Opa hat's gemacht... - Tourenfahrer 03/2007 (Kroatien)

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 106 TOURENFAHRER 3/2007 W arum haben die kroatischen Win- de eigentlich Na- men? Namen wie Bora, Jugo, Grego, Lebic und Punenat? Das klingt eher wie eine kroatische Familie, aber einen solchen Namen be- kommt ein Wind nur, wenn er ihn sich auch verdient hat. Das hätte uns eigentlich stutzig ma- chen müssen, als wir abends in Smokvica das Zelt am Strand aufschlagen. Aber es ist ein lau- er Abend am Meer, die Nachtruhe glauben wir uns ver- dient zu haben. Um 23 Uhr tref- fen die ersten Böen der Bora, des bekanntesten Familien- oberhauptes sozusagen, das Zelt, und schnell steht fest, dass die Heringe auf dem steinigen Grund keine Chance haben. Al- so raus aus dem Schlafsack, Steine heranschleppen, Herin- ge krumm klopfen, mit Steinen LESER-REPORTAGE KROATIEN erzwingt. Die Fallwinde der letzten Nacht haben nicht nach- gelassen, aus den Bergen kommende Windstöße tref- fen uns immer wieder mit ganzer Wucht. Dabei ist es ein Phänomen, dass man, ist der Schreck erst verdaut, gar nicht bewusst gegenlenken muss. Das Motorrad neigt sich wie von selbst gegen den Wind, stellt, bedingt durch Kreisel- kräfte der Räder und entspre- chende Schräglage, ein Gleich- gewicht zwischen der Anzie- hungskraft der Erde und dem seitlichen Winddruck her. Zu dumm nur, wenn diese Schräglage nicht mit dem ge- wünschten Radius der nächsten Kurve übereinstimmt ... Am frühen Mittag Einfahrt nach Zadar. Norbert stellt fest, dass sein Hinterreifen keine Luft mehr hat. Verdacht auf Ventilabriss. Was folgt, ist eine Mischung aus Versorgungs- engpässen und überschäumen- der Hilfsbereitschaft der Be- völkerung. Es ist Sonntag, alle Werkstätten haben geschlos- sen. Die aus Schrebergärten herbeigeholten Vulkanisateure könnten zwar reparieren, den erforderlichen neuen Schlauch haben aber auch sie nicht. Erst am Montagvormittag steht fest: Die örtliche Motorradvertre- tung eines großen japanischen Herstellers vertreibt keine Schläuche, im Motocaffee macht man vorzüglichen Cap- puccino, dazu gibt’s Internet- Anschluss und Kettenspray, aber keinen Schlauch. Der Mo- to-Shop drei Straßen weiter hat tolle Jacken und Hosen und immerhin einen einzigen Schlauch, der aber nicht passt. Der Chef macht kurzerhand den Laden zu, schwingt sich auf einen Vierzylinder, der so aussieht, als sei er mit der Tita- nic untergegangen, aber kürz- lich wieder geborgen worden, und bringt uns zu einem weite- ren Vulkanisateur. Hier gibt es die Diagnose und einen neuen Schlauch. Der alte war drei Nummern zu groß, lag in Falten im Mantel, scheuerte mit der Zeit durch. Norbert denkt dar- über nach, wie er seine Wut aufheben kann, um sie beim Händler zu Hause zur rechten Zeit wieder zu entladen. Und doch ist es ein schöner Zwangsaufenthalt in Zadar. Zwischen den Stadtmauern lässt sich auf Marmorböden, die schon von Römersandalen glatt gewienert wurden, die Altstadt erkunden. Palmen erzählen von einem warmen Sommer, das Forum mit Ausgrabungen alter Mauerreste und seine Kir- chen laden zum Flanieren ein. Die verlorene Zeit holen wir auf der Autobahn auf, stehen mittags an der Reling einer Fähre zur Insel Hvar. Hier draußen auf dem Meer hat die Bora nachgelassen. Ein kleiner Zeltplatz in der Nähe der Hauptstadt Hvar ist noch im Winterschlaf. Für uns öffnet man die sanitären Anlagen, die sich diesen Namen aber erst noch verdienen müssen. Natür- lich bleiben wir trotzdem, die Zelte stehen keine 20 Meter vom Wasser unter Pinien, ein Panoramablick entlang der Küste rundet die Qualitäten dieses Platzes ab. Der Boden ist wieder steinhart, Uwe errichtet Steinberge um jede Abspann- leine, ein Anblick, als stünde das Zelt zwischen kleinen Hü- gelgräbern. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Er folgt damit einer uralten In- seltradition, der wir später noch begegnen werden. Gemütlich schaukeln die Boote im Hafen von Hvar. Am Hafenbecken steht eine Gruppe Menschen, vor ihnen kniet ein Mann mit Strubbelbart und An- gelleine, sein Gesicht gezeich- net von unzähligen Stunden auf dem Wasser. Auch jetzt an Land, kniend auf dem Boden, strahlt er die Würde eines hart arbeitenden Fischers aus. Es- sensreste treiben an der Oberfläche des Hafen- beckens, kleine Fische streiten um das Futter. Aber seine Leine reicht weit bis auf den Grund, und von dort holt er unter Applaus der Umstehenden große Fische für das Abendessen der Familie. Mild scheint die Abendson- ne durch unzählige Flaschen mit weißer, gelber und bern- steinfarbener Flüssigkeit an ei- nem Verkaufsstand. Schnäpse (»Hat Opa selbst gemacht!«), Öle für Speisen und Öle für die Haut, Lavendelblüten für den guten Geruch. Zu jeder Flasche Selbstgebranntem gibt es einen Strauß Lavendelblüten gratis. Seither duften auch ältere Socken aus dem Motorradkof- fer irgendwie frisch – dem La- vendel sei's gedankt. Hafenbecken und Markt- platz von Hvar stoßen unmittel- bar aneinander. Ein Platz wie die Kulisse zu einem Seeräu- berfilm. Zweigeschossige Häuser, hellgelb oder ocker- far- 3/2007 TOURENFAHRER 107  D o  p  p e l  t  s c h ö n .   D u b r o v n i  k   s  p i e  g e l  t   s i c h  i n   s e i n e n  n a  s  s e n  M a r m o r  s t r a  ß e n DER DIREKTE WEG – FEUERSCHNEISE AUF HVAR  V  o  n  W  i  n  d  u  n  d  M  e  er  g  epr  ä  g  t  :  A  n  gl  er  i  m  H  a  f  e  n  v  o  n  H  v  ar OPA HAT´S GEMACHT... Die Route entlang der jugoslawischen Küste galt einst als eine der schönsten, aber auch gefährlichsten Straßen Europas. Lässt es sich im heutigen Kroatien entspannter touren als damals? Text: Peter Beck, Fotos: Peter Beck, Uwe Harnisch die Abspannungen be- schweren. Das wiederholt sich in der Nacht mehr- mals, und so sehen wir am Morgen nicht gera- de taufrisch aus. Auf der Fahrt ent- lang der Küste ver- fliegt die Müdig- keit. Stahlblau glitzert die Trans- alp, stahlblau das Meer im strahlenden Sonnenschein. Schaumkronen auf den Wellen bilden einen scharfen Kontrast. Die Straße ist in gutem Zustand, manch- mal 200 Meter über dem Meer, dann nur wenige Meter von den Schaumkronen entfernt. Ein Highway Nr. 1, der den Ver- gleich nicht zu scheuen braucht. Der Schwerlastver- kehr, der im alten Jugoslawien für den schlechten Ruf dieser Strecke sorgte, führt inzwi- schen auf paralleler Auto- bahn durchs Hinterland und hat anscheinend allen Verkehr mit- genommen. Wir tangieren klei- ne, in weiß-gelbem Kalkstein gemauerte Orte, sind eins mit den Wellen, den Kurven und dem Licht. Und doch ist dies nicht alles, was unsere Aufmerksamkeit  B l  e i b e n d  e r  E i n d  r u c k e i n e r  k u r  z w e i l  i  g e n   A n  f  a h r t :  u n v e r - b r a u c h t e   N  a t u r  i n   S  l  o w e n i e n 

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Eine Reportage über Kroatien aus dem Tourenfahrer-Zeitschrift

Transcript of Opa hat's gemacht... - Tourenfahrer 03/2007 (Kroatien)

  • 106 TOURENFAHRER 3/2007

    Warum haben diekroatischen Win-de eigentlich Na-men? Namen wie

    Bora, Jugo, Grego, Lebic undPunenat? Das klingt eher wieeine kroatische Familie, abereinen solchen Namen be-kommt ein Wind nur, wenn erihn sich auch verdient hat. Dashtte uns eigentlich stutzig ma-chen mssen, als wir abends inSmokvica das Zelt am Strandaufschlagen. Aber es ist ein lau-er Abend am Meer, dieNachtruhe glauben wir uns ver-dient zu haben. Um 23 Uhr tref-fen die ersten Ben der Bora,des bekanntesten Familien-oberhauptes sozusagen, dasZelt, und schnell steht fest, dassdie Heringe auf dem steinigenGrund keine Chance haben. Al-so raus aus dem Schlafsack,Steine heranschleppen, Herin-ge krumm klopfen, mit Steinen

    LESER-REPORTAGE KROATIEN

    erzwingt. DieFallwinde der letzten

    Nacht haben nicht nach-gelassen, aus den Bergen

    kommende Windste tref-fen uns immer wieder mit

    ganzer Wucht. Dabei ist es einPhnomen, dass man, ist derSchreck erst verdaut, gar nichtbewusst gegenlenken muss.Das Motorrad neigt sich wievon selbst gegen den Wind,stellt, bedingt durch Kreisel-krfte der Rder und entspre-chende Schrglage, ein Gleich-gewicht zwischen der Anzie-hungskraft der Erde und demseitlichen Winddruck her. Zudumm nur, wenn dieseSchrglage nicht mit dem ge-wnschten Radius der nchstenKurve bereinstimmt ...

    Am frhen Mittag Einfahrtnach Zadar. Norbert stellt fest,dass sein Hinterreifen keine

    Luft mehr hat. Verdacht aufVentilabriss. Was folgt, ist eineMischung aus Versorgungs-engpssen und berschumen-der Hilfsbereitschaft der Be-vlkerung. Es ist Sonntag, alleWerksttten haben geschlos-sen. Die aus Schrebergrtenherbeigeholten Vulkanisateureknnten zwar reparieren, denerforderlichen neuen Schlauchhaben aber auch sie nicht. Erstam Montagvormittag steht fest:Die rtliche Motorradvertre-tung eines groen japanischenHerstellers vertreibt keineSchluche, im Motocaffeemacht man vorzglichen Cap-puccino, dazu gibts Internet-Anschluss und Kettenspray,aber keinen Schlauch. Der Mo-to-Shop drei Straen weiter hattolle Jacken und Hosen und immerhin einen einzigenSchlauch, der aber nicht passt.Der Chef macht kurzerhandden Laden zu, schwingt sichauf einen Vierzylinder, der soaussieht, als sei er mit der Tita-nic untergegangen, aber krz-lich wieder geborgen worden,und bringt uns zu einem weite-ren Vulkanisateur. Hier gibt esdie Diagnose und einen neuenSchlauch. Der alte war drei

    Nummern zu gro, lag in Faltenim Mantel, scheuerte mit derZeit durch. Norbert denkt dar-ber nach, wie er seine Wutaufheben kann, um sie beimHndler zu Hause zur rechtenZeit wieder zu entladen.

    Und doch ist es ein schnerZwangsaufenthalt in Zadar.Zwischen den Stadtmauern lsstsich auf Marmorbden, dieschon von Rmersandalen glattgewienert wurden, die Altstadterkunden. Palmen erzhlenvon einem warmen Sommer,das Forum mit Ausgrabungenalter Mauerreste und seine Kir-chen laden zum Flanieren ein.

    Die verlorene Zeit holen wirauf der Autobahn auf, stehenmittags an der Reling einerFhre zur Insel Hvar. Hierdrauen auf dem Meer hat dieBora nachgelassen. Ein kleinerZeltplatz in der Nhe derHauptstadt Hvar ist noch imWinterschlaf. Fr uns ffnetman die sanitren Anlagen, diesich diesen Namen aber erstnoch verdienen mssen. Natr-lich bleiben wir trotzdem, dieZelte stehen keine 20 Metervom Wasser unter Pinien, einPanoramablick entlang derKste rundet die Qualitten

    dieses Platzes ab. Der Boden istwieder steinhart, Uwe errichtetSteinberge um jede Abspann-leine, ein Anblick, als stndedas Zelt zwischen kleinen H-gelgrbern. Was wir zu diesemZeitpunkt noch nicht wissen:Er folgt damit einer uralten In-seltradition, der wir spter nochbegegnen werden.

    Gemtlich schaukeln dieBoote im Hafen von Hvar. AmHafenbecken steht eine GruppeMenschen, vor ihnen kniet einMann mit Strubbelbart und An-gelleine, sein Gesicht gezeich-net von unzhligen Stunden aufdem Wasser. Auch jetzt anLand, kniend auf dem Boden,strahlt er die Wrde eines hartarbeitenden Fischers aus. Es-sensreste treiben an derOberflche des Hafen-beckens, kleine Fischestreiten um das Futter.Aber seine Leine reichtweit bis auf den Grund,und von dort holt erunter Applaus derUmstehenden groeFische fr dasAbendessen derFamilie.

    Mild scheintdie Abendson-

    ne durch unzhlige Flaschenmit weier, gelber und bern-steinfarbener Flssigkeit an ei-nem Verkaufsstand. Schnpse(Hat Opa selbst gemacht!),le fr Speisen und le fr dieHaut, Lavendelblten fr denguten Geruch. Zu jeder FlascheSelbstgebranntem gibt es einenStrau Lavendelblten gratis.Seither duften auch ltereSocken aus dem Motorradkof-fer irgendwie frisch dem La-vendel sei's gedankt.

    Hafenbecken und Markt-platz von Hvar stoen unmittel-bar aneinander. Ein Platz wiedie Kulisse zu einem Seeru-

    berfilm. ZweigeschossigeHuser, hellgelb

    oder ocker-far-

    3/2007 TOURENFAHRER 107

    Doppelt schn. Dubrovnik

    spiegelt sich in seinen nassenMarmorstraen

    DER DIREKTE WEG FEUERSCHNEISE AUF HVAR

    Von Wind u

    nd Meer

    geprgt: A

    ngler im

    Hafen von

    Hvar

    OPA HATS GEMACHT...

    Die Route entlang der jugoslawischen Kste galt einst alseine der schnsten, aber auch gefhrlichstenStraen Europas. Lsst es sich im heutigenKroatien entspannter touren als damals? Text: Peter Beck, Fotos: Peter Beck, Uwe Harnisch

    die Abspannungen be-schweren. Das wiederholtsich in der Nacht mehr-mals, und so sehen wiram Morgen nicht gera-de taufrisch aus.

    Auf der Fahrt ent-lang der Kste ver-fliegt die Mdig-keit. Stahlblauglitzert die Trans-alp, stahlblau dasMeer im strahlendenSonnenschein. Schaumkronenauf den Wellen bilden einenscharfen Kontrast. Die Straeist in gutem Zustand, manch-mal 200 Meter ber dem Meer,dann nur wenige Meter von denSchaumkronen entfernt. EinHighway Nr. 1, der den Ver-gleich nicht zu scheuenbraucht. Der Schwerlastver-kehr, der im alten Jugoslawienfr den schlechten Ruf dieserStrecke sorgte, fhrt inzwi-

    schen aufparalleler Auto-bahn durchs Hinterland und hatanscheinend allen Verkehr mit-genommen. Wir tangieren klei-ne, in wei-gelbem Kalksteingemauerte Orte, sind eins mitden Wellen, den Kurven unddem Licht.

    Und doch ist dies nicht alles,was unsere Aufmerksamkeit

    Bleibender Eindruck einer

    kurzweiligen Anfahrt: unver-

    brauchte Natur in Slowenien

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    ben, Kirchen und ehemaligeLagerhuser. Als Besonderheitdas Theater, ein lang gestreck-ter Bau, in dem religise Stckeaufgefhrt wurden. Spterdiente es als Lagerhaus frKriegsgaleeren, heute beher-bergt es eine moderne Galerie.Gibt es da eine Wortverwandt-schaft? Mittendrin ein rauten-frmiger Platz mit einigenCafs: ein bisschen flanieren,die sptabendliche Sonne ge-nieen. Tiefblau frben sichHimmel und Meer, ein einsa-mes Licht aus dem Glocken-turm des Klosters leuchtet berdie ruhige Bucht. Unvergessli-che Augenblicke.

    Wir haben den Tipp bekom-men, das alte Milna MalaMilna zu besuchen. Bis vor 50Jahren wohnten die Menschenhier im Inselinneren, dann wur-de das Leben dort zu beschwer-lich, die Wege zur Arbeit an dieKste zu lang. Die Einwohnerverlieen den Ort und bauten ander Kste das neue Milna. Einwenig befahrener Feldwegfhrt nach Mala Milna, wir par-ken die Enduros zwischen ver-lassenen Husern und begebenuns auf die Spuren der verlas-senen Stadt. Die Wnde derHuser sind vollstndig intakt,

    die Dcher haben den Jahres-zeiten nicht standgehalten undsind eingestrzt. Mohn wchstzwischen den Mauern, die Na-tur beginnt, sich den Ort zu er-obern. Und doch ist auchmenschliches Wirken zu er-kennen. Hier und da ist ein klei-nes Beet angelegt, sind Rasen-flchen frisch gesenst worden.Wir hren einen Hahn krhen.Auch wenn hier schon langeniemand mehr wohnt, zieht esaugenscheinlich doch einzelneBewohner Milnas in die alteStadt, um hier vielleicht mehrRuhe als an der geschftigenKste zu finden.

    Auf der Weiterfahrt Rich-tung Starigrad durchfahren wireine Landschaft, die Zeugnisabgibt, wie schwer dieses Le-ben im Inselinneren tatschlichgewesen sein muss. Um frkleine Ackerflchen und Wei-den gengend Erde zu haben,wurden Millionen von Steinenzu Haufen aufgeworfen. Esentstand im Norden der Inseleine Kulturlandschaft, die, soweit das Auge reicht, nur vondiesen Steinhaufen geprgt ist,die gewonnenen Ackerflchensind winzig.

    Auf der Fahrt ber die Inselzum Fhrhafen Sucuraj geht es

    LESER-REPORTAGE KROATIEN

    Dubrovnik ist nicht Kulisse, esist Lebens- und Arbeitsraum.In einer abgelegenen Seiten-gasse entdecken wir das Res-taurant Ekvinocijo. Die viel-fltige Speisekarte, die mit Ro-sen dekorierten Tische und dieruhige Lage lassen die Ent-scheidung leicht fallen, hierden Abend zu verbringen. DieFrage nach dem Wein istschnell geklrt, den Roten hatOpa gemacht, und was Opamacht, steht anscheinend inKroatien fr ausgezeichneteQualitt.

    Dann holt uns doch noch derRegen ein. Glnzen die Gassenschon tagsber wie poliert,scheint Dubrovnik im nchtli-chen Regen ein Spiegelbild sei-ner selbst zu sein. Die Bdenreflektieren Fassaden undLichter, jede Eisdiele zaubertRegenbogenfarben auf denMarmor. Und es sind keine Be-sucher mehr unterwegs, allesind in ihre Unterknfte geflo-hen. So hat man die Stadt frsich allein, und das sogar durchdie Spiegelungen in doppelterAusgabe.

    In der Nacht bereinigt ein Ge-witter die Luft. Nrdlich Du-brovniks fahren wir ber dieneu gebaute Brcke, die Stadtund Schiffe wie eine Spiel-

    zeuglandschaft erscheinen lsst, und erreichen bald schonNeum. Als Resultat des jugosla-wischen Krieges wurde Bosni-en-Herzegowina ein Meeres-zugang gewhrt, auf dem Wegvon und nach Dubrovnik pas-siert man auf 50 KilometernLnge dieses Staatsgebiet. DieStadt Neum ist noch immer infester kroatischer Hand, dieBevlkerung ist nicht vertrie-ben worden. Als Pendler oderSaisonarbeiter kommen Bos-nier aus dem Hinterland, umsich an der Kste bei besserenStundenlhnen Geld zu verdie-nen. Die in einem benachbartenCaf rastenden KFOR-Solda-ten unterstreichen die Schwie-rigkeit des friedlichen Neben-einanders der verschie-denen Volks-gruppen.

    Schon auf derHinfahrt hattenwir versucht, dasweitlufige Fluss-delta der Neretva aufFeldwegen zu queren,scheiterten aber an derVielzahl der Sackgassenund dem unberschauba-ren Wegenetz. Gemein-sam mussten wir die voll-beladenen Maschinen aufschmalsten Wegen herum-

    Orangen wachsen. ZwischenSchilfflchen steigen Silberrei-her auf, berfahrene Schlangenliegen auf der Strae, im Som-mer mssen hier Milliardenvon Mcken den Aufenthalt er-schweren.

    Irgendwann haben wir unsdoch wieder verfahren, frageneinen Autofahrer nach demrichtigen Weg. Ein guter fhrenach rechts und ein schlechternach links, beide wrden aufdie nchste Hauptstrae mn-den. Fast erwarte ich, dass ersagt: Den rechten Weg, denhat Opa gemacht. Ich werdeseinen Blick nicht vergessen,als er sieht, dass wir uns fr denschlechten Weg entscheiden:Schlielich sollen unsere En-duros mal wieder etwas Arbeit

    bekommen. Auf der Strae

    stellt sich

    3/2007 TOURENFAHRER 109

    keine hundert Meter ge-radeaus. Mal auf dernrdlichen, mal aufder sdlichen Seiteder Insel durchfah-ren wir endloswirkende Wl-der, verlassene Berg-drfer und aufgegebeneFeriensiedlungen. Wer willschon auf einem Inselrckenseine Ferien verbringen, wennan der nahen Kste das Meerlockt?

    Viel hatte ich meinen Freun-den versprochen von dem ge-planten Aufenthalt auf der Halb-insel Peljesac. Einen Camping-platz bei Broce sollte es geben,die Bilderbuchbucht mit altenOlivenbumen idealer Aus-gangspunkt fr Touren ber dieHalbinsel und nach Dubrovniksein. Von Schakalen hatte icherzhlt, die abends aus den H-geln ihre schaurigen Liederklingen lassen. Uhus wollte ichzeigen, die das wenige Treibenauf dem Zeltplatz aus sichererEntfernung beugen. Von demrtlichen Wein hatte ich ge-schwrmt, den privaten Aus-schank an der Inselstrae ht-ten wir bestimmt noch gefun-den. Der aufkommende Regenlsst uns umdisponieren.

    Fast schon kitschiges Urlaubs-

    idyll. Der Hafen von Hvar

    am Franziskanerkloster

    RUTSCHPARTIE REGEN HAT DIE WEGE GEZEICHNET

    wuchten, kapitulierten schlie-lich und bekamen vom Deltanur wenig zu sehen. Nun wol-len wir es von der sdlichenSeite aus versuchen, werfen ei-nen Blick von der Passhhe bei Lavorje auf die Landschaftaus rechteckigen Seen undObstfeldern. Im fruchtbarenSchwemmland der Neretvawurden zahlreiche Kanle ge-zogen und das benachbarteLand aufgeschttet. Entstan-den ist ein Mosaik aus recht-eckigen Parzellen, die abwech-selnd mit Wasser und Land ge-fllt sind und auf denen Man-darinen, Kiwi und

    Zum Auf

    takt des T

    ages ein

    Cappuccin

    o in Prim

    osten

    Verdiente Entspannung

    von staubigen Strapazen

    am Strand bei Milna KARGE SCHNHEITEN VOR STAHLBLAUEM MEER

    Ein Zimmer in Dubrovnik istschnell gefunden, unmittelbaram Wehrturm Minceta. KleineZimmer im Wohnhaus einerFamilie, Hinterhofcharakterund ein Blick auf die DcherDubrovniks. Auspacken, du-schen, umziehen und ab in dieAltstadt. Die Restaurantgeiermit ihrem aufdringlichen Ge-habe sorgen dafr, dass wirschnell in die kleinsten Gassenverschwinden. Von den Leidenund der Zerstrung des Kriegessehen wir innerhalb der dickenFestungsmauern nichts mehr.Was uns schon in Zadar undHvar gut gefiel, die marmornenBden, die Kalksteinmauernmit den roten Ziegeldchern,ist hier zur Perfektion gebracht.Wsche hngt ber unserenKpfen, Kinderstimmen tnenaus den oberen Stockwerken.

  • KROATIEN DOKUMENTATION

    3/2007 TOURENFAHRER 111

    versu-chen, in der Karteverzeichnete Wege zu befah-ren, finden jedoch nicht denrichtigen Einstieg. Spter stelltsich heraus, dass diese Feldwe-ge gar nicht existieren, zu steilsind die Hgelkmme Krks, alsdass sich jemand die Mhe ge-macht htte, sie mit einfachenWegen zu queren. Appetit aufmehr hat uns diese Suche aberdoch gemacht, und so treibenwir die Enduros ber rutschigePisten und erkunden das Herzder Insel. Ein spannender Ab-schluss unseres Aufenthalts.

    Auf der Heimfahrt nehmenwir gedanklich Abschied vonKroatien. In den Koffern tragenwir Lavendel und Opas Selbst-gebrannten. In Gedanken zie-hen noch einmal all die Bilderund Erlebnisse vorbei. Nach ei-ner wunderschnen Tour binich mir sicher: Diesen Urlaub,den hat Opa selbst gemacht.

    110 TOURENFAHRER 3/2007

    wieder Fahrfreude ein, der beiRegen extrem rutschige Belagtrocknet ab, Kurven knnenwieder wie Kurven gefahrenwerden, unsere Laune bessertsich mit jedem umfahrenen Ge-witterturm. Bei dieser Wetter-lage sollte es mglich sein, denNationalpark Biokovo mit sei-ner 1767 Meter hohen Massivdes Sv. Jure einen Besuch ab-zustatten. Am Eingang zumNationalpark entrichten wirden obligatorischen Obolusund haben nun die Wahl, ent-weder den fnfstndigen Fu-weg oder die steile, einspurigeStrae zu befahren. Wir drehenam Gasgriff und erobern dasBergmassiv auf Stollenreifen.

    Mit zunehmender Hhe ent-wickelt sich die Kste unter unszur Bilderbuchlandschaft, dieHuser Podgoras verschwim-men zu einem rtlichen Klecksam blauen Meer, die vorgela-gerten Inseln liegen wieschwarze Walrcken in silber-nem Licht. Dem ersten ber-schwang lassen wir Vorsichtfolgen, steil sind die Kehren,und schmal ist die Strae. Nie-selregen wird zu Regen, wirsind mitten in den Wolken, dieSicht nimmt ab, es ist kalt. Be-vor wir die Feuchtigkeit bis aufdie Haut zu spren bekommen,kehren wir um. Regen hattenwir heute bereits zur Genge.

    Bei einem Abstecher Rich-tung Benkovac streifen wirzum ersten Mal ehemaligesKriegsgebiet. In kleinen Ortenwie Kakma oder Vrana wirdder Schrecken des Kriegesgreifbar. Von ehemals 30 Hu-sern ist eines noch bewohnt.Bei allen anderen fehlen dieDcher oder einzelne Wnde.Einschusslcher um die Fens-ter und Granateinschlge in die Fassaden erzhlen Ge-schichten, die wir eigentlichgar nicht wissen mchten.Hhner streifen durch den Ort,ein Esel ist zu hren. Vgelzwitschern, und das frischeGrn versucht Spuren zu ver-wischen, die von brutalen Aus-einandersetzungen zeugen.Wie knnen Menschen hiernoch wohnen, jeden Tag dasZeugnis vergangener Greuelta-ten sehen, wissend, was ihrenNachbarn passiert ist? Nie-mand reit die zerschossenenHuser ab, heilt die offenenWunden des Krieges.

    Wir fahren weiter RichtungDubraja, die Schnheit der na-hen Bergketten ist eine will-kommene Ablenkung. Auf derSuche nach einem aus der Fer-ne entdeckten Wasserfall ge-langen wir auf abgelegeneFeldwege, pltzlich stehen amWegesrand mehrere Polizei-fahrzeuge neben zivilen Pkw.

    Geraten wir nun in eineRazzia, sucht man hiernoch Kriegsverbre-cher? Nein, an dernchsten Biegung desBaches sind wirschlauer: Ein Be-triebsausflug derPolizei, Schneckenwerden gesucht und ingroe Tten gesteckt.Ich knnte wetten, dass Opa einleckeres Rezept wei

    Die Insel Krk erreichen wirerst am Abend, schlagen unse-re Zelte keine zehn Meter vomWasser entfernt auf. Als wir amnchsten Morgen aufstehen,staunen wir ber Norberts Ei-fer. Fein suberlich hat er sei-nen Campingkram bereits ver-packt, alles in Taschen undKoffern verstaut. Strahlendsteht er neben dem abfahrtbe-reiten Motorrad, denn sonst ister mit der Packerei meist sptdran. Dumm nur, dass wir heu-te gar nicht wegwollen, aufdem Programm steht ein weite-rer Tag auf der Insel Krk. Alsoalles wieder auspacken. Einegute bung fr den nchstenMorgen.

    Zwischen grnen Hgelnweit oberhalb des Meeres errei-chen wir die Sdspitze vonKrk. Dort wchst kein Baumund kein Strauch, es ist ebensokarg wie auf Pag oder Rab. Wir

    Versprochene Sache. Diese Schnpse hat Opa

    selbst gemacht

    ENDLICH KURVEN WIEDER WIE KURVEN FAHREN

    LESER-REPORTAGE KROATIEN

    meist ausgesprochen leicht: DerKstenstreifen ist sehr schmal,und nur selten gibt es Abzweigun-gen, die in die Berge fhren.

    Benutztes Kartenmaterial: DieGeneralkarte Istrien / KroatischeKste Nord, Mitte und Sd, Mastab 1 : 200.000.

    Rijeka

    Crkvenica

    Senj

    Karlobag

    Bari Draga

    Starigrad

    Benkovac

    Klarici

    BaskaNovi

    Vinodolski

    Zadar

    Turanj

    Sibenik

    Split

    Starigrad

    Dubrovnik

    Milna

    Hvar

    Brac

    Hvar

    Korcula

    Primosten

    SmokvicaSucuraj

    Broce

    BO

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    ADRIATISCHESMEER

    50 km

    Mosaik aus Land und Wasser:das Delta der Neretva.

    Allgemeines: Die kroatischeKste kennen viele noch aus den1970er- und 80er-Jahren. Diestark befahrene Kstenstrae galtzu dieser Zeit als eine der gefhr-lichsten, aber auch schnstenStrecken im sdlichen Europa,entlang der Kste lie der Bau-Boom Betonkltze in den Him-mel wachsen. Beides hat sichmittlerweile zum Positiven ge-wendet.

    Der frher manchmal bengsti-gende Fahrzeugverkehr, insbe-sondere der Schwerlastverkehrentlang der Kste ist auf die Auto-bahnen ins Hinterland ausgewi-chen. Der flchige Bau-Boom hatweitgehend nachgelassen, manentwickelt wieder eher die Orteund nicht mehr einzeln stehendeGebude in der Landschaft. Austouristischer Sicht hat die Kstedavon profitiert, insbesondere derStreckenabschnitt zwischen Rije-ka und Zadar ist ein Erlebnis undkme bei einem Wettbewerb derTraumstraen Europas auf dievorderen Pltze.

    Dass sich zusammen mit dieserpositiven Entwicklung des Lan-des auch die Bevlkerung vonden Qualen des Krieges weitge-hend erholt hat und mit Mut, Aus-dauer und zuvorkommender Gast-freundschaft die Entwicklung desLandes fortfhrt, macht Kroatienzu einem beraus attraktiven Rei-seland, in dem man entspanntzwischen 2000 Meter hohen Ber-gen, einem stahlblauen Meer undweien Inseln touren kann undberall freundlich aufgenommenwird.

    Anreise: Vom Rhein-Main-Gebiet aus ist es durchaus keineHerkulesleistung, auf eigenenStollen 900 Kilometer bis nachRijeka und dann weiter die Ksteentlang zu fahren. Eine Alternati-ve stellt der Autoreisezug dar.

    Wer den Weg durch Sloweni-en, ber den Wurzenpass und denTriglav whlt, ist eigentlich aufviel zu schnen Strecken unter-wegs, um sie als Durchreisestatio-nen zu nutzen. Andererseits istdies ein wirklich hervorragenderStart fr den Urlaub an der Kste.Selten haben wir eine Anreise er-lebt, die uns schon vor Erreichen

    des Ziels so abwechslungsreicheStrecken und schne Landschaf-ten bescherte wie hier.

    Reisezeit und Klima: Fr dieReisezeit gelten die gleichen Prin-zipien wie im gesamten Mittel-meerraum. Ab April ist mit war-men Tagen zu rechnen, Ende Juniwird es dann fast zu warm, unddie Hauptreisezeit erschwert dasFortkommen auf den Straen unddie Suche nach Unterknften. AbEnde August kehrt sich das Bilddann wieder um, und bis in denOktober hinein bietet sich Kroati-en fr einen Motorradurlaub an.Im Mai war es tags und nachtszwischen 20 und 25 Grad warm,ab und an muss man mit einemRegenschauer rechnen, der aberaufgrund der Kste auch schnellweiterzieht.

    Berhmt, vielleicht sogarberchtigt sind die unterschied-lichsten Winde entlang der Kste,die ihren Ursprung in den extre-men Hhenunterschieden vonMeer und Bergketten haben. Siealle aufzuzhlen erscheint endlos,wichtiger ist es, die Zelt-Heringemit groen Steinen zustzlich zusichern, dann kann einem eigent-lich egal sein, welchen Namen derWind gerade hat. Und einen sel-ten erwhnten Vorteil haben dieWinde durchaus: Sie waschen dieLuft lupenrein selten haben wirzum Fotografieren so ein fantasti-sches Licht gehabt.

    Essen: Zwei einfache Wortebringen die kroatische Esskulturauf den Punkt: Mixed Grill. Obals abwechslungsreiche Fisch-

    platte mit Kalamari und Oktopusoder als Fleisch-Teller mit Lamm,Cevapcici, kleinen Steaks und ge-bratenen Wrsten: Was man inKroatien vom Grill geniet, istmeist ausgesprochen lecker,frisch und zudem noch liebevollauf dem Teller angerichtet. Glei-ches gilt fr die Salate, stets wieaus dem eigenen Garten. Den pas-senden Wein gibts rot oder weidazu, wenn man Glck hat, hatOpa ihn gemacht ...

    Unterkunft / Kosten: Wir ha-ben oft gezeltet und manchmal inprivaten Zimmern bernachtet,preislich lag beides in der Vorsai-son sehr nahe beieinander. Selbstfr vier Personen war es nichtschwierig, gemeinsame Unter-knfte zu finden. Vorgebucht hat-ten wir nicht, zu dieser Reisezeitstehen einem entlang der Ksteunzhlige bernachtungsalterna-tiven zur Verfgung. Fr 30 bis40 Euro, wohlgemerkt fr vierPersonen, haben wir auch in Du-brovnik nahe an der Stadtmauerbernachtet.

    Insgesamt ist Kroatien nochimmer ein sehr gnstiges Reise-land, Benzinpreise, Getrnke,Speisen und Unterkunft liegenweit unter dem blichen mediter-ranen Niveau.

    Karten: Digitale Karten gabes fr mein GPS noch nicht, folg-lich sind wir mal wieder nach be-whrter Methode mit Landkartengefahren. Die Orientierung fllt