck und einzelne Krebskrankheiten vorzubeugen. DieseErkenntnisse haben dazu geführt, dass inzwischen von einigenMedizinern und Krankenkassen aus gesundheitsprophylakti-schen Gründen eine vegane Ernährung ausdrücklich empfohlenwird. Auch in therapeutischer Sicht zeigen Studien Erfolge durcheine pflanzliche Ernährung, etwa bei Übergewicht, Diabetesmellitus Typ 2, Fettstoffwechselstörungen und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Die besorgniserregende Zunahme vieler Zivilisationskrank-heiten belastet nicht nur den einzelnen Menschen und seineAngehörigen, sondern unser gesamtes Gesundheitssystem in er-heblichem Ausmaß. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchun-gen haben die Zusammenhänge zwischen diesen Erkrankungenund der Lebensweise des bewegungsarmen Wohlstandsbürgersweltweit aufgezeigt. Dabei spielt die Ernährung eine entschei-dende Rolle, denn die Behandlung ernährungsmitbedingterKrankheiten erfordert in Deutschland mit etwa 80 MilliardenEuro fast ein Drittel des gesamten Gesundheitsbudgets. Hierkönnte durch eine vegane Ernährungsweise deutlich mehr alsdie Hälfte dieser Ausgaben eingespart werden.

Es bedarf keiner weiteren Ursachenforschung, um unserederzeitigen Erkenntnisse gezielt umzusetzen. Durch Präventionlassen sich gesundheitliche Schädigungen verhindern oder ver-zögern sowie das Risiko des Auftretens einer Krankheit vermin-dern. Prävention leistet einen entscheidenden Beitrag zur Sen-kung von Krankheitshäufigkeit, Behinderungen und vorzeitigemTod.

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I. Einführung12

Die von vielen Experten und Organisationen geführte gesell-schaftliche Diskussion über einen nachhaltigen oder zukunfts-fähigen Umgang mit unseren Ressourcen und der bereits in Mit-leidenschaft gezogenen Umwelt findet inzwischen weltweitstatt. Es sind besonders die wohlhabenden Menschen, die ihrenLebensstil ändern müssen, bevor durch ein zu spätes Handelnwesentlich schmerzhaftere Kurskorrekturen erforderlich werden.Die konstant bleibende Anzahl an Hungernden, die allgemeinenUmweltbelastungen, die von Menschen verursachten Klimaver-änderungen und die ernsthaften Auseinandersetzungen um dieRessourcen der Erde, inklusive Lebensmittel und Wasser, sinddie eigentlich drängenden Herausforderungen der Menschheit.

So ist immer deutlicher zu erkennen, dass die Situation vielerMenschen in materiell armen Ländern, die zu mittellos sind, umsich die vorhandenen Lebensmittel zu kaufen, auch mit un-serem Lebensstil und besonders mit unserer Ernährungsweisesowie den derzeitigen Bedingungen der Weltwirtschaft zusam-menhängt. Unsere Nutztiere werden mit Ackerfrüchten ausdiesen Ländern gefüttert, die den Menschen dort als Grundnah-rungsmittel dienen könnten, etwa Sojabohnen, Getreide oderHülsenfrüchte. Veganer sind an diesen unverantwortlichen Prak-tiken kaum beteiligt.

Die Umweltbelastungen der Landwirtschaft stammen über-wiegend aus der Tierproduktion. Neben dem Einsatz von Tier-arzneimitteln, die teilweise in die Umwelt gelangen, führt dieEntsorgung der Tierexkremente zu erheblichen Belastungen desGrundwassers. Der Ausstoß von Klimagasen aufgrund vonTierhaltung, vor allem von Methan durch Wiederkäuer sowievon Lachgas, trägt weltweit mehr zur Schädigung des Klimasbei als der gesamte Verkehrssektor.

Das Potential der Erde ist mehr als ausreichend, um alle Men-schen derzeit und in Zukunft bedarfsgerecht zu ernähren. Durchden Anbau von Futtermitteln wird etwa ein Drittel der Welt-ackerfläche in Anspruch genommen. Diese Fläche könnte fürden Anbau von pflanzlichen Lebensmitteln für den Menschengenutzt werden und einen entscheidenden Beitrag zur weltwei-ten Nahrungssicherheit leisten.

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1. Begriffe und Definitionen 13

Der Einsatz von Ressourcen wie Energie für die Produktionund Verarbeitung tierischer Nahrungsmittel liegt um ein Vielfa-ches höher als für pflanzliche Lebensmittel. Gleiches gilt für denWasserbedarf. Schon heute gibt es ernste Auseinandersetzungenbei den Nutzungsrechten der vorhandenen Wasservorräte. Zu-kunftsforscher sehen in diesen Entwicklungen eine wachsendeUrsache für Bürgerkriege und militärische Konflikte, die wiede-rum zu noch größeren Flüchtlingsbewegungen führen.

Durch eine vegane Ernährung können diese gravierendenProbleme zumindest teilweise deutlich entschärft werden. Stu-dien belegen mit überzeugenden Daten, dass sich in allen Prob-lembereichen Verbesserungen durch einen veganen Lebensstilerreichen lassen.

II. Kennzeichen veganer Ernährungs- undLebensweisen

1. Begriffe und Definitionen

Der Veganismus ist für viele Mischköstler oftmals nicht klarabgrenzbar vom Vegetarismus und nur teilweise in allen seinenAusprägungen bekannt. Auch Anhänger des Veganismus habenunterschiedliche Auffassungen, was die konkrete Ausgestaltungihrer Ernährungsweise betrifft. Nicht jeder, der sich als Veganerbezeichnet, ist dies auch aus naturwissenschaftlicher oder philo-sophischer Sicht.

Um die Entstehung des Begriffs «vegan» zu erklären, musszunächst der Ursprung der Bezeichnung «vegetarisch» beschrie-ben werden. Der Ausdruck «Vegetarismus» taucht erstmals etwaum 1850 im Sprachgebrauch auf, obwohl vegetarische Gemein-schaften bereits in der Antike existierten.

Mehrheitlich wird angenommen, dass der Begriff «Vegetarier»vom lateinischen vegetare (= beleben) bzw. vegetus (= frisch,lebendig, belebt) abgeleitet wurde. Somit kennzeichnet den Vege-tarismus im ursprünglichen Sinne eine lebendige und belebende

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II. Kennzeichen veganer Ernährung14

Ernährungs- und Lebensweise, in der neben pflanzlichen Lebens-mitteln nur solche Produkte verzehrt werden, die vom lebendenTier stammen, wie Eier, Milch und Honig. In diesem Sinne ver-stand der Philosoph Pythagoras (Griechenland, 570–510 v. Chr.),der Begründer des ethischen Vegetarismus, die fleischlose Kost-form.

Als weiteren Ursprung von «Vegetarier» wird auch das eng-lische Wort «vegetable» (= pflanzlich, Gemüse) genannt, dochdieses lässt sich ebenfalls auf das lateinische Wort vegetare zu-rückführen. Seit etwa 1880 setzte sich der Begriff «Vegetaris-mus» auch im deutschen Sprachraum als Bezeichnung für diefleischlose Kostform durch.

Der Begriff «vegan» entstand im Jahre 1944. Der «milchfreieVegetarier» Donald Watson (Großbritannien, 1910–2005) or-ganisierte ein Treffen mit fünf Gleichgesinnten in London. Erschlug den Ausdruck «vegan» vor, eine Zusammenziehung ausder Bezeichnung «vegetarian». Zusammen mit Elsie Shrigley(1899–1978) gründete Donald Watson im selben Jahr in seinerHeimatstadt Leicester die Vegan Society und veröffentlichteerstmals die Quartalszeitschrift The Vegan News.

2. Formen veganer Ernährung

Der Veganismus ist prinzipiell eine homogene Ernährungsweise,aber es gibt Abweichungen. Diese zeigen sich vornehmlich inder Auswahl und Zubereitung der Lebensmittel sowie in denzugrunde liegenden Motiven. So werden einige der alternativenErnährungsweisen (z.B. die Ernährung im Ayurveda und in derTraditionellen Chinesischen Medizin, die Mazdaznan-Ernäh-rung) ebenfalls als vegane oder fast vegane Varianten praktiziert,auch wenn diese sich aus ihrem Selbstverständnis heraus nichtdem Veganismus zuordnen.

Konsequente Veganer, die auch als strenge, strikte oder tra-ditionelle Veganer bezeichnet werden, praktizieren die defini-tionsgemäße Umsetzung der veganen Lebensweise. Dabei wirdausschließlich pflanzliche Nahrung verzehrt, sämtliche Nah-

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2. Formen veganer Ernährung 15

Tabelle 1: Produkte und Erzeugnisse vonTieren, die von konsequentenVeganern nicht verwendet werden (Auszug)

HonigBienenwachsFelleLederHornprodukteWolleFedernDaunenPerlenPerlmuttSeideSeidenextrakt(in Kosmetika aller Art)

Gelatine (zur Klärung von Weinen undSäften)Kollagen (zur Gewinnung von Gelatine)L-Cystein (aus Federn oderSchweineborsten)Aromen (aus Milchfett, Molke undweiteren tierischen Rohstoffen)Farbstoff E120 (echtes Karmin ausweiblichen Schildläusen)Chitin (zur Herstellung vonGlucosamin)Vitamin D (wenn aus Wollfettgewonnen)

Tabelle 2: Handlungen und Einrichtungen, die konsequenteVeganer alsAusbeutung vonTieren einordnen und deshalb ablehnen

Tierversuche aller ArtJagdHaltung von NutztierenTiere im ZirkusPferdesportHunderennen

HahnenkämpfeZoosVivarienDelphinarienAquarien

Tabelle 3: Globale gesellschaftliche Anliegen, für die sich konsequenteVeganer einsetzen

Gesundheit fördernTierrechte umsetzenMassentierhaltung abschaffenÖkologische Landwirtschaft fördernRegionale und saisonale ErzeugnissebevorzugenWelthungerproblem lösen

Fairen Handel praktizierenImporte von Futtermitteln begrenzenAgrarsubventionen abschaffenRodung von Regenwäldern beendenUmweltschutz praktizierenWasser sparenNatürliche Ressourcen schonen

rungsmittel tierischer Herkunft werden hingegen gemieden.Außerdem verwenden konsequente Veganer keine von Tierenstammenden Produkte sowie keine Erzeugnisse, die tierische

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II. Kennzeichen veganer Ernährung16

Produkte enthalten oder bei ihrer Herstellung damit in Kontaktkamen. Die Liste der betroffenen Artikel ist lang, trotzdem abernicht vollständig (Tab. 1).

Des Weiteren sind viele der konsequenten Veganer gegenHandlungen und Einrichtungen, die in ihren Augen die Ausbeu-tung oder gar den Missbrauch von Tieren bedeuten, in allenentsprechenden Handlungen und Einrichtungen (Tab. 2).

Schließlich setzen sich viele konsequente Veganer, wie anderevernünftige Menschen auch, für verschiedene globale Anliegenund Erfordernisse ein, die direkt mit dem Ernährungssystem ver-bunden sind. Diese Anliegen betrachten Veganer als globale ge-sellschaftliche Verantwortung aller Menschen (Tab. 3).

Im wirklichen Leben gibt es Menschen, die sich als Veganerbezeichnen, aber vom typischen konsequenten Veganismus teil-weise deutlich abweichen. Einige praktizierte Varianten sinddurchaus konsequent vegan, aber nicht vollwertig, andere bezie-hen bestimmte tierische Produkte mit ein. Im Folgenden werdendie wichtigsten Ausprägungen des Veganismus kurz dargestellt.Einige der manchmal auch als Veganer bezeichneten Gruppenwie LOHAS (Lifestyles of Health and Sustainability) und CleanEaters sind bestenfalls Teilzeit-Veganer und daher eigentlich Fle-xitarier.

Pudding-Veganer ernähren sich wie konsequente Veganer, aberüberwiegend von stark verarbeiteten pflanzlichen Lebensmitteln.Durch die Verarbeitung der Lebensmittel wird eine hohe Nah-rungsenergiedichte erreicht, die für bewegungsarme und zumÜbergewicht neigende Wohlstandsbürger eher unerwünscht ist.Diese Lebensmittelauswahl erfüllt nicht den Anspruch einerabwechslungsreichen, nährstoffreichen und gesunderhaltenden,das heißt vollwertigen Ernährung. Der Anteil an Vitaminen,Mineralstoffen, Spurenelementen und sekundären Pflanzenstof-fen ist durch die Verarbeitung reduziert. Besonders die Pudding-Veganer haben der veganen Ernährung einen schlechten Rufeingebracht, denn die unzureichende Zufuhr von lebenswich-tigen Nährstoffen hat langfristig latente Nährstoffmängel zurFolge.

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2. Formen veganer Ernährung 17

Fruganer, die auch als Frutarier oder Fruitarier bezeichnet wer-den, sind konsequente Veganer, die ihre Nahrungsauswahl be-wusst einschränken. Sie essen nur das, was die Natur zum Ver-zehr vorgesehen hat bzw. was ohne Beschädigung der Pflanzengeerntet werden kann. Dazu zählen primär Obst, Beeren, Nüsse,Samen und Saaten, aber auch bestimmte Gemüse, Hülsenfrüchte,Blätter und Blüten. Gemieden werden Früchte, die bei der Erntezerstört werden können, wie Kartoffeln, Möhren, Schwarzwur-zeln, Rote Bete und Steckrüben.

Roh-Veganer sind ebenfalls konsequente Veganer, die aus-schließlich unerhitzte pflanzliche Lebensmittel verzehren. Teil-weise werden auch Lebensmittel einbezogen, die verfahrensbe-dingt erhöhten Temperaturen ausgesetzt sind (z.B. kaltgepressteÖle), ebenso Lebensmittel, bei deren Herstellung eine gewisseHitzezufuhr erforderlich ist (z.B. Trockenfrüchte und bestimmteNussarten). Außerdem können essig- und milchsaure GemüseBestandteil der Kost sein. Die Roh-Veganer werden unterteiltin solche, die den Verzehr von Getreide entweder zulassen odermeiden.

Roh-Veganer sind Teil der größeren Gruppe der Rohköstler,die überwiegend Lebensmittel pflanzlicher Herkunft essen, aberauch rohes Fleisch, rohen Fisch, rohe Milch und teilweise auchrohe Insekten in den Speiseplan mit einbeziehen. Die meistenFormen der Rohkost wurden von Personen eingeführt, die sichdurch ihre Rohkost von einer Krankheit selbst heilen konnten,aber nur in Ausnahmefällen Mediziner waren. Von den vielenveganen Varianten sind heute nur noch einige bekannt (Tab. 4).

Honig-Veganer konsumieren trotz ansonsten veganer Lebens-weise Honig. Die Begründung für diese Ausnahme ist das rapidezunehmende Bienensterben und die Unterstützung der ökologi-schen Bienenhaltung. Die zentrale Bedeutung der Bienen zurBestäubung vieler Nutz- und Wildpflanzen wird den Menschenerst langsam bewusst. Für unsere Ernährung sind die bestäu-benden Insekten überlebenswichtig und für die Ökosystemeunverzichtbar. Übrigens kann das Bienensterben durch Verbote

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II. Kennzeichen veganer Ernährung18

von bienengefährdenden Pestiziden wie Glyphosat und Neo-nikotinoiden reduziert werden.

Pesco-Veganer verzehren trotz ansonsten veganer Lebensweisegelegentlich Fisch oder andere Meeresfrüchte. Die Begründungder sogenannten Pescos für diese Ausnahme beruht auf Erkennt-nissen aus groß angelegten Studien. Diese zeigen, dass die Pescosim Vergleich mit Vegetariern und Veganern die geringste Ster-bequote aufweisen. Offensichtlich ist die positive Wirkung derOmega-3-Fettsäuren stärker als die Belastung der Fische mitSchwermetallen. In einigen Studien hatten Pescos die niedrigsteRate an Darmkrebs.

Flexiganer werden in einigen Studien auch als moderate oderTeilzeit-Veganer bezeichnet, wenn sie weniger als 5 Energiepro-zent ihrer Nahrung aus tierischen Produkten verzehren. DieseAbgrenzung ist zwar nicht in Stein gemeißelt, wird aber auchvon vielen Menschen, die sich als Flexiganer einordnen, nichterreicht. Obwohl bestimmte Flexiganer über Monate hin kon-sequent vegan essen, erreichen sie durch entsprechende Unter-brechungen mit tierischen Produkten meist mehr als 5 Energie-prozent. Auch die meisten Flexiganer, die zu Hause vegan essen,

Tabelle 4: Auswahl wichtigerVarianten der veganen Rohkost(nach Semler 2006, S.11)

Vegane Rohkost mit Getreide:– Fruitarian Healing System, Otto L. M. Abramowski, 1907– Schleimfreie Heilkost, Arnold Ehret, 1911– Urgesetz der natürlichen Ernährung, Walter Sommer, 1924– Natural Hygiene Diet, American Natural Hygiene Society, 1928– Schnitzer-Intensivkost, Johann G. Schnitzer, 1975– Hippocrates Diet (Living Food Diet), Ann Wigmore, 1980– Rainbow Diet (Regenbogen-Diät), Gabriel Cousens, 1986– Hallelujah Diet, George H. Malkmus, 1989

Vegane Rohkost ohne Getreide:– Sonnenkost (Obst-Rohkost), Helmut Wandmaker, 1988– Urkost, Franz Konz, 1989– The Sunfood Diet Success System, David Wolf, 1999

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3. Soziodemographische Merkmale 19

sogenannte Homeveganer, und außer Haus tierische Produktekonsumieren, liegen erfahrungsgemäß über diesem Wert. DieBeweggründe der Flexiganer sind unterschiedlich. Die Betref-fenden können auf dem Weg zum konsequenten Veganer sein –oder auch nicht. Jedenfalls leisten sie im Vergleich zu Misch-köstlern einen erheblichen Beitrag zu ihrer Gesundheit sowiezur Gesundheit der Gesellschaft und unseres Planeten, ähnlichwie konsequente Veganer.

Freeganer können, müssen aber nicht Veganer sein. Wenn, dannsind sie eher keine konsequenten Veganer. Ihre Motive beruhenauf der Kritik und Abkehr von der kapitalistischen Konsum-und Wegwerfgesellschaft. Diese Menschen leben mit Wider-sprüchen, denn obwohl sie eigentlich Produkte aus dem kom-merziellen Handel ablehnen, leben sie vom Containern, nämlichdem Verzehr von abgelaufenen bzw. weggeworfenen Produktender Supermärkte. Diese Nahrung ergänzen sie teilweise durchselbstangebaute Lebensmittel. Freeganer beklagen die Überpro-duktion und Verschwendung von Lebensmitteln und leisteneinen Beitrag zur Schonung von Ressourcen.

Genaue Daten zu den jeweiligen Anteilen der verschiedenenGruppen an der Gesamtheit der Veganer liegen nicht vor. In denStudien mit Veganern werden die Freeganer selten gesondertausgewiesen. Auch dadurch erklären sich einige der widersprüch-lichen Ergebnisse aus Studien mit Veganern.

3. Soziodemographische Merkmale

Alle Aussagen zu den soziodemographischen Merkmalen vonVeganern treffen gleichermaßen auf Vegetarier zu. Fast alle Stu-dien haben gezeigt, dass Vegetarier und Veganer eher weiblich,jung und überdurchschnittlich gebildet sind sowie in einer grö-ßeren Stadt leben. Weibliche Teenager sind besonders offen füreine pflanzliche Ernährung. Dass die pflanzliche Ernährung eineeher weibliche Erscheinung ist, hat damit zu tun, dass sich Frauenstärker mit ihrem Körper, mit Gesundheit und somit auch derErnährungsweise auseinandersetzen. Außerdem sind für die Er-

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III. Motive von Veganern20

nährung und damit für die Gesundheit der Familie weiterhinüberwiegend Frauen zuständig.

Besonders für Männer hat Fleisch auch in modernen Gesell-schaften die kulturelle Bedeutung von männlicher Kraft, Stärke,Herrschaft und Potenz. Diese uralte Sichtweise hält noch immerMänner davon ab, sich pflanzlich zu ernähren. Außerdem be-steht nach Ansicht von Soziologen, Politikwissenschaftlern undPhilosophen eine enge Verknüpfung zwischen Fleischverzehrund Sexualität sowie von Pflanzenverzehr und Feminismus. Da-nach sei der Fleischverzehr eine Ausprägung und ein Erschei-nungsbild männlicher Dominanz gegenüber der Frau. Zusätz-lich sei die Unterdrückung der Natur, der Tiere und der Frauenmiteinander verbunden.

III. Motive von Veganern

Der Veganismus ist nicht nur eine alternative Ernährungsweise,sondern ein Lebensstil. Veganer haben sich, von wenigen Aus-nahmen abgesehen (z.B. ärztliche Anordnung oder religiöseVorschriften), bewusst dafür entschieden, keine Produkte vomTier zu verzehren. Sie hinterfragen auch in vielen anderen Le-bensbereichen ihr Verhalten, um ihr Leben bewusster zu gestal-ten. Die Beschäftigung mit körperlicher, geistiger und seelischerGesunderhaltung führt beispielsweise dazu, dass der Konsumvon Nikotin und Alkohol bei Veganern teilweise weit unter demDurchschnitt liegt. Außerdem halten sich viele vegan lebendeMenschen durch körperliche Aktivität fit und praktizieren auto-genes Training, Yoga und verschiedene Meditationsmethoden.

Veganer sind nicht alle gleich, denn es liegen unterschiedlicheErfahrungen, Lebensumstände und Erwartungen vor, sich füreine vegane Ernährungsweise zu entscheiden. Die Motive vonVeganern sind auch nicht immer dauerhaft fixiert, sondernkönnen sich mit der Zeit ändern. Der häufigste Grund für einevegane Ernährung ist ethischer Natur. Danach werden gesund-

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III. Motive von Veganern 21

heitliche Gründe genannt. Die Beweggründe gehen ineinanderüber und können nicht strikt voneinander getrennt werden.Nicht wenige Veganer, die anfangs überwiegend gesundheitlicheGründe für ihre Ernährungsumstellung anführten, beziehen imLaufe der Zeit zunehmend ethische Überlegungen ein.

DerEntschlusszueinerveganenLebensweiseerfolgtoft schritt-weise aufgrund von sich wiederholenden Berichten über be-klagenswerte Zustände im Ernährungssystem. So betreffen dieimmer wieder auftretenden Lebensmittelskandale (z.B. Dioxin,Salmonellen, Parasiten, BSE, Fipronil) überwiegend Nahrungs-mittel tierischer Herkunft. Dadurch wird das Gesundheitsbe-wusstsein vieler Menschen gefördert. Außerdem belegen wis-senschaftliche Erkenntnisse, dass Übergewicht und zahlreicheErkrankungen wie Bluthochdruck, Atherosklerose und verschie-dene Krebsarten durch eine falsche Ernährung hervorgerufenoder mitverursacht werden. Informationen dieser Art führenzu einer Sensibilisierung der Menschen, die sich schließlich ineiner verstärkten Hinwendung zur pflanzlichen Ernährungsweiseäußert. Inzwischen empfehlen die Deutsche Gesellschaft für Er-nährung sowie viele Ernährungswissenschaftler und in Ernäh-rung geschulte Mediziner, zur Prävention den Verzehr pflanzlicherNahrung deutlich zu erhöhen und den von tierischen Lebens-mitteln erheblich einzuschränken.

Heute führt meistens ein Gespräch mit einem Veganer, einSchlüsselerlebnis oder ein Medienbericht über unhaltbare Zu-stände bei Haltung, Transport und Schlachtung von Tieren zueiner spontanen Entscheidung, fortan vegan zu leben. Diese er-folgt, wenn Menschen zum ersten Mal Zeuge von Vorgängenauf einem Schlachthof werden oder wenn Kinder ein Tier, mitdem sie möglicherweise ein vertrautes und freundschaftlichesVerhältnis aufgebaut hatten, als Essen auf dem Teller wieder-finden.

Eine Zusammenfassung der vielen sehr unterschiedlichenMotive für den Veganismus findet sich in Tabelle 5.

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III. Motive von Veganern22

Tabelle 5: Gründe für eine vegane Ernährung(nach Leitzmann und Keller 2019)

ethisch,philosophisch,religiös

Töten als Unrecht/SündeFleischverzehr als religiöses TabuLebensrecht für TiereMitgefühl mit TierenAblehnung der MassentierhaltungAblehnung der Tiertötung als Beitrag zurGewaltfreiheit in der WeltAblehnung des Verzehrs tierischer Nahrung alsBeitrag zur Lösung des Welthungerproblems

ästhetisch Abneigung gegen den Anblick toter TiereEkel vor Fleischhöherer kulinarischer Genuss veganer Gerichte

spirituell Freisetzung geistiger KräfteUnterstützung von meditativen Übungen und YogaVerminderung des Geschlechtstriebes

sozial ErziehungGewohnheitGruppeneinflüsse

gesundheitlich allgemeine Gesunderhaltung (undifferenziert)KörpergewichtsabnahmePrävention bestimmter ErkrankungenHeilung bestimmter ErkrankungenSteigerung der körperlichen LeistungSteigerung der geistigen Leistungsfähigkeit

kosmetisch KörpergewichtsabnahmeBeseitigung von Hautunreinheiten

hygienisch-toxikologisch

bessere Küchenhygiene in veganen KüchenVerminderung der Schadstoffaufnahme

ökonomisch begrenzte finanzielle MöglichkeitenSparen für andere Werte als Ernährung

sozial Ablehnung tierischer Nahrung als Beitrag zur Lösungdes Welthungerproblems

ökologisch Verminderung der durch Massentierhaltung bedingtenUmweltbelastungen

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1. Ethischer und philosophischer Hintergrund 23

1. Der ethisch-philosophische Hintergrund

Das wichtigste Motiv der Veganer ist die ethische Überzeugung,dass es ein Unrecht ist, Tiere auszubeuten und sie zu töten.Diese Haltung weckt Emotionen und provoziert Diskussionen.Doch trotz unterschiedlicher Standpunkte werden ethische Be-weggründe für Veganismus von zunehmend mehr Menschen an-erkannt und respektiert. Auch bewusst lebende Mischköstlerdenken darüber nach, ob es moralisch gerechtfertigt ist, Tierezu Nahrungszwecken zu missbrauchen und zu schlachten. Dievegane Lebensweise prominenter Persönlichkeiten aus Kunst,Sport, Politik und Kirche hat darüber hinaus zur Sensibilisierungder Menschen beigetragen.

Obwohl Veganismus als Begriff erst seit 1944 existiert, war erimmer Teil der Entwicklung des Vegetarismus. Wichtige Aspekteaus dieser gemeinsamen Vergangenheit werden im Folgenden teil-weise unter der Bezeichnung «pflanzliche Kost» oder «Pflanzen-esser» zusammengefasst.

Der antike wie auch der religiös motivierte Verzehr pflanz-licher Kost verschiedener Glaubensrichtungen wie dem Hindu-ismus sind mit der Lehre der Reinkarnation, der Wiedergeburtund damit Unsterblichkeit der Seelen verbunden. Philosophenspäterer Jahrhunderte hingegen begründen die Forderung nacheiner pflanzlichen Kost vor allem mit der Leidensfähigkeit vonTieren.

Der Moralphilosoph Jeremy Bentham (1748–1832) stelltebereits vor über 200 Jahren die Frage nach der Leidensfähigkeitder Tiere. Darauf aufbauend entwickelte der Vordenker dermodernen Tierrechtsbewegung Peter Singer (Australien, * 1946)seine Philosophie des Gleichheitsprinzips. Sein Buch Animal Li-beration gilt als Keimzelle für die Entstehung der Tierrechtsbe-wegung. Danach sollen wir den ähnlichen Interessen derer, dievon unseren Handlungen betroffen sind, gleiches moralischesGewicht verleihen, unabhängig von Stand, Geschlecht, Haut-farbe, Intellekt usw. Singer fordert also keine Gleichbehandlung,sondern gleiche Berücksichtigung. Die gleiche Berücksichtigungder Interessen verschiedener Wesen kann durchaus zu unter-

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