Palliative Care in der Schweiz und im übrigen Westeuropa · Zentrum für Palliative Care....

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1 Selbstbestimmt sterben Dr. med. Roland Kunz Universitäre Klinik Akutgeriatrie Zentrum für Palliative Care

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Selbstbestimmt sterben

Dr. med. Roland Kunz

Universitäre Klinik Akutgeriatrie

Zentrum für Palliative Care

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TagesAnzeiger vom 15.11.2017

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Der Wandel: Sterben bis ins 20. JH

«Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen» Martin Luther 1524

1 5 20 30 40 50 60 70 Jahre

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Eines lege ich euch allen ans Herz:

Leben und Tod sind eine ernste Sache.

Schnell vergehen alle Dinge.

Seid ganz wach,

Niemals achtlos, niemals nachlässig.

Täglicher Ruf in den Zen-Klöstern nach der letzten Abendmeditation

Altötting. Uhr aus der Pestzeit

Sterben als Schicksal, nicht Machsal

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Und heute?

Erfolge der Medizin lassen Sterben und Tod

in den Hintergrund treten

Autonomie, Selbstbestimmung sind oberstes

Primat in der Gesellschaft geworden

Gelassenheit mit Geschehenlassen,

Annehmen ist ausser Mode gekommen

Werbung und Medien unterstützen diese

Entwicklung

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Vom Schicksal zur Machsal…

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Die Möglichkeiten der Medizin,

unser Umgang mit der Endlichkeit

Geburt Prävention Kurativ Unheilbar Sterben

Maximaltherapie (Reparaturmedizin)

Komplementär

Sterbehilfe

„WWW“

Delegation

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Delegation des Sterbens

Von der Realität in die Virtualität

Von der Gesellschaft an die Institutionen

Vom Akutspital an die Langzeitpflege

Von den Angehörigen an die Professionellen

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Wie möchten wir sterben?

Relativ rasches Versterben, ohne lange

Leidenszeit

Möglichst ohne Schmerzen und Leiden

Bei klarem Verstand

Autonom gesteuert und kontrolliert

Ohne anderen zur Last zu fallen

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Die Realität

43% wünschen sich einen plötzlichen Tod,

weitere 50% einen Tod nach kurzer

Krankheitsdauer

Aber nur 10% sterben einen plötzlichen Tod,

20% nach einer Krankheitsphase von Wochen

bis Monaten, die übrigen nach einer von

Monaten und Jahren.

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Selbstbestimmtes Sterben ist

möglich, aber…

Beginnt immer mehr schon Monate oder

Jahre vor dem Tod…

Erfordert frühzeitige persönliche

Entscheidungen

Das Sterben ist immer weniger ein Schicksal,

es muss immer mehr voraus gestaltet werden

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Sterben als Folge von Entscheidungen

Bosshard G et al. Swiss Medical Forum 2016;16: 896-898

70% sind erwartete

Todesfälle

In 80% dieser Fälle geht

dem Tod eine bewusste

Entscheidung voraus.

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Ziele und Entscheidungen

Erste Symptome, Einschränkungen

Neue Diagnosen…

Wiederholte Entscheidungen

Ziel: Lebensqualität statt

Kampf gegen die Krank-

heiten um jeden Preis

Das Ende

akzeptieren,

gutes Sterben

ermöglichen

Abklärung

Heilung?

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Wollen wir uns darüber Gedanken

machen?TagesAnzeiger 15.11.17

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Selbstbestimmtes Sterben

geht nicht ohne Vorausplanung

Wie kann Vorausplanung geschehen?

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Gesunde

Menschen

Schwerkranke

Personen

Chronisch

kranke/

vulnerable

Patienten Vorsorgeauftrag,

Testament,

Versicherung,

Festlegung Stv. für

finanzielle Belange

Vorausplanung für die Situation der Urteilsunfähigkeit

(engl. = advance care planning)

Allgemeine Vorausplanung für verschiedene

Lebensbereiche (engl. =planning)

Krankheitsbezog. Vorausplanung

für Betreuung / Behandlung

(engl.=care planning)

Juristinnen, Seelsorger,

Beratungsorganisationen

(Patientenorganisationen etc.)

Gesundheitliche Vorausplanung

Unterstützer

Qualifizierte Fachpersonen mit

krankheitsbezogenem Wissen

(Hausärzte, APN, Palliative Care)

Qualifizierte Fachpersonen mit

Wissen um Urteilsunfähigkeit und

um Chancen / Sinn von intensiv-

medizinischen und palliativen

Massnahmen

Instrumente/

Dokumente(Bsp.)

Betreuungsplan,

Basisdokument

Netzwerk

Festlegung Stv. für

medizinische Belange,

Ärztliche

Notfallverordnung,

Patientenverfügung,

Organspendenausweis

Aus: Rahmenkonzept gesundheitliche Vorausplanung. BAG + palliative ch 2018

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Vorausplanung

Allgemeine Vorausplanung

Testament. Vorsorgeauftrag. Vollmachten

Krankheitsspezifische Vorausplanung

Ziele und Grenzen? Was will ich, was nicht? Z.B.

Reanimation? Betreuungsplan, Notfallplan

Vorausplanung für die Situation einer

Urteilsunfähigkeit

Was ist mir wichtig? Werthaltung, Grenzen?

Vertretung, PV

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Fragen (Beispiele)

Haben Sie ein Testament gemacht?

Ist geregelt, wer für Sie entscheiden soll, wenn

Sie es nicht mehr können? (finanziell, rechtlich,

in persönlichen und med. Fragen?)

Möchten Sie reanimiert werden bei einem

plötzlichen Kreislaufstillstand?

Welche medizinischen Massnahmen wünschen

Sie, wenn Sie dement werden?

Wissen Ihre Angehörigen von Ihren Wünschen?

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Grenzen der Selbstbestimmung

Welche unheilbare Krankheit wird mich mal

treffen?

Werde ich mal abhängig und pflegebedürftig?

Aber:

Ich kann voraus bestimmen, was in diesen Situationen

noch gemacht werden soll

Wenn ich mich gegen «kurative» Massnahmen

entscheide, kann noch viel für meine Lebensqualität

und gegen mein Leiden getan werden: Palliative Care

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«Würdiges» Sterben wünschen

sich alle…

Jeder Mensch hat eine Würde, die er auch im

Sterben nicht verlieren kann

Die Achtung der Würde einer Person schliesst

die Respektierung seiner Autonomie ein.

Seine Würde kann verletzt werden, nicht

respektiert werden durch die Behandelnden!

«Sterben in Würde» gilt als Forderung ans

Umfeld, nicht «stirb in Würde» an den

Sterbenden!

Respektierung der Selbstbestimmung

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Vorausplanung ist sinnvoll

und wichtig für ein

selbstbestimmtes Sterben.

Es bleibt aber freiwillig und

darf niemanden überfordern!

Gedanken und Gespräche

über das Lebensende lehren

uns auch, den Moment zu

schätzen.

Vielen Dank für Ihre

Aufmerksamkeit!