PA30 Transskript Emotionen in der Palliativpflege · Besser als „Ich muss weinen“ wäre...

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https://reigra-consult.com | https://www.facebook.com/reigraconsult 1 Emotionen in der Palliativpflege Im Rahmen Ihres Podcastes „PFLEGE.ambulant“ hat Claudia Henrichs mich zum Thema „Emotionen in der Palliativpflege“ interviewt. Die Podcastepisode zum Hören finden Sie hier: www.chc-team.com/pa30 Das Transskript unseres Gesprächs stellen wir Ihnen gerne zur Verfügung Drei wichtige Themenbereiche im Interview: 1. Wie gehe ich als Pflegekraft mit meinen eigenen Emotionen um, wenn ich traurig oder verzweifelt bin oder Angst habe und nicht weiß wie ich reagieren soll. 2. Wie gehe ich mit den Emotionen von Angehörigen um? 3. Wie reagiere ich auf die Emotionen sterbender Patienten? Erstes Thema: Ich bin traurig, weil jemand im Streben liegt. Ich habe auch Angst vor meinem eigenen Tod. Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll. Jeder Mensch stirbt! Du, ich, wir alle. Jeder Mensch hat die Möglichkeit jederzeit zu sterben... zB gerade JETZT! Beispiel: Patient sagt, SIE haben es gut, SIE leben noch lange. Und ich antworte, dass ich heute auf dem Nachhauseweg einen tödlichen Unfall haben kann. Solche Antworten bitte NUR geben, wenn sie wirklich von innen heraus spontan kommen – alles Aufgesetzte wird von Patienten und Angehörigen sofort durchschaut.

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EmotioneninderPalliativpflege

ImRahmenIhresPodcastes„PFLEGE.ambulant“hatClaudiaHenrichsmichzumThema„EmotioneninderPalliativpflege“interviewt.

DiePodcastepisodezumHörenfindenSiehier:www.chc-team.com/pa30

DasTransskriptunseresGesprächsstellenwirIhnengernezurVerfügung

DreiwichtigeThemenbereicheimInterview:

1. WiegeheichalsPflegekraftmitmeineneigenenEmotionenum,wennichtraurigoderverzweifeltbinoderAngsthabeundnichtweißwieichreagierensoll.

2. WiegeheichmitdenEmotionenvonAngehörigenum?3. WiereagiereichaufdieEmotionensterbenderPatienten?

ErstesThema:

Ichbintraurig,weiljemandimStrebenliegt.

IchhabeauchAngstvormeinemeigenenTod.

Ichweißnicht,wieichreagierensoll.

JederMenschstirbt!Du,ich,wiralle.

JederMenschhatdieMöglichkeitjederzeitzusterben...zBgeradeJETZT!

Beispiel:Patientsagt,SIEhabenesgut,SIElebennochlange.Undichantworte,dassichheuteaufdemNachhausewegeinentödlichenUnfallhabenkann.

SolcheAntwortenbitteNURgeben,wennsiewirklichvoninnenherausspontankommen–allesAufgesetztewirdvonPatientenundAngehörigensofortdurchschaut.

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HospizeundPalliativstationen,aberauchalleanderenOrtesindallegut,umsichklardarüberzuwerden,dassjedesLebenjederzeitzuEndeseinkann!

WennichmichdiesemThemaUNDderdamitoftverbundenAngstaufmichselbstbezogenstelle,kannichauchbeiPatientenundAngehörigen„richtig“handeln

WennichvoreinemThemaAngsthabeundderPatientvordemThemaAngsthat,istesschwerdarüberzusprechen.Beispiel:EineUnterhaltungüberSpinnenvonzweiMenschen,diebeideAngstvorSpinnenhaben,istganzschnellvorbei!

IchmussmeineAngstinmirundfürmichbearbeitenunddemPatientenhelfen,seinezubearbeiten.

Wie„bearbeite“ichdasbeiPatientenundAngehörigen?

Königswegistimmer,EmotionenwahrnehmenUNDDANNsoansprechen,dassalleBeteiligtenihrGesichtwahrenkönnen.

„Ichfühlebeimir…„

„IchnehmebeiIhnen…wahr“

„Wahrnehmen“istübrigenseingenialesWortfüralleGelegenheiten,denneszeigtallenBeteiligten,dassichsieernstnehme,weilichsiealsWAHRheitanNEHME.

Wennichmichnichttraue,etwaszusagen,dannistesimmer(!)möglichunderlaubt,ZUFRAGEN.

WennAnsprechenderKönigswegist,istFragenderKaiserweg.

„IchhabedasGefühl,SiehabenjetztAngst?“oder

„Könnteessein,dassSieAngsthaben“

„KannichIhnenhelfen?“

„MöchtenSiedarübersprechen?“

Ganzwichtig:ALLEmüssenIMMERdieFreiheithabenJAoderNEINzusagen!

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OftsindFragenleiderschonmiteinerErwartunganeineAntwortverbunden–dasmerkenPalliativpatientenundAngehörigeIMMER,egalobsieesbewusstoderunbewusstspüren–undsiereagierenentsprechend.

Stehend,vonobenherab,zumliegendenPatientensagen„SiehabenAngst!“schließtbeidenallermeistenMenschenjedenKommunikationskanal.

»»PrüfesbeiDirselbst,wieDureagierenwürdest!

Ganzanderswirkt:HinsetzenaufAugenhöheundfragen„Ichglaube,ichspüreIhreAngstvordemThemaSterben–könntenSiedasbetätigen?“

»»WiefühltsichdasbeiDiran?Jetzthatjeder,dernochnichtbereitist,daszuzugebenundauszusprechendieMöglichkeit„nein“zusagen.

Immer,wennetwasimunausgesprochenimRaumsteht,könnenwirFragenstellenund…müssenaufalleAntwortengefasstsein!

Deshalbisteswichtig,nichtzwischenTürundAngelweltbewegendeDingezufragen.BreiteteinPatientersteinmalbeispielsweiseseineTodesängstevorunsaus,dürfenwirnichtantworten„LassenSieunsmorgenweiterreden,jetztmussichzumnächstenPatienten.“

DeshalbgehörtzujederechtenFrage,dieZeitundderMut,dieAntwortzuertragenunddaraufeinzugehen.HastDukeineZeit,frageliebernicht!

Wasmacheich,wenndasGesprächmichsotraurigmacht,dassichalsPflegekraftweinenmuss?

Ichkönntesagen„DasThemamachtmichtraurig,ichglaube,ichmussweinen.“

OderwenneinPatientanfängtzuweinen,könnteichfragen„Darfichmitweinen?“

InschwierigenemotionalenSituationhabenALLEBeteiligtenJEDESRecht,traurigzuseinundDÜRFENesauchzeigen!

Totschweigenbringtnichts!EinegerechtfertigteReaktion,diejederhabendarfundeineEmotion,diebeijedemMenschenvorhandenist,darfauchRaumbekommen.

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NichtdenKloßrunterschluckenunddieEmotionenverdrängen.

Besserals„Ichmussweinen“wäremeistens„Ichmöchteweinen“oderimZweifelsfallauch„DarfichmitIhnenweinen?“Immerdarandenken,dassniemandvonEmotionsausbrücheneinfachüberfahrenwerdenmöchte.

Wasmacheich,wennichdannspäterdasZimmerverlasseundzumnächstenPatientengeheundmichdieTraurigkeitnochbegleitet?

JEDERPatientoderAngehörigehatdasRechtaufmeineungeteilteHinwendungundAufmerksamkeit.Bleibt20%vonmirimaltenZimmer,kannichmichdemneuenPatientennurzu80%widmen.Beimdiesemlasseichdannweitere10%undkommebeimdrittennurmit70%Aufmerksamkeitan.

EsgibteineneinfachenTrick,denichtrainierenkann,umdenvorherigenPatientenloszulassenundmichdemneuenmit100%widmenzukönnen:DieTüreschließen.MitdemSchließenderäußerenZimmertür,schließeichauchdeninnerenRauminmirundlassedenPatientenlos.BeimnächstenbinichdannGANZDA.DasklapptnacheinerTrainingszeitsehrgutunddas„Türeschließen“lässtdenletztenPatientenlos.DerneuePatientbekommtmeinevolleAufmerksamkeit.Generell:alleRäumeimmerhintermirschließen.KonkretUNDimsymbolischenSinn!

Wasmacheich,wennichEmotionenimDienstnichtzeigendarf,kannoderwill?

Kannoderwillichesnichtansprechen?

„Ichkannnicht“GefühlgibtesoftundsollteinTeamSupervisionenoderähnlichenSettingsbearbeitetwerden.SupervisorenkennenTechniken,ummichausder„Ichkannnicht“Situationherauszuführen–wennichdaswill.

Bei„Ichwillesnicht“kannichmichselbstnachdenGründenfragenunddieseerforschen.zBhabeichAngst,nichtanerkanntzuwerden,wennichemotionalreagiere?etc.

Einesistsicher,wennichdieProblememitnachHausenehme,schadeicheinerPersonIMMER:mirselbst.IchtragemeineProblemeungelöstmorgensaufdie

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StationundabendswiederebensoungelöstnachHause.Jeder„mitgenommenePatient“erhöhtdieSchweremeinesRücksackesunddasführtirgendwannzuKrankheitundBurnout.

Was,wenndienstlichvorgegebenist,dassEmotionennichtgezeigtwerdendürfen?OderdiePflegepersonEmotionennichtzeigenwill.WasgibteszusätzlichzurSupervisionfürLösungsmöglichkeiten?

- NACHderemotionalenSituationkannichinderTeekücheoderdemStationszimmerdieSituationansprechen,mir„Luftmachen“undaufdieseWeiseHilfeholen.

- WennichdasGefühlhabe,esauchdortverbergenzumüssen,gehichirgendwohin,woichalleinebinundweinenkann.

- JedeAlternativeistbesser,alsunterdrückenundmitnachHausetragen.

EineE-motionwillauchnachdraußen.SonstmüssteesjaIn-motionheißen.

SichüberdieeigenenEmotionenklarzuwerdenisteinAuseineinandersetzenmitsichselbst.

DawoMenschensindgibtesimmerEmotionen,dadarfesmenscheln.

WirsindallekeineMaschinen–wederPatientennochAngehörigenochStationspersonalmüssenmaschinenhaftperfektfunktionieren!

Wasmacheich,wennichineinerSituationnichtweiterweiß?

Wennichnichtweiß,wieichmichverhaltensoll,dieSituationansprechen:

„Ichnehmedasjetztwahrundweißganzehrlichnicht,wieichdamitumgehensoll.“

EntscheidenderPunkt:Ehrlichsein!

Besserehrlich„nichtweiterwissen“alsgeheuchelt„Professionalitätvermitteln“

Alleinedasjetztanzusprechen,klärtdieSituationinmindestens80%

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WiegeheichmitdenEmotionenderAngehörigenum?

1. ZuBeginneinesAufenthaltes,wennmandieAngehörigennichtkennt,ambestenganzvorsichtignachfragen…„KannichjetzteventuelletwasfürSietunodermöchtenSielieberalleinesein?“VieleAngehörigehalteninderSituationzuvielNähenochnichtaus.

2. WennichdiePersonschonkenne…

NacheinigenTagenseheicheineEhefrauaufdemFlurstehenundsieweint.Entwedergeheichprofessionelldaranvorbeiweilichjanochetwasandereszutunhabe(zweitbesteVariante�)

oderbesser:ichfrage„kannichIhnenhelfen?“„darfichIhnenhelfen?“„darfichetwasfürSietun?“

AlleFragenwieimmermitderinnerenHaltung,dassichJEDEAntwortrespektiereUNDmirbeiBedarfauchZEITnehme!!!!

DieFrage„WaskannichfürSietun?“setztmancheAngehörigeschonunterDruck,dennsiemüssenexplizitaufdieFrageantworten.Eine„Darfich…“FragekannmitKopfschüttelnschonausreichendbeantwortetwerden.

3. WennichAngehörigebesserkenne:DieselbenFragenstellenunddabeizBeinekörperlicheBerührungzBamArmoderderSchulter.VorsichtbeiKörperkontakt,nurwennichganzsicherbin!

4. WennichAngehörigeschongutkenne,istsogarFolgendesmöglichundwirktmanchmalWunder…„IchmöchteSiejetztgernindenArmnehmen,darfich?“

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WennAngehörigedasSterbendenTodnichtwahrhabenwollen.WiemitdemAktionismusumgehen?

Situation:PatientwenigeWochenvordemsicherenTod.EhefraubringtProspektemitfürdennächstjährigenUrlaubsortundmachtPläne.SchwereSituationfürdenPatienten,dennERweiß,dassesnächstesJahrkeinenUrlaubmehrfürihngibt.AbererkanndasdochseinerFraunichtsagen–glaubter.DasgehteinigeTageso.EinmalkommeichinsZimmer,alsdieEhefrauwiederUrlaubsplänemacht.

IchfragedenPatienten:„WashaltenSievondiesenUrlaubsplänen?“

DasgibtihmGelegenheit,seinerFrauruhigzuantworten…„Esistgut,dassDudiesePlänemachst,weildasfürDichwichtigist,aberichfahreinkeinenUrlaubmehr.“Wennichmichrechterinnere,weintenbeidenachderAntwort,warenaberfroh,dassesendlichaussprechbarwar.

DieSituationwarplötzlichgelöst,dieFaktenlagenoffenaufdemTischundbeideSeitenkonntenihrGesichtwahren.

Fazitauchhier:EmotionenwahrnehmenundalsFrage,diealsAngebotverstandenwerdenkann,ansprechen.

Ineineranderen,nochkrasseren,SituationvonAktionismushabeichdieAngehörige,alssiealleinewar,gefragt:„GlaubenSie,dassdas,wasSiedortjetzttun,IhnenselbstoderdemPatientenwirklichhilft?“DieseFragebrachtesieinnerlichinsWankenundsieantwortete

„Eigentlichnicht!“

„WarummachenSieesdann??“

„Ichweißnicht,wasichsonstmachensoll.“

FragenistderKönigsweg,führtmitteninsProblem,ohnedassichdemAngehörigenmeineMeinungumdieOhrenschlage.JEDEAntwortistrichtig

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Allestun,damitdasunabwendbarenichteintritt.

WenndenBetroffenenbewusstist,dassderAlternativheilereineAktivitätist,umsichvonandernProblemennichtberührenzulassen,dannkannichschauen,wasstecktdahinterdemStrohhalm.ZuerstmussichdemPatientenaberimmererlaubendenStrohhalmzunehmen!Verbietengehtgarnicht,denndaswürdesofortdasVertrauenzerstören.

WastueichinderfolgendenSituation?UnruhigerPatient,starkeSchmerzen,großeProblememitFamilie,weilerdenSohnenterbthatundjedenKontaktablehnt.Patientsagtzumir,erwolledenSohnsehen,sagtabernichtszurFamilie.Sohnsagtmirdasselbe,willdenVatersehen,sagtaberebenfallsnichtszurFamilie.AbsolutePattsituation,allesindtotalunglücklich,keinerhatdenMut,dieInitiativezuergreifen.

AuchhieralswichtigsteRegel…FRAGEN!

IchwarfürPatientzuständig,habealsoalserstesdenPatientengefragt,oberdenSohntreffenwolle.Dersagte„ja…aberderwillnicht.“„SollichdenSohnfragen?“„Ja,aberderwillehnicht!“

SohnkommtaufStation,ichfrageihndasselbe:identischeAntwort„Ja,aberderVaterwillnicht.„Sollichfragen?“„Jagerne,istabersinnlos.“

EskamdannmitunsererVermittlungzumTreffen,daesbeidewollten.AufBittenbeiderBeteiligten,SohnundVaterbliebichimRaum.DerPatientlagimBettstarrtezurWand,derSohnsaßdanebenundstarrteauchwortloszurWand.JedermachtBewegungenaufdenanderenzu,aberimmerwennderanderegeradenichthinsieht.

Espassiertalsorealgarnichts,beideschweigen.NacheinerZeitmeldeichmichzuWort.

„Siehabenmirbeidegesagt,dasssiemiteinandersprechenwollen,jetztstarrenSiebeidedieWandan.Siekönnendasgerneweitermachen,aberisteswirklichdas,wassiewollten?“

Beideschauenmichan,vermeidenaberBlickkontaktmiteinander.DanndrehtderVatersichzurWandundSohnstehtauf.Ichdenke,allesistgescheitert,aberdannpassiertFolgendes:

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DerVatersagtzurWandgewendeteineneinzigenSatz:„EinVaterliebtseinenSohn.“

Sohnfängtschlagartiganzuweinen,gibtdemVaterdieHandundgehtausdemZimmer.Ichfolgeihm,sehedieweinendeFamilieaufdemGangstehenundfragedenSohn,wasgenauausseinerSichtpassiertist.AllesindglücklichüberdieWortedesVatersunderzählen,dassseitvielenJahrenzuhauseniedasWort„Liebe“ausgesprochenwurde.

ZweiDingealsFazit:

ErstenswardaseineperfekteVersöhnungfürdieFamilie,obwohlichehereinScheiternvermutethätte.DaseinzigWichtigewarenjedochdieEmpfindungenderFamilie.UnsereProfessionalitätistnichtsgegendieGefühlederBeteiligten:PatientenundAngehörigedefiniereninsolchenSituationen„ErfolgoderMisserfolg“.

ZweitenswärediegesamteAktiongescheitert,wennichnichtprovokativmeineehrlicheMeinunggesagthätte.MeineBemerkung„Siekönnengernesoweitermachen,aberistesdas,wassiewollten?“warderWendepunkt,denbeidealleinewohlnichtgeschaffthätten!Dasfunktioniertenur,weileseinechtesundehrlichesVerhaltenmeinerseitswar,dennichsahinnerlichvieleGesprächsstundenergebnislosalsScherbenhaufenvormirundwusste,ichhattenureinenVersuch.IchhatteGlückundwähltedierichtigenWorte.EtwasGlückgehörtalsoinschwierigenemotionalenSituationenimmerdazu!

DerPatientbrauchteindernächstenZeit80%wenigerSchmerz-undBeruhigungsmedikamenteundisteineguteWochespäterruhiggestorben.

Erwollteübrigensalleinesterben–dasleitetüberzueinemganzwichtigenPunktimUmgangmitPatientenundAngehörigen.

SterbenistindividuellwieeinFingerabdruck:jederMenschhatnichtnurseineigenesLeben,sondernauchseineneigenenStrebeprozessundseineneigenenmaßgeschneidertenTod.

EinPatientmöchtealleinesterben–dasistgutso.

EinanderermöchteinBegleitungbestimmterPersonensterben–dasistauchgutso!

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ManchePatientenkönnenundwollendarübersprechen,anderenicht.OftistdasStationspersonalaufBittenderPatientenderÜberbringersolcherNachrichten.

WasimmereinPatientsagt,istRICHTIG!

WilleinMenschalleinesterben,wirddasauchsogeschehen–dasdarfsosein.

WenneinMenschimKreisederFamilieodereinzelnerFamilienmitgliedersterben,wirdauchdassopassieren.Niemandkanndasgenauerklären,warumdassoist,aberesistnichtnurmeineErfahrung,sondernauchdievieleranderer–auchwenndasnichtwissenschaftlichuntersuchtwerdenkann.

NichtjederMenschkanndasauchaussprechen,deshalbisteswichtigVORHERmitderFamiliedarüberzusprechen,dassessooderebenanderspassierenwird.INBEGLEITUNGoderALLEINESTERBENistbeidesmöglichundinOrdnung!SehroftwirddasabervonderFamilieandersgesehenundNACHHERmachensiesichoftVorwürfe,„nichtdabeigewesenzusein“.

WennichVORHERmitdenAngehörigenredeundessoodersoähnlichausdrücke…„Egalwaspassiert,ober/siestirbt,wennSiedabeisindoderohnedassSiedabeisind,sowieesist,istesrichtig.“

SokönnendieallermeistenAngehörigensichgutdaraufvorbereiten,das„alleineoderinBegleitungsterben“zurespektieren.Esgeschieht,wasgeschehensoll.DaserspartoftlebenslangeSelbstvorwürfe!

AufeinerPalliativstationwirdgestorben.IstesnichteininsgesamttraurigesArbeitsumfeld?

AufeinerPalliativstationfindetLebenundSterbenstatt.

EmotionenallerArtsinddortzuhause,wieimnormalenLeben:FreudeundTrauer,WutundAngst,OffenheitundGelassenheit.GleichgültigkeitundAufopferungnebenLiebeundsogarHass.

AufmeinerStationwurdenGeburtstagegefeiertundeswurdegeheiratet.EinPatientließsichsogarspäterwiederscheiden.Eswurdegelachtundauchmiteinandergespielt:KinderliefenüberdenGang,lachtenoderspieltenimAufenthaltsraum.

AufeinersolchenStationlebenMENSCHENalsPatientenundarbeitenMENSCHENalsPersonal.VomChefarztbiszurPutzhilfesindalleMenschen!EinePalliativstationlebtundistnichttot!

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Ganzwichtigist,dasspositiveUNDnegativeEmotionendaseindürfenUNDvomPflegepersonalundallenBeteiligtenwahrgenommenwerden.

WürdevollundachtsambeiBedarfintervenieren.

Unterstützenddazusein,umThemendesLebens,dienochabgeschlossenwerdenmüssen,zumAbschlusszubringen

Fazit

DieeigenenEmotionenwahrnehmen,ansprechenundrauslassenistaufjedenFallbesseralsdieFaustinderTaschezuballenoderdenKloßrunterzuschlucken.

EsisteinZeichenvonGrößeundStärkezusagen,„Ichweißjetztauchnichtwieichmichhierverhaltensoll.AufdereinenSeitewürdeichSieamliebstenumarmenaufderanderenSeiteweißichgarnicht,obdasfürSiepasst.“

MeinFazitalsPalliativarzt:

DerTodgehörtzumLebendazuundaufeinerPalliativstationistLEBEN,istLeben,daszuEndegeht;istinseinerganzenDimensioneinLEBENwiesonstauch,eshatpositiveEmotionenundnegativeEmotionenundesistdieganzePalettevomLebenDA!

EinePalliativstation,einHospizistkeineSterbestation,dawirdgelebt…undirgendwanngestorben.Undalles,waszumLebengehörtdarfdasein!

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Mein Name ist Hans-DirkReinartz, 1955 geboren,FacharztfürAnästhesieundLebenslotse,über 35JahrealsArzttätig. Seit Ende 2012 lebeich bei meinerFrau, die inOdessainderUkraine als Augenchirurgin arbeitet.

• ÄrztlicheErfahrungeninnerhalbUNDaußerhalbderSchulmedizinalspersönlichesAlleinstellungsmerkmal

• NeunJahrealsAnästhesist,Intensiv-undNotfallmediziner

• AchtJahrealsTherapeutmitüber16.000Therapiestunden

• ÖsterreichischesDiplominPalliativmedizin

• Fast12JahrehauptamtlichstationäreBetreuungvonweitüber2000schwerstkrankenundsterbendenPatientenundüber15.000GesprächsstundenmitPatientenundAngehörigen

• Seit 2012 in der Ukraine als Online Berater tätig - SpezialgebietBurnout

DerzeitigeProjekte:

- https://reigra-consult.com- https://www.facebook.com/hansdirkreinartz/- https://www.facebook.com/reigraconsult- OnlineBeratungenvonMenscheninschwierigen Lebenssituationen z.B.

einer Burnout Erkrankungoder miteinerlebensverändernden Erkrankung z.B. Krebs

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