OKTOBER 2017 48. JAHRGANG 5/2017 - BRAK online · n AKZENTE E. Schäfer Keine Staatskontrolle für...

76
n AKZENTE E. Schäfer Keine Staatskontrolle für die Anwaltschaft! n AUFSÄTZE M. W. Huff Syndikusrechtsanwälte in der ersten Rechtspre- chung der Anwaltsgerichtshöfe und des BGH A. Herb Die Datenschutz-Grundverordnung der EU F. R. Remmertz Aktuelle Entwicklungen im RDG n AMTLICHE BEKANNTMACHUNGEN Beschlüsse der 6. Satzungsversammlung n BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG BGH Fachliche Unabhängigkeit eines Syndikusrechts- anwalts bei bestimmten „Vorgaben“ Hessischer AGH Keine Syndikuszulassung einer Referentin für Rechtspolitik (Anm. S. Offermann-Burckart) BRAK MIT TEILUNGEN Zeitschrift für anwaltliches Berufsrecht OKTOBER 2017 48. JAHRGANG 5/2017 5/2017 S. 201–260 BEIRAT RA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, Vorsitzender Prof. Dr. Matthias Kilian, Köln RA JR Heinz Weil, Paris www.brak-mitteilungen.de PVST 7997 Rundum-Angebot: Fachwissen und Software für Anwälte www.datev.de/anwalt Digitale Kommunikaon für Anwälte www.webakte.de

Transcript of OKTOBER 2017 48. JAHRGANG 5/2017 - BRAK online · n AKZENTE E. Schäfer Keine Staatskontrolle für...

n AKZENTEE. SchäferKeine Staatskontrolle für die Anwaltschaft!

n AUFSÄTZEM. W. HuffSyndikusrechtsanwälte in der ersten Rechtspre-chung der Anwaltsgerichtshöfe und des BGHA. HerbDie Datenschutz-Grundverordnung der EUF. R. RemmertzAktuelle Entwicklungen im RDG

n AMTLICHE BEKANNTMACHUNGENBeschlüsse der 6. Satzungsversammlung

n BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNGBGHFachliche Unabhängigkeit eines Syndikusrechts-anwalts bei bestimmten „Vorgaben“Hessischer AGHKeine Syndikuszulassung einer Referentin fürRechtspolitik (Anm. S. Offermann-Burckart)

BRAKMITTEILUNGENZeitschrift für anwaltliches Berufsrecht

OKTOBER 201748. JAHRGANG

5/20175/2017S. 201–260

BEIRATRA Prof. Dr. Christian Kirchberg, Karlsruhe, VorsitzenderProf. Dr. Matthias Kilian, KölnRA JR Heinz Weil, Paris

www.brak-mitteilungen.de

PVST 7997

Rundum-Angebot:Fachwissen und Software für Anwälte

www.datev.de/anwalt

Digitale Kommunikationfür Anwälte

www.webakte.de

NEUEMANDANTEN

EINFACH ONLINEGEWINNEN!

Jetzt 2 Monate kostenlos testenanwalt.de/mitmachen | +49 911 81515-0

Für anwalt.de-Kunden kostenlos:Terminsvertretung, Akteneinsicht,

Mandatsvermittlung undLegal Outsourcing

INHALT

AKZENTE

E. SchäferKeine Staatskontrolle für die Anwaltschaft! 201

ZUR DISKUSSION

M. WeigelBrauchen Anwälte die Musterfeststellungsklage? 202

AUFSÄTZE

M. W. HuffSyndikusrechtsanwälte in der ersten Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe und des BGH 203

A. HerbDie Datenschutz-Grundverordnung der EU 209

M. ZastrowMandatsbearbeitung in angemessener Zeit 214

F. R. RemmertzAktuelle Entwicklungen im RDG – Rechtsdienstleistungen im Umbruch 219

A. Jungk/B. Chab/H. GramsPflichten und Haftung des Anwalts – Eine Rechtsprechungsübersicht 225

AUS DER ARBEIT DER BRAK

S. Beyrich/T. Nitschke/K. TrierweilerDie BRAK in Berlin 230

H. Petersen/D. Barca-Cysique/K. GrünewaldDie BRAK in Brüssel 232

V. Horrer/K.-L. Ting-WinartoDie BRAK International 233

AMTLICHE BEKANNTMACHUNGEN

Beschlüsse der 4. Sitzung der 6. Satzungsversammlung 234

Sitzung der Satzungsversammlung 235

PERSONALIEN

H. P. SchonsNachruf auf Rechtsanwalt Alfred Ulrich 235

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

Detaillierte Übersicht der Rechtsprechung auf der nächsten Seite IV

INHALT | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

III

Alle Entscheidungen und Aufsätze in unserer Datenbankwww.brak-mitteilungen.de

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

BERUFSRECHTE UND PFLICHTENBVerwG 4.5.2017 2 C 45.16 Pensionierter Richter als Rechtsanwalt 236OLG München 31.5.2017 5 OLG 13 Ss

81/17Vergleich eines Richters mit dem NS-Richter Roland Freisler (LS) 239

VERGÜTUNGBGH 18.7.2017 VI ZR 465/16 Zum Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (LS) 240BGH 4.7.2017 X ZB 11/15 Reisekosten des deutschen Anwalts einer ausländischen

Partei (LS) 240BGH 3.7.2017 AnwZ (Brfg) 42/16 Kostenlose Erstberatung für Verkehrsunfallbeteiligte 240BGH 6.4.2017 I ZR 33/16 Anspruch eines Fachverbands auf Erstattung der Abmahn-

kosten (LS) 242AnwG Hamm 11.5.2017 AnwG Hamm

52/16Mündliche Vergütungsvereinbarung 243

AGH NRW 7.4.2017 2 AGH 16/16 Keine Kostenerstattung bei Selbstvertretung im Berufs-recht (LS) 244

ZULASSUNGBVerfG 13.6.2017 1 BvR 1370/16 Auswahlverfahren für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

beim BGH (LS) 245

SYNDIKUSANWÄLTEBGH 1.8.2017 AnwZ (Brfg) 14/17 Fachliche Unabhängigkeit eines Syndikus bei bestimmten

„Vorgaben“ 245HamburgischerAGH

22.6.2017 AGH I ZU 11/2016 Externe Datenschutzbeauftragte keine Syndikusrechts-anwältin (LS) 248

Hessischer AGH 8.5.2017 1 AGH 14/16 Keine Zulassung als Syndikusrechtsanwältin für Referentin fürRechtspolitik (m. Anm. S. Offermann-Burckart) 248

SONSTIGESBVerfG 2.1.2017 1 BvR 2324/16 Missbrauchsgebühr für Rechtsanwalt (LS) 253BGH 5.7.2017 XII ZB 463/16 Glaubhaftmachung der mitgeteilten Tatsachen durch anwalt-

liche Versicherung (LS) 254BGH 3.7.2017 AnwZ (Brfg) 45/15 Abgrenzung einer einfachen Belehrung von einem belehrenden

Hinweis 254BGH 11.5.2017 IX ZR 238/15 Zur Wirksamkeit der Abtretung einer Forderung (LS) 259Nds. OVerwG 17.8.2017 2 LA 484/17 Prozesskostenhilfe und Anwaltswechsel 260OLG München 21.4.2017 22 EK 2/16 Entschädigung für verspätete Festsetzung der Pflichtverteidi-

gervergütung (LS) 260

IMPRESSUMBRAK-MITTEILUNGEN UND BRAK-MAGAZIN Zeitschrift für anwaltliches BerufsrechtHERAUSGEBER Bundesrechtsanwaltskammer, Littenstr. 9, 10179 Berlin, Tel. (0 30)284939-0, Telefax (0 30)284939-11, E-Mail: [email protected], Internet: http://www.brak.de.REDAKTION Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ. (Schriftleitung), Rechts-anwalt Christian Dahns, Frauke Karlstedt (sachbearbeitend).VERLAG Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln(Bayenthal), Tel. (0221)9 3738-997 (Vertrieb/Abonnementverwaltung), Telefax(0221)9 3738-943 (Vertrieb/Abonnementverwaltung), E-Mail [email protected] Sparkasse KölnBonn (DE 87 3705 0198 0030 6021 55); Postgiroamt Köln(DE 40 3701 0050 0053 9505 08).ERSCHEINUNGSWEISE Zweimonatlich: Februar, April, Juni, August, Oktober, Dezember.BEZUGSPREISE Den Mitgliedern der Rechtsanwaltskammern werden die BRAK-Mitteilungen im Rahmen des Mitgliedsbeitrages ohne Erhebung einer besonderenBezugsgebühr zugestellt. Jahresabonnement 109 € (zzgl. Zustellgebühr); Einzelheft21,80 € (zzgl. Versandkosten). In diesen Preisen ist die Mehrwertsteuer mit 6,54%(Steuersatz 7%) enthalten. Kündigungstermin für das Abonnement 6 Wochen vorJahresschluss.

ANZEIGENVERKAUF sales friendly Verlagsdienstleistungen, Pfaffenweg 15, 53227 Bonn;Telefon (0228)9 7898-0, Fax (0228)9 7898-20, E-Mail: [email protected].

Gültig ist Preisliste Nr. 32 vom 1.1.2017

DRUCKAUFLAGE dieser Ausgabe: 167.550 Exemplare (Verlagsausgabe).

DRUCK Schaffrath, Geldern. Hergestellt auf chlorfrei gebleichtem Papier.

URHEBER- UND VERLAGSRECHTE Die in dieser Zeitschrift veröffentlichten Beiträge sindurheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, insbesondere das der Übersetzung in frem-de Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieser Zeitschrift darf ohne schriftliche Geneh-migung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oder andereVerfahren reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverar-beitungsanlagen verwendbare Sprache übertragen werden. Das gilt auch für dieveröffentlichten Entscheidungen und deren Leitsätze, wenn und soweit sie von derSchriftleitung bearbeitet sind. Fotokopien für den persönlichen und sonstigen eige-nen Gebrauch dürfen nur von einzelnen Beiträgen oder Teilen daraus als Einzel-kopien hergestellt werden.

IVW-Druckauflage 2. Quartal 2017: 166.025 Exemplare.

ISSN 0722-6934

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | INHALT

IV

AKTUELLE HINWEISE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

V

HÜLFSKASSE DEUTSCHER RECHTSANWÄLTE:AUFRUF ZUR WEIHNACHTSSPENDE 2017 –SOLIDARITÄT INNERHALB DER ANWALTSCHAFT

Hamburg, Oktober 2017Die „Hülfskasse Deutscher Rechtsanwälte“ ruft zu Spenden zugunsten von bedürftigen Rechts-anwältinnen, Rechtsanwälten und deren Angehörigen auf.

Im Jahr 2016 ging bei der Hülfskasse aufgrund der großen bundesweiten Hilfsbereit-schaft ein Spendenbetrag in Höhe von insgesamt rund 198.000 Euro ein. Hierdurch konn-ten 202 bedürftige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie deren Familien mit einerSpende zu Weihnachten bedacht werden. Im Namen der Unterstützten danken wir allenKolleginnen und Kollegen herzlich für ihre Solidarität.

So erhielt beispielsweise ein an Multipler Sklerose erkrankter Rechtsanwalt einen Betragaus dem Weihnachtsspendenaufkommen in Höhe von 600 Euro. Die Spende half ihm, sei-nen Eigenanteil für notwendige Medikamente zu finanzieren.

Sollte Ihnen im Kollegenkreis ein Notfall bekannt sein, verweisen Sie bitte an die Hülfskas-se Deutscher Rechtsanwälte. Unser karitativer Verein unterstützt nicht nur in den Mit-gliedskammerbezirken beim BGH, Braunschweig, Hamburg und Schleswig-Holstein, son-dern auch in den weiteren 24 Kammerbezirken.

Emil-von-Sauer-Preis 2017Wir erhielten im Juni 2017 den Emil-von-Sauer-Preis vom Hamburgischen Anwaltverein!Dieser Preis wird alle zwei Jahre für besondere Verdienste innerhalb der Rechtsanwalt-schaft verliehen. Damit würdigte der Anwaltverein 132 Jahre solidarisches Handeln inner-halb unseres Berufsstandes.

Spendenkonto:Deutsche Bank HamburgIBAN: DE452007 00000030 9906 00BIC: DEUT DEHH XXXDie Spenden an die Hülfskasse sind steuerabzugsfähig.Steuer-Nr.: 17/432/06459

Kontakt:Kleine Johannisstraße 620457 HamburgTel.: (040) 36 50 79Fax: (040) 37 46 [email protected]: http://www.facebook.com/huelfskasse

AUFRUF ZUR WEIHNACHTSSPENDE 2017

AKTUELLE HINWEISE

IM BUNDESGESETZBLATT VERKÜNDET

Gesetz gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammen-hang mit RechteüberlassungenBGBl. I v. 4.7.2017, S. 2074Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Ver-ordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richt-linie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -Um-setzungsgesetz EU DSAnpUG-EU)BGBl. I v. 5.7.2017, S. 2097Erstes Gesetz zur Änderung des E-Government-GesetzesBGBl. I v. 12.7.2017, S. 2206Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in derJustiz und zur weiteren Förderung des elektronischenRechtsverkehrsBGBl. I v. 12.7.2017, S. 2208Gesetz zur Förderung des elektronischen Identitätsnach-weisesBGBl. I v. 14.7.2017, S. 2310Neufassung der Telekommunikations-Überwachungsver-ordnungBGBl. I v. 14.7.2017, S. 2316Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Aus-gestaltung des StrafverfahrensBGBl. I v. 23.8.2017, S. 3202Neufassung des Umwelt-RechtsbehelfsgesetzesBGBl. I v. 4.9.2017, S. 3290Zweites Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte vonBeschuldigten im Strafverfahren und zur Änderung desSchöffenrechtsBGBl. I v. 4.9.2017, S. 3295

IM EU-AMTSBLATT VERKÜNDET

Richtlinie (EU) 2017/1371 des Europäischen Parlamentsund des Rates v. 5.7.2017 über die strafrechtliche Be-kämpfung von gegen die finanziellen Interessen der Uni-on gerichtetem BetrugABl. L 198/29, 28.7.2017

AUS DEN ZEITSCHRIFTEN

BRAK-Mitteilungen und Anwaltsblatt sind für jeden be-rufsrechtlich Interessierten Pflichtlektüre. Nachfolgenddokumentiert das Institut für Anwaltsrecht an der Uni-versität zu Köln Aufsatzliteratur zum Berufsrecht derRechtsanwälte, Notare und Steuerberater, die in denzurückliegenden Wochen in anderen Periodika undSammelwerken veröffentlicht worden ist. Aus Platzgrün-den muss eine wertende Auswahl getroffen werden.

Zusammengestellt vom Institut für Anwaltsrecht durchChristina Esser.

Kontakt zur Literaturschau:[email protected]

Anwalt und Kanzlei (AK) Nr. 6: Cosack, ElektronischerRechtsverkehr: Das beA-Forum: Sind Sie bereit zumEmpfang? Das müssen sie in der Startphase des beAwissen (96); Ziegler, Steuergestaltung Praxis-Pkw,Teil 4: Kanzlei-Pkw leasen oder kaufen, was ist besser?(108); Frey, Einkommensteuer: So vermeiden Sie einegewerbliche Infektion der freiberuflichen Einkünfte(110); Nr. 7: Cramer-Scharnagl, Kommunikation. Kör-persprache verstehen und nutzen (126); Nr. 8: Cosack,Elektronischer Rechtsverkehr. Das beA-Forum: So kom-munizieren Sie mit dem Mandanten über das beA(132); Schneider, Autorität. Nur mit dem richtigen Hie-rarchiegefälle können Sie in der Kanzlei erfolgreichsein (142).

Anwalts Gebühren Spezial (AGS) Nr. 5: Volpert, Rechts-anwaltsvergütung und Gerichtskosten bei Beschlüssenzur Europäischen Kontenpfändung (EuKoPfVODG)

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AKTUELLE HINWEISE

VI

Andreas KühneltRechtsanwalt und NotarKiel - Hamburg - Schönberg

„Unsere Kanzlei ist die erste!Wir nutzen das beA direkt ausder Kanzleisoftware WinMACS– dank der cleveren Integrationdurch die Rummel AG.“

[email protected]

Die Kanzleisoftware fürAnwälte und AnwaltsnotareAnwälte und Anwaltsnotare

Video ansehen:

www.rummel-ag.de/bea

Clever in Software der

Rummel AG integriert!

Sie haben Fragen zu unseren beA-

fähigen Produkten? 09123 1830630

(Fortsetzung S. VIII)

IM BUNDESGESETZBLATT VERKÜNDET

Kontrollinstanz.

Der vielzitierte Reidt/Stickler/Glahs nimmt in der neuen 4. Auflage wieder das Prädi-kat „topaktuell“ für sich in Anspruch –mit diesen Neuheiten:

Die grundlegende Novellierung des GWB-Vergaberechts mit umfangreichen Neue-rungen, von der Digitalisierung der Auftragsvergabe oder der nun wesentlich stär-ker möglichen Berücksichtigung umweltbezogener und sozialer Aspekte, ist kom-plett abgebildet. Das Gleiche gilt für die aktuelle Rechtsprechung des EuGH, desBGH, der OLG-Vergabesenate und die Entscheidungen der Vergabekammern. Eben-falls bereits berücksichtigt ist dasWettbewerbsregistergesetz vom 18.07.2017!

Für den Vergabejuristen heißt das: Noch heute einen Beschaffungsauftrag vergeben!Am besten überzeugen Sie sich bei einer Leseprobe:www.otto-schmidt.de/rsg4

DasWerk online:

www.juris.de/pmbr

MitWettbewerbs-

registergesetz

Reidt/Stickler/GlahsVergaberecht KommentarHerausgegeben von RADr. Olaf Reidt, RA Dr.Thomas Stickler und RAin Dr. Heike Glahs.Bearbeitet von RA Johannes Bosselmann, RADr. Matthias Ganske, RAin Dr. Heike Glahs, RADr. Andreas Hövelberndt, Wiltrud Kadenbach,RA Julian Ley, RA Dr. TobiasMasing, Dipl.Verwaltungswirt Hans-PeterMüller, RA Dr. MichaelRafii, RA Prof. Dr. Olaf Reidt, RA Dr. Thomas Stickler.4. neu bearbeitete Auflage 2018, 1.692 SeitenDIN A5, gbd. 169,– €. ISBN 978-3-504-40074-3

(209); Nr. 7: Willersinn, Neuauflage des Streitwert-katalogs für die Sozialgerichtsbarkeit (313).

Anwaltsrevue (Schweiz) Nr. 6/7: Robert, Spielregeln fürdas Recht in der Mediation (271); Hartung, Kanzleienvon morgen (276); Merkt/Chappuis, Profession d’avo-cat et loi sur le marché intérieur (292); Nr. 8: Chap-puis/Alberini, Secret professionnel de l’avocat et soluti-ons cloud (337).

Berliner Anwaltsblatt (BerlAnwBl.) Nr. 6: Lofing, Ach-tung: Schriftform im digitalen Rechtsverkehr. Wannwird durch beA-Zustellungen die Schriftform eingehal-ten? (234); Preiß, Unangemessene Verfahrensdauer:Unangemessen lange Gerichtsverfahren können Ent-schädigungsansprüche auslösen (236); Samimi, Ak-tuelles zur Rechtsschutzversicherung (268); Kiesewet-ter/Paul, Einstieg in die Praxis für Anwaltsmediator/in-nen (239).

Betriebs-Berater (BB) Nr. 29: Valdini, Klagen ohne Risi-ko. Prozessfinanzierung und Inkassodienstleistung auseiner Hand als zulässige Rechtsdienstleistung? (1609).

Betriebswirtschaftliche Beratung (NWB-BB) Nr. 7: Rupp,Strategische Werkzeuge zur Entwicklung von Kanzleiund Mandanten. Teil 1: Perspektivwechsel als Voraus-setzung (200); Nr. 8: ders., Strategische Werkzeugezur Entwicklung von Kanzlei und Mandanten. Teil 2:Erste Schritte auf dem Weg zur Alleinstellung (246).

Compliance Berater (CB) Nr. 6: Dörrwächter, CB-Forum:Vergütungsberatung und Rechtsdienstleistungsgesetz(188).

Das Juristische Büro (JurBüro) Nr. 5: Enders, Reisekos-ten des Rechtsanwalts bei Antritt der Reise von derWohnung aus (225); Bischof, Gebühren des Außen-anwaltes in der Mediation. Geschäftsgebühr, Eini-gungsgebühr auch neben Stundensatzabrede oderRaterteilung (§ 34 RVG)? (230); Nr. 6: Enders, Gegen-standswert der Einigungsgebühr in Verkehrsunfall-sachen bei Teilregulierung in der Kostenerstattung

(281); Büttner, Die Kosten der Vermögensauskunft beieinem auflösend bedingten Antrag oder einer aufschie-bend bedingten Antragsrücknahme (288); Nr. 7:Schneider, Änderung der Vereinbarung über den Aus-gleich von Kosten (339).

Der europäische Gerichtsverbund, Gegenwartsfragender internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, die interna-tionale Dimension des europäischen Zivilverfahrens-rechts: Wolf, Das internationale Berufsrecht der an-waltlichen Parteivertreter im Schiedsverfahren (101).

Deutsches Steuerrecht (DStR) Nr. 27: Stein/Khodaverdi,Marke „Steuerberater“: nur wo Steuerberater drauf-steht, ist auch Steuerberater drin (1501); Nr. 33: Ren-nebarth, Aus- und Fortbildung von zertifizierten Media-toren nach der ZMediatAusbV unter Berücksichtigungdes Evaluationsberichts zum Mediationsgesetz (1843).

Die Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten (RENO)Nr. 6: Merendino, Das besondere elektronische An-waltspostfach (beA) (10).

Fairness, justice, equity: Festschrift für Reinhold Geimerzum 80. Geburtstag: Spehl, Die anwaltliche Pflicht zurZeugenvorbereitung im deutschen Zivilprozess (697);Wilske/Markert, Zur Erstattungsfähigkeit des Erfolgs-honorars in Schiedsverfahren (795).

KammerReport der Rechtsanwaltskammer Hamm Nr. 3:Wohlfeld, Wie nutzt man das beA? Die Nutzung desbesonderen elektronischen Anwaltspostfachs im Über-blick (10); Peitscher, Kleine BRAO-Reform (12).

Kanzleiführung professionell (KP) Nr. 7: Jost, Ist eine„Nachberechnung“ der vorab fälligen Verfahrens-gebühr zulässig? (116); Jost/Tröschel, Nachfolgerege-lung: Harter Schnitt oder Übergangsgesellschaft. Soläuft die Kanzleiübertragung optimal (127); Nr. 8: La-mi, Zeitalter der digitalen Transformation. Digitalisie-rung: Die sieben Handlungsmaximen, um die ChancenIhrer Kanzlei zu erhöhen (138); Nr. 9: Schneider, Kanz-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AKTUELLE HINWEISE

VIII

Das FortbilDungszertiFikatDer brak· Fachkompetenz sichtbar gemacht· Orientierung für Mandanten und potenzielle Mandanten· Zur Werbung auf Briefkopf, Homepage, Visitenkartenoder in Anzeigen

Weitere Informationen unter: www.brakfortbildungszertifikat.de

(Fortsetzung von S. VI)

(Fortsetzung S. X)

AKZENTEKEINE STAATSKONTROLLE FÜR DIE ANWALTSCHAFT!

Selbstverständlich unterliegt die Bundesrechts-anwaltskammer der Rechtsaufsicht des Bundes-ministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz.Und selbstverständlich unterliegen die regionalen

Rechtsanwaltskam-mern der Rechtsauf-sicht der Landesjus-tizministerien. Aberwichtig ist: Die Be-rufsaufsicht übt dieAnwaltschaft selbstaus, und zwar durchdie als Selbstverwal-tungskörperschaftenorganisierten Regio-nalkammern. Undeben weil es sichum Selbstverwal-tung handelt, gibtes keine staatlicheFachaufsicht.

Dass der Staat keineinhaltliche Kontrolleausübt, ist auch gut

so. Denn die Belange der Anwaltschaft kennt niemandso gut wie wir. Und deshalb ist es richtig, dass es denVorständen der regionalen Rechtsanwaltskammern ge-setzlich obliegt, ihre Mitglieder in Fragen der Berufs-pflichten zu beraten, zwischen ihnen und ihren Man-danten zu vermitteln und zu überwachen, dass sieihre Berufspflichten einhalten. Es versteht sich vonselbst, dass man diese Aufgaben nur sinnvoll ausfüllenkann, wenn man selbst der Anwaltschaft angehört undweiß, wie sie tickt.

Auch die UN-Grundprinzipien betreffend die Rolle derRechtsanwälte aus dem Jahr 1990 sagen es deutlich:Wir Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte haben nichtnur das Recht, Selbstverwaltungsverbände zu gründen,um unsere Interessen zu vertreten und unsere beruf-liche Integrität zu schützen. Wir müssen auch eine ent-scheidende Rolle bei der Wahrung beruflicher Verhal-tensregeln und -pflichten und bei Disziplinarverfahrenwegen der Verletzung solcher Pflichten spielen. Nichtumsonst arbeitet der Europarat derzeit daran, dieseGrundprinzipien in eine für seine Mitgliedstaaten bin-dende „Konvention zum Beruf des Rechtsanwalts“ zugießen.

Die Unabhängigkeit der Anwaltschaft und damit ihrSchutz vor staatlicher Kontrolle ist also ein Grundpfei-ler jedes Rechtsstaates. Alarmierend und irritierendsind deshalb die aktuellen Entwicklungen im Bereichder Geldwäsche: Der PANA-Ausschuss des Europäi-schen Parlaments – ein als Reaktion auf die PanamaPapers gebildeter Untersuchungsausschuss zu Geld-wäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung –hat in dem Entwurf einer Empfehlung an das Par-lament vorgeschlagen, dass alle europäischen Finan-cial Intelligence Units (FIU) unbeschränkten Zugangzu den Angaben der Verpflichteten haben sollen. WieSie wissen, sind wir Rechtsanwälte schon jetzt nachden Geldwäschevorschriften verpflichtet, bei begründe-tem Anlass eine Verdachtsmeldung zu veranlassen.Die Empfehlung des PANA-Ausschusses geht nun vielweiter. FIUs sollen auch ohne Verdachtsmeldung unbe-schränkten Zugang zu den Angaben erhalten. Dieswürde de facto eine zweite Ermittlungsinstanz nebender Staatsanwaltschaft schaffen und das Mandats-geheimnis zusätzlich gefährden. Und das ist nochnicht alles: Verbunden wird diese Empfehlung mitdem Vorschlag, die anwaltliche Selbstverwaltung kom-plett abzuschaffen und eine staatliche Kontrolle überRechtsanwälte einzuführen.

Geldwäsche, so genannte „Steuervermeidung“ undSteuerhinterziehung zum Anlass für einen Rund-umschlag gegen die Anwaltschaft zu nehmen, istabenteuerlich. Um diese Phänomene einzudämmen,gibt es sicher geeignetere und erfolgversprechendereMaßnahmen. Ein sinnvoller Anfang wäre insbesondereeine Überprüfung der lückenhaften und inkonsistentenSteuergesetzgebung. Die Verfasstheit der Anwalt-schaft hat mit alledem nichts zu tun. Deshalb trägt eszur Lösung der zweifellos ernstzunehmenden ProblemeGeldwäsche und Steuerhinterziehung überhaupt nichtsbei, unter dem Deckmantel ihrer Bekämpfung die An-waltschaft vollständig unter staatliche Kontrolle zwin-gen zu wollen.

Die Unabhängigkeit der Anwaltschaft kann nur durcheine vom Staat unabhängige Selbstverwaltung ge-währleistet werden. Wir werden diesen Grundpfeilerunseres Rechtsstaates nicht kampflos aufgeben.

Ihr

Ekkehart Schäfer

AKZENTE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

201

BRAKMITTEILUNGEN

OKTOBER 2017 • AUSGABE 5/201748. JAHRGANG

Ekkehart Schäfer

ZUR DISKUSSIONBRAUCHEN ANWÄLTE DIE MUSTERFESTSTELLUNGSKLAGE?RECHTSANWALT DR. MICHAEL WEIGEL, FRANKFURT A.M., VORSITZENDER DES BRAK-AUSSCHUSSES ZPO/GVG

Ob und wenn ja: welche Instrumente kollektiver Rechtsdurchsetzung dem deutschen Rechtssystem fehlen, wirdseit Jahren diskutiert – außer in kapitalmarktrechtlichen Streitigkeiten jedoch ohne greifbares Ergebnis. Ausgelöstdurch den VW-Skandal hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vor Kurzem den Diskussi-onsentwurf für die Einführung einer Musterfeststellungsklage in Verbraucherstreitigkeiten vorgelegt, der – auch in-nerhalb der BRAK-Fachausschüsse – für Diskussionen sorgt. Der Autor erörtert das Für und Wider des Entwurfs.

Der VW Diesel-Abgasskandal zeigt meines Erachtensüberdeutlich, dass es im deutschen Zivilprozessrechteines spezifischen Instrumentariums zur gerichtlichenAufarbeitung von Massenschäden nicht nur im Bereichdes Kapitalmarkrechts bedarf. Aufgrund einer Vielzahlvon Einzelklagen sind derzeit in Braunschweig undStuttgart zwei Musterverfahren nach dem Gesetzüber Musterverfahren in kapitalmarktrechtlichen Strei-tigkeiten (KapMuG) wegen Schadenersatzansprüchenaufgrund der angeblichen Verletzung kapitalmarkt-rechtlicher oder gesellschaftsrechtlicher Informations-pflichten gegen die VW AG und die Porsche SE imGang bzw. in die Wege geleitet. Gleichzeitig gibt eseine Vielzahl von Verfahren an den unterschiedlichstendeutschen Gerichten, die aus demselben Anlass, demEinsatz einer Betrugssoftware bzw. deren Verheimli-chung bei Dieselkraftfahrzeugen des VW-Konzerns an-hängig sind und bereits zu einer Vielzahl divergieren-der Gerichtsentscheidungen darüber geführt haben,ob dem Erwerber eines solchen Kraftfahrzeuges Ge-währleistungs- oder sonstige Ansprüche zustehen.

Warum es für die letztgenannten Fälle keine kollektivenStreitbewältigungsmechanismen im deutschen Zivilpro-zessrecht gibt bzw. warum das KapMuG hier nichtauch anwendbar sein soll, erschließt sich nicht. Bis hierdurch eine oder wahrscheinlich eher mehrere ober- bzw.höchstrichterliche Entscheidung Rechtsfrieden geschaf-fen ist, wird sich noch eine Vielzahl deutscher Gerichtemit den einschlägigen Fragen auseinandersetzen müs-sen. Dass die Eigentümer von Kraftfahrzeugen, die infol-ge des Abgasskandals meinen, Ansprüche gegen denVW-Konzern zu haben, dazu veranlasst werden, sichan Institutionen im Ausland zu wenden, die dem US-amerikanischen Vorbild deutlich näher kommen, als esbei einem Gerichtsverfahren in Deutschland je der Fallsein könnte, ist sicherlich ein Armutszeugnis.

Ob mit dem durch das KapMuG geschaffenen Verfah-ren in seiner heutigen Form eine ideale Lösung für dieBewältigung der anstehenden Probleme gefunden wur-de, mag an dieser Stelle dahin stehen. Dass der Tele-kom-Prozess, der Anfang des Jahrtausends Anlass fürdie Schöpfung dieses Verfahrens war, bis heute nichtabgeschlossen ist, mag dagegen sprechen. Jedenfallsstellt das vom BMJV als Diskussionsentwurf vorgelegteKonzept für ein Musterklageverfahren bestenfalls eineLösung für einen kleinen Teil der Problematik dar:

Dieser Entwurf zielt darauf ab, durch ein von Verbän-den eingeleitetes Musterverfahren die sich im Zusam-menhang mit einem Schadensfall stellenden Rechts-und Sachverhaltsfragen von allgemeiner Bedeutung ein-heitlich zu klären. In einem solchen Verfahren haben diepotentiellen Anspruchsteller jedoch keine Möglichkeit,auf den Streitgegenstand, also die zu klärenden Rechts-und Sachverhaltsfragen und den Sachvortrag in irgend-einer Weise Einfluss zu nehmen, sondern sind dem Han-deln des tatsächlich tätig werdenden Verbands bzw.dessen Ergebnis hilflos ausgeliefert. Daher ist das vor-geschlagene Verfahren allenfalls für Fälle geeignet, indenen die einzelnen Anspruchsinhaber wegen der gerin-gen Höhe ihrer individuellen Ansprüche normalerweiseihrer „rationalen Apathie“ nachgeben, also nichts unter-nehmen.Es stellt einen wesentlichen Mangel des vorgeschlage-nen Verfahrens dar, dass das vorgeschlagene Ver-bandsverfahren trotzdem auch sonst möglich wäreund ein wohlmeinender Verband gegebenenfalls im-stande wäre, Individualrechtsstreite zu blockieren unddas Musterverfahren möglicherweise auch in nichtsachdienlicher Weise zu fokussieren. Dass bei Verfah-ren mit höheren Streitwerten das potentielle Kostenrisi-ko höher wäre, ist kaum geeignet, eine Musterklage ei-nes wohlmeinenden Verbandes sicher auszuschließen.Der Gesetzgeber ist auch in diesem Verfahren einfachzu kurz gesprungen.Ceterum censeo: Es liegt auf der Hand, dass die Schaf-fung eines Instrumentariums zur prozessualen Bewälti-gung von Massenschadensereignissen nicht dazu füh-ren darf, dass hierzulande bzw. in Europa „amerika-nische Verhältnisse“ einkehren, wie sie die Folgen derdort möglichen „class actions“ sind. Dies wird in Eu-ropa nicht nur von jedem, der sich von offizieller Seitemit dieser Thematik auseinandersetzt, gebetsmühlen-artig wiederholt. Dem steht bereits das deutsche Rechtentgegen, das – mit gewissen Ausnahmen im Kartell-recht – weder die Möglichkeit vorsieht, eine umfassen-de Dokumentenherausgabe zu erzwingen, noch überStrafschadenersatz einen – an unternehmerisch tätigeRechtsanwälte – im Wege des Erfolgshonorars aus-schüttbaren Mehrwert zu generieren. Vor allem stehtdas dem deutschen Zivilprozessrecht elementare Prin-zip, dass derjenige die Prozesskosten tragen muss,der einen Rechtsstreit am Ende verliert, der allzu leicht-fertigen Einleitung solcher Verfahren entgegen.

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | ZUR DISKUSSION

202

AUFSÄTZESYNDIKUSRECHTSANWÄLTE IN DER ERSTEN RECHT-SPRECHUNG DER ANWALTSGERICHTSHÖFE UND DES BGHRECHTSANWALT MARTIN W. HUFF*

Im Herbst 2016 haben vor dem AGH Nordrhein-West-falen als erstem Anwaltsgerichtshof die ersten münd-lichen Verhandlungen in den Verfahren rund um die Zu-lassung von Syndikusrechtsanwälten begonnen. Nun-mehr liegt auch der erste Beschluss des Anwaltssenatsdes Bundesgerichtshofs vor. Der Autor zieht eine Bilanzder rund 30 bisher vorliegenden Entscheidungen.

I. EINLEITUNG

Das Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung desRechts der Syndikusanwälte zum 1.1.2016 hat die27 regionalen Rechtsanwaltskammern vor völlig neueAufgaben gestellt. Der große Schwung der rund13.000 Anträge ist mittlerweile bei den Rechts-anwaltskammern abgearbeitet.1 Nach einer Statistikder Bundesrechtsanwaltskammer waren zum 1.1.2017 9.710 Syndikusrechtsanwälte zugelassen, davon8.753 mit einer Doppelzulassung als niedergelassenerRechtsanwalt und Syndikusrechtsanwalt. Auffallendist dabei der hohe Frauenanteil mit rund 44 %. Deut-lich zu spüren ist bei den regionalen Rechtsanwalts-kammern (RAKn) eine Auflösung des „Wechselstaus“der Syndikusanwälte, der sich insbesondere nach denEntscheidungen des BSG vom 3.4.20142 ergeben hat-te. Denn der mit dem Wechsel verbundene Verlustder Befreiung gem. § 6 SGB VI stand in den meistenFällen in keinem Verhältnis zu den Vorteilen eines Stel-lenwechsels, insbesondere eines höheren Gehalts.

Nach Schätzungen sind bei den Anwaltsgerichtshöfenrund 200 Verfahren anhängig. Die meisten Klagenhat die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund ge-gen die Zulassungsentscheidungen der RAKn gem.§ 46a II Satz 2 BRAO erhoben. Nur relativ wenige Kla-gen gibt es von Antragstellern, denen die jeweiligeRAK die beantragte Zulassung als Syndikusrechts-anwalt versagt hatte. Dabei konzentrieren sich alleVerfahren auf einige wenige Fallgestaltungen undRechtsfragen, die im Folgenden erörtert werden sol-len.

II. PROZESSUALES

1. BEILADUNGAlle Anwaltsgerichtshöfe laden bei Klagen der DRV ge-gen die RAK den Antragsteller gem. § 65 II VwGO not-wendig bei. Denn der Antragsteller wird auf jeden Fallvon einer Entscheidung in seinen Rechten betroffen. Inden Verfahren, in denen der Antragsteller gegen dieKammer klagt, hat sich noch keine einheitliche Praxis he-rausgebildet. Jedenfalls laden die meisten Anwalts-gerichtshöfe soweit ersichtlich dann die DRV Bund eben-falls gem. § 65 II VwGO bei, weil sich aus der gericht-lichen Entscheidung, wenn sie rechtskräftig wird, aucheine Bindungswirkung gemäß § 46a II 4 BRAO ergibt.Abgelehnt hat der AGH Nordrhein-Westfalen die vonder RAK Köln beantragte Beiladung des Arbeitgebersgem. § 65 I VwGO, also die einfache Beiladung.3 Da-gegen bestehen doch Bedenken. Denn die Interessendes Arbeitgebers werden durch die Frage, ob ein Mit-arbeiter als Syndikusrechtsanwalt zugelassen wirdoder nicht, intensiv berührt:Zum einen liegt es im Interesse des Arbeitgebers, dassder Syndikusrechtsanwalt die Befugnisse des § 46cBRAO wahrnehmen kann, zum anderen ist der Arbeit-geber auch daran interessiert, zu erfahren, unter wel-chen Voraussetzungen seine Arbeitnehmer als Syn-dikusrechtsanwälte zugelassen werden können. Zudemwäre in vielen Fällen eine Beiladung auch aus prakti-schen Überlegungen sehr sinnvoll. Denn die DRV argu-mentiert regelmäßig, dass bestimmte Vorgaben im Un-ternehmen bestehen, die die fachliche Unabhängigkeitdes Arbeitnehmers/Antragstellers beeinträchtigen.Hier könnte der Arbeitgeber als einfach Beigeladenerdirekt Stellung nehmen und es ließen sich Zeugenver-nehmungen von Geschäftsführern4 dadurch weit-gehend vermeiden.

2. STREITWERTSehr unterschiedlich war bisher die Praxis der Anwalts-gerichtshöfe bei der Festsetzung des Streitwerts gem.§ 194 BRAO. Ging der AGH Nordrhein-Westfalen alserster AGH5 in den Fällen, in denen neben der Zulas-sung als niedergelassener Rechtsanwalt die Zulassungals Syndikusrechtsanwalt beantragt worden war, von ei-

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

203

* Der Autor ist Rechtsanwalt in Köln und Geschäftsführer der Rechtsanwaltskam-mer Köln. Der Beitrag gibt seine persönliche Auffassung wieder.

1 S. dazu Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102; Huff, AnwBl. 2017, 40.2 BSGE 115, 267 = NJW 2014, 2743.

3 AGH NRW, Beschl. v. 6.10.2016 – 1 AGH 49/16.4 S. dazu AGH NRW, Urt. v. 19.5.2017 – 1 AGH 28/16 (rkr.).5 Und ihm folgend z.B. der 1. Senat des AGH Hessen, Urt. v. 13.3.2017 – 1 AGH 9/

16; anders der 2. Senat, AGH Hessen, Urt. v. 3.4.2017 – 2 AGH 8/16.

HUFF, ERSTE RECHTSPRECHUNG ZU SYNDIKUSRECHTSANWÄLTEN

nem Streitwert von 25.000 Euro aus und halbierte da-mit den Regelstreitwert des § 194 II 1 BRAO, so hatder BGH in seinem Beschluss vom 1.8.20176 ohne wei-tere Erörterung den Regelstreitwert von 50.000 Euroangenommen. Auch einige Anwaltsgerichtshöfe gingenbei einer „Doppelzulassung“ von 50.000 Euro aus.7

Wenn von dem Regelstreitwert des § 194 II 1 BRAO ab-gewichen werden soll, müsste eigentlich gem. § 194 II 2BRAO eine entsprechende Begründung erfolgen. Diesist bisher kaum geschehen. Da es um eine eigene Zulas-sung als Syndikusrechtsanwalt geht, erscheint mir dieFestsetzung des Regelstreitwerts richtig zu sein. Dabeikann meines Erachtens hier nicht auf die Zeitdauer derZulassung, wenn die Tätigkeit bereits beendet ist, abge-stellt werden.8 Eine Trennung zwischen den Fällen derErstzulassung als Rechtsanwalt in der Form des Syn-dikusrechtsanwalts und der Zulassung als Syndikus-rechtsanwalt neben der Zulassung als niedergelassenerRechtsanwalt erscheint nicht sachgerecht.

3. KOSTENERSTATTUNGZu Beginn der Verfahren vor den Anwaltsgerichtshöfengab es Streit um die Frage, ob die DRV die Kosten desVerfahrens tragen muss, wenn sie nach einer ergänzen-den Erklärung des Antragstellers und seines Arbeit-gebers zur fachlichen Unabhängigkeit die Klage zurück-nahm. Mit deutlichen Worten hat der AGH Nordrhein-Westfalen die Kosten einer solchen Klagerücknahmeder DRV auferlegt.9 Er hat dabei darauf abgestellt,dass aus arbeitsrechtlicher Sicht auf die jeweils aktuelleVereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerabzustellen ist. Haben diese aktuell die fachliche Un-abhängigkeit vereinbart, so geht dies anderen arbeits-vertraglichen Regelungen, insb. aus Arbeitsverträgenvor Inkrafttreten des Gesetzes am 1.1.2016, vor. Einerausdrücklichen Aufhebung einer eventuell im Arbeits-vertrag vereinbarten Weisungsabhängigkeit bedarf esdann nicht.10

4. SOFORTIGE VOLLZIEHUNGDurchaus umstritten war die Frage, ob die Rechts-anwaltskammer berechtigt ist, die sofortige Vollziehungdes Zulassungsbescheids gem. § 80 II Nr. 4 VwGO an-zuordnen.11 Der AGH Nordrhein-Westfalen hat gegendiesen Sofortvollzug keine grundlegenden Einwände er-hoben.12 Bei der Interessenabwägung zeigt sich, dassder Sofortvollzug im Interesse des Antragstellers liegt,welches das Interesse der DRV deutlich überwiegt.

Wird nämlich der Sofortvollzug nicht angeordnet, er-hebt die DRV Klage und wechselt der Antragstellerwährend des laufenden Klageverfahrens die Stelle, somuss er dann, um seine Rechte aus der ersten Zulas-sung zu wahren,13 den Antrag gem. § 80a I Nr. 1VwGO stellen, über den dann die regionale Kammerauch vor dem Tätigkeitswechsel entscheiden muss.Diese Problematik lässt sich durch den Sofortvollzugvermeiden. Die DRV ist hier nie benachteiligt, da ihreBefreiungsentscheidung immer erst an eine rechtskräf-tige Entscheidung geknüpft ist.

5. SONSTIGES§ 46a IV BRAO sieht vor, dass das Zulassungsverfahrennach dem Verfahren der normalen Zulassung als nie-dergelassener Rechtsanwalt läuft. § 46a IV Nr. 3BRAO verlangt nur, dass der Syndikusrechtsanwalt sichauch als solcher bezeichnen muss. Daher haben diemeisten Rechtsanwaltskammern in den Tenor des Zulas-sungsbescheids die Zulassung als „Syndikusrechts-anwalt“ für die Tätigkeit bei dem konkreten Arbeitgeberausgesprochen. Eine genaue Beschreibung der Tätigkeitim Tenor der Entscheidung wurde nicht aufgenommen.Die konkrete Tätigkeit ergibt sich dann aus dem Be-scheidstext sowie den immer in Bezug genommenenUnterlagen, insbesondere der Tätigkeitsbeschreibung.Nunmehr vertritt die DRV in einem Verfahren, in demsie einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellthat, die Auffassung, dass schon in dem Tenor die ge-naue konkrete Tätigkeit aufgenommen werden muss.14

Dies hat sie bisher soweit ersichtlich in keinem derVerfahren vor den Anwaltsgerichtshöfen und in denbisherigen Verfahren mit dem Antrag auf Zulassungder Berufung vorgetragen. Das Argument ist auchnicht zutreffend. Es reicht aus, wenn im Tenor des Ver-waltungsakts die Bezeichnung Syndikusrechtsanwaltund der Arbeitgeber aufgenommen werden, dies ge-nügt den Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot.Denn eine Wiedergabe der Tätigkeit im Tenor blähtdiesen unnötig auf, die Bezugnahme und die inhalt-liche Auseinandersetzung mit der Tätigkeitsbeschrei-bung und dem Arbeitsvertrag im Bescheidstext sindvöllig ausreichend. Dies auch im Hinblick darauf, dassdie DRV alle Unterlagen bereits im Anhörungsverfah-ren gem. § 46a II 1 BRAO erhält.

III. ENTSCHIEDENE FALLGRUPPEN

1. SCHADENANWÄLTEBesonders heftig streitet die DRV immer noch um dieFrage, ob die sogenannten „Schadenanwälte“, die oft-mals mit erheblichen Vollmachten große Haftpflicht-und Vermögensschäden regulieren, als Syndikusrechts-anwälte zugelassen werden dürfen.15 Dabei ist eine Li-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

204

6 BGH, Beschl. v. 1.8.2017 – AnwZ (Brfg) 14/17, BRAK-Mitt, 2017, 245 (in diesemHeft).

7 Z.B. AGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.5.2017 – 1 AGH 21/16, BRAK-Mitt. 2017,192.

8 So aber Bayer. AGH, Urt. v. 10.7.2017 – BayAGH III-4–6/16, für einen nach guteinem Jahr beendeten Vertrag. Der BayAGH hat den Streitwert auf 25.000 Eurofestgesetzt.

9 AGH NRW, Beschl. v. 14.11.2016 – 1 AGH 19/16.10 Zur vertraglichen Natur der Tätigkeitsbeschreibung ausdr. AGH Schleswig-Hol-

stein, Urt. v .15.5.2017 – 1 AGH 13/16; so auch AGH, NRW, Urt. v. 19.5.2017 –1 AGH 74/16.

11 S. ausf., Huff, AnwBl. 2017, 40 (42) unter III. 1.12 AGH, NRW, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 27/16 (rkr.).

13 Und sich damit auch die Rückwirkung im befreiungsrechtlichen Sinne gem. § 231IVb SGB VI zu erhalten.

14 BGH, AnwZ (Brfg) 36/17 zu AGH NRW, Urt. v. 19.5.2017 – 1 AGH 72/16.15 S. dazu ausführlich Theus, BB 2017, 73.

HUFF, ERSTE RECHTSPRECHUNG ZU SYNDIKUSRECHTSANWÄLTEN

nie der DRV, in welchen Fällen sie Klage erhebt und inwelchen Fällen nicht, kaum mehr zu erkennen. So klagtsie in vielen Fällen trotz negativer Anhörung nicht,nimmt Klagen z.B. im Bereich „Heilwesen“ zurück,16

geht aber gegen ein Urteil zugunsten einer Kolleginaus der gleichen Abteilung mit dem Antrag auf Zulas-sung der Berufung vor.17

Die Anwaltsgerichtshöfe haben bisher einheitlich die Zu-lassungsentscheidungen der Rechtsanwaltskammernbestätigt18 bzw. auch der Klage eines Antragstellers ge-gen eine Rechtsanwaltskammer stattgegeben;19 z.T.nahm die DRV ihre Klagen zurück.20

Deutlich formuliert etwa der AGH Nordrhein-West-falen:21 „(…) steht für den erkennenden Senat aufgrundder nachvollziehbaren Einlassungen der Beigeladenenin der mündlichen Verhandlung fest, dass es derartige,ihre eigenverantwortliche Entscheidungsfreiheit begren-zende und bindende Regelwerke nicht gibt. KomplexeSachverhaltsaufklärung ist nicht durch die Anwendungvon standardisierten Regelwerken zu ersetzen, sie erfor-dert eine individuelle Geistesleistung.“ Und weiter: „Esliegt in der Natur der Rechtsberatung und -vertretung,dass allgemein gültige oder individuell vereinbarte Ko-difizierungen gleich welcher Art zu beachten sind. Siesind das Wesen der Rechtsanwendung. (…) Die Aufklä-rung versicherungsrechtlicher Sachverhalte und ihrerechtliche Bewertung ist sehr komplex und hat nicht sel-ten unter weitergehender Beweiswürdigung zu erfolgen.Es handelt sich dabei um tatsächlich und rechtlich kom-plexe und anspruchsvolle Tätigkeiten.“

Nunmehr hat der Anwaltssenat des BGH in einem ers-ten Beschluss den Antrag auf Zulassung der Berufunggegen ein Urteil des AGH Nordrhein-Westfalen zurück-gewiesen.22 Der AGH hatte die Klage der DRV gegeneine Zulassungsentscheidung der Rechtsanwaltskam-mer Köln abgewiesen.23

Der Fall betraf einen „Schadenanwalt“, der bei dem All-gemeinen Kommunalen Haftpflichtschaden-Ausgleich(AKHA) für die Abwicklung von Schäden verantwortlichwar. Der BGH hat die von der DRV geltend gemachtenZulassungsgründe für die Berufung zurückgewiesen undmacht deutlich, dass die Verrechnungsgrundsätze und

Auslegungsbeschlüsse, die unter anderem Grundlageder Schadenbearbeitung sind, nicht in die vertraglichgarantierte Entscheidungsfreiheit, Eigenverantwortlich-keit und fachliche Unabhängigkeit des Antragstellerseingreifen. Denn diese Verrechnungsgrundsätze seienwie allgemeine Versicherungsbedingungen zu bewerten.

Vertraglich allgemein geltende Regelungen schränkendie fachliche Weisungsunabhängigkeit und die eigen-verantwortliche Entscheidung nicht ein. Der BGH formu-liert: „auch ein – fachlich unabhängig und eigenverant-wortlich handelnder – externer Rechtsanwalt, der einMitglied des AKHA oder den AKHA selbst berät, hat ei-nerseits die Verrechnungsgrundsätze und Auslegungs-beschlüsse zu beachten und ist andererseits in der Ana-lyse der durch sie gebildeten Rechtslage eigenständigund weisungsfrei“,24 und weiter: „sowohl das Gesetzes-recht als auch vertragliche Bestimmungen – etwa in Ge-stalt von Allgemeinen Geschäftsbedingungen – könnendie für ein Rechtsverhältnis maßgebliche Rechtslageumfassend und detailreich regeln mit der Folge, dassfür den Bearbeiter bei der rechtlichen Beurteilung nurein geringer oder kein Spielraum verbleibt. Die fachlicheUnabhängigkeit und eigenständige Analyse der – in die-sen Fällen eindeutigen – Rechtslage durch den Syn-dikusrechtsanwalt wird hierdurch, wie der Vergleichmit einem externen, dieselbe Rechtslage beurteilendenRechtsanwalt zeigt, nicht beeinträchtigt.“25

Der Entscheidung ist voll und ganz zuzustimmen. Zumeinen ist der Vergleich zwischen Syndikusrechtsanwaltund externem Rechtsanwalt richtig. In beiden Fällenwird der Mandant beraten und der Rechtsanwalt muss,egal ob Syndikusrechtsanwalt oder externer Rechts-anwalt, die entsprechende Rechtslage, die sich geradeauch aus Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Ver-sicherungsbedingungen ergibt, berücksichtigen. Zumanderen verlangt der BGH nicht Ermittlungen bis in dieTiefe hinein, wie sie auch gelegentlich durch Ausfor-schungsbeweisantritte durch die DRV vorkommen.

Nun darf mit Spannung erwartet werden, wie der BGHin den anderen anhängigen Verfahren zur Berufungs-zulassung entscheiden wird. Eigentlich müsste für denBereich der bei einem Erstversicherer angestelltenSchadenanwälte die Entscheidung gleich lauten.

2. TÄTIGKEITEN IN PERSONALABTEILUNGENEinen erheblichen Umfang der Tätigkeit von Rechts-anwälten in Unternehmen machen die Tätigkeiten inPersonalabteilungen aus. Dabei handelt es sich im We-sentlichen um typische arbeitsrechtliche Tätigkeiten,von der Vertragsgestaltung, der arbeitsrechtlichen Be-ratung von Führungskräften und Mitarbeitern über dasFühren von Arbeitsrechtsverfahren bis hin zur Verhand-lung und Mitgestaltung von Betriebsvereinbarungen.

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

205

16 AGH NRW, 1 AGH 68/16 und 7/17.17 AGH NRW, Urt. v. 28.4.2017 – 1 AGH 64/16 – BGH, AnwZ (Brfg) 29/17.18 AGH NRW, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 33/16, BRAK-Mitt. 2017, 95 (rkr.); AGH,

NRW, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 34/16, BRAK-Mitt. 2017, 95 m. Anm. Som-merwerk (BGH, AnwZ (Brfg) 15/17); AGH NRW, Urt. v. 16.12.2016 – 1 AGH 56/16, bestätigt durch BGH, Beschl. v. 1.8.2017 – AnwZ (Brfg) 14/17, BRAK-Mitt.2017, 245 (in diesem Heft); AGH NRW, Urt. v. 28.4.2017 – 1 AGH 63/16 (rkr.);AGH NRW, Urt. v. 28.4.2017 – 1 AGH 64/16 (BGH, AnwZ 29/17); AGH NRW,Urt. v. 19.5.2017 – 1 AGH 74/16; AGH NRW, Urt. v. 6.6.2017 – 1 AGH 65/16(rkr.); Hessischer AGH, Urt. v. 3.4.2017 – 2 AGH 8/16; Hessíscher AGH, Urt. v.3.4.2017 – 2 AGH 9/16; AGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.5.2017 – 1 AGH 21/16;AGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.6.2017 – AGH 1/2017 II.

19 AGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.6.2017 – AGH 6/2017 II.20 Klagerücknahmen gab es z.B. zu den Aktenzeichen AGH NRW – 1 AGH 49/16, 1

AGH 68/16, 1 AGH 73/16, 1 AGH 5/17, 1 AGH 7/17 sowie Saarländischer AGH3/16.

21 AGH NRW, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 33/16 (rkr.).22 BGH, Beschl. v. 1.8.2017 – AnwZ (Brfg) 14/17, BRAK-Mitt. 2017, 245 (in diesem

Heft).23 AGH NRW, Urt. v. 16.12.2016 – 1 AGH 56/16.

24 BGH, Beschl. v. 1.8.2017 – AnwZ (Brfg) 14/17, BRAK-Mitt. 2017, 245 (in diesemHeft) Rn. 11.

25 BGH, Beschl. v. 1.8.2017 – AnwZ (Brfg) 14/17, BRAK-Mitt. 2017, 245 (in diesemHeft) Rn. 12 a.E.; damit folgt der BGH anscheinend nicht der Kritik von Sommer-werk, BRAK-Mitt. 2017, 99; zustimmend zur Entscheidung ebenfalls Offermann-Burckart, NJW 2017, 2837.

Die DRV hatte hier grundsätzliche Bedenken, ob sol-che Tätigkeiten anwaltlicher Natur sind. Sie unterstelltin vielen Fällen, dass, wer personalleitend tätig ist,kaum mehr arbeitsrechtlich arbeiten kann. Sie über-sieht dabei, wie auch die Anwaltsgerichtshöfe fest-gestellt haben, dass viele rein verwaltende Tätigkeitenund Sachbearbeitertätigkeiten (Lohnbuchhaltung, Ak-tenführung, Abrechnung) nicht von den Juristen, son-dern von Sachbearbeitern durchgeführt werden. Damitist, wenn die anwaltliche Tätigkeit insgesamt die Tätig-keit prägt, von einer Syndikustätigkeit auszugehen.So hat in einer rechtskräftigen Entscheidung der AGHNordrhein-Westfalen festgestellt, dass der Leiter Per-sonal und Recht, der zu 70 % diese anwaltliche Tätig-keit ausübt, als Syndikusrechtsanwalt zugelassen wer-den kann.26 Auch aus weiteren Entscheidungen der An-waltsgerichtshöfe ergibt sich eine einheitliche Liniezugunsten der Tätigkeit im Arbeitsrecht, egal wo dieseangesiedelt ist.27

Wichtig und richtig ist dabei auch die Feststellung desAGH Baden-Württemberg, dass zur anwaltlichen Tätig-keit auch die direkt damit zusammenhängenden orga-nisatorischen Tätigkeiten (Führung des Personals derRechtsabteilung, Organisation der Abteilung) gehören.Auch in einer Kanzlei ist das, so der AGH, selbstver-ständlicher Teil anwaltlicher Tätigkeit.28

Es bleibt zu hoffen, dass der Anwaltssenat des BGHauch in diesen Fällen, die im Regelfall klar sind, die ge-gen die Nichtzulassung der Berufung gerichteten An-träge nicht zur Entscheidung annimmt.

3. „RECHTSANGELEGENHEITEN DES ARBEITGEBERS“Heftig diskutiert wird unter den Rechtsanwaltskam-mern die Frage, was unter „Rechtsangelegenheitendes Arbeitgebers“ i.S.v. § 46 V 1 BRAO zu verstehenist. Insbesondere im Streit ist das Wörtchen „auch“ in§ 46 V 2 BRAO. Ist die Aufzählung in § 46 V 1 Nr. 1–3 BRAO als abschließend zu verstehen oder steht dieFormulierung „Rechtsangelegenheiten des Arbeit-gebers“ eigenständig vor den dann als „auch“ genann-ten weiteren Tätigkeiten?So vertritt der Vorstand der RAK Köln die Auffassung,dass es sich auch um „Rechtsangelegenheiten des Ar-beitgebers“ handelt, wenn der Arbeitgeber gegenüberKunden und Dritten eine erlaubte Rechtsberatungetwa i.S.v. §§ 34d, 34e GewO oder § 10 RDG erbrin-gen darf. Die erlaubte Rechtsdienstleistung darf dannder Arbeitgeber auch durch einen Syndikusrechts-anwalt erbringen lassen. Ob sich allerdings, wie esKleine-Cosack tut,29 aus dem Urteil des BSG vom15.12.201630 dafür Argumente herleiten lassen, darf

bezweifelt werden. Denn die einzige Gemeinsamkeitist, dass die Rechtsberatung für den Arbeitgeber an-geboten wird, dies aber auf völlig unterschiedlichenRechtsgrundlagen.Der AGH Rheinland-Pfalz hat die Klage einer Antragstel-lerin gegen die verweigerte Syndikuszulassung einerRechtsanwältin abgewiesen, die bei einem Anbieter be-trieblicher Altersvorsorge für Unternehmen (mit einer Er-laubnis nach § 10 RDG) tätig ist. Der AGH hat dabei dieviel zu restriktive Auffassung vertreten, dass unter denBegriff der „Rechtsangelegenheiten des Arbeitgebers“nur solche fallen, die den Arbeitgeber selber betreffenund nicht solche, zu dessen Erbringung der Rechts-dienstleistung sich der Arbeitgeber vertraglich gegen-über Dritten verpflichtet hat. Er begründet dies auchmit dem Fremdkapitalverbot, legt aber nicht dar, wie da-gegen in dieser Konstellation verstoßen wird. Der Senathat die Berufung zugelassen, die aller Voraussicht nachauch eingelegt wird.31 Weitere Verfahren zur Auslegunggenau dieser Vorschrift sind u.a. beim Bayerischen AGHund beim Hamburgischem AGH anhängig.Zu Recht hat der Hessische AGH entschieden, dass einRechtsanwalt, der angestellter Geschäftsführer einerInsolvenzverwaltung GmbH ist, nicht anwaltlich tätigist. Denn die anwaltliche Tätigkeit muss immer persön-lich vom Insolvenzverwalter ausgeübt werden; damithandelt es sich um keine „Rechtsangelegenheit des Ar-beitgebers“.32

4. EXTERNER DATENSCHUTZBEAUFTRAGTERIm Streit ist die Frage, ob ein bei seinem Arbeitgeberals externer Datenschutzbeauftragter für Kunden desArbeitgebers angestellter Antragsteller als Syndikus-rechtsanwalt zugelassen werden kann.33 Der Hambur-gische AGH hat in einem ausführlichen Urteil dieseFrage verneint und die Klage der Antragstellerin abge-wiesen.34 Es ist davon auszugehen, dass die zugelasse-ne Berufung eingelegt wird.Im Ergebnis halte ich die Entscheidung für zutreffend,da es bei der Bestellung als externer Datenschutz-beauftragter nicht mehr um „Rechtsangelegenheitendes Arbeitgebers“ i.S.d. § 46 V 1 BRAO geht. Dennder Arbeitgeber hat keinerlei Einfluss auf die inhalt-liche Tätigkeit des externen Datenschutzbeauftragten.Der externe Datenschutzbeauftragte ist nach den Vor-schriften des BDSG weisungsfrei und unterliegt damitauch keinerlei Aufsicht durch seinen Arbeitgeber mehr.Ob allerdings der Verweis des Senats des AGH Ham-burg auf die Entscheidung des BSG vom 15.12.201635

zutreffend ist, ist zu bezweifeln. Denn der Gesetzgeberhat mittlerweile eine klare Entscheidung zur Abgren-zung zwischen anwaltlicher Tätigkeit bei einer Kanzlei(mit oder ohne andere sozietätsfähige Berufsträger)und einer Tätigkeit bei einem nichtanwaltlichen Arbeit-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

206

26 AGH NRW, Urt. v. 10.2.2017 – 1 AGH 20/16 (rkr.).27 S. AGH NRW, Urt. v. 19.5.2017 – 1 AGH 28/16 (rkr.); AGH NRW, Urt. v. 19.5.

2017 – 1 AGH 72/16 (BGH, AnwZ (Brfg) 36/17); AGH Baden-Württemberg, Urt. v.23.6.2017 – AGH 1/2016 II; AGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.6.2017 – AGH26/2016 II; AGH Schleswig-Holstein, Urt. v. 15.5.2017 – 1 AGH 13/16.

28 AGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.6.2017 – AGH 16/2016 II; gegen Pohlmann,DB 2016, 1299.

29 Kleine-Cosack, AnwBl. 2017, 702 (708) mit überzogener Kritik an der Praxis der RAKn.30 BSG, Urt. v. 15.1.2016 – B 5 RE 7/16 R, BRAK-Mitt. 2017, 185 m. Anm. Huff.

31 AGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 11.8.2017 – 1 AGH 17/16.32 Hessenischer AGH, Urt. v. 13.3.2017 – 1 AGH 9/16.33 Verneinend Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102.34 Hamburgischer AGH, Urt. v. 22.6.2017 – AGH I ZU (SYN) 11/2016 (I-6).35 BSG, Urt. v. 15.1.2016 – B 5 RE 7/16 R, BRAK-Mitt. 2017, 185 m. Anm. Huff.

geber getroffen, zu denen auch nach der gesetzgeberi-schen Entscheidung die reinen Steuerberater- undWirtschaftsprüfergesellschaften gehören.

5. ÖFFENTLICHER DIENSTAuseinander gehen die Entscheidungen bisher bei derFrage, welche Tätigkeiten im öffentlichen Dienst für ei-nen Syndikusrechtsanwalt möglich sind.36 Sehr weitgeht der Hessische AGH37 in seiner Entscheidung,dass dann, wenn auch entsprechende Erklärungen zurfachlichen Weisungsunabhängigkeit vorliegen, eine Tä-tigkeit in der Rechtsabteilung eines Landkreises mög-lich ist. Hier kann man sich sehr wohl die Frage stellen,ob nicht schon eine hoheitliche Tätigkeit vorliegt, diegrundsätzlich eine Zulassung als Syndikusrechtsanwaltausschließt.38

Die Tätigkeit im öffentlichen Dienst, die nicht mit derhoheitlichen Tätigkeit verbunden ist und die auch nur„staatsferne“ Tätigkeiten betrifft, ist unbedenklich.Dies betrifft insbesondere die Tätigkeiten für Berufs-kammern, wie der Industrie- und Handelskammer,39

und z.B. für Rundfunkanstalten. Auch die Tätigkeit inder Rechtsabteilung von Verkehrsbetrieben stellt keineunvereinbare Tätigkeit dar.40

Unzutreffend sieht dies der AGH Nordrhein-Westfalenin einem Fall einer Rechtsanwältin, die im Bereich derArbeitsagentur u.a. für die Prozessführung zuständigist. Obwohl die RAK Köln die Tätigkeit als niedergelasse-ne Anwältin vor Jahren für vereinbar mit der Anwalts-tätigkeit erklärt hatte, verweigert der Senat die Syn-dikuszulassung, ohne auf die Frage einzugehen, wiedas Verhältnis von niedergelassener Zulassung und Syn-dikuszulassung ist. Hier hätte man die niedergelasseneZulassung infrage stellen können. Allerdings wird i.E.der Vertrauensschutz den Vorrang haben. Mit der Argu-mentation der Tätigkeit im öffentlichen Dienst allerdingsdie Syndikuszulassung zu verweigern, kann der Antragwohl nicht abgelehnt werden.41

Klarheit besteht dagegen, dass die Tatsache, dassauch Syndikusrechtsanwälte nach den Tarifverträgendes öffentlichen Dienstes vergütet werden, nicht gegeneine Syndikustätigkeit spricht. Dabei spielt es auch kei-ne Rolle, wenn der Antragsteller vielleicht den An-spruch auf eine höhere Vergütungsgruppe hätte.42

6. LEIHARBEITSVERHÄLTNISSESie sind bei Rechtsanwälten gar nicht so selten, dieLeiharbeitsverhältnisse. Auch große Arbeitgeber fan-

gen damit Spitzen in der Belastung ihrer Rechts- undgerade auch Personalabteilungen auf, die sich z.B.durch Elternzeit oder durch Projektarbeiten der fest-angestellten Rechtsanwälte ergeben. Die Konstruktionist dabei so, dass der Arbeitsvertrag mit dem Verleihergeschlossen wird, die Syndikustätigkeit aber bei dementleihenden Arbeitgeber ausgeübt wird. Dabei müs-sen sowohl der Verleiher als auch der Entleiher diefachliche Unabhängigkeit bestätigen und der Entleihermuss die den Anforderungen des § 46 III und IV BRAOentsprechenden Erklärungen abgeben. Dann ist nachder überwiegenden Literaturansicht43 die Zulassungals Syndikusrechtsanwalt zu erteilen.Allerdings vertritt jetzt in einem Anfang September2017 zugestellten Urteil der Bayerische Anwalts-gerichtshof zusammen mit der RAK München44 die ge-genteilige Auffassung:45 Insbesondere aus der Gesetz-gebungshistorie ergebe sich, dass solche Leiharbeits-verhältnisse für eine Syndikusrechtsanwältin nichtmöglich seien. Eine ausdrückliche Begründung liefertder Senat allerdings nicht. Er legt auch nicht dar, wo-her sich bei den oben beschriebenen Voraussetzungenergibt, dass etwaige Interessenkonflikte nicht aus-geschlossen seien.Wenn Verleiher und Entleiher die fachliche Weisungs-unabhängigkeit bestätigen und es sich bei der Tätig-keit beim Entleiher um eine Syndikustätigkeit handelt,vermag ich keine Interessenkollisionen zu entdecken.Auch das Argument, dass der entliehene Arbeitnehmernicht gem. § 9 I Nr. 2 AÜG benachteiligt wird, ziehtnicht, weil gerade hier durch das Verbot der Zulassungals Syndikusrechtsanwalt bei einer klassischen Syn-dikustätigkeit eine Benachteiligung vorliegt. Es ist gut,dass der Senat die Berufung zum Anwaltssenat desBGH zugelassen hat, der Gelegenheit erhält, diese inder Praxis gar nicht so unwichtige Frage zu klären.

7. AUSGEÜBTE TÄTIGKEITGerade im Zusammenhang mit den rentenrechtlichenRückwirkungsvorschriften des § 231 IVb SGB VI ist fürbetroffene Antragsteller von entscheidender Bedeu-tung, auf welche Tätigkeit im Zeitpunkt der Verwal-tungsentscheidung der RAK abzustellen ist: Geht esum die „eigentliche“ Tätigkeit oder um die „tatsächlichausgeübte“ Tätigkeit?Der AGH Nordrhein-Westfalen hat darauf abgestellt,dass auf die tatsächlich ausgeübte Tätigkeit abzustel-len ist. Er hat die Klage der DRV gegen die Zulassungeines mittlerweile freigestellten Betriebsratsvorsitzen-den abgelehnt, der vor seiner Wahl und Freistellungauch nach den Feststellungen des AGH eine Syndikus-tätigkeit ausübte.46

Der Anwaltssenat des BGH hat Termin zur Verhand-lung über die zugelassene und von der RAK Köln ein-gelegte Berufung mittlerweile auf den 29.1.2018 anbe-

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

207

36 Für einen großzügigen Maßstab Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102(104) und Huff, AnwBl. 2017, 40 (42).

37 Hessischer AGH, Urt. v. 13.32017 – 1 AGH 10/16, BRAK-Mitt. 2017, 193.38 So Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (104) und Huff, AnwBl. 2017, 40

(42).39 Anhängig für die IHK Bayer. AGH, BayAGH I-I-12/16, wobei die DRV in vielen

weiteren Verfahren keine Bedenken bei ihrer Anhörung gegen die Tätigkeit beiIHKn geäußert hat und sich auch hier wieder die Frage der Einheitlichkeit desVerwaltungshandelns stellt.

40 Hessischer AGH, Urt. v. 3.4.2017 – 2 AGH 10/16.41 AGH NRW, Urt. v. 28.4.2017 – 1 AGH 66/16 (Antrag auf Berufungszulassung:

BGH, AnwZ (Brfg) 38/17).42 AGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.6.2017 – AGH 18/2016 II; AGH Hessen, Urt.

v. 3.4.2017 – 2 AGH 10/16.

43 So Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (104); Huff, AnwBl. 2017, 40(42); Schuster, AnwBl. 2016, 121 (124) und Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 108.

44 Die Zulassungsabteilung der RAK Köln hat hier keine Bedenken.45 BayAGH, Urt. v. 10.7.2017 – BayAGH III-4–6/16.46 AGH NRW, Urt. v. 25.11.2016 – 1 AGH 50/16, BRAK-Mitt. 2017, 90.

HUFF, ERSTE RECHTSPRECHUNG ZU SYNDIKUSRECHTSANWÄLTEN

raumt.47 Spannend wird in diesem Zusammenhangauch sein, ob der BGH zur in dem Verfahren vor demAGH Nordrhein-Westfalen vertretenen Ansicht derDRV Stellung nimmt, dass eine Syndikuszulassungauch in den Fällen von Elternzeit oder längerer Erkran-kung nicht möglich ist bzw. die Syndikuszulassung fürdiese Zeit widerrufen werden müsste. Denn hier isteine funktionale Betrachtungsweise angebracht, sodass solche „Unterbrechungen“ an der Syndikuszulas-sung nichts ändern.48

8. WEITERE TÄTIGKEITENAuch durchaus „ungewöhnliche“ Tätigkeiten sind fürSyndikusrechtsanwälte möglich. So hat der AGH Nord-rhein-Westfalen die Zulassung des „stellvertretendenDirektors“ der Bühnen einer Stadt bestätigt und dabeiinsbesondere auch darauf abgestellt, dass die Geltungeines Tarifvertrags nicht der Syndikuszulassung ent-gegensteht.49 Genauso hat er entschieden für die „ad-ministrative Direktorin“ einer großen Stiftung, die ein-zige Anwältin neben Naturwissenschaftlern ist.50 Wa-rum hier im Gegensatz zum „stellvertretendenDirektor“ allerdings der Antrag auf Zulassung der Be-rufung gestellt wurde, erschließt sich bei dem Ver-gleich der Tätigkeiten nicht.

Der Hessische AGH hat entschieden, dass eine Rechts-anwältin, die bei einer politischen Stiftung für den Be-reich „Recht und Rechtspolitik“ zuständig ist und dieinsbesondere Lobbyarbeit durchführt, umfangreicheGutachten zu Gesetzesentwürfen erstellt und zu all-gemeinen Fragestellungen rechtliche Berichte erstat-tet, nicht als Syndikusrechtsanwältin zugelassen wer-den kann.51 Der AGH stellt hier v.a. darauf ab, dasses sich nur dann um eine Syndikustätigkeit handelt,wenn die Rechtsberatung sich immer auf einen „kon-kreten Lebenssachverhalt“ bezieht. Wenn dies nichtder Fall ist und nur eine abstrakte Beratung erfolgt,sei dies keine Beratung des Arbeitgebers mehr. SolcheBeratungen seien, auch mit Blick auf das RDG, keineanwaltlichen Tätigkeiten.

Dem kann nicht zugestimmt werden. Es gehört zur ty-pischen anwaltlichen beratenden Tätigkeit auch fürden Mandanten zu abstrakten Fragestellungen undGesetzentwürfen, oder auch GerichtsentscheidungenStellung zu nehmen. Diese beratende Tätigkeit nichtals anwaltliche Tätigkeit anzusehen, ist in der heutigenZeit nicht mehr sachgerecht.52 Richtig ist allerdings dieAnsicht, dass es im entschiedenen Fall Schwierigkeiten

mit den Merkmalen der „Gestaltung von Rechtsverhält-nissen“ und des „verantwortlichen Auftretens nach au-ßen“ gab.53

9. MIT DER ANWALTLICHEN TÄTIGKEIT VERBUNDENETÄTIGKEITENKeine Bedenken haben die Gerichte bisher geäußert,wenn die Syndikustätigkeit mit der Bestellung zum Ge-schäftsführer verbunden ist. Alleine die Geschäftsfüh-rerbestellung spricht noch nicht gegen eine anwalt-liche Tätigkeit, wie von der DRV regelmäßig vorgetra-gen.54

Entscheidend ist nur, dass die anwaltliche Tätigkeit dieTätigkeit insgesamt prägt, was bei einem Zeitanteilvon über 50 % regelmäßig der Fall ist.55 Auf eine quali-tative Bewertung ist hier nicht abzustellen, wie auchimmer diese aussehen sollte. Interessant ist im Übri-gen, wie die DRV angeblich unerlaubte Nebentätigkei-ten ermittelt. Sie wertet Aufsätze und Vorträge aus,56

schaut sich Xing-Profile57 und Organigramme im Inter-net sowie ausländische Stellenbeschreibungen an.

IV. AUSBLICK

Insgesamt zeichnet sich in der Rechtsprechung der An-waltsgerichtshöfe eine liberale Linie zugunsten derSyndikusrechtsanwälte ab. Wenn die gesetzlichen Vo-raussetzungen erfüllt sind, insbesondere keine Anhalts-punkte dagegen sprechen, dass die schriftlichen Bestä-tigungen des Arbeitgebers mit der Unterschrift des Ar-beitnehmers so gelebt werden, wie beschrieben,werden die Zulassungen bestätigt. Streitig besondersaus Sicht mancher Rechtsanwaltskammern bleibt dieFrage der Definition der „Rechtsangelegenheiten desArbeitgebers“ i.S.v. § 46 V 1 BRAO.Zu bemerken ist auch, dass die meisten Unternehmensich viel Mühe mit der genauen und nachvollziehbarenBeschreibung der Tätigkeit ihrer Syndikusanwälte ge-geben haben. Gerade auch die Formulierungen desBGH in seinem ersten Beschluss zeigen,58 dass es rich-tig war, die Zuständigkeit für diese Verfahren nicht denSozialgerichten zu überlassen, sondern den Anwalts-gerichtshöfen zu übertragen, auch wenn diese damiterheblich belastet worden sind. Denn der vom BGH an-gestellte Vergleich zwischen dem externen Rechts-anwalt und dem Syndikusrechtsanwalt ist genau derrichtige Maßstab für die Beurteilung, ob eine anwalt-liche Tätigkeit vorliegt oder nicht.

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

208

47 BGH, AnwZ (Brfg) 12/17.48 So Löwe/Wallner/Werner, BRAK-Mitt. 2017, 102 (105) und Huff, AnwBl. 2017, 40

(41).49 AGH NRW, Urt. v. 28.10.2016 – 1 AGH 27/16 (rkr.).50 AGH NRW, Urt. v. 21.1.2017 – 1 AGH 21/16 (Antrag auf Berufungszulassung:

BGH, AnwZ (Brfg) 20/179).51 Hessischer AGH, Urt. v. 8.5.2017 – 1 AGH 14/16 (rkr.), BRAK-Mitt. 2017, 248 m.

Anm. Offermann-Burckart, BRAK-Mitt. 2017, 251 (in diesem Heft).52 A.A. insoweit Offermann-Burckart, BRAK-Mitt. 2017, 251 (in diesem Heft), aller-

dings ist ihren Ausführungen zur Ungleichbehandlung zwischen angestelltem An-walt und Syndikusrechtsanwalt ausdrücklich zuzustimmen.

53 So zu Recht Offermann-Burckart, BRAK-Mitt. 2017, 251 (in diesem Heft).54 S. nur AGH NRW, Urt. v. 16.3.2017 – 1 AGH 26/16 – Antrag auf Berufungs-

zulassung: BGH, AnwZ (Brfg) 22/17.55 So ausdr. AGH Baden-Württemberg, Urt. v. 23.6.2017 – AGH 1/2017 II.56 AGH NRW, Urt. v. 19.5.2017 – 1 AGH 28/16; AGH Baden-Württemberg, Urt. v.

26.6.2017 – AGH 16/2016 II.57 S. dazu AGH Rheinland-Pfalz, Urt. v. 19.5.2017 – 1 AGH 21/16, BRAK-Mitt. 2017,

192.58 BGH, Beschl. v. 1.8.2017 – AnwZ (Brfg) 14/17, BRAK-Mitt. 2017, 245 (in diesem

Heft).

HUFF, ERSTE RECHTSPRECHUNG ZU SYNDIKUSRECHTSANWÄLTEN

DIE DATENSCHUTZ-GRUNDVERORDNUNG DER EURECHTSANWALT PROF. DR. ARMIN HERB*

Europa ist auf dem Weg zur digitalen Datenwirtschaftund ein wesentlicher Baustein ist die EU-Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO). Ob Unternehmen oderAnwaltskanzlei, alle sind ab dem 25.5.2018 davon be-troffen, Übergangsvorschriften gibt es nicht. Zusätzlichhat der deutsche Gesetzgeber mit Hilfe des sog. Da-tenschutzanpassungsgesetzes ein neues BDSG ge-schaffen, welches die Verordnung ergänzt und dasebenfalls am 25.5.2018 in Kraft tritt. Der Autor stelltdie für Anwälte wichtigsten neuen Regelungen im Da-tenschutzrecht vor.

I. RECHTSRAHMEN

Bislang war der Datenschutz auf europäischer Ebenedurch Richtlinien geprägt. Eine Richtlinie verpflichtetdie nationalen Gesetzgeber zwar zur Umsetzung, siehat aber im Gegensatz zu einer Verordnung keine un-mittelbare Geltung. Weil aber die verschiedenen natio-nalen Datenschutzgesetze zu sehr auseinanderliefen,wurde die unmittelbar gegenüber jedem Bürger und je-dem Unternehmen geltende Europäische Datenschutz-Grundverordnung 2016/679 v. 27.4.20161 erlassen.Sie ist nach jahrelangen Verhandlungen (zuletzt imsog. Trilog mit einer englischen Urfassung) im Mai2016 in Kraft getreten und gilt unmittelbar ab dem25.5.2018 (Art. 99 DS-GVO). Ergänzend gilt das neueBDSG v. 30.6.2017.2 Daneben soll die bisherige ePriva-cy-Richtlinie durch eine EU-ePrivacy-Verordnung ersetztwerden; Stichworte sind hier Telemediengesetz, Coo-kies und Trackingverfahren. Für Anwälte ist danebendie BRAO zu berücksichtigen (z.B. § 50 BRAO zurHandakte).

1. SONDERREGELUNGEN FÜR DEN ÖFFENTLICHENBEREICHBereits hier muss festgestellt werden, dass die DS-GVOzwar für die Privatwirtschaft und damit für die Unter-nehmen (sowie Rechtsanwälte) gilt, für Behörden undöffentliche Stellen besteht aber die Möglichkeit, dassder Gesetzgeber abweichende Regelungen trifft. DieVerordnung hat also für Behörden und öffentliche Stel-len teilweise auch Richtlinien-Charakter, was sich auchin einer für Justiz und Polizei geltenden separatenRichtlinie für den Bereich der Strafverfolgung und Ge-fahrenabwehr3 zeigt.

2. NICHT ALLES IST NEUWer das bisherige Bundesdatenschutzgesetz kennt undbeherrscht, wird in der DS-GVO viele vertraute Prinzi-pien wiederfinden. Die gesetzlichen Definitionen wurdenindessen erweitert; es gibt andererseits nur noch den(Ober-)Begriff der Verarbeitung und aus der verantwort-lichen Stelle wurde der Verantwortliche, aus dem Auf-tragnehmer der Auftragsverarbeiter. Die Verordnungverstärkt die Betroffenenrechte und erhöht die Doku-mentations- und Nachweispflichten. Aber auch Möglich-keiten zur Geltendmachung von Schadenersatzansprü-chen oder die exorbitante Erhöhung der Bußgeldbe-stimmungen schaffen neue Möglichkeiten für die fastübermächtigen Datenschutzaufsichtsbehörden.

II. INHALT

Anhand einiger Stichworte soll skizzenartig der Inhaltder DS-GVO dargestellt werden:

1. MARKTORTPRINZIPEin ganz wichtiges und neues Prinzip (und eine Trieb-feder des Verordnungsgebers) ist das Marktortprinzip(Art. 3 DS-GVO). Dies bedeutet nicht nur, dass in allenMitgliedstaaten diese Verordnung als unmittelbar gel-tendes Gesetz direkt wirkt, sondern besagt auch: JedesUnternehmen, sei es innerhalb oder außerhalb Eu-ropas, welches auf jeden in der EU „Ansässigen“ ein-wirkt und mit seinen Daten umgeht, hat die DS-GVOzu beachten. Dabei ist es gleichgültig, ob kommerzielleInteressen verfolgt werden oder lediglich andere (z.B.karitative) Motive zugrunde liegen. Jeder, der auf inEuropa lebende Bürger einwirkt, und sei es nur durcheine Beobachtung, muss die DS-GVO beachten. Wes-sen Unternehmen keinen Sitz in Europa hat, mussnach Art. 27 DS-GVO einen Vertreter bestellen.

2. ALLGEMEINE PRINZIPIENDie in der DS-GVO niedergelegten Grundsätze undPrinzipien unterscheiden sich praktisch nicht von denbisherigen Regelungen: Rechtmäßigkeit, Verarbeitungnach Treu und Glauben, Transparenz, Zweckbindung,Datenminimierung oder Gewährleistung von Integritätund Vertraulichkeit, wie in Art. 5 I DS-GVO gefordert,sind für Datenschützer keine Neuigkeiten.

In Art. 5 II DS-GVO wird allerdings ein in dieser Formneuer Grundsatz aufgestellt, der sich durch die ganzeVerordnung zieht: So muss der Verantwortliche die Ein-haltung aller Regelungen nachweisen können. Es beste-hen (weite) Nachweis- und Rechenschaftspflichten (inder englischen Urfassung: accountabilities). Ein Anwaltist dabei nicht nur für die Einhaltung dieser in Art. 5 I

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

209

* Der Autor ist Rechtsanwalt in Stuttgart und Rundfunkbeauftragter für den Daten-schutz beim Südwestrundfunk (SWR). Er ist Vorsitzender des BRAK-AusschussesDatenschutzrecht.

1 ABl. EU Nr. L 119 v. 4.5.2016, 1 ff.2 BGBl. 2017 I, 2097 ff.3 Sog. Justizrichtlinie 2016/680 v. 27.4.2016, ABl. EU Nr. L 119 v. 4.5.2016, 89 ff.

DS-GVO formulierten Grundsätze verantwortlich, son-dern „muss dessen Einhaltung nachweisen können“,Art. 5 II DS-GVO (ebenso nochmals Art. 24 I 1 DS-GVO).

Im Gegensatz dazu legt die DS-GVO ein großes Ge-wicht darauf, dass es zu bereichs- und unternehmens-spezifischen Datenschutzstandards kommt. Deshalbsind Verhaltensregelungen (Art. 40 und 41 DS-GVO)und Zertifizierungen (Art. 42 und 43 DS-GVO) möglich.Für eine Anwaltskanzlei kann so die Verantwortlichkeitz.B. für die Datensicherheit dadurch gewahrt werden,dass man nur zertifizierte Anbieter wählt oder sichselbst zertifizieren lässt.

3. VERBOT MIT ERLAUBNISVORBEHALTBeibehalten wurde das sog. Verbot mit Erlaubnisvor-behalt (Art. 6 DS-GVO). Dies bedeutet, dass jede Da-tenverarbeitung – diese reicht von der Erhebung, alsoBeschaffung von Daten über die Speicherung, Nutzungund Verwendung bis hin zur Weitergabe und Lö-schung – einer Rechtsgrundlage bedarf. Dies kanndie DS-GVO selbst sein, ein bereichsspezifisches Ge-setz (worunter auch das neue BDSG oder die BRAO fal-len können) oder aber eine Einwilligung der betroffe-nen Personen. Für Mandatsverhältnisse ändert sichhier nichts, sie sind die Rechtsgrundlage für die man-datsbezogene Datenverarbeitung eines Anwalts.

4. EINWILLIGUNGEine Einwilligung als Rechtfertigung für eine Datenver-arbeitung gab es schon im BDSG (erforderte dort aberSchriftform) und bescherte im Bereich des Beschäftigten-datenschutzes immer wieder Probleme. Jetzt wird derBeschäftigtendatenschutz den jeweiligen nationalen Ge-setzgebern überantwortet, weshalb wir vielleicht irgend-wann einmal in Deutschland ein Beschäftigtendaten-schutzgesetz erhalten werden. Für die Einwilligungnach Art. 7 DS-GVO wird zwar keine Schriftlichkeit gefor-dert, aber eine Nachweispflicht. Wird die Einwilligungmit anderen Sachverhalten verknüpft, so ist eine klareTrennung vorzunehmen und grundsätzlich besteht einKoppelungsverbot. Neu sind die speziellen Regelungenzur Einwilligung eines Kindes, welches das 16. Lebens-jahr noch nicht vollendet hat (Art. 8 DS-GVO).

5. GESETZLICHE RECHTFERTIGUNG FÜR EINEDATENVERARBEITUNGEine gesetzliche Rechtfertigung für die Verarbeitungvon Daten von betroffenen Personen kann sich ins-besondere aus Art. 6 DS-GVO ergeben. Dort wird aller-dings – wie in der (ersten) BDSG-Fassung vor 40 Jah-ren – nur mit Generalklauseln gearbeitet: Die schutz-würdigen Betroffeneninteressen müssen mit denberechtigten Interessen einer verantwortlichen Stelleabgewogen werden. Im alten BDSG sind hingegen imLaufe der Jahre immer wieder spezielle Regelungenfür Auskunfteien, Adresshändler und die Werbewirt-schaft geschaffen worden. Weil in der DS-GVO indes-sen z.B. Regelungen zu Bonitätsauskünften oder Sco-ring fehlen, versucht der deutsche Gesetzgeber mitdem neuen, ebenfalls ab dem 25.5.2018 geltenden

BDSG eine Lückenfüllung bzw. Konkretisierung derDS-GVO. § 31 BDSG-2018 trifft Regelungen zum„Schutz des Wirtschaftsverkehrs bei Scoring und Boni-tätsauskünften“. Dies sind im Wesentlichen die bislangin den §§ 28a und 28b BDSG enthaltenen Regelungenzu Scoring und für Auskunfteien.

Die Videoüberwachung kommt in der DS-GVO nur rudi-mentär im Zusammenhang mit der Datenschutz-Folgen-abschätzung vor. Der deutsche Gesetzgeber hat indes-sen mit § 4 des neuen BDSG-2018 eine umfangreicheVorschrift für die Überwachung öffentlicher Räume ge-schaffen.4 Anwaltskanzleien können damit zwar zurWahrnehmung des Hausrechts z.B. ihre Grundstückeund Eingänge überwachen, müssen aber zum Schutzdes Mandatsgeheimnisses entsprechende Vorkehrun-gen sowohl im Hinblick auf die Speicherung als auchdie Auswertung sowie die Zugriffsmöglichkeiten treffen.

Ein Konzernprivileg gibt es zwar nach wie vor nicht,doch über sog. „verbindliche interne Datenschutzvor-schriften“ (binding corporate rules) wird für Unterneh-mensgruppen (Definition in Art. 4 Nr. 19 DS-GVO)eine Erleichterung geschaffen. Im Einzelfall könnenauch große und überregional tätige „Anwaltsfirmen“darunter fallen.

Für die Beschäftigtendaten ist durch die DS-GVO denMitgliedstaaten die Möglichkeit eröffnet worden,durch Gesetz oder durch Kollektivvereinbarung (collec-tive agreements) spezifische Vorschriften im „Beschäf-tigungskontext“ zu erlassen (Art. 88 I DS-GVO). Siemüssen aber den Anforderungen der DS-GVO entspre-chen, die auch im Übrigen gilt (Art. 88 II DS-GVO), wasz.B. im Hinblick auf die Betroffenenrechte der Beschäf-tigten von großer Bedeutung ist.

Aufgrund der Staatsferne der Medien und ihrer Bedeu-tung für die Freiheit von Berichterstattung und Mei-nungsäußerung müssen die Mitgliedstaaten wegenArt. 85 DS-GVO entsprechende nationale Regelungenvorsehen (Stichwort Medienprivileg). Die Kirchen kön-nen eigenständige Regelungen entsprechend der DS-GVO erlassen (Art. 91 DS-GVO).

6. BETROFFENENRECHTEDie DS-GVO will im Einklang insbesondere mit Art. 8der EU-Grundrechte-Charta das Persönlichkeitsrechtder Betroffenen schützen. Folgerichtig enthält die Ver-ordnung Rechte von Betroffenen, die gegenüber dendeutschen Datenschutzgesetzen zum Teil erheblich er-weitert wurden (Art. 12 bis 22 DS-GVO).

a) INFORMATIONSPFLICHTENBetroffene müssen „in präziser, transparenter, ver-ständlicher und leicht zugänglicher Form in einer kla-ren und einfachen Sprache“ informiert werden. DieEU-Kommission kann hierzu sogar verbindliche Bild-symbole erlassen (Art. 12 DS-GVO).

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

210

4 Vgl. dazu Bergmann/Möhrle/Herb, Datenschutzrecht, § 6b BDSG a.F., der bereitsdem neuen § 4 BDSG-2018 entspricht.

Erweitert wurden insbesondere die Informationspflich-ten bei der Erhebung von Daten (Art. 13 und 14 DS-GVO) sowie die Auskunftsrechte (Art. 15 DS-GVO).

Selbst wenn Daten von Mandanten bei Beginn einerMandatsbeziehung von ihm persönlich und direkt er-hoben werden, müssen nach dem Wortlaut des Art. 13DS-GVO eine Reihe von Informationen dem Mandan-ten (!) gegeben werden. Eine Ausnahme besteht nur,wenn die betroffene Person bereits über die Informa-tionen verfügt, was jedoch insbesondere bei Naturpar-teien nicht in allen Fällen vorausgesetzt werden kann(z.B. die Kenntnis im Hinblick auf die möglichen Emp-fänger der personenbezogenen Daten). Hier müsstenggf. im Zusammenhang mit der Vollmachtserteilungdurch den Mandanten diesem die entsprechende Infor-mationen auf einem Merkblatt gegeben werden.

Werden im Rahmen eines Mandats Daten vom Gegnererhoben, so müsste dieser nach der DS-GVO informiertwerden und hätte Auskunftsansprüche (Art. 14 und 13DS-GVO). Hier hat die BRAK in letzter Minute erreicht,dass es eine Öffnungsklausel gibt und der deutscheGesetzgeber dann mit § 29 I und II BDSG-2018 diesewidersinnigen Regelungen eingeschränkt hat: Danachwird die Pflicht zur Information des Gegners (odersonstiger Dritter) eingeschränkt. Die Interessen desMandanten haben insoweit grundsätzlich Vorrang.Dies gilt auch im Hinblick auf eventuelle Auskunfts-ansprüche des Gegners.

b) „RECHT AUF VERGESSENWERDEN“Neu ist das so bezeichnete „Recht auf Vergessenwer-den“ als besondere Ausprägung von Löschungspflich-ten (Art. 17 DS-GVO). Danach besteht der Grundsatz,dass nicht mehr benötigte Daten unverzüglich ge-löscht werden müssen (also z.B. zum Ende einer Man-datsbeziehung). Allerdings wird durch § 17 III lit. bDS-GVO dieses unverzügliche Löschungsrecht desMandanten aufgrund § 50 I (i.V.m. IV) BRAO durchdie Pflicht zur Aufbewahrung der Handakten (auch so-weit sie elektronisch geführt werden) für den Zeitraumvon sechs Jahren (plus dem laufenden Jahr) ein-geschränkt. Unterlagen mit steuerlicher Relevanz müs-sen aufgrund der Regelungen (insbesondere in derAO) grundsätzlich für zehn Jahre aufbewahrt werden.Zur Geltendmachung, Ausübung oder Verteidigungvon Rechtsansprüchen kann auch eine längere Auf-bewahrung erforderlich sein (§ 17 III lit. e DS-GVO).

Ist dann die Löschung vorzunehmen, hat sie daten-schutzkonform entsprechend DIN 66399 (also nachSchutzklasse 3) zu erfolgen und ist auch zu dokumen-tieren. Selbst Papierakten wird man in der Regel durcheinen (zertifizierten) Fachbetrieb entsorgen lassen.

c) WEITERE BETROFFENENRECHTEDas Recht auf Einschränkung der Verarbeitung ent-spricht im Wesentlichen dem bisherigen Recht aufSperrung der Daten (Art. 18 DS-GVO) und erfasst z.B.den geschilderten Fall, dass Daten zwar für den Kanz-leibetrieb nicht mehr notwendig sind, aufgrund steuer-licher Vorschriften aber weiter aufbewahrt werden

müssen und dann für diesen Zeitraum auch nur einemeingeschränkten Zugriff durch wenige Mitarbeiter un-terliegen dürfen.

Gänzlich neu ist Art. 20 DS-GVO mit seinem „Recht aufDatenübertragbarkeit“. Damit soll gewährleistet wer-den, dass dann, wenn ein Betroffener (z.B. als Kunde ei-nes Unternehmens), wechselt, seine „Stammdaten“ aufdas neue Unternehmen elektronisch übergehen. DemWortlaut nach gilt dies auch bei einem Anwaltswechsel.

Wie bislang kann ein Betroffener im Grundsatz derVerarbeitung seiner Daten widersprechen, insbesonde-re was die Direktwerbung anbelangt (Art. 21 DS-GVO).Bereits bislang enthielt das BDSG Regelungen zur au-tomatisierten Einzelfallentscheidung und zum Scoring.Jetzt werden diese Rechte der Betroffenen gestärkt,wenn es um eine automatisierte Entscheidung im Ein-zelfall (einschließlich Profiling) geht (Art. 22 DS-GVO).

Die §§ 32–37 BDSG-2018 regeln „ergänzend“ zur DS-GVO, dass Betroffenenrechte unter bestimmten Vo-raussetzungen nicht gelten oder eingeschränkt werdenkönnen. Ob dies in jedem Fall europarechtskonformist, muss zumindest im Hinblick auf die Rechte gegen-über nicht-öffentlichen Stellen stark bezweifelt werden.

Im Zusammenhang mit den Betroffenenrechten ist aucherwähnenswert, dass nicht nur Beschwerden bei Auf-sichtsbehörden oder Rechtsbehelfe gegen Verantwort-liche möglich sind (Art. 77–79 DS-GVO), sondern dassauch durch (Verbraucher-)Schutzorganisationen gegenVerantwortliche vorgegangen werden kann, also (überdas deutsche Unterlassungsklagengesetz hinaus) eineArt Verbandsklagerecht besteht (Art. 80 DS-GVO).

Das in Art. 82 DS-GVO geregelte Recht auf Schaden-ersatz erfasst nicht nur materielle, sondern auch –was bislang zum Teil bestritten war – immaterielleSchäden (immaterial damage). Somit könnte es auchzu Schmerzensgeldansprüchen gegen einen Anwaltkommen, wenn bei der Verarbeitung der Mandanten-daten die DS-GVO verletzt worden ist.

7. AUFTRAGSDATENVERARBEITUNGWird die Datenverarbeitung nicht vollständig selbstdurchgeführt, sondern werden Auftragnehmer ein-geschaltet, so ist zwar wie bislang ein Vertrag zur Auf-tragsdatenverarbeitung abzuschließen. Die Regelungenin Art. 28 DS-GVO sind aber umfangreicher und ins-besondere für die Auftragnehmer (jetzt Auftragsver-arbeiter genannt) bestehen neue und umfangreiche ge-setzliche Pflichten, bis hin zur Haftung. Eine Auftrags-datenverarbeitung liegt vor, wenn Dritte eingeschaltetwerden bzw. Aufgaben ausgelagert werden. Dies kannbereits ein Schreib- oder Übersetzungsbüro oder Call-Center sein, aber auch sämtliche Personen, die Com-puteranlagen warten und reparieren oder Daten in ih-rer Cloud speichern. Hierfür ist ein entsprechender Ver-trag zur Auftragsdatenverarbeitung abzuschließen.5 Diestrafrechtliche Dimension wurde jetzt durch die Ände-

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

211

5 Vgl. den Mustervertrag bei Bergmann/Möhrle/Herb, Art. 28 DS-GVO, Anl. 2.

HERB, DIE DATENSCHUTZ-GRUNDVERORDNUNG DER EU

rung des § 203 StGB mit seinen Vorschriften zum Out-sourcing geregelt (vgl. auch § 2 BORA).

8. DATENSICHERHEITBereits bisher enthielten die Datenschutzgesetze Re-gelungen zur Datensicherheit (also praktisch zur IT-Si-cherheit). Während bislang die Datenschutzgesetze ei-nen Katalog von Maßnahmen vorgaben, indem sietechnische und organisatorische Maßnahmen zur Da-tensicherheit forderten (z.B. Regelungen zum Zugriffs-schutz, Schutz für die Weitergabe usw.), sind jetzt nurnoch allgemeine Prinzipien vorgegeben. Es müssennach wie vor geeignete technische oder organisatori-sche Maßnahmen getroffen werden, die sich am Standder Technik (also nicht der angewandten Technik oderdem Stand der Wissenschaft) zu orientieren haben(Art. 24, 32 DS-GVO). Wie bislang ist damit demtechnologischen Wandel gerade im Bereich der Daten-sicherheit Rechnung zu tragen. Durch Art. 25 DS-GVOwird aber auch die Gewährleistung des Datenschutzesdurch Technikgestaltung (data protection by design)sowie durch datenschutzfreundliche Voreinstellungen(data protection by default) gefordert.Wie bislang ist es erforderlich, dass eine Zugriffs- undBenutzerverwaltung existiert, damit jeweils nur solchePersonen auf Daten zugreifen können, die hierzu auchberechtigt sind. Die Regelungen zur Passwortvergabekönnen sich beispielsweise an den Vorgaben des BSI(Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik)orientieren. In all diesen Fällen sind nicht nur Regelun-gen und Überprüfungen notwendig, sondern inzwi-schen auch eine entsprechende Dokumentation.

9. BETRIEBLICHE UND BEHÖRDLICHE DATENSCHUTZ-BEAUFTRAGTENeben den Aufsichtsbehörden, die die hoheitlichen Be-fugnisse ausüben, gibt es nach wie vor behördlicheoder betriebliche Datenschutzbeauftragte. Die inArt. 37–39 DS-GVO getroffenen Regelungen werdendurch nähere Bestimmungen im neuen BDSG-2018 er-gänzt (§§ 5–7 sowie § 38), womit das bisherige Daten-schutzbeauftragtensystem in der Bundesrepublik bei-behalten wird. Schon für mittelgroße Anwaltskanzleienkann sich damit die Pflicht ergeben, einen betriebli-chen Datenschutzbeauftragten zu bestellen. Voraus-setzung ist, dass mindestens zehn Personen mit derDatenverarbeitung beschäftigt sind, also am PC sitzen(Teilzeitkräfte zählen wie eine Person). Für die Berech-nung müssen die Inhaber der Kanzlei nicht mit berück-sichtigt werden, wohl aber angestellte Anwälte.Neu ist die Pflicht gem. Art. 37 VII DS-GVO, nicht nurdie Kontaktdaten des Datenschutzbeauftragten zu ver-öffentlichen (bspw. auf der Homepage), sondern auchan die Aufsichtsbehörde zu melden.

10. AUSLANDSDATENVERARBEITUNGWerden Daten innerhalb der Europäischen Union ver-arbeitet, so gilt aufgrund des Marktortprinzips die DS-GVO. Sollen die Daten ins außereuropäische Auslandübermittelt, dort gespeichert oder sonst verarbeitet

werden, so müssen die in den Art. 44–50 DS-GVO ent-haltenen Regelungen eingehalten werden. So kann bei-spielsweise die Europäische Kommission feststellen,dass ein Land ein angemessenes Datenschutzniveauhat (z.B. Schweiz) oder aber dass die Verarbeitung zu-lässig ist, wenn sie aufgrund bestimmter vorgegebenerStandardvertragsklauseln erfolgt.Für Anwaltskanzleien mit Tätigkeiten in den USA stelltsich eine besondere Herausforderung, nachdem SafeHarbor vom EuGH gekippt wurde und niemand weiß,ob dasselbe nicht auch mit dem Privacy Shield geschieht.In vielen Fällen dürfte der mühsame Weg über Einwil-ligungen die derzeit einzige zukunftssichere Lösung sein.

11. AUFSICHTSBEHÖRDENNicht nur bei der Frage der Auslandsverarbeitung spie-len die Aufsichtsbehörden (und mittelbar die EU-Kom-mission) eine große Rolle. Die Aufgaben und Befugnis-se der Aufsichtsbehörden (Art. 51–76 DS-GVO) wur-den erheblich ausgeweitet.Während in den übrigen Mitgliedstaaten regelmäßignur eine Aufsichtsbehörde besteht, wird in Deutschlanddas bisherige, bewährte System beibehalten, welchesauf verfassungsrechtlichen Prinzipien und dem födera-len Aufbau beruht. Neben der Bundesdatenschutz-beauftragten gibt es weitere Aufsichtsorgane.– Die Bundesdatenschutzbeauftragte ist für die Bun-

desbehörden zuständig, aber auch für den Bereichder Telekommunikation, der Postdienstleistungenund jetzt neu nach dem § 36a Sicherheitsüberprü-fungsgesetz (SÜG) sowie zukünftig für die gesamtenFinanzverwaltungen (§ 32h AO).

– Daneben gibt es die Landesdatenschutzbeauftrag-ten, welche für die jeweiligen Landesbehörden unddie Privatwirtschaft in ihrem Bereich zuständig sind.

– Schließlich bestehen Sonderregelungen, also eigen-ständige „sektorale“ Aufsichtsbehörden für die Kir-chen und die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten.

Durch das neue BDSG wurde die Koordination der ver-schiedenen nationalen Aufsichtsbehörden der Bundes-datenschutzbeauftragten übertragen (§§ 17–19 BDSG-2018).Die DS-GVO enthält indessen auch umfangreiche Re-gelungen zur Frage, welche der vielen nationalen Auf-sichtsbehörden in Europa zuständig ist. Wichtig istdies z.B. für Unternehmen, aber auch Anwaltskanzlei-en, die in verschiedenen Staaten der EU tätig sind.Schließlich gibt es mit dem Europäischen Datenschutz-ausschuss (Art. 68–76 DS-GVO) ein supranationalesOrgan, welches verbindliche Entscheidungen mit Zwei-drittelmehrheit treffen kann, also letztlich für die Aus-legung der DS-GVO zuständig ist. Darüber gibt esdann nur noch den EuGH.Die Befugnisse der Aufsichtsbehörden sind nicht nursehr umfangreich, sondern auch anlassunabhängig.Sie verfügen nach Art. 58 DS-GVO über Untersuchungs-befugnisse, also die Möglichkeiten, Untersuchungenund Überprüfungen vor Ort bei einem Unternehmenvorzunehmen. Sie können mit ihren weitreichenden Ab-hilfebefugnissen letztlich auch Datenverarbeitungsvor-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

212

HERB, DIE DATENSCHUTZ-GRUNDVERORDNUNG DER EU

gänge untersagen, beschränken oder in bestimmterWeise vorgeben. Daneben gibt es noch Genehmigungs-befugnisse (z.B. im Hinblick auf Verhaltensregelungenoder Zertifizierungen).

Schließlich ist noch auf die umfangreichen Ordnungs-widrigkeitentatbestände hinzuweisen: So ist nicht nurfast jeder Verstoß gegen die Verordnung sanktioniert,sondern die Aufsichtsbehörden können auch Bußgel-der erheben, die je nach Art des Verstoßes bis zu20 Mio. Euro oder 4 % des weltweiten Umsatzes (nichtGewinns!) betragen können (Art. 83 DS-GVO).

12. SONDERREGELUNGEN FÜR DIE KONTROLLE VONBERUFSGEHEIMNISTRÄGERNDer EU-Gesetzgeber erlaubt auch nationale Regelun-gen zu Berufsgeheimnissen und gleichwertigen Ge-heimhaltungspflichten (Art. 90 DS-GVO). Deshalb hatder deutsche Gesetzgeber mit § 29 III BDSG-2018eine Sonderregelung für die Datenschutzaufsicht ge-schaffen. Sie wird aber insbesondere von (ehemaligen)staatlichen Datenschützern heftig kritisiert6 und selbstin juristischen Kommentaren werden Funktion, Auf-gabe und verfassungsrechtliche Gewährleistung derRechtsanwälte negiert.7

Die Aufsichtsbehörden haben nach Art. 58 DS-GVO um-fangreichste Befugnisse: Im Rahmen der Unter-suchungsbefugnisse nach Art. 58 I DS-GVO können sieInformationen anfordern, Überprüfungen vornehmen,Zugang zu allen Daten und Informationen verlangenbis hin zum Zugang zu den Geschäftsräumen. Die Abhil-febefugnisse nach Art. 58 II DS-GVO gestatten es einerAufsichtsbehörde, nicht nur Hinweise zu geben und Ver-warnungen auszusprechen, sondern auch konkrete An-weisungen zu geben, wie bestimmte Verarbeitungen zuerfolgen haben, bis hin zur vorübergehenden oder end-gültigen Beschränkung oder dem Verbot einer Verarbei-tung. Auch die Berichtigung und Löschung von Datenkann verlangt werden oder die Aussetzung von Über-mittlungen in Drittstaaten (z.B. USA) angeordnet wer-den. Hinzu kommen die Möglichkeiten von Geldbußennach Art. 83 DS-GVO (bis zu 20 Mio. Euro). Wenn mansich dann noch vergegenwärtigt, dass eine Kontrolle an-lasslos und ohne Vorliegen eines Grundes geschehenkann und die Aufsichtsbehörden aufgrund ihrer von de-mokratischen Prozessen abgelösten Unabhängigkeitweder einer Dienst-, Fach- noch Rechtsaufsicht unterlie-gen, so werden die Gefahren der Kontrollmöglichkeitenim Hinblick auf die Anwaltschaft offenbar.

Nach Art. 90 DS-GVO können indessen durch den na-tionalen Gesetzgeber die Befugnisse der Aufsichts-behörden bei Berufsgeheimnisträgern eingeschränktwerden (wobei es notwendig gewesen wäre, die Rechteder Aufsichtsbehörden zu Gunsten der anwaltlichenVerschwiegenheitspflicht noch weiter einzuschränken)– dies jedoch nur im Hinblick auf einen kleinen Teilder Untersuchungsbefugnisse nach Art. 58 I lit. e DS-

GVO (Zugang zu allen personenbezogenen Daten undInformationen) sowie Art. 58 I lit. f DS-GVO (Zugang zuden Geschäftsräumen einschließlich aller Datenver-arbeitungsanlagen und -geräte).

Der deutsche Gesetzgeber hat von dieser „kleinen“Öffnungsklausel durch § 29 III BDSG-2018 Gebrauchgemacht. Dabei wird völlig übersehen, dass ein Anwaltnur die Interessen seines Mandanten vertritt, dieserbei eigener Verarbeitung seiner Daten nicht der DS-GVO unterliegen würde (Art. 2 II lit. c DS-GVO) undselbst europarechtlich das Recht auf einen Anwaltdurch Art. 47 II EU-Grundrechtecharta verbürgt ist,ganz abgesehen von den deutschen verfassungsrecht-lichen Gewährleistungen des Anwaltsberufs. Es gehtauch nicht um die Rechte des Anwalts, sondern umden Schutz des Mandanten8.

Um die rechtsstaatliche Funktion und Aufgaben der An-waltschaft zu wahren, ist es mehr denn je notwendig,die nach Art. 51 DS-GVO bestehende Möglichkeit einersektoralen Datenschutzaufsicht auszuschöpfen. DieBRAK fordert deshalb seit langem die Schaffung einer ei-genen Aufsichtsbehörde für Rechtsanwälte in Form ei-nes Datenschutzbeauftragten für die Anwaltschaft. Nurdurch ein derartiges sektorales Kontrollorgan kann ge-währleistet werden, dass die berufsspezifischen Regelun-gen genügend Berücksichtigung finden.9 Damit würdevermieden werden, dass staatliche Organe die Daten-verarbeitung in Mandatsbeziehungen kontrollieren kön-nen und damit in das Mandatsgeheimnis eingreifen.

13. VERFAHRENS- UND DOKUMENTATIONS-REGELUNGENWer personenbezogene Daten verarbeitet, muss dazunicht nur eine Rechtsgrundlage haben, sondern auchbestimmte Formalien und Verfahrensweisen beachten:

Die bislang in den Datenschutzgesetzen vorgeseheneVorabkontrolle wird ersetzt durch die Verpflichtung,eine sog. Datenschutz-Folgenabschätzung durchzufüh-ren (Art. 35 DS-GVO) und hierbei notfalls die Aufsichts-behörde zu konsultieren (Art. 36 DS-GVO).

Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist z.B. auch,dass sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer(wie im Prinzip jeder Verantwortliche) nach Art. 30 DS-GVO sog. Verfahrensverzeichnisse zu erstellen haben.10

Sie sind für die Aufsichtsbehörden gedacht (und müs-sen nicht mehr, wie bislang teilweise vorgesehen, ver-öffentlicht werden). Auch Anwaltskanzleien müssen inder Regel ein solches Verfahrensverzeichnis führen.

Bereits bislang mussten unter bestimmten Vorausset-zungen Datenschutzverletzungen an die Aufsichtsbehör-de gemeldet werden (data breach notification). DiesePflichten wurden jetzt sowohl inhaltlich ausgeweitet, in-dem auch die betroffenen Mandanten informiert wer-den müssen, als auch zeitlich dahingehend verschärft,

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

213

6 Z.B. Weichert, DANA 2017, 76 ff.; LfDI Berlin, RDV 2017, 210.7 Kranig, in Ehmann/Selmayr, Art. 90 Rn. 2–4.

8 Was von Kranig, in Ehmann/Selmayr, Art. 90 Rn. 4 völlig verkannt wird.9 Vgl. z.B. BRAK-Stn. 41/2016 (Dezember 2016) sowie König, Sektorale Daten-

schutzkontrolle bei Rechtsanwälten, 2015.10 Vgl. z.B. das Muster bei Bergmann/Möhrle/Herb, Art. 30 DS-GVO, Anl. 2.

dass die Meldung binnen 72 Stunden erfolgen soll(Art. 33 DS-GVO). Wird also beispielsweise ein Daten-leck in einer Anwaltskanzlei festgestellt, sei es durchHacker von außen oder Mitarbeiter von innen, so müs-sen die Aufsichtsbehörden, also staatliche Organe, in-formiert und eingeschaltet werden.

III. ZUSAMMENFASSENDE WÜRDIGUNG

Die DS-GVO ist ein Meilenstein auf dem Weg zu ge-meinsamen europäischen Datenschutzregelungen

und muss auch im Kontext einer sich abzeichnendeneuropäischen digitalen Datenwirtschaft gesehen wer-den. Die bisherige deutsche Datenschutzgesetz-gebung wird nicht nur materiell geändert, sondernwird zusätzlich geprägt durch ein noch komplizierte-res Regelungsgeflecht. Bis der Umfang der Geltungeinzelner Bestimmungen sowohl in der DS-GVO alsauch im neuen BDSG-2018 sowie sonstigen Daten-schutzregelungen (z.B. den Landesdatenschutzgeset-zen oder bereichsspezifischen Normen) für die Anwen-der rechtssicher bestimmt ist, werden noch sehr vieleJahre vergehen.

MANDATSBEARBEITUNG IN ANGEMESSENER ZEITRECHTSANWALT DR. MARC ZASTROW*

Nach § 11 I 1 BORA ist der Rechtsanwalt verpflichtet,das Mandat in angemessener Zeit zu bearbeiten. Seitnunmehr gut zwei Jahren ist diese Pflicht normiert.Beschwerden unzufriedener Mandanten, die eine zu lan-ge Bearbeitungsdauer monieren, beschäftigen die RAKimmer wieder. Der Autor erläutert die Konturen dieserPflicht, die sich inzwischen herausgebildet haben. Hier-zu wirft er unter anderem einen vergleichenden Blickauf § 198 GVG; ferner betrachtet er Sonderkonstellatio-nen wie etwa die Untätigkeit im Interesse bzw. aufWunsch des Mandanten sowie den Zusammenhangvon Honorarvorschuss und Bearbeitungsdauer.

I. VORHERIGE RECHTSLAGE

Untätigkeit oder „hartnäckige Bummelei“ bei der Man-datsbearbeitung stellte nach verbreiteter Auffassungbereits früher nicht nur eine Verletzung der Pflichtendes anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrags, son-dern auch eine Verletzung der berufsrechtlichen Pflichtzur gewissenhaften Berufsausübung nach § 43 BRAOdar.1 Mit Urteil vom 29.10.19902 hat der BGH die Ver-urteilung eines Rechtsanwalts wegen nachlässigerMandatsbearbeitung in Form der Untätigkeit bestätigt;die Vorinstanz hatte festgestellt, dass der Rechtsanwaltnicht mehr Mandate annehmen darf, als er bewältigenkann.3 Auch der Saarländische AGH hat entschieden,dass die äußere Seite der Anwaltstätigkeit betreffende

grobe Verstöße gegen zivilrechtliche Pflichten wie ins-besondere hartnäckige Bummelei und Untätigkeit beider Mandatsbearbeitung auch berufsrechtlich zu ahn-den sind.4 Eine klare Regelung fehlte jedoch.

Eine Ergänzung des § 11 BORA, der im Übrigen diePflicht zur Information der Mandantschaft normiert,hat die Satzungsversammlung am 11.11.2014 be-schlossen und ist zum 1.7.2015 in Kraft getreten:5

Nach § 11 I 1 BORA ist der Rechtsanwalt verpflichtet,das Mandat in angemessener Zeit zu bearbeiten.Grundlage ist § 59b II Nr. 5 lit. a BRAO, wonach dieSatzungsversammlung zur näheren Regelung der be-sonderen Berufspflichten im Zusammenhang u.a. mitder Wahrnehmung eines Auftrags ermächtigt ist.6 Da-mit ist klargestellt und durch einen Blick in die BORAerkennbar, dass es sich bei der Pflicht zur Mandats-bearbeitung in angemessener Zeit nicht nur um eine zi-vilrechtliche, sondern auch um eine berufsrechtlichePflicht handelt. Dass nach der früheren Rechtslageein Verstoß gegen § 11 BORA zwar bei der Nicht-beantwortung einzelner Mandantenanfragen oder derunzureichenden Information der Mandantschaft, nichtjedoch bei vollständiger Untätigkeit vorlag, erschienwenig plausibel.

II. MANDATSANNAHME

Die Pflicht zur Mandatsbearbeitung in angemessenerZeit besteht nur, wenn ein Mandat zustande gekom-men ist.7 Will der Rechtsanwalt ein angetragenes

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

214

* Der Autor ist Referent bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt a.M.1 Bejahend Feuerich/Weyland/Träger, BRAO, 9. Aufl., § 43 BRAO Rn. 24; Zuck, in

Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 43 BRAO Rn. 64; Har-tung/Hartung, Berufs- und Fachanwaltsordnung, § 43 BRAO Rn. 21; Kleine-Co-sack, BRAO, 5. Aufl., § 43 BRAO Rn. 17; nach Prütting, in Henssler/Prütting,BRAO, 4. Aufl., § 43 BRAO Rn. 29 ist es in Ausnahmefällen denkbar, dass eine„große Häufung zivilrechtlicher Fehler und Versäumnisse (…) eine berufsrechtlicheRelevanz gewinnt“; krit. Giesen, BRAK-Mitt. 2015, 87.

2 BGH, BRAK-Mitt. 1991, 53 f.3 EGH München, BRAK-Mitt. 1991, 54 f.

4 Saarländischer AGH, BRAK-Mitt. 2003, 179 f.5 BRAK-Mitt. 2015, 83 f.6 Antrag des Ausschusses 2 zur 7. Sitzung der 5. Satzungsversammlung am

10./11.11.2014, SV-Mat. 53/2014 S. 1; Giesen, BRAK-Mitt. 2015, 87.7 Antrag des Ausschusses 2 zur 7. Sitzung der 5. Satzungsversammlung am

10./11.11.2014, SV-Mat. 53/2014.

Mandat allerdings nicht annehmen, so muss er die Ab-lehnung unverzüglich erklären (§ 44 BRAO). Anders alsdas Berufsrecht der Steuerberater (dort § 4 II BOStB)und der Wirtschaftsprüfer (dort § 4 II BerufssatzungWP/vBP) enthält das anwaltliche Berufsrecht kein aus-drückliches Verbot der Übernahme von Aufträgen,wenn die zur Bearbeitung erforderliche Zeit nicht vor-handen ist. Neben der Pflicht zur Bearbeitung vonMandaten in angemessener Zeit nach § 11 I BORA be-steht auch die Pflicht zur Vorhaltung der für die indivi-duelle Berufsausübung erforderlichen personellen undorganisatorischen Voraussetzungen nach § 5 BORA.Diesen Pflichten wird man die Pflicht entnehmen kön-nen, solche Mandate abzulehnen, bei welchen vonvornherein absehbar ist, dass sie nicht in angemesse-ner Zeit bearbeitet werden können.

III. ZWECK DER REGELUNG

Der zuständige Ausschuss 2 der Satzungsversamm-lung hat die Normierung der Pflicht zur Bearbeitungdes Mandats in angemessener Zeit damit begründet,dass Untätigkeit das Vertrauen in die Integrität derAnwaltschaft erschüttere. Da dies auch dann gilt,wenn kein (Vermögens-)Schaden eintritt, machen zivil-rechtliche Schadenersatzansprüche eine berufsrecht-liche Sanktionierung nicht entbehrlich.8 So wie es sichbei der Pflicht zur Information der Mandanten umeine Mandantenschutzvorschrift handelt,9 dient auchdie Pflicht zur Bearbeitung des Mandats in angemesse-ner Zeit neben dem Schutz des Vertrauens in die An-waltschaft dem Schutz der Mandanten. Mit der an-waltlichen Pflicht zur Bearbeitung der Mandate in an-gemessener Zeit korrespondiert also ein Anspruch derMandanten auf Bearbeitung ihrer Mandate in an-gemessener Zeit.

Untätigkeit und unangemessene Verzögerung bergengrundsätzlich die Gefahr, dass Mandanten insbeson-dere durch das Versäumnis von Fristen (Vermögens-)Schäden entstehen. Außerdem ist die psychische Belas-tung der Mandantschaft durch anwaltliche Untätigkeitnicht zu unterschätzen. Mandanten werden oftmalsnicht einschätzen können, ob ihnen durch die verzöger-te Mandatsbearbeitung ein Schaden entsteht. Außer-dem sind rechtliche Auseinandersetzungen regelmäßigbelastend und Mandanten möchten die Angelegenhei-ten möglichst rasch geklärt haben oder jedenfalls wis-sen, dass die Angelegenheit ihren Fortgang nimmt undder Rechtsanwalt um eine Klärung bemüht ist. Letztlichschützt die Regelung auch die Anwälte vor Schaden-ersatzansprüchen und vielfachen Sachstandsanfragenunzufriedener Mandanten.

IV. DIE ANGEMESSENE BEARBEITUNGSZEIT

1. NICHT UNVERZÜGLICHWas ist eine angemessene Zeit zur Mandatsbearbei-tung? Im Zusammenhang mit der Pflicht zur Informati-on der Mandanten verwendet § 11 BORA zweimal denBegriff „unverzüglich“. Der Begriff „unverzüglich“ wirddarüber hinaus im Zusammenhang mit den Informati-ons- und Anzeigepflichten der §§ 3 IV, 12 II 2, 14 S. 2,15 I u. II BORA, § 27 II 1 BRAO und § 24 I BORA, § 44S. 1 und § 56 III BRAO, mit der Weiterleitung und Ab-rechnung von Fremdgeld (§ 43a V 2 BRAO, § 4 II 1 u.6 BORA), mit der Erteilung von Empfangsbekenntnis-sen (§ 14 BORA), mit der Rückgabe von Akten(§ 19 I 3 BORA) und mit der Pflicht zur Abrechnung(§ 23 BORA) verwendet. Er wird generell i.S.d.§ 121 I 1 BGB – ohne schuldhaftes Zögern – verstan-den. „In angemessener Zeit“ bedeutet bereits nachdem Wortlaut etwas anderes als unverzüglich.

Auch nach dem Willen der Satzungsversammlung ver-bietet sich eine Gleichsetzung. Diese bzw. ihr zuständi-ger Ausschuss 2 hatte nämlich zunächst erwogen, eineVerpflichtung zur unverzüglichen Mandatsbearbeitungzu normieren. Hiervon hat die Satzungsversammlungjedoch bewusst Abstand genommen, da es nicht umeine optimale Bearbeitungszeit gehe, sondern nur diekrassen Fälle eindeutiger Untätigkeit erfasst werdensollten.10 Die genannten unverzüglich zu erfüllendenPflichten weisen ersichtlich auch eine andere Strukturals die Pflicht zur Mandatsbearbeitung auf. Es handeltsich durchweg um Pflichten, die rasch und im Allgemei-nen ohne erheblichen Prüfungsaufwand erledigt wer-den können.

Als grundrechtsbeschränkende Regelungen müssenauch die Regelungen der Berufsordnung – und auchdie Pflicht zur Mandatsbearbeitung in angemessenerZeit – dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebotund dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen.11

Neben dem Wortlaut und dem Willen der Satzungs-versammlung sprechen auch diese Gesichtspunkte da-gegen, aus § 11 I 1 BORA eine Pflicht zur Mandatsbear-beitung in optimaler Zeit herzuleiten.

2. VERGLEICH MIT § 198 GVGDer Begriff der (Un-)Angemessenheit findet sich auchin § 198 GVG, der einen Schadenersatzanspruch beiunangemessener Dauer von Gerichtsverfahren nor-miert. Die „unangemessene Dauer eines Gerichtsver-fahrens“ ist dort vor dem Hintergrund des in Art. 19 IVund Art. 20 III GG verankerten Rechts der Verfahrens-beteiligten auf Entscheidung eines gerichtlichen Ver-fahrens in angemessener Zeit unter Rückgriff auf dieGrundsätze auszulegen, die der EGMR zu Art. 6 IEMRK und das BVerfG zum Recht auf effektiven

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

215

8 Antrag des Ausschusses 2 zur 7. Sitzung der 5. Satzungsversammlung am10./11.11.2014, SV-Mat. 53/2014.

9 Zuck, in Gaier/Wolf/Göcken, § 11 BORA Rn. 3; Hartung/Scharmer, § 11 BORARn. 4.

10 Protokoll der 7. Sitzung der 5. Satzungsversammlung, SV-Mat. 56/201, 42; nachder Formulierung von Giesen, BRAK-Mitt. 2015, 87 soll die berufsrechtliche Sank-tion nicht denjenigen Rechtsanwalt erfassen, der nur „etwas länger braucht“.

11 Henssler/Prütting/Busse, § 59b BRAO Rn. 12.

ZASTROW, MANDATSBEARBEITUNG IN ANGEMESSENER ZEIT

Rechtsschutz (Art. 19 IV GG) sowie zum Justizgewähr-leistungsanspruch (Art. 2 I i.V.m. Art. 20 III GG) ent-wickelt haben.12

Ob die Dauer eines Gerichtsverfahrens unangemesseni.S.d. § 198 I 1 GVG ist, richtet sich nach den Umstän-den des Einzelfalls, insbesondere nach der Schwierig-keit und Bedeutung des Verfahrens und nach dem Ver-halten der Verfahrensbeteiligten und Dritter (§ 198 I 2GVG). Die Rechtsprechung zu § 198 GVG erinnertauch daran, dass „die zügige Erledigung eines Rechts-streits kein Selbstzweck ist und das Rechtsstaatsprin-zip die grundsätzlich umfassende tatsächliche undrechtliche Prüfung des Streitgegenstands“ verlangt,weshalb dem Gericht eine angemessene Vorberei-tungs- und Bearbeitungszeit zur Verfügung stehenmüsse. „Es benötigt einen Gestaltungsspielraum, deres ihm ermöglicht, dem Umfang und der Schwierigkeitder einzelnen Rechtssachen ausgewogen Rechnung zutragen und darüber zu entscheiden, wann es welchesVerfahren mit welchem Aufwand sinnvollerweise för-dern kann und welche Verfahrenshandlungen dazu er-forderlich sind.“13 Die richterliche Unabhängigkeit(Art. 97 GG) müsse berücksichtigt werden.14

Wenngleich sich der Anspruch der Mandanten auf Be-arbeitung ihrer Mandate in angemessener Zeit nichtaus dem Justizgewährleistungsanspruch oder sons-tigen verfassungsrechtlichen Normen herleiten lässt,ist die Rechtsprechung zu § 198 GVG durchaus teilwei-se auf die Pflicht zur Mandatsbearbeitung in angemes-sener Zeit übertragbar. Auch bei der anwaltlichenMandatsbearbeitung geht Gründlichkeit vor Schnellig-keit. Auch den Rechtsanwältinnen und Rechtsanwältenist schon vor dem Hintergrund der anwaltlichen Un-abhängigkeit (§ 43a I BRAO) ein Gestaltungsspielraumzuzubilligen, wann sie welches Mandat bearbeiten.§ 11 I 1 BORA gebietet also nicht, Mandate grundsätz-lich in der Reihenfolge der Mandatierung bzw. der je-weiligen Posteingänge zu bearbeiten.

3. PFLICHT ZUR KONTINUIERLICHEN MANDATS-BEARBEITUNG?Wie sich aus § 198 I i.V.m. VI Nr.1 GVG ergibt, ist Be-zugspunkt für die Beurteilung der Angemessenheit vonGerichtsverfahren die Gesamtverfahrensdauer. Darauswird gefolgert, dass Verzögerungen in einem Ver-fahrensstadium in einer späteren Phase kompensiertwerden können.15 Mangels entsprechender Regelungin § 11 BORA und aufgrund sachlicher Unterschiedelässt sich dies nicht ohne weiteres auf die Pflicht zurBearbeitung von Mandaten in angemessener Zeitübertragen. Diese Pflicht bezieht sich nicht nur auf dieanwaltliche Vertretung in gerichtlichen oder behördli-chen Verfahren, sondern auch auf die außergericht-

liche Vertretung und auf reine Beratungsmandate.Und unabhängig davon, ob Rechtsanwälte außer-gerichtlich oder gerichtlich vertreten, haben sie aufdie Mandatsdauer nur einen begrenzten Einfluss, dadiese maßgeblich vom Gericht und/oder der Gegensei-te abhängt.

Auch der Wortlaut des § 11 I Alt. 1 BORA spricht dafür,dass Mandate kontinuierlich zu bearbeiten sind, Ver-zögerungen also nicht in gleichem Maße wie bei Gerich-ten in einem späteren Stadium im Wege einer „Gesamt-saldierung“ kompensiert werden können. Das schließtallerdings gewisse Kompensationsmöglichkeiten ins-besondere innerhalb zusammengehörender Mandats-abschnitte nicht aus. Beginnt der Rechtsanwalt bei-spielsweise erst kurz vor Ablauf des für die Erstellungeiner komplexen Klage oder eines aufwändigen Schrift-satzes angemessenen Zeitraums mit der Arbeit, erstelltdas Dokument dann jedoch ohne größere Unterbre-chungen in wenigen Tagen vor Ablauf des maßgebli-chen Zeitraums, so liegt kein Verstoß gegen die Pflichtzur Mandatsbearbeitung in angemessener Zeit vor –ob man in einem solchen Fall überhaupt von einer Kom-pensation sprechen kann, sei dahingestellt.

4. MASSGEBLICHKEIT DES EINZELFALLSNach dem Willen des zuständigen Ausschusses derSatzungsversammlung soll mit der Formulierung „inangemessener Zeit“ Besonderheiten der anwaltlichenTätigkeit Rechnung getragen und Untätigkeit im Inte-resse des Mandanten nicht sanktioniert werden.16 Ausdem Willen des Satzungsgebers und dem Wortlaut er-gibt sich, dass bei der Bestimmung der Angemessen-heit der Bearbeitungsdauer die Umstände des Einzel-falls zu berücksichtigen sind. Anwaltliche Mandate rei-chen von einer einfachen Erstberatung über dieaußergerichtliche Vertretung bis zur komplexen ge-richtlichen Vertretung oder Due-Diligence-Prüfung. An-gesichts dieser Unterschiedlichkeit lässt sich aus derPflicht zur Mandatsbearbeitung in angemessener Zeitkein einheitlicher fester Zeitraum herleiten, innerhalbdessen das Mandat oder bestimmte Teile des Mandatsbearbeitet werden müssen.

Aus der berufsrechtlichen Pflicht zur Mandatsbearbei-tung in angemessener Zeit wird man die Pflicht herlei-ten können, nach Annahme eines Mandats zügig zuprüfen, ob im konkreten Fall kurzfristig etwas zu ver-anlassen ist. Das ist beispielsweise bei ersichtlich dro-hender Verjährung einer geltend zu machenden Forde-rung der Fall oder wenn die Geltendmachung einerForderung wegen Eilbedürftigkeit im Wege des vorläu-figen Rechtsschutzes angezeigt ist. Der EGMR nimmtregelmäßig eine besondere Bedeutung für die Betroffe-nen und damit tendenziell eine Eilbedürftigkeit etwabei Eingriffen in die persönliche Freiheit oder die Ge-sundheit, bei Rechtsstreitigkeiten um die finanzielleVersorgung durch Arbeitslohn, Unterhalt oder Sozial-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

216

12 BSG, Urt. v. 12.2.2015 – B 10 ÜG 1/13 R u.H.a.; BSG, Urt. v. 3.9.2014 – B 10 ÜG2/13 R; BVerwG, Urt. v. 29.2.2016 – 5 C 31.15 D.

13 BGH, Urt. v. 14.11.2013 – III ZR 376/12 m.w.N.; ähnlich BVerwG, Urt. v. 29.2.2016 – 5 C 31.15 D.

14 BGH, Urt. v. 5.12.2013 – III ZR 73/13.15 BGH, Urt. v. 14.11.2013 – III ZR 376/12 m.w.N.

16 Antrag des Ausschusses 2 zur 7. Sitzung der 5. Satzungsversammlung am 10./11.11.2014, SV-Mat. 53/2014.

ZASTROW, MANDATSBEARBEITUNG IN ANGEMESSENER ZEIT

leistungen oder bei Statussachen an.17 Diese Wertunglässt sich auf die anwaltliche Mandatsbearbeitung imGrundsatz übertragen.

Die Bestimmung der (un-)angemessenen Dauer derMandatsbearbeitung lässt sich vom Inhalt des Man-dats also nicht gänzlich abkoppeln, sondern es bestehtein gewisser Zusammenhang zwischen der inhaltlichkorrekten Mandatsbearbeitung und der (Un-)Angemes-senheit der Bearbeitungsdauer. Die inhaltliche Man-datsbearbeitung ist jedoch grundsätzlich nicht Gegen-stand des anwaltlichen Berufsrechts und auch die Sat-zungsversammlung betont, dass sich die Pflicht zurBearbeitung des Mandats in angemessener Zeit aufdas „Ob“ und nicht auf das „Wie“ der Tätigkeit beziehtund keine inhaltliche Tätigkeitskontrolle stattfindensoll.18

Dementsprechend sind die zivilrechtlichen Mandats-pflichten – etwa zur Beachtung von Verjährungs- undsonstigen Fristen – und die zivilrechtliche Haftung striktvon der berufsrechtlichen Pflicht zur Bearbeitung desMandats in angemessener Zeit zu trennen. Einerseitskann ein Verstoß gegen § 11 I 1 BORA auch ohne Ver-säumung einer (Verjährungs-)Frist vorliegen – beispiels-weise, wenn der Rechtsanwalt trotz entsprechender Be-auftragung eine Forderung erst nach mehreren Jahrengerichtlich geltend macht, ohne die Forderung verjäh-ren zu lassen. Andererseits führt die Versäumung einer(Verjährungs-)Frist keineswegs zwangsläufig zu einerVerletzung der berufsrechtlichen Pflicht zur Bearbeitungdes Mandats in angemessener Zeit – beispielsweisewenn die Frist umgehend nach Mandatierung notiert,jedoch falsch berechnet oder zu gegebener Zeit nichtbeachtet wird.

5. OBJEKTIVE BESTIMMUNG DER UNANGEMESSENENDAUERDass die Bestimmung der angemessenen Dauer, wiedargelegt, von den Umständen des Einzelfalls ab-hängt, bedeutet nicht, dass die angemessene Dauervon den subjektiven Erwartungen der Mandanten ab-hängt. Die Mandantschaft bestimmt zwar grundsätz-lich unter Berücksichtigung der anwaltlichen Beratungdas Ziel des Mandats, nach dem sich wiederum dasanwaltliche Vorgehen richtet; welche zeitlichen Abläu-fe angemessen sind, ist indes nicht von der individuel-len Geduld der Mandantschaft abhängig. § 198 III 1GVG bestimmt als Voraussetzung für einen Entschädi-gungsanspruch wegen unangemessener Dauer einesGerichtsverfahrens, dass die Dauer des Verfahrensbeim befassten Gericht gerügt wurde. § 11 I 1 BORAenthält keine entsprechende Regelung. Die Bestim-mung der (Un-)Angemessenheit der Mandatsbearbei-tungsdauer und eine etwaige berufsrechtliche Sanktio-nierung ist dementsprechend unabhängig davon, ob

die Mandantschaft Untätigkeit rügt oder die Bearbei-tung des Mandats anmahnt.

Die Angemessenheit der Mandatsbearbeitungsdauerist auch nicht von der individuellen Situation desRechtsanwalts abhängig. Eine etwaige Überlastung,Überforderung oder gesundheitliche Einschränkungensind im Rahmen des Verschuldens zu berücksichtigen.Solche Umstände sind jedoch nicht für die Frage rele-vant, ob im konkreten Fall die Bearbeitung des Man-dats in angemessener Zeit erfolgte oder nicht. In die-sem Zusammenhang ist im Übrigen zu beachten,dass grundsätzlich keine Pflicht zur Übernahme ange-tragener Mandate besteht. Mehr noch: Mandate, dieabsehbar nicht in angemessener Zeit bearbeitet wer-den können, dürfen, wie dargelegt, nicht angenommenwerden. Außerdem ist bei krankheits- oder urlaubs-bedingtem Ausfall von mehr als einer Woche nach§ 53 BRAO ein Vertreter zu bestellen.

Auch für eine Unterscheidung nach Größe der Sozietätgeben weder der Wortlaut noch der Wille der Sat-zungsversammlung Anhaltspunkte; selbstverständlichkann der das Mandat verantwortlich bearbeitende An-walt seiner Pflicht zur Bearbeitung in angemessenerZeit auch durch zulässige Delegation der Mandats-bearbeitung gerecht werden.

V. UNTÄTIGKEIT IM INTERESSE ODER AUFWUNSCH DER MANDANTSCHAFT

Dass die Pflicht zur Bearbeitung des Mandats in an-gemessener Zeit eine bewusste Verzögerung oderauch ein bewusstes Absehen von einer Vertretung derMandantschaft nach außen keinesfalls ausschließt,hat der zuständige Ausschuss der Satzungsversamm-lung in seiner Begründung deutlich gemacht. So heißtes dort: „Mit der Formulierung ‚in angemessener Zeit‘wird auch sichergestellt, dass Besonderheiten der an-waltlichen Tätigkeit Rechnung getragen wird und Un-tätigkeit im Interesse des Mandanten nicht sanktioniertwerden kann. Die Berufsordnung darf keinen Aktionis-mus zu Lasten des Mandanten fordern. Stehen zivil-rechtliche Ansprüche oder Strafverfolgungsmöglichkei-ten gegen den Mandanten kurz vor der Verjährung,kann die Berufsordnung den Rechtsanwalt nicht zu ei-ner Tätigkeit verpflichten, die möglicherweise die Ge-genseite zu verjährungsunterbrechenden Maßnahmenveranlassen könnte. Untätigkeit des Rechtsanwalts, dieim Interesse des Mandanten liegt, soll und darf nichtberufsrechtlich sanktioniert werden.“19

Darin wird deutlich, dass die Pflicht zur Mandatsbear-beitung in angemessener Zeit zugunsten der Mandant-schaft und nicht etwa (auch) zugunsten der Gegensei-te besteht. Sie darf keinesfalls zu einer Relativierungder Pflicht zur Vertretung der Interessen der eigenen

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

217

17 EGMR, NJW 2006, 2389 Rn. 133 – Sürmeli/Deutschland.18 Protokoll der 7. Sitzung der 5. Satzungsversammlung am 10./11.11.2014, SV-Mat.

56/2014.

19 Antrag des Ausschusses 2 zur 7. Sitzung der 5. Satzungsversammlung am 10./11.11.2014, SV-Mat. 53/2014, 2.

Mandantschaft führen. Zugleich wird wiederum deut-lich, dass sich die berufsrechtliche Pflicht zur Bearbei-tung des Mandats in angemessener Zeit nicht vollstän-dig von der jeweiligen materiellen Rechtslage und denzivilrechtlichen Pflichten aus dem anwaltlichen Ge-schäftsbesorgungsvertrag trennen lässt. Dass eine ge-botene Untätigkeit, die objektiv im Interesse der Man-dantschaft liegt und nach entsprechender Beratungmit Einverständnis der Mandantschaft erfolgt, keinenVerstoß gegen das Gebot der Mandatsbearbeitung inangemessener Zeit darstellt, erscheint ohne weitereseinleuchtend.

Aufgrund des Charakters des § 11 I 1 BORA als Man-dantenschutzvorschrift wird ein Verstoß auch dann zuverneinen sein, wenn eine Untätigkeit jedenfalls un-schädlich ist und die Mandantschaft ihr Einverständnismit der anwaltlichen Untätigkeit erklärt hat. Aus der zi-tierten Begründung des Ausschusses 2 der Satzungs-versammlung wird man auch herleiten können, dasseine objektiv im Mandanteninteresse gebotene Un-tätigkeit auch dann berufsrechtlich nicht relevant ist,wenn die Mandantschaft eine anwaltliche Tätigkeitohne weiteres Zuwarten verlangt. Zu Recht hat derAusschuss darauf hingewiesen, dass im Interesse desMandanten liegende Untätigkeit berufsrechtlich nichtsanktioniert werden soll und darf. In den genanntenKonstellationen geht es nicht um die Entbindung vonder Pflicht zur Mandatsbearbeitung in angemessenerZeit durch die Mandantschaft (die im letztgenanntenFall gerade nicht vorliegt), sondern es ist bereits aufTatbestandsebene kein Verstoß gegen die Pflicht zurMandatsbearbeitung in angemessener Zeit gegeben.

Ist eine Tätigkeit objektiv geboten, ist der Rechts-anwalt jedoch auf entsprechenden Wunsch der Man-dantschaft untätig, so kommt ein tatbestandsmäßigerVerstoß gegen das Gebot der Mandatsbearbeitung inangemessener Zeit in Betracht. Wie die ebenfalls in§ 11 I BORA geregelte Pflicht zur Unterrichtung derMandantschaft ist auch die Pflicht zur Bearbeitungdes Mandats in angemessener Zeit als Mandanten-schutzvorschrift allerdings dispositiv. Vielfach wirdbei einer solchen Konstellation im Übrigen eine Kündi-gung des Mandats durch die Mandantschaft vorlie-gen bzw. durch die Mandantschaft oder den Anwalterfolgen.

VI. UNTÄTIGKEIT UND VORSCHUSS

Nach § 9 RVG dürfen Rechtsanwälte einen angemes-senen Vorschuss fordern. Dementsprechend ist an-erkannt, dass sie die (weitere) Mandatsbearbeitungvon der Zahlung eines entsprechenden Vorschussesabhängig machen dürfen. Schon weil die Satzungsver-sammlung keine Kompetenz zur Einschränkung zivil-und gebührenrechtlicher gesetzlicher Regelungen be-sitzt,20 ändert das Gebot der Mandatsbearbeitung in

angemessener Zeit an einem solchen „Zurückbehal-tungsrecht“ nichts. Eine Untätigkeit wegen Nichtzah-lung eines verlangten Vorschusses stellt also keine Ver-letzung der berufsrechtlichen Pflicht zur Mandatsbear-beitung in angemessener Zeit dar.

Ist bereits die Annahme des Mandats von der Zahlungeines Vorschusses abhängig gemacht worden, so liegtbereits mangels Mandat keine Verletzung der Pflichtzur Bearbeitung des Mandats in angemessener Zeitvor. Wurde ein Vorschuss gezahlt, so ist dieser Um-stand für die Bewertung, ob gegen die Pflicht zur Man-datsbearbeitung in angemessener Zeit verstoßen wur-de, ohne Relevanz. Vorschusszahlungen führen alsonicht dazu, dass ein strengerer Maßstab anzulegenist und sich der Zeitraum verkürzt, innerhalb desseneine Mandatsbearbeitung noch in angemessener Zeiterfolgt. Allerdings lässt der Umstand einer verein-nahmten Vorschusszahlung eine Verletzung der Pflichtzur Mandatsbearbeitung in angemessener Zeit in be-sonderem Licht erscheinen und dürfte bei der Sanktio-nierung zu berücksichtigen sein. Gerade dann ist eineUntätigkeit dazu angetan, das Vertrauen der Mandan-ten zu beschädigen.

VII. VERHÄLTNIS ZU § 11 II BORA

Die Pflicht zur Bearbeitung des Mandats in angemes-sener Zeit nach § 11 I 1 BORA einerseits und diePflicht zur unverzüglichen Beantwortung von Mandan-tenanfragen nach § 11 II BORA andererseits lassensich bei Mandaten, welche die Mandantenvertretunggegenüber Dritten beinhalten, klar abgrenzen. AuchSachstandsanfragen zu reinen Beratungsmandatensind allein § 11 II BORA zuzuordnen.

Aber auch wenn sich der Inhalt eines Mandats in derBeantwortung einer Frage der Mandantschaft er-schöpft, ist für die inhaltliche Beantwortung dieser Fra-ge ein angemessener Zeitraum nach § 11 I 1 BORA zu-zubilligen, die Frage ist also nicht unverzüglich zu be-antworten. Denn es ist nicht ersichtlich, dass fürBeratungsmandate grundsätzlich ein strengerer Maß-stab als für Vertretungsmandate gelten soll. Und diePflicht zur unverzüglichen Beantwortung von Mandan-tenanfragen nach § 11 II BORA verlangt nicht zwin-gend eine umfassende inhaltliche Beantwortung jegli-cher Anfragen, sondern insoweit kann beispielsweiseein unverzüglich erteilter Hinweis auf die voraussicht-liche Dauer der Prüfung der Rechtsfrage ausreichen.

Bis zur Einführung der Pflicht zur Mandatsbearbeitungin angemessener Zeit ging es in § 11 BORA allein umdie Information der Mandantschaft, nicht jedoch umdie Dauer und Kontinuität der Mandatsbearbeitung.Das ergibt sich bereits aus der Überschrift „Unterrich-tung des Mandanten“ und dem Zusammenhang mitder Pflicht des § 11 I BORA, die Mandantschaft aufdem Laufenden zu halten; auch aus den Protokollender Satzungsversammlung im Zusammenhang mit der

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

218

20 Henssler/Prütting/Busse, § 59b BRAO Rn. 17.

Einführung der Pflicht zur Bearbeitung des Mandats inangemessener Zeit ergeben sich keine Hinweise da-rauf, dass die Satzungsversammlung davon ausgegan-

gen wäre, dass sich aus § 11 BORA für bestimmte (Be-ratungs-)Mandate bereits bis dato eine Pflicht zur un-verzüglichen Bearbeitung des Mandats ergab.

AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IM RDG– RECHTSDIENSTLEISTUNGEN IM UMBRUCHRECHTSANWALT DR. FRANK R. REMMERTZ*

Der Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigstenEntwicklungen im Bereich des Rechtsdienstleistungs-rechts in den Jahren 2016 und 2017. Gegenstandsind Gesetzesänderungen ebenso wie Rechtsprechungund bedeutende Entwicklungen wie Legal Tech undLaw Clinics.

I. EINLEITUNG

Die letzten beiden Jahre waren sowohl von Gesetzes-änderungen als auch von richtungsweisenden Ent-scheidungen des BGH geprägt. Das Anfang 2016 inKraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Rechtsder Syndikusanwälte hat nicht nur einen neuen An-waltstypus geschaffen, sondern auch die Rechtsdienst-leistungsbefugnisse auf eine neue Grundlage gestellt.Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerken-nungsrichtlinie, das am 18.5.2017 in Kraft getretenist, wurde erstmals ein wichtiger Teilbereich des inter-nationalen Anwendungsbereichs des RDG geregelt.Auch der BGH hat Anfang 2016 zwei bedeutsame Ur-teile zu den §§ 2 I, 4 und 5 RDG gefällt. Am stärkstengeprägt wird der Rechtsdienstleistungsmarkt jedochdurch die schnell voranschreitende Digitalisierung, dieauch das RDG vor neue Herausforderungen stellt.

II. GESETZGEBUNG

1. RECHTSDIENSTLEISTUNGSBEFUGNISSE DERSYNDIKUSRECHTSANWÄLTEAm 1.1.2016 ist das Gesetz zur Neuordnung desRechts der Syndikusanwälte1 in Kraft getreten, dasmit § 46 II BRAO einen neuen Anwaltstypus, den Syn-dikusrechtsanwalt geschaffen hat. § 46 V BRAO ent-hält dabei auch Regelungen zur Reichweite der außer-gerichtlichen Beratung und Vertretung des Arbeit-gebers. Im Anwendungsbereich des RDG haben sichdie Befugnisse aber nicht geändert.2

Wie beim Syndikusanwalt alter Prägung (nach § 46BRAO a.F.) ist die Befugnis der Syndikusrechtsanwältezur außergerichtlichen Beratung und Vertretung nach§ 46 V 1 BRAO beschränkt auf die Rechtsangelegen-heiten des Arbeitgebers.3 Insoweit ist die Neuregelungin § 46 V BRAO lediglich eine Klarstellung, die keineKompetenzerweiterung für Syndikusrechtsanwälte zurFolge hat.4 Zu beachten ist, dass § 46 V BRAO keineErlaubnisnorm i.S.v. § 3 RDG ist. Denn § 3 RDG stelltnur die „selbstständige“ Erbringung außergerichtlicherRechtsdienstleistungen unter Erlaubnisvorbehalt. DerSyndikusrechtsanwalt übt aber wie der Syndikusanwaltnach § 46 BRAO a.F.5 eine unselbstständige Tätigkeitaus, da er in abhängiger Beschäftigung für einen nicht-anwaltlichen Arbeitgeber tätig wird,6 auch wenn ernach neuem Recht fachlich weisungsunabhängig ist.

Es handelt sich bei allen Fällen des § 46 V 2 Nr. 1–3BRAO um Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers. In-soweit wird in § 46 V Nr. 3 BRAO auch klargestellt,7

dass die Befugnis der Syndikusrechtsanwälte auch er-laubte Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers gegen-über Dritten erfasst, sofern es sich bei dem Arbeit-geber um einen Angehörigen der in § 59a BRAOgenannten sozietätsfähigen Berufe oder um eine Be-rufsausübungsgemeinschaft solcher Berufe handelt.8

Die Gesetzesbegründung9 nennt als Beispiel den bei ei-ner Steuerberatungsgesellschaft angestellten Syndikus-rechtsanwalt, der gegenüber dem Auftraggeber derSteuerberatungsgesellschaft Rechtsdienstnebenleistun-gen nach § 5 RDG erbringt. Der in einer reinen Steuer-berater- oder Wirtschaftsprüfergesellschaft tätige Syn-dikusrechtsanwalt darf Mandanten dieser Kanzleisomit z.B. nicht in arbeits-, familien- oder mietrecht-lichen Angelegenheiten beraten oder vertreten, es seidenn, dies ist nach § 5 RDG gedeckt.10

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

219

* Der Autor ist Rechtsanwalt in München. Er ist Vorsitzender des BRAK-AusschussesRechtsdienstleistungsgesetz. Der Beitrag gibt ausschließlich seine persönliche An-sicht wieder.

1 BGBl. 2015 I 2517.2 Ausf. dazu Remmertz, in Krenzler, RDG, 2. Aufl. 2017, § 4 Rn. 44 ff.; Offermann-

Burckart, AnwBl. 2016, 125, 131 ff.; es wurden aber die gerichtlichen Befugnissein § 46c II BRAO erweitert.

3 Krit. Kleine-Cosack, AnwBl. 2017, 702, 708.4 Henssler/Deckenbrock, NJW 2016, 1345, 1348; dies., DB 2016, 215, 220.5 Allg. in Bezug auf angestellte Rechtsanwälte BT-Drs. 16/3655, 51 u. 57; krit. dazu

Kleine-Cosack, RDG, 3. Aufl. 2014, § 3 Rn. 99 ff.; ders., AnwBl. 2017, 590, 598 f.6 Ebenso Offermann-Burckart, AnwBl. 2016, 125, 134; dies., AnwBl. 2016, 474,

481; Henssler/Deckenbrock, DB 2016, 215, 220; dies., NJW 2016, 1345, 1348.7 Das galt auch schon nach der bis zum 31.12.2015 geltenden Rechtslage; vgl.

dazu auch Offermann-Burckart, AnwBl. 2015, 633, 637; Henssler/Deckenbrock,DB 2016, 215, 220.

8 BSG, BRAK-Mitt. 2017, 185 Rn. 50 u. 66 f.9 BT-Drs. 18/5201, 31.

10 Offermann-Burckart, in Kilger/Offermann-Burckart/Schafhausen/Schuster, Dasneue Syndikusrecht, 2016, § 2 Rn. 139.

REMMERTZ, AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IM RDG – RECHTSDIENSTLEISTUNGEN IM UMBRUCH

Die Klarstellung in § 46 V BRAO ist auch eine klare Ab-sage des Gesetzgebers an Bestrebungen, nicht-anwalt-liche Rechtsdienstleister generell zuzulassen, wenn diejuristische Arbeit im Innenverhältnis von Rechtsanwäl-ten erbracht wird.11 Denn es verbleibt mit guten Grün-den bei dem grundsätzlichen Erfordernis, dass derjeni-ge, der die Rechtsdienstleistung anbietet, selbst überdie Erlaubnis nach § 3 RDG verfügen muss, unabhän-gig davon, ob er die Arbeit durch angestellte Anwäl-te12 oder durch selbstständig handelnde Rechtsanwäl-te als Erfüllungsgehilfen13 erledigen lässt.14

2. DIE „KLEINE BRAO-REFORM“Die sog. „kleine BRAO-Reform“15 hat die bisher um-fangreichsten Änderungen im RDG mit sich gebracht.Von Bedeutung ist vor allem, dass damit erstmals einwichtiger Anwendungsfall des internationalen Anwen-dungsbereichs durch eine Änderung des § 1 RDG ge-regelt wird.16 Die RDG-Reform ist Teil eines Gesetzes,dessen Ziel vor allem ist, die durch die Richtlinie2013/55/EU17 bedingten Änderungen der Berufsaner-kennungsrichtlinie18 im Bereich der Tätigkeiten derRechtsanwälte, Patentanwälte und der unter das RDGfallenden Berufe im deutschen Recht umzusetzen.19

Neben Änderungen in § 1 und § 15 RDG betrifft diesauch Anpassungen der §§ 10 ff. RDG zur Erleichterungdes Zugangs zum deutschen Rechtsdienstleistungs-markt für Angehörige der rechtsberatenden Berufeaus den EU-Mitgliedstaaten, über die hier nur kurz be-richtet werden kann.20

a) INTERNATIONALER ANWENDUNGSBEREICH DES RDGNeu ist in § 1 I 1 RDG, dass das Gesetz (nur) Sachver-halte in der Bundesrepublik Deutschland regelt. Mitder Einfügung der Wörter „in der BundesrepublikDeutschland“ wird klargestellt, dass für die Anwend-barkeit des RDG stets ein territorialer Bezug zum In-land hergestellt sein muss. Zusätzlich wurde ein neuer§ 1 II eingefügt, der einen Anwendungsfall von § 1 I 1bei grenzüberschreitenden Rechtsdienstleistungen re-gelt. Nach § 1 II gilt das RDG (auch), wenn eineRechtsdienstleistung zwar ausschließlich aus einem an-deren Staat heraus erbracht wird, Gegenstand derRechtsdienstleistung aber deutsches Recht ist.

Denn auch dann, wenn eine Rechtsdienstleistung zwarausschließlich aus dem Ausland heraus erbracht wird,

aber ins Inland hineinwirkt, liegt eine Rechtsdienstleis-tung „in der Bundesrepublik Deutschland“ gemäߧ 1 I 1 RDG vor. Klassisches Beispiel ist die grenzüber-schreitende Rechtsberatung im deutschen Recht durcheinen ausländischen Rechtsdienstleister, sei es schrift-lich, telefonisch oder per E-Mail.21 Kennzeichnend fürdiese Fälle ist, dass nur die Rechtsdienstleistung dieGrenze überschreitet, der Anbieter also nicht das Terri-torium der Bundesrepublik Deutschland betritt. Esheißt in § 1 I 1 RDG auch ganz bewusst „in der“ undnicht „auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutsch-land“.

Der Gesetzgeber hielt diese Änderungen in § 1 I und IIRDG aufgrund eines Urteils des EuGH v. 17.12.2015 –C-342/1422 und aus Gründen der Rechtssicherheit23

für notwendig.24 Der EuGH hatte zu § 3a StBerG a.F.,eine dem § 15 RDG vergleichbare Vorschrift, entschie-den, dass zur Wahrung der Dienstleistungsfreiheitnach Art. 56 AEUV eine vorübergehende und gelegent-liche geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen durch imEU-Ausland ansässige Gesellschaften in Deutschlandgestattet werden muss, auch wenn dies ausschließlichaus dem Ausland aus ohne Grenzübertritt erfolgt.25

Dies war nach dem ursprünglichen Wortlaut von § 3aStGB a.F., der eine Betätigung „auf dem Gebiet derBundesrepublik Deutschland“ vorsah, nicht hinrei-chend gewährleistet.26 Da auch § 15 I RDG diese For-mulierung enthielt, nahm der Gesetzgeber das Urteildes EuGH zum Anlass, den Wortlaut in § 1 I 1 RDGund § 15 I 1 RDG entsprechend zu ändern.

Die Neuregelung in § 1 II RDG blieb bis zuletzt um-stritten.27 Erst in der Schlussphase der Gesetzgebung28

konnte man sich auf die jetzige Norm einigen, nach-dem gegen die ursprüngliche Fassung, die noch eineBeschränkung auf Drei-Personen-Verhältnisse vorsah,zu Recht Bedenken laut wurden.29 Die Vorschrift er-fasst somit auch Inkassodienstleistungen aus dem Aus-land, ist aber nicht mehr darauf beschränkt. Gegen-stand der Rechtsdienstleistung muss aber deutschesRecht sein. Der Gesetzgeber hielt diese Einschränkungfür erforderlich, um den Anwendungsbereich des RDGnicht ausufern zu lassen.

Mit § 1 II RDG werden insbesondere zwei Anknüp-fungspunkte für die Anwendbarkeit des RDG, die

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

220

11 S. zu dieser Diskussion ausf. Remmertz, BRAK-Mitt. 2015, 266, 268 m.w.N.12 BSG, BRAK-Mitt. 2017, 185 Rn. 50 u. 66 f.13 Erneut bestätigt durch BGH, NJW-RR 2016, 693.14 Krit. dazu jüngst Kleine-Cosack, AnwBl. 2017, 702, 707.15 Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weite-

rer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe v. 12.5.2017, BGBl. 2017I 1121, 1143; in Kraft seit 18.5.2017.

16 Remmertz, in Krenzler, § 1 Rn. 44 ff.17 ABl. 2013 L 354, 132; ABl. 2015 L 268, 35; ABl. 2016 L 95, 20.18 Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 7.9.2005

über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (Berufsanerkennungsrichtlinie),ABl. 2005 L 255, 22; ABl. 2007 L 271, 18; ABl. 2008 L 93, 28; ABl. 2009 L 33, 49;ABl. 2014 L 305, 115.

19 S. dazu auch den Überblick bei Deckenbrock, NJW 2017, 1425, 1429.20 S. dazu ausf. die neuen Kommentierungen in Krenzler, RDG, 2. Aufl. 2017,

§§ 10 ff.

21 Umstritten ist, ob das RDG bei reiner Online-Beratung durch die Vorschriften desTMG verdrängt wird, vgl. dazu Deckenbrock, in Deckenbrock/Henssler, RDG,4. Aufl. 2015, § 1 RDG Rn. 44, 45 m.w.N.; ebenso BT-Drs. 18/9521, 205: krit.dazu Remmertz, in Krenzler, § 1 Rn. 98 ff.

22 EuGH, NJW 2016, 857 – X-Steuerberatungsgesellschaft ./. FA Hannover-Nord, m.Anm. Deckenbrock.

23 BT-Drs. 18/9521, 203.24 BT-Drs. 18/9521, 201; krit. dazu Remmertz, BRAK-Mitt. 2016, 214, 216.25 EuGH, NJW 2016, 857 Rn. 60.26 BFH, DStRE 2014, 951; DStRE 2017, 51. Zwischenzeitlich wurde § 3a StBerG ge-

ändert durch Art. 5 des Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zurÄnderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Steuerumgehungsbekämpfungs-gesetz – StUmgBG) v. 23.6.2017, BGBl. 2017 I 1682.

27 S. dazu näher Remmertz, BRAK-Mitt. 2016, 214, 216 ff.; ders. ausf. in Krenzler,§ 1 Rn. 83ff.

28 BT, Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz, Drs. 18(6) 293 neu v. 3.3.2017.29 BRAK-Stn.-Nr. 16/2016, 19 ff.; s. zur Kritik auch Remmertz, BRAK-Mitt. 2016, 214,

217 ff.; krit. zum Gesetz hingegen Kleine-Cosack, AnwBl. 2017, 702, 703.

REMMERTZ, AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IM RDG – RECHTSDIENSTLEISTUNGEN IM UMBRUCH

auch zuvor schon in Rechtsprechung und Literatur an-erkannt waren,30 gesetzlich verankert: Die Zielgerich-tetheit der Rechtsdienstleistung ins Inland und deut-sches Recht als deren Gegenstand. Zudem wird mit§ 1 II RDG bestätigt, dass eine Niederlassung im Aus-land wegen der damit verbundenen Umgehungsgefahrkein geeignetes Ausschlusskriterium für das RDG ist.31

Denn das ist gerade der typische Anwendungsfall von§ 1 II RDG, wenn ausschließlich von einer auslän-dischen Niederlassung aus Rechtsdienstleistungennach Deutschland erbracht werden. Zu beachten ist,dass der internationale Anwendungsbereich auchnach der Reform weiterhin nur teilweise gesetzlich ge-regelt ist. Bei Fallkonstellationen, die nicht unter § 1 IIRDG fallen, ist zu prüfen, ob § 1 I 1 RDG einschlägigist, also eine Rechtsdienstleistung mit ausreichend ter-ritorialem Bezug zum Inland vorliegt.32

b) WEITERE ÄNDERUNGEN IM ÜBERBLICK§ 10 I 2 RDG erweitert künftig die Registrierung aufTeile der in § 10 I 1 Nr. 1-3 RDG geregelten Bereiche(Inkassodienstleistungen, Rentenberatung und Rechts-dienstleistungen in einem ausländischen Recht), wennsich ein solcher Teilbereich von den anderen in den Be-reich fallenden Tätigkeiten trennen lässt und der Regis-trierung für den Teilbereich keine zwingenden Gründedes Allgemeininteresses entgegenstehen.33 Zweck derNeuregelung ist, nach Art. 4f der Berufsanerkennungs-richtlinie34 den partiellen Zugang zu den in § 10 I RDGgeregelten Bereichen für EU-Rechtsdienstleister zu er-möglichen.35 Die Neuregelung betrifft auch inländi-sche Rechtsdienstleister. Denkbare Anwendungsfällesind z.B. Rentenberater, die für den Teilbereich der be-trieblichen Altersvorsorge eine Registrierung anstre-ben36 oder Rechtsdienstleister im ausländischen Rechtfür Teilbereiche wie z.B. das französische Zivilrecht. Bis-lang waren Teilbereiche nach § 1 RDG a.F. nur im aus-ländischen gewerblichen Rechtsschutz und im Steuer-recht und somit nur sehr eingeschränkt vorgesehen.

In § 14a RDG ist eine Vorschrift zur Bestellung einesAbwicklers für Rentenberater neu aufgenommen. DieRechtsberatung in einem ausländischen Recht(§ 10 I 1 Nr. 3 RDG) ist nunmehr gesondert in einemeigenen Absatz in § 15 VII RDG geregelt. Bemerkens-wert ist, dass der Anwendungsbereich vom Gesetz-geber hier deutlich reduziert wurde, da das RDG (vonvornherein) nach § 1 II RDG nicht anwendbar ist,wenn eine Rechtsdienstleistung ausschließlich ausdem EU-Ausland aus heraus erfolgt und ihr Gegen-stand ausländisches Recht ist. Um überhaupt zu

§ 15 VII RDG zu gelangen, ist erforderlich, dass sichder Rechtsdienstleister im ausländischen Recht zu-mindest teilweise auch auf deutsches Territorium be-gibt.37

III. RECHTSPRECHUNG

1. BEGRIFF DER RECHTSDIENSTLEISTUNG IN § 2 I RDGNach § 2 I RDG ist Rechtsdienstleistung jede Tätigkeitin konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie einerechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert. Der BGHhat in einem Urteil vom 14.1.201638 zu der wichtigenStreitfrage,39 welche Anforderungen an eine rechtlichePrüfung nach § 2 I RDG zu stellen sind, Stellung ge-nommen und diese gesenkt. Nach BGH erfasst § 2 IRDG jede konkrete Subsumtion eines Sachverhalts un-ter die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen, dieüber eine bloß schematische Anwendung von Rechts-normen ohne weitere rechtliche Prüfung hinausgeht.40

Eine besondere rechtliche Prüfung, wie zum Teil gefor-dert,41 wird nicht vorausgesetzt. Es kommt auch nichtdarauf an, ob es sich um einfache oder schwierigeRechtsfragen handelt. Dies ergibt sich nach BGH ausWortlaut, Gesetzgebungsgeschichte und systemati-scher Einordnung des § 2 I RDG.42 Der BGH hat diesin einem wenig später ergangenen Urteil v. 31.3.201643 bestätigt, in beiden Entscheidungen die oft-mals entscheidende Frage, wann die Schwelle zurRechtsdienstleistung überschritten wird, aber offen-gelassen. Denn genau genommen setzt schon jede– auch nur schematische – Rechtsanwendung denklo-gisch immer einen (vorherigen) Subsumtionsvorgangvoraus.44 Damit eine Rechtsdienstleistung i.S.v. § 2 IRDG vorliegt, muss noch eine weitere rechtliche Prü-fung hinzukommen. Wie dies exakt von der bloßschematischen Rechtsanwendung abzugrenzen ist, istauch nach dem Urteil des BGH weiterhin ungeklärt.

Der BGH hat sich im Urteil „Rechtsberatung durch Ent-wicklungsingenieur“45 auch zu der Frage geäußert,wann eine Angelegenheit i.S.v. § 2 I RDG fremd ist.Nach allgemeiner Auffassung ist eine Angelegenheitfremd, wenn sie nicht die eigene Rechtsposition desBesorgenden betrifft.46 Es kommt dabei nicht auf einerein rechtliche Betrachtung an. Entscheidend ist, inwessen wirtschaftlichem Interesse die Tätigkeit liegt.47

Problematisch ist, wenn sowohl eigene wie fremde In-

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

221

30 Statt vieler Deckenbrock, in Deckenbrock/Henssler, § 1 Rn. 33 u. 39; Remmertz,BRAK-Mitt. 2016, 214 ff.

31 BGH, NJW 2007, 596 Rn. 24 – Schulden-Hulp (zum RBerG); BGH, NJW 2014, 847Rn. 13; ebenfalls erneut bestätigt vom OLG Köln, Beschl. v. 21.12.2016 – 7 U121/16, AnwBl. Online 2017, 286.

32 Dazu näher Remmertz, in Krenzler, § 1 Rn. 50 ff. u. 91 ff.33 Näher dazu Schmidt, in Krenzler, § 10 Rn. 8 u. 95 ff.34 Geändert durch RL 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v.

20.11.2013, ABl. 2013 L 354, 132.35 BT-Drs. 18/9521, 205; Schmidt, in Krenzler, § 10 Rn. 98.36 Schmidt, in Krenzler, § 10 Rn. 108; Deckenbrock, NJW 2017, 1425, 1430.

37 S. Remmertz, in Krenzler, RDG, 2. Aufl. 2017, § 1 Rn. 97a; Schmidt, in Krenzler,RDG, 2. Aufl. 2017, § 15 Rn. 65.

38 BGH, GRUR 2016, 820 – Schadensregulierung durch Versicherungsmakler.39 Zum Streitstand s. auch BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 42 ff.; ergänzend Decken-

brock, in Deckenbrock/Henssler, § 2 Rn. 34 ff.40 Krit. dazu Kleine-Cosack, AnwBl. 2017, 702, 706.41 Kleine-Cosack, § 2 Rn. 33.42 Vgl. im einzelnen BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 43 ff.43 BGH, NJW 2016, 3441 Rn. 23 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur.44 Johnigk, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl. 2014, § 2 RDG

Rn. 34; Römermann, NJW 2014, 1777, 1779.45 BGH, NJW 2016, 3441.46 Weth, in Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 2 RDG Rn. 22.47 So schon BGH, NJW 2007, 3570, 3572; BGH, NJW 2016, 3441 Rn. 26.

teressen verfolgt werden. Bislang fehlt es an exaktenAbgrenzungskriterien. Nach BGH kommt es auf einewertende Betrachtung an. In dem Fall „Rechtsbera-tung durch Entwicklungsingenieur“ hat die Vor-instanz48 zu Recht darauf abgestellt, wessen Interessevorrangig wahrgenommen wird. Dies wird vom BGHbestätigt und ausgeführt, dass in allen Fällen, in denender Handelnde nicht primär im eigenen wirtschaftli-chen Interesse tätig wird, von einer Fremdheit der An-gelegenheit auszugehen ist.49

Damit dürfte es nicht ausreichen, dass das eigene wirt-schaftliche Interesse nur erheblich ist, um eine Fremd-heit i.S.v. § 2 I RDG auszuschließen. Vielmehr mussdas eigene Interesse vorrangig bzw. primär wahr-genommen werden. In Prozentangaben ausgedrücktmuss der Anteil des eigenen wirtschaftlichen Interes-ses also mehr als 50 % betragen. Der BGH stellt inder Entscheidung klar, dass in fremden Angelegenhei-ten tätig ist, wer als offener Stellvertreter für Dritte ge-werbliche Schutzrechte anmeldet, selbst wenn er eineneigenen erfinderischen Anteil an dem Schutzrecht hatund damit mit der Anmeldung auch ein eigenes wirt-schaftliches Interesse verfolgt.50

2. VERMEIDUNG VON INTERESSENKOLLISIONENDer BGH51 hat in dem Fall „Schadensabwicklung durchVersicherungsmakler“ auch die Bedeutung des § 4RDG gestärkt. Danach dürfen Rechtsdienstleistungen,die unmittelbaren Einfluss auf die Erfüllung einer ande-ren Leistungspflicht haben können, nicht erbracht wer-den, wenn hierdurch die ordnungsgemäße Erbringungder Rechtsdienstleistung gefährdet wird. Diese Vor-schrift dient dazu, eine unabhängige Rechtsdienstleis-tung vor äußeren Einflussnahmen im Interesse derRechtsuchenden zu schützen.52

Ursprünglich hatte der Gesetzgeber bei der Vorschriftvor allem die Rechtsschutzversicherungen im Blick.53

Dank des BGH-Urteils ist deutlicher geworden, dassdiese Vorschrift für alle nicht-anwaltlichen Rechts-dienstleister gilt. Nach BGH ist es nicht zulässig,wenn ein Versicherungsmakler im Auftrag eines Ver-sicherers Schadensersatzansprüche gegenüber demGeschädigten abwehrt, die der Geschädigte gegenden Versicherungsnehmer geltend macht.

In dem Fall des BGH ging es um Schäden wegen Ver-lust eines Kleidungsstücks, die von einer Reinigungsfir-ma verursacht wurden. Diese wandte sich an ihreHaftpflichtversicherung, die wiederum den Versiche-rungsmakler, der den Versicherungsvertrag vermittelthatte, mit der Schadensregulierung beauftragte. DerBGH betont, dass die Schadensabwicklung für die Ver-sicherungsgesellschaft einen Verstoß gegen § 4 RDG

darstellt, was vom OLG Köln54 in dem Fall noch ver-kannt wurde.55 Der BGH stellt klar, dass der Versiche-rungsmakler nach § 59 III VVG verpflichtet ist, die Inte-ressen des Versicherungsnehmers wahrzunehmen. Da-mit ist nicht vereinbar, wenn er im Auftrag derVersicherung Schäden abwehrt, da er nicht „Dienerzweier Herren“ sein kann.56

Der BGH bekräftigt, dass § 4 RDG schon die Gefahrund nicht erst den tatsächlichen Eintritt von Interessen-kollisionen verhindern soll. Deshalb ist es für § 4 RDGunerheblich, ob es tatsächlich bereits zu Beschwerdenwegen Interessenkonflikten gekommen ist.57 Das ist füreinen Versicherungsmakler nicht nur auf die Schadens-regulierung beschränkt, sondern betrifft auch andereRechtsdienstleistungen, die er im Auftrag des Versiche-rungsunternehmens erbringt, wie z.B. die Risikoprüfung,die Antragsannahme und die Bestandsverwaltung.Auch in diesen Fällen kann eine unzulässige Interessen-kollision nach § 4 RDG vorliegen, wenn die Tätigkeit desVersicherungsmaklers als Rechtsdienstleistung zu quali-fizieren ist.58

Die oftmals vernachlässigte Vorschrift des § 4 RDGhat durch das Urteil des BGH v. 14.1.2016 erfreuli-cherweise eine deutliche Aufwertung erfahren.

3. UMFANG ZULÄSSIGER RECHTSDIENSTNEBEN-LEISTUNGEN§ 5 RDG erlaubt Rechtsdienstleistungen im Zusam-menhang mit einer anderen Tätigkeit, wenn sie als Ne-benleistung zum Berufs- oder Tätigkeitsbild gehört. ZurFrage der Nebenleistung hat der BGH in den beidenUrteilen ebenfalls wichtige Klarstellungen getroffen.Im Fall des Versicherungsmaklers gehört die Schadens-regulierung im Auftrag des Versicherers im Regelfallnicht zu den erlaubten Nebenleistungen nach § 5RDG.59 Die Vorinstanz hatte dies unter Verkennungder Aufgaben eines Versicherungsmaklers noch be-jaht.60

Der BGH bejaht zwar einen sachlichen Zusammen-hang der Schadensregulierung mit der Haupttätigkeitdes Versicherungsmaklers, d.h. mit dem von ihm fürden Versicherungsnehmer zuvor vermittelten Versiche-rungsvertrag. Diese Schadensregulierung gehöre je-doch nicht – jedenfalls im Bereich der Textilhaftpflicht-versicherung – zum Berufs- und Tätigkeitsbild einesVersicherungsmaklers.61 Er könne dies jedoch für denVersicherungskunden vornehmen. Eine rechtliche Bera-tung sei insoweit von § 5 RDG gedeckt.62

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

222

48 OLG Hamm, Mitt. d. dt. Patentanwälte 2015, 294, 297 mit zust. Anm. Remmertz;ebenso Deckenbrock/Henssler, § 2 Rn. 23.

49 BGH, NJW 2016, 3441 Rn. 26.50 BGH, NJW 2016, 3441 Rn. 27ff.51 BGH, GRUR 2016, 820 – Schadensregulierung durch Versicherungsmakler.52 Remmertz, in Krenzler, RDG, 2. Aufl. 2017, § 4 Rn. 2.53 Remmertz, in Krenzler, RDG, 2. Aufl. 2017, § 4 Rn. 20.

54 OLG Köln, GRUR-RR 2014, 292.55 BGH, GRUR 2016, 820, 823 Rn. 31 ff.; zuvor bereits krit. Krenzler, BRAK-Mitt.

2015, 19, 21; Henssler/Deckenbrock, DB 2014, 2151, 2155; Remmertz, BRAK-Mitt. 2015, 266, 270 f.; a.A. Werber, VersR 2015, 1321, 1327.

56 BGH, GRUR 2016, 820, 823 Rn. 34; zust. Johnigk, GRUR 2016, 1135, 1137;Armbrüster, ZIP 2017, 1, 5.

57 BGH, BRAK-Mitt. 2017, 135, 136 Rn. 11 m. zust. Anm. Burmann.58 Burmann, Anm. zu BGH 3.11.2016 – I ZR 107/14, BRAK-Mitt. 2017, 135, 137.59 BGH, GRUR 2016, 820 – Schadensregulierung durch Versicherungsmakler.60 OLG Köln, GRUR-RR 2014, 292.61 BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 16.62 BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 19; BT-Drs. 16/1935, 18.

Wichtig für das Verständnis von § 5 RDG ist die Fest-stellung des BGH, dass die Vorschrift zwar offen fürneue Entwicklungen und deshalb zu berücksichtigensei, dass sich neue Dienstleistungsberufe herausbildenund klassische Berufsbilder verändern könnten.63 Dieskönne aber nicht so weit gehen, gesetzlich fixierte Be-rufsbilder contra legem zu verändern, was aber derFall wäre, wenn man einem Versicherungsmakler ent-gegen dem gesetzlichen Leitbild in § 59 III VVG die Tä-tigkeit nach § 5 RDG gestatte.64 Im Übrigen sprecheauch der Umstand, dass Auftraggeber der Schadens-regulierung und Auftraggeber der Hauptleistung nichtidentisch seien und der Versicherungsmakler eine ge-sonderte Vergütung für die Schadensregulierung erhal-te, gegen eine erlaubnisfreie Nebenleistung.65

In der weiteren Entscheidung vom 31.3.201666 hebtder Senat hervor, dass die Darlegungs- und Beweislastgrundsätzlich bei demjenigen liegt, der sich auf § 5RDG beruft.67 Im Streitfall hatte ein Entwicklungsinge-nieur für Dritte Schutzrechtsanmeldungen vorgenom-men und dies mit § 5 RDG gerechtfertigt. Der BGH be-tont zu Recht, dass für diese Tätigkeit bereits erhebli-che Rechtskenntnisse auf dem Gebiet desgewerblichen Rechtsschutzes68 erforderlich sind, dieauch nicht mehr zum Berufsbild eines Entwicklungs-ingenieurs gehören.

IV. WEITERE AKTUELLE ENTWICKLUNGENIM RDG

1. LEGAL TECHWie kaum eine andere Entwicklung wird der Rechts-beratungsmarkt vor allem von der stetig voranschrei-tenden Digitalisierung geprägt, die die Arbeit der An-wälte in den nächsten Jahren tiefgreifend verändernwird.69 Neben dem bewährten Einsatz von Softwarezur Bewältigung des Kanzleialltags gibt es Geschäfts-modelle, die mit dem RDG in Konflikt geraten können,wenn softwarebasiert Rechtsdienstleistungen erbrachtwerden. Das gilt vor allem für sog. Vertragsgenerato-ren70 und die automatisierte, plattformbasierte An-spruchsprüfung und -verfolgung.71 Aktuell rückenauch sog. Chat-Bots in den Fokus des RDG, bei deneneine softwaregesteuerte Interaktion zwischen Nutzerund Anbieter mit dem Ergebnis einer Rechtsberatungim Einzelfall stattfindet. Softwarebasierte Rechtsdienst-leistungen werden künftig erheblich an Bedeutung zu-

nehmen, wenn Rechtsberatung unter Einsatz künst-licher Intelligenz (KI) angeboten wird.72

Wie bei jedem Geschäftsmodell ist Dreh- und Angel-punkt die Frage, ob eine Rechtsdienstleistung i.S.v.§ 2 I RDG erbracht wird. Umstritten ist dabei insbeson-dere, ob Rechtsdienstleistungen auch automatisiertdurch Software erbracht werden können.73 DieseStreitfrage ist grundsätzlich zu bejahen, da sämtlicheTatbestandsvoraussetzungen von § 2 I RDG erfülltwerden.74 Dies gilt auch in verbrauchertypischen Mas-senfällen mit niedrigen Streitwerten, auch wenn nureinfache Rechtsfragen geklärt werden. Für Legal-Tech-Anbieter rückt die Frage in den Vordergrund, wann ge-nau die Schwelle zur Rechtsdienstleistung erreichtwird. Der BGH75 hat die Anforderungen an eine recht-liche Prüfung im Einzelfall zwar gesenkt. Er äußert sichaber nicht zu der entscheidenden Frage, wie einerechtliche Prüfung von einer schematischen Rechts-anwendung abzugrenzen ist.76

In vielen Fällen dürfte die Schwelle zur Rechtsdienst-leistung schon erreicht sein, wenn Unternehmen einerechtliche Prüfung der Erfolgsaussichten von Ansprü-chen vornehmen. Das hat der BGH77 Ende 2015 zurPrüfung der Erfolgsaussichten einer vollständigenoder teilweisen Beitragsrückforderung aus Lebensver-sicherungsverträgen entschieden. Die BGH-Rechtspre-chung gilt auch für Legal-Tech-Unternehmen. Es machtdabei keinen Unterschied, wenn eine solche An-spruchsprüfung automatisiert durch Software erfolgt.Ohne Inkassobefugnis nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG isteine solche Prüfung der Erfolgsaussichten nach § 3RDG unzulässig.

Bei der automatisierten Verfolgung von Ansprüchengibt es mittlerweile schon einige Anbieter, die als In-kassodienstleister nach § 10 I 1 Nr. 1 RDG registriertsind. Aktuell gibt es dabei die Tendenz, gestützt aufeine Inkassoerlaubnis auch Gestaltungsrechte geltendzu machen oder sogar Ansprüche Dritter abzuwehren.Beispiele sind plattformgestützte Geschäftsmodelle fürden Widerruf von Lebensversicherungsverträgen oderzur Durchsetzung der Mietpreisbremse. Dies ist von ei-ner Inkassoerlaubnis jedoch nicht mehr gedeckt, weileine Inkassodienstleistung nach der Legaldefinition in§ 2 II 1 RDG nur die Einziehung fremder oder zumZweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetrete-ner Forderungen ist, wenn die Forderungseinziehungals eigenständiges Geschäft betrieben wird. Erfasstwird damit nur die Einziehung von Geldforderungen.78

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

223

63 BT-Drs. 16/3655, 52.64 BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 23; zust. Johnigk, GRUR 2016, 1135, 1137; Armbrüs-

ter, ZIP 2017, 1, 5.65 BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 27.66 BGH, NJW 2016, 3441 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur.67 BGH, NJW 2016, 3441 Rn. 34.68 Grdl. BVerfG, BRAK-Mitt. 1998, 146, 149 – MasterPat.69 S. dazu den Überblick in der NJW-Beilage zum DAT 2017 „Innovationen und Le-

gal Tech“.70 Beispiele sind www.smartlaw.de, www.agreement24.de, www.wonder.legal.71 Einen aktuellen Überblick vermittelt „The German LegalTech landscape“ unter

http://tobschall.de/legaltech; Beispiele sind www.flightright.de, www.euclaim.de,www.bankright.de.

72 Dies scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, vgl. Frese, NJW 2016, 2090, 2091 f.73 S. dazu Remmertz, BRAK-Mitt. 2017, 55 ff.; Weberstaedt, AnwBl. 2016, 535 ff.;

Degen/Krahmer, GRUR-Prax 2016, 363 ff.74 S. dazu im Einzelnen Remmertz, BRAK-Mitt. 2017, 55, 57 ff.; Krenzler, in Krenzler,

§ 2 Rn. 44.75 BGH, GRUR 2016, 820 Rn. 43 – Schadensregulierung durch Versicherungsmakler;

BGH, NJW 2016, 3441 Rn. 23 – Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur.76 S. dazu unter III.1.77 BGH, NJW-RR 2016, 693.78 LG Frankenthal, NZI 2017, 399 Rn. 6; Berg/Gaub/Ohle, in Seitz, Inkasso-Hdb.,

4. Aufl. 2015, Kap. 1 Rn. 1.

REMMERTZ, AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IM RDG – RECHTSDIENSTLEISTUNGEN IM UMBRUCH

Einige Legal-Tech-Unternehmen sind auch als Prozess-finanzierer auf Erfolgshonorarbasis tätig und lassendie Ansprüche von Partneranwälten durchsetzen, not-falls gerichtlich. Bei diesem Geschäftsmodell kann einVerstoß gegen § 3 RDG vorliegen, wenn sie die An-spruchsdurchsetzung steuern, auch wenn formal ein ge-sonderter Mandatsvertrag zwischen Nutzer und Anwaltzustande kommt. Der Rechtsanwalt ist auch dann nurals Erfüllungshilfe tätig. Dies hat der BGH79 im Fall desWiderrufs von Versicherungsverträgen erneut bestätigt.

Die grundsätzliche Gleichbehandlung von Legal-Tech-Anbietern mit anderen alternativen Rechtsdienstleisternist auch nach dem Schutzzweck in § 1 I 2 RDG, den Ver-braucher vor unqualifizierten Rechtsdienstleistern zuschützen, gerechtfertigt. Technische Neuerungen müs-sen sich an geltendes Recht und damit auch an dasRDG halten.80 Ohne Erlaubnisnorm droht ein Verbotnach § 3 RDG. Viele Legal-Tech-Unternehmen leistenzwar einen wichtigen Beitrag zur Durchsetzung von Ver-braucherrechten und sind volkswirtschaftlich sinnvoll.Gleichwohl müssen die Verbraucher vor den Gefahrenunqualifizierter Anbieter geschützt werden. Um hier ei-nen Ausgleich zu schaffen, wäre es berufspolitisch wün-schenswert, Legal-Tech-Anbieter ähnlich wie Inkasso-dienstleister gesondert im RDG zu regulieren.81

2. LAW CLINICSEine ähnlich rasante Entwicklung gibt es im Bereich derLaw Clinics (Legal Clinics), die seit Inkrafttreten desRDG im Jahr 2008 an vielen deutschen Universitätenentstanden sind.82 Nachdem zu Beginn der Entwicklungnoch unklar war, ob als Erlaubnistatbestand § 6, § 7oder § 8 RDG in Betracht kommt, wird heute überwie-gend davon ausgegangen, dass sich Law Clinics auf§ 6 RDG berufen können, wenn die darin genannten Vo-raussetzungen eingehalten werden.83

Angesichts der zunehmenden Professionalisierung derLaw Clinics und der Tatsache, dass diese neuenRechtsdienstleister von der Anwaltschaft in verbrau-cherrechtlichen Fällen zum Teil84 auch als Wettbewer-ber wahrgenommen werden, stellt sich die Frage, obdie rudimentäre Vorschrift des § 6 RDG ausreichtoder ob nicht ein regulativer Rahmen speziell für LawClinics geschaffen werden sollte.85 Denn obwohl mitt-lerweile die studentische Rechtsberatung den wichtigs-ten Anwendungsfall des § 6 RDG darstellt, hatte der

Gesetzgeber sie nicht im Blick. Ihm ging es vielmehrmit § 6 RDG darum, die unentgeltliche, aus altruisti-schen Beweggründen geleistete Rechtsberatung vonsozial benachteiligten Bevölkerungsschichten wie z.B.Obdachlosen, Hartz-IV-Empfängern oder Behindertenermöglichen, bei denen der Zugang zum Recht aus so-zialen und/oder finanziellen Gründen oftmals erheb-lich erschwert ist und bei deren Bedarfsdeckung auchkeine Konkurrenz mit der Anwaltschaft zu befürchtenist.86

Dies ist bei Law Clinics nur teilweise gewährleistet, amehesten noch bei den mittlerweile ebenfalls zahlrei-chen auf Flüchtlingsberatung spezialisierten RefugeeLaw Clinics.87 Problematisch erscheint vor diesem Hin-tergrund die aktuell beliebte Start-up-Beratung oderallgemein die Beratung von Existenzgründern und Un-ternehmen durch Law Clinics, die vom Sinn und Zweckdes § 6 RDG nicht mehr umfasst ist.88

Angesichts der wachsenden Bedeutung der Law Clinicswäre es berufspolitisch sinnvoll, für Law Clinics eine ei-gene Erlaubnisnorm i.S.v. § 3 RDG zu schaffen, dieauch weitere inhaltliche Anforderungen stellen könn-te.89 Da die rechtsberatende Praxis in der universitärenAusbildung gemäß § 5a III 1 DRiG zu berücksichtigenist, wäre es sachgerecht, eine solche Erlaubnisnorm inden Gesetzen für die juristische Ausbildung vorzusehenund Law Clinics auch stärker an die Universitäten zubinden. Dadurch würden Law Clinics auch weniger alsWettbewerber der Anwaltschaft wahrgenommen.

V. FAZIT UND AUSBLICK

Die Änderungen im RDG durch die „kleine BRAO-Re-form“ sind zu begrüßen. Für den internationalen An-wendungsbereich hat der Gesetzgeber für mehrRechtssicherheit gesorgt und somit auch „europafes-ter“ gemacht, wenngleich nicht alle Fälle mit Auslands-bezug geregelt wurden. Der BGH hat mit den beidenUrteilen 2016 wichtige Klarstellungen zum Begriff derRechtsdienstleistung in § 2 I RDG getroffen. Die nichtnur für Legal-Tech-Anbieter entscheidende Abgrenzungzwischen (rein) schematischer Rechtsanwendung und– darüber hinausgehender weiterer – rechtlicher Prü-fung ist aber höchstrichterlich noch ungeklärt. Darüberhinaus hat der BGH die Bedeutung der Vorschrift des§ 4 RDG gestärkt und schärfere Konturen zur Anwend-barkeit von § 5 RDG gezogen.Auch rund zehn Jahre nachdem das RDG beschlossenwurde, ist es seiner Aufgabe als Verbraucherschutz-gesetz trotz mancher Widerstände90 mehr als gerecht

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

224

79 BGH, NJW-RR 2016, 693; zuvor schon BGH, GRUR 2009, 1077 Rn. 26 – Finanz-sanierung.

80 Brügmann, AnwBl. 2017, 395, 396.81 S. dazu Remmertz, BRAK-Mitt. 2017, 55, 60.82 S. dazu den Überblick bei Kilian/Wenzel, Law Clinics in Deutschland, Köln, Juni

2017; sowie Kilian, AnwBl. 2016, 483 ff.; die Entwicklung der Law Clinics warauch Gegenstand der 13. Soldan-Tagung in Köln am 29./30.6.2017, s. dazuHoffmann, BRAK-Magazin 4/2017, 14.

83 Statt vieler vgl. Dux, in Deckenbrock/Henssler, § 6 Rn. 63; Schmidt, in Krenzler,§ 6 Rn. 72; Kilian, AnwBl. 2016, 483; Hannemann/Dietlein, Studentische Rechts-beratung und Clinical Legal Education, 2016, 76 ff.

84 Kilian, AnwBl. 2016, 483, 484.85 Dux/Prügel, JuS 2015, 1148 fordern „praktische Qualitätssicherungsmaßnah-

men“; zu Best Practice Rules auch v. Lewinski, GJLE (German Journal of LegalEducation) 2015, 1 ff.

86 BT-Drs. 16/3655, 30 u. 39 vor dem Hintergrund der sog. Kramer-Urteile desBVerfG, NJW 2004, 2662 – Unentgeltliche Rechtsberatung I; BVerfG, FamRZ2006, 539 – Unentgeltliche Rechtsberatung II.

87 Hilb/vom Felde, NVwZ 2017, 598 ff.88 Str., s. dazu bereits Remmertz, BRAK-Mitt. 2015, 266, 273; krit. ebenso Dux/Prü-

gel, JuS 2015, 1148, 1152; a.A. Schmidt, in Krenzler, § 6 Rn. 84.89 S. dazu Remmertz, AnwBl. 2017, 944 ff.90 Entgegen Kleine-Cosack, AnwBl. 2017, 702 ist das RDG kein „Konkurrenzschutz-

gesetz“, s. dazu Remmertz, in Krenzler, § 1 Rn. 66.

REMMERTZ, AKTUELLE ENTWICKLUNGEN IM RDG – RECHTSDIENSTLEISTUNGEN IM UMBRUCH

geworden. Der EuGH hat im Fall der Steuerberatungbekräftigt, dass der Schutz der Verbraucher vor fehler-hafter Beratung ein anerkennenswerter Gemeinwohl-belang ist, der eine Beschränkung des freien Dienstleis-tungsverkehrs (auch weiterhin) rechtfertigt.91 Diesmuss bei Liberalisierungsbestrebungen auf EU-Ebeneberücksichtigt werden.Die aktuellen Entwicklungen im Bereich Legal Tech undder Legal Clinics lassen in beiden Fällen eine stärkereRegulierung zum Schutz der Verbraucher wünschens-wert erscheinen. Die Anbieter leisten zwar einen wich-

tigen Beitrag zur Durchsetzung des Rechts insbesonde-re für Verbraucher. Es fehlen aber ausreichendeSchutzmechanismen zu deren Schutz.Nach der Reform ist vor der Reform. In der 19. Legis-laturperiode steht wohl die Reform des anwaltlichenGesellschaftsrechts in den §§ 59a, 59c ff. BRAO92, ins-besondere eine weitere Lockerung der interdisziplinärenZusammenarbeit, auf der Agenda. Es bleibt abzu-warten, inwieweit dies auch Auswirkungen auf dieRechtsdienstleistungsbefugnisse der Akteure habenwird.

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

225

PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS –EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHTRECHTSANWÄLTIN ANTJE JUNGK, RECHTSANWÄLTE BERTIN CHAB UND HOLGER GRAMS*

In jedem Heft der BRAK-Mitteilungen kommentierendie Autoren an dieser Stelle aktuelle Entscheidungenzum anwaltlichen Haftungsrecht.

HAFTUNG

BERATUNG ZUR GEWÄHRLEISTUNGZur Frage der Anwaltshaftung bei Beratung übermehrere in Betracht kommende Gewährleistungs-ansprüche, wenn an einem neu erworbenen Ein-familienhaus Feuchtigkeitsschäden festgestellt wer-den.OLG Hamm, Urt. v. 30.5.2017 – I-28 U 125/16

Streitigkeiten im Zusammenhang mit einem Immobi-lienerwerb sind spannend, denn man weiß nie, was da-bei herauskommt. Da ist für den Mandanten guter Ratteuer – und für den Anwalt ist er haftungsträchtig. Alsproblematisch im Vergleich zum Mobiliarkaufvertragerweist sich die Tatsache, dass Eigentums- und Besitz-übertragung regelmäßig erst mit vollständiger Kauf-preiszahlung erfolgen, während in der Zwischenzeitnicht selten bereits Mängel auftauchen, aus denenGewährleistungsansprüche des Erwerbers resultieren.Vorhandensein und Ausmaß der Mängel sind für denAnwalt meist nicht einschätzbar und können erst nach-träglich mit Hilfe von Sachverständigengutachten ge-klärt werden. Wie ist angesichts der Unsicherheitenzu verfahren?Diese Frage stellten die Erwerber eines Hauses auchihrem Anwalt, nachdem sie einige Tage vor Kaufpreis-fälligkeit bereits massiv Feuchtigkeit und Schimmel an

Kellerwänden und -decke vorfanden. Nach der anwalt-lichen Beratung erklärten sie den Rücktritt vom Ver-trag und machten Schadenersatzansprüche geltend.Die Verkäufer vollstreckten gleichwohl aus dem nota-riellen Kaufvertrag und verlangten zusätzlich Verzugs-zinsen. Die Vollstreckungsgegenklage der Käufer wur-de abgewiesen, da den Verkäufern kein arglistigesVerschweigen der Feuchtigkeitsschäden nachgewiesenwerden konnte und somit kein Rücktrittsrecht bestand.

Die Käufer verklagten daraufhin ihren Anwalt: Er habeihnen nicht den „sichersten Weg“ aufgezeigt. Die Beleh-rungen und Ratschläge des beklagten Rechtsanwalts imEinzelnen waren strittig. Der Senat kommt zu dem Er-gebnis, dass der Anwalt die Mandanten zwar über dieverschiedenen Gewährleistungsansprüche (Minderung,Schadenersatz, Rücktritt) informiert hatte, ihnen aberkeine genügende Unterstützung geboten habe, umeine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen. Ins-besondere die Beweislast in Bezug auf die Arglist derVerkäufer sei nicht deutlich genug gemacht worden.

Die Regressklage war dennoch nicht erfolgreich: Dennden Mandanten hätte es oblegen, die Schadenkausali-tät zu beweisen, was ihnen nicht gelungen sei. Sie hät-ten vorzutragen gehabt, wie sie auf eine zutreffendeBelehrung durch den beklagten Anwalt – also bei Hin-weis auf die Beweisprobleme hinsichtlich der Arglistund das hieraus resultierende Prozessrisiko im Falldes Rücktritts – reagiert hätten. Eine eindeutige „ver-nünftige“ Vorgehensweise gab es dabei nicht, auchdie Alternativen hätten Unwägbarkeiten gehabt. Dasauch im Haftpflichtprozess noch wankelmütige Vor-bringen der Kläger machte nach Ansicht des Senatsdeutlich, dass sie möglicherweise auch bei fehlerfreierBelehrung in gleicher Weise vorgegangen wären. DieUrsächlichkeit des Belehrungsdefizits für den entstan-denen Schaden konnten sie also nicht nachweisen.

91 EuGH, NJW 2016, 857 Rn. 53. 92 Dazu Henssler, AnwBl. 2017, 378.

* Die Autorin Jungk ist Leitende Justiziarin, der Autor Chab Leitender Justiziar beider Allianz Deutschland AG, München; der Autor Grams ist Rechtsanwalt undFachanwalt für Versicherungsrecht in München.

Das Entscheidungsdilemma verbleibt somit richtiger-weise bei den Mandanten, woran auch die unzurei-chende Darstellung der Optionen nichts geändert hat.Dies hat das OLG zutreffend herausgearbeitet. (ju)

AUSKEHRUNG VON FREMDGELD AN EINEN DRITTEN1. Ein Rechtsanwalt, der entsprechend einer wirk-samen Weisung des Bevollmächtigten seines Man-danten eine für diesen eingezogene Forderung aneinen Dritten auskehrt, handelt nicht pflichtwidrig,wenn es an einem evidenten Missbrauch der Ver-tretungsmacht fehlt.

2. Ein Untervertreter ist nicht berechtigt, namensdes Vertretenen die dem Hauptvertreter erteilteVollmacht zu widerrufen.

3. Die Abtretung einer Forderung ist mangels Be-stimmtheit unwirksam, wenn sie zur Sicherungmehrerer laufenden Schwankungen unterworfenerForderungen erfolgt und der Drittschuldner nichtin zumutbarer Weise erkennen kann, wie hoch sichdie gesicherten Forderungen belaufen.BGH, Urt. v. 11.5.2017 – IX ZR 238/15, MDR 2017, 987 = AnwBl.2017, 892

Hat der Anwalt für seinen Mandanten Geld eingezo-gen und soll er dieses Geld dann auf dessen Weisungdirekt an einen Dritten zahlen, kann das heikel sein.Noch haftungsträchtiger wird es, wenn weitere vomMandanten bevollmächtigte Personen derlei Weisun-gen erteilen.

Vorliegend hatte eine Familien-oHG eine Forderung ge-gen eine K.-GmbH. Diese Forderung hatten die oHGund deren persönlich haftende Gesellschafter, ein Ehe-paar, abgetreten an die Mutter der Gesellschafterin,also an die Schwiegermutter des Gesellschafters. AufBasis einer wiederum der oHG erteilten Inkassovoll-macht setzte die oHG einen Teil der Forderung, ins-gesamt 50.000 Euro nebst Zinsen, gegen die K.-GmbHdurch. Auf Verlangen der Gesellschafter zahlte die K.-GmbH den Urteilsbetrag an eine Anwaltskanzlei L. Lei-der wird aus dem Tatbestand der BGH-Entscheidungnicht klar, ob diese Kanzlei auch den Rechtsstreit gegendie K.-GmbH geführt hatte und aus welchen Gründendann von dort aus zunächst keine Auszahlung erfolgte.

Jedenfalls beauftragte dann die durch die beiden per-sönlich haftenden Gesellschafter vertretene oHG wei-tere Anwälte damit, die Auskehr des eingezogenenBetrags durch die Kanzlei L. zu erwirken, was auch ge-lang. Nunmehr lag also das Geld beim hier verklagtenAnwalt, der anschließend von der Gesellschafterin deroHG angewiesen wurde, den Betrag an dieR-GmbH auszukehren. Die beiden Gesellschafter deroHG waren gleichzeitig auch Gesellschafter dieserR-GmbH. Die Mutter bzw. Schwiegermutter der Gesell-schafter sah darin eine Pflichtverletzung und verlangtenun Schadenersatz mit der Begründung, dass der An-walt ihre Interessen habe wahren und das Geld an siehätte auszahlen müssen.

Der BGH geht in den Urteilsgründen davon aus, dassdas Mandat tatsächlich durch die Klägerin erteilt wur-de, denn die oHG war von der Klägerin bevollmächtigtworden, in ihrem Namen einen Anwalt zu beauftragen.Die Mandatierung bewegte sich im Rahmen der Er-mächtigung zum Forderungseinzug, so dass die oHG,vertreten durch die Gesellschafter, Untervollmacht ertei-len konnte. Diese Handlungsvollmacht begründe grund-sätzlich auch die Befugnis des Vertreters, gegenüberden dergestalt beauftragten Anwälten bindende Anord-nungen über die Verwendung des Geldes zu treffen.Im Ergebnis durfte der Anwalt das Geld also an die R.-GmbH auszahlen. Sofern dadurch die Befugnisse derVertreter im Innenverhältnis zur Klägerin überschrittenwurden, im Ergebnis also ein Vollmachtsmissbrauchvorgelegen habe, ginge dies nicht zu Lasten des An-walts. Dieser handele in einer solchen Situation nurdann pflichtwidrig, wenn der Missbrauch der Vertre-tungsmacht evident sei. Es müssten schon massiveVerdachtsmomente vorliegen, aus denen sich für denAnwalt die Notwendigkeit einer Rückfrage beim Ver-tretenen aufdränge. Dazu sah der BGH hier keine aus-reichenden Anhaltspunkte.Im Übrigen fehlte es allerdings auch an einem Scha-den der Klägerin; das lag daran, dass die Abtretungder Forderung aus den im dritten Leitsatz genanntenGründen unwirksam war, so dass die Forderung ohne-hin nicht der Mutter/Schwiegermutter der beiden oHG-Gesellschafter zustand.Anders als das Berufungsgericht hat der BGH hier alsoden verklagten Anwalt mit diesen Erwägungen ver-schont. Das sollte aber nicht dazu verleiten, Fremdgel-der ohne nähere Prüfung auf Weisung Dritter auszuzah-len. Vielmehr sollte man gerade in Mehrpersonenver-hältnissen sowohl die Berechtigung des Empfängersals auch diejenige des Anweisenden peinlichst genauprüfen. Insbesondere bei widersprüchlichen Weisungenund entsprechenden Zweifeln steht als letztes Mitteldie Hinterlegung zur Verfügung. (bc)

HONORARANSPRÜCHE GEGEN GMBH BEI MANDATIE-RUNG DURCH DEN GESCHÄFTSFÜHRERErteilt der Geschäftsführer einer GmbH einemRechtsanwalt im eigenen Namen ein Mandat, sosteht letzterem nach den Grundsätzen der Ge-schäftsführung ohne Auftrag selbst dann kein Ho-noraranspruch gegen die GmbH zu, wenn er mitseiner Tätigkeit auch ein Geschäft der GmbH be-sorgt, weil die Entgeltfrage durch den Anwaltsver-trag mit dem Geschäftsführer umfassend und ab-schließend geregelt ist.OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.1.2017 – I-24 U 34/16, NJW-RR2017, 999 = MDR 2017, 732

Auch hier geht es im Kern um die Frage, wer hinsicht-lich welcher Ansprüche in einem Mandatsverhältnisberechtigt und verpflichtet ist, wenn die anwaltlicheTätigkeit im Interesse mehrerer potenzieller Auftrag-geber vorgenommen wird. Allerdings waren die Ver-hältnisse nicht ganz so kompliziert wie im oben be-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

226

sprochenen BGH-Fall. Hier hatte eine GmbH, über de-ren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet war,eine Auseinandersetzung mit einer Versicherung we-gen eines Brandschadens im Betrieb der GmbH. Nachjahrelangem Streit kam es zu einem Vergleich, demauch der Geschäftsführer der GmbH beitrat. Zu die-sem Zweck hatte er einen Anwalt beauftragt. Späterhob der Insolvenzverwalter das Insolvenzverfahrennach § 200 InsO auf. Danach erhob der Anwalt desGeschäftsführers Klage auf Zahlung seines Honorarssowohl gegen den Geschäftsführer persönlich wieauch gegen die GmbH als Gesamtschuldnerin.Der Senat führt in seinem Beschluss aus, dass unstrei-tig nur der Geschäftsführer den Anwalt mandatierthabe und ausschließlich zwischen diesen beiden einMandatsverhältnis bestehe. Sofern man einen Vertragmit Schutzwirkung zugunsten der GmbH annehmenkönnte, ergäben sich daraus keine Honoraransprüche,sondern gegebenenfalls nur Schadenersatzansprücheder in den Schutzbereich einbezogenen GmbH. AuchAnsprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag hieltdas OLG für unbegründet, weil derlei Ansprüche dannnicht in Betracht kämen, wenn die in Frage stehendeVerpflichtung schon auf einem mit einem Dritten wirk-sam geschlossenen Vertrag beruhe, der Rechte undPflichten und insbesondere die Entgeltfrage umfassendregele, was hier der Fall war. Eine Mithaftung derGmbH müsse durch eigene Vereinbarung herbeige-führt werden. Für eine solche Vereinbarung sei vorlie-gend kein Anhaltspunkt ersichtlich.Offenbar ist es gerade im Verhältnis Gesellschaft/Ge-sellschafter/Geschäftsführer auf der einen Seite undRechtsanwalt auf der anderen Seite immer wieder un-klar, wer eigentlich Auftraggeber ist und wer welcheRechte und Pflichten einfordern kann. Wer später nichtauf unsicherer Basis streiten möchte, sollte lieberschon zu Beginn durch ausdrückliche Vereinbarungenfür Klarheit sorgen. Auch der Bitte mancher Geschäfts-führer, Rechnungen auf die GmbH „umzuschreiben“,sollte mit Vorsicht begegnet werden. (bc)

BERATUNGSDOKUMENTATION UND DARLEGUNGSLASTDES ANWALTSEs besteht keine Dokumentationspflicht für Rechts-anwälte hinsichtlich der von ihnen erteilten Bera-tung, so dass aus dem Fehlen einer Dokumentationkeine für den Anwalt nachteiligen Schlüsse gezo-gen werden dürfen. Mit einer überzeugenden undin sich stimmigen Darstellung kann der Anwalt sei-ner sekundären Darlegungslast genügen.LG Karlsruhe, Urt. v. 19.5.2017 – 10 O 23/16

Der beklagte Anwalt hatte für den Mandanten Scha-denersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, beidem der Mandant eine Querschnittslähmung erlittenhatte, geltend gemacht. Dabei wurden Ansprüche aufVerdienstausfall aus einer Nebentätigkeit als Kassierereiner Rockband trotz eines gerichtlichen Hinweisesund weiteren Sachvortrag als (weiterhin) unsubstanzi-iert abgewiesen. Ergänzender Vortrag durch den neu-

en Anwalt des Mandanten in der Berufungsinstanzwurde als verspätet zurückgewiesen.Deswegen fordert der Mandant nun von seinem erstenAnwalt Schadenersatz. Er meint, dieser sei verpflichtetgewesen, den Anspruch durch hinreichenden Tatsa-chenvortrag und geeignete Beweisangebote darzulegenund nachzuweisen. Gegebenenfalls habe er den Man-danten um weitere Informationen bitten und ihn aufdas andernfalls bestehende Prozessrisiko hinweisenmüssen. Im Haftpflichtprozess hat der Kläger seinenVortrag zum Verdienstentgang weiter substantiiert.Der Anwalt macht geltend, dass er den Mandantentelefonisch mehrfach auf die mangelnde Substanziie-rung und auf das Risiko einer Klageabweisung hinge-wiesen und weitere Informationen angefordert habe.Diese Beratung ist allerdings nicht dokumentiert.Das Landgericht wies die Klage gegen den Anwalt ab.Zwar sei der Anwalt zu einer umfassenden und er-schöpfenden Beratung des Mandanten verpflichtet,wozu auch Nachfragen nach weiteren Informationenzur Substanziierung und der Hinweis auf ansonsten be-stehende Prozessrisiken gehörten. Die Darlegungs- undBeweislast für eine Pflichtverletzung trage der Man-dant nach § 286 ZPO. Den Anwalt treffe eine sekundä-re Darlegungslast zu substanziiertem Vortrag, in wel-cher Weise er seinen Pflichten nachgekommen sei.Eine Dokumentationspflicht des Anwalts bestehe je-doch nicht. Der Anwalt sei seiner sekundären Darle-gungslast schriftsätzlich und bei seiner Parteianhörungdurch eine überzeugende und stimmige Schilderungseiner Beratung nachgekommen. Einen Gegenbeweishabe der Kläger nicht geführt. Er sei auch bei seinerParteianhörung sehr pauschal geblieben.Das Urteil entspricht der ständigen BGH-Rechtspre-chung. Die Anforderungen an die Beratung des Man-danten sind hoch („umfassend und erschöpfend“1).Eine Dokumentationspflicht des Anwalts besteht, an-ders als z.B. bei Versicherungsvermittlern (§ 61 VVG)oder Anlageberatern (§ 34 IIa WpHG), nicht. Dement-sprechend führt eine unterlassene Dokumentationauch nicht zu einer Verlagerung der Beweislast aufden Anwalt. Allerdings muss eine Dokumentation derBeratung jedem Anwalt schon in seinem ureigenen In-teresse dringend ans Herz gelegt werden, damit er sei-ner sekundären Darlegungslast2 nachkommen kann,und zwar möglicherweise auch noch mehrere Jahrenach Mandatsende. (hg)

FRISTEN

VORFRIST BEI VERLÄNGERTER BERUFUNGSBEGRÜN-DUNGSFRIST1. Ein Rechtsanwalt hat sicherzustellen, dass mit ei-nem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegrün-dungsfrist eine neue Vorfrist eingetragen wird, da-

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

227

1 Z.B. BGH, MDR 1968, 831.2 Vgl. BGH, NJW 1987, 1322.

JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT

mit die Berufungsbegründung innerhalb der verlän-gerten Frist fertiggestellt werden kann (Anschlussan BGH, Beschl. v. 14.6.1999 – XII ZB 62/99).2. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzgl. derversäumten Berufungsbegründungsfrist kann auchdann nicht bewilligt werden, wenn der Rechts-anwalt zwar die Eintragung einer solchen Vorfristglaubhaft macht, eine eigenständige Fristenprü-fung bei Aktenvorlage nach deren Ablauf aber un-terlässt.OLG Dresden, Beschl. v. 26.4.2017 – 4 U 225/17, MDR 2017, 786

Beantragt der Prozessbevollmächtigte eine Fristverlän-gerung, so muss er dafür Sorge tragen, dass das vor-läufige Fristende zunächst in den Kalender eingetra-gen und spätestens nach Eingang der entsprechendengerichtlichen Verfügung kontrolliert wird. Hier hatteder Anwalt geltend gemacht, dass eine solche Anwei-sung an das Personal existierte, aber ausnahmsweisenicht umgesetzt wurde. Das genügte dem OLG nicht.Der Senat weist darauf hin, dass bei verlängerten Be-rufungsbegründungsfristen ebenso wie bei der ur-sprünglichen Berufungsbegründungsfrist die Eintra-gung einer Vorfrist obligatorisch sei. Wäre diese Vor-frist hier eingetragen worden, hätte die Akte demAnwalt rechtzeitig vorgelegen, so dass er im Zuge derebenfalls in ständiger Rechtsprechung geforderten bei-läufigen Fristenprüfung bei Vorlage der Akte die feh-lende Eintragung hätte bemerken und korrigieren kön-nen. Deshalb wurde ihm Wiedereinsetzung in den vori-gen Stand versagt.Die Forderung, eine Vorfrist auch bei noch nicht bestä-tigten Fristverlängerungsanträgen eintragen zu lassen,ist konsequent. Wer noch keine entsprechende Kanzlei-organisation vorzuweisen hat, sollte die Anweisungenentsprechend anpassen. (bc)

VORTRAG – GLAUBHAFTMACHUNG – BEWEISZwar kann die Schilderung von Vorgängen durch ei-nen Rechtsanwalt die mitgeteilten Tatsachen ingleicher Weise glaubhaft machen, wie dies sonstdurch eine eidesstattliche Versicherung der Fallist, wenn der Anwalt die Richtigkeit seiner Angabenunter Bezugnahme auf seine Standespflichten an-waltlich versichert. Hierzu bedarf es aber jedenfallseiner Versicherung der Richtigkeit dieser Angaben(Fortführung von Senat, Beschl. v. 22.10.2014 – XIIZB 257/14, FamRZ 2015, 135).BGH, Beschl. v. 5.7.2017 – XII ZB 463/16

Wenn ein Gericht einer eidesstattlichen Versiche-rung im Verfahren der Wiedereinsetzung keinenGlauben schenken will, muss es die Partei zuvor da-rauf hinweisen und ihr Gelegenheit geben, entspre-chenden Zeugenbeweis anzutreten. Dabei hat dasBerufungsgericht zu prüfen, ob in der Vorlage dereidesstattlichen Versicherung zugleich ein Beweis-angebot auf Vernehmung der Mitarbeiterin als Zeu-gin liegt. (eigener Ls.)BGH, Beschl. v. 30.3.2017 – III ZB 44/16

Im Rahmen von Wiedereinsetzungsanträgen muss diePartei die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsa-chen glaubhaft machen (§ 236 II 1 ZPO). Das betrifftinsbesondere die Angaben zur Büroorganisation, dieein Verschulden des Anwalts ausräumen sollen.

„Glaubhaftmachung“ ist mehr als bloßer Vortrag. DasBeweismaß für die Glaubhaftmachung zum Nachweisvon Tatsachen ist gesetzlich nicht definiert. Ist dieGlaubhaftmachung zugelassen, ist ein geringeres, hin-ter dem Vollbeweis zurückbleibendes Beweismaß aus-reichend. Danach ist in der Regel eine erhebliche,überwiegende Wahrscheinlichkeit für die glaubhaft zumachende Tatsache ausreichend, aber auch erforder-lich.3 Es macht also durchaus einen Unterschied, obder Prozessbevollmächtigte lediglich schriftsätzlich vor-trägt – dies ist dann ein bloßes Parteivorbringen –oder ob er sich den Sachvortrag durch anwaltliche Ver-sicherung zu eigen macht. Es ist daher verständlich,dass der BGH hier genau hinsieht und diese Versiche-rung verlangt.

In dem vom III. Zivilsenat entschiedenen Fall lag eineeidesstattliche Versicherung vor. Diese ist grundsätz-lich zur Glaubhaftmachung geeignet, insofern darf diePartei zunächst einmal darauf vertrauen, dass sie fürdie überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreicht. DasGericht kann zwar die Richtigkeit der Angaben bezwei-feln, muss dann jedoch die Partei darauf hinweisen,damit Beweis angeboten werden kann. Dass mit derVorlage der eidesstattlichen Versicherung ein konklu-dentes Beweisangebot einhergeht, liegt dabei auch na-he, wie der Senat zutreffend feststellt. (ju)

NOTWENDIGER VORTRAG ZUR ZUVERLÄSSIGKEIT VONMITARBEITERN FÜR WIEDEREINSETZUNGa) Den Prozessbevollmächtigten trifft kein Verschul-den an der Versäumung der Berufungsfrist, wenner seine bisher zuverlässige Angestellte mittels ei-ner auf dem Schriftsatz vermerkten Anweisungdazu anhält, die falsche Bezeichnung des Beru-fungsgerichts zu korrigieren, und er die Berufungs-schrift vor der von ihm für erforderlich gehaltenenKorrektur unterzeichnet hat.

b) Zu der gem. § 236 II 1 ZPO erforderlichen Anga-be der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsa-chen im Wiedereinsetzungsantrag gehört in diesenFällen der Vortrag zur bisherigen Zuverlässigkeitder Kanzleiangestellten, der die Einzelweisung er-teilt worden ist.

c) Dies muss einem Rechtsanwalt auch ohne rich-terlichen Hinweis geläufig sein.BGH, Beschl. v. 25.4.2017 – VI ZB 45/16, MDR 2017, 782 = NJW-RR 2017, 956

Der Anwalt legte gegen ein am 30.3.2016 zugestelltesLG-Urteil mit Schriftsatz vom 29.4.2016 Berufung ein.Allerdings war diese nicht an das zuständige OLG ad-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUFSÄTZE

228

3 OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.5.2012 – 6 Wx 1/12; OLG München, Beschl. v.25.7.2017 – 34 Wx 110/17.

JUNGK/CHAB/GRAMS, PFLICHTEN UND HAFTUNG DES ANWALTS – EINE RECHTSPRECHUNGSÜBERSICHT

ressiert, sondern an das LG. Beim OLG ging der vomLG weitergeleitete Schriftsatz erst am 10.5.2016 ein.Auf Hinweis des OLG beantragte der Anwalt Wieder-einsetzung in den vorigen Stand. Er habe mit der Wei-sung zur Fertigung einer Berufungsschrift verfügt, dassdiese an das OLG zu richten sei. Seine Mitarbeiterinhabe die Berufung fehlerhaft an das LG adressiertund ihm zur Unterschrift vorgelegt. Er habe die An-schrift durchgestrichen und handschriftlich vermerkt,dass der Schriftsatz an das OLG zu senden sei und so-mit die erste Seite des Schriftsatzes ausgetauscht wer-den müsse. Gleichzeitig habe er die zweite Seite desSchriftsatzes unterzeichnet. Die Mitarbeiterin habe dieerste Seite des Schriftsatzes zwar nochmals aus-gedruckt, ohne jedoch die Anschrift des Gerichts zu än-dern. Den Schriftsatz habe sie per Telefax und per Postan das LG übersandt. Das Faxprotokoll habe sie abge-heftet, ohne die dort angegebene Vorwahl zu überprü-fen. Das OLG lehnte Wiedereinsetzung in den vorigenStand ab und verwarf die Berufung als unzulässig.Der BGH verwarf die dagegen gerichtete Rechts-beschwerde als unzulässig.

Zwar habe der Anwalt grundsätzlich darauf vertrauendürfen, dass seine Mitarbeiterin die Einzelweisung,die Bezeichnung und Anschrift des Berufungsgerichtszu ändern und die erste Seite des bereits unterzeichne-ten Schriftsatzes auszutauschen, befolgt. Der Anwaltsei dann im Allgemeinen nicht verpflichtet, anschlie-ßend die korrekte Ausführung dieser Weisung nochzu kontrollieren.4 Es fehle jedoch jeglicher Vortragzur Frage der bisherigen Zuverlässigkeit der Mitarbei-terin.

Solcher Vortrag sei im Wiedereinsetzungsantrag im-mer zu halten.5 Vorliegend habe hierzu erst recht An-lass bestanden, weil der Mitarbeiterin hier gleich meh-rere Fehler unterlaufen seien. Eine Hinweispflicht desOLG auf den insofern vollständig fehlenden Vortraghabe nicht bestanden. Dies sei nur bei erkennbar un-klaren oder ergänzungsbedürftigen Angaben der Fall.6

Die Anforderungen der Rechtsprechung an die erfor-derlichen organisatorischen Maßnahmen zur Fristwah-rung müssten einem Anwalt auch ohne richterlichenHinweis geläufig sein. Hart, aber leider zutreffend. (hg)

BEHANDLUNG EINER MIT EINEM PKH-ANTRAGVERBUNDENEN BERUFUNGSBEGRÜNDUNGErfüllt ein Schriftsatz, mit dem um die Bewilligungvon Prozesskostenhilfe nachgesucht wird, zugleichauch die gesetzlichen Anforderungen an eine Beru-fungsbegründung, setzt die Annahme, er sei nichtals unbedingte Berufungsbegründung bestimmt,voraus, dass sich dies aus dem Schriftsatz bezie-hungsweise seinen Begleitumständen mit einer je-den vernünftigen Zweifel ausschließenden Deutlich-keit ergibt (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 17.12.

2008 – XII ZB 185/08, NJW-RR 2009, 433 Rn. 9;Beschl. v. 27.5.2009 – III ZB 30/09, FamRZ 2009,1408 Rn. 7; Beschl. v. 7.3.2012 – XII ZB 421/11,NJW-RR 2012, 755 Rn. 11; Beschl. v. 22.7.2015 –XII ZB 131/15, FamRZ 2015, 1791 Rn. 18; jew.m.w.N.).BGH, Beschl. v. 30.5.2017 – VIII ZB 15/17

Der Anwalt hatte gegen ein Urteil form- und frist-gerecht Berufung eingelegt. Am letzten Tag der verlän-gerten Berufungsbegründungsfrist beantragte er fürdie Mandanten PKH für das Berufungsverfahren. DerSchriftsatz enthält zugleich den Hinweis, welche (be-schränkten) Berufungsanträge nach Bewilligung vonPKH gestellt werden sollten. Der Schriftsatz enthälteine – inhaltlich und auch vom Aufbau den üblichenGepflogenheiten einer Berufungsbegründung entspre-chende – Begründung, die eingeleitet wird mit den Sät-zen: „Eine Erklärung der Antragsteller über deren per-sönliche und wirtschaftliche Verhältnisse […] fügenwir […] bei. Die Anträge für das Berufungsverfahrenwerden sodann wie folgt begründet werden. […]“Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, dass essich nur um eine bedingte, an die Bewilligung vonPKH geknüpfte Berufungsbegründung handle und ver-warf die Berufung als unzulässig. Einen zwischenzeit-lich vom Anwalt gestellten Wiedereinsetzungsantragwies das Berufungsgericht zurück. Es sei nicht darge-legt, dass die Mittellosigkeit der Partei kausal für dieVersäumung der Berufungsbegründungsfrist gewor-den sei, da bereits im PKH-Antrag ausführlich darge-legt worden sei, wie und mit welchen Anträgen die Be-rufung begründet werden solle.Auf die Rechtsbeschwerde des Anwalts hob der BGHden Verwerfungsbeschluss des Berufungsgerichts aufund erklärte den Wiedereinsetzungsantrag für gegen-standslos. Der PKH-Antrag sei als unbedingte Beru-fungsbegründung zu behandeln, da er die gesetzlichenAnforderungen an eine solche bereits erfüllt habe. EineAuslegung sei danach vorzunehmen, was nach denMaßstäben der Rechtsordnung vernünftig sei und derwohlverstandenen Interessenlage entspreche. Im All-gemeinen wolle keine Partei die mit einer Fristversäu-mung verbundenen Nachteile in Kauf nehmen. Inso-fern sei unschädlich, dass der Anwalt den Schriftsatznicht ausdrücklich als Berufungsbegründung bezeich-net habe. Die gegenteilige Auslegung sei nur dann vor-zunehmen, wenn sich aus dem Schriftsatz selbst oderden Umständen mit einer jeden vernünftigen Zweifelausschließenden Deutlichkeit ergebe, dass der Schrift-satz nicht als unbedingte Berufungsbegründung be-stimmt sei.Der BGH weist zu Recht darauf hin, dass für die Frage,ob ein Rechtsmittel bereits mit einem PKH-Antrag un-bedingt eingelegt werden soll, in der Regel Kosten-gesichtspunkte eine Rolle spielen. Dies sei hier abernicht der Fall, da das Rechtsmittel ja bereits unbedingteingelegt worden war. Zudem habe die Beschränkungder Berufung zu einem geringeren Streitwert geführt.(hg)

AUFSÄTZE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

229

4 Z.B. BGH, NJW-RR 2004, 1361; NJW 2010, 2286; NJW 2016, 1740.5 St. Rspr., z.B. BGH, VersR 2013, 249; NJW-RR 2015, 624.6 Z.B. BGH, NJW 2016, 3789; NJW 2011, 458.

AUS DER ARBEIT DER BRAKDIE BRAK IN BERLINRECHTSANWÄLTINNEN STEPHANIE BEYRICH, DR. TANJA NITSCHKE, MAG. RER. PUBL., UNDKRISTINA TRIERWEILER, BRAK, BERLIN

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK auf nationaler Ebene von Julibis August 2017.

BESONDERES ELEKTRONISCHES ANWALTSPOSTFACHAb dem 1.1.2018 gilt die passive Nutzungspflicht fürdas besondere elektronische Anwaltspostfach (beA):Nach § 31 RAVPV sind Rechtsanwältinnen und Rechts-anwälte dann verpflichtet, Zustellungen und Nachrich-ten, die in ihrem beA eingehen, zur Kenntnis zu nehmenund gegen sich gelten zu lassen. Spätestens dann sollteman also mit beA-Karte und Kartenleser ausgerüstetsein und sich erstregistriert haben. Wer bis zum 30.9.2017 eine beA-Karte bei der BNotK (unter https://bea.bnotk.de/) bestellt, kann sicher sein, dass er diesenoch rechtzeitig vor Jahresende erhält. Die BNotK weistdarauf hin, dass sie für beA-Karten, die nach diesemZeitpunkt bestellt werden, eine Auslieferung vor dem1.1.2018 nicht sicherstellen kann. Die zur Bestellung er-forderliche SAFE-ID kann ggf. bei der zuständigen loka-len Rechtsanwaltskammer erfragt werden. Bedacht wer-den sollte auch, dass zum Jahresende Lieferengpässebei Kartenlesegeräten eintreten könnten.

Im Berichtszeitraum hat die BRAK weiter an der Um-setzung der beA-Postfächer für Syndikusrechtsanwäl-tinnen und -rechtsanwälte gearbeitet. Diese Post-fächer, deren Schaffung der BRAK erst durch das Ge-setz zur Neuregelung des Rechts der Syndikusanwälteaufgetragen wurde, werden voraussichtlich im Novem-ber 2017 fertiggestellt sein. Syndikusrechtsanwältin-nen und -rechtsanwälte erhalten rechtzeitig vor derEinrichtung der Postfächer noch gesonderte Informa-tionen, ab wann sie ihre beA-Karten bestellen können.Vorbereitende organisatorische Maßnahmen könnensie aber bereits jetzt treffen (s. dazu Hermesmeier,BRAK-Magazin 5/2017, 11).

Für den Einstieg ins beA hat die BRAK die Infobroschü-re zum beA „Gestatten, beA!“ aktualisiert und neu auf-gelegt. Sie ist auf der beA-Website der BRAK (unterhttp://bea.brak.de/downloads/) als pdf-Dokument ver-fügbar. Informationen zum beA finden sich auch unterwww.bea.brak.de und im wöchentlichen beA-Newslet-ter. Er liefert Bedienungshinweise, Informationen zuaktuellen Entwicklungen und neuen Features sowieTipps und Tricks zur praktischen Nutzung des beAund kann unter http://www.brak.de/bea-newsletter/abo abonniert werden.

Anlässlich der Legal Transformation Days 2017 am26./27.6.2017 in Berlin, die unter dem Motto „Trans-

formation zur digitalen Kanzlei“ standen, hat BRAK-Präsident Ekkehart Schäfer ein Kurzinterview zumbeA gegeben (abrufbar über Nachrichten aus Berlin14/2017 v. 5.7.2017). Er gibt darin Hinweise, wasKanzleien jetzt zeitnah umsetzen sollten, um beim The-ma Elektronischer Rechtsverkehr am Ball zu bleiben.

VERORDNUNG ZUR AUSBILDUNG ZERTIFIZIERTERMEDIATOREN IN KRAFTAm 1.9.2017 trat die Verordnung über die Aus- undFortbildung von zertifizierten Mediatoren (Zertifizierte-Mediatoren-Ausbildungsverordnung – ZMediatAusbV,BGBl. 2016 I 1994) in Kraft. Mehr als fünf Jahre nachInkrafttreten des Mediationsgesetzes wurde damit diein § 6 MediationsG eingeräumte Verordnungsermäch-tigung ausgefüllt. Die Verordnung hält die von einemExperten-Arbeitskreis im Auftrag des BMJV erarbeite-ten Qualitätsanforderungen an zertifizierte Media-toren fest. Neben einer Ausbildung über mindestens120 Präsenzstunden muss ein eigener Praxisfall mit ei-nem Supervisor reflektiert werden. Nach der Zertifizie-rung müssen innerhalb von zwei Jahren vier weitereFälle mediiert und durch Supervision begleitet werden.Alle vier Jahre sind 40 Fortbildungsstunden zu absol-vieren.

Zum Entwurf der ZMediatAusbV hatte die BRAK sichkritisch geäußert (Stn.-Nr. 18/2014, Mai; s. auch Plass-mann, BRAK-Magazin 1/2017, 13). Sie begrüßte zwardie festgelegten Ausbildungsinhalte. Bemängelt hattedie BRAK aber vor allem, dass praktische Erfahrungennicht Voraussetzung für die Zertifizierung sind unddass die nachgelagerten Praxisanforderungen nichtüberprüft und sanktioniert werden.

PRAXISTAUGLICHERE AUSGESTALTUNG DESSTRAFVERFAHRENSDas Gesetz zur effektiveren und praxistauglicherenAusgestaltung des Strafverfahrens wurde am 23.8.2017 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2017 I3202). Die darin geregelten Änderungen u.a. im StGB,in StPO, JGG und GVG sind im Wesentlichen am Tagnach der Verkündung in Kraft getreten.

Die BRAK hatte sowohl den Referentenentwurf (Stn.-Nr. 24/2016, Juni) als auch den Regierungsentwurfdes Gesetzes (Stn.-Nr. 17/2017, März) kritisiert unddies im Detail in ihren Stellungnahmen ausgeführt. Be-anstandet hatte sie insbesondere, dass Empfehlungender vom BMJV eingesetzten Expertenkommission zurStärkung von Beschuldigtenrechten letztlich nicht auf-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUS DER ARBEIT DER BRAK

230

gegriffen wurden; einzelne Regelungen schwächtenvielmehr die Position von Beschuldigten.

UMSETZUNG DER EU-DATENSCHUTZGRUND-VERORDNUNG – BDSG WIRD ABGELÖSTDas Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts andie Verordnung (EU) 2016/679 (DSGVO) und zur Um-setzung der Richtlinie (EU) 2017/680 ist am 5.7.2017im Bundesgesetzblatt verkündet worden (BGBl. 2017 I2097). Das Gesetz tritt in weiten Teilen am 25.5.2018in Kraft; gleichzeitig wird dann das bisherige Bundes-datenschutzgesetz (BDSG) durch eine Neufassung(BDSG-2018) komplett abgelöst.

Das Gesetz, zu dessen Entwurf die BRAK Stellung ge-nommen hat (Stn.-Nr. 41/2016, Dezember), verfolgtzwei Regelungsziele: Die Anpassung des nationalen Da-tenschutzrechts an die – ebenfalls ab Mai 2018 gelten-de – DSGVO einerseits und die Umsetzung der Daten-schutz-Richtlinie in einem nationalen Gesetz anderer-seits (soweit dies nicht im bereichsspezifischen Rechtgeschieht).

Das neue BDSG bleibt, dem bisherigen Ansatz des altenBDSG folgend, soweit wie möglich ein allgemeines Auf-fanggesetz für alle öffentlichen Stellen des Bundes underfasst daher auch Regelungsbereiche, die nicht unterdie neuen EU-Rechtsakte fallen. Die für die Anwalt-schaft maßgebliche Vorschrift zu den Berufsgeheimnis-trägern ist § 29 BDSG-2018; sie regelt Rechte der be-troffenen Person und aufsichtsbehördliche Befugnisseim Fall von Geheimhaltungspflichten (eingehend zumneuen BDSG Herb, BRAK-Mitt. 2017, 209 [in diesemHeft]).

GELDWÄSCHEAUFSICHT DURCH RECHTSANWALTS-KAMMERN JETZT ANLASSUNABHÄNGIGDie Rechtsanwaltskammern üben nunmehr nach § 51GwG eine anlassunabhängige Geldwäscheaufsichtüber Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus. Diesist die für die Anwaltschaft wichtigste Änderung, diemit dem am 26.6.2017 in Kraft getretenen Gesetz zurUmsetzung der Vierten EU-Geldwäscherichtlinie (BGBl.2017 I 1822) einhergeht; zum Entwurf des Gesetzeshatte die BRAK Stellung genommen (Stn.-Nr. 24/2017,Mai). Bislang übten die Kammern die Geldwäscheauf-sicht auf Beschwerden hin oder bei Kenntnis von ent-sprechenden Anhaltspunkten aus.

Die Kammern müssen zur anlassunabhängigen Geld-wäscheaufsicht gem. § 51 IX GwG eine Jahresstatistikerstellen. Die Durchführung der Prüfungen kann aufandere Personen oder Einrichtungen übertragen wer-den (§ 51 III 3 GwG). Den nach GwG verpflichtetenRechtsanwältinnen und Rechtsanwälten müssen dieKammern regelmäßig aktualisierte Auslegungs- undAnwendungshinweise für die Umsetzung der Sorgfalts-pflichten und der internen Sicherungsmaßnahmen zurVerfügung stellen (§ 51 VIII GwG). Die BRAK bereitetderzeit gemeinsam mit den Kammern die Umsetzungdes neu gefassten § 51 GwG vor.

BERUFSRECHTLICHE VERSCHWIEGENHEITSPFLICHT:GESETZ VERABSCHIEDETDer Bundestag hat nach zweiter und dritter Lesungam 29.6.2017 ein Gesetz zur Neuregelung des Schut-zes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter ander Berufsausübung schweigepflichtiger Personen ver-abschiedet, mit dem eine Änderung der BRAO sowiedes § 203 StGB einhergeht. Die für Rechtsanwälte sat-zungsrechtlich bereits bestehende Pflicht, Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter zur Verschwiegenheit zu ver-pflichten, wurde in das Gesetz übernommen. In dieBRAO wurden Befugnisnormen eingefügt, die Voraus-setzungen und Grenzen festlegen, unter denen Dienst-leistern der Zugang zu fremden Geheimnissen eröffnetwerden darf. Innerhalb der Befugnisnormen der BRAOwird eine Offenbarung von Geheimnissen dann nichtals Verstoß gegen die berufsrechtliche Verschwiegen-heitspflicht gewertet und begründet kein strafbewehr-tes Offenbaren i.S.v. § 203 StGB (s. dazu PE Nr. 10 v.30.6.2017).

ELEKTRONISCHE AKTE IN DER JUSTIZ KOMMTFLÄCHENDECKENDDie elektronische Akte in der Justiz kommt. Zunächsthatte ein Gesetzentwurf (BT-Drs. 18/9416; s. dazuBRAK-Stn.-Nr. 29/2016, August) sich lediglich mit derEinführung der elektronischen Akte im Strafverfahrenbefasst; es sollte eine Grundlage dafür geschaffen wer-den, dass Akten in der Strafjustiz elektronisch geführtwerden und Akteneinsicht elektronisch zu gewährenist. Zugleich enthielt der Gesetzentwurf Regelungenüber den elektronischen Rechtsverkehr in Strafsachen,die bis auf kleinste Details den Regelungen in den an-deren Verfahrensordnungen entsprechen: Auch inStrafsachen sollte daher das beA als „sicherer Über-mittlungsweg“ zum Einsatz kommen können, und dieGerichte sollten verpflichtet werden, ab (grundsätzlich)2018 den elektronischen Rechtsverkehr zu eröffnen.

Verabschiedet hat der Bundestag Mitte Mai ein deut-lich weitergehendes Gesetz (Beschlussempfehlung desRechtsausschusses BT-Drs. 18/12203), das neben derStPO auch die übrigen Verfahrensordnungen betrifftund daher nun mit „Gesetz zur Einführung der elektro-nischen Akte in der Justiz“ betitelt ist. Auch für alle an-deren Gerichtszweige wird damit die elektronische Ak-tenführung ab 2018 freiwillig, ab 2026 verpflichtendeingeführt. Und: Auch in Zivilprozessen soll künftig dieAkteneinsicht über ein elektronisches Akteneinsichts-portal erfolgen. Das „Gesetz zur Einführung der elek-tronischen Akte in der Justiz“ wurde am 12.7.2017 imBundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2017 I 2208); diedarin enthaltenen Änderungen werden zeitlich gestaf-felt in Kraft treten.

5. SOLDAN MOOT ZUR ANWALTLICHEN BERUFSPRAXISEin kleines Jubiläum stand in diesem Jahr fürden Soldan Moot zur anwaltlichen Berufspraxis(www.soldanmoot.de) an: Bereits zum fünften Mal rich-

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

231

BEYRICH/NITSCHKE/TRIERWEILER, DIE BRAK IN BERLIN

tete das Institut für Prozess- und Anwaltsrecht derUniversität Hannover gemeinsam mit BRAK, SoldanStiftung, DAV und Deutschem Juristen-Fakultätentag

den Wettbewerb für Jurastudierende aus. Er fandvom 12.–14.10.2017 in Hannover statt (ein ausführ-licher Bericht folgt in BRAK-Magazin 6/2017).

DIE BRAK IN BRÜSSELRECHTSANWÄLTINNEN HANNA PETERSEN, LL.M, DOREEN BARCA-CYSIQUE, LL.M., UNDKATRIN GRÜNEWALD, LL.M, BRAK, BRÜSSEL

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK zu europarechtlichen Themenvon Juli bis August 2017.

REFORMEMPFEHLUNGEN DER EUROPÄISCHENKOMMISSION FÜR DIE BERUFSREGLEMENTIERUNGDie BRAK begrüßt in ihrer Stellungnahme zur Mittei-lung der Europäischen Kommission über Reformemp-fehlungen für die Berufsreglementierung (Stn.-Nr. 30/2017, Juli) die von der Europäischen Kommission ein-geleitete, ergebnisoffene Prüfung der Reglementierungder Anwaltschaft in den Mitgliedstaaten. Sie wider-spricht indessen der These, dass Reglementierungenals solche stets den Binnenmarkt behindern. Wie es ge-rade die Rechtsanwaltsrichtlinien zeigen, kann einekluge und sachgerechte Reglementierung diesen viel-mehr erleichtern.

Zu den einzelnen Reformempfehlungen weist die BRAKdarauf hin, dass in Deutschland alle Rechtsformen vonPersonen- und Kapitalgesellschaften – mit Ausnahmeder Kommanditgesellschaft – für die Berufsausübungdes Rechtsanwaltsberufs zulässig sind. Die Möglichkei-ten der gemeinsamen Berufsausübung von Rechts-anwälten mit anderen Berufsträgern geht in Deutsch-land auch weit über das in den meisten anderenMitgliedstaaten Zulässige hinaus. Die BRAK erklärt au-ßerdem, dass die Frage, ob die allgemeine Definitiondes RDG für eine Abgrenzung zulässiger und unzuläs-siger Online-Legal-Tech-Angebote ausreicht, derzeitGegenstand einer ergebnisoffenen Diskussion ist, beider eine gründliche Analyse Vorrang vor kurzfristigenGesetzgebungsinitiativen haben sollte.

DIENSTLEISTUNGSPAKET – BERICHTSENTWÜRFEDES EUROPÄISCHEN PARLAMENTSDer Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucher-schutz des Europäischen Parlaments (IMCO) hat imJuli Berichtsentwürfe für zwei der vier Maßnahmendes Dienstleistungspakets veröffentlicht. Der Berichts-entwurf vom 3.7.2017 betrifft den Richtlinien-vorschlag über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vorErlass neuer Berufsreglementierungen, für den der Ab-geordnete Dr. Andreas Schwab (EVP, Deutschland) zu-ständiger Berichterstatter ist. Dieser begrüßt das Zielder weiteren Vertiefung des Binnenmarkts, weist aberdarauf hin, dass Regulierungen einen Mehrwert haben

müssen und deshalb vielmehr auf sinnvolle Regulie-rung gesetzt werden müsse. Um dieses Ziel zu errei-chen, schlägt er u.a. vor, dass eine Verhältnismäßig-keitsprüfung erst bei wesentlichen Regulierungsent-scheidungen erfolgen soll. Ferner sollen, wie auch vonder BRAK gefordert, bei der Verhältnismäßigkeitsprü-fung nicht mehr unabhängige Kontrollstellen mitwir-ken. Ebenfalls gestrichen werden soll das Prüfungskri-terium der wirtschaftlichen Auswirkungen einer ge-planten Regulierung.

Der zweite Berichtsentwurf vom 27.7.2017 befasst sichmit Reformempfehlungen der Europäischen Kommis-sion für die Berufsreglementierung in den Mitgliedstaa-ten. Der für den Bericht zuständige Abgeordnete NicolaDanti (S&D, Italien) hebt darin die fundamentale Rolleder regulierten Berufe für die europäische Wirtschaftsowie die überragende Bedeutung der Qualität dieserDienstleistungen hervor. Er weist ferner darauf hin,dass für eine Beurteilung der Berufsreglementierungenin den Mitgliedstaaten weitere Elemente jenseits wirt-schaftlicher Analysen herangezogen werden müssen.

KONSULTATION ÜBER KOLLEKTIVE RECHTSBEHELFEIn ihrer Stellungnahme (Stn.-Nr. 31/2017, August) zuröffentlichen Konsultation der Europäischen Kommis-sion zum Thema „Sondierung zum Gebrauch kollekti-ver Rechtsbehelfe in den Mitgliedstaaten der Europäi-schen Union“, mit der der Status quo der kollektivenRechtsbehelfe der einzelnen Mitgliedstaaten abgefragtwurde, weist die BRAK darauf hin, dass sich bei Mas-senschadensereignissen eine Klage für die Kunden oftnicht lohnt. Häufig bleiben daher Rechtsverletzungenungeahndet, denn Verbraucher haben in derartigenSituationen keine wirkliche Verhandlungsmacht, umdie vorgegebenen Vertragsbedingungen abzuändern.Schutznormen zugunsten der Verbraucher seien über-flüssig, wenn es keine Möglichkeit gibt, sie effektivdurchzusetzen. Somit sollte den Kunden ein Verfahrenzur Verfügung stehen, das effektiven Rechtsschutz zubezahlbaren Konditionen ermöglicht. Derzeit fehle einsolches in Deutschland.

UNABHÄNGIGKEIT UND VERSCHWIEGENHEIT IMFOKUS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTSDas Europäische Parlament hat nach Veröffentlichungder „Panama Papers“ einen Untersuchungsausschuss

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AUS DER ARBEIT DER BRAK

232

PETERSEN/BARCA-CYSIQUE/GRÜNEWALD, DIE BRAK IN BRÜSSEL

zur Untersuchung von Steuervermeidung, Geldwäscheund Steuerhinterziehung eingerichtet.Nach mehreren Anhörungen und nach Durchführungdiverser Studien haben die Co-Berichterstatter PetrJežek (ALDE, Tschechien) und Jeppe Kofod (S&D, Däne-mark) am 10.7.2017 ihren Berichtsentwurf sowie einenEntwurf für Empfehlungen dem Untersuchungsaus-schuss vorgestellt. Hierin stellen sie ihre Ergebnisse dervom Ausschuss durchgeführten Untersuchungen darund kommen zu dem Ergebnis, dass in mehreren FällenMissstände bei der EU-Gesetzgebung festzustellen sei-en. In den Empfehlungen fordern sie die EuropäischeKommission auf, klarzustellen, was illegale Steuerhinter-ziehung bedeutet und was unter legale, aber unmora-lische Aktivitäten in Bezug auf Steuerplanung fällt.Eine überraschende Forderung ist die Ersetzung derSelbstverwaltung durch eine staatliche Kontrolle. Impli-zit wird dadurch unter anderem die Abschaffung deranwaltlichen Unabhängigkeit und damit eines Be-standteils der Rechtsstaatlichkeit gefordert. Auch wirddie Verschwiegenheitspflicht von Berufsgeheimnisträ-gern angegriffen und als Hindernis der Aufdeckungvon Finanzstraftaten genannt. Die BRAK hat sowohl inpersönlichen Gesprächen als auch schriftlich den Ab-geordneten die diesbezüglichen rechtsstaatlichen Be-denken erklärt und eindringlich dazu aufgefordert, diedemokratischen und rechtsstaatlichen Grundprinzipiender EU und ihrer Mitgliedstaaten einzuhalten und ent-sprechende Änderungsanträge zu stellen (s. hierzuauch Paul, BRAK-Magazin 5/2017, 3).

ÖFFENTLICHE KONSULTATION ZUR ÜBERARBEITUNGDER VERBRAUCHERSCHUTZRICHTLINIENVom 30.6.2017 bis zum 8.10.2017 führt die Europäi-sche Kommission eine öffentliche Konsultation zur ge-zielten Überarbeitung der EU-Verbraucherschutzricht-linien durch. Nachdem sie in einer ersten Konsultation

vom April 2016 zu dem Ergebnis gekommen ist, dassim Verbraucherrecht in bestimmten Bereichen noch Ver-besserungsbedarf besteht, ersucht die EuropäischeKommission mit der jetzt eingeleiteten Konsultation dieInteressenträger um Rückmeldung hinsichtlich zielge-richteter legislativer Änderungen in einigen wichtigenEU-Richtlinien zum Verbraucherschutz. Danach sollenInformationen insbesondere dazu erlangt werden, obbei Einkäufen auf Online-Plattformen mehr Transparenzüber die Vertragspartner erwünscht ist und ob das EU-Verbraucherrecht für entsprechende Fernabsatzverträ-ge gelten soll. Außerdem soll geklärt werden, ob dieVerbraucherrechte auf Verträge für Onlinedienste aus-geweitet werden sollen, in denen die Verbraucher Da-ten bereitstellen und keine Geldleistung erbringen.

BAROMETER ZUR LAGE DER VERBRAUCHERAm 25.7.2017 hat die Europäische Kommission ihr dies-jähriges Barometer zur Lage der Verbraucher in der EUveröffentlicht. Damit misst sie die Verbraucherbedin-gungen in den einzelnen Ländern in Bezug auf dieKenntnisse der Bestimmungen und das Vertrauen derVerbraucher, der Einhaltung und Durchsetzung vonRechten sowie in Bezug auf Beschwerden und Streitbei-legung. Im diesjährigen Bericht wird festgestellt, dasszwar die Zahlen der Verbraucher in der EU, die onlineeinkaufen, und das Vertrauen der Verbraucher in denelektronischen Handel gestiegen seien, allerdings dieHändler weiterhin bei der Ausweitung ihres Online-Ge-schäfts zögern würden. Deutschland schneidet im dies-jährigen Bericht gut beim Vertrauen der Verbrauchersowie bei der Kenntnis der Verbraucher über ihre Rech-te ab. Auch die Anreize zur Nutzung alternativer Streit-beilegung sind in Deutschland positiv. Verbesserungs-bedarf besteht aber noch bei der von den Verbrauchernwahrgenommenen Umsetzung der Gesetze zur Ver-braucher- und Produktsicherheit.

DIE BRAK INTERNATIONALRECHTSANWÄLTINNEN DR. VERONIKA HORRER, LL.M., UND KEI-LIN TING-WINARTO, BRAK, BERLIN

Der nachfolgende Beitrag gibt einen Überblick überdie Tätigkeit der BRAK im internationalen Bereich inden Monaten von Juli bis August 2017.

BESUCH DES CHINESISCHEN VIZEJUSTIZMINISTERSXIONGAm 24.7.2017 fand in der BRAK ein Fachgespräch mitdem chinesischen Vizejustizminister und seiner Delega-tion zum Thema „Anwaltliches Berufsrecht“ statt. Emp-fangen wurde sie durch den Vizepräsidenten RAuN Dr.Ulrich Wessels. Die hochrangige Delegation war ins-besondere interessiert an der Situation der Anwälteund Kanzleien, den Entwicklungen des anwaltlichen

Gesellschaftsrechts, dem anwaltsgerichtlichen Diszipli-narverfahren sowie allgemeinen Informationen zumRechtsberatungsmarkt in Deutschland.

SEMINAR UND SYMPOSIUM IM RAHMEN DES RECHTS-ANWALTSAUSTAUSCHES CHINA-DEUTSCHLANDVom 16. bis 21.7.2017 fand in der Inneren Mongoleiin China das sechste Seminar im Rahmen des Rechts-anwaltsaustausches China-Deutschland statt. DasHauptthema des Seminars war das Strafverfahrens-recht und die Rolle des Strafverteidigers. Insbesonderefanden die Themen zur Taktik des Strafverteidigers,die Hauptverhandlung, die Verständigung und das Ju-

AUS DER ARBEIT DER BRAK | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

233

gendstrafrecht Eingang in die fachlichen Diskussionen.Im Anschluss an das Seminar fand ein Symposium zumThema Strafverfahren statt, welches einem größerenAdressatenkreis geöffnet wurde. Prof. Dr. Jan Bocke-mühl stellte in seinem Vortrag die Defizite des deut-schen Strafverfahrensrechts dar. Die chinesischen Kol-legen berichteten über die Arbeit des Strafverteidigersin China und die damit einhergehenden Herausforde-rungen. Besonders schwierig sei eine Verteidigung imErmittlungsverfahren, da es an einem Akteneinsichts-recht in diesem Verfahrensabschnitt mangele.

BESUCH DER VIETNAM BAR FEDERATIONIm Juli organisierten die IRZ e.V. und die BRAK gemein-sam die Studienreise einer hochrangigen Delegationder Vietnam Bar Federation nach Berlin zum Thema„Besondere Aspekte des anwaltlichen Berufsrechts“.Die Delegation wurde zunächst vom Vizepräsidentender BRAK RAuN Dr. Ulrich Wessels empfangen. The-matisch umfasste das Fachprogramm das Kammersys-tem, das anwaltsgerichtliche Disziplinarverfahren, dieRolle des Rechtsanwalts bei der Gesetzgebung, die Be-rufshaftpflichtversicherung sowie den Besuch derSchlichtungsstelle der Anwaltschaft und einer Anwalts-kanzlei. Die Delegation war äußerst aktiv und interes-siert und berichtete tagesaktuell auf der Webseite derVietnam Bar Federation über die Erkenntnisse aus denunterschiedlichen Fachgesprächen.

BESUCH EINER DELEGATION DES JUSTIZ-YUAN AUSTAIWANIm Juli besuchte die Generaldirektorin des Justiz-YuansTaiwans die BRAK für ein Fachgespräch. Hintergrundist ein Vorhaben, in Taiwan ein Laienrichtersystem ein-zuführen. Darüber hinaus war die Delegation ins-besondere am elektronischen Rechtsverkehr im Straf-recht interessiert. Die Delegationsmitglieder waren au-ßerordentlich gut vorbereitet und mit den neuenrechtlichen Entwicklungen bestens vertraut, so dass eszu einem fruchtbaren Austausch kam.

HOSPITATIONSPROGRAMM FÜR JUNGE RECHTS-ANWÄLTE AUS MITTEL-, OST- UND SÜDOSTEUROPADas 24. Multilaterale Hospitationsprogramm der IRZe.V. für junge Rechtsanwälte aus Mittel-, Ost- und Süd-osteuropa hat am 28.8.2017 in Königswinter be-gonnen. 17 Teilnehmer aus zehn Ländern sind in demProgramm vertreten. Das Hospitationsprogramm bein-haltet ein zweiwöchiges Einführungsseminar mit Vor-trägen zu den relevanten Rechtsgebieten, eine vierwö-chige Hospitation der Teilnehmer in deutschen Kanzlei-en sowie ein Abschlussseminar.

Die BRAK beteiligte sich sowohl finanziell als auch per-sonell durch die Vortragstätigkeit von RA Dr. Frank En-gelmann, Präsident der RAK Brandenburg, RA Dr. JensEric Gotthardt, Vorsitzender des Ausschusses Gesell-schaftsrecht der BRAK, und des zuständigen Mitgliedsder Geschäftsführung an diesem Programm, um so diezukünftige Anwaltstätigkeit der jungen europäischenRechtsanwälte zu unterstützen.

BERATUNGSGESPRÄCHE ZUM NEUEN ANWALTSGESETZIN SLOWENIENAm 29. und 30.8.2017 haben Beratungsgesprächezum Entwurf eines neuen Anwaltsgesetzes in Slowe-nien zwischen dem Präsidenten Herrn Roman Završekund den Mitgliedern des Vorstandes der slowenischenAnwaltskammer (Odvetniška Zbornica Slovenije) einer-seits und dem Vize-Präsidenten der BRAK RAuN Dr. Ul-rich Wessels und dem zuständigen Mitglied der Ge-schäftsführung der BRAK andererseits in Ljubljanastattgefunden. Das aktuelle slowenische Anwalts-gesetz soll grundlegend überarbeitet werden, um dieRahmenbedingungen für die slowenische Anwaltschaftzu verbessern. Dabei sollen die deutschen Selbstver-waltungsstrukturen und das deutsche Berufsrecht alsVorbild dienen (s. hierzu Horrer, BRAK-Magazin 5/2017, 8).

AMTLICHE BEKANNTMACHUNGENBESCHLÜSSE DER 4. SITZUNG DER 6. SATZUNGSVERSAMMLUNG

Die Satzungsversammlung hat in ihrer Sitzung am19.5.2017 in Berlin folgende Beschlüsse gefasst:Beschlüsse zur Berufsordnung§ 2 Abs. 7 BORA wird wie folgt neu gefasst:Die Verschwiegenheitspflicht gebietet es dem Rechts-anwalt, die zum Schutze des Mandatsgeheimnisses er-forderlichen organisatorischen und technischen Maß-nahmen zu ergreifen, die risikoadäquat und für denAnwaltsberuf zumutbar sind. Technische Maßnahmen

sind hierzu ausreichend, soweit sie im Falle der An-wendbarkeit des Datenschutzrechts dessen Anfor-derungen entsprechen. Sonstige technische Maßnah-men müssen ebenfalls dem Stand der Technik entspre-chen. Abs. 3 lit. c) bleibt hiervon unberührt.Der bisherige Absatz 7 wird zu Absatz 8.§ 14 S. 1 BORA wird wie folgt geändert:Der Rechtsanwalt hat ordnungsgemäße Zustellungenvon Gerichten, Behörden und Rechtsanwälten ent-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AMTLICHE BEKANNTMACHUNGEN

234

gegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mitdem Datum versehen unverzüglich zu erteilen.

Beschluss zur Fachanwaltsordnung§ 15 Abs. 1 FAO wird um folgenden Satz 3 ergänzt:Bei dozierender Teilnahme ist die Vorbereitungszeit inangemessenem Umfang zu berücksichtigen.

AUSFERTIGUNGDie vorstehenden Beschlüsse werden hiermit aus-gefertigt.Ravensburg,den 30.5.2017gez. Ekkehart SchäferVorsitzender derSatzungsversammlung

Markt Diedorf,den 1.6.2017

gez. Anne RiethmüllerSchriftführerin

Mit Schreiben vom 17.8.2017 teilte das Bundesminis-terium der Justiz und für Verbraucherschutz mit, dass

die Beschlüsse gemäß § 191e der Bundesrechts-anwaltsordnung geprüft wurden und rechtlich nichtzu beanstanden sind.In-Kraft-TretenDie Änderungen treten am 1.1.2018 in Kraft.

Beschluss zur Geschäftsordnung der Satzungsver-sammlung§ 15 Abs. 2 GO SV wird wie folgt geändert:(2) Die jeweils aktuelle Zusammensetzung der Aus-schüsse der Satzungsversammlung wird auf der Inter-netseite der Bundesrechtsanwaltskammer veröffent-licht. Nur die hier genannten Ausschussmitgliedersind in den Ausschüssen stimmberechtigt. Eine zusätz-liche Bekanntgabe durch die Versammlungsleitung er-folgt nicht.In-Kraft-TretenDie Änderung tritt am 1.1.2018 in Kraft.

SITZUNG DER SATZUNGSVERSAMMLUNG

Die 5. Sitzung der 6. Satzungsversammlung findet am 1.12.2017 in Berlin statt.

PERSONALIENNACHRUF AUF RECHTSANWALT ALFRED ULRICHRECHTSANWALT HERBERT P. SCHONS, DUISBURG, PRÄSIDENT DER RECHTSANWALTSKAMMER DÜSSELDORF

Am 21.5.2017 ist der langjährige Präsident der RAKDüsseldorf, der viele Jahre auch Schatzmeister und da-mit Mitglied des Präsidiums der BRAK war, nach lan-ger schwerer Krankheit in Düsseldorf verstorben. MitRechtsanwalt Ulrich verliert die deutsche Anwaltschafteine herausragende Persönlichkeit, die das anwaltlicheBerufsrecht und das Bild der Anwaltschaft in der Öf-fentlichkeit weit über die Grenzen des OLG-BezirksDüsseldorf hinaus gestaltet und überaus positiv ge-prägt hat. Fast 20 Jahre lang war Rechtsanwalt Ulrich,der mit 42 Jahren bei seiner Wahl wohl der jüngstePräsident des Landes war, für die Kammer in dieserFunktion tätig und diente der Anwaltschaft – im wahrs-ten Sinne des Wortes – hierbei vorbildlich.

Als er im März 2011 aufgrund der plötzlich aufgetrete-nen Krankheit sein Amt aufgeben musste, war diesnicht nur für ihn und seine Familie, sondern auch fürden Vorstand der Kammer, ja für die Anwaltschaft imganzen Lande ein großer Schock. Jeder spürte, dasshier buchstäblich eine Ära zu Ende ging, eine Beurtei-lung, die nicht nur der langen Amtszeit geschuldet ist,sondern auch dem Umstand, dass Rechtsanwalt Ulrich

über einen solch langen Zeitraum ohne Fehl und Tadelmit sicherer Hand das Schiff unserer Kammer oftmalsauch durch schweres Wasser gesteuert hat.

Während der Amtszeit von Alfred Ulrich durchlebte dieAnwaltschaft immer wieder tiefgreifende Veränderun-gen und musste sich neuen Herausforderungen stellen.Es sei hier beispielhaft nur an die Schaffung der Sat-zungsversammlung, die Schuldrechtsreform, die Zivil-rechtsreform, das RVG und das RDG erinnert. Unter sei-ner Ägide wechselte die Zuständigkeit für die Zulassungvon Rechtsanwälten und deren Widerruf zur Kammerüber und ihm war es auch vergönnt, den 100. Geburts-tag unserer Kammer würdevoll zu organisieren. Undwährend seiner Amtszeit fand die RAK Düsseldorf inder Freiligrathstraße in dem ehemaligen Gebäude derDeutsch-Niederländischen Handelskammer eine neueHeimat. All diese Aufgaben und Herausforderungenmeisterte Alfred Ulrich mit ruhiger Hand und dem ihmoffensichtlich geradezu angeborenen preußischenPflichtbewusstsein im besten Sinne des Wortes.

Will man seine Amtsführung auf einen kurzen Nennerbringen, so muss man sagen: Sie war geprägt von be-

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

235

SITZUNG DER SATZUNGSVERSAMMLUNG

merkenswerter Uneitelkeit, Unaufgeregtheit und damiteiner Souveränität, auf die man nicht oft trifft. Ulrichwar weniger ein Mann der großen Worte denn der lei-sen Töne, denen aber nicht nur im eigenen Kammerbe-zirk, sondern sehr schnell auch bundesweit Aufmerk-samkeit geschenkt und Hochachtung entgegen-gebracht wurde. Schon wenige Jahre nach seinemAmtsantritt als Präsident der RAK Düsseldorf wurdeihm das Amt des BRAK-Präsidenten angetragen, daszu diesem Zeitpunkt anzunehmen ihm seine schon be-reits erwähnte Uneitelkeit wohl verbot.Dafür übernahm er – wieder einmal ganz pflicht-bewusst – das Amt des BRAK-Schatzmeisters und ge-hörte nun über viele Jahre hinweg dem Präsidium derBRAK an. Auch diese Amtsführung verschaffte ihmbundesweit hohe Anerkennung, ein enges freund-schaftliches Verhältnis zu dem jeweils aktuellen Prä-sidenten und den übrigen Präsidiumsmitgliedern undden Ruf, auch in schwierigen Zeiten die Ruhe zu be-wahren. Eines aber zeichnete Alfred Ulrich ganz beson-ders aus, erkennbar in der Amtsführung als Präsidentund Schatzmeister und vielleicht das augenfälligste Re-sultat jener Charaktereigenschaften, die hier bisher be-reits erwähnt wurden:Ulrich war ein echter Teamworker, der Aufgaben nichtnur zu verteilen, sondern auch im besten Sinne des

Wortes zu teilen verstand und der anschließend die Ar-beitsleistung des Betroffenen auch gebührend in derÖffentlichkeit stets erwähnte und hervorhob. Sich mitfremden Federn zu schmücken war etwas, was ihm völ-lig fremd war und wer sich in die tägliche Kammer-arbeit einbrachte, der konnte sicher sein, dass diesam Abend nicht unbemerkt blieb und bei passenderGelegenheit auch erwähnt wurde. Wer das Glück hat-te, seine Präsidentschaft begleiten und vielleicht auchein wenig mitgestalten zu dürfen, wird diese Zeit derkameradschaftlichen Zusammenarbeit, durchdrungenvon gegenseitigem Respekt und Loyalität, kaum ver-gessen können.Alfred Ulrich war ein guter, nein er war ein großer Prä-sident! Und so war es eine Selbstverständlichkeit, dassder neu zusammengesetzte Vorstand ihn in der Sit-zung vom 17.6.2015 einstimmig zum Ehrenpräsiden-ten ernannte, eine Würde, die einem Präsidenten die-ser Kammer erstmals zuteil geworden ist.Der Vorstand der RAK Düsseldorf wird seinem langjäh-rigen Präsidenten, Ehrenpräsidenten, Kollegen undFreund ein bleibendes Andenken bewahren. Hier giltin ganz besonderem Maße auch für die Rechtsanwalts-kammer Düsseldorf das Wort: Nicht trauern wollenwir, dass wir ihn verloren haben, sondern dankbarsein, dass wir ihn gehabt haben.

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNGBERUFSRECHTE UND PFLICHTEN*LEITSATZ DER REDAKTION (ORIENTIERUNGSSATZ)

PENSIONIERTER RICHTER ALS RECHTSANWALT

BRAO § 45; BeamtStG § 41 S. 2; GG Art. 12

1. Das Auftreten eines in den Ruhestand versetztenRichters als Rechtsanwalt vor dem Gericht, an demer zuvor tätig war, begründet die Besorgnis der Be-einträchtigung dienstlicher Belange und rechtfer-tigt es, ihm diese Tätigkeit für eine Übergangszeitzu untersagen.

2. Die für eine Untersagungsverfügung erforderli-che Besorgnis liegt nur bei einer nach außen er-kennbaren Tätigkeit als Prozessbevollmächtigtervor. Hintergrundberatungen oder andere „of coun-sel“-Aktivitäten dürfen nicht untersagt werden.

BVerwG, Urt. v. 4.5.2017 – 2 C 45.16

AUS DEN GRÜNDEN:[1] I. Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob und inwie-weit einem in den Ruhestand versetzten Richter die Tä-

tigkeit als Rechtsanwalt vor seinem früheren Dienst-gericht für eine Übergangszeit untersagt werden kann.

[2] Der 1949 geborene Kl. stand als Richter am Land-gericht im Dienst des beklagten Landes und war zu-letzt in einer Zivilkammer des LG Münster tätig. MitAblauf des Jahres 2014 versetzte der Bekl. ihn auf sei-nen Antrag vorzeitig in den Ruhestand. Dabei wurdeder Kl. darauf hingewiesen, dass ein Auftreten alsRechtsanwalt vor der bisherigen Dienstbehörde vorAblauf von fünf Jahren nach Versetzung in den Ruhe-stand bzw. vor Ablauf von drei Jahren nach Eintritt inden Ruhestand untersagt werden müsse.

[3] Nachdem bekannt geworden war, dass der Kl. invier vor dem LG Münster anhängigen ZivilverfahrenSchriftsätze für einen Mandanten als Rechtsanwalteingereicht hatte, wies der Präsident des OLG Hammden Kl. mit Schreiben v. 31.7.2015 darauf hin, dasseine Anzeige dieser Tätigkeiten nicht vorliege undbeim Auftreten eines pensionierten Richters als Rechts-anwalt vor seinem früheren Dienstgericht dienstlicheInteressen beeinträchtigt würden. Dies gelte nicht nur

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

236

BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN

für die Wahrnehmung von Terminen, sondern auch fürgerichtlichen Schriftverkehr und ein „im Hintergrund“durchgeführtes Mitwirken an Verfahren.[4] Mit Verfügung v. 14.8.2015 untersagte der Prä-sident des OLG Hamm dem Kl., bis einschließlich31.12.2019 vor dem LG Münster als Rechtsanwalt auf-zutreten. Bei der Tätigkeit eines pensionierten Richtersvor seinem bisherigen Dienstgericht bestehe die Ge-fahr, dass zumindest der Eindruck einer Beeinflussungder Sachbearbeitung durch die frühere Funktion ent-stehe. Der Anschein eines solchen Interessenkonfliktssei geeignet, das Vertrauen der Allgemeinheit in die In-tegrität und Unvoreingenommenheit der Justiz zu be-einträchtigen.[5] In dem gegen die gleichzeitig angeordnete soforti-ge Vollziehung gerichteten Eilrechtsschutzverfahrenhat das Oberverwaltungsgericht die aufschiebendeWirkung der vom Kl. erhobenen Klage ab dem 1.4.2018 wiederhergestellt, den Antrag im Übrigen aberabgelehnt. Auch im Hauptsacheverfahren hat das Ver-waltungsgericht die Untersagung daraufhin insoweitaufgehoben, als dem Kläger ein Auftreten als Rechts-anwalt vor dem LG Münster über den 31.3.2018 hi-naus untersagt worden ist, und die Klage im Übrigenabgewiesen. Zur Begründung hat es auf den Beschlussdes Oberverwaltungsgerichts im Verfahren des vorläu-figen Rechtsschutzes verwiesen.[6] Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenenSprungrevision verfolgt der Kl. sein Begehren weiter. Erbeantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Münsterv. 30.8.2016 und den Bescheid des Präsidenten desOLG Hamm v. 14.8.2015 insgesamt aufzuheben.[7] Der Bekl. beantragt, die Sprungrevision zurück-zuweisen.[8] II. Die zulässig erhobene Sprungrevision des Kl. istbegründet, soweit das Verwaltungsgericht die Klagegegen den angegriffenen Bescheid auch insoweit ab-gewiesen hat, als dem Kl. hierdurch auch eine Tätigkeitvor dem LG Münster untersagt wird, bei der der Kl.nicht erkennbar in Erscheinung tritt. Im Übrigen stehtdas Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit es die Kla-ge abgewiesen hat, mit revisiblem Recht in Einklang(§ 137 I Nr. 1 VwGO und § 191 II VwGO, § 127 Nr. 2BRRG und § 63 III 2 BeamtStG). Ein in den Ruhestandversetzter Richter darf zwar erst nach einer Über-gangs- und Karenzzeit als Rechtsanwalt vor seinemfrüheren Dienstgericht auftreten (1.). Diese Einschrän-kung gilt aber nur für Tätigkeiten, bei denen der inden Ruhestand versetzte Richter erkennbar in Erschei-nung tritt (2.).[9] 1. Tätigkeiten eines Ruhestandsbeamten oder -rich-ters, die geeignet sind, das Vertrauen der Allgemein-heit in die Integrität des Berufsbeamtentums oder dieRechtspflege zu beeinträchtigen, müssen untersagtwerden (a). Hierfür reicht die Besorgnis einer Beein-trächtigung dienstlicher Interessen – etwa durch In-anspruchnahme fortbestehender persönlicher Kontak-te zu früheren Kollegen für private Zwecke – aus (b).Ein auf dienstrechtlicher Grundlage ausgesprochenesVerbot für einen Ruhestandsrichter, als Rechtsanwaltvor seinem früheren Dienstgericht auftreten zu dürfen,

wird nicht durch die Regelungen der Bundesrechts-anwaltsordnung verdrängt (c).[10] a) Rechtsgrundlage der angegriffenen Untersa-gungsverfügung sind § 2 Richter- und Staatsanwälte-gesetz für das Land Nordrhein-Westfalen v. 8.12.2015 (GV. NRW. 2015, 812 – LRiStaG NW) i.V.m.§ 71 DRiG und § 41 S. 2 BeamtStG. Danach ist die Er-werbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung eines Ru-hestandsbeamten oder -richters zu untersagen, wennzu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessenbeeinträchtigt werden.[11] Beamte oder Richter im Ruhestand haben keineDienstleistungspflicht mehr. Hierdurch verändern sichInhalt und Ausmaß ihrer Pflichtenstellung; insbesonde-re muss der Ruhestandsbeamte sich nicht mehr mitvollem Einsatz seinem Beruf widmen. Da er ein Haupt-amt nicht mehr versieht, darf der Ruhestandsbeamteoder -richter seine Schaffenskraft nunmehr vollumfäng-lich für andere Betätigungen einsetzen und verwenden.[12] Auch im Ruhestand bleibt das Beamten- oderRichterverhältnis – einschließlich Alimentierung undBeihilfegewährung durch den Dienstherrn – bestehen.Die fortwirkende Pflichtenbindung überlagert weiterhindie Rechtsstellung des Beamten oder Richters. Soweitdies dienstliche Interessen erfordern, ist auch dieGrundrechtsbetätigung weiter durch Art. 33 V GG be-schränkt (vgl. BVerfG, Urt. v. 24.9.2003 – 2 BvR1436/02, BVerfGE 108, 282 [296]). Auch nach demAusscheiden aus dem aktiven Dienst und seinem Amtdarf ein Beamter oder Richter etwa sein dienstlich er-langtes Amtswissen nicht privat verwerten. Hierdurchwürde das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integri-tät des Berufsbeamtentums beeinträchtigt (vgl. BT-Drs. 16/4027, 33 zu § 42).[13] Ist durch die Ruhestandsbetätigung eines Beamteneine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu besor-gen, muss sie untersagt werden (§ 41 S. 2 BeamtStG).§ 41 S. 3 BeamtStG sieht hierfür eine Übergangsfristvon höchstens fünf Jahren vor, die nach § 52 V 2 LBGNRW spätestens drei Jahre nach dem Zeitpunkt desfür den Beamten oder Richter geltenden Regelruhe-standseintritts endet (OVG Münster, Beschl. v. 2.3.2016 – 1 B 1375/15, NVwZ-RR 2016, 747 Rn. 97).[14] b) Nach § 41 S. 2 BeamtStG reicht bereits die Be-sorgnis einer Beeinträchtigung dienstlicher Interessenals Anknüpfungspunkt der Untersagung aus.

Begründeter An-schein der Beein-trächtigung

[15] Voraussetzung einer Untersagung ist damit nicht,dass die Beeinträchtigungbereits eingetreten ist oderim konkreten Falle droht.Ausreichend für den Vor-feldtatbestand der Besorg-

nis ist vielmehr der „begründete Anschein“, dass durcheine entsprechende Tätigkeit bei einem verständig undsachlich denkenden Bürger Zweifel an der Integrität derRechtspflege entstehen könnten (vgl. BVerwG, Urt. v.6.12.1989 – 6 C 52.87 – BVerwGE 84, 194 [202] undv. 26.6.2014 – 2 C 23.13 – BVerwGE 150 153 Rn. 25).[16] Die anwaltliche Vertretung eines Prozessbeteilig-ten durch einen Ruhestandsrichter, der noch vor Kur-

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

237

zem selbst als Kollege der nunmehr zur Entscheidungberufenen Richter tätig war, rechtfertigt nicht nur ausSicht der gegnerischen Partei, sondern auch aus derPerspektive eines verständigen und neutralen Prozess-beobachters die vernünftige und nicht gänzlich fernlie-gende Befürchtung, durch die fortbestehenden persön-lichen Kontakte zu den früheren Kollegen und Mit-arbeitern könnten die von dem Ruhestandsrichtervertretenen Rechtssachen in ungebührlicher Weise ge-fördert werden (vgl. zur Bezugnahme auf kollegialeKontakte auch bereits BVerwG, Urt. v. 6.12.1989 – 6C 52.87, BVerwGE 84, 194 [196] und v. 12.12.1996– 2 C 37.95, BVerwGE 102, 326 [328]).[17] Unabhängig davon, dass derartig generelle undunterhalb der individuellen Befangenheitsschwelle lie-gende Persönlichkeitsbeziehungen regelmäßig nichtzu einer unsachlichen Prozessführung führen werdenund von Richtern auch in dieser Situation eine unvor-eingenommene Sachbearbeitung erwartet werdenkann und muss, soll die Integrität des Berufsbeamten-tums und der Rechtspflege durch die Anknüpfung aneine „Besorgnis“ bereits vor einer derartigen und nichtvöllig anlasslosen Missdeutung geschützt werden (vgl.BT-Drs. 16/513, S. 16).[18] Dieses Anliegen rechtfertigt es, die Berufsaus-übung von Ruhestandsrichtern vor ihrem früherenDienstgericht generell für einen bestimmten Zeitraumnach dem Eintritt in den Ruhestand zu beschränken.[19] c) Die auf § 2 LRiStaG NW i.V.m. § 71 DRiG und§ 41 S. 2 BeamtStG gestützte Untersagungsanord-nung ist auch nicht durch die Regelungen der BRAOausgeschlossen oder beschränkt.[20] Zwar sieht das Berufsrecht der Rechtsanwälte eineentsprechende Karenzzeit für eine Tätigkeit ehemaligerRichter nicht mehr vor. Die in § 20 I Nr. 1 BRAO a.F.enthaltene Bestimmung, wonach die Zulassung beidem im Antrag bezeichneten Gericht in der Regel ver-sagt werden soll, wenn der Bewerber innerhalb der letz-ten fünf Jahre in dem Bezirk des Landgerichts, in demer zugelassen werden will, als Richter oder Beamterauf Lebenszeit angestellt war, ist durch Gesetz v. 26.3.2007 (BGBl. I 358) aufgehoben worden und die Ein-schränkung damit entfallen. Auch die Einführung einesentsprechenden Tätigkeitsverbots in § 45 I Nr. 5 BRAOhat nachfolgend keine Mehrheit gefunden (vgl. BT-Drs.16/513, 24 sowie BT-PlPr. 16/73, 7257).

Keine Sperrwirkungdurch Anwaltsrecht

[21] Der Umstand, dass die Tätigkeit ehemaliger Rich-ter im Berufsrecht derRechtsanwälte keine Ein-schränkungen mehr findet,bewirkt aber keine Sperr-

wirkung für ein entsprechendes Verbot auf dienstrecht-licher Grundlage. Dies folgt aus den unterschiedlichenRegelungszwecken der konkurrierenden Ermächti-gungsgrundlagen.[22] Schutzgut der Bundesrechtsanwaltsordnung istdie Integrität des Rechtsanwalts als unabhängiges Or-gan der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und das Vertrauens-verhältnis des Rechtsanwalts zu seinen Mandanten(vgl. BT-Drs. 12/4993, 29). Zuständig ist insoweit pri-mär die jeweilige Rechtsanwaltskammer. § 41 S. 2 Be-

amtStG dagegen dient der Funktionsfähigkeit der öf-fentlichen Verwaltung (vgl. BT-Drs. 16/4027; 33). Mitdieser Vorschrift sollen der Dienstherr und die All-gemeinheit vor Beeinträchtigungen der Wahrnehmungöffentlicher Aufgaben geschützt werden. Hierfür erhältder Dienstherr die Befugnis, die nachwirkende Loyali-tätspflicht des Beamten oder Richters zu konkretisierenund Tätigkeiten zu untersagen, die eine Beeinträchti-gung dienstlicher Interessen besorgen lassen. Hierbeihandelt es sich um eine typische dienstrechtliche Situa-tion von Rechten und Pflichten, die im Dienstrecht zuregeln ist und auch geregelt wurde. Die Annahme, die-se Konfliktsituation könnte abschließend durch in derBRAO enthaltene Vorschriften geklärt werden, gehtschon deswegen fehl, weil dann die Wahrnehmungder dienstlichen Interessen des Dienstherrn der RAKobläge. Dies wäre mit ihrem beschränkten Aufgaben-und Zuständigkeitsbereich nicht zu vereinbaren.[23] Auch wenn sowohl die BRAO als auch die Vor-schriften der Richter- und Beamtengesetze Regelungenzu der Frage enthalten, ob ein ehemaliger Richter so-fort als Rechtsanwalt vor seinem früheren Dienst-gericht auftreten darf oder hierzu eine Karenzfrist ein-zuhalten ist, schließen sich diese daher nicht aus. Siesind vielmehr eigenständig und unabhängig voneinan-der durch die jeweils berufenen Organe und mit unter-schiedlichen Zielsetzungen anzuwenden.[24] 2. Der mögliche Anschein einer sachwidrigen In-anspruchnahme persönlicher Kontakte zu früheren Kol-legen setzt voraus, dass der Ruhestandsrichter erkenn-bar als Prozessvertreter seines Mandanten in Erschei-nung tritt (a). Soweit die Untersagungsverfügungauch bloße Hintergrundberatungen betrifft, muss siedaher aufgehoben werden (b).[25] a) Das Auftreten eines in den Ruhestand versetz-ten Richters als Rechtsanwalt vor dem Gericht seinerfrüheren Dienstleistung kann geeignet sein, den An-schein zu erwecken, das in dienstlicher Funktion erwor-bene „Amtswissen“ einschließlich kollegialer Kontaktezu noch im Dienst befindlichen Richtern und Beschäftig-ten führe zu einer unsachlichen Förderung der von demRuhestandsrichter vertretenen Mandate. Die hierin lie-gende Besorgnis einer Beeinträchtigung des Vertrauensin die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justizvermag daher eine auf § 2 LRiStaG NW i.V.m. § 71DRiG und § 41 S. 2 BeamtStG gestützte Untersagungzu rechtfertigen. Mit dem Tätigkeitsverbot soll bereitsder Anschein eines möglichen Interessen- und Loyali-tätskonflikts im Dienstbereich des Gerichts vermiedenund auf diese Weise die Integrität der Rechtspflegeund das Vertrauen in diese geschützt werden.[26] Voraussetzung für eine entsprechende Annahmeist aber, dass die Tätigkeit des Ruhestandsrichters beiverständiger Würdigung den Anschein einer Ausnut-zung seiner früheren Amtsstellung einschließlich persön-licher Kontakte zu den früheren Kollegen zulässt (vgl.OVG Lüneburg, Beschl. v. 26.9.2016 – 5 ME 104/16,DRiZ 2016, 424 Rn. 33; VGH München, Beschl. v. 20.8.2013 – 3 CS 13.1110, Rn. 38 und v. 19.9.2016 – 3 ZB14.1306, Rn. 7; OVG Saarlouis, Beschl. v. 13.3.2014 –1 A 379/13, NZA-RR 2014, 331 Rn. 7).

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

238

[27] Da der zu vermeidende „böse Anschein“ an diewillentliche oder auch nur unwillkürliche Bevorzugungdes früheren Kollegen anknüpft, setzt er voraus, dassdie derzeit bei dem Gericht tätigen Richter und Be-schäftigten von der anwaltlichen Tätigkeit des früherenRichters Kenntnis haben können. Tritt der Ruhestands-richter als Prozessvertreter in einem Termin vor seinemfrüheren Dienstgericht auf, führt er zur Förderung derInteressen seines Mandanten Telefongespräche oderunterzeichnet er an sein ehemaliges Dienstgericht ad-ressierte Schriftsätze, besteht ein tatsächlicher An-knüpfungspunkt für die Möglichkeit einer unsachgemä-ßen Einflussnahme zugunsten einer bestimmtenRechtssache. Die für eine Untersagungsverfügung er-forderliche Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicherBelange liegt damit vor.[28] Anders liegen die Dinge indes, wenn der Ruhe-standsrichter nicht nach außen erkennbar in Erschei-nung tritt.

Bloße Hintergrund-beratung zulässig

Eine bloße Hintergrundberatung oder andere „of coun-sel“-Aktivitäten sind auchfür die früheren Kollegennicht erkennbar, so dasskein Anknüpfungspunkt für

die Besorgnis besteht, gerade diese Rechtssache könnewegen der früheren Amtstätigkeit des jetzigen Rechts-anwalts in sachwidriger Weise gefördert werden.[29] Zwar kann auch in diesen Fällen – etwa wenn derName des Ruhestandsrichters im Briefkopf einerRechtsanwaltskanzlei aufgeführt wird – die theoretischeMöglichkeit einer auf persönlichen Kontakten beruhen-den Prozessförderung nicht gänzlich ausgeschlossenwerden. Da es an einer erkennbaren Verknüpfung desRuhestandsrichters mit einer bestimmten Rechtssachefehlt, liegen aber ausreichende tatsächliche Anhalts-punkte für die Annahme nicht mehr vor, bei einem ver-ständig und sachlich denkenden Bürger könnten Zweifelan der Integrität der Rechtspflege entstehen. Ein der-artig weitgespanntes Tätigkeitsverbot wäre im Hinblickauf die Berufsausübungsfreiheit des Ruhestandsrichters(Art. 12 I GG) auch nicht zu rechtfertigen. Gleiches giltetwa für die bloße Anwesenheit des früheren Richtersin dem für die allgemeine Öffentlichkeit reservierten Zu-schauerbereich des Gerichtssaals.[30] b) In der angegriffenen Untersagungsverfügungwird dem Kl. zwar im Wortlaut nur das „Auftreten“als Rechtsanwalt vor dem LG Münster untersagt. BeiZugrundelegung des maßgeblichen, „objektiviertenEmpfängerhorizonts“ musste der Kl. aber davon aus-gehen, dass damit auch eine bloße Hintergrundbera-tung verboten sein sollte (vgl. zur entsprechenden An-wendung des § 133 BGB etwa BVerwG, Urt. v. 15.9.2010 – 8 C 21.09, BVerwGE 138, 1 Rn. 36, dort auchzur Auslegungsbefugnis des Revisionsgerichts, und v.30.10.2013 – 2 C 23.12, BVerwGE 148, 217 Rn. 15).[31] In dem unmittelbar vor Erlass der Untersagungs-verfügung vom Präsidenten des OLG verfassten Anhö-rungsschreiben war ausdrücklich klargestellt worden,dass der Begriff des „Auftretens“ im Hinblick auf denSchutzzweck der Regelungen weit auszulegen sei undjedes, auch „im Hintergrund durchgeführte“ Mitwirken

an einem Verfahren betreffe. Angesichts des unmittel-baren Zusammenhangs von Anhörungsschreiben undUntersagungsverfügung musste der Kl. das gegenüberihm ausgesprochene Verbot nach den Gesamtumstän-den daher so verstehen, dass es auch bloße Hinter-grundberatungen, die nach außen nicht erkennbarsind, umfassen sollte. Dementsprechend hat auch dasOberverwaltungsgericht im Verfahren des vorläufigenRechtsschutzes die Anordnung nicht als nur auf dieTeilnahme an Gerichtsterminen bezogen bewertet.

HINWEISE DER REDAKTION:Bisher war umstritten, ob bzw. inwieweit einem pen-sionierten Richter verboten werden darf, als Rechts-anwalt vor demselben Gericht aufzutreten, an demer langjährig tätig gewesen ist. Das VG Münster(BRAK-Mitt. 2016, 96) hatte noch entschieden, dassdie an einen Richter im Ruhestand adressierte gene-relle Untersagung für einen bestimmten Zeitraumnach dem Ausscheiden aus dem Richterdienst vorseinem ehemaligem Dienstgericht als Rechtsanwaltaufzutreten, rechtswidrig ist, wenn nicht im konkre-ten Einzelfall konkrete Umstände hinzutreten, dieeine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen besor-gen lassen.

VERGLEICH EINES RICHTERS MIT DEMNS-RICHTER ROLAND FREISLER

StGB §§ 185, 193; GG Art. 5

* 1. Vor dem Hintergrund der verfassungsgericht-lichen Rechtsprechung muss eine Ehrverletzung ge-genüber der Meinungsäußerungsfreiheit grund-sätzlich dann zurücktreten, wenn der Vorwurf Teileiner umfassenderen Meinungsäußerung ist undder Durchsetzung legitimer prozessualer Rechtedient. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass einRichter schon von Berufs wegen in der Lage undauch gehalten ist, überpointierte Kritik an seinerArbeit beim „Kampf um das Recht“ auszuhalten.* 2. Dies gilt auch dann, wenn ein Rechtsanwalt dieVorgehensweise eines Richters im Rahmen einerStellungnahme zu der Verwerfung eines Klageer-zwingungsantrags mit dem Verhalten des NS-Rich-ters Roland Freisler vergleicht.OLG München, Beschl. v. 31.5.2017 – 5 OLG 13 Ss 81/17

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Das OLG Hamm hat hingegen mit Beschluss vom7.5.2015 (BRAK-Mitt. 2015, 245) entschieden, dasseine nicht gerechtfertigte Schmähkritik bereits dannvorliegt, wenn einer Partei eines Mietrechtsstreitseine „verdorbene charakterliche Natur“ bescheinigtwird. Zu einem weiteren „Freisler-Vergleich“ s. OLGMünchen, Beschl. v. 11.7.2016 – 5 OLG 13 Ss 24/16 und dazu Nitschke, BRAK-Magazin 4/2016, 13.

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

239

BERUFSRECHTE UND PFLICHTEN

VERGÜTUNG

ZUM ERSATZ VORGERICHTLICHERRECHTSANWALTSKOSTEN

BGB § 49 II 1

1. Dem Anspruch des Geschädigten auf Ersatz vor-gerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist im Verhältniszum Schädiger grundsätzlich der Gegenstandswertzugrunde zu legen, der der berechtigten Schadens-ersatzforderung entspricht.2. (…)BGH, Urt. v. 18.7.2017 – VI ZR 465/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

REISEKOSTEN DES DEUTSCHEN ANWALTSEINER AUSLÄNDISCHEN PARTEI

ZPO § 91 II 1

Einer ausländischen Partei ist es unabhängig vonihrer Parteirolle grundsätzlich nicht zuzumuten,die Wahl des deutschen Rechtsanwalts am Sitzdes Prozessgerichts auszurichten (Fortführung vonBGH, Beschl. v. 12.9.2013 – I ZB 39/13, NJW-RR2014, 886).BGH, Beschl. v. 4.7.2017 – X ZB 11/15

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Mit Beschluss vom 12.9.2013 (BRAK-Mitt. 2014,160) hatte der BGH entschieden, dass ein die Kos-tenerstattung gemäß § 91 II 1 ZPO ausschließenderRechtsmissbrauch nicht allein darin liegt, dass derim Ausland ansässige Kläger das ihm gemäß § 35ZPO zustehende Wahlrecht dahin ausübt, dass erweder am Gerichtsstand des Beklagten noch amSitz seines Prozessbevollmächtigten klagt, sondernbei einem Dritten, sowohl vom Sitz des klägerischenProzessbevollmächtigten als auch vom Wohnsitzdes Beklagten weit entfernten Gerichtsort.

KOSTENLOSE ERSTBERATUNG FÜRVERKEHRSUNFALLBETEILIGTE

BRAO § 49b I 1, RVG §§ 4 I, 34

1. Der Rechtsanwalt darf kostenlose Erstberatun-gen für Personen anbieten, die einen Verkehrs-unfall erlitten haben.* 2. Schreibt das RVG keine bestimmte Gebühr füreine Erstberatung vor, gibt es keine Mindest-

gebühr, die unter Verstoß gegen § 49b I 1 BRAOunterschritten werden könnte. Das gilt auch hin-sichtlich der nach § 34 I 2 RVG, § 612 II BGB beiFehlen einer Vereinbarung maßgeblichen „übli-chen“ Vergütung.* 3. Die Vorschrift des § 34 I 1 RVG wird nicht durchdie in § 4 I RVG enthaltene Regelung dahingehendmodifiziert, dass die vereinbarte Vergütung in einemangemessenen Verhältnis zu Leistung, Verantwor-tung und Haftungsrisiko der anwaltlichen Leistungstehen muss.BGH, Urt. v. 3.7.2017 – AnwZ (Brfg) 42/16

AUS DEM TATBESTAND:[1] Der Kl. ist im Bezirk der Bekl. zur Rechtsanwalt-schaft zugelassen. Er ist Partner der Sozietät M. & D.Im Juni 2014 schaltete die Sozietät in der Zeitung„Mä.“ folgende Anzeige:„Verkehrsunfallkostenlose ErstberatungKennen Sie Ihre Rechte nach einem Verkehrsunfall?Unsere Kanzlei bietet Ihnen ab sofort nach einem Ver-kehrsunfall eine kostenlose Erstberatung an. SichernSie Ihre Rechte und vereinbaren Sie sofort nach einemVerkehrsunfall einen Termin mit unserer Kanzlei füreine kostenlose Erstberatung.M. & D. Rechtsanwälte …“[2] Mit Bescheid v. 28.5.2015 erteilte die Bekl. dem Kl.eine belehrende Ermahnung wegen der Verletzung derGrundsätze anwaltlichen Gebührenrechts. Nach § 49bBRAO, §§ 34, 4 RVG sei eine kostenlose Rechtsbera-tung ohne inhaltliche Qualifizierung anhand der Be-sonderheiten des Falls oder der den Rechtsrat suchen-den Person unzulässig. Der Widerspruch des Kl. wurdemit Widerspruchsbescheid v. 23.7.2015 zurückgewie-sen.[3] Der Kl. hält die belehrende Ermahnung für rechts-widrig. Seiner Ansicht nach kommt im Bereich der au-ßergerichtlichen Beratung eine verbotene Gebühren-unterschreitung schon deshalb nicht in Betracht, weiles keine gesetzlichen Gebühren mehr gibt. Er hat be-antragt, die belehrende Ermahnung der Bekl. v. 28.5.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides v. 23.7.2015 aufzuheben.Die Bekl. hat beantragt, die Klage abzuweisen.[4] Ihrer Ansicht nach darf ein Rechtsanwalt seine an-waltlichen Leistungen nur gegen eine angemesseneVergütung anbieten. Dies folge aus einer Gesamt-schau der Regelungen in § 49b I 2, II BRAO, § 4 RVGsowie aus dem Rechtsgedanken der §§ 611, 612 BGBund dem darin zum Ausdruck kommenden Äquivalenz-prinzip.[5] Der AGH hat den angefochtenen Bescheid auf-gehoben.[6] Gegen dieses Urteil richtet sich die vom AGH zuge-lassene Berufung der Bekl. Die Bekl. wiederholt undvertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und beantragt,

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

240

VERGÜTUNG

das Urteil des Brandenburgischen AGH v. 1.8.2016aufzuheben. Der Kl. beantragt, die Berufung zurück-zuweisen. Er verteidigt das angefochtene Urteil.[7] Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringensder Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätzenebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichenVerhandlungen Bezug genommen.

AUS DEN GRÜNDEN:[8] Die kraft Zulassung durch den AGH statthafte (vgl.§ 112e S. 2 BRAO, § 124 I VwGO) und auch im Übri-gen zulässige (§ 112e S. 2 BRAO, § 124a VI VwGO)Berufung bleibt ohne Erfolg.[9] 1. Die Klage ist als Anfechtungsklage statthaft(§ 112a I, § 112c I 1 BRAO, § 42 VwGO). Nach § 73II Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vorstand der RAK, dieKammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu be-raten und zu belehren. Gem. § 73 II Nr. 4 BRAO hat erdie Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegendenPflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zuhandhaben. Stellt der Vorstand einer RAK in Wahrneh-mung seiner Aufgaben fest, dass sich ein Rechtsanwaltberufswidrig verhalten hat, so kann er diesen auf dieRechtsauffassung der Kammer hinweisen und überden Inhalt seiner Berufspflichten belehren. Erteilt derVorstand der RAK einem Kammermitglied eine derarti-ge Belehrung, so stellt diese eine hoheitliche Maßnah-me dar, die das betroffene Mitglied in seinen Rechtenbeeinträchtigen kann. Als solche ist sie anfechtbar(BGH, Urt. v. 18.7.2016 – AnwZ (Brfg) 22/15 Rn. 10m.w.N.; Urt. v. 5.12.2016 – AnwZ (Brfg) 31/14 Rn. 7;vgl. auch BGH, Urt. v. 27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7).[10] 2. Die Klage ist auch begründet. Der Kl. hat nichtgegen berufsrechtliche Pflichten verstoßen, indem ereine kostenlose Erstberatung für Personen angebotenhat, die einen Verkehrsunfall erlitten haben. Insbeson-dere sind die Voraussetzungen des § 49b I 1 BRAOnicht erfüllt.[11] a) Nach § 49b I 1 BRAO ist es unzulässig, gerin-gere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zufordern, als das RVG vorsieht, soweit dieses nichts an-deres bestimmt. Die Ausnahmevorschrift des § 49b I 2BRAO, nach welcher der Rechtsanwalt die Gebührenund Auslagen nach Erledigung des Auftrags unter be-stimmten Voraussetzungen erlassen oder ermäßigendarf, greift ersichtlich nicht ein, weil die kostenloseErstberatung vorab und unabhängig von der Bedürftig-keit des Auftraggebers angeboten wurde.[12] b) Das RVG sieht keine bestimmte Gebühr füreine Erstberatung vor. Die Vergütung einer Beratungin außergerichtlichen Angelegenheiten ist in § 34 IRVG geregelt. Für einen mündlichen oder schriftlichenRat oder eine Auskunft, die nicht mit einer anderen ge-bührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängen, soll derRechtsanwalt auf eine Gebührenvereinbarung hinwir-ken, soweit im Vergütungsverzeichnis keine Gebührenbestimmt sind. Wenn keine Vereinbarung getroffen

worden ist, erhält der Rechtsanwalt Gebühren nachden Vorschriften des bürgerlichen Rechts, also in derRegel nach § 612 II BGB. Ist der Auftraggeber Ver-braucher, beträgt die Gebühr für ein erstes Beratungs-gespräch höchstens 190 Euro.

Keine Mindestgebührvorgeschrieben

[13] Schreibt das RVG keine bestimmte Gebühr füreine Erstberatung vor, gibtes keine Mindestgebühr,die unter Verstoß gegen§ 49b I 1 BRAO unterschrit-

ten werden könnte. Das gilt auch hinsichtlich der nach§ 34 I 2 RVG, § 612 II BGB bei Fehlen einer Verein-barung maßgeblichen „üblichen“ Vergütung; denn nachdem klaren Wortlaut des Gesetzes gehen Gebührenver-einbarungen vor (vgl. hierzu auch die Begründung desEntwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Kosten-rechts v. 11.11.2003, BT-Drs. 15/1971, 238 zu Art. 5Nr. 3). In der Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe(AGH Berlin, AnwBl. 2007, 375, 376; AGH NRW, NJW-RR 2014, 1335, 1336; AGH NRW, AnwBl. 2016, 767,768), der Zivilgerichte in Wettbewerbssachen (OLGStuttgart, NJW 2007, 924, 925; LG Essen, NJW-RR2014, 379, 380) und in der überwiegenden Kommentar-und Aufsatzliteratur (von Seltmann, in Gaier/Wolf/Gö-cken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 49b BRAORn. 30; Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl., § 49b Rn. 9;Schneider/Wolf/Onderka, RVG, 7. Aufl., § 4 Rn. 17; We-del, JurBüro 2007, 623, 624; Himmelsbach, GRUR-Prax2014, 399; Ring, DStR 2016, 2423; Fölsch, MDR 2016,133, 135; vgl. auch Bischof, in Bischof/Jungbauer/Bräu-er/Klipstein/Klüsener/Uher, RVG, 7. Aufl., § 4 Rn. 7;Hartung, in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl., § 34Rn. 37; Feuerich/Weyland/Brüggemann, BRAO, 9. Aufl.,§ 49b Rn. 9) wird eine kostenlose Erstberatung daherfür zulässig gehalten.[14] c) Entgegen der Ansicht der Bekl. wird die Vor-schrift des § 34 I 1 RVG nicht durch die in § 4 I RVGenthaltenen Regelungen dahingehend modifiziert,dass die vereinbarte Vergütung in einem angemesse-nen Verhältnis zu Leistung, Verantwortung und Haf-tungsrisiko der anwaltlichen Leistung stehen muss.[15] aa) Nach § 4 I 1 und 2 RVG kann in außergericht-lichen Angelegenheiten eine niedrigere als die gesetzli-che Vergütung vereinbart werden. Die Vergütungmuss in einem angemessenen Verhältnis zu Leistung,Verantwortung und Haftungsrisiko des Rechtsanwaltsstehen. Nach Ansicht der Bekl. ist die Vorschrift des§ 4 I 2 RVG auch auf Vergütungsvereinbarungennach § 34 I 1 RVG anzuwenden. Ein vollständiger Ver-zicht auf Gebühren für anwaltliche Leistungen sei nie-mals angemessen und deshalb unzulässig (ebensoHenssler/Prütting/Kilian, BRAO, 4. Aufl., § 49b Rn. 37).

Keine Anwendbarkeitdes § 4 I 2 RVG

[16] Die Vorschrift des § 4 I 2 RVG ist auf die Ge-bührenvereinbarung nach§ 34 I 1 RVG nicht an-wendbar. Das folgt schonaus dem Wortlaut der Vor-

schrift und ihrer Stellung im Gesetz. § 4 I 2 RVG

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

241

schließt an § 4 I 1 RVG an. Er setzt also eine gesetzlichvorgeschriebene Vergütung voraus. Für eine Ver-gütung, die nicht gesetzlich vorgeschrieben ist, gilt§ 4 I 2 RVG also nicht (von Seltmann, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 49bRn. 30). Insbesondere gilt § 4 RVG nicht für Verein-barungen nach § 34 RVG (Mayer/Kroiß/Teubel, RVG,6. Aufl., § 4, Rn. 12; von Seltmann, in BeckOK RVG,Stand 1.6.2016, § 4 Rn. 2). Eine Äquivalenzkontrollefindet im Anwendungsbereich des § 34 RVG nicht statt(Kleine-Cosack, BRAO, 7. Aufl., § 49b Rn. 9).

[17] Die Bindung einer Vereinbarung nach § 34 RVGan den Maßstab des § 4 I 2 RVG stünde zudem imdeutlichen Widerspruch zu den in § 34 I 3 RVG bin-dend vorgeschriebenen Höchstgebühren, die unabhän-gig von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem Um-fang der Sache gelten. Sie widerspräche auch dem inder amtlichen Begründung zu § 34 RVG-E (BT-Drs.15/1971, 238 zu Art. 5 Nr. 3) zum Ausdruck gekom-menen Willen des Gesetzgebers. Danach sollen dieVergütungsvereinbarungen dem Auftraggeber verdeut-lichen, welche Gebühren er dem Anwalt schuldet, undzugleich gerichtliche Streitigkeiten über die Höhe derangemessenen Gebühren vermeiden. Müsste – wiedie Bekl. es für richtig hält – jede Gebührenverein-barung auf ihre Angemessenheit überprüft werden,wäre weder das Ziel der Transparenz für den Auftrag-geber noch dasjenige der Streitvermeidung zu errei-chen, zumal bei Fehlen einer gesetzlichen Vergütungzunächst Klarheit über den Prüfungsmaßstab geschaf-fen werden müsste.

[18] Entgegen der Ansicht der Bekl. folgt das gegentei-lige Ergebnis, die grundsätzliche Anwendbarkeit der§§ 3aff. RVG auf Vereinbarungen nach § 34 RVG,schließlich nicht aus § 3a I 4 RVG. Diese Vorschriftstellt klar, dass die Formvorschriften des § 3a I 1 und2 RVG nicht für eine Gebührenvereinbarung nach§ 34 RVG gelten. Daraus folgt jedoch nicht, dass dieübrigen Bestimmungen der §§ 3aff. RVG auch dannanwendbar sind, wenn ihr Wortlaut entgegensteht.

[19] bb) Nach § 4 I 3 RVG kann der Rechtsanwaltganz auf eine Vergütung verzichten, wenn die Voraus-setzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe vor-liegen. Die Bekl. möchte dieser Vorschrift entnehmen,dass ein Verzicht in anderen als den genannten Fällennicht zulässig ist. Daran ist richtig, dass § 4 I 3 RVGüberflüssig ist, soweit es um die Vergütung außer-gerichtlicher Beratungen i.S.v. § 34 I 1 RVG geht. Eineeigenständige Regelung enthält sie nur im Hinblick aufdie außergerichtliche Vertretung des bedürftigen Man-danten. Gerade für diesen Fall der außergerichtlichenVertretung Bedürftiger ist die Vorschrift jedoch ge-schaffen worden, wie sich aus der Begründung desEntwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Prozesskos-tenhilfe- und Beratungshilferechts v. 31.8.2012 (BR-Drs. 516/12, 72 zu Art. 14 Nr. 2) ergibt: „Nach § 4 IRVG kann eine niedrigere als die gesetzliche Gebührvereinbart werden, wenn sie in angemessenem Ver-

hältnis zu Leistung, Verantwortung und Haftung desRechtsanwalts steht. Da § 34 I RVG für die außer-gerichtliche Beratung schon keine gesetzliche Gebührvorsieht, steht § 4 I einer unentgeltlichen Tätigkeit in-soweit zwar nicht entgegen. Anders gestaltet sich diederzeitige Rechtslage aber, wenn der Rechtsuchendevertreten wird: Keine auch noch so geringe Leistungnebst Verantwortung und Haftungsrisiko wird je in ei-nem „angemessenen Verhältnis“ zum vollständigenVerzicht auf Bezahlung liegen. Die strikten Einschrän-kungen unentgeltlicher Tätigkeit widersprechen dabeiallerdings praktischen Bedürfnissen …“[20] Aus dieser Begründung folgt zugleich, dass jeden-falls nach Ansicht des Gesetzgebers eine Gebührenver-einbarung nach § 34 RVG nicht am Maßstab des § 4 I2 RVG zu messen ist.

HINWEISE DER REDAKTION:Bereits mit Beschluss vom 3.6.2016 (BRAK-Mitt.2016, 243) hat der AGH Nordrhein-Westfalen be-schlossen, dass es zulässig ist, für die anwaltlicheErstberatung eine Gebührenvereinbarung zu treffen,nach der der Mandant nichts zu zahlen hat. Darausfolge, dass die Werbung mit einer solchen Gebüh-renpraxis ebenfalls zulässig ist.

ANSPRUCH EINES FACHVERBANDS AUFERSTATTUNG DER ABMAHNKOSTEN

UWG §§ 3a, 8 III Nr. 2, 12 I 2; PBefG § 47 I 1 und II 1

1. Bei dem in § 47 I 1 und II 1 PBefG geregeltenVerbot, Taxen außerhalb behördlich zugelassenerStellen für Beförderungsaufträge bereitzuhalten,handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung,die der Wahrung der Chancengleichheit der Taxi-unternehmer beim Wettbewerb um Fahraufträgedient. Die Regelung ist deshalb gem. § 3a UWGdazu bestimmt, im Interesse der Marktteilnehmerdas Marktverhalten zu regeln.2. Ein Fachverband, zu dessen satzungsmäßigenAufgaben die Verfolgung der in seinem Gebiet auf-tretenden Wettbewerbsverstöße gehört, muss inpersoneller und sachlicher Hinsicht so ausgestattetsein, dass sich für typische und durchschnittlichschwierige Abmahnungen die Einschaltung einesRechtsanwalts erübrigt. Die Kosten für eine anwalt-liche Abmahnung, mit der typische und durch-schnittlich schwer zu verfolgende Wettbewerbsver-stöße geltend gemacht werden, sind auch dannnicht erstattungsfähig, wenn ein Fachverband nurausnahmsweise wettbewerbsrechtliche Ansprücheverfolgt (Festhaltung an BGH, Urt. v. 12.4.1984 – IZR 45/82, GRUR 1984, 691 – Anwaltsabmahnung).BGH, Urt. v. 6.4.2017 – I ZR 33/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

242

MÜNDLICHE VERGÜTUNGSVEREINBARUNG

BRAO § 43; RVG §§ 3a, 4b

* 1. Der Abschluss einer mündlichen Vergütungs-vereinbarung mit dem Mandanten stellt keinen mitdem Berufsrecht zu ahndenden Verstoß gem. § 43BRAO dar.* 2. Ein Verstoß gegen § 3a I RVG wird durch § 4bRVG geregelt, nach dem dem Rechtsanwalt höhereals die gesetzlichen Gebühren dann nicht mehr zu-stehen.AnwG Hamm, Beschl. v. 11.5.2017 – AnwG Hamm 52/16

AUS DEN GRÜNDEN:1. Der Betroffene hat seinen früheren Mandanten pp.in einem Wiederaufnahmeverfahren vertreten. Bevorer mit Schriftsatz v. 6.12.2013 den Antrag auf Wieder-aufnahme eines gegen seinen Mandanten geführtenStrafverfahrens stellte, übermittelte er seinem Man-danten mit Datum v. 29.8.2013 eine Honorarrech-nung über 2.500 Euro einschließlich Umsatzsteuer.Textlich war in der Rechnung vermerkt:„Der Rechnungsbetrag entspricht hierbei der bereitsmündlich getroffenen Vergütungsvereinbarung.“Die Rechnung wurde von seinem Mandanten bezahlt.Der ehemalige Mandant hat gegen den BetroffenenStrafanzeige wegen Betruges erstattet mit dem Vor-wurf, von dem Betroffenen in dem Wiederaufnahme-verfahren nicht sachgerecht vertreten worden zu sein.Die zuständige Staatsanwaltschaft pp. hat von der Ein-leitung von Ermittlungen abgesehen.Eine hiergegen eingeleitete Beschwerde wurde zurück-gewiesen.Der Betroffene räumt ein, seinem ehemaligen Man-danten eine Rechnung aufgrund einer nur mündlichgetroffenen Honorarvereinbarung gestellt zu haben.Er vertritt die Auffassung, dass darin ein berufsrecht-licher Verstoß nicht zu sehen ist. § 3a I 1 und 2 RVGstelle nach seiner Auffassung lediglich eine Formvor-schrift dar. Eine berufsrechtliche Pflicht des Anwaltsgegenüber seinem Mandanten stelle sie hingegennicht dar. Er meint zudem, eine Gebührenverein-barung, die entgegen der Vorschrift des § 3a RVG ge-schlossen sei, führe gem. § 4b RVG lediglich dazu,dass keine höheren als die gesetzlichen Gebühren ge-fordert werden können.Der Vorstand der RAK hat dem Betroffenen mit Schrei-ben v. 18.4.2016 eine Rüge erteilt. Dabei hat der Vor-stand festgestellt, dass die getroffene Vergütungsver-einbarung nicht den Anforderungen gem. § 3a RVGentsprach.Er sieht ferner einen berufsrechtlichen Verstoß in demUmstand, dass der betroffene Rechtsanwalt eine for-mell unwirksame Vergütungsvereinbarung getroffenhabe. Dabei diene § 3a RVG dem Schutz des Mandan-ten und ein Verstoß hiergegen stelle zugleich auch ei-nen berufsrechtlichen Verstoß dar.

Den hiergegen fristgerecht am 20.4.2016 eingelegtenEinspruch begründete der betroffene Rechtsanwalt imWesentlichen damit, dass der Mandant freiwillig undohne Vorbehalt eine Zahlung vorgenommen hat. § 3aI 1 RVG solle davor schützen, unüberlegt, leichtfertigoder unbewusst höhere als die gesetzlichen Gebühren-verpflichtungen einzugehen. Die Vorschrift diene demSchutz und der Warnung des Mandanten. Wenn einRechtsanwalt aus einer formell fehlerhaften Honorar-vereinbarung vorgehen würde, läge ein berufsrechts-widriges Verhalten vor. Da der ehemalige Mandanthingegen die Gebührenrechnung ohne Vorbehalt undweitere Anforderung gezahlt habe, liege kein berufs-rechtlicher Verstoß vor. Er meint zudem, § 3a RVG stel-le keine besondere berufsrechtliche Vorschrift dar.Der Einspruch wurde durch die Abteilung ll des Vor-standes der RAK Hamm mit Beschl. v. 7.9.2016 zu-rückgewiesen. Zur Begründung führt der Vorstand derRAK an, dass es sich bei § 3a RVG um eine besondereanwaltliche Berufspflicht handele.Gegen diesen Beschluss hat der betroffene Rechts-anwalt mit Schriftsatz v. 28.9.2016 Entscheidung desAnwaltsgerichts beantragt.2. Der zulässige Antrag ist auch in der Sache begrün-det. Rüge und Einspruchsentscheidung waren aufzuhe-ben, weil ein Berufsrechtsverstoß nicht festzustellenwar.

Verstoß gegen§ 3a RVG

Zwar hat der betroffene Rechtsanwalt gegen § 3a IRVG verstoßen, indem ereine mündliche Ver-gütungsvereinbarung mitseinem Mandanten ge-

schlossen hat. Dies stellt jedoch keinen mit dem Be-rufsrecht zu ahndenden Verstoß gem. § 43 BRAO dar.Richtig ist zwar, dass § 43 BRAO als Generalklauselweiterhin eine Überleitungsnorm ist, indem § 43BRAO die sich aus anderen gesetzlichen Regelungenmit berufsrechtlicher Relevanz ergebenden Pflichten indas anwaltliche Berufsrecht überträgt (so auch Träger,in Feuerich, 9. Aufl., § 43 BRAO Rn. 13).Solche Gesetze mit berufsbezogenem Inhalt werdeni.V.m. § 43 BRAO zum Bestandteil anwaltlichen Berufs-rechts (so auch Prütting, in Henssler/Prütting, 4. Aufl.,§ 43 BRAO Rn. 12).Auch das Gebührenrecht des RVG gehört nach einerAuffassung dazu (so auch Prütting, in Henssler/Prüt-ting, 4. Aufl., § 43 BRAO Rn. 12).Eine andere Auffassung meint, dass zwar auch dasRVG Berufspflichten enthält, dass aber dem RVG keineallgemeinen Berufspflichten entnommen werden kön-nen, weil das RVG ein Gebührengesetz sei. Auchwenn das RVG an den Anwalt anknüpft und dieser Sta-tuspflichten unterliegt, führe dies nicht zu in dem RVGimplantierten Berufspflichten (so Zuck, in Gaier/Wolf/Göcken, 2. Aufl., § 43 BRAO Rn. 30).

Kein Berufsrechts-verstoß

Dieser Meinung ist im Ergebnis zu folgen. Es ist nichtdavon auszugehen, dass injedem Verstoß gegen Re-gelungen des RVG zugleichüber § 43 BRAO ein Berufs-

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

243

VERGÜTUNG

rechtsverstoß zu sehen ist. Dabei ist nämlich zu berück-sichtigen, ob der von einem Anwalt begangene Geset-zesverstoß über seine Auswirkungen im Einzelfall hinausgeeignet sein muss, das Vertrauen in die Kompetenzund die Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigenund damit die Funktion der Anwaltschaft im Systemder Rechtspflege zu stören (so Prütting, in Henssler/Prütting, 4. Aufl., § 43 BRAO Rn. 24).Es muss daher geprüft werden, ob immer allein in demUmstand, dass eine formell unwirksame Gebührenver-einbarung getroffen wurde, ein Berufsrechtsverstoßliegt. Dies würde dann auch bedeuten, dass eine Ge-bührenvereinbarung die nicht als solche oder in ver-gleichbarer Weise bezeichnet ist, immer zu einem Be-rufsrechtsverstoß führen würde, weil der betroffeneRechtsanwalt gegen eben eine Vorschrift aus demRVG verstoßen hat.Dies geht nach diesseitiger Auffassung zu weit, dennallein der Abschluss einer formunwirksamen Verein-barung führt nicht in jedem Fall dazu, dass das Ver-trauen in die Integrität der Anwaltschaft verletzt wird.Zwar muss von jedem Rechtsanwalt erwartet werdenkönnen, dass er in der Lage ist, eine formwirksame Ge-bührenvereinbarung zu treffen, jedoch stellt ein Ver-stoß hiergegen eben nicht zugleich einen berufsrecht-lichen Verstoß dar.

§ 4b RVG einschlägig

Die Folgen dieses Verstoßes werden gebührenrecht-lich durch § 4b RVG gere-gelt, nämlich dem Rechts-anwalt stehen höhere als

die gesetzlichen Gebühren dann nicht mehr zu.Zudem ist es allgemeine Ansicht, dass die Verletzungzivilrechtlicher Pflichten aus dem Mandatsvertrag inder Regel keinen Verstoß gegen Berufspflichten indi-ziert (so Prüttung, in Henssler/Prütting, 4. Aufl., § 43Rn. 29). So wird demnach die Auffassung vertreten,dass selbst unzulängliche Aufklärung, inhaltlich fal-sche Beratung und unsachgemäße Vertretung zwarzum Schadensersatz führen können, jedoch eine an-waltsgerichtliche Ahndung oder Rüge nicht zulässigwäre (so Träger, in Feuerich/Weyland, 9. Aufl., § 43Rn. 23).Das führt dann aber im Umkehrschluss dazu, dass al-lein der Verstoß gegen formelle Reglungen des Gebüh-renrechts erst recht keinen immer zu ahndenden Be-rufsrechtsverstoß indiziert. Etwas anderes kann gelten,wenn die Art und Weise und besondere Umständedazu führen, dass dies keine gewissenhafte Berufsaus-übung mehr darstellt und mit der Stellung des Rechts-anwaltes nicht mehr zu vereinbaren ist.Vorliegend sind solche besonderen Umstände nicht er-sichtlich, weshalb allein der Umstand, dass eine münd-liche Gebührenvereinbarung geschlossen wurde, nichtzu einem Berufsrechtsverstoß führt.

Auch der Umstand, dass gem. § 4b RVG im Falle desVerstoßes gegen § 3 I 1 und 2 RVG keine höheren Ge-bühren als die gesetzlichen gefordert werden können,führt dann nicht automatisch zu einem berufsrecht-lichen Verstoß wegen Gebührenüberhöhung. Denn§ 3a I RVG knüpft allein an formelle Voraussetzungenan, der Mandant kann von dem betroffenen Rechts-anwalt über die Vorschriften über ungerechtfertigteBereicherung gezahltes Honorar zurückfordern. Auchdie Verletzung von § 4b RVG führt nicht automatischzu einem Berufsrechtsverstoß, mit der Begründung,dass die Rechnungsstellung zu einem Vertrauensver-lust in die Anwaltschaft führt und deswegen berufs-rechtlich zu ahnden ist. Etwas anderes gilt auch hier,wenn Umstände vorliegen, die im Einzelfall zu eineranderen Wertung führen.

HINWEISE DER REDAKTION:Mit Urteil vom 5.6.2014 (BRAK-Mitt. 2014, 220) hatder BGH entschieden, dass eine Vergütungsverein-barung zwischen Rechtsanwalt und Mandant, diegegen die Formvorschriften des § 3a I 1 und 2RVG oder die Voraussetzungen für den Abschluss ei-ner Erfolgshonorarvereinbarung nach § 4a I und IIRVG verstößt, wirksam ist. Aus ihr kann jedoch le-diglich die vereinbarte Vergütung bis zur Höhe dergesetzlichen Gebühr gefordert werden.

KEINE KOSTENERSTATTUNG BEI SELBST-VERTRETUNG IM BERUFSRECHT

BRAO §§ 74, 74a

Ein Rechtsanwalt, der sich in einem berufsrecht-lichen Verfahren – hierzu gehört auch das Ein-spruchs- und Rügeverfahren – selbst vertritt, hatim Falle des Obsiegens keinen Anspruch auf Erstat-tung von Gebühren und Auslagen für die eigene An-waltstätigkeit.

AGH NRW, Beschl. v. 7.4.2017 – 2 AGH 16/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Mit Beschluss vom 22.11.2001 (BRAK-Mitt. 2002,147) hat der Niedersächsische AGH entschieden,dass ein angeschuldigter Rechtsanwalt aus verfah-rensrechtlicher Sicht nicht sein eigener Verteidigersein könne, so dass er vergütungsrechtlich nicht sogestellt werden könne, als habe er die Rolle einesVerteidigers wahrgenommen. Etwas anderes ergebesich auch nicht aus den § 117 und § 117b BRAO.

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

244

VERGÜTUNG

ZULASSUNG

AUSWAHLVERFAHREN FÜR DIE ZULASSUNGZUR RECHTSANWALTSCHAFT BEIM BGH

BRAO §§ 164 ff.; GG Art. 12

* 1. Es ist nicht Aufgabe des Wahlprüfungsgerichts,die sachliche Richtigkeit der Stimmabgabe zu beur-teilen und die Entscheidung des verantwortlichenWahlgremiums durch seine eigene zu ersetzen.* 2. Ihm ist es grundsätzlich auch nicht möglich,eine eigene Prognose der Erfolgsaussichten der Be-werbung vorzunehmen und einen besser geeig-neten Bewerber zu bestimmen.* 3. Es kann nur überprüfen, ob die Auswahl des be-treffenden Bewerbers nach rechtsfehlerfreier Beur-teilung und unter Einhaltung der Auswahlkriterienvertretbar erscheint.BVerfG, Beschl. v. 13.6.2017 – 1 BvR 1370/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Mit Urteil vom 2.5.2016 (BRAK-Mitt. 2016, 208) hatder BGH klargestellt, dass der Umstand, dass das

Gesetz keine näheren Kriterien für die Bemessungder Neuzulassungen vorsieht, dadurch ausgegli-chen wird, dass darüber ein sachkundiges und ge-mischt zusammengesetztes Gremium entscheidet,dessen Besetzung sicherstellt, dass partikulare Moti-vationen und Interessen nicht zulasten der Objektivi-tät der Entscheidung gehen. Der Wahlausschusshabe sich bei der Festlegung der Zahl der zuzulas-senden Rechtsanwälte daran zu orientieren, dasseine ausreichende Versorgung der Rechtsuchendenmit revisionsanwaltlicher Beratung und Vertretung– unter Wahrung einer geordneten Altersstrukturder Rechtsanwaltschaft beim BGH – gewährleistetsein muss. Andererseits erfordern Gemeinwohlinte-ressen und die Berufsfreiheit der bereits beim BGHzugelassenen Rechtsanwälte eine Begrenzung derZahl postulationsfähiger Prozessvertreter. Der BGHbetonte zudem erneut, dass es im Interesse derQualität der höchstrichterlichen Rechtsprechungund damit im Interesse des Gemeinwohls liege,aber auch im Interesse der Mandanten an einerfachkundigen Vertretung, die Tätigkeit beim BGH le-diglich besonders qualifizierten Rechtsanwälten an-zuvertrauen.

SYNDIKUSANWÄLTE

FACHLICHE UNABHÄNGIGKEIT EINESSYNDIKUS BEI BESTIMMTEN „VORGABEN“

BRAO §§ 46, 46a

* Bestimmte „Vorgaben“ des Arbeitgebers zur Artund Weise der Bearbeitung und Bewertung be-stimmter Rechtsfragen unterscheiden sich nichtvon „Vorgaben“, die sich aufgrund einer für ein be-stimmtes Rechtsverhältnis geltenden Rechtslage er-geben.BGH, Beschl. v. 1.8.2017 – AnwZ (Brfg) 14/17

AUS DEN GRÜNDEN:[1] I. Der Beigeladene wurde am 21.8.2009 von derRAK D. als Rechtsanwalt zugelassen. Aufgrund seinesVerzichtes wurde diese Zulassung gem. § 14 II Nr. 4BRAO zum 31.8.2016 widerrufen.[2] Der Beigeladene ist seit dem 1.1.2016 bei dem A.(A.) in K. als Syndikusrechtsanwalt eingestellt. Der A.ist ein Rückdeckungspool, in dem zahlreiche deutscheKommunalversicherer zusammengeschlossen sind undin den kommunale Großschäden aus dem Bereich derallgemeinen Haftpflichtversicherung eingebracht wer-den (vgl. Bergmann/Schumacher, Die Kommunalhaf-

tung, 4. Aufl. Rn. 2307 f.; Brandau, VW 1987, 186,190).[3] Mit Schreiben v. 23.2.2016 beantragte der Beige-ladene bei der Bekl. die Zulassung als Syndikusrechts-anwalt. Dem Antrag waren sein Arbeitsvertrag mitdem A. v. 2.6.2015, eine Dienstanweisung v. 30.9.2015, die eine „Vollmachtenregelung“ enthält, undeine Tätigkeitsbeschreibung v. 23.2.2016 beigefügt,ausweislich derer die in ihr enthaltenen Angaben Be-standteil des Arbeitsvertrages sind. Mit Schreiben v.23.5.2016 reichte der Beigeladene einen aktualisiertenTeil der Tätigkeitsbeschreibung ein.[4] Die Bekl. ließ den Beigeladenen mit Bescheid v.12.7.2016 als Syndikusrechtsanwalt gem. § 46 IIBRAO bei dem A. zur Rechtsanwaltschaft zu. Die hier-gegen gerichtete Klage der Rentenversicherungsträge-rin hat der AGH abgewiesen. Die Kl. beantragt die Zu-lassung der Berufung gegen das Urteil des AGH.[5] II. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.[6] 1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des ange-fochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e S. 2 BRAO,§ 124 II Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setztvoraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz odereine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigenArgumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

245

BGH, Beschl. v. 28.10.2011 – AnwZ (Brfg) 30/11,NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es.[7] a) Die Kl. beanstandet die Auffassung des AGH, imHinblick auf die in der Dienstanweisung in Bezug ge-nommenen Verrechnungsgrundsätze und Auslegungs-beschlüsse ergebe sich hinreichend, dass die Tätigkeitdes Beigeladenen fachlich unabhängig und eigenver-antwortlich i.S.v. § 46 III BRAO ausgeübt werde. Siemacht geltend, es sei nicht bekannt, was in den Ver-rechnungsgrundsätzen und Auslegungsbeschlüssen imEinzelnen geregelt sei. Betriebsinterne Regelungen sei-en zumindest potenziell geeignet, die Entscheidungsfrei-heit, Eigenverantwortlichkeit und fachliche Unabhängig-keit der Adressaten dieser Regelungen zu beschränken,wenn nicht gar zu beseitigen. Die Schlussfolgerung desAGH sei angesichts des fehlenden Wissens um die In-halte der Verrechnungsgrundsätze und Auslegungs-beschlüsse nicht nachvollziehbar.[8] b) Diese Ausführungen begründen keine ernsthaf-ten Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Ur-teils. Der Beigeladene hat, wie der AGH zutreffend er-kannt hat, Rechtsnatur und Inhalt der Verrechnungs-grundsätze und Auslegungsbeschlüsse hinreichendund glaubhaft erläutert. Hinweise hierzu ergeben sichauch aus Rechtsprechung und Literatur zum kom-munalen Versicherungsrecht.

Verrechnungs-grundsätze

[9] Der Beigeladene hat in der mündlichen Verhand-lung vor dem AGH aus-geführt, bei den Verrech-nungsgrundsätzen hande-le es sich um ein mit

Versicherungsbedingungen vergleichbares Regelwerk,aus dem sich ergebe, was vom A. zur Umlage ge-bracht werden könne. Auslegungsbeschlüsse seien Be-schlüsse der Mitglieder, die einzelne Regelungen inden Verrechnungsgrundsätzen erläuterten. Im Hinblickauf die Verrechnungsgrundsätze ergibt sich dies auchaus Rechtsprechung und Literatur zu den Kommunal-versicherern wie den Kommunalen Schadensaus-gleichen (KSA; zu den KSA als nichtrechtsfähigen Ver-einen vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2013 – IV ZR 6/13,VersR 2014, 332; Krafft, in Rotermund/Krafft, Kom-munales Haftungsrecht, 5. Aufl. Rn. 1387; Bergmann/Schumacher, a.a.O. Rn. 2310). Diese betreiben Ver-sicherungsgeschäfte (BGH, Urt. v. 16.11.1967 – II ZR259/64, VersR 1968, 138 f.; Bergmann/Schumacher,a.a.O. Rn. 2310; Schwartze, in: Brömmelmeyer/Heiss/Meyer/Rückle/Schwintowski/Wallrabenstein, Allgemei-nes Gleichbehandlungsgesetz, Private Krankenver-sicherung und Gesundheitsreform, 1. Aufl., 249). DieBeziehungen zwischen ihnen und ihren Mitgliedernstellen Versicherungsverhältnisse dar (BGH, a.a.O.;Bergmann/Schumacher, a.a.O.; Schwartze, a.a.O.,250). Das Rechtsverhältnis zwischen dem Kommuna-len Schadensausgleich und seinem Mitglied wird durchdie Verrechnungsgrundsätze geregelt (Bergmann/Schumacher, a.a.O. Rn. 2311). Letztere sind dahermit Versicherungsbedingungen vergleichbar (OLGDresden, VersR 2009, 1260 f.; Krafft, a.a.O. Rn. 1387;vgl. auch Bergmann/Schumacher, a.a.O.). Sie werden

von den Mitgliedern des KSA, denen Versicherungs-schutz gewährt wird, oder dem Verwaltungsrat desKSA, in dem die Mitglieder des KSA vertreten sind, be-schlossen (vgl. BGH, Beschl. v. 16.10.2013, VersR2014, 332, 333). Dafür, dass Rechtsnatur, Bedeutungund Zustandekommen der Verrechnungsgrundsätzedes Rückdeckungspools der Kommunalversicherer,des A., – entgegen den Ausführungen des Beigelade-nen – anders zu beurteilen sein sollten, spricht nichts.[10] Damit handelt es sich bei den Verrechnungsgrund-sätzen nicht um allein arbeitsrechtlich relevante Re-gelungen zur Auslegung der Rechtslage, deren Inhaltund Dichte vom Arbeitgeber des Syndiksusrechts-anwalts – ähnlich einer allgemeinen Weisung – ohneMitwirkung Dritter einseitig bestimmt werden. Sie sindvielmehr Bestimmungen, deren gleichermaßen für den(Rück-)Versicherer und dessen Mitglieder verbindlicheGeltung – wie beim Versicherungsvertrag und den mitihm vereinbarten Versicherungsbedingungen – die Mit-wirkung Dritter – hier: der Mitglieder des A. – voraus-setzt. Gleiches gilt für die Auslegungsbeschlüsse derkommunalen Erstversicherer als Mitglieder des A.[11] Der Beurteilungsspielraum des Beigeladenen wirdzwar, wie er in seinem Schriftsatz v. 9.12.2016 aus-geführt hat (unter 2. und 5.), durch die Verrechnungs-grundsätze begrenzt. Dies ist indes darin begründet,dass es sich – im Unterschied zu betriebsinternenRichtlinien – um zwischen (Rück-)Versicherer und Erst-versicherer vereinbarte allgemein geltende Regelnhandelt. Aus einer solchen Begrenzung lassen sich kei-ne Zweifel an der fachlich unabhängigen und eigenver-antwortlichen Ausübung der Tätigkeit des Beigelade-nen herleiten. Die fachliche Unabhängigkeit und Eigen-verantwortlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit wirddurch die Bindung an geltendes Recht nicht beein-trächtigt. Sie bezieht sich auf die weisungsfreie und ei-genständige Analyse der Rechtslage (§ 46 IV 1 BRAO),die vorliegend auch durch die Verrechnungsgrundsät-ze und Auslegungsbeschlüsse mit gebildet wird. Auchein – fachlich unabhängig und eigenverantwortlichhandelnder – externer Rechtsanwalt, der ein Mitglieddes A. oder den A. selbst berät, hat einerseits die Ver-rechnungssätze und Auslegungsbeschlüsse zu beach-ten und ist andererseits in der Analyse der durch siegebildeten Rechtslage eigenständig und weisungsfrei.[12] Entscheidend ist somit die Rechtsnatur der Rege-lung, die der Syndikusrechtsanwalt zu beachten hat.Handelt es sich um auf seine anwaltliche Tätigkeit be-zogene Weisungen des Arbeitgebers in Gestalt von be-triebsinternen Regelungen, kann dies der Unabhängig-keit seiner Tätigkeit entgegenstehen (zur fehlenden un-abhängigen Tätigkeit eines richtliniengebundenenSchadenssachbearbeiters vgl. Fraktionsentwurf einesGesetzes zur Neuordnung des Rechts der Syndikus-anwälte, BT-Drs. 18/5201, 29).

Keine Weisungendes Arbeitgebers

Handelt es sich hingegen um Regelungen, die nicht alsWeisungen im Rahmendes Arbeitsverhältnisseserfolgen und an die – wievorliegend – auch der Ar-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

246

beitgeber des Syndikusrechtsanwalts gegenüber Drit-ten – hier: gegenüber den Mitgliedern des A. – gebun-den ist, werden die fachliche Unabhängigkeit undEigenverantwortlichkeit der Tätigkeit des Syndikus-rechtsanwalts nicht berührt. Letzteres gilt unabhängigvon der Dichte und Detailliertheit der Regelungen. So-wohl das Gesetzesrecht als auch vertragliche Bestim-mungen – etwa in Gestalt von allgemeinen Geschäfts-bedingungen – können die für ein Rechtsverhältnismaßgebliche Rechtslage umfassend und detailreich re-geln mit der Folge, dass für den Bearbeiter bei derrechtlichen Beurteilung nur ein geringer oder keinSpielraum verbleibt. Die fachlich unabhängige Tätig-keit und eigenständige Analyse der – in diesen Fälleneindeutigen – Rechtslage durch den Syndikusrechts-anwalt wird hierdurch, wie der Vergleich mit einem ex-ternen, dieselbe Rechtslage beurteilenden Rechts-anwalt zeigt, nicht beeinträchtigt.[13] 2. Die Rechtssache weist keine besonderen tat-sächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf(§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 2 VwGO). Der Sach-verhalt ist übersichtlich; die Rechtslage ist eindeutigund nicht klärungsbedürftig.[14] Die Kl. meint, es springe ins Auge, dass dieRechtsfrage, ob eine unabhängige und weisungsfreieTätigkeit i.S.d. § 46 IV BRAO auch dann vorliege,wenn Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitungund Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestünden,wie dies beispielsweise bei einem richtliniengebunde-nen Schadenssachbearbeiter einer Versicherung derFall sei, besondere tatsächliche oder rechtliche Schwie-rigkeiten aufweise.[15] Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Bei denVerrechnungsgrundsätzen und Auslegungsbeschlüssenhandelt es sich, wie ausgeführt, nicht um „Richtlinien“im Sinne einer allgemeinen arbeitsrechtlichen Weisungdes Arbeitgebers des Syndikusrechtsanwalts, sondernum unter Mitwirkung der Mitglieder des A. beschlosse-ne Regelungen, die der Beigeladene deshalb zu beach-ten hat, weil sein Arbeitgeber an sie gebunden ist. Dieaus ihnen folgenden „Vorgaben“ zur Art und Weiseder Bearbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfra-gen sind mithin nicht anders zu beurteilen als „Vor-gaben“, die sich aufgrund einer für ein bestimmtesRechtsverhältnis geltenden Rechtslage ergeben, wiedies etwa bei einem durch allgemeine Geschäftsbedin-gungen näher ausgeformten Vertragsverhältnis derFall ist. Hierdurch wird eine unabhängige und wei-sungsfreie Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts i.S.d.§ 46 IV BRAO nicht in Frage gestellt.[16] 3. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung(§ 112e S. 2 BRAO, § 124 II Nr. 3 VwGO) hat die Klä-gerin nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist ge-geben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserheb-liche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechts-frage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahlvon Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Inte-resse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwick-lung und Handhabung des Rechts berührt (BGH,Beschl. v. 27.3.2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288,

291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ2005, 709).[17] Die Kl. misst der Rechtsfrage grundsätzliche Be-deutung bei, ob eine unabhängige und weisungsfreieTätigkeit i.S.d. § 46 IV BRAO auch dann vorliege,wenn Vorgaben zur Art und Weise der Bearbeitungund Bewertung bestimmter Rechtsfragen bestünden,wie dies beispielsweise bei einem richtliniengebunde-nen Schadenssachbearbeiter einer Versicherung derFall sei. Diese Frage ist indes vorliegend nicht entschei-dungserheblich. Denn der Beigeladene ist, wie aus-geführt, kein richtliniengebundener Schadenssachbear-beiter. Bei den Verrechnungsgrundsätzen handelt essich nicht um „Richtlinien“ im Sinne einer allgemeinenarbeitsrechtlichen Weisung des Arbeitgebers des Syn-dikusrechtsanwalts, die den Beigeladenen in der fach-lich unabhängigen und eigenständigen Analyse derRechtslage beeinträchtigen könnte, sondern um auchden Arbeitgeber des Beigeladenen gegenüber Drittenbindendes und nicht auf das Arbeitsverhältnis be-schränktes Recht. Insbesondere handelt es sich ent-gegen der Auffassung der Kl. nicht um abstrakt-gene-relle Anweisungen, die – vom Arbeitgeber vorgegeben– über das hinausgehen, was sich ohnehin aus Gesetzund allgemeinen Versicherungsbedingungen ergibt.Denn die von den Mitgliedern des A. beschlossenenVerrechnungsgrundsätze sind in vorliegendem Zusam-menhang mit allgemeinen Versicherungsbedingungenvergleichbar und Teil der vom Beigeladenen – fachlichunabhängig und eigenverantwortlich – zu prüfendenRechtslage. Gleiches gilt für die Auslegungsbeschlüssedes A.[18] 4. Dem AGH ist kein Verfahrensfehler unterlau-fen, auf dem das Urteil beruhen kann (§ 112e S. 2BRAO, § 124 II Nr. 5 VwGO).[19] Die Kl. vertritt die Auffassung, der AGH habe imRahmen des Untersuchungsgrundsatzes gem. § 86 I1 VwGO den Inhalt der unternehmensinternen Richt-linien (Verrechnungsgrundsätze, Auslegungsbeschlüs-se) ermitteln müssen. Er habe deren Inhalt daraufhinüberprüfen müssen, ob und aufgrund welcher Rege-lungsintensität und -dichte sie die fachliche Unabhän-gigkeit und Weisungsfreiheit der Tätigkeit des Beige-ladenen beschränkten oder beseitigten.[20] Auch hiermit vermag die Kl. nicht durchzudrin-gen. Wie bereits ausgeführt (siehe oben zu 1b), sind In-halt und Regelungsdichte von Bestimmungen, die derSyndikusrechtsanwalt zu beachten hat, dann ohne Be-deutung für die von ihm vorzunehmende fachlich un-abhängige und eigenständige Analyse der Rechtslage,wenn es sich bei den Bestimmungen nicht um Weisun-gen des Arbeitgebers (als Richtlinien oder in andererGestalt), sondern um die auch vom Arbeitgeber gegen-über Dritten – hier: den Mitgliedern des A. – zu beach-tende, sich nicht auf das Arbeitsverhältnis beschrän-kende Rechtslage selbst handelt. Auch ein externer,dieselbe Rechtslage im Interesse seines Mandantenbeurteilender Rechtsanwalt wird in vergleichbaren,eine hohe Regelungsdichte aufweisenden Fällen fach-lich unabhängig und eigenverantwortlich anwaltlich

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

247

SYNDIKUSANWÄLTE

tätig. Einer weiteren Aufklärung des Inhalts der Ver-rechnungsgrundsätze und Auslegungsbeschlüsse be-durfte es daher nicht.

HINWEISE DER REDAKTION:Bereits mit Urteil vom 28.10.2016 hat der AGHNordrhein-Westfalen (BRAK-Mitt. 2017, 49) ent-schieden, dass bei einer Versicherung verbindlicheVorgaben zur einheitlichen Handhabung der Ver-sicherungsbedingungen nicht zwangsläufig dazuführen, dass es einem Syndikusrechtsanwalt an dererforderlichen fachlichen Unabhängigkeit mangelt.S. zum Ganzen auch Huff, BRAK-Mitt. 2017, 203(in diesem Heft).

EXTERNE DATENSCHUTZBEAUFTRAGTE KEINESYNDIKUSRECHTSANWÄLTIN

BRAO §§ 46, 46a

* 1. Der Beruf des Datenschutzbeauftragten um-fasst zwar – möglicherweise auch in einem nichtgeringen Umfang – Tätigkeiten, welche die Merk-male anwaltlicher Tätigkeit erfüllen. Diese stellenaber nicht den ganz eindeutigen Schwerpunkt derLeistungspflichten als externer Datenschutzbeauf-tragter dar.* 2. Die von einem Datenschutzbeauftragten zu er-bringende Leistung im rechtlichen Bereich erreichtweder die erforderliche fachliche Tiefe noch die er-forderliche fachliche Breite, um den Anforderungender in § 46 II und III BRAO geforderten anwalt-lichen Tätigkeit zu genügen.Hamburgischer AGH, Urt. v. 22.6.2017 – AGH I ZU 11/2016

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

KEINE ZULASSUNG ALS SYNDIKUSRECHTS-ANWÄLTIN FÜR REFERENTIN FÜR RECHTS-POLITIK

BRAO §§ 46, 46a

* 1. Die reine Erstellung von Rechtsgutachten, diesich nicht auf einen konkreten Streitfall beziehen,ist nicht als anwaltliche Tätigkeit anzusehen.* 2. Als Syndikusrechtsanwalt kann nur zugelas-sen werden, wer unmittelbar den Arbeitgeber oderaber bei Verbänden die Verbandsmitglieder unmit-telbar betreffende Rechtsverhältnisse bzw. Angele-genheiten betreut.* 3. Die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt mussferner die Befugnis enthalten, den Arbeitgeber indessen Rechtsangelegenheiten nach außen ver-bindlich zu vertreten.Hessischer AGH, Urt. v. 8.5.2017 – 1 AGH 14/16

AUS DEM TATBESTAND:Die Kl. begehrt die Aufhebung des Bescheids der Bekl.v. 30.11.2016, mit dem diese die beigeladene Rechts-anwältin für eine Tätigkeit als Syndikusrechtsanwältinbei der … zur Rechtsanwaltschaft zugelassen hat.Die … am … geborene Beigeladene ist seit dem 26.1.2012 im Bezirk der Bekl. zur Rechtsanwaltschaft zuge-lassen. Mit Arbeitsvertrag v. … wurde sie als Referen-tin für Rechtspolitik … beginnend ab dem 1.8.2015und zunächst befristet bis zum 30.4.2016 angestellt.Mit Nachtrag zum Arbeitsvertrag v. 8.2.2016 verein-barten die Parteien die befristete Weiterbeschäftigungder Beigeladenen zu den bereits im Arbeitsvertrag ver-einbarten Konditionen bis zum 30.4.2017. Anlässlichdieses Nachtrages erstellte die Arbeitgeberin am 7./11.7.2016 eine Tätigkeitsbeschreibung, in der der bei-geladenen Rechtsanwältin die Tätigkeit einer Syndikus-rechtsanwältin zugewiesen wird. Die Tätigkeit wird imÜbrigen wie folgt konkretisiert:Fachliche Unabhängigkeit: „[…] Die fachliche Un-abhängigkeit der Berufsausübung i.S.d. § 46 III BRAOist vertraglich und tatsächlich gewährleistet. Er/Sie un-terliegt keinen allgemeinen oder konkreten Weisungenin fachlichen Angelegenheiten, die eine eigenständigeAnalyse der Rechtslage und eine einzelfallorientierteRechtsberatung beeinträchtigen. Ihm/Ihr gegenüberbestehen keine Vorgaben zur Art und Weise der Be-arbeitung und Bewertung bestimmter Rechtsfragen,er/sie arbeitet fachlich eigenverantwortlich. Er/Sie istim Rahmen der von ihm/ihr zu erbringen Rechtsbera-tung und -vertretung den Pflichten des anwaltlichenBerufsrechts unterworfen.“Die Prüfung von Rechtsfragen: „In der Rechtspolitikgeht es vor allem um die Erarbeitung/Änderung vonRechtsnormen. Dies ist ein hochkomplexer Prozess. Da-mit die Stiftung in diesem Bereich gesprächsfähig ist,obliegt … die Aufgabe, wichtige geplante Gesetzesvor-haben einer umfassenden rechtlichen Analyse zu un-terziehen. Dabei macht sie sich eigenverantwortlichein objektives Bild der Sachlage. Sie prüft daraufhindas geplante Gesetz anhand der höchstrichterlichenRechtsprechung und insbesondere in Bezug auf Eu-roparechtskonformität.“Die Erteilung von Rechtsrat: „[…] Gegenüber … gibt esweder von der Hauptabteilungsleitung noch der Stif-tung fachliche Vorgaben. … berät die Stiftung in recht-lichen Fragen aus dem Bereich der Rechtspolitik fach-lich unabhängig und eigenständig.“Die Ausrichtung der Tätigkeit auf die Gestaltung vonRechtsverhältnissen: „Als Referentin für Rechtspolitikist … gerade an den Prozessen der Rechtsetzung betei-ligt. Die von ihr verfassten rechtlichen Gutachten ent-halten Regelungsvorschläge für konkrete Gesetzesvor-haben, die im weiteren Verlauf im politischen Gesetz-gebungsprozess in der Politikberatung von ihrvertreten werden.“Die Befugnis zu verantwortlichem Auftreten nach au-ßen: „… hat die Befugnis, die Stiftung und die Haupt-abteilung zu rechtspolitischen Themen nach außen zuvertreten.“

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

248

SYNDIKUSANWÄLTE

Ausweislich der Tätigkeitsbeschreibung v. 7./11.7.2016 obliegt es der Beigeladenen, wichtige geplanteGesetzesvorhaben einer umfassenden rechtlichen Ana-lyse, die insbesondere die Frage nach der Vereinbar-keit des Gesetzesvorhabens mit der höchstrichterlichenRechtsprechung und deren Europarechtskonformitätumfasst, zu unterziehen. Im Vorfeld dieser Rechtsprü-fung hat die Beigeladene sich mit der Regelungsmate-rie in tatsächlicher Hinsicht auseinanderzusetzen unddie verschiedenen Interessen und Interessenlagen, diedurch die Regelung tangiert werden, auszumachen,da die Kenntnisse der tatsächlichen Hintergründe undRahmenbedingungen der Regelungsmaterie eine derGrundlagen der eigentlichen rechtlichen Prüfung ist.Die Sachprüfung erstreckt sich insoweit vor allem aufeine generelle Ermittlung der typischen Problemkon-stellationen, wie sie Gegenstand der abstrakt-generel-len Gesetze sind. Die Beigeladene erstellt Gutachtenmit Regelungsvorschlägen für konkrete Gesetzesvor-haben und verfügt über die Befugnis, die Stiftung inrechtspolitischen Themen nach außen zu vertreten.Mit weiterem Schreiben v. 19.7.2016, das von der Bei-geladenen und deren Arbeitgeberin unterzeichnetwurde, ergänzte die Beigeladene ihre bisherigen Aus-führungen dahingehend, dass der Umfang ihrer juristi-schen Tätigkeit ca. 70 % der Gesamttätigkeit aus-mache. Die übrigen 30 % entfielen auf die inhaltlicheBetreuung zweier rechtspolitischer Veranstaltungenbeziehungsweise allgemein auf Netzwerkpflege.Auf Grundlage dieser Dokumente beantragte die Bei-geladene am 2.3.2016 die Zulassung als Syndikus-rechtsanwältin bei der Bekl.Die Kl. wurde mit Schreiben v. 9.8.2016 durch die Bekl.von der beabsichtigten Zulassung der Beigeladenenals Syndikusrechtsanwältin in Kenntnis gesetzt undgem. § 46a II BRAO angehört. Die Kl. machte von ih-rem Anhörungsrecht Gebrauch und erhob mit Schrei-ben v. 19.8.2016 Bedenken. Sie führte aus, dass dievon der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit nicht die in§ 46 III BRAO definierten Tätigkeiten und Merkmale ei-ner Syndikusrechtsanwältin erfülle. Insbesondere liegedie Voraussetzung der Gestaltung von Rechtsverhält-nissen nicht vor. Aus den vorgelegten Unterlagen er-gebe sich vielmehr, dass die Beigeladene als Referen-tin für Rechtspolitik rechtliche Gutachten erstelle, dieRegelungsvorschläge für Gesetzesvorhaben enthielten.Im Rahmen des Kriteriums der Rechtsgestaltung sei je-doch entscheidend auf konkrete Rechtsverhältnisse,die die Arbeitgeberin unmittelbar betreffen, abzustel-len. Die Beteiligung an politischen Gesetzgebungspro-zessen zur Regelung abstrakter Rechtsverhältnissewerde hiervon nicht erfasst.Mit Bescheid v. 30.11.2016 gab die Bekl. dem Antragder Beigeladenen statt und ließ diese mit ihrer Tätig-keit als Syndikusrechtsanwältin bei … zu. Zur Begrün-dung führte, sie u.a. aus, dass die allgemeinen Zulas-sungsvoraussetzungen zum Beruf der Rechtsanwältingem. § 4 BRAO erfüllt seien und kein Versagungs-grund nach § 7 BRAO vorliege. Ferner entsprächendie von der Beigeladenen bei ihrer nichtanwaltlichen

Arbeitgeberin übernommenen Tätigkeiten den Anfor-derungen des § 46 II–V BRAO. Aus den vorgelegtenUnterlagen sei ersichtlich, dass die Bekl. in ihrer Funk-tion als Referentin fachlich unabhängig und eigenver-antwortlich eine durch die Merkmale des § 46 IIINr. 1–4 BRAO anwaltlich geprägte Tätigkeit ausübe.Insbesondere sei die von der Beigeladenen ausgeübteTätigkeit, die das Verfassen von Beurteilungen undGutachten mit Regelungsvorschlägen für konkrete Ge-setzesvorhaben zum Gegenstand habe, auch auf dieGestaltung von Rechtsverhältnissen i.S.d. § 46 IIINr. 3 BRAO gerichtet. Hierfür spreche, dass nachdem Wortlaut des § 46 III Nr. 3 BRAO das selbststän-dige Führen von Verhandlungen nur ein Regelbeispielsei und nicht zwingend vorliegen müsse. In diesem Zu-sammenhang verweist die Bekl. auf die Gesetzes-begründung zu § 46 III BRAO-E (BT-Drs. 18/5201). Fer-ner müsse es sich bei der Rechtsgestaltung nicht umkonkrete, den Arbeitgeber unmittelbar betreffendeRechtsverhältnisse handeln, denn nach der Gesetzes-begründung könne auch die Mitgestaltung abstrakterrechtlicher Regelungen eine auf die Gestaltung vonRechtsverhältnissen ausgerichtete Tätigkeit darstellen(BT-Drs. 18/5201 zu § 46 III BRAO-E). Schließlich seidie Erarbeitung von Gesetzesvorhaben zwar keine typi-sche anwaltliche Tätigkeit, allerdings gebe es durchausAnwaltskanzleien, die von Regierungen mit der Er-arbeitung von Gesetzesentwürfen beauftragt würden.Wegen der konkreten Einzelheit der Begründüng wirdauf den Zulassungsbescheid v. 30.11.2016 verwiesen.Die Kl. hat gegen den ihr am 1.12.2016 zugestelltenZulassungsbescheid der Bekl. mit Schriftsatz v. 28.12.2016, der bei dem AGH am 28.12.2016 eingegangenist, Klage erhoben. Zur Begründung der Klage beziehtsich die Kl. auf die in ihrer Stellungnahme v. 19.8.2016 vorgebrachten Gründe. Ergänzend führt sie aus,dass die Beigeladene weder konkrete Sachverhalte auf-kläre und mit Hilfe einer Erarbeitung und Bewertungvon Lösungsmöglichkeiten einem Ergebnis zuführe,noch Rechtsverhältnisse durch eine nach außen wir-kende verbindliche Vertretungsbefugnis gestaltet wür-den. Es handele sich ausweislich der vorliegenden Tä-tigkeitsbeschreibungen um eine Arbeit auf dem Feldder Politikberatung und nicht um Rechtsberatung.Überdies sei die fachliche Unabhängigkeit und die ei-genverantwortliche Ausübung der Tätigkeit vertraglichnicht hinreichend gewährleistet. Die unter Ziff. II derTätigkeitsbeschreibung v. 7./11.7.2016 abgegebeneErklärung ersetze nicht die notwendige Änderung desArbeitsvertrages.Die Kl. beantragt, den Bescheid der Bekl. v. 30.11.2016, zugestellt am 1.12.2016, aufzuheben.Die Bekl. beantragt, die Klage abzuweisen.Zur Begründung des Klageabweisungsantrags wieder-holt die Bekl. ihre Auffassung, es seien insbesondereauch die Voraussetzungen des § 46 III Nr. 1 undNr. 3 BRAO erfüllt, weil sich die Anwaltstätigkeit nichtauf konkrete, den Arbeitgeber unmittelbar betreffendeRechtsverhältnisse beziehen müsse. Nach der Geset-zesbegründung könne auch die Mitgestaltung abstrak-

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

249

ter rechtlicher Regelungen eine auf die Gestaltung vonRechtsverhältnissen ausgerichtete Tätigkeit darstellen.Ebenso sei nach der arbeitsvertraglichen Regelung dieUnabhängigkeit der Beigeladenen sichergestellt.Der Senat hat die Akte der Bekl. zu Az: … sowie der Kl.zu Az: … zum Verfahren beigezogen. Hinsichtlich derweiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wirdauf den Inhalt der Akten verwiesen.

AUS DEN GRÜNDEN:Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochteneBescheid der Bekl. v. 30.11.2016 ist aufzuheben, daer rechtswidrig ist und die Kl. in ihren Rechten verletzt(§ 113 I VwGO). Die Bekl. hat der Beigeladenen die Zu-lassung zur Syndikusrechtsanwältin zu Unrecht erteilt.Die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft als Syndikus-rechtsanwalt ist gem. § 46a I BRAO auf Antrag zu er-teilen, wenn1) die allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen zum

Beruf des Rechtsanwalts gem. § 4 BRAO erfüllt sind,2) kein Zulassungsversagungsgrund nach § 7 BRAO

vorliegt und3) die Tätigkeit den Anforderungen des § 46 II-V BRAO

entspricht:An der Erfüllung der allgemeinen Zulassungsvorausset-zungen der Beigeladenen zum Beruf des Rechts-anwalts gem. § 4 BRAO bestehen vorliegend keine Be-denken. Ferner sind keine Gründe i.S.d. § 7 BRAO er-sichtlich, die einer Zulassung der Beigeladenen zurRechtsanwaltschaft entgegenstehen würden. Insbeson-dere liegt der Versagungsgrund des § 7 Nr. 8 BRAOnicht vor. Nach dieser Vorschrift ist die Zulassung zurRechtsanwaltschaft dem Bewerber zu versagen, wenndieser eine Tätigkeit ausübt, die mit dem Beruf desRechtsanwalts, insbesondere seiner Stellung als un-abhängiges Organ der Rechtspflege, nicht vereinbarist oder das Vertrauen in seine Unabhängigkeit gefähr-den kann. Aufgrund der gesetzlichen Anerkennung desBerufsbildes des Syndikusrechtsanwalts ist die Doppel-berufstheorie aufgegeben worden und der Syndikus-rechtsanwalt übt per se keinen Zweitberuf mehr aus.§ 7 Nr. 8 BRAO kann daher auf den Syndikusrechts-anwalt nur dann Anwendung finden, soweit dieser tat-sächlich einen echten Zweitberuf nichtanwaltlicher Artausübt (vgl. Kleine-Cosack, AnwBl. 2016, 101, 104).Ein solcher Fall liegt aber mit, Blick auf die Beigelade-ne nicht vor, denn diese ist einzig als Syndikusrechts-anwältin für … tätig und übt keinen echten Zweitberufnichtanwaltlicher Art aus. Dass die Tätigkeit der beige-ladenen Rechtsanwältin als Referentin für Rechtspolitik… mit dem Beruf des Rechtsanwalts nicht vereinbarist, ist nicht erkennbar und wird von der Kl. auch nichtin Zweifel gezogen.Die von der Beigeladenen ausgeübte Tätigkeit ent-spricht nicht den Anforderungen des § 46 II-V BRAO.Das Arbeitsverhältnis der Beigeladenen ist nicht durcheine fachlich unabhängige und eigenverantwortlichausgeübte anwaltliche Tätigkeit, die den Merkmalendes § 46 III Nr. 1–4 BRAO entspricht, geprägt.

Gemäß der von der Beigeladenen vorgelegten Tätig-keitsbeschreibung und nach dem Ergebnis der Erörte-rung in der mündlichen Verhandlung ist der Senat derÜberzeugung, dass die Beigeladene vornehmlich wis-senschaftliche Gutachten i.S.d. § 2 III Nr. 1 RDG er-stellt. Ihre Tätigkeit für ihre Arbeitgeberin beschränktsich auf die Ermittlung allgemeiner Sachverhalte unddie Bewertung sowie den Entwurf generell abstrakterRegelungen im Zusammenhang mit Gesetzgebungs-verfahren.

Keine anwaltlicheTätigkeit

Damit ist den Anforderungen an eine anwaltliche Tä-tigkeit im Sinne des Geset-zes nicht genügt. Die reineErstellung von Rechtsgut-achten, die sich nicht auf

einen konkreten Streitfall beziehen, ist nicht als anwalt-liche Tätigkeit anzusehen.Die anwaltliche Tätigkeit wird in § 3 BRAO beschrie-ben. Hiernach ist der Rechtsanwalt der berufene un-abhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsange-legenheiten. Hierunter fallen alle jene Tätigkeiten, dieRechtsfragen aufwerfen und deshalb eine rechtlicheBeistandspflicht erfordern. Erst dann, wenn die Rechts-betreuung völlig in den Hintergrund tritt und des-halb unwesentlich ist, liegt keine anwaltliche Tätigkeitmehr vor. Die Vorschrift steht in einem engen inhalt-lichen Zusammenhang mit dem RDG (Gaier/Wolf/Gö-cken, Anwaltliches Berufsrecht, § 3 Rn. 11). Gem. § 2RDG wiederum ist Rechtsdienstleistung jede Tätigkeitin konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sieeine rechtliche Prüfung des Einzelfalls erfordert.Diese gesetzlichen Vorgaben sind bei der Auslegungder maßgeblichen Norm des § 46 III BRAO zu berück-sichtigen. Es bedarf daher eines Bezuges der jewei-ligen Tätigkeit zu einem konkreten Sachverhalt bzw. ei-nes Betreuungselements im Hinblick auf die Rechts-angelegenheiten des Arbeitgebers.Zwar sehen die in § 46 III Nr. 1–4 BRAO aufgeführtenMerkmale ihrem Wortlaut nach nicht explizit vor, dasses sich um konkrete Sachverhalte und Lösungsmöglich-keiten für konkrete Fallgestaltungen handeln, sich derRechtsrat auf solche beziehen muss und die Gestal-tung von Rechtsverhältnissen oder die Verwirklichungvon Rechten auf die Durchsetzung konkreter Rechte(Ansprüche) bzw. die Gestaltung konkreter Rechtsver-hältnisse beschränkt ist.

Konkrete Fallgestal-tung erforderlich

Allerdings spricht der Wortlaut „einschließlich der Auf-klärung des Sachverhalts“dafür, dass Gegenstandder rechtlichen Beratungeine konkrete Fallgestal-

tung des Arbeitgebers sein muss. Hierunter könnenauch beispielsweise die Mitwirkung an dem Entwurfvon Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder verbind-lichen betrieblichen Regelungen fallen.In der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 18/5201, 29oben) heißt es: „Auch die Mitgestaltung abstrakterrechtlicher Regelung kann eine auf die Gestaltungvon Rechtsverhältnissen ausgerichtete Tätigkeit dar-stellen.“

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

250

So heißt es in der Begründung weiter: „[§ 46] III Nr. 3berücksichtigt den Fall, dass auch Personen, die in ih-rer Funktion als Syndikusrechtsanwalt nicht in Kontaktzu externen Dritten treten, anwaltlich tätig sind, wennihre Tätigkeit auf die Verwirklichung von Rechten oderdie Gestaltung von Rechtsverhältnissen gerichtet istund sie nach außen die Befugnis der Vertretung ha-ben, auch wenn sie tatsächlich von dieser Befugnis kei-nen Gebrauch machen, weil sie ausschließlich im Be-reich der Vertragsgestaltung oder der Beratung derUnternehmensleitung tätig sind.“Mit dieser Regelung ist aber nicht die Bewertung vonund die Abfassung von Stellungnahmen zu Gesetzes-entwürfen für einen Arbeitgeber gemeint. Denn aufdie Gestaltung von Rechtsverhältnissen oder die Ver-wirklichung von Rechten des Arbeitgebers zielt dieseTätigkeit nicht.Gegen die Einordnung der Tätigkeit der Beigeladenenals anwaltliche Tätigkeit spricht ferner, dass sich dieBefugnis des Syndikusrechtsanwalts zur Beratung undVertretung gem. § 46 V BRAO auf die Rechtsangele-genheiten des Arbeitgebers bzw. der weiteren dort auf-geführten Personen beschränkt. Insoweit heißt es inder Gesetzesbegründung (a.a.O., dort S. 18): „Der Be-griff des Syndikusanwalts umfasst dabei … nicht nurdenjenigen, dessen Aufgabe darin besteht, seinem Ar-beitgeber in dessen eigenen Angelegenheiten alsRechtsberater zur Seite zu stehen (Unternehmenssyn-dikusrechtsanwalt), sondern auch denjenigen, der sei-ne Arbeitskraft dazu verwendet, im Rahmen eines An-gestelltenverhältnisses zu einem Verband Rechtsratan dessen Mitglieder in deren Rechtsangelegenheitenzu erteilen.“

Keine Rechts-angelegenheit desArbeitgebers

Als Syndikusrechtsanwalt kann damit nur zugelasssenwerden, wer unmittelbarden Arbeitgeber oder aberbei Verbänden die Ver-bandsmitglieder unmittel-bar betreffende Rechtsver-

hältnisse bzw. Angelegenheiten betreut. Die Erarbei-tung von Stellungnahmen und die Bewertung vonGesetzgebungsentwürfen stellen keine Rechtsangele-genheiten der Arbeitgeberin dar.Die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt muss ferner die(ggf. im Innenverhältnis beschränkte) Befugnis enthal-ten, den Mandanten (Arbeitgeber) in dessen Rechts-angelegenheiten nach außen verbindlich zu vertreten.Auch hieran fehlt es vorliegend. In der Tätigkeits-beschreibung der Beigeladenen heißt es insoweit„… hat die Befugnis, die Stiftung und die Hauptabtei-lung zu rechtspolitischen Themen nach außen zu ver-treten“. Dies umfasst keine rechtsgeschäftliche Vertre-tungsmacht zur verbindlichen Abgabe von Willens-erklärungen namens der Arbeitgeberin, sondernlediglich die Befugnis, zu rechtspolitischen Fragen imNamen der Arbeitgeberin öffentlich Stellung zu neh-men, mit der Folge, dass entsprechende Meinungs-äußerungen als Meinung der Arbeitgeberin angesehenwerden können. Eine verbindliche Vertretung … in de-

ren Rechtsangelegenheiten durch die Beigeladene istdamit nicht eingeräumt.Die Tätigkeit der Beigeladenen hat damit keine Bezügezu konkreten einzelfallbezogenen Sachverhalten undumfasst nicht die rechtliche Betreuung und Vertretungder Arbeitgeberin nach außen in deren rechtlichen An-gelegenheiten. Die Beigeladene kann daher nicht alsSyndikusrechtsanwältin zugelassen werden.Der Bescheid der Bekl. war daher aufzuheben.

HINWEISE DER REDAKTION:Die Vorschrift des § 46 III Nr. 3 BRAO umfasst Fälle,in denen es durch anwaltlich geführte individuelleVertragsverhandlungen zur Gestaltung von Rechts-verhältnissen, etwa Verträgen, kommt oder Rechtedurch deren Durchsetzung, beispielsweise die In-anspruchnahme Dritter, verwirklicht werden. DieseVorschrift berücksichtigt auch den Fall, dass Per-sonen, die als Syndikusrechtsanwalt nicht in Kontaktzu externen Dritten treten, anwaltlich tätig sind,wenn die Tätigkeit auf die Verwirklichung von Rech-ten oder die Gestaltung von Rechtsverhältnissen ge-richtet ist.

ANMERKUNG:Jeder Fall ist anders – diese Binsenweisheit bewahr-heitet sich auch im neuen Syndikusrecht ein ums an-dere Mal. Angesichts der Singularität vieler Sachver-halte wird sich die Hoffnung, dass (mit Hilfe derRechtsprechung) schnell Fallgruppen herauszufilternsind, die den Rechtsanwaltskammern ihre Zulas-sungsentscheidungen und der DRV ihre Stellungnah-men erleichtern, nur zum Teil erfüllen. Und sind ersteinmal „Schubladen“ gefunden, haben Antragsteller,Berater und Entscheider umso sorgfältiger zu prüfen,ob der jeweilige Fall auch wirklich hineinpasst.I. Der Hessische AGH hatte es mit einem Sachverhaltzu tun, der wegen seiner Eindimensionalität auf denersten Blick durchaus, bei näherem Hinsehen jedochgerade nicht zur Verallgemeinerung taugt. Eine beieiner Stiftung beschäftigte „Referentin für Rechtspoli-tik“ war im Wesentlichen damit befasst, „wichtige ge-plante Gesetzesvorhaben einer umfassenden recht-lichen Analyse zu unterziehen“ und im Rahmen vonRechtsgutachten „Regelungsvorschläge für konkreteGesetzesvorhaben“ zu unterbreiten.Die zuständige RAK hatte die Referentin als Syndikus-rechtsanwältin zur Anwaltschaft zugelassen. DieDeutsche Rentenversicherung Bund erhob hiergegenKlage und erhielt vom AGH in Frankfurt Recht. DieBerufung wurde nicht zugelassen und dem Verneh-men nach sollte ein Antrag nach § 124a IV VwGOnicht gestellt werden.II. Der Senat verneint das Vorliegen einer anwalt-lichen Tätigkeit im Sinne des Gesetzes. Dabei verweister insbesondere auf die Umschreibung anwaltlicherTätigkeit in § 3 BRAO sowie den Zusammenhang die-ser Norm mit dem Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG)und betont, dass unter den Begriff der „anwaltlichen

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

251

SYNDIKUSANWÄLTE

Tätigkeit“ alle jene Tätigkeiten fielen, die Rechtsfra-gen aufwürfen und deshalb eine rechtliche Bei-standspflicht erforderten. Diese gesetzlichen Vor-gaben seien auch bei der Auslegung von § 46 IIIBRAO zu berücksichtigen. Es bedürfe daher eines Be-zugs der jeweiligen Tätigkeit zu einem konkretenSachverhalt bzw. eines Betreuungselements im Hin-blick auf die Rechtsangelegenheiten des Arbeit-gebers.Die Formulierung „einschließlich der Aufklärung desSachverhalts“ in § 46 III Nr. 1 BRAO spreche dafür,dass Gegenstand der rechtlichen Beratung eine kon-krete Fallgestaltung des Arbeitgebers sein müsse.Hierunter könnten auch z.B. die Mitwirkung an demEntwurf von Allgemeinen Geschäftsbedingungenoder verbindlichen betrieblichen Regelungen fallen.Die Bewertung von Gesetzesentwürfen und die Ab-fassung von Stellungnahmen zu Gesetzesentwürfenfür einen Arbeitgeber seien mit der Regelung abernicht gemeint. Denn auf die Gestaltung von Rechts-verhältnissen oder die Verwirklichung von Rechtendes Arbeitgebers ziele diese Tätigkeit nicht. Die Er-arbeitung von Stellungnahmen und die Bewertungvon Gesetzentwürfen stellten gerade keine Rechts-angelegenheiten des Arbeitgebers dar. Außerdemfehle es im konkreten Fall an der Befugnis, den Ar-beitgeber (= Mandanten) nach außen verbindlich zuvertreten, weil die beigeladene Antragstellerin nurbefugt sei, öffentliche Meinungsäußerungen zurechtspolitischen Fragen abzugeben, nicht jedochrechtsverbindliche Willenserklärungen zu tätigen.III. Der AGH steigt insgesamt tiefer in die rechtlicheArgumentation ein, als er dies angesichts der klarenAnforderungen des § 46 III BRAO eigentlich müsste.Denn die Vorschrift benennt kumulativ die vier Merk-male, die die anwaltliche Tätigkeit eines Syndikus-rechtsanwalts kennzeichnen und zwingend vorliegenmüssen.1 Nur wenn viermal ein „Haken“ gesetzt wer-den kann, sieht der Gesetzgeber – in enger Anleh-nung an die alte Vier-Kriterien-Theorie2 – die Min-destanforderungen an die anwaltliche Tätigkeit einesSyndikusrechtsanwalts als erfüllt an.1. Wie der Senat zutreffend feststellt, fehlt es im zuentscheidenden Fall ganz eindeutig an der Vertre-tungsbefugnis nach außen. Diese ist i.S. der§§ 164ff. BGB und des § 81 ZPO zu verstehen,3 setztalso die Abgabe von Willenserklärungen und/oderdie Vornahme von Prozesshandlungen und jedenfallsmehr als die Kundgabe von Rechtsauffassungen so-wie das Begleiten gesetzgeberischer Prozesse voraus.Damit ist das in § 46 III Nr. 4 BRAO abgebildete Tä-tigkeitsmerkmal nicht erfüllt, was alleine schon fürdie Versagung der Zulassung genügt hätte.2. Eindeutig nicht erfüllt ist auch das Merkmal derGestaltung von Rechtsverhältnissen (§ 46 III Nr. 3

BRAO), denn der Unterstützung eines Arbeitgebersbei dessen politischer Lobbyarbeit fehlt erkennbar je-der unmittelbare Bezug zu einem konkreten Rechts-verhältnis. Zwei der erforderlichen vier „Haken“ konn-ten also nicht gesetzt werden.IV. Der AGH schlägt allerdings, wie eingangs ge-zeigt, einen deutlich weiteren Bogen, indem er zu-sätzlich Bezug nimmt auf die Beschreibung anwalt-licher Tätigkeit in § 3 BRAO und zu deren Eingren-zung auf § 2 RDG verweist.1. Nach § 3 I BRAO ist der Rechtsanwalt der un-abhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsange-legenheiten. „Rechtsangelegenheit“ ist dabei sowohldie forensische als auch die außergerichtliche undrein beratende Tätigkeit mit rechtlichem Bezug.4 We-sensmerkmal jeder Rechtsangelegenheit i.S.v. § 3BRAO ist ihre Individualität, d.h. ihre Identifizierbar-keit als singulärer Sachverhalt, mag dieser auch kom-plex und durch eine Vielzahl von Personen gestaltetsein.Dass auch dem Gesetz zur Neuordnung des Syn-dikusrechts gerade diese Auslegung des Begriffs„Rechtsangelegenheit“ zugrunde liegt, wird aus deramtlichen Begründung deutlich, in der sich u.a. fol-gende Formulierungen finden:„Die Rechtsberatung umfasst die […] Elemente derunabhängigen Analyse des Sachverhalts […].“ Und:„Absatz 3 Nummer 1 bezieht sich auf die Pflicht desRechtsanwalts, den Sachverhalt, zu dem er beratendtätig werden soll, möglichst genau zu klären, […].“Und: „Die Pflicht des Rechtsanwalts zur vollständigenBeratung setzt zunächst voraus, dass er durch Befra-gen seines Auftraggebers Punkte klärt, auf die es fürdie rechtliche Beurteilung ankommen kann. DerRechtsanwalt darf sich nicht mit der rechtlichen Wür-digung des ihm vorgetragenen Sachverhalts begnü-gen, sondern muss sich bemühen, durch Befragungdes Rechtsuchenden ein möglichst vollständiges undobjektives Bild der Sachlage zu gewinnen […].“ Undschließlich: „Die Prüfung von Rechtsfragen umfasstdie Analyse der Gesetzeslage, der Verwaltungspraxisund der höchstrichterlichen Rechtsprechung und ih-rer Bedeutung für den Sachverhalt, auf den sich dierechtliche Beratung beziehen soll.“5

2. Anwaltliche Tätigkeit ist nach dem dargestelltenVerständnis also auf die „Bearbeitung“ konkreter Le-benssachverhalte ausgerichtet. Dazu passt, dass er-laubnispflichtige „Rechtsdienstleistung“ i.S.v. § 2 IRDG nur eine „Tätigkeit in konkreten fremden Ange-legenheiten“ ist, die „eine rechtliche Prüfung des Ein-zelfalls erfordert“, und dass § 2 III Nr. 1 RDG die (blo-ße) Erstattung wissenschaftlicher Gutachten per seaus dem Bereich der Rechtsdienstleistung ausklam-mert.3. Weil es an der Bearbeitung konkreter Lebenssach-verhalte fehlt, verneint der Senat konsequenterweiseschließlich auch noch das Betreiben von Rechtsange-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

252

1 BT-Drs. 18/5201, 28.2 Vgl. hierzu nur Kilger, in: Kilger/Offermann-Burckart/Schafhausen/Schuster, Das

neue Syndikusrecht, 2016, § 1 Rn. 30 f.3 BT-Drs. 18/5201, 29.

4 Vgl. Busse, in: Henssler/Prütting, BRAO, 4. Aufl. 2014, § 3 BRAO Rn. 13 m.w.N.5 Vgl. zu sämtlichen Zitaten BT-Drs. 18/5201, 28.

SYNDIKUSANWÄLTE

legenheiten der Arbeitgeberin (= Mandantin) durchdie Beigeladene, wie es § 46 V BRAO fordert.V. Ein Verdienst der Entscheidung des HessischenAGH liegt darin, dass sie aufzeigt, wie das RDG ge-wissermaßen in doppelter Hinsicht die Grenze desneuen Syndikusrechts bildet: Was nicht erlaubnis-pflichtig im Sinne des RDG ist, ist grundsätzlichauch nicht anwaltliche, also nicht zwingend oder ori-ginär anwaltliche Tätigkeit. Und „Empfänger“ einerals anwaltlich zu qualifizierenden Tätigkeit bzw.Dienstleistung darf grundsätzlich nur der Arbeit-geber, nicht auch ein beliebiger Dritter (im konkretenFall letztlich der Gesetzgeber) sein, weil andernfallsder anwaltliche Dienstleistungserbringer Erfüllungs-gehilfe des Arbeitgebers würde.6

Nicht zu lösen vermag der AGH – naturgemäß – einDilemma und eine Ungerechtigkeit, die dem neuenSyndikusrecht immanent sind: Während beim „nie-dergelassenen“ Rechtsanwalt niemand fragt, was ereigentlich konkret macht, hängen Verleihung undBeibehaltung der Zulassung als Syndikusrechts-anwalt davon ab, dass von Anfang an und durchgän-gig im überwiegenden Umfang originär anwaltlicheTätigkeiten ausgeübt werden. Der „niedergelassene“Anwalt, der entweder gar nichts tut oder aber in gro-ßem Umfang anwaltsfremde Tätigkeiten ausübt, hat– solange er der Kanzleipflicht genügt, eine Berufs-haftpflichtversicherung unterhält und keiner der we-nigen unvereinbaren Tätigkeiten i.S.v. § 14 II Nr. 8BRAO nachgeht (also z.B. als Immobilienmakler auf-tritt) – allenfalls noch das Abdriften in die Gewerbe-steuerpflicht, aber jedenfalls nicht den Verlust der Zu-lassung zu befürchten. Ohnehin wird fast alles, wasein „niedergelassener“ Anwalt anpackt, gewisserma-ßen per definitionem zu anwaltlicher Tätigkeit – unddies vor allem auch in gebührenrechtlicher7 und haf-tungstechnischer Hinsicht.

Der Syndikusrechtsanwalt hingegen muss viel mehr„richtiger“, also „klassischer“ Anwalt sein als sein„niedergelassener“ Kollege. Dieses Dilemma beruhtauf der gesetzgeberischen Forderung, dass alle vierKriterien des § 46 III BRAO kumulativ erfüllt und dieentsprechenden Tätigkeiten für das Arbeitsverhältnisprägend sein müssen. Während beim „niedergelas-senen“ Anwalt schon der erste Anschein für die Aus-übung anwaltlicher Tätigkeit spricht und die Professi-on den Begriff prägt, ist es beim Syndikusrechts-anwalt genau umgekehrt. Deshalb existiert –entgegen der erklärten Intention des Gesetzgebersund verfassungsrechtlich bedenklich – nach wie vorkeine verbindliche und schon gar keine einheitlicheDefinition anwaltlicher Tätigkeit, die bei der Aus-legung der §§ 3 I, 46 I und II BRAO, § 1 I RVG zu ver-lässlichen, konsistenten Ergebnissen führte.VI. Was folgt aus alledem für die Praxis?Wer (im Verlags-, Verbands- oder Stiftungswesen)eindimensional und rein wissenschaftlich tätig ist,hat keine Aussicht auf eine Zulassung als Syndikus-rechtsanwalt, auch wenn es durchaus „niedergelas-sene“ Rechtsanwälte gibt, die in größeren Kanzleienausschließlich als juristische Zuarbeiter (im berühm-ten Hinterzimmer) tätig sind, ohne dass jemand hie-ran Anstoß nähme.Wer dagegen breiter aufgestellt ist und z.B. als Ver-bandsjurist Mitglieder berät, Vertragsverhandlungenführt und zum Abschluss bringt oder den Verbandvor Gericht vertritt, darf einen Teil seiner Arbeitszeitnatürlich auch auf wissenschaftliche Tätigkeiten undLobbyaufgaben verwenden, ohne damit seine Zulas-sung als Syndikusrechtsanwalt zu gefährden. Um esplakativ zu formulieren: Die richtige Mischung machtden Unterschied. Und darauf, dass die Mischungstimmt, ist schon beim Abschluss des Arbeitsvertragsund bei der Formulierung einer möglichst aussage-kräftigen, plastischen Tätigkeitsbeschreibung das ge-meinsame Augenmerk von Arbeitgeber und (künfti-gem) Syndikusrechtsanwalt zu legen.

Rechtsanwältin Dr. Susanne Offermann-Burckart,Grevenbroich

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

253

SONSTIGES

MISSBRAUCHSGEBÜHR FÜR RECHTSANWALT

BVerfGG § 34 II

* 1. Ein Missbrauch liegt unter anderem dann vor,wenn eine Verfassungsbeschwerde in ihrer äußerenForm beleidigenden oder verletzenden Charakteraufweist und jegliche Sachlichkeit vermissen lässt.* 2. Dies ist der Fall, wenn sich ein Rechtsanwalt inherabsetzender Weise über die sowohl im Aus-

gangsverfahren tätig gewesenen Richter, als auchdie Richter und Bediensteten des BVerfG äußert.BVerfG, Beschl. v. 2.1.2017 – 1 BvR 2324/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Mit Beschluss vom 11.8.2010 (BRAK-Mitt. 2010,266) hat das BVerfG entschieden, dass eine miss-bräuchliche Verfassungsbeschwerde auch dann vor-

6 Der sog. Erfüllungsgehilfenlösung wurde im Laufe der Entstehung des RDG ja ge-rade eine Absage erteilt; vgl. hierzu Krenzler und Offermann-Burckart, in: Krenzler,RDG, 2. Aufl. 2017, § 5 RDG Rn. 12 f. bzw. § 3 RDG Rn. 82 ff.

7 Vgl. hierzu und zu den Schwierigkeiten einer Abgrenzung Volpert, in: Schneider/Wolf, Anwaltkommentar RVG, 8. Aufl. 2017, § 1 RVG Rn. 124 ff., der z.B. Makler-tätigkeit, nicht aber Vermögensverwaltung als potenziell anwaltlich einstuft.

liegt, wenn diese offensichtlich unzulässig oder un-begründet ist und ihre Einlegung von jedem Einsich-tigen als völlig aussichtslos angesehen werdenmuss. In diesem Zusammenhang sei von einemRechtsanwalt, der das Mandat zur Führung einesProzesses vor dem BVerfG annimmt, zu verlangen,dass er sich mit der verfassungsrechtlichen Materieauseinandersetzt, die Rechtsprechung des BVerfGzu den aufgeworfenen Fragen prüft, die Erfolgsaus-sichten einer beabsichtigten Verfassungsbeschwer-de eingehend abwägt und sich entsprechend denErgebnissen seiner Prüfung verhält.

GLAUBHAFTMACHUNG VON TATSACHENDURCH ANWALTLICHE VERSICHERUNG

ZPO §§ 236 II, 294

Zwar kann die Schilderung von Vorgängen durch ei-nen Rechtsanwalt die mitgeteilten Tatsachen ingleicher Weise glaubhaft machen, wie dies sonstdurch eine eidesstattliche Versicherung der Fallist, wenn der Anwalt die Richtigkeit seiner Angabenunter Bezugnahme auf seine Standespflichten an-waltlich versichert. Hierzu bedarf es aber jedenfallseiner Versicherung der Richtigkeit dieser Angaben(Fortführung des Senatsbeschl. v. 22.10.2014 – XIIZB 257/14, FamRZ 2015, 135).BGH, Beschl. v. 5.7.2017 – XII ZB 463/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

ABGRENZUNG EINER EINFACHEN BELEHRUNGVON EINEM BELEHRENDEN HINWEIS

BRAO §§ 73 II, 112c I 1; VwGO § 43 I

1. Zur Abgrenzung einer einfachen Belehrung bzw.eines präventiven Hinweises von einem belehren-den Hinweis bzw. einer missbilligenden Belehrungdurch die RAK (Bestätigung und Fortführung derSenatsurteile v. 12.7.2012 – AnwZ (Brfg) 37/11,BGHZ 194, 79 Rn. 12; v. 27.10.2014 – AnwZ (Brfg)67/13, NJW 2015, 72 Rn. 7 f.; v. 18.7.2016 – AnwZ(Brfg) 22/15 Rn. 10; v. 7.11.2016 – AnwZ (Brfg) 47/15, NJW 2017, 407 Rn. 10, 12).2. Hat die RAK in Bezug auf ein von einem Rechts-anwalt beabsichtigtes Verhalten eine einfache Be-lehrung beziehungsweise einen präventiven Hinweiserteilt und damit keinen Verwaltungsakt erlassen,ist eine auf die Feststellung der Rechtmäßigkeit desbeabsichtigten Verhaltens gerichtete (vorbeugende)Feststellungsklage des Rechtsanwalts grundsätzlichnur dann zulässig, wenn ein spezielles, besondersschützenswertes, gerade auf die Inanspruchnahmevorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Interessebesteht und die Verweisung des Rechtsanwalts aufden nachträglichen Rechtsschutz für ihn mit un-zumutbaren Nachteilen verbunden wäre (Fortfüh-

rung von Senatsbeschluss v. 24.2.2016 – AnwZ(Brfg) 62/15 Rn. 7 m.w.N.; Senatsurteil v. 18.7.2016– AnwZ (Brfg) 46/13, NJW-RR 2016, 1459 Rn. 13).BGH, Urt. v. 3.7.2017 – AnwZ (Brfg) 45/15

AUS DEM TATBESTAND:[1] 1. Der Kl. war seit 2004 Mitglied der Bekl. Anfangdes Jahres 2013 bat er die Bekl. um eine Beurteilungder berufsrechtlichen Zulässigkeit einer von ihm be-absichtigten und so bezeichneten „Schockwerbung“ fürseine Kanzlei. Der Kl. wollte zu Werbezwecken Kaffee-tassen verbreiten, die – soweit hier noch von Interesse– mit drei verschiedenen Aufdrucken von Bildern, diesenbeigestellten Textzeilen sowie den Kontaktdaten derKanzlei des Kl. versehen sein sollten. Wegen der Einzel-heiten dieser Aufdrucke, die auch Gegenstand der imvorliegenden Verfahren im Streit stehenden Werbemaß-nahme sind, wird auf den Tatbestand des zwischen denParteien ergangenen Senatsurteils v. 27.10.2014 (AnwZ(Brfg) 67/13, NJW 2015, 72) sowie auf die Seite 2 derhiesigen Klageschrift und den Tatbestand des hier an-gegriffenen Urteils des AGH (Seite 4) Bezug genommen.Die Bekl. erteilte dem Kl. daraufhin zwei belehrendeHinweise, in denen sie ihn aufforderte, die vorgenannteWerbung wegen Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichenBerufsrecht und dem Wettbewerbsrecht zu unterlassen.[2] Die dagegen gerichtete Klage hat der AGH abge-wiesen. Die Berufung des Kl. hat der Senat mit dem vor-erwähnten Urt. v. 27.10.2014 zurückgewiesen. Der Se-nat hat die o.g. Werbung als mit dem berufsrechtlichenGebot sachlicher und berufsbezogener Unterrichtung(§ 43b BRAO, § 6 I BORA) nicht vereinbar angesehen,da sie aus der maßgeblichen Sicht der angesprochenenVerkehrskreise darauf abziele, gerade durch ihre reißeri-sche und sexualisierende Ausgestaltung die Aufmerk-samkeit des Betrachters zu erregen, mit der Folge,dass ein etwa vorhandener Informationswert in denHintergrund gerückt werde oder gar nicht mehr erkenn-bar sei. Derartige Werbemethoden seien geeignet, dieRechtsanwaltschaft als seriöse Sachwalterin der Interes-sen Rechtsuchender zu beschädigen.[3] Die gegen das vorbezeichnete Senatsurteil gerichte-te Verfassungsbeschwerde des Kl. hat das BVerfG mitBeschl. v. 5.3.2015 (BVerfG, NJW 2015, 1438) nichtzur Entscheidung angenommen. Das BVerfG hat hierbeihervorgehoben, Schutzzweck des § 43b BRAO sei die Si-cherung der Unabhängigkeit des Rechtsanwalts als Or-gan der Rechtspflege. Mit der Stellung des Rechts-anwalts sei im Interesse des rechtsuchenden Bürgersinsbesondere eine Werbung nicht vereinbar, die ein re-klamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stelle, mitder eigentlichen Leistung des Anwalts nichts mehr zutun habe und sich nicht mit dem unabdingbaren Ver-trauensverhältnis im Rahmen eines Mandats verein-baren lasse (BVerfG, a.a.O., Rn. 24 m.w.N.).[4] 2. Mit Schreiben v. 21.3.2015 fragte die „Dr. R.Rechtswissenschaftliche Dienstleistungen UG (haf-tungsbeschränkt)“, deren Geschäftsführer der Kl. istund die seit dem 3.11.2016 als „R. Legal Services UG(haftungsbeschränkt)“ firmiert, bei der Bekl. an, ob Be-denken gegen die Verwendung der o.g. Bildmotive aufKaffeetassen zu Werbezwecken unter Hinzufügung der

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

254

Bezeichnung der erstgenannten Unternehmergesell-schaft bestünden. Die Bekl. beantwortete diese Anfra-ge durch Schreiben v. 1.4.2015 im Wesentlichen wiefolgt: „Sollten Sie die von Ihnen nunmehr angekündigteWerbung über die Dr. R. RechtswissenschaftlicheDienstleistungen UG schalten wollen, wäre die[s] fürsie als Rechtsanwalt eindeutig ein Verstoß gegen § 6III BORA. Sie würden als Rechtsanwalt zulassen (in ei-gener Person), dass eine UG für sie eine höchstrichter-lich untersagte Werbung betreibt. Es ist auch im Wett-bewerbsrecht ganz selbstverständlich, dass solche Um-gehungsversuche eine unerlaubte wettbewerbswidrigeHandlung darstellen. […] dies [wäre] nicht nur ein wett-bewerbswidriges Verhalten der UG […], sondern auchein berufsrechtlicher Verstoß des Rechtsanwalts Dr. M.R. Wenn Sie also gegenüber der RAK K. nicht erklären,dass Sie diese Werbung nicht schalten werden, wirddie Abteilung III der RAK K. den Vorgang unmittelbaran die Generalstaatsanwaltschaft K. zur Prüfung derEinleitung eines anwaltsgerichtlichen Anschuldigungs-verfahrens übersenden. […] Wir dürfen Sie daher bitten,uns gegenüber bis zum 13.4.2015 zu erklären, dass Siediese Werbung nicht vornehmen werden.“[5] Mit seiner Klage begehrt der Kl. die Feststellung,dass die Verwendung der o.g. Bildmotive auf Kaffee-tassen als Werbemedien durch die „Dr. R. Rechts-wissenschaftliche Dienstleistungen UG (haftungsbe-schränkt)“ keinen Verstoß durch ihn als deren Ge-schäftsführer gegen anwaltliches Berufsrecht darstelle.Hilfsweise erstrebt der Kl. die Aufhebung des von ihmals belehrenden Hinweis angesehenen Schreibens derBekl. v. 1.4.2015, soweit darin die vorbezeichnetenBildmotive als Verstoß gegen anwaltliches Berufsrechtuntersagt worden seien.[6] Der AGH hat die Klage abgewiesen. Zur Begrün-dung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Die Klagesei sowohl hinsichtlich des Hauptantrags als auch desHilfsantrags unzulässig. Die Unzulässigkeit der in ers-ter Linie erhobenen Feststellungsklage ergebe sich un-ter Zugrundelegung des Rechtsstandpunkts des Kl. –wonach es sich bei dem Schreiben der Bekl. v. 1.4.2015 um einen belehrenden Hinweis und damit um ei-nen Verwaltungsakt handele – bereits aus dem Grund-satz der Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 112c I1 BRAO, § 43 II VwGO). Denn für den Kl. bestünde indiesem Fall die Möglichkeit, eine Anfechtungsklage zuerheben (§ 112c I 1 BRAO, § 42 I VwGO).[7] Bei dem Schreiben der Bekl. v. 1.4.2015 handele essich aber nicht um einen belehrenden Hinweis i.S.d.Rechtsprechung des BGH; vielmehr gehe es über einebloß präventive Auskunft ohne Regelungscharakternicht hinaus. Zwar bringe dieses Schreiben zum Aus-druck, dass die Bekl. ein bestimmtes Verhalten des Kl.für berufsrechtswidrig erachte. In dem Schreiben wer-de allerdings weder in einer Entscheidungsformel fest-gestellt, dass ein bestimmtes Verhalten rechtswidrigsei, noch werde ein konkretes Verbot oder Unterlas-sungsgebot ausgesprochen. Auch wenn dieses Schrei-ben förmlich zugestellt worden sei, sei eine Rechtsmit-telbelehrung nicht beigefügt gewesen. Vielmehr be-schränke sich das Schreiben darauf, den Kl. über dierechtliche Einschätzung der Bekl. in Kenntnis zu setzen

und die ggf. vorzunehmende Übersendung des Vor-gangs an die Generalstaatsanwaltschaft K. zur Prüfungder Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Anschuldi-gungsverfahrens anzukündigen. Damit folge aus demSchreiben ohne Weiteres, dass die Bekl. gerade nichtdie Erteilung eines belehrenden Hinweises beabsichtigthabe, sondern – sofern der Kl. an dem beabsichtigtenVerhalten festhalte – ihrer Unterrichtungspflicht gegen-über der Generalstaatsanwaltschaft (§ 120a BRAO)habe nachkommen wollen, um diese in die Lage zu ver-setzen, die vorbezeichnete Prüfung vorzunehmen. Da-mit habe die Bekl. zugleich zum Ausdruck gebracht,dass sie ein Rügeverfahren und erst recht einen beleh-renden oder gar einfachen Hinweis nicht für ausrei-chend erachte. Damit enthalte das Schreiben lediglicheinen präventiven Hinweis – ohne Regelungscharakter– auf das von der Bekl. beabsichtigte Verhalten.[8] Es handele sich bei dem Schreiben der Bekl. auchnicht um eine sonstige hoheitliche Maßnahme, die be-rufsrechtliche Rechte und Pflichten des Kl. zu beein-trächtigen geeignet wäre (§ 112b S. 1 Hs. 2 BRAO).Entgegen der Auffassung des Kl. könne eine Rechts-schutzmöglichkeit mittels Feststellungsklage daherauch nicht unter dem Gesichtspunkt eines anders ge-lagerten Akts öffentlicher Gewalt mit belastender Au-ßenwirkung angenommen werden.[9] Da das Schreiben der Bekl. lediglich den Hinweisauf die Absicht enthalte, nach Ablauf der dort genann-ten Frist die Generalstaatsanwaltschaft gem. § 120aBRAO unterrichten zu wollen, fehle für die Feststellungs-klage jedenfalls das gem. § 112c I 1 BRAO, § 43 I Hs. 2VwGO erforderliche Interesse des Kl. an der baldigenFeststellung. Denn es sei Sache der Bekl., im Rahmen ei-ner Prognoseentscheidung zu entscheiden, ob Anhalts-punkte für den Verdacht einer schuldhaften Verletzungvon Pflichten, die mit einer anwaltsgerichtlichen Maß-nahme geahndet werden könne, bestünden, so dassdie Unterrichtungspflicht nach § 120a BRAO ausgelöstwerde. Wolle der Rechtsanwalt die im Vorfeld einer Un-terrichtung nach § 120a BRAO geäußerte Rechtsauffas-sung der RAK hinsichtlich des Vorliegens einer schuld-haften Pflichtverletzung angreifen, so sehe das Gesetzdafür das Selbstreinigungsverfahren nach § 123 BRAOvor. Ein schützenswertes Interesse des Rechtsanwalts,die Rechtmäßigkeit des Verhaltens daneben auch mit-tels einer Feststellungsklage als verwaltungsrechtlicheAnwaltssache gegenüber der RAK geltend zu machen,sei nicht ersichtlich. Es sei dem Kl. ohne Weiteres zu-zumuten, entweder die Entschließung der General-staatsanwaltschaft abzuwarten oder das Selbstrei-nigungsverfahren zu betreiben, bzw. dann, wenn dieBekl. sich zur Erteilung eines belehrenden Hinweisesentschließen sollte, dagegen mit der Anfechtungsklagevorzugehen. Angesichts dieses Systems gesetzlich zurVerfügung gestellter Rechtsschutzmöglichkeiten beste-he kein Bedürfnis für eine zusätzliche Rechtsschutzmög-lichkeit mittels einer Feststellungsklage.[10] Die seitens des Kl. für den Fall der Unzulässigkeitder Feststellungsklage hilfsweise erhobene Anfech-tungsklage sei ebenfalls unzulässig, da es sich beidem Schreiben der Bekl. v. 1.4.2015 nicht um einenVerwaltungsakt handele.

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

255

SONSTIGES

[11] Hiergegen wendet sich der Kl. mit seiner vomAGH zugelassenen Berufung, mit der er die Aufhebungdes angefochtenen Urteils erstrebt und sein Klagebe-gehren weiterverfolgt. „Höchsthilfsweise“ hat er seinFeststellungsbegehren in der mündlichen Verhandlungvor dem Senat mit dem Antrag zu 3 beschränkt. Es seifestzustellen, dass es keinen Verstoß durch ihn als Ge-schäftsführer der Unternehmergesellschaft gegen an-waltliches Berufsrecht darstelle, wenn die Verteilungder o.g. Kaffeetassen in einer auf jeweils 30 Exemplarepro Motiv limitierten Stückzahl an Autowerkstättenzum Zwecke einer sozialkritischen Diskussion erfolgensolle. Die Bekl. verteidigt das Urteil des AGH und hältden vorbezeichneten Antrag für unzulässig.

AUS DEN GRÜNDEN:[12] Die Berufung ist nach § 112e S. 1 BRAO statthaftund auch im Übrigen zulässig (§ 112e S. 2 BRAO,§ 124a II, III VwGO). Sie hat jedoch in der Sache kei-nen Erfolg.[13] I. Der AGH hat die Klage mit Recht abgewiesen.Die Klage ist, wie der AGH zutreffend angenommenhat, sowohl hinsichtlich des mit dem Hauptantrag ver-folgten Feststellungsbegehrens als auch hinsichtlichder hilfsweise geltend gemachten Anfechtungsklageunzulässig.[14] 1. Die Feststellungsklage, mit welcher der Kl. fest-gestellt wissen will, dass die Verwendung der im Tat-bestand genannten Bildmotive auf Kaffeetassen zu Wer-bezwecken durch die „Dr. R. RechtswissenschaftlicheDienstleistungen UG (haftungsbeschränkt)“ keinen Ver-stoß durch ihn als deren Geschäftsführer gegen anwalt-liches Berufsrecht darstelle, ist wegen fehlender Statt-haftigkeit unzulässig (§ 112c I 1 BRAO, § 43 I VwGO).[15] a) Allerdings sind Feststellungsanträge im Verfah-ren der Anwaltsgerichtsbarkeit seit der Änderung desVerfahrensrechts zum 1.9.2009 und dem damit ver-bundenen Wegfall der Vorschriften der §§ 39 ff., 223BRAO a.F. nicht mehr grundsätzlich unzulässig (Se-natsbeschl. v. 24.2.2016 – AnwZ (Brfg) 62/15 Rn. 7m.w.N.; Senatsurt. v. 18.7.2016 – AnwZ (Brfg) 46/13,NJW-RR 2016, 1459 Rn. 13).[16] b) Auch steht der Zulässigkeit der Feststellungskla-ge, wovon der AGH zutreffend ausgegangen ist, nichtbereits der gesetzliche Vorrang der Gestaltungsklage,hier in Form der Anfechtungsklage (§ 112c I 1 BRAO,§ 42 I Alt. 1 VwGO), entgegen (§ 112c I 1 BRAO, § 43II 1 VwGO). Denn bei dem verfahrensgegenständlichenSchreiben der Bekl. v. 1.4.2015 handelt es sich, andersals der Kl. meint, nicht um einen Verwaltungsakt (§ 32I 1 BRAO, § 35 S. 1 VwVfG) in Gestalt eines belehren-den Hinweises beziehungsweise einer missbilligendenBelehrung, sondern vielmehr um eine einfache Beleh-rung bzw. einen präventiven Hinweis.[17] aa) Gem. § 73 II Nr. 1 BRAO obliegt es dem Vor-stand der RAK, die Kammermitglieder in Fragen derBerufspflichten zu beraten und zu belehren. Gem.§ 73 II Nr. 4 BRAO hat der Vorstand zudem die Erfül-lung der den Mitgliedern der Kammer obliegendenPflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zuhandhaben.

[18] (1) In Rechtsprechung und Literatur ist anerkannt,dass aus der Aufgabe der Beratung und Belehrunggem. § 73 II Nr. 1 BRAO zunächst das Recht des Vor-stands der RAK folgt, den Kammermitgliedern auf de-ren Anfrage oder von Amts wegen zur Beseitigung be-stehender oder künftiger Zweifel die Auffassung derRAK zu einer bestimmten berufsrechtlichen Frage mit-zuteilen, ohne dies etwa mit einem Schuldvorwurf ge-gen den Rechtsanwalt zu verbinden. Solche einfachenBelehrungen bzw. präventiven Hinweise sind in der Re-gel nicht geeignet, die Rechte des Rechtsanwalts zubeinträchtigen, und daher grundsätzlich auch nicht an-waltsgerichtlich anfechtbar (vgl. nur Senatsurt. v. 12.7.2012 – AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 12; v.27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, NJW 2015, 72Rn. 7 f.; Senatsbeschl. v. 13.8.2007 – AnwZ (B) 51/06,NJW 2007, 3349 Rn. 4; v. 24.10.2012 – AnwZ (Brfg)14/12 Rn. 4; BVerfGE 50, 16, 27; BVerfG, NJW 2015,1438 Rn. 21; Weyland, in Feuerich/Weyland, BRAO,9. Aufl., § 73 BRAO Rn. 28 ff.; Lauda, in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 2. Aufl., § 73 BRAORn. 23 ff.; Hartung, in Henssler/Prütting, BRAO,4. Aufl., § 73 BRAO Rn. 23 ff.).

Wahlrecht des Vor-stands

[19] (2) Nach ständiger Rechtsprechung des Senatsbesteht für die Kammer-vorstände insoweit aberauch die Möglichkeit, beiberufsrechtswidrigem Ver-

halten als hoheitliche Maßnahme zwischen der ein-fachen Belehrung bzw. dem präventiven Hinweis einer-seits und der Sanktion der (förmlichen) Rüge nach § 74BRAO andererseits einen sog. belehrenden Hinweisbzw. eine missbilligende Belehrung zu erteilen (vgl.nur Senatsbeschl. v. 24.10.2012 – AnwZ (Brfg) 14/12,a.a.O.; v. 18.12.2015 – AnwZ (Brfg) 19/15 Rn. 2; Se-natsurt. v. 27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, a.a.O.; v.18.7.2016 – AnwZ (Brfg) 22/15 Rn. 10; jeweils m.w.N.;siehe ferner BVerfGE 50, 16, 26 ff., 31 f.; BVerfG, NJW2015, a.a.O.; BVerfG, AnwBl. 2016, 69 Rn. 8; Nieder-sächsischer AGH, BRAK-Mitt. 2014, 31, Rn. 21; Wey-land, in Feuerich/Weyland, a.a.O., § 74 BRAORn. 8a ff.; a.A. Lauda, in Gaier/Wolf/Göcken, a.a.O.§ 74 BRAO Rn. 8 f.; Hartung, in Henssler/Prütting,a.a.O., § 73 BRAO Rn. 24 und § 74 BRAO Rn. 10). Sol-che auf der Grundlage des § 73 II Nr. 1, 4 BRAO er-gangenen belehrenden Hinweise bzw. missbilligendenBelehrungen sind namentlich dann, wenn sie ein Hand-lungsverbot oder ein Handlungs- oder Unterlassungs-gebot aussprechen, als in die Rechtsstellung desRechtsanwalts eingreifende Verwaltungsakte anzuse-hen, die dementsprechend mit der Anfechtungsklageangegriffen werden können (vgl. nur BGH, Urt. v.27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, a.a.O. Rn. 7; v.7.11.2016 – AnwZ (Brfg) 47/15, NJW 2017, 407Rn. 10, 12; jeweils m.w.N.; Senatsbeschl. v. 18.12.2015 – AnwZ (Brfg) 19/15, a.a.O.).[20] Dabei hat der Senat zum vormals geltenden Ver-fahrensrecht mehrfach ausgesprochen, dass Auskünfteder RAK über die Rechtmäßigkeit künftigen Verhaltensdes Rechtsanwalts – um ein solches Verhalten geht esim vorliegenden Fall – grundsätzlich nicht anfechtbarsind, weil sie keine Schuld feststellen und nicht in des-

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

256

SONSTIGES

sen Rechte eingreifen (vgl. nur Senatsbeschl. v. 16.7.1962 – AnwZ (B) 10/62, BGHZ 37, 396, 401; v.18.11.1996 – AnwZ (B) 20/96, NJW-RR 1997, 759; v.2.4.2001 – AnwZ (B) 28/00, BRAK-Mitt. 2001, 188,189; v. 6.3.2006 – AnwZ (B) 38/05, NJW 2006, 2926Rn. 2). Diese Rechtsprechung hat der Senat allerdingsin seinem – ebenfalls die hier in Rede stehenden Bild-motive betreffenden – Urt. v. 27.10.2014 (AnwZ (Brfg)67/13, a.a.O. Rn. 8) dahingehend fortentwickelt, dasseine andere Beurteilung geboten sein kann, wenn derBescheid der RAK nach seinem bei der Auslegungmaßgebenden objektiven Erklärungswert aus Sichtdes Empfängerhorizonts über eine einfache Belehrungbzw. einen präventiven Hinweis hinausgeht (ebensoSenatsurt. v. 7.11.2016 – AnwZ (Brfg) 47/15, a.a.O.).[21] Als Gesichtspunkte, die im Rahmen der insoweitvorzunehmenden Auslegung für das Vorliegen einesbelehrenden Hinweises bzw. einer missbilligenden Be-lehrung sprechen, hat der Senat insbesondere angese-hen, dass der Bescheid der RAK mit einer Entschei-dungsformel versehen ist und in dieser – oder sonstim Bescheid – die Rechtswidrigkeit eines bestimmtenVerhaltens festgestellt und ein konkretes Verbot aus-gesprochen wird und der Bescheid insgesamt erken-nen lässt, dass die RAK sich bereits auf eine verbindli-che Regelung der aufgeworfenen Fragen festgelegthat. Darüber hinaus spricht es nach der Rechtspre-chung des Senats für das Vorliegen eines Verwaltungs-akts, wenn der Bescheid mit einer Rechtsmittelbeleh-rung versehen und dem Rechtsanwalt förmlich zu-gestellt worden ist (Senatsurt. v. 27.10.2014 – AnwZ(Brfg) 67/13, a.a.O.; v. 7.11.2016 – AnwZ (Brfg) 47/15, a.a.O. Rn. 10; jeweils m.w.N.).

Einfache Belehrung/präventiver Hinweis

[22] bb) Von diesen Grundsätzen ausgehend handeltes sich bei dem im vorlie-genden Fall zu beurteilen-den Schreiben der Bekl. v.1.4.2015 nicht um einen

belehrenden Hinweis bzw. eine missbilligende Beleh-rung, sondern um eine einfache Belehrung bzw. einenpräventiven Hinweis. Damit fehlt es entgegen der Auf-fassung des Kl. hier an einem Verwaltungsakt.[23] (1) Zwar hat die Bekl. das genannte Schreiben demKl. förmlich zugestellt und in dem Schreiben eine ein-deutige berufsrechtliche – und daneben auch eine wett-bewerbsrechtliche – Bewertung des vom Kl. angekün-digten künftigen Verhaltens vorgenommen. Eine solcheeindeutige rechtliche Bewertung ist indessen auch not-wendiger Inhalt einer einfachen Belehrung und vermagdaher für sich alleine noch nicht einen Verwaltungsakt-charakter des Schreibens zu begründen. Denn die RAKhat, wie oben dargestellt, im Rahmen des § 73 II Nr. 1BRAO die Aufgabe, dem Rechtsanwalt ihre Auffassungzu einer bestimmten berufsrechtlichen Frage mitzuteilenund dadurch bestehende oder künftige Zweifel zu besei-tigen. Dieser Zweck erfordert es, dem um eine berufs-rechtliche Beratung nachsuchenden Rechtsanwalt, (be-reits) durch die einfache Belehrung nach § 73 II Nr. 1BRAO eine sichere Orientierungshilfe für sein Verhaltenzu geben.[24] (2) Für eine einfache Belehrung bzw. einen präven-tiven Hinweis und gegen das Vorliegen eines Verwal-

tungsakts spricht hier insbesondere, dass die Bekl. in ih-rem Schreiben v. 1.4.2015, anders als in den früherenBescheiden, die dem Senatsurt. v. 27.10.2014 – AnwZ(Brfg) 67/13 zugrunde lagen, weder in einer – hier nichtvorhandenen – Entscheidungsformel noch in der Be-gründung ein konkretes Handlungsverbot oder -gebotoder ein konkretes Unterlassungsgebot ausgesprochenhat. Einem solchen Ausspruch wird indes, wie bereits er-wähnt, sowohl in der Rechtsprechung des Senats alsauch in der Literatur ein starkes Gewicht für die recht-liche Einordnung der zu beurteilenden Maßnahme derRAK beigemessen (vgl. nur Senatsurt. v. 27.10.2014 –AnwZ (Brfg) 67/13, a.a.O. Rn. 7 f.; v. 7.11.2016 –AnwZ (Brfg) 47/15, a.a.O.; Senatsbeschl. v. 21.1.2014– AnwZ (Brfg) 67/13 Rn. 5; v. 18.12.2015 – AnwZ (Brfg)19/15, a.a.O.; siehe ferner Senatsurt. v. 3.11.2014 –AnwZ (Brfg) 72/13, NJW-RR 2015, 186 Rn. 7; v. 26.10.2015 – AnwZ (Brfg) 25/15 Rn. 9; jeweils m.w.N.; BVerf-GE 50, 16, 27; Lauda, in Gaier/Wolf/Göcken, a.a.O.,§ 73 Rn. 27; Hartung, in Henssler/Prütting, a.a.O.,§ 73 BRAO Rn. 28). In dem Ausspruch eines konkretenHandlungsverbots oder -gebots oder eines konkretenUnterlassungsgebots liegt grundsätzlich der Kern einerüber eine einfache Belehrung bzw. einen präventivenHinweis ohne Regelungscharakter hinausgehenden„verbindlichen Regelung der aufgeworfenen Fragen“i.S.d. o.g. Rechtsprechung des Senats, auf die sich dieRAK festgelegt haben muss, damit vom Vorliegen einesVerwaltungsakts ausgegangen werden kann. Die Bekl.hat dementsprechend hierzu in der Berufungserwide-rung ausgeführt, ihre belehrenden Hinweise enthieltenstets eine konkrete Aufforderung, ein bestimmtes Ver-halten zu unterlassen.[25] Nach dem Inhalt des Schreibens der Bekl. v. 1.4.2015 hingegen sollten die abschließende Entscheidungund damit die „Regelung“ im vorgenannten Sinne derGeneralstaatsanwaltschaft vorbehalten bleiben. Ausdem – nach Art einer wettbewerbsrechtlichen Abmah-nung formulierten – Bescheid der Bekl. geht deutlichhervor, dass die Bekl. zwar eine Beurteilung der Recht-mäßigkeit der beabsichtigten Werbemaßnahme vorneh-men, nicht jedoch selbst über die Unterlassungspflichtdes Kl. befinden, sondern es zunächst diesem überlas-sen wollte, durch eine von ihr innerhalb einer bestimm-ten Frist geforderte Abgabe einer Unterlassungserklä-rung insoweit Klarheit zu schaffen. Bei Nichtabgabeder Unterlassungserklärung sollte der Vorgang an dieGeneralstaatsanwaltschaft zur Prüfung der Vorausset-zungen eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens abge-geben werden. Mit diesem Absehen von einer eigenenEntscheidung über die Unterlassungspflicht hat dieBekl. zugleich zum Ausdruck gebracht, dass sie wederden Ausspruch eines belehrenden Hinweises bzw. einermissbilligenden Belehrung noch ein Rügeverfahrennach § 74 BRAO als ausreichend ansieht, sondern eineBefassung der Generalstaatsanwaltschaft mit dem Zielder Verhängung anwaltsgerichtlicher Maßnahmen fürerforderlich hält (§ 120a BRAO).

Kein Verwaltungs-akt

[26] Gegen das Vorliegen eines Verwaltungsakts sprichtschließlich auch, dass dasangegriffene Schreiben derBekl. – wiederum im Ge-

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

257

gensatz zu den Bescheiden der Bekl., über die der Senatin seinem Urt. v. 27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13 zu be-finden hatte – keine Rechtsmittelbelehrung enthält. DerSenat hat bereits mehrfach die Erteilung einer Rechts-mittelbelehrung als ein wichtiges Merkmal für das Vor-liegen einer hoheitlichen Maßnahme in Gestalt eines be-lehrenden Hinweises bzw. einer missbilligenden Beleh-rung hervorgehoben (vgl. nur Senatsurt. v. 12.7.2012 –AnwZ (Brfg) 37/11, BGHZ 194, 79 Rn. 12; v. 27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, a.a.O. Rn. 8; v. 7.11.2016– AnwZ (Brfg) 47/15, a.a.O.; Senatsbeschl. v. 25.7.2005 – AnwZ (B) 42/04, NJW 2005, 2692 unter II 1; v.13.8.2007 – AnwZ (B) 51/06, NJW 2007, 3349 Rn. 4; v.30.11.2009 – AnwZ (B) 11/08, NJW 2010, 1972 Rn. 7;v. 21.1.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13 Rn. 5).[27] c) Es kann dahingestellt bleiben, ob die mit demHauptantrag des Kl. verfolgte Feststellungsklage des-halb unstatthaft ist, weil es im hier gegebenen Fall ei-ner durch die RAK ausgesprochenen einfachen Be-lehrung bzw. eines präventiven Hinweises bereits aneinem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis der Partei-en fehlt (§ 112c I 1 BRAO, § 43 I VwGO), da bei dieserArt der Wahrnehmung der in § 73 II Nr. 1 BRAO ge-regelten Aufgaben der RAK der für die Statthaftigkeiteiner Feststellungsklage erforderliche Grad der Konkre-tisierung bzw. Verdichtung des Rechtsverhältnisseszwischen der Kammer und dem Rechtsanwalt nicht ge-geben ist (so Schmidt-Räntsch, in Gaier/Wolf/Göcken,a.a.O., § 112c BRAO Rn. 65 [unter Hinweis darauf,dass anderenfalls die RAK mit ihren Mitgliedern imVorfeld der Festlegung auf eine verbindliche Regelungnicht in einen Meinungsaustausch über Rechtsfragentreten könne]).[28] Denn jedenfalls hat der Kl. ein Feststellungsinte-resse nach § 112c I 1 BRAO, § 43 I Hs. 2 VwGO wederdargetan, noch ist ein solches unter den hier gegebe-nen Umständen sonst ersichtlich. Durch Klage kannauch in Verfahren der Anwaltsgerichtsbarkeit (sieheoben I 1 a) die Feststellung des Bestehens oder Nicht-bestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden,wenn der Kl. gem. § 112c I 1 BRAO, § 43 I Hs. 2VwGO ein berechtigtes Interesse an der baldigen Fest-stellung hat (Senatsbeschl. v. 24.2.2016 – AnwZ (Brfg)62/15 Rn. 7 m.w.N.; Senatsurt. v. 18.7.2016 – AnwZ(Brfg) 46/13, NJW-RR 2016, 1459 Rn. 13). Ein solchesInteresse schließt jedes als schutzwürdig anzuerken-nende Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auchideeller Art ein (Senatsbeschluss v. 24.2.2016 – AnwZ(Brfg) 62/15, a.a.O.; BVerwG, NVwZ 2017, 56 Rn. 26;jeweils m.w.N.; st. Rspr.).[29] Diese Voraussetzungen liegen in Bezug auf denFeststellungsantrag des Kl. nicht vor. Da es sich beidem vom Kl. für unzutreffend erachteten Schreibender Bekl. v. 1.4.2015, wie oben (unter I 1 b) im Einzel-nen dargestellt, um eine einfache Belehrung bzw. ei-nen präventiven Hinweis handelt, in dem insbesonderekein konkretes Unterlassungsgebot hinsichtlich dervom Kl. beabsichtigten Werbemaßnahme ausgespro-chen worden ist und die Bekl. sich nicht bereits aufeine verbindliche Regelung der aufgeworfenen Fragen

festgelegt hat, sondern vielmehr die abschließenderechtliche Beurteilung der Generalstaatsanwaltschaftvorbehalten worden ist, begehrt der Kl. mit seinemFeststellungsantrag der Sache nach einen vorbeugen-den Rechtsschutz. Dieser zielt zum einen gegen dievon der Bekl. für den Fall, dass der Kl. die von ihr gefor-derte Unterlassungserklärung nicht abgeben sollte, an-gekündigte Unterrichtung der Generalstaatsanwalt-schaft (§ 120a BRAO) und die damit bezweckte Prüfungder Einleitung eines anwaltsgerichtlichen Ermittlungs-verfahrens und zum anderen auf die vorbeugende Ab-wehr einer bei Durchführung der angekündigten Wer-bung möglichen weitergehenden (Verwaltungs-)Maß-nahme der Bekl. – etwa in Gestalt eines belehrendenHinweises bzw. einer missbilligenden Belehrung oder ei-ner Rüge nach § 74 BRAO.[30] Da der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz we-gen des Grundsatzes der Gewaltenteilung jedochgrundsätzlich nicht vorbeugend, sondern nachgängigausgestaltet ist (vgl. nur BVerwG, NVwZ 2015, 906Rn. 17, m.w.N.; NVwZ-RR 2016, 907 Rn. 19), ist einevorbeugende Feststellungsklage – wie auch eine sons-tige vorbeugende verwaltungsgerichtliche Klage – nurzulässig, wenn ein spezielles, besonders schützenswer-tes, gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugendenRechtsschutzes gerichtetes Interesse besteht. Diesesist (nur) gegeben, wenn der Betroffene nicht in zumut-barer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsord-nung als grundsätzlich angemessen und ausreichendangesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen diebefürchtete Beeinträchtigung verwiesen werden kann,wenn mit anderen Worten der Verweis auf den nach-gängigen Rechtsschutz mit für den Kl. unzumutbarenNachteilen verbunden wäre (st. Rspr.; vgl. nur BVerwG,Urt. v. 24.10.2013 – 7 C 13/12 Rn. 41; Beschl. v. 19.5.2015 – 3 B 6/14 Rn. 14; BVerwG, NVwZ 2015, 906Rn. 17; NVwZ-RR 2016, 323 Rn. 6; jeweils m.w.N.).[31] So liegt der Fall hier indes nicht. Ein schützens-wertes rechtliches Interesse des Kl., bereits im Vorfeldder von ihm beabsichtigten Werbemaßnahme eine ge-richtliche Entscheidung über deren Zulässigkeit zu er-halten, ist entgegen der Auffassung des Kl. nicht er-sichtlich. Wie der AGH zutreffend ausgeführt hat, istes dem Kl. vielmehr, wenn er trotz der höchstrichterlichbereits erfolgten Klärung, wonach die o.g. Aufdruckemit dem berufsrechtlichen Sachlichkeitsgebot anwalt-licher Werbung unvereinbar und daher insoweit un-zulässig sind, und trotz der von der Bekl. auf dieserrechtlichen Grundlage mit Schreiben v. 1.4.2015 aus-gesprochenen (einfachen) Belehrung an seiner gegen-teiligen Rechtsauffassung und an der geplanten Wer-bemaßnahme festhält, ohne Weiteres zuzumuten, ins-besondere die Entschließung der Generalstaatsanwalt-schaft zur Frage einer möglichen anwaltsgerichtlichenAnschuldigung abzuwarten. Zudem besteht für denKl., worauf der AGH ebenfalls zutreffend hingewiesenhat, die Möglichkeit, von sich aus bei der General-staatsanwaltschaft ein sog. Selbstreinigungsverfahrennach § 123 I 1 BRAO zu beantragen (vgl. hierzuBVerfGK 13, 58, 63).

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

258

[32] d) Der Feststellungsklage wäre im Übrigen aberauch deshalb der Erfolg zu versagen, weil sie unbe-gründet ist. Die beabsichtigte Werbemaßnahme stelltentgegen der Auffassung des Kl. einen Verstoß durchihn als Geschäftsführer der „Dr. R. Rechtswissenschaft-liche Dienstleistungen UG (haftungsbeschränkt)“ ge-gen anwaltliches Berufsrecht dar. Vergeblich machtder Kl. demgegenüber geltend, diese Gesellschaft seinicht Mitglied der Bekl. und unterstehe daher ebensowenig wie er – hinsichtlich der im Nebenamt ausgeüb-ten Tätigkeit als deren Geschäftsführer – der Berufs-aufsicht der Bekl.

Verbotene Werbung

[33] Der Kl. verkennt hierbei, dass der Rechtsanwalt –worauf die Bekl. in ihremSchreiben v. 1.4.2015 zu-treffend hingewiesen hat –

infolge des durch § 43b BRAO, § 6 I BORA ausgeform-ten berufsrechtlichen Sachlichkeitsgebots (auch) nichtdaran mitwirken darf, dass Dritte für ihn Werbung be-treiben, die für ihn selbst verboten ist (§ 6 III BORA;vgl. hierzu im Einzelnen: v. Lewinski, in Hartung/Schar-mer, BORA/FAO, 6. Aufl., § 6 BORA Rn. 200, 206 ff.;Prütting, in Henssler/Prütting, a.a.O., § 43b BRAORn. 45; Träger, in Feuerich/Weyland, a.a.O., § 6BORA Rn. 39). Dies ist hier jedoch der Fall. Die vomKl. beabsichtigte Werbung ist für ihn als Rechtsanwalt,wie der Senat bereits entschieden hat (Senatsurt. v.27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, a.a.O. Rn. 15 ff.; sie-he ferner BVerfG, NJW 2015, 1438), mit dem berufs-rechtlichen Gebot sachlicher und berufsbezogener Un-terrichtung (§ 43b BRAO, § 6 I BORA; vgl. hierzu imEinzelnen Senatsurt. v. 27.10.2014 – AnwZ (Brfg) 67/13, a.a.O. Rn. 12 ff.; v. 7.11.2016 – AnwZ (Brfg) 47/15, a.a.O. Rn. 26 f. m.w.N.) nicht vereinbar und daherunzulässig. Dem Kl. ist es deshalb gem. § 6 III BORAi.V.m. § 43b BRAO, § 6 I BORA untersagt, dieses Ver-bot dadurch zu umgehen, dass er als Geschäftsführerder „Dr. R. Rechtswissenschaftliche DienstleistungenUG (haftungsbeschränkt)“ darauf hinwirkt, die für ihnselbst unzulässige Werbung nun durch diese Gesell-schaft vorzunehmen zu lassen.

[34] 2. Die vom Kl. hilfsweise für den – hier gegebenen– Fall der Unzulässigkeit der Feststellungsklage gel-tend gemachte Aufhebung des Schreibens der Bekl. v.1.4.2015 bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Wie der AGH zu-treffend angenommen hat, ist die hierin zu sehendeAnfechtungsklage nicht statthaft und daher unzuläs-sig. Die Anfechtungsklage ist statthaft, wenn mit derKlage die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehrtwird (§ 112c I 1 BRAO, § 42 I Alt. 1 VwGO). Um einenVerwaltungsakt handelt es sich, wie oben (unter I 1 b)im Einzelnen ausgeführt, bei dem Schreiben der Kl. v.1.4.2015 jedoch nicht.

[35] 3. Deshalb kommt es auch nicht auf die an dasVorliegen eines Verwaltungsakts anknüpfende Rügedes Kl. an, das von ihm angegriffene vorgenannteSchreiben der Bekl. sei nicht in einem ordnungsgemä-ßen Verfahren zustande gekommen, da es – wovon er

wegen der ihm seitens der Bekl. nicht gewährten Ein-sichtnahme in deren Verwaltungsvorgänge ausgehe –entgegen der im Schreiben enthaltenen Angabe nichtauf einem Beschluss der zuständigen Abteilung III derBekl. beruhe.[36] Auch den hierauf bezogenen, in der mündlichenVerhandlung vor dem Senat hilfsweise gestellten Be-weisanträgen des Kl. war deshalb nicht zu entsprechen.Da die diesen Anträgen zugrunde liegende Annahme,es handele sich bei dem angegriffenen Schreiben derKl. um einen Verwaltungsakt, nicht zutrifft, sind die un-ter Beweis gestellten Tatsachen zum Zustandekommendieses Schreibens nicht entscheidungserheblich.[37] 4. Der vom Kl. in der mündlichen Verhandlungvor dem Senat zusätzlich und „höchsthilfsweise“ ge-stellte o.g. Antrag zu 3 ist unzulässig. Die in diesemAntrag bezeichnete Maßnahme war nicht Inhalt derAnfrage des Kl. v. 21.3.2015 bei der Bekl. und ist dem-gemäß auch nicht Gegenstand des hierauf erfolgtenangegriffenen Schreibens der Bekl. v. 1.4.2015. Bereitsaus diesem Grund fehlt es an einem Feststellungsinte-resse des Kl. (§ 112c I 1 BRAO, § 43 I Hs. 2 VwGO).

ZUR WIRKSAMKEIT DER ABTRETUNG EINERFORDERUNG

BRAO § 49b IV; BGB §§ 167 I, 168 I 3, 398, 675

1. Ein Rechtsanwalt, der entsprechend einer wirk-samen Weisung des Bevollmächtigten seines Man-danten eine für diesen eingezogene Forderung aneinen Dritten auskehrt, handelt nicht pflichtwidrig,wenn es an einem evidenten Missbrauch der Ver-tretungsmacht fehlt.2. Ein Untervertreter ist nicht berechtigt, namensdes Vertretenen die dem Hauptvertreter erteilteVollmacht zu widerrufen.3. Die Abtretung einer Forderung ist mangels Be-stimmtheit unwirksam, wenn sie zur Sicherungmehrerer laufenden Schwankungen unterworfenerForderungen erfolgt und der Drittschuldner nichtin zumutbarer Weise erkennen kann, wie hoch sichdie gesicherten Forderungen belaufen.BGH, Urt. v. 11.5.2017 – IX ZR 238/15

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

HINWEISE DER REDAKTION:Inzwischen ist es jedem Rechtsanwalt vorbehaltlosmöglich, Vergütungsforderungen an andere Rechts-anwälte abzutreten oder sie diesen zur Einziehungzu übertragen. Auf die Einwilligung des Mandantenkommt es bei der Abtretung bzw. Übertragung derEinziehung an Rechtsanwälte mithin nicht mehr an.Möchte ein Rechtsanwalt eine Forderung an anderePersonen als Rechtsanwälte abtreten, benötigt erhierfür die ausdrückliche schriftliche Einwilligungdes Mandanten oder die Forderung muss rechts-kräftig festgestellt sein.

BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

259

SONSTIGES

PROZESSKOSTENHILFEUND ANWALTSWECHSEL

BRAO § 48 II; ZPO §§ 114, 119 I 2, 121

Wechselt eine Partei, der Prozesskostenhilfe bewil-ligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist,den Anwalt, besteht nicht ohne weiteres ein An-spruch auf Beiordnung des neuen Rechtsanwalts.Nds. OVG, Beschl. v. 17.8.2017 – 2 LA 484/17

AUS DEN GRÜNDEN:Mit Beschl. v. 7.7.2017 hat der Senat der Kl. PKH gem.§§ 114, 119 I 2 ZPO bewilligt und RAin C., C.-Stadtbeigeordnet. Mit Schreiben v. 13.7.2017 wurde vonRA B., B-Stadt im Namen der Kl. das bestehende Man-datsverhältnis gekündigt. Zeitgleich meldete sich RA B.als neuer Bevollmächtigter der Kl. Mit Schriftsatz v.31.7.2017 beantragte er, eine Umstellung in der PKH-Beiordnung vorzunehmen.Das Begehren hat nur in dem aus dem Tenor ersicht-lichen Umfang Erfolg.1. a) Zum besseren Verständnis wird zunächst daraufhingewiesen, dass ein etwaiger in dem Begehren ent-haltener weiterer Antrag auf Bewilligung von PKHmangels Rechtsschutzbedürfnisses erfolglos bleibenmüsste, da der Kl. mit Beschluss des Senats v. 7.7.2017 bereits PKH bewilligt worden ist, die sich nach§§ 119 ZPO, 166 VwGO auf den gesamten zweit-instanzlichen Rechtszug erstreckt.b) Das in dem Antrag weiter enthaltene Begehren, dieBeiordnung von RAin C. aufzuheben, hat dagegen Er-folg. Dem Antrag steht nicht § 48 II BRAO entgegen,wonach (nur) der Rechtsanwalt die Aufhebung der Bei-ordnung beantragen kann, wenn er einen wichtigenGrund darlegt; denn diese Norm verhält sich nicht zueinem Antragsrecht der Partei und lässt auf dessen Be-stehen oder Nichtbestehen keine Rückschlüsse zu.Wenn die Partei indes nach § 121 I ZPO, § 166VwGO einen Rechtsanwalt ihrer Wahl benennen darf,muss es ihr auch möglich sein, aus eigenem Recht dieAufhebung der Beiordnung zu beantragen bzw. durcheinen anderen Anwalt beantragen zu lassen; denn inVerfahren, in denen der Verfügungsgrundsatz Geltungbeansprucht, steht der Partei grundsätzlich die Ent-scheidung frei, sich (nur) von einem bestimmtenRechtsanwalt vertreten zu lassen. Der Antrag ist auchbegründet; denn die Partei kann die Aufhebung derBeiordnung verlangen, ohne dass hierfür ein wichtigerGrund vorliegen müsste. Hinzu kommt, dass die Bei-ordnung von RAin Dittberner ihren Sinn verloren hat;denn deren Prozessvollmacht erlosch gegenüber demSenat nach der Anzeige der Kündigung i.V.m. der Ertei-lung einer Prozessvollmacht an RA B. (vgl. hierzu Se-nat, Beschl. v. 12.8.2014 – 2 LA 325/13; Hess. VGH,Beschl. v. 16.5.2013 – 7 D 2046/12; OLG Celle,Beschl. v. 5.2.2007 – 6 W 2/07; LAG Hamm, Beschl.v. 12.9.2003 – 4 Ta 470/02; OLG Nürnberg, Beschl.

v. 13.1.2003 – 4 W 66/03). Die Beiordnung war dahermit Wirkung v. 13.7.2017 (Eingang der neuen Prozess-vollmacht) aufzuheben.2. Ein Anspruch der Kl. auf Beiordnung ihres nunmehri-gen Prozessbevollmächtigten besteht nicht. Ein gewill-kürter Anwaltswechsel der Partei bedeutet nicht, dassihr der neue Prozessbevollmächtigte automatisch beige-ordnet wird. Ein Anspruch auf Beiordnung des neuenProzessbevollmächtigten besteht grundsätzlich nur,wenn entweder der Staatskasse dadurch keine höherenAusgaben entstehen oder der zunächst beigeordneteProzessbevollmächtigte die Partei ohne deren Zutunaus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehrvertreten kann oder er der Partei Veranlassung gege-ben hat, das Mandatsverhältnis aus einem Grund zubeenden, der auch eine vermögende Partei veranlassthätte, sich von dem Wahlanwalt zu trennen (Senat,Beschl. v. 12.8.2014 – 2 LA 325/13; Hess. VGH, Beschl.v. 16.5.2013, a.a.O.; BFH, Beschl. v. 19.3.2013 – XI S 2/13 (PKH)). Keine dieser Voraussetzungen liegt vor. We-der hat die Kl. Umstände vorgetragen, die auch einenvermögenden Kl. veranlasst hätten, sich von seinemWahlanwalt zu trennen, noch ist davon auszugehen,dass der Staatskasse durch die Beiordnung des neuenAnwalts keine höheren Ausgaben entstehen. Wechseltnämlich die mittellose Partei, der PKH bewilligt wordenist, den Prozessbevollmächtigten, so darf eine Beiord-nung des neuen Prozessbevollmächtigten gem. § 121ZPO im Allgemeinen nicht mit der Beschränkung seinesVergütungsanspruchs gegen die Staatskasse in Formdes Abzugs der Gebühren, die schon der zuerst beige-ordnete Rechtsanwalt erhält, verbunden werden (Senat,Beschl. v. 12.8.2014 – 2 LA 325/13; Baumbach/Lauter-bach/Albers/Hartmann, ZPO, 2014, § 121, Rn. 22m.w.N.; LAG Hamm, Beschl. v. 12.9.2003, a.a.O.). InBetracht käme daher allenfalls die Möglichkeit, dassder nachfolgende Anwalt auf bereits auf Seiten des ers-ten Anwalts entstandene Gebühren ausdrücklich ver-zichtet (Senat, Beschl. v. 12.8.2014 – 2 LA 325/13;LAG Hamm, Beschl. v. 12.9.2003, a.a.O.; OLG Celle,Beschl. v. 5.2.2007, a.a.O.). Eine derartige Verzichts-erklärung ist nicht abgegeben worden. RAin C. hat ihreVergütung bereits abgerechnet.Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 I VwGO).

ENTSCHÄDIGUNG FÜR VERSPÄTETEFESTSETZUNG DER PFLICHTVERTEIDIGER-VERGÜTUNG

GVG §§ 198 I 1, II, V 3, 201 II

* Ein Verfahren hat unangemessen lang gedauert,wenn seit Eingang der Akten über acht Monate kei-ne prozessleitenden Maßnahmen stattgefunden ha-ben.OLG München, Urt. v. 21.4.2017 – 22 EK 2/16

Volltext unter www.brak-mitteilungen.de

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | BERUFSRECHTLICHE RECHTSPRECHUNG

260

SONSTIGES

Entscheidend fürs Gericht.

Er ist wieder da: der bewährte Kommentar zum ArbGG! Auch in der nunmehr 5. Auf-lage bietet dieses Werk wieder eine umfassende Kommentierung des ArbGG sowiein gesonderten Beiträgen eine systematische Darstellung der arbeitsrechtlichenVerfahren vor dem BVerfG und dem EuGH sowie der Einigungsstelle. Neu hinzuge-kommen ist eine Kommentierung zu Verfahren vor der katholischen und evange-

lischen Arbeitsgerichtsbarkeit. Neben der aktualisierten Rechtsprechung und demaktualisierten Streitwertkatalog sind alle seit der Vorauflage ergangenen Gesetzeumfassend ausgewertet und eingearbeitet.

Probe lesen und bestellen unterwww.otto-schmidt.de/wsa5

Schwab/Weth ArbGG KommentarHerausgegeben von PräsLAG a.D. Dr.Norbert Schwab, Prof. Dr. StephanWeth5. neu bearbeitete Auflage 2018, ca.1.900 Seiten Lexikonformat, gbd. ca.160,– €. Erscheint im Oktober.ISBN 978-3-504-42680-4

Neu: kirchliche

Arbeitsgerichts-

barkeit

Online im

juris Partner Modul Arbeits-

recht. Jetzt testen!

leisteuerung: Der TEAM-Ansatz, Teil 1: Termine: nichteilig, aber bitte sofort (163).

Neue Juristische Wochenschrift (NJW) Nr. 27: Zimmer,Neue Prüfungspflichten des Notars. Oder alles beimAlten? (1909); Nr. 28: Göcken, Aus der Anwaltschaft.Das transparente Mandatsgeheimnis (NJW-aktuell)(18); Nr. 30: Kleiner, Wie Anwälte positiv auftretenund persönlich gewinnen (NJW-aktuell) (25); Nr. 36:Göcken, Aus der Anwaltschaft: Anwaltsrecht in Zeitendes Umbruchs, (NJW-aktuell) (18).

Neue Wirtschafts-Briefe (NWB) Nr. 35: Berners, Verein-barung über Pauschalvergütung ab jetzt in Textform.Vereinfachung der Form erleichtert wirksame Abspra-che zwischen Steuerberater und Mandanten (2701).

NJW-Spezial Nr. 14: Dahns, Kanzlei, Zweigstelle undweitere Kanzlei (446); Nr. 16: ders., Auswahlverfahrenfür die Zulassung als Rechtsanwalt beim BGH (510).

RVG professionell (RVG prof.) Nr. 7: Schulenberg, Er-stattung: Zeugen- und Sachverständigenvorschuss(121); Mock, Fehlervermeidung: Wiedereinsetzung inden vorigen Stand: So rechnen Sie richtig ab (126);Nr. 8: Meinhard, Scheidungsverfahren. Aussöhnung:Verschenken Sie keine Gebühren (146).

RVGreport Nr. 6: Hansens, Aktuelle Änderungen imKostenrecht (208); Nr. 7: Burhoff, Die Vergütung des„Terminsvertreters“ im Strafverfahren (242); Hansens,Anfall der Terminsgebühr, gesonderte Vertretung derStreitgenossen (245).

Zeitschrift für die Anwaltspraxis (ZAP) Nr. 13: Hansens,Gebührentipps für Rechtsanwälte. Neues zur Termins-gebühr; voller Verfahrenswert im Verfahren der einst-weiligen Anordnung; Kostenlast des vollmachtlosenVertreters (Fach 24, S. 1567–1578) (705); Nr. 14:Markworth, Personengesellschaft: Rechtsanwalts-GbR:Grundfragen der Gestaltungspraxis und aktuelle Kon-flikte (Fach 15, S. 619–628) (749); Nr. 16: Volkmer-Jä-ger, Kanzlei-Leitbild: Erfolgreiche Weiterentwicklungund Marktpositionierung der Sozietät (Fach 23,S. 1113–1120) (885).

Zeitschrift für die Notarpraxis (ZNotP) Nr. 5: Heine-mann, Neue Vermerkpflichten für Notare? (166).

Zeitschrift für Konfliktmanagement (ZKM) Nr. 3: Klowait,5 Jahre MediationsG. MediationsG und ZMediat-AusbV. Wege und Irrwege im Labyrinth der Qualitäts-sicherung (94); Hesse-Lang, Mediation im Beruf: Erfah-rungen einer (Güte-) Richterin (109).

Zeitschrift für Rechtsanwalts- und Notariatsfachange-stellte (RENOpraxis) Nr. 6: Wolter, Spracherkennung.Unverzichtbares Werkzeug in der modernen Kanzlei(156); Nr. 7: Ecker, Dateiformate im beA (158); Rupp-recht, Das optimale Kanzleiteam finden und einsetzen(159); Nr. 8: Ecker, beA und Urlaubszeit – Was ver-ändert sich, und was ist jetzt zu tun? (182); Brunner-Ovadia, Kanzleiorganisation: Fristenkontrolle (183).

DAI – VERANSTALTUNGSKALENDER

VERANSTALTUNGEN NOVEMBER – DEZEMBER 2017

Informationen und Anmeldung:Deutsches Anwaltsinstitut e.V., Tel.: 0234-97 06 40,E-Mail: [email protected], www.anwaltsinstitut.de

Arbeitsrecht29. Jahresarbeitstagung Arbeitsrecht3.–4.11.2017, Köln, Maritim Hotel Köln

Restrukturierung, Veräußerung und Erwerb des insol-venten Unternehmens13.11.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Vorstand der AG: Anstellungsvertrag, D&O-Versiche-rung, Managerhaftung23.11.2017, München, RAK München

Bank- und KapitalmarktrechtProspekthaftung und Anlegerschutz unter besondererBerücksichtigung der neuen gesetzlichen Entwicklun-gen7.11.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Finanzierungsleasing – Grundlagen und aktuelle Pro-bleme im typischen Leasingdreieck15.11.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Bau- und ArchitektenrechtSicherheiten im Bauvertragsrecht14.11.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Das neue Bauvertragsrecht im BGB – kompakt22.11.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter28.11.2017, München, RAK München

ErbrechtAktuelles zum Sozialhilferegress im Erbrecht20.11.2017, München, RAK München

Scheidung und Trennung im erbrechtlichen Mandat5.12.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AKTUELLE HINWEISE

X

Fachanwalts- und Expertenlehrgänge,Kurs- und Seminarangebote für Fachanwältewww.fachseminare-von-fuerstenberg.de

Ein Unternehmen derVerlagsgruppe

Spezialisierung zählt!

(Fortsetzung von S. VIII)

DAI – VERANSTALTUNGSKALENDER

FamilienrechtSchnittstellen des Familienrechts zum Sozialrecht undSteuerrecht14.11.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Aktuelles Familienrecht 201717.–18.11.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

Sachverständigengutachten in Kindschaftsverfahren –Aktuelles und Verhandlungsstrategien22.11.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Unterhalt der nichtehelichen Mutter (§ 1615 l BGB)27.11.2017, München, RAK München

Gewerblicher Rechtsschutz15. Jahresarbeitstagung Gewerblicher Rechtsschutz8.–9.12.2017, Hamburg, Sofitel Hamburg Alter Wall

Handels- und GesellschaftsrechtAktuelle Entwicklungen im Recht von Vorstand undAufsichtsrat13.11.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter8.12.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

M&A in Krise und Insolvenz30.11.2017, München, RAK München

InformationstechnologierechtSoftware-, IT- und Wettbewerbsrecht – die wichtigstenCross-over-Themen29.11.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter12.12.2017, München, RAK München

InsolvenzrechtVertrag und Insolvenz16.11.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Aktuelle Rechtsprechung zum Insolvenzrecht12.12.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Internationales Wirtschaftsrecht und EuroparechtAktuelle Entwicklungen im Europäischen Kartellrecht11.12.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

KanzleimanagementbeA – So geht’s!6.11.2017, Regensburg, Mercure Hotel Regensburg7.11.2017, Oldenburg, Weser-Ems-Halle10.11.2017, Freiburg i.B., Ballhaus Freiburg11.11.2017, Neubrandenburg, Parkhotel Neubranden-burg11.11.2017, Braunschweig, Mercure Hotel AtriumBraunschweig18.11.2017, Gera, pentahotel Gera24.11.2017, Bremerhaven, ATLANTIC Hotel SAIL City25.11.2017, Kiel, Haus des Sports Kiel

AKTUELLE HINWEISE | BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017

XI

Einfach lernen –erfolgreich bestehen:„Übungsfälle“ hilft dabei, Lerninhaltezu strukturieren und verständlich zumachen,

! indem übersichtliche Schemata denLernstoff kompakt zusammenfassen,

! indem vielfältige fallbezogeneAufgaben das Wissen praxisnahvermitteln,

! indem Lösungsvorschläge zu denAufgaben nicht nur eine Orientierungbieten, sondern auch Raum für alter-native Antworten lassen.

RECHT UNDNOTARIAT

IhrePrüfungsvorbereitung

NEU

Mit erfolg-versprechendemKonzept für dieZwischen- undAbschlussprüfung

BERUFLICHEBILDUNG

2017

27.11.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter29.11.2017, Nürnberg, Novotel Nürnberg Centre Ville8.12.2017, Zweibrücken, Festhalle Zweibrücken – Kon-gresszentrum9.12.2017, Koblenz, Hotel Contel11.12.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter16.12.2017, Schwerin, NH Schwerin

MedizinrechtAußergerichtliche Konfliktbeilegung im Arzthaftungs-recht11.11.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Ausgewählte Probleme bei der Gestaltung ärztlicherKooperationsverträge (Zivil-, Berufs-, Vertragsarzt-,Steuerrecht)6.12.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Miet- und Wohnungseigentumsrecht12. Jahresarbeitstagung Miet- und Wohnungseigen-tumsrecht17.–18.11.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

Schnittstellen Miet- und WEG-Recht: Erprobte Konzeptebei Problemen mit der vermieteten Eigentumswohnung25.11.2017, Potsdam, Mercure Hotel Potsdam City

Der Mietprozess von A bis Z6.12.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

MigrationsrechtNeuere Entwicklungen des Asyl- und Flüchtlingsrechts14.11.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

SozialrechtDie Erwerbsfähigkeit im SGB II, VI und XII: Vorausset-zungen und Schnittstellenproblematik24.11.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Aktuelle Praxisschwerpunkte im Sozialverfahrensrecht(SGB X): Schwerpunkt SGB II- und SGB XII-Verfahren14.12.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

SteuerrechtInternationales Steuerrecht7.12.2017, München, Sofitel Munich Bayerpost

4. Jahresarbeitstagung Steuerrecht8.–9.12.2017, München, Sofitel Munich Bayerpost

Steuerfahndung intern14.12.2017, München, RAK München

StrafrechtErmittlungsverfahren und Hauptverhandlung 201817.11.2017, Kiel, Haus des Sports Kiel14.12.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Transport- und SpeditionsrechtNeuere Entwicklungen und Strategien im Transport-und Speditionsrecht, Schwerpunkt: Logistikrecht15.11.2017, München, RAK München

VergaberechtVergabe von Gebäudemanagementleistungen13.11.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

VerkehrsrechtAnwaltliche Strategien bei der Abwicklung von Ver-kehrsunfällen1.12.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

Die Regulierung von Personenschäden5.12.2017, Berlin, DAI-Ausbildungscenter

VersicherungsrechtDAI-Praxistag Personenversicherungsrecht 201710.11.2017, Köln, Pullman Cologne

Aktuelle Rechtsfragen des Reiseversicherungsrechts13.12.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

VerwaltungsrechtUmweltrecht in der Bauleitplanung und in Baugeneh-migungsverfahren25.11.2017, Heusenstamm (bei Frankfurt am Main),DAI-Ausbildungscenter

DAI-Forum Beamtenrecht: Beurteilung und Konkurren-tenstreit1.12.2017, Bochum, DAI-Ausbildungscenter

BRAK-MITTEILUNGEN 5/2017 | AKTUELLE HINWEISE

XII

otto-schmidt.de/mwa5

Eine echte Koryphäe.

Mit Zertifikatnach § 15 FAO

So geht Fortbildung heute!Online-Seminare – Termine 2017

Die Vorteile der Online-Fachseminare:

• Interaktionmit Referent und zwischen Teilnehmern

• Nachweis der durchgängigen Teilnahme

• Fortbildungsnachweis

• Bewährte Referenten des Verlages Dr. Otto Schmidt

und der DATEV

• Keine Reisezeiten und Reisekosten

• Sicherer und vertraulicher Zugang dank DATEV

• Seminarpreis nur 95,– € zzgl. MwSt.

Alle Termine, Anmeldung und

kostenloser Newsletter unter

www.otto-schmidt.de/telelex

Neue Gesetzgebung im Familienrecht 2017/2018Dr. Rainer Kemper23.10.2017 | 20.12.2017

Das neue SteuerumgehungsbekämpfungsgesetzLars Kelterborn25.10.2017 | 23.11.2017

Reform des Bauvertragsrechts:Das ändert sich zum 01.01.2018Hans Christian Schwenker20.11.2017 | 15.12.2017

AÜG-Reform in der Praxis:Aktuelle Rechtsprechung und EntwicklungenDr. Alexander Bissels16.11.2017 | 09:30–10:30 Uhr

Das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz:Änderungen in der betrieblichen Altersvorsorgeab 01.01.2018Dr. Marco Arteaga/Annekatrin Veit30.11.2017 | 15.12.2017

Auslobung

Mediations-Wissenschaftspreis 2018Mediations-Förderpreis 2018

Ziel der Mediations-Preise ist es, herausragende wissenschaftliche Monographien

(Dissertationen und Habilitationsschriften sowie Master- und Magisterarbeiten)

zu prämieren, die in innovativer Weise Problemstellungen aus dem Bereich außer-

gerichtlicher Konfliktbeilegung behandeln.

! Der Mediations-Wissenschaftspreis ist mit 2.500 € dotiert und wird bereitszum 14. Male ausgelobt.

! Der Mediations-Förderpreis wird mit 1.000 € prämiert, daneben gibt es fürdie besten Einsendungen 3 Freiabonnements der Zeitschrift für Konflikt-management – ZKM – zu gewinnen.

! Die unabhängige preisverleihende Jury unter dem Vorsitz von Prof. Dr. Lars

Kirchoff ist interdisziplinär und international besetzt.

! Einsendeschluss ist am 31. Oktober 2017.

Die Mediations-Preise wurden angeregt und finanziert von der gemeinnützigen Stiftung Apfelbaum – www.stiftung-apfelbaum.de

Weitere Informationen unter

www.centrale-fuer-mediation.de

Verlag Dr. Otto Schmidt · Centrale für Mediation · Gustav-Heinemann-Ufer 58 · 50968 Köln · 0221 93738-821 · [email protected]

Bewerbungsfristverlängert

bis 31.08.2018!

Ihr FamFG-Booster

Verstärken Sie sich jetzt mit dem brandaktuellen FamFG-Kommentar von Prütting/Helms. Das dynamische Autorenteam hat die zahlreichen Gesetzesänderungenzum Ende der 18. Legislaturperiode bereits für die Praxis umgesetzt. Aktueller gehtes wirklich nicht!

Dabei nochmehr Konzentration auf dasWesentliche. Textliche Konsolidierungnach nunmehr 8 Jahren FamFG. Rundum gestrafft und aufgefrischt. Der beliebteundmeinungsstarke Standardkommentar erscheint in der 4. Auflage zum bestmög-lichen Zeitpunkt.

Überzeugen Sie sich selbst: Leseprobe unterwww.otto-schmidt.de/ffg4

Prütting/Helms (Hrsg.)FamFG KommentarHerausgegeben von Prof. Dr. HannsPrütting und Prof. Dr. Tobias Helms.Bearbeitet von 18 souveränenSpezialisten. 4. Auflage 2018, ca. 3.000Seiten Lexikonformat, gbd. 159,– €.ISBN 978-3-504-47952-7

DasWerk online:

otto-schmidt.de/famr

www.juris.de/pmfamp

Rechtsstand

1.10.2017

Jetzt informieren0800 726 42 76www.ra-micro.de

Das Besondere an RA-MICRODer Anwalt in RA-MICRO

• Anwaltliche Prägung des Unternehmens

• Wir sprechen Ihre Sprache

• Aus der Praxis für die Praxis

Seit 30 Jahren vom Anwaltfür den Anwalt

Kostenlose Online-Seminarefür RA-MICRO Kunden

www.ra-micro.de/rmoaAktuelle Veranstaltungen unter:

RA-MICRO Store BerlinDie Apps von RA-MICRO24. Oktober, 12.30 bis 14 UhrKanzleimarketingmit RA-MICRO01. November, 12.30 bis 14 UhrWie gewinnen Sie zeitgemäßMandanten,kommunizierenmit Mandanten und bindendiese langfristig an Ihre Kanzlei?DictaNet Go Donnerstag –Ihr Tag desmobilen Diktierens1. Donnerstag imMonat, zw. 10 und 16 UhrAnwalts-Workshops:Praxisnahe Fortbildungsveranstaltungenin der Marburger Straße (Nähe Ku’damm).Veranstaltungstermine und weitereInformationen unter:www.ra-micro.de/go-store-berlin

KOSTENLOSE RA-MICROVERANSTALTUNGEN

RA-MICRO Store StuttgartDictaNet Donnerstag –Ihr Tag desmobilen Diktierens1. Donnerstag imMonat, zw. 10 und 16 UhrDictaNet Samstag –Ihr Tag desmobilen Diktierens2. Samstag imMonat, zw. 11 und 13 UhrAnwalts-Workshops:Praxisnahe Fortbildungsveranstaltungenin der Königstraße (Nähe HBF).Veranstaltungstermine und weitereInformationen unter:www.ra-micro.de/store-stuttgart

RA-MICRO Store MünchenAnwalts-Workshops:Praxisnahe FortbildungsveranstaltungenamMaximiliansplatz in München.Veranstaltungstermine und weitereInformationen unter:www.ra-micro.de/go-store-muenchen