Palästina IsraelZeitung · Palästina, Israel und die Deutschen Fortsetzung von Seite 1...

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Bekenntnis Anonyme Karikatur mit dem Flüchtlingsjungen Handala des palästinensischen Karikaturisten Nadschi al-Ali (1938 bis 1987) Ein Ende Liebe Leserinnen, liebe Leser, Initiativen haben ihren Anfang und müssen irgendwann auch enden. Aus Altersgründen müssen wir Ak- tiven von der Arbeitsgemeinschaft Völkerrecht und Menschenrechte in Palästina und Israel e. V. mit dieser Nr. 10 der Palästina-Israel- Zeitung unsere Zeitungsarbeit be- enden. Nachfolger haben sich trotz in- tensiver Suche leider nicht gefun- den. Den Mitgliedern danken wir für ihr Engagement, den Abon- nenten für ihr Interesse. Sie alle bekommen noch ausführlichere Nachricht von uns. Die übrigen Leser sprechen wir hier zum letzten Mal an. In diesen sieben Jahren unserer Arbeit ist in Palästina/Israel nichts besser geworden. Im Gegenteil: Die Stimmung in der israelischen Gesellschaft und die israelische Po- litik sind noch rechtslastiger ge- worden, noch aktiver im Unrecht an den einheimischen palästinen- sischen Menschen, in der Missach- tung der Menschenrechte und so- mit der Menschlichkeit, und das mit schrecklichen Folgen. In un- serem Land wirkt immer noch die Vergangenheit nach, und man wird nur spurenweise aufmerksamer auf diese bedrückende Entwicklung. Wie geht es bei uns weiter? Unsere Arbeitsgemeinschaft wird nicht so- fort aufgelöst. Um nicht mit Schul- den aufzuhören, sind wir dankbar für wenigstens kleine Abschluss- spenden. Viele von Ihnen werden sich wie wir weiterhin nach Kräften gegen das Unrecht und für mehr Gerech- tigkeit und Menschlichkeit in Pa- lästina/Israel einsetzen, auch ohne dass Erfolge deutlich zu sehen sind. Ermutigung entsteht in der Ge- meinsamkeit. Die „vielen kleinen Schritte der vielen kleinen Leute“ werden schließlich doch Wirkung zeigen. Die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft gibt ein etwa halb- jährliches Journal heraus, das in- haltlich unserer Palästina-Israel- Zeitung sehr verwandt ist. Es ist aber umfangreicher und weni- ger leicht weiterzugeben. Infor- mationen dazu finden sie unter www.dpg-netz.de. Die Hoffnung auf Recht und Gerechtigkeit und in der Folge auf Frieden für die einheimischen palästinensischen und die jüdisch- israelischen Menschen wollen wir nicht aufgeben, eine Friedenshoff- nung, die für alle Menschen im Nahen und Mittleren Osten gilt. Wir danken allen Lesern und Leserinnen für ihr Interesse. Für den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft Peter Bingel Sechs von sieben Herausgeber der PIZ vor sechs Jahren Foto: ck Aus der Judenfrage entstand der Ju- denstaat. Theodor Herzl bemän- gelte im 19. Jahrhundert: ‚Wir sind eine Nationalität ohne Nation.‘ Die Frage in diesem Kontext war aber gar keine echte Frage, sondern ein ungelöstes Problem, so alt wie die uralte Geschichte der oftmals ver- triebenen Israeliten. Der dissidente Jude Jesus von Nazareth konnte, in der Tradition der Propheten, eine nationale Exklusivität nicht hinneh- men. Die Trennung zwischen Juden und Heiden hat er für seine Gefolg- schaft aufgehoben und damit den Nationalbegriff preisgegeben. Das galt als Hochverrat am Judentum. Zur ungelösten Judenfrage – ‚Juden sind überall ein Fremdkör- per‘ – gehörte im 20. Jahrhundert die deutsche Frage: ‚Störenfried Deutschland‘. Sie griffen ineinander. Hitler beantwortete die deutsche Frage, stürzte die Welt in den größ- ten aller Kriege und glaubte inmitten dieses Krieges, die Judenfrage durch die Vernichtung aller Juden lösen zu können. Dieser misslungene, aber um ein Haar gelungene, Versuch führte nach dem Zweiten Weltkrieg zur raschen Gründung des von Herzl erwünschten Judenstaates. Herzl und Hitler Herzl war ein Produkt der deut- schen Kultur seiner Zeit. Er hielt sie in höchstem Ansehen, erkannte aber zugleich, dass es der europäische An- tisemitismus war, der den Zionismus beleben und rechtfertigen würde. Die deutsche Shoah tat dann un- verhofft das ihre. Aus den Gaskam- mern und auf den Massengräbern Von Paul Oestreicher Deutschland könnte viel zur Lösung in Nahost beitragen. Wenn es der gan- zen Wahrheit ins Angesicht sähe. Paul Oestreicher, Brite deutsch-jüdischer Herkunft, hat sein Leben lang Brücken gebaut und für den Frieden gestritten. Israel und Palästina zu lieben, sei kein Widerspruch. Dafür schlägt er eine Bresche. Palästina, Israel und die Deutschen entstanden die Fundamente des jun- gen Staates. Ohne Auschwitz, ohne die Angst vor einem zweiten Holo- caust, wäre die Israelfrage, diese of- fene Wunde, nicht das, was sie ist. gegen die britische Schutzmacht. Die Vertreibung Hunderttausender Palästinenser, die Nakbah, wurde laut Ben Gurion durch „unvermeid- lichen“ Terror erzwungen und der junge Staat ausgerufen. „Wir hatten lange genug gelitten. Es war Zeit zu zeigen, was eigentlich längst unser hätte sein müssen.“ Zerstörte palästinensische Dörfer und fliehende Menschen waren die Folge. Das Ziel der arabischen Welt wurde folglich, den jungen Staat Israel zu vertreiben. Ein Krieg nach dem anderen endete mit der militäri- schen Besatzung des gesamten Lan- des Palästina. Israel hat sich in kür- zester Zeit als eine erstaunlich effek- tive Militärmacht erwiesen. Es galt zu beweisen: Dieser jüdische Staat ist unbesiegbar. Er wurde zur Atom- macht. Die Atommacht kolonialisiert Untätig sah die Welt zu. Nach Auschwitz und 2.000 Jahren Anti- semitismus war es undenkbar, Israel das eigene Land abzusprechen. Also müsse es zwei Staaten geben. Ein Gesamtstaat wäre kein jüdischer mehr. Er hätte bald eine arabische Mehrheit. Also, so das israelische Denken, ein Judenstaat und da- neben ein kolonisiertes und mili- tärisch beherrschtes Gebiet Judäa und Samaria. Das ist die heutige Realität. Das erinnert an das deut- sche Protektorat Böhmen und Mäh- ren. Weg mit den minderwertigen Tschechen. Eines war schon immer klar: Militärische Besatzungen sind, wo auch immer und wann auch im- mer, brutal. Und wenn auf Angst gegründet, dann erst recht. Welt- politisch ist diese Situation ein per- manenter Krisenherd. Die Palästi- nenser leiden. Und die Israelis kom- men nicht zur Ruhe. Paul Oestreicher Foto: ck Herzl hatte alles darangesetzt, sei- nen Traum zu verwirklichen bis hin zum Versuch, den deutschen Kaiser und den Jerusalemer Groß- mufti davon zu überzeugen, dass in Palästina ein Judenstaat ermöglicht werden sollte. Nach dem Zweiten Weltkriegs griffen nun die Zionis- ten selbstbewusst zu, und zwar ge- waltsam sowohl gegen die wehrlose arabische Dorfbevölkerung als auch Fortsetzung auf Seite 2 Palästina Israel Zeitung für Völkerrecht und Menschenrechte herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Völkerrecht und Menschenrechte in Palästina und Israel e. V. Nr. 10 • September 2016 www.palaestina-israel-zeitung.de In dieser Ausgabe Waffenbrüder Fast seit Gründung der Bundesre- publik gab es deutsche Waffenex- porte nach Israel oder deren Finan- zierung. Zunächst heimlich. Adenauer und Ben Gurion waren sich einig. Heute geht das offiziell und öffentlich. Exportgenehmigungen werden erteilt, Waffen werden geschenkt, deutsche Soldaten trainieren in Israel den Orts- kampf. Seite 2 BDS Die gewaltlose Boykott-Kampagne gegen die israelische Besatzungs- und Siedlungspolitik findet immer mehr aktive Anhänger. Von Verbrauchern, Künstlern, Wissenschaftlern und der Wirtschaft wird sie in großem Umfang befolgt. Aber es gibt zunehmenden Gegenwind, nicht nur in Israel. Auch in den USA und Europa. BDS wird krimi- nalisiert, und die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt. Seite 3 Erfolgreicher Zionismus Seit 120 Jahren verfolgt der Zionis- mus ein Ziel: ganz Palästina mit möglichst wenig Palästinensern zu beherrschen. Mit Eroberungen und Vertreibungen hat er es schon weit gebracht. Die Nakba mit 800.000 Vertriebenen ist in schlechter Erinne- rung. Muslime und Christen sind viel- fältigen Diskriminierungen und Drang- salierungen ausgesetzt. Seiten 4 und 5 Besatzung im fünfzigsten Jahr Hierzu haben wir unterschiedliche Menschen um ihre Meinung gebe- ten. Leider fehlen wichtige Stimmen. 200 illegale jüdische Siedlungen und 600.000 Siedler im Westjordanland mit Ostjerusalem brauchen die Besat- zung. Während Europa seinen Koloni- alismus überwand, stieg in Palästina ein ein zionistischer Kolonialstaat auf. Seiten 4 und 5 Wider die Mythen Eine beispielloses Gewirr von Mythen, Ideologien, nationalen und religiösen Dogmen verhindert das Verständ- nis zwischen Israel, Palästina und dem Westen. Hierüber schreibt Arn Strohmeyer in seinem neuen Buch. Ohne Aufklärung gibt es für ihn im sogenannten Nahostkonflikt keine Lösung. Strohmeyer ist ein Aufklärer. Seite 6 Zusammen protestieren Relativ wenige Juden solidarisieren sich mit den Palästinensern. Ben Ronen aus Tel Aviv aber beteiligt sich im Dorf Nabi Saleh regelmäßig an Demonstrationen gegen die Besat- zung. Gewaltfrei. Seine Hoffnung: Wenn wir zusammen protestieren, werden wir einmal auch zusammen- leben. Dror Dayan hat hierüber einen Film gedreht. Seite 6 Angst vor Vertreibung Im Hügelland südlich von Hebron geht die Angst um. Palästinensische Dorfbewohner sind von illegalen jüdi- schen Siedlungen bedroht. Sie fürch- ten das täglich mögliche Anrücken der Bulldozer, die ihre schlichten Wohnstätten zerstören. Sie fürchten Zwangsumsiedlung, Gewalt der Sied- ler und der Soldaten. Susiya ist ein Brennpunkt. Seite 7 Nachrufe, Veranstaltungen, Presse- stimmen, Impressum Seite 8

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Bekenntnis

Anonyme Karikatur mit dem Flüchtlingsjungen Handala des palästinensischen Karikaturisten Nadschi al-Ali (1938 bis 1987)

Ein Ende

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Initiativen haben ihren Anfang und müssen irgendwann auch enden. Aus Altersgründen müssen wir Ak-tiven von der Arbeitsgemeinschaft Völkerrecht und Menschenrechte in Palästina und Israel e. V. mit dieser Nr. 10 der Palästina-Israel- Zeitung unsere Zeitungsarbeit be-enden.

Nachfolger haben sich trotz in-tensiver Suche leider nicht gefun-den. Den Mitgliedern danken wir für ihr Engagement, den Abon-nenten für ihr Interesse. Sie alle bekommen noch ausführlichere Nachricht von uns.

Die übrigen Leser sprechen wir hier zum letzten Mal an.

In diesen sieben Jahren unserer Arbeit ist in Palästina/Israel nichts besser geworden. Im Gegenteil: Die Stimmung in der israelischen Gesellschaft und die israelische Po-litik sind noch rechtslastiger ge-worden, noch aktiver im Unrecht an den einheimischen palästinen-sischen Menschen, in der Missach-tung der Menschenrechte und so-mit der Menschlichkeit, und das mit schrecklichen Folgen. In un-serem Land wirkt immer noch die Vergangenheit nach, und man wird nur spurenweise aufmerksamer auf diese bedrückende Entwicklung.

Wie geht es bei uns weiter? Unsere Arbeitsgemeinschaft wird nicht so-fort aufgelöst. Um nicht mit Schul-den aufzuhören, sind wir dankbar für wenigstens kleine Abschluss-spenden.

Viele von Ihnen werden sich wie wir weiterhin nach Kräften gegen das Unrecht und für mehr Gerech-tigkeit und Menschlichkeit in Pa-lästina/Israel einsetzen, auch ohne dass Erfolge deutlich zu sehen sind. Ermutigung entsteht in der Ge-meinsamkeit. Die „vielen kleinen Schritte der vielen kleinen Leute“ werden schließlich doch Wirkung zeigen.

Die Deutsch-Palästinensische Gesellschaft gibt ein etwa halb-jährliches Journal heraus, das in-haltlich unserer Palästina-Israel- Zeitung sehr verwandt ist. Es ist aber umfangreicher und weni-ger leicht weiterzugeben. Infor-mationen dazu finden sie unter www.dpg-netz.de.

Die Hoffnung auf Recht und Gerechtigkeit und in der Folge auf Frieden für die einheimischen palästinensischen und die jüdisch- israelischen Menschen wollen wir nicht aufgeben, eine Friedenshoff-nung, die für alle Menschen im Nahen und Mittleren Osten gilt.

Wir danken allen Lesern und Leserinnen für ihr Interesse.

Für den Vorstand der Arbeitsgemeinschaft

Peter Bingel

Sechs von sieben Herausgeber der PIZ vor sechs Jahren Foto: ck

Aus der Judenfrage entstand der Ju-denstaat. Theodor Herzl bemän-gelte im 19. Jahrhundert: ‚Wir sind eine Nationalität ohne Nation.‘ Die Frage in diesem Kontext war aber gar keine echte Frage, sondern ein ungelöstes Problem, so alt wie die uralte Geschichte der oftmals ver-triebenen Israeliten. Der dissidente Jude Jesus von Nazareth konnte, in der Tradition der Propheten, eine nationale Exklusivität nicht hinneh-men. Die Trennung zwischen Juden und Heiden hat er für seine Gefolg-schaft aufgehoben und damit den Nationalbegriff preisgegeben. Das galt als Hochverrat am Judentum.

Zur ungelösten Judenfrage – ‚Juden sind überall ein Fremdkör-per‘ – gehörte im 20. Jahrhundert die deutsche Frage: ‚Störenfried Deutschland‘. Sie griffen ineinander. Hitler beantwortete die deutsche Frage, stürzte die Welt in den größ-ten aller Kriege und glaubte inmitten dieses Krieges, die Judenfrage durch die Vernichtung aller Juden lösen zu können. Dieser misslungene, aber um ein Haar gelungene, Versuch führte nach dem Zweiten Weltkrieg zur raschen Gründung des von Herzl erwünschten Judenstaates.

Herzl und HitlerHerzl war ein Produkt der deut-schen Kultur seiner Zeit. Er hielt sie in höchstem Ansehen, erkannte aber zugleich, dass es der europäische An-tisemitismus war, der den Zionismus beleben und rechtfertigen würde. Die deutsche Shoah tat dann un-verhofft das ihre. Aus den Gaskam-mern und auf den Massengräbern

Von Paul Oestreicher

Deutschland könnte viel zur Lösung in Nahost beitragen. Wenn es der gan-zen Wahrheit ins Angesicht sähe. Paul Oestreicher, Brite deutsch-jüdischer Herkunft, hat sein Leben lang Brücken gebaut und für den Frieden ge stritten. Israel und Palästina zu lieben, sei kein Widerspruch. Dafür schlägt er eine Bresche.

Palästina, Israel und die Deutschen

entstanden die Fundamente des jun-gen Staates. Ohne Auschwitz, ohne die Angst vor einem zweiten Holo-caust, wäre die Israelfrage, diese of-fene Wunde, nicht das, was sie ist.

gegen die britische Schutzmacht. Die Vertreibung Hunderttausender Palästinenser, die Nakbah, wurde laut Ben Gurion durch „unvermeid-lichen“ Terror erzwungen und der junge Staat ausgerufen. „Wir hatten lange genug gelitten. Es war Zeit zu zeigen, was eigentlich längst unser hätte sein müssen.“

Zerstörte palästinensische Dörfer und fliehende Menschen waren die Folge. Das Ziel der arabischen Welt wurde folglich, den jungen Staat Israel zu vertreiben. Ein Krieg nach dem anderen endete mit der militäri-schen Besatzung des gesamten Lan-des Palästina. Israel hat sich in kür-zester Zeit als eine erstaunlich effek-tive Militärmacht erwiesen. Es galt zu beweisen: Dieser jüdische Staat ist unbesiegbar. Er wurde zur Atom-macht.

Die Atommacht kolonialisiertUntätig sah die Welt zu. Nach Ausch witz und 2.000 Jahren Anti-semitismus war es undenkbar, Israel das eigene Land abzusprechen. Also müsse es zwei Staaten geben. Ein Gesamtstaat wäre kein jüdischer mehr. Er hätte bald eine arabische Mehrheit. Also, so das israelische Denken, ein Judenstaat und da-neben ein kolonisiertes und mili-tärisch beherrschtes Gebiet Judäa und Samaria. Das ist die heutige Realität. Das erinnert an das deut-sche Protektorat Böhmen und Mäh-ren. Weg mit den minderwertigen Tschechen. Eines war schon immer klar: Militärische Besatzungen sind, wo auch immer und wann auch im-mer, brutal. Und wenn auf Angst gegründet, dann erst recht. Welt-politisch ist diese Situation ein per-manenter Krisenherd. Die Palästi-nenser leiden. Und die Israelis kom-men nicht zur Ruhe.

Paul Oestreicher Foto: ck

Herzl hatte alles darangesetzt, sei-nen Traum zu verwirklichen bis hin zum Versuch, den deutschen Kaiser und den Jerusalemer Groß-mufti davon zu überzeugen, dass in Palästina ein Judenstaat ermöglicht werden sollte. Nach dem Zweiten Weltkriegs griffen nun die Zionis-ten selbstbewusst zu, und zwar ge-waltsam sowohl gegen die wehrlose arabische Dorfbevölkerung als auch Fortsetzung auf Seite 2

PalästinaIsraelZeitungfür Völkerrecht und Menschenrechte

herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Völkerrecht und Menschenrechte in Palästina und Israel e. V.Nr. 10 • September 2016 www.palaestina-israel-zeitung.de

In dieser Ausgabe

WaffenbrüderFast seit Gründung der Bundesre­publik gab es deutsche Waffenex­porte nach Israel oder deren Finan­zierung. Zunächst heimlich. Adenauer und Ben Gurion waren sich einig. Heute geht das offiziell und öffentlich. Export genehmigungen werden erteilt, Waffen werden geschenkt, deutsche Soldaten trainieren in Israel den Orts­kampf. Seite 2

BDSDie gewaltlose Boykott­Kampagne gegen die israelische Besatzungs­ und Siedlungspolitik findet immer mehr aktive Anhänger. Von Verbrauchern, Künstlern, Wissenschaftlern und der Wirtschaft wird sie in großem Umfang befolgt. Aber es gibt zunehmenden Gegenwind, nicht nur in Israel. Auch in den USA und Europa. BDS wird krimi­nalisiert, und die Meinungsfreiheit wird eingeschränkt. Seite 3

Erfolgreicher ZionismusSeit 120 Jahren verfolgt der Zionis­mus ein Ziel: ganz Palästina mit möglichst wenig Palästinensern zu beherrschen. Mit Eroberungen und Vertreibungen hat er es schon weit gebracht. Die Nakba mit 800.000 Vertriebenen ist in schlechter Erinne­rung. Muslime und Christen sind viel­fältigen Diskrimi nierungen und Drang­salierungen ausgesetzt.

Seiten 4 und 5

Besatzung im fünfzigsten JahrHierzu haben wir unterschiedliche Menschen um ihre Meinung gebe­ten. Leider fehlen wichtige Stimmen. 200 illegale jüdische Siedlungen und 600.000 Siedler im Westjordanland mit Ostjerusalem brauchen die Besat­zung. Während Europa seinen Koloni­alismus überwand, stieg in Palästina ein ein zionistischer Kolonialstaat auf. Seiten 4 und 5

Wider die MythenEine beispielloses Gewirr von Mythen, Ideologien, nationalen und religiösen Dogmen verhindert das Verständ­nis zwischen Israel, Palästina und dem Westen. Hierüber schreibt Arn Strohmeyer in seinem neuen Buch. Ohne Aufklärung gibt es für ihn im sogenannten Nahostkonflikt keine Lösung. Strohmeyer ist ein Aufklärer.

Seite 6

Zusammen protestierenRelativ wenige Juden solidarisieren sich mit den Palästinensern. Ben Ronen aus Tel Aviv aber beteiligt sich im Dorf Nabi Saleh regelmäßig an Demonstrationen gegen die Besat­zung. Gewaltfrei. Seine Hoffnung: Wenn wir zusammen protestieren, werden wir einmal auch zusammen­leben. Dror Dayan hat hierüber einen Film gedreht. Seite 6

Angst vor VertreibungIm Hügelland südlich von Hebron geht die Angst um. Palästinensische Dorfbewohner sind von illegalen jüdi­schen Siedlungen bedroht. Sie fürch­ten das täglich mögliche Anrücken der Bull dozer, die ihre schlichten Wohn stätten zerstören. Sie fürchten Zwangs umsiedlung, Gewalt der Sied­ler und der Soldaten. Susiya ist ein Brennpunkt. Seite 7

Nachrufe, Veranstaltungen, Presse­stimmen, Impressum Seite 8

Page 2: Palästina IsraelZeitung · Palästina, Israel und die Deutschen Fortsetzung von Seite 1 Deutsch-Israelische Rüstungskooperation Waffenbrüder Von Paul Grasse Als drittgrößter

Hass auf beiden Seiten kennzeich-net die Situation. Humane Minder-heiten auf beiden Seiten, als Ver-räter verdächtigt, leiden auf ihre Art. Israel ist zu einer rassistischen Gesellschaft geworden. In den wie-derholten Machtkämpfen sterben für jeden toten Israeli unzählige Palästinenser. Das ist aus israelischer Sicht das Werteverhältnis. Weitge-hend redet man in Israel über ‚den Araber‘ wie einst die Deutschen über ‚den Juden‘. Eine Lösung da-durch, dass alle Araber verbannt, vertrieben werden, ist nicht mög-lich. Das würde nicht einmal das alles duldende Amerika hinnehmen. Wohlgemerkt: Mit der deutschen Judenfrage im Dritten Reich ist diese Lage nicht vergleichbar, denn objek-tiv hatte Deutschland von den Juden nichts zu befürchten. Israel dagegen lebt in einer nicht aus der Luft ge-griffenen Angstpsychose.

Wegschauen ist unmenschlichWas hat diese Tragik mit dem heu-tigen Deutschland zu tun? Sehr viel! In vielfacher Hinsicht hat Nazi-Deutschland diese Situation mit erzeugt. Deutsche‚ Wiedergut-machung‘ an Israel, besser gesagt an

Palästina, Israel und die DeutschenFortsetzung von Seite 1

Deutsch-Israelische Rüstungskooperation

Waffenbrüder Von Paul Grasse

Als drittgrößter Waffenexporteur der Welt hat Deutschland enge Ver-bindungen mit allen möglichen Ab-nehmern. In kaum einem Fall sind die Verflechtungen jedoch so eng und auf Langfristigkeit angelegt wie im Falle Israels. Heute ist Deutsch-land Israels wichtigster Waffenliefe-rant.

Schon die Aufnahme diploma-tischer Beziehungen zwischen den beiden Staaten 1965 war aufgefloge-nen Rüstungsgeschäften zu verdan-ken. Ab 1960 hatten Ben Gurion und Adenauer in mehreren Treffen die Lieferung von Waffen vereinbart. Das wurde den arabischen Staaten bekannt, und fast gleichzeitig stellte Israel fest, dass sich auch in Ägypten Deutsche an der Entwicklung von Waffen beteiligten.

Die Bundesregierung sah sich zu einer Richtlinie genötigt, nach der Exporte von Rüstungsgütern in die Krisengebiete des Nahen Ostens zu unterbleiben hätten. Die Richtlinie wurde nie eingehalten. Im Allgemei-nen konzentrierte man sich im Falle Israels danach aber mehr auf den Ex-port von Gütern mit doppelter Ver-wendungsmöglichkeit (Dual-Use) und technischen Komponenten.

Diese Übungen sind aus militäri­schen Gründen nicht erforderlich. Die Bundeswehr verfügt in Deutsch­land über zwei eigene Standorte für den sogenannten Ortskampf. PIZ

U-Boote, Panzer und Drohnen

Später garantierte die Bundesregie-rung der deutschen Rüstungsindus-trie eine Anschubfinanzierung für Bau und Entwicklung von Waffen. Das gilt bis heute und trifft auch auf die sechs Dolphin-U-Boote zu, die in den letzten Jahren an Israel ge-liefert wurden, zwei davon gratis. Diese U-Boote können dank einer von Außenluft unabhängigen Mo-torisierung Tausende Seemeilen un-entdeckt unter Wasser bleiben. Ihre Ausstattung erlaubt eine Bewaff-nung mit Raketen und Torpedos, die Atomsprengköpfe tragen können.

Heute umfasst die Rüstungs-kooperation auch gemeinsame For-schung, Entwicklung und den Bau von Waffensystemen. Besonders profitiert hat davon der Bau des Leo-pard-Panzers und des fast bauglei-chen israelischen Merkava-Panzers: Die Glattrohrkanone stammt von Rheinmetall, die Panzerung wurde von DB Deisenroth entwickelt, das Getriebe von der Renk-AG, der Motor kommt von MTU und die Turmstabilisierung, mit der auch aus voller Fahrt gezielt geschossen wer-den kann, stammt von AEG.

Die Spezialisierung der israeli-schen Industrie auf den Bereich der Hochtechnologie führte zur

heutigen Produktion von Droh-nen wie der Heron TP und vor allem ihrer Überwachungstech-nik. In den Siebzigerjahren wurde von deutschen und israelischen In-genieuren an einem auf die Tor-nado-Kampfflugzeuge ausgeleg-ten System zur Störung feindlicher Radarsysteme gearbeitet. Danach entwickelte die deutsche Zeiss ge-meinsam mit der israelischen Firma Rafael das Überwachungssystem Recce Lite zur Zielerfassung und den Litening Pod zur Steuerung von Raketen. Diese Systeme die-nen auch den Drohnen zur Orien-tierung.

Unser Autor ist in der Partei Die LINKE Mitglied der Arbeitsgemein­schaft Gerechter Frieden.

Der dem Leopard fast baugleiche Merkava-Panzer 2014 im Einsatz nahe der Grenze zu Gaza Lizenz: IDF-Spokesperson, CC BY-SA 2.0

leichter ihren Weg auf Waffen-märkte zum Beispiel in Indien finden konnten, erweiterte der Einbau isra-elischer Technik in deutsche Waf-fen den Marktzugang für die israe-lischen Firmen. Dass die von Israel im Einsatz gegen die Menschen im Gazastreifen erprobte Drohne He-ron TP vom Bundesverteidigungs-ministerium als „Zwischenlösung“ ausgewählt wurde, war kein Zufall.Bereits seit 2008 gibt es eine Ko-operationsvereinbarung zwischen Rheinmetall und dem israelischen Hersteller IAI.

Die Fortbildungen an den ver-schiedenen Waffen waren immer Teil von Waffenexporten. In der Nord-see wurden die israelischen Besat-zunngen für die exportierten High-tech-U-Boote ausgebildet. Die Son-dereinsatztruppe der Polizei GSG 9 wurde nach dem Attentat auf die Münchener Olympiade 1972 nach israelischem Vorbild aufgebaut. Deutsche Soldaten besuchten erst-mals 2010 Lehrgänge in Israel: Die deutschen Piloten für die israelischen Heron-Drohnen in Afghanistan lern-ten die Bedienung der Waffen dort von Angestellten der Firma IAI. In der Wüste Negev trainierten 2015

über hundert Bundeswehrsoldaten im Urban Warfare Training Center.

Kürzlich wurde bekannt, dass die Bundeswehr Kampfdrohnen Heron TP in Israel nicht nur kauft, sondern dort auch stationiert. Ihre Bewaff­nung bleibt auf israelische Anord­nung geheim. Heron­Drohnen wur­den schon erfolgreich für gezielte Tötungen eingesetzt. PIZ

Dr. Dr. h.c. mult. Paul Oestreicher ist 1931 im thüringischen Mei­ningen als Sohn eines jüdischen Kinderarztes geboren. Die Familie erhält 1939 Asyl in Neuseeland. Er wird Politologe und Publizist, auch Pfarrer der anglikanischen Kirche und Quäker. Als Osteuropareferent des britischen Kirchenrates, als Vor­sitzender der britischen Sektion von Amnesty International, als Leiter des Internationalen Versöhnungs­zentrums der Kathedrale von Coven­try und als Vizepräsident der Kam­pagne für atomare Abrüstung (CND) sind Frieden und Menschenrechte seine großen Themen. Lebenslang hat er zwischen Großbritannien und Deutschland Brücken gebaut. Sein Buch „Aufs Kreuz gelegt. Erfahrun­gen eines kämpferischen Pazifisten“ ist 1994 im Berliner Wichern Verlag erschienen. ck

Deutsche Waffenexporte nach Israel

2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015

33 3263 49

267

685

507

Rüstungsexportberichte des BMWi

Wert der Einzelgenehmigungen in Millionen Euro

Gleiche Interessen

Israelische und deutsche Rüstungs-industrie sind in hohem Maße ex-portabhängig. So wie deutsche Waf-fen durch israelische Weiterverkäufe

Interessen gegen Moral

Die Kooperation mit der israelischen Rüstungsindustrie und die deutsche Beteiligung an der Entwicklung „zu-kunftsweisender“ Waffentechnolo-gie war eine politische Priorität aller bundesdeutschen Regierungen. Die NATO, die Europäische Union und Deutschland haben großes Interesse an stabilen Beziehungen mit Israel. Israel wiederum hat ein großes In-teresse an einer militärischen Domi-nanz in seiner Region. Die Bewaff-nung Israels und die enge militäri-sche und politische Kooperation der Bundesrepublik mit Israel geschehen daher aus politischen und ökonomi-schen Gründen.

Dass es trotz der jahrzehntelan-gen Besatzung von Westjordanland und Gaza, trotz der Vertreibung von 700.000 Menschen aus Palästina als Teil der Staatsgründung 1948, trotz der wiederkehrenden Massa-ker in Gaza, trotz der Überfälle auf die humanitären Konvois für Gaza zu Lande und zu Wasser niemals zur ernsthaften Trübung der Bezie-hungen gekommen ist, liegt an dem beiderseitigen Interesse. In Deutsch-land nennt man das ein wenig ver-schämt “Staatsräson”. Die Unter-stützung Israels ist herrschender Konsens von SPD und CDU über den Bundesnachrichtendienst und die Bundeswehr bis in die Spitzen der Oppositionsparteien. Wenigs-tens in der LINKEN gibt es eine wahrnehmbare Debatte darüber, ob die Solidarisierung mit einem hoch-gerüsteten Staat, der Siedlerkolonia-lismus betreibt, wirklich etwas mit der Aufarbeitung von Vergangenheit zu tun hat.

den Juden, ist in jeder Hinsicht be-rechtigt. Das Leiden der Palästinen-ser ist aber auch eine indirekte Lang-zeitfolge der Shoah.

Wäre es nicht Zeit für einen ‚Deutschen Marshallplan‘ für Paläs-tina und für die Millionen Flücht-linge, die ihre Heimat nicht wie-der zurückbekommen werden? Geld ist aber nicht das Wesentliche. Das deutsche und das christliche

schlechte Gewissen gegenüber allen Juden lähmt die dringend notwen-dige Kritik an der Menschen ver-achtenden Besatzungspolitik Israels. Menschenrechtsverletzungen sind Verbrechen, egal wer sie begeht. Bei ihnen wegzuschauen, ist unmensch-lich.

Blinder Philosemitismus ist nicht viel besser als blinder Antisemi-tismus. Aus eigener Erfahrung

müssten erst recht die Deutschen so viel gelernt haben. Schweigen an-gesichts der Verbrechen des Juden-staates, wie er sich selbst nennt, ist kein Dienst am Judentum, sondern das Gegenteil. Gott sei Dank haben viele Juden in Israel und in der Dias-pora das erkannt. Die Politik Israels stärkt den tatsächlich existierenden und ständig zu bekämpfenden Anti-judaismus.

Den Staat Israel zu vernichten, stand nie auf der Tagesordnung der Weltpolitik, auch nicht mehr der ara-bischen Staaten. Weil das so ist, liegt die Lösung in einer neuen Politik Israels und des Westens, beginnend mit der Annahme des Angebots der Arabischen Liga, Israel anzuerken-nen und dessen Grenzen zu garantie-ren unter der Bedingung, dass Israel die Besatzung beendet. Wäre Netan-yahu dazu bereit, könnte man ihm allerhand verzeihen.

Das wäre ein Thema für eine lern-fähige Angela Merkel, für die EU, aber vor allem auch für Amerika. Deutschland ist längst nicht mehr in der Schuld Israels und könnte viel zu einer Lösung beitragen. Es müsste damit beginnen, der komplizierten Wahrheit ins Auge zu schauen. Die

Folgen wären nicht billig, aber mehr als preiswert. Israel und Palästina gleichermaßen zu lieben, ist kein Widerspruch. Nur indem sie sich versöhnen und nachbarschaftlich zusammenleben, können beide überleben. Zu einer neuen Israel- Palästina-Politik gehören Mut und Fantasie. ck

2 MILITÄRISCHE ZUSAMMENARBEITNr. 10 / September 2016 PalästinaIsraelZeitung

Tochter eines Beduinenhirten in der Negev-Wüste Foto: Ursula Mindermann

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MeldungenKnesset bedroht AbgeordneteDas israelische Parlament kann Abgeordnete, die angeblich Ras-sismus schüren oder den bewaff-neten Kampf gegen den Staat un-terstützen, ausschließen. Das soge-nannte Entlassungs-Gesetz wurde am 19. Juli mit 62 zu 45 Stimmen von der Knesset beschlossen. Ein Ausschluss setzt eine Mehrheit von 90 der 120 Abgeordneten voraus. Oppositionsführer Isaac Herzog sprach von einem großen Schandfleck auf der Knesset. Die Opposition sieht darin ein rassis-tisches Gesetz, das auf die palästi-nensische Bevölkerung zielt. Knesset 20. Juli

Transparenz gegen LinksTransparenzanforderungen für israelische Nichtregierungsorga-nisationen hat die Knesset im Juli mit 57 zu 48 Stimmen beschlos-sen. Sie betreffen Organisatio-nen, die zu mehr als der Hälfte von ausländischen Regierungen finanziert werden. Diese Tatsache müssen sie jährlich einem NGO- Register melden, das sie auf einer Liste bekannt macht.

Organisationen, die auf der Liste stehen, müssen dies auf ih-rer Webseite, in Veröffentlichun-gen sowie bei Kontakten mit Be-amten und Abgeordneten angeben. Die Opposition sieht in dem Ge-setz ein Zeichen für aufkeimenden Faschismus und nennt es eine ge-zielte Aktion gegen linke Organi-sationen. Knesset 12. Juli

Palästina im Ständigen SchiedshofPalästina wurde im März gegen starken Widerstand der USA, Ka-nadas und Israels als Vollmitglied in den Ständigen Schiedshof auf-genommen. 57 Länder stimmten dafür bei 24 Enthaltungen. Es soll die erste Abstimmung über eine Mitgliedschaft in der Geschichte des Schiedshofs gewesen sein.

Der Ständige Schiedshof wurde auf den Haager Friedenskonfe-renzen von1899 und 1907 zur friedlichen Beilegung internatio-naler Konflikte in Den Haag ein-gerichtet. IMEMC 15. März

Kirchen für Ende der BesatzungDer Weltkirchenrat will sich für eine gewaltfreie Beendigung der israelischen Besetzung der Pa-lästinensergebiete stark machen. Dabei könnten auch wirtschaftli-che Mittel eingesetzt werden. Das erklärte der Zentralausschuss des ökume ni schen Dachverban-des Ende Juni zum Abschluss ei-ner Sitzung in Trondheim. Die Kirchen seien überzeugt, dass es weder für Israelis noch für Paläs-tinenser Frieden und Sicherheit geben kann, solange das dahin-ter liegende Unrecht anhält. In der Erklärung wird betont, dass die Normen des internationalen Rechts in den letzten Jahrzehnten im Heiligen Land ignoriert wor-den seien. Epd 29. Juni

Bündnis gegen BesatzungDie verantwortlichen Politiker in Deutschland darin bestärken, eine entschiedene Rolle für die Be-endigung von Israels Besetzung der palästinensischen Gebiete zu übernehmen. Das hat sich ein neues Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung (BiB) vor-genommen. Zur Gründung des Bündnisses im Juli dieses Jahres haben sich elf Persönlichkeiten mit deutschem, jüdischem und paläs-tinensischem Hintergrund zusam-mengefunden. Informationen un-ter www.bib-jetzt.de PIZ

Herr Drost, wofür steht BDS?Für Boykott, Desinvestition, Sank-tio nen. Die 170 wichtigsten palästi-nensischen Organisationen riefen im Jahr 2005 weltweit Konsumenten, Anleger und Investoren, Bürger und Regierungen auf, die Palästinenser damit bei der Durchsetzung ihrer Grundrechte auf Gleichheit und Selbstbestimmung zu unterstützen. Konkret sind die Ziele das Ende der Besatzungs- und Siedlungspolitik, der Fall der Mauer und das Rück-kehrrecht der Flüchtlinge. Weil Israels Regierung nicht hören will, soll sie fühlen.

Die Boykott-Bewegung als der einzige Weg zur Veränderung?

„Kauft bei Juden, aber nichts aus Israel!“Die Boykott-Bewegung BDS sei die letzte Hoffnung auf Veränderung. Das einzige Mittel, Israel auf seinem verbrecherischen Weg zu stoppen. Die ein-zige Alternative sei Blutvergießen, was keiner wolle. So Gideon Levy in der liberalen israelischen Zeitung Ha‘aretz am 1. Mai dieses Jahres. Der deut-sche Aktivist Ekkehart Drost unterstützt die BDS-Bewegung seit sechs Jah-ren. Christian Kercher sprach mit ihm.

Teva, der Ratiopharm übernommen hat. Denn er profitiert von der Be-satzungspolitik durch Bevorzugung auf dem palästinensischen Markt. Sodastream hat sich zwar dem Pro-test gebeugt und produziert seine Wassersprudler jetzt nicht mehr in der Siedlung Ma‘ale Adumim. Dafür lässt er eine Fabrik im Negev bauen, wo Beduinen zwangsumgesiedelt werden.

Geht es nur um die Produkte aus den Siedlungen? Der Boykottaufruf gilt für alle mit „Made in Israel“ gekennzeichneten Produkte, die auch in Siedlungen hergestellt sein könnten. Die Kenn-zeichnungspflicht der EU ist leider in Deutschland immer noch nicht um-gesetzt.

Wir diskutieren aber auch unter-einander, inwieweit die Beschrän-kung des Boykotts auf Siedlungspro-dukte sinnvoll ist. Der israelische Journalist Gideon Levy sagte: „Jede Bank, jede Universität, jeder Super-markt hat Niederlassungen in Sied-lungen. Kunden oder Angestellte sind Siedler. Israel hat die Grenze von 1967 ausradiert. Es ist unmög-lich, zwischen Israel und den Sied-lungen zu trennen. Die Siedlungen sind ein gesamtisraelisches Projekt, und der Boykott kann nicht auf sie begrenzt werden. Genauso wenig wie der Boykott Südafrikas auf die Einrichtungen der Apartheid be-grenzt werden konnte. Israel finan-ziert, schützt und versorgt die Sied-lungen. Also ist ganz Israel auch für ihre Existenz verantwortlich. Es ist unfair, nur die Siedler zu boykottie-ren.“

Ausgerechnet der Oberste Gerichts-hof Frankreichs hat 2015 entschie-den, Boykottaufrufe gegen israeli-sche Produkte seien diskriminierend und verboten. Ein französischer Aktivist wurde lediglich wegen sei-nes T-Shirts mit BDS-Motiv verhaf-tet. In 22 Bundesstaaten der USA traten in diesem Jahr Gesetze in Kraft, die es der öffentlichen Hand verbieten, Aufträge an Firmen zu ge-ben, die BDS unterstützen.

Dazu zitiere ich wieder Gideon Levy: „Sollte es ein Verbrechen sein, Verbrecher zu boykottieren? Boykott ist ein legitimer, gewaltfreier Weg, der von vielen Staaten angewendet wird, auch von Israel. Was sind die von Israel geforderten internationa-len Sanktionen gegen die Hamas und den Iran anderes als ein Boy-kott?“

Fördert der Boykottaufruf die Festungsmentalität in Israel? Die Sorge teilt Aluf Benn, der Chef-redakteur der Ha‘aretz. Man solle lieber die heimische linke Opposi-tion in Israel stärken. Gideon Levy widersprach ihm. Er bezeichnete den Vorschlag seines Kollegen als aus-sichtslos: „Die Gehirnwäsche, die Ignoranz, die Blindheit, das gute Leben, das Fehlen einer Opposition und der zunehmende Extremismus in der israelischen Gesellschaft“

israelische Schiffe zu entladen, in Südafrika und Australien 2009, an der Westküste der USA 2015. Und die Deutsche Bahn hat nach Protes-ten ihre Beteiligung an der Planung der Bahnlinie Tel Aviv – Jerusalem, die durch besetztes Gebiet führt, ein-gestellt.

Informationen unter: www.bdsmovement.net www.bds­info.ch www.bds­kampagne.de www.bds­info.at www.whoprofits.org

Ekkehart Drost war Lehrer

für Politik und Sport in

Einbeck. Er lebt in Göttingen

und ist Gründungsmitglied

des Bündnisses zur Beendi­

gung der israelischen Besat­

zung (BiB).Foto

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arie

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rost

BDS-Klebebild für Produkte aus Israel

BDS-Logo aus Palästina

Logo von BDS Berlin

Wird Ihnen vorgeworfen, dass sich Ihr Engagement verbiete angesichts der Nazi-Propaganda: „Kauft nicht bei Juden“? Ja. Aber solch ein Tabu zu formulie-ren, ist nur auf den ersten Blick nahe liegend. Was sollen die beiden Dinge denn miteinander zu tun ha-ben? Können wir nicht unterschei-den? Zwischen der heutigen interna-tionalen Bewegung, den Staat Israel wegen des Unrechts an den Palästi-nensern zu sanktionieren, einerseits, und der judenfeindlichen Gesetz-gebung des Dritten Reichs anderer-seits?

Übrigens erhält die Bewegung Schützenhilfe von vielen Juden, auch von Israelis. Die Berliner Israelin Iris Hefets zum Beispiel von der Jüdi-schen Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost rät zu folgendem Slogan: „Kauft bei Juden, aber keine Produkte aus Israel!“ Sie ist über-zeugt, dass Israel seine Politik erst ändern wird, wenn der Druck von außen zu groß geworden ist, um ihn zu ignorieren.

Was tun Sie konkret?Wir informieren und ermutigen dazu, auf den Vertrieb und Kauf von Pro-dukten aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten zu ver-zichten: Obst und Gemüse, das oft im Jordantal auf gestohlenem Land mit gestohlenem Wasser produziert wird; Bio-Datteln von Medjoo oder Mehadrin, anderes von Carmel Agrexco und Jaffa. Wir erinnern an den Früchteboykott in den 1980ern gegen die südafrikanische Apartheid.

Welche Hersteller noch? Zum Beispiel die Wasserspender von Eden Springs und die Medikamente des israelischen Pharmakonzerns

Wie reagiert der Staat Israel? Er verleumdet und dämonisiert BDS und die Aktivisten als anti-israelisch und antisemitisch. Seit 2011 gibt es ein Gesetz, das den Aufruf zum Boy-kott von Siedlungsprodukten in Israel unter Strafe stellt. In diesem Jahr beschränkte die israelische Regierung die Reisefreiheit von Omar Barghouti, Initiator des kultu-rellen und akademischen Boykotts. Im August erklärte der israelische Minister für innere Sicherheit, Gilad Erdan, ausländischen BDS-Aktivis-ten die Einreise zu verweigern oder sie auszuweisen.

Die israelische Regierung und ihre einflussreichen Lobby-Organisatio-nen drängen westliche Regierungen dazu, BDS zu kriminalisieren.

seien zu groß. Und: „Die öffentliche Meinung hat keinen Grund, sich zu ändern, solange Israel den Preis für seine Verbrechen nicht zahlt und nicht bestraft wird. Die wenigen Zu-geständnisse, die Israel in der Ver-gangenheit gemacht hat, geschahen angesichts unverhohlener Drohun-gen.“

Welche Erfolge gibt es?Eine lange Liste. Nach intensiver Kampagne hat sich jetzt das briti-sche Sicherheitsunternehmen G4S, dessen Technologie in israelischen Gefängnissen und der Armee einge-setzt wird, vom israelischen Markt zurückgezogen. Ebenso das franzö-sische Unternehmen Veolia. Hafen-arbeiter haben sich geweigert,

Und beim Kapitalabzug?Dutzende von Universitäten in den USA haben derartige Beschlüsse ge-fasst. Die United Methodist Church, zweitgrößte protestantische Kirche der USA, entschied in diesem Jahr, fünf israelische Banken von den An-lagen ihres Pensionsfonds auszu-schließen. Auch die amerikanische Presbyterianische Kirche hat ihre Millionen 2014 drei Unternehmen entzogen, die von der Besatzung profitieren: Caterpillar, dessen Bulldozer palästinensische Häuser zerstören, Hewlett Packard, dessen Technik die israelische Marine bei der Blockade des Gazastreifens ein-setzt, und Motorola Solutions, das die israelische Trennmauer und Sied-lungszäune ausstattet. Die United Church of Christ, Partner der Evan-gelischen Kirche in Deutschland, ist ähnlich aktiv geworden.

Und der kulturelle Boykott? Die University and College Union, die größte akademische Gewerk-schaft in Großbritannien, hat 2010 für BDS und den Abbruch der Bezie-hung zu Histradut gestimmt, dem Dachverband der Gewerkschaften Israels, der 2009 „den israelischen Angriff auf Zivilisten in Gaza“ unter stützt habe.

Wir haben prominente Unterstüt-zer: den französischen Publizisten Alfred Grosser, die amerikanische Philosophin Judith Butler, Trägerin des Friedenspreises des deutschen Buchhandels, den englischen Regis-seur Ken Loach, den emeritierten Erzbischof Desmond Tutu aus Süd-afrika. Stevie Wonder, Elvis Costello und hundert andere Musiker haben ihre Konzerte in Israel abgesagt. Wir halten es mit Gandhi: „Erst ignorie-ren sie dich. Dann beleidigen sie dich. Dann bekämpfen sie dich. Und dann gewinnst du.“

3Nr. 10 / September 2016PalästinaIsraelZeitung BDS

Demo vor dem Kaufhof am Alexanderplatz in Berlin, August 2016 Foto: BDS Berlin

Persönlicher Appell 1 Foto: BDS Schweiz Persönlicher Appell 2 Foto: BDS Schweiz

Page 4: Palästina IsraelZeitung · Palästina, Israel und die Deutschen Fortsetzung von Seite 1 Deutsch-Israelische Rüstungskooperation Waffenbrüder Von Paul Grasse Als drittgrößter

Besatzung wird endenIn den letzten drei Jahrzehnten lebte ich unter einer brutalen israelischen militärischen Besatzung, die mir meine grundlegenden Menschen- und Bürgerrechte verweigerte. Ich sah die illegalen jüdisch-israelischen Siedlungen, die sich in dieser Zeit auf dem besetzten Land ausbreiteten und damit das Völkerrecht grob ver-letzten. Ich erlebte, wie militärische checkpoints und andere Kontroll-instrumente wie Pilze aus dem Boden schossen. Und ich sah den Bau einer sieben Meter hohen israelischen Trennmauer, die der Internationale Gerichtshof als illegal beurteilte.

Ich überlebte grausame Ausgangs-sperren, massenhafte Verhaftungen und Kollektivstrafen, machte meine Prüfungen an der Lutherischen Schule in Ramallah unter der Be-lagerung durch israelische Panzer. Und ich brauchte schreckliche einein-halb Stunden in jeder Richtung für einen Weg von zwölf Kilometern bis zur Universität wegen der israelischen checkpoints und Blockaden, die uns das Recht auf Bewegungsfreiheit und Bildung verwehren sollten.

Aber im Leben unter der Besatzung lernte ich, dass Unterwerfung und Aufgeben nicht möglich sind, wenn man eine gerechte Sache verteidigt und für grundlegende Menschen-rechte und Gerechtigkeit kämpft. Stattdessen wurden Hartnäckigkeit, Zähigkeit und Widerstand die be-stimmenden Merkmale meines Le-bens. Ja, wir sind alle als Weltbürger

Alaa Tartir ist National öko­

nom, wurde an der London

School of Economics pro­

moviert und koordiniert

als Progamm­Direktor das

Netzwerk Al­Shabaka: The

Palestinian Policy Network.

Zionistisches Ziel: Möglichst viel Land mit möglichst wenig Palästinensern

Beendet sie!2017 markiert das 50. Jahr der is-raelischen Besatzung von West-bank und Gaza-Streifen. Dann jährt sich die Balfour-Deklaration zum 100. Mal. Und der UN-Teilungsplan wird 70 Jahre alt. Die erstickende is-raelische Blockade des Gaza-Streifens besteht seit zehn Jahren. Die Kom-plexität der Palästina- Israel-Frage ist nicht zu leugnen.

Es gibt mehrere Akteure und noch mehr Meinungen darüber, wie eine Lösung erreicht werden sollte. Aber eins ist völlig klar: Jede künftige Lösung muss mit der Beendigung der Besatzung beginnen. Ja, es bedeu-tet, die physischen Eigenschaften der Besatzung zu beseitigen: die Check-points und die Mauer, die Siedlungen und die Blockade. Aber noch wichti-ger ist es, dass Palästinenser die glei-chen Rechte, die gleiche Würde, die gleichen Freiheiten und Chancen er-halten wie jeder andere Mensch auch.

Ob Sie nun palästinensischen Re-gierungsvertretern, internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, israelischen Militärex-perten oder einfach den Menschen zuhören, die fast ein halbes Jahrhun-dert gezwungen wurden, unter der Herrschaft einer ausländischen Mili-tär macht zu überleben, die grund-legende Botschaft ist die gleiche: Die Besatzung muss beendet werden.

Lassen Sie uns 2017 die Wende vollziehen!

Shir Hever erforscht die

wirtschaftlichen Aus­

wirkungen der Besat­

zung auf die israelische

Wirtschaft. Er lebt gegen­

wärtig in Deutschland

und gehört der ‘Jüdischen

Stimme für gerechten

Frieden in Nahost’ an.

Dr. Khouloud Daibes ist Botschafterin Palästi­nas in Deutschland und leitet die Palästinen­sische Mission in Berlin.

Regierung braucht die BesatzungSeit dem vierzigsten Jahr der mili-tärischen Besetzung Palästinas sind bis zum fünfzigsten Jahr sehr viele Veränderungen eingetreten. Die Tat-sache, dass die Besatzung die is-raelische Wirtschaft belastet, wird gut verstanden, spielt aber in der Politik keine Rolle mehr. Denn die Möglich-keit, die Besatzung zu beenden, ist von der politischen Landkarte nahezu verschwunden. Wenn internationaler Druck auf Israel ausgeübt wird, die

und Menschen seit langem gefordert, diese brutale israelische militärische Besatzung zu beenden.

Aber nach aller historischen Er-fahrung und aus dem täglichen Kampf der Palästinenser gibt es nur eine Schlussfolgerung: Das Ende der israelischen Besatzung ist un-vermeidlich. Eines Tages werden die Palästinenser und die gerechtigkeits-liebenden Menschen den Fall der is-raelischen Mauer feiern und werden ihren Kampf für Gerechtigkeit und Gleichheit weiter führen.

Alaa Tartir, übersetzt von kö

Kolonisierung des Westjordanlan-des, die Verarmung Jerusalems und die Belagerung des Gazastreifens zu beenden, sieht die israelische Re-gierung darin einen Angriff auf das

„Existenzrecht“ Israels.Mit anderen Worten: Für die is-

raelische Regierung ist die Besat-zung existenziell geworden. Die Regierung wendet ihre ganze Kraft auf, um die Besatzung aufrecht zu erhalten, militärische, wirtschaft-liche und politische Kraft, und es bleibt keine Kraft übrig. Wir wis-sen jetzt: Wenn die Besatzung letzt endlich zusammenbricht, wie alle anderen Besatzungen in der Geschichte, wird das gesamte is-raelische Regime mit ihr stürzen. Denn es gibt keine Besatzung ohne israelische Regierung und keine israelische Regierung ohne Besat-zung. aus dem Englischen

übersetzt von kö

Rolf Verleger ist Pro­

fessor an der Klinik

für Neurologie der

Universität Lübeck.

Er ist Vorsitzender

des Bündnisses zur

Beendigung der is­

raelischen Besatz­

ung und gehört der ‘Jüdischen Stimme für

einen gerechten Frieden in Nahost’ an.

4 EROBERUNG UND VERTREIBUNGNr. 10 / September 2016 PalästinaIsraelZeitung

Siedlungen und Außenposten im Westjordanland nach Gründungsjahren

Schon kurz nach der Eroberung des Westjordanlandes im Juni 1967 wurden dort die ersten jüdischen Siedlungen errichtet. Diese Tatsache spricht dafür, dass die Be-siedlung Zweck der Eroberung war. Dauerhafte Besatzung ist eine Voraussetzung für Siedlerkolonialismus. In den Siebziger- und Achtzigerjahren wurde der jetzige Bestand an Siedlungen fast erreicht. In den Folge jahren lief die Gründungswelle aus. Sie wurde ersetzt durch die Errichtung sogenannter Außenposten, die später oft als Siedlungen anerkannt werden – Fünf Siedlungen und drei Außenposten, deren Grün-dungsjahre nicht ermittelt werden konnten, sind in der Graphik nicht berücksichtigt.

1917 Von der ersten zionistischen Einwanderung 1882 bis zur Eroberung Palästinas durch Großbritannien 1917 war die Anzahl der Neuankömmlinge noch gering. Ihr Anteil an der Bevölkerung kann 3 Prozent betragen haben. Die Karte vernachläs-sigt sie. 1946 Während der Zeit des britischen Mandats über Palästina gab es eine massive Einwanderung, die sowohl von der Balfour-Erklärung der britischen Regierung als auch vom Mandatsauftrag des Völkerbundes gestützt wurde. Auch die Flucht vor der nationalsozialistischen Verfolgung der Juden in Europa spielte eine erhebliche Rolle. Am Ende der Mandatszeit hatte sich der Anteil der Einwanderer an der Be-völkerung auf 30 Prozent erhöht. Juden lebten jetzt auf acht Prozent der Landfläche.

1947 legte die UNO-Hauptversammlung einen Vorschlag zur Aufteilung Palästinas in einen Staat für die Juden und einen Staat für die Palästinenser vor. Die UNO ge-stand den eingewanderten Juden, die jetzt 32 Prozent der Bevölkerung ausmachten, 56 Prozent des Landes mit den wichtigsten wirtschaftlichen Erwerbsquellen zu.

1948 Schon vor der Staatsgründung Israels im Mai 1948 begannen die Juden mit der Vertreibung von Palästinensern aus den Gebieten, die sie für ihren Staat be-anspruchten. An den Vertreibungen waren die vorstaatliche Armee Hagana und

Karte von Badil, einer palästinensischen Organisation für die Bereitstellung von Informationen zum Aufenthaltsrecht und zu Flüchtlingsrechten

60er 70er 80er 90er 2000 – 2009

53

65

5

43

51

PIZ­Graphik nach B‘Tselem 2015

= Siedlungen= Außenposten

44,9

9

Besatzung dient der Besiedlung des Landes und der Vertreibung der Palästinenser

Ziel des Zionismus ist es seit Ende des 19. Jahrhunderts, ganz Palästina exklu-siv in Besitz zu nehmen. Heute ist die-ses Ziel fast erreicht. Den Weg dahin zeigt die unten stehende Karte. Infolge der Eroberung und Besetzung des West-jordanlandes im Juni 1967 verfügt die israelische Regierung über 85 Prozent Palästinas.

Zweck der Eroberung war es, das neue Land zu besiedeln. Die Besied-lung ist mit der Enteignung und Ver-treibung der ansässigen Bevölkerung verbunden. Große Flächen werden zu Staatsland oder Militärzonen erklärt,

von Palästinensern gesäubert. Bald da-rauf gibt es dort jüdische Siedler. Ein Brennpunkt ist Ostjerusalem. Nach der Eroberung 1967 erweiterte Israel dessen Stadtgrenze illegal weit in das Westjordanland hinein und annek-tierte dieses Gebiet 1980 ebenfalls ille-gal. Hier sind Enteignung und Vertrei-bung besonders intensiv. Völkerrecht und Menschenrechte werden missach-tet.

Einen tiefen Einschnitt brachten die Oslo-Verträge der Neunzigerjahre. Sie teilten das Westjordanland in drei Zonen auf. Die Zone C im Umfang

Besatzung hat Judentum zerstörtDr. Harry Maor war von 1967 bis 1969 mein Religionslehrer. Es kam jeden Dienstag zu uns nach Ravens-burg. An den Feiertagen jobbte er als Kantor in seiner “Diözese”, wie er sich ausdrückte, Wupper-tal. Neben bei wurde er an der Universität Heidelberg habilitiert und übers etzte Isaac Deutschers Trotzki- Biographie aus dem Eng-lischen ins Deutsche.

Dieser brillante Lehrer sagte uns 1968, einige Monate nach dem Sechstagekrieg, bisher seien jü-dische Orthodoxie und Zionismus in Gegnerschaft zueinander ver-harrt. Nun aber, da der zionistische Staat mit seinen militärischen Mit-teln die Klagemauer, die “heiligen” Gräber der Vorväter in Hebron und Rachels Grab in Bethlehem für die Juden erobert habe, könnten sich Teile der Orthodoxie und der Zionisten einander zuwenden und zu einem “klerikal-faschistischen Amalgam” verschmelzen.

Das waren prophetische Worte. Genau so ist es gekommen. Das Judentum, einst die Religion der tä-tigen Moral, betrachtet heute die Bibel mehrheitlich als Freibrief für Vertreibung, Landraub, Diskrimi-nierung und Apartheid. Fünfzig Jahre Besatzung sind fünfzig Jahre Faschisierung des israelischen Ju-dentums. Die Besatzung hat unser Judentum zerstört.

Frieden bauen anstatt Mauern50 Jahre Besatzung, das ist mehr als genug. 50 Jahre Besatzung, das heißt 50 Jahre Unterdrückung. Es ist bitter, dass es im 21. Jahrhundert noch Be-satzung gibt. Es ist höchste Zeit, die Besatzung zu beenden. Wir brauchen Brücken der Hoffnung und keine Mauern, denn Frieden bauen und Mauerbau, das ist widersprüchlich. Wir wollen in Frieden und Würde leben. Wir wünschen unseren Kin-dern eine Zukunft ohne Besatzung und ohne Mauern. Und solange es Besatzung gibt, wird es Widerstand geben. Also beendet die Besatzung und gebt uns unsere Rechte, und dann sehen wir weiter.

Über die Lage in Gaza könnte ich viel schreiben. Aber es reicht, davon zu berichten, dass uns unsere Bewe-gungsfreiheit geraubt ist. Das ist ge-gen die international anerkannten Menschenrechte. Das Thema „Was-ser“ ist nicht weniger wichtig, ebenso wie das Thema „Elektrizität”. Es gibt kein Trinkwasser, sondern man muss es in Behältern kaufen, weil das fließende Wasser verunreinigt ist. Elektrizität gibt es nur wenige Stun-den am Tag. Es ist also höchste Zeit, die Blockade gegen die Bewohner des Gazastreifens aufzuheben, damit auch wir ein menschenwürdiges Leben führen können.

Dr. Abed Schokry ist Ingenieur,

Professor für Arbeitswissen­

schaft und Organisations­

entwicklung in Gaza­Stadt. Er

hat in Deutschland studiert

und lebt seit 2007 mit seiner

Familie wieder in Gaza.

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Ein unvollständiges Meinungsbild zur Besatzung der PalästinensergebieteDie völkerrechtswidrige Besatzung der palästinensischen Gebiete durch den Staat Israel ist im Juni in ihr fünfzigs-tes Jahr eingetreten. Aus diesem Anlass haben wir viele Menschen und Institutionen gebeten, uns Kurzkommentare zur Besatzung zur Verfügung zu stellen. Alle Texte, die uns erreicht haben, sind hier veröffentlicht. Sie behandeln viele Gesichtspunkte der Besatzung, auch sehr persönliche. Die unterschiedliche Länge stellt ebenso wenig eine Gewichtung dar wie die Anordnung der Kommentare auf diesen Seiten.

Wir haben auch Absagen erhalten, allen voran vom Auswärtigen Amt, vom Zentralrat der Juden, von der israelischen Botschaft und aus der Evangelischen Kirche. Die Rheinische Landeskirche und andere wollten sich wegen des knappen Platzes nicht beteiligen. Das Meinungsbild ist deshalb nicht ganz so bunt geworden, wie wir uns das gewünscht haben. PIZ

Fortsetzung der Kommentare auf Seite 5

Page 5: Palästina IsraelZeitung · Palästina, Israel und die Deutschen Fortsetzung von Seite 1 Deutsch-Israelische Rüstungskooperation Waffenbrüder Von Paul Grasse Als drittgrößter

Ernest S. Far kam 1961 nach Deutschland, studierte in Bonn und wurde dort promoviert. Er arbeitete als Chirurg in Bonn und ist Mitbe­gründer dieser Zeitung.

Anzahl der jüdischen Siedler im Westjordanland ohne Ostjerusalem

Zionistisches Ziel: Möglichst viel Land mit möglichst wenig Palästinensern

Fortsetzung der VertreibungFür mich ist die Besatzung die Fort-setzung der Vertreibung. Bis zu meinem fünften Lebensjahr lebten wir in meiner Geburtsstadt Jaffa im Haus meiner Großeltern, bis mein Vater nach Jerusalem ver-setzt wurde. Die Dienstwohnung im Bahnhof mussten wir nach dem Anschlag der jüdischen Terrormiliz Irgun auf den Bahnhof 1946 ver-lassen. Nach zunehmenden Kämp-fen in und um Jerusalem mit dem Massaker in Deir Yassin flohen wir im April 1948 nach Amman, wo mein Vater im Juli starb. Später kehrten wir nach Ostjerusalem zu-rück. Mein Bruder arbeitete dort bis 1967 für eine Bank, die dann ihren Geschäftsbetrieb einstellte und ihm 1969 eine Stelle in Am-man anbot. Erst nach Monaten erhielten er und meine Mutter die Ausreisegenehmigung.

1995 begleiteten wir ihn und seine Familie nach Jerusalem, weil er seine Aufenthaltsberechti-gung erneuern musste. Auf dem nach Abriss des Maghrebinischen Viertels im Juni 1967 entstandenen Platz vor der Klagemauer sagte eine Jüdin mit New Yorker Akzent zu uns: „The Germans killed us, we kill the Palestinians – that makes it even“. Bei einer Fahrt durchs Land besuchten wir auch das Haus meiner Großeltern. Im Erd-geschoss wohnten arabische Juden. Erster Stock und Dach durften als „enemy’s property“ nicht repariert werden. Obwohl die Ursprünge meiner Familie in Palästina bis ins

12. Jahrhundert reichen, habe ich beschlossen, das Land meiner Väter während der Besatzung nicht mehr zu besuchen.

WeheWeh denen, die ein Haus an das an-dere ziehen und einen Acker zum anderen bringen, bis daß kein Raum mehr da sei, daß sie allein das Land besitzen!

Prophet Jesaja Kapitel 5 Vers 8

Zitat

5Nr. 10 / September 2016PalästinaIsraelZeitung BESATZUNG UND BESIEDLUNG

1983

1995

2008

2010

2014

23.700

134.300

281.100

311.100

370.700

PIZ­Graphik nach Statista 2016 – Die Zeitschiene ist nicht maßstäblich.

Die letztverfügbaren Zahlen nennen für 2014 rund 370.700 jüdische Bewohner des Westjordanlandes. Die israelische Menschenrechtsorganisation B‘Tselem weist zusätzlich 196.890 Siedler in 15 Siedlungen in Ost jerusalem aus. Zusammen sind das rund 570.000 jüdische Menschen, die völkerrechtswidrig auf palästinensischem Gebiet siedeln. – Ein Vergleich mit der nebenstehenden Graphik zeigt, dass die An-zahl der jüdischen Einwohner im Westjordanland durch den Ausbau bestehender Siedlungen ständig zugenommen hat, auch wenn keine neuen Siedlungen oder Außen posten mehr gegründet werden. nicht gezeichnete Texte von kö

Terrormilizen beteiligt. Nach der Staatsgründung brach der erste arabisch-israeli-sche Krieg aus. In dessen Verlauf eroberte Israel über den UNO-Vorschlag hinaus weitere 22 Prozent des Landes. Durch umfangreiche Fluchtbewegungen über die Landesgrenzen hinaus wurde die palästinensische Bevölkerung erheblich vermin-dert. Die jüdischen Anteile betrugen jetzt 40 Prozent der Einwohner und 78 Prozent des Landes.

1967 Der sogenannte Sechstagekrieg im Juni 1967 begann mit einem provozieren Angriff des Staates Israel auf Ägypten. An seinem Ende am sechsten Tag hatte Israel nicht nur von Ägypten den Gazastreifen und den Sinai erobert, sondern auch von Jordanien Ostjerusalem und das Westjordanland sowie von Syrien die Golanhöhen. Durch weitere Einwanderung von Juden und durch die Flucht weiterer Palästinenser war der jüdische Bevölkerungsanteil auf 55 Prozent gestiegen. 1967 bis 2015 Während der fast fünfzigjährigen Besatzung des Westjordan landes wurden den dort lebenden Palästinensern durch Siedlungsbau und militärische Maßnahmen immer größere Landflächen entzogen. In Palästina insgesamt machen Juden nach wie vor gut die Hälfte der Bevölkerung aus; sie verfügen jedoch über 85 Prozent des Landes.

(Zahlen von 1946 bis 2015 nach Badil)

Karte von Badil, einer palästinensischen Organisation für die Bereitstellung von Informationen zum Aufenthaltsrecht und zu Flüchtlingsrechten

Besatzung dient der Besiedlung des Landes und der Vertreibung der Palästinenser

von 62 Prozent Prozent des Landes wird vollständig von Israel beherrscht. Hier sind der Willkür der Sicherheits-kräfte Tür und Tor geöffnet.

Die harte Wirklichkeit der Besatzung bedeutet für die einheimische Bevölke-rung Unterdrückung und Angst. Solda-ten dringen nachts in Privathäuser ein, nehmen vandalische Durchsuchungen vor, verhaften Väter und Söhne, auch Kinder. Oft folgt dann die sogenannte Verwaltungshaft ohne Anklage und von unbestimmter Dauer. Häufige Militär-übungen verwüsten Felder und hinter-lassen verminte Flächen.

Eine hohe Mauer oder Elektrozaun ist um das Westjordanland gezogen, weitgehend auf palästinensischem Land. Zahlreiche Checkpoints und Straßen-blockaden behindern die Bewegungs-freiheit der Palästinenser. Handel und Wandel werden massiv behindert. Sied-ler nehmen das beste Land in Anspruch, zum Beispiel im Jordantal. Den Palästi-nensern wird Wasser vorenthalten, das sie zum Wirtschaften brauchen. Sied-ler drangsalieren ihre palästinensischen Nachbarn, verwüsten Ernten und Plan-tagen, schädigen Tiere, oft unter den Augen des Militärs.

Moshe Zuckermann

ist nach seiner Ausbil­

dung in Frankfurt am

Main Professor für

Geschichte und Philo­

sophie an der Universi­

tät Tel Aviv geworden.

Dr. Norbert Röttgen

MdB (CDU) ist Vorsitzen­

der des Auswärtigen

Ausschusses des

Deutschen Bundes ­

tages.

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Annette Groth MdB

ist Menschenrechts­

politische Sprecherin

der Partei Die LINKE.

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Ende nur durch VerhandlungenDie Erfahrung der israelischen Be-satzung bestimmt seit fast 50 Jahren das Leben der Bevölkerung in den palästinensischen Gebieten. Bald zwei Generationen sind durch diese Erfahrung geprägt, die nicht zu-letzt auch ihr Bild von Israel geprägt hat. Dazu gehören als willkürlich wahrgenommenes Vorgehen israeli-scher Sicherheitskräfte ebenso wie eine stagnierende wirtschaftliche und soziale Entwicklung und die völkerrechtswidrige Siedlungspoli-tik, die die Hoffnung auf einen ei-genen Staat untergräbt.

Der Ruf nach einem „Ende der Besatzung“ scheint unter diesen Umständen verständlich. Er ver-kennt jedoch, dass die Besatzung nicht der Kern, sondern nur eine der nachhaltigsten Folgen des is-raelisch-palästinensischen Konflikts ist, genauer: des Sechstagekriegs, mit dem die arabische Seite zum zweiten Mal nach 1948 den Versuch unternahm, unter Missachtung des Teilungsbeschlusses der Vereinten

Niedergang des ZionismusEtwas Merkwürdiges hat sich in der israelischen Wahrnehmung der seit bald fünfzig Jahren betrie-benen Besatzung der 1967 erober-ten Gebiete zugetragen. Sprach man in den ersten Jahren nach dem Krieg noch von einem für künftige Friedensgespräche von Israel ge-haltenen Faustpfand, so wandelte sich dieses Selbstverständnis Mitte der 1970er Jahre, als das Siedlungs-werk in den besetzten Territorien ansetzte. Zwar rechtfertigte Israel diese frühe Kolonisierung noch mit der Notwendigkeit, Israels Sicher-heit zu garantieren, aber die Siedler jener ersten Stunde sprachen be reits weder von Sicherheit noch vom politischen Verhandlungsfaktor. Sie sahen sich als Vorhut der jüdischen Rückkehr in das den Juden von Gott verheißene Land. Es war der wirkmächtigste Eingang der Reli-gion in Israels politische Kultur.

Die ehemals eher moderate na-tionalreligiöse Partei stellte das Hauptkontingent der messianisch beseelten Siedler und gerann als-bald zur politischen Heimstätte der radikalisierten israelische Rechten. Bildete sie aber in den folgenden beiden Jahrzehnten eine Rander-scheinung, so wandelte sich ihr na-tionaler Status seit Rabins Ermor-dung. Sie gelangte an die Macht und hat die reale Möglichkeit einer Verwirklichung der Zwei-Staaten- Lösung nahezu begraben. Dies be-deutet objektiv den historischen Niedergang des zionistischen Pro-jekts, wie man es einst angestrebt hatte, aber das scheint den aller-meisten Israelis bislang noch nicht klar geworden zu sein.

Schweigen macht mitschuldigFür die Palästinenser bedeutet die Besatzung durch das israelische Mil-itär eine ständige Demütigung und gravierende Menschenrechtsver-letzungen. Enteignungen, Häuser-zerstörungen und Inhaftierungen von Männern, Frauen und immer öfter auch Kindern sind an der Tag-esordnung. Die oft angewendete Verwaltungshaft ohne Anklage, Gerichtsverfahren und Urteil, die zudem mehrfach verlängert werden kann, verstößt massiv gegen interna-tionales Recht. In der israelischen Gesellschaft und Politik zeigt sich eine zunehmende Verrohung: Übergriffe gegen Palästi-nenser werden nur selten geahndet, häufig sogar durch Militär und Poli-zei vertuscht. Laut Umfragen ist der Hass auf Palästinenser, Geflüchtete, Menschenrechtler und Kritiker der Besatzung mehrheitsfähig. 50 Jahre der Besatzung haben neben der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zerstörung der palästinen-sischen Gebiete auch der israelischen Gesellschaft massiv geschadet! Die internationale Gemeinschaft macht sich mit ihrem Schweigen mitschuldig. Will die EU Menschen-rechte durchsetzen, muss sie end-lich das EU-Israel-Assoziierungsab-kommen außer Kraft setzen. Artikel 2 verpflichtet alle Vertragspart-ner zur Einhaltung demokratischer Grundprinzipien und der Wahrung der Menschenrechte. Solange die israelische Regierung die Men-schenrechte mit Füßen tritt, darf es keine Vorzugsbehandlung durch ein Abkommen geben. Die völker-rechtswidrige Politik muss laut ver-urteilt werden!

Nationen von 1947 den Staat Israel gewaltsam zu vernichten.

Ihr Ende wird daher nur im Zuge einer endgültigen und ab-schließenden Beilegung dieses Kon-flikts zu erreichen sein, d.h. durch einen von Israelis und Palästinensern auszuhandelnden Friedensverein-barung, die den Weg zur Gründung eines palästinensischen Staates frei-macht, indem sie zugleich die ge-sicherte Existenz Israels als jüdischer und demokratischer Staat in aner-kannten Grenzen gewährleistet. Eine solche verhandelte Zwei- Staaten-Lösung bleibt der einzig gangbare Weg, die Besatzung zu beenden.

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Zionismus braucht BesatzungErinnert sich noch jemand an das zionistische Projekt, wie es gegen Ende des 19. Jahrhunderts entwi-ckelt wurde? Es sah die Besiedlung Palästinas durch Juden vor und die Entfernung möglichst der gesamten einheimischen Bevölkerung. Das sollte notfalls auch mit Waffenge-walt geschehen. Es war ein kolonia-listisches Projekt. Heute, zwei Welt-kriege und viele israelische Kriege später, ist es immer noch aktuell.

Die vielen Erfolge des Zionismus seither genügen seinen Protago-nisten nicht. Die UNO sprach den eingewanderten Juden einen eigenen Staat in bestimmten Grenzen zu. Der junge Staat Israel eroberte darüber hinaus weit mehr Land. Staatsgrün-dung und Eroberung waren mit der Vertreibung von 800.000 Palästinen-sern verbunden. 1967 nutzte Israel eine militärische Provokation in seiner Nachbarschaft, um den Rest Palästinas zu erobern. Das alles entsprach dem zionistischen Projekt.

Seitdem besteht die Besatzung mit massiver militärischer Präsenz im Westjordanland. Sie sichert die Exis-tenz von über 200 völkerrechtlich illegalen jüdischen Siedlungen mit 600.000 Siedlern. Das betrifft ganz besonders auch Ostjerusalem, des-sen Stadtgrenze weit in das Westjor-danland vorgeschoben wurde, bevor Israel das erweiterte Gebiet 1980 völkerrechtswidrig annektierte.

Neue Entrechtung und Vertrei-bungen von Palästinensern sind die zwangsläufige Begleiterscheinung des Siedlerkolonialismus. Vor allem in Ostjerusalem und den 62 Pro-zent des Westjordanlandes, die das C-Gebiet der Oslo-Verträge aus-machen. Die besten Böden werden von Siedlern in Anspruch genommen. Militärische Ansprüche führen zu weiteren Enteignungen. Baugeneh-migungen werden verweigert. Die Mobilität wird stark behindert. So werden den Palästinensern nach und nach die Lebensgrundlagen ent-zogen.

Die zivilisierte Welt sollte wissen: Das zionistische Projekt ist noch nicht vollendet. Solange die Besat-zung besteht, wird es voran getrie-ben. Der Zionismus braucht die Be-satzung. kö

Fortsetzung der Kommentare von Seite 4

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Frieden – du bist so fern …„Ich mache Ali Baba nach und rufe:Blockade öffne dich ...aber nichts geschiehtFrieden du bist so fern wie 1001

Nacht.“

Das sind die Anfangs- und Schluss-zeilen eines Gedichtes von Faten El-Dabbas. Faten wurde 1990 in Deutschland geboren und ist in Ber-lin aufgewachsen. Ihre Eltern sind Palästinenser. Ihr Großvater er-zählte ihr viel von Palästina, seiner verlorenen Heimat. Das weckte in ihr den Wunsch, das Land, in dem ihre Familie seit Jahrhunderten ge-lebt hatte, eines Tages zu besuchen. Aber erst mit 22 Jahren reiste sie in das Land ihrer Väter, das nun auch für sie zur „Heimat“ wurde.

„Sehnsucht sucht mich heimHeimat such ich sehnsüchtig“,

sagt sie an anderer Stelle. Und es ist erstaunlich, wie die Erzählungen von Großvater und Mutter über das Leben in der verlorenen Heimat in ihr diesen kämpferischen Mut er-zeugen konnte. Mit ihm versteht es Faten El-Dabbas so überzeugend, das bedrängte und unfreie Leben ihres Volkes unter jahrzehntelan-ger israelischer Besatzung in ihren Gedichten zu schildern und einem immer größer werdenden jungen, nicht nur muslimischen, Publikum näher zu bringen. Im Dezember 2014 trat sie in Berlin gemeinsam mit palästinensischen, israelischen, syrischen und deutschen Künstlern in einem Benefizkonzert zugunsten der durch maßlose Bombardierung obdachlos gewordenen Menschen in Gaza auf. Mit ihrem Gedicht „Wir Palästinenser sind Menschen“ rührte sie die Menschen zu Tränen.

Faten El-Dabbas studierte Politik- und Rechtswissenschaften. Im Re-ferat Internationale Diplomaten-ausbildung des Auswärtigen Am-tes arbeitet sie als freie Mitarbei-terin für Öffentlichkeitsarbeit. Das komme ihrer Ausbildung und ih-rem Interesse am Schreiben nicht nur künstlerischer Texte sehr ent-gegen, sagte sie in einem Interview. Neben ihrer beruflichen Arbeit en-gagiert sie sich im muslimischen Poetry-Slam-Verein, der 2011 von zwei Studenten in Berlin gegrün-det wurde. Hier geht man mit ly-rischen Texten zu den großen The-men Politik, Religion und Gesell-schaft in die Öffentlichkeit.

El-Dabbas‘ Gedichte sollten nicht so sehr literarisch, sondern an der Wirkkraft ihrer Aussage gemessen werden. Sie sind politische Bot-schaften von höchster Aktualität:

„ja, unser Land eine traurige Schönheit –

Zwischen begrenzter Freiheit und grenzenloser Hoffnung.“

Ein bemerkenswerter, schmaler Band ihrer Gedichte in deutscher und arabischer Sprache ist inzwi-schen erschienen, in denen die Au-torin nicht zuletzt auch die Haltung der deutschen Regierung gegenüber dem israelisch-palästinensischen Konflikt beklagt. Eine beigefügte DVD zeigt Faten El-Dabbas im Dichterwettstreit, wie sie mit aus-drucksstarken Gesten ihre Gedichte vorträgt. Sabine Werner

Faten El­Dabbas:

Keine Märchen

aus 1001 Nacht –

Gedichte, deutsch

und arabisch,

Übersetzung ins

Arabische von

Sabrine Chahbi,

Illustrationen

von Zainab A.

Hammoud, mit

DVD, Cosmics­

Verlag 2016, 100 Seiten, geb., 18 Euro

Das neueste von Arn Strohmeyers fünf aktuellen Büchern zur Thema-tik Israel und Judentum greift direkt in den brisanten politischen Bereich

„Israel/Palästina und der Westen“ hinein. Der Autor tut das aber nicht, um Lösungen des israelisch-palästi-nensischen Konflikts zu bieten. Viel-mehr beschreibt er die Gründe für die offensichtliche Unlösbarkeit: eine beispiellose Sammlung von Mythen, Ideologien, nationalen und religiö-sen, auch nationalreligiösen Dogmen und Propaganda. Unsere westliche Welt ist keineswegs frei davon. Ohne Aufklärung gibt es auch im heuti-gen Nahostkonflikt keinen Ausweg. Durch sechs Kapitel kann der Leser Strohmeyers aufgeklärter Sicht und scharfen Beobachtungen folgen.

Die westlichen Werte lassen sich am besten mit den Grundsätzen des Völkerrechts und der Menschen-rechte beschreiben. Aber wenn es um den Staat Israel geht, verges-sen unsere Politiker und vielfach auch die Kirchen diese Orientierung. Dann ist für die angebliche israeli-sche Demokratie Rechtsstaatlichkeit nicht mehr nötig. Das ist auch isra-elisches Programm. Der real existie-rende Zionismus schätzt nicht Völ-kerrecht und Menschenrechte. Er kennt nicht die gleiche Würde aller Menschen als Maßstab.

Wie kann man einen Staat als eine echte Demokratie bezeichnen, in dem mehr als 20 Prozent der Bür-ger mit vielen Gesetzen diskriminiert werden, der sich gegen alle UN-Be-schlüsse Fremdland aneignet und kolonisiert und die dort heimische Bevölkerung brutalen Militärgeset-zen unterwirft? Die Staatsform Is-raels ist nicht Demokratie, sondern

Wider den Wust von Mythen und IdeologienEthnokratie: Eine Mehrheitsbevöl-kerung unterwirft sich eine große Minderheit. Passen Demokratie und rassistisches Vorgehen zusammen?

In einem nächsten Schritt be-leuchtet Strohmeyer das Problem, dass Kritik an Israel vielfach tabui-siert wird, vor allem indem kritische Äußerungen an der zionistischen Politik trickreich – immer mit dem Holocaust im Hintergrund – mit dem Vorwurf des Antisemitismus belegt werden. An George Orwells 1984 erinnert, dass der staatliche is-raelische Apparat für Propaganda „Hasbara“ heißt, “Aufklärung“. Strohmeyer zitiert hier wie in allen seinen Büchern viele kritische israe-lische Autoren, die es trotz aller Ein-schränkungen der Meinungsfreiheit, zum Beispiel durch Militärzensur, im Staat Israel noch gibt.

„Religion als nationalistischer Mystizismus“ überschreibt Stroh-meyer ein weiteres Kapitel. Wäh-rend für Theodor Herzl, den Begrün-der der zionistischen Bewegung, Re-ligion überhaupt keine Rolle spielte, gab es im Staat Israel von Anfang an keine Trennung von Religion und

Staat. Mit der Staatsgründung 1948 und mehr noch mit der Eroberung des gesamten historischen Palästina im Jahr 1967 setzte in Israel eine heftige Wandlung der jüdischen Re-ligion ein. War sie 1.900 Jahre lang mit Selbstverständlichkeit unpoli-tisch, so wuchsen in Erinnerung an das Israel der Antike jüdische Reli-gion und Nation erneut zusammen.

Vor allem die mächtige religiöse Siedlerbewegung und die Ultraor-thodoxie entwickelten ein national-religiöses Judentum neuer Art, das die rechtsgerichtete israelische Poli-tik massiv unterstützt und von dieser ihrerseits genutzt wird. Diese Verei-nigung von Religion und Nation zeigt inzwischen geradezu orienta-lischen Charakter, der im Westen nicht deutlich erkannt wird. Bei uns sind es die durchaus nicht unbedeu-tenden religiösen Zionisten, die ein Abbild davon bieten. Aber auch der Mainstream zeitgenössischer christ-licher Theologie webt an einer Isra-elverehrung, die das Politische und das Religiöse kaum trennt.

Schließlich ist es auch lesens-wert, wie Strohmeyer die viel be-nutzte Wendung vom „Existenzrecht Israels“ als einen Propagandatrick analysiert und entlarvt.

Peter Bingel

Arn Strohmeyer: Die

einzige Demokratie

im Nahen Osten?

Israel und die

westlichen Werte.

Beiträge zur inter­

nationalen Politik,

Gabriele Schäfer

Verlag, Herne

2016, br., 230

Seiten, 18,90 Euro

Arn Strohmeyer Foto: privat

Buchanzeigen

Palästinenser ohne RechteAmnesty International hat im Mai seinen neuen Bericht zur weltwei-ten Lage der Menschenrechte vor-gelegt. Über rund 160 Länder wird darin berichtet. Ein Abschnitt be-fasst sich mit Israel und den Be-setzten Palästinensischen Gebieten. Die vorangestellte Zusammenfas-sung liest sich wie ein Katalog aller Schrecklichkeiten, die Menschen an Menschen verüben können.

Das beginnt mit ungesetzlichen Tötungen von Zivilisten, auch Kin-dern, geht über straffreie Folter in israelischen Gefängnissen und hört mit der kollektiven Bestrafung der Bewohner des Gazastreifens durch die Abriegelung noch nicht auf.

köAmnesty International (Hrsg.): Amnesty Inter­

national Report 2015/16 Zur weltweiten Lage

der Menschenrechte, S. Fischer Verlag 2016,

Taschenbuch, 14,99 Euro (D), 15,50 Euro (A)

Ein Bus für die GerechtigkeitIm Frühjahr fuhr Ekkehart Drost mit dem Freedom Bus des Free-dom Theatre in Jenin an die Brenn-punkte des Westjordanlandes. Eine international zusammengesetzte Gruppe von Freiwilligen brachte Kultur in palästinensische Dörfer und half den Menschen vor Ort. Hierüber schreibt der Autor aus erster Hand. Am 22. Oktober wird er auch dem Menschenrechtsaus-schuss des Deutschen Bundestages berichten. köEkkehart Drost: Kunst und Kultur gegen

Intoleranz und Gewalt, zu beziehen beim Autor

unter [email protected] zum Preis von

15 Euro plus Versandkosten

Herr Dayan, warum protestieren die Dorfbewohner?Auslöser war die Beschlagnahmung der Wasserquelle des Dorfes durch die Siedlung Halamish. Die Leute demonstrieren aber gegen die Besat-zung als solche. Wie auch in Bil’in, Ni’lin und vielen anderen Dörfern, in denen ebenfalls Aktivisten aus Is-rael und anderen Ländern an dieser Form des gewaltlosen Widerstandes teilnehmen.

Welche ist Ihre Lieblingsszene?Wahrscheinlich die, in der Ben und Bassem Tamimi, führender Aktivist in Nabi Saleh, im Wohnzimmer sit-zen und herumalbern. Das ist für mich ein Moment der Ruhe, in dem zwei langjährige Kampfgefährten und Freunde sich erlauben, mal zu entspannen. Stärkste Szene ist für mich die letzte Demonstration, als Bassems damals zwölfjährige Toch-ter Ahed sich allein vor die Soldaten stellt und sie anschreit. Da kamen mir im Schnittraum immer wieder die Tränen.

Brauchten Sie den Abstand, um den Film zu machen?Unbedingt. Ich glaube, aus Deutsch-land sieht man vieles, was man dort nicht sehen kann. Man kann die Situationen kritischer analysieren. Natürlich gibt es auch vieles, was man nur versteht, wenn man dort

lebt. Deshalb versuchte ich, sehr vorsichtig zu sein, um meine Sicht Ben nicht aufzuzwingen.

was in den besetzten Gebieten pas-siert. Die wirtschaftliche und soziale Situation in Israel wird prekärer. Das führt zwar häufiger zu Protes-ten gegen Zwangsräumungen oder gegen die Diskriminierung äthiopi-scher Juden, aber unabhängig von der Besatzungspolitik. Je schlechter es den Leuten geht, umso weniger wollen sie von der Besatzung hören. Die Menschen sollten erkennen, wie die unterschiedlichen Unter drü - ck ungsformen zusammenhängen und dass der Zionismus hier die tra-gende Rolle spielt.

Was fällt Ihnen bei den Deutschen in Bezug auf Israel und Palästina auf?Viele sehen den Zionismus als eine Antwort auf den deutschen Faschis-mus und ignorieren dabei, dass die Palästinenser mit der NS-Zeit nichts zu tun haben und nicht den Preis da-für zahlen sollten. Ich wünschte mir, die deutsche Gesellschaft könnte die Situation in Palästina sowohl objek-tiver und kritischer betrachten als auch verstehen, dass sie durch den deutschen Faschismus damals und durch die Unterstützung Israels heute selbst eine Verantwortung da-für trägt.

Welchen Film würden Sie jetzt gerne drehen?Was mich zur Zeit am meisten reizt, ist ein Film über die heuchlerischen Positionen in der deutschen Gesell-schaft in Bezug auf Palästina. Ich möchte nicht in Deutschland sitzen und die Menschen in Palästina kriti-sieren. Ich möchte innerhalb der Ge-sellschaft, in der ich lebe, kritische politische Arbeit machen.

„Even though my land is burning“, Dokumentar­

film von Dror Dayan, Deutschland 2016,

77 Minuten, englisch, arabisch, hebräisch

mit deutschen Untertiteln, ab Ende

Dezember im Internet; Kontakt für Film und

öffentliche Vorführ ung mit dem Regisseur:

www.mylandisburning.com

Dokumentarfilm über jüdische Israelis im palästinensischen Widerstand

Zusammen protestieren – zusammen leben

Ben Ronen aus Tel Aviv und Samer Tamimi aus Nabi Saleh blicken durch leere Patronen von Tränengasgranaten der israelischen Armee. Foto: Dror Dayan

Es gibt nur noch wenige jüdische Israelis, die den palästinensischen Pro-test gegen die Besatzung aktiv unterstützen. Ben Ronen aber fährt seit fünf Jahren jeden Freitag aus Tel Aviv zu den Demonstrationen des Dorfes Nabi Saleh nordwestlich von Ramallah. Er ist der Protagonist des Dokumen-tarfilms ‚Even though my land is burning‘. Für die Aufnahmen reiste der israelische Regisseur Dror Dayan (35) drei Jahre lang von Berlin immer wie-der in seine alte Heimat.

Engagieren sich viele israelische Juden in Berlin für die Palästinen-ser?Viele kommen her, um Spaß zu haben oder Karriere zu machen. Obwohl weit über 20.000 Israelis in Berlin leben und sehr viele von ih-nen sich als Linke bezeichnen, kom-men nicht genug auf die Demos für Palästina. Es liegt an dem Gefühl, das Land zu verlassen sei schon po-litische Aktion genug. Es gibt viel Potential, weil Israelis andere Stim-men hören und kritischer werden. Die Party-Stimmung verhindert aber oft die Umsetzung dieses Potentials.

Woran knüpfen Sie Ihre Hoffnung?Meine Hoffnung knüpfe ich daran, dass Menschen trotz der Repression und Besatzung mit erhobenem Haupt weiterkämpfen und dass sie sich auch für das gemeinsame Kämpfen einsetzen. Wir werden mit dem Zionismus und der Besatzung Palästinas nur gemeinsam fertig, in-dem Juden und Internationale an der Seite der Palästinenser stehen. Men-schen wie Ben und Bassem zeigen mir, dass das kein Hirngespinst ist. Sie hoffen darauf, eines Tages zu-sammenleben zu können, wenn sie nur gemeinsam Widerstand leisten. Als gleichberechtigte Nachbarn im selben Land.

Die Fragen stellte Christian Kercher

Wie geht es in Nabi Saleh weiter?Den Menschen dort geht es nicht gut. Die Demos haben seit einigen Wochen aufgehört. Verhaftungen und nächtliche Razzien, Verletzun-gen durch Tränengas und Gummige-schosse, auch Tötungen, haben die Menschen an die Grenzen ihrer Kräfte getrieben. Sie müssen jetzt andere Wege finden, ihren Wider-stand fortzusetzen.

Haben die Demonstranten in Israel politische Verbündete?Viele Israelis wollen nicht wissen,

6 BUCH UND FILMNr. 10 / September 2016 PalästinaIsraelZeitung

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Um al Kher, 9. August 2016

Hallo liebe Freunde,heute um 6.30 Uhr kamen die isra-elische Zivilverwaltung und die Ar-mee in unser Dorf. Sie schlossen es von allen Seiten ein. Dann began-nen sie mit der Zerstörung von fünf Bauwerken. Drei davon waren von der EU aufgebaut worden als Hilfe für die Menschen, die ihre Häuser bei der vorigen Zerstörung im Ap-ril dieses Jahres verloren hatten.

Mein Vater wurde zwei Stunden lang in der Hitze ohne Wasser in Arrest gehalten.

Jeder im Dorf ist traurig und schockiert. Die Kinder und Frauen weinen. Und all das im Namen des Gesetzes! Sie sagen, es ist illegal, die Gebäude wieder aufzubauen.

Wir brauchen wirklich eure Solidarität mit den armen Fami-lien, die nun wieder ihre Wohnun-gen verloren haben. Wir möchten uns bei allen unseren Freunden be-danken, die unserem Dorf in dieser schweren Zeit beistehen.

Eid Suleiman

August 2016Liebe Freunde!Leider ist Um al Kher nicht das einzige Dorf, das gegenwärtig un-mittelbar von Zerstörung bedroht ist. Vielleicht habt Ihr schon von Susiya gehört. Das Dorf war in den vergangenen Jahren fast ständig Zerstörungen ausgesetzt. Ebenso Schikanen der Siedler, Vernich-tung der Ernten und Gewalt durch israelische Soldaten. Heute liegt Susiyas Zukunft in den Händen von Avigdor Lieberman, des ultra-rechten israelischen Verteidigungs-ministers.

Wir müssen unmissverständlich sagen, dass die Zerstörung palästi-nensischer Wohnungen und Leben nicht für unsere Werte und unser Judentum steht. Die fortwährende Zerstörung und die Vertreibung von Palästinensern sind abscheu-lichste Auswüchse des ganzen Systems der Diskriminierung, Un-terdrückung und Kolonisierung.

Dies ist nicht ein vereinzelter Fall der Ungerechtigkeit. Zerstörungen sind nur ein verheerendes Beispiel für ein ganzes System der Diskri-minierung, dem die Palästinenser auf beiden Seiten der Grünen Linie ausgesetzt sind.

Ein Siedlerführer aus der Sied-lung Carmel oberhalb von Um al Kher sagte heute: „Ich hoffe, dass dies der Anfang eines neuen Trends ist.“ Aber der Trend der Zerstörun-gen ist schon Jahrzehnte alt. Es ist unsere Aufgabe, jetzt einen neuen Trend des Respekts für palästinen-sisches Land und für Menschen-rechte zu beginnen.

Im vorigen Monat war ich mit einer Solidaritätsabordnung des Center for Jewish Nonviolence in diesen beiden Dörfern. Wir be-pflanzten Felder und bauten zer-störte Wohnungen wieder auf. Un-sere Gruppe wurde eingeladen, den Sabbat in Susiya zu begehen – eine mutiges Zeichen der Solidarität der Menschen von Susiya, für die der Kontakt mit Juden zu oft Unter-drückung durch Siedler und Mili-tär bedeutet.

Ashley Bohrer, Jewish Voice for Peace, USA

Wenn die Bulldozer kommen ...sich ständig. Die palästinensischen Familien aber leben mit 120 Kin-dern heute noch immer in provi-sorischen Unterkünften. Nach und nach haben sie landwirtschaftliche Flächen verloren.

Nach den Oslo-Abkommen der Neunzigerjahre gehört Susiya zu den sogenannten C-Gebieten und unterliegt somit vollständig der is-raelischen Militär- und Zivilverwal-tung. Was damals als Übergangs-lösung gedacht war, gilt wegen des Scheiterns der Friedensverhandlun-gen heute noch immer. Weil nahezu alle Anträge für den Bau von Ge-bäuden, Straßen, Versorgungs-leitungen und anderem in den C-Gebieten abgelehnt werden, ist es den Menschen unmöglich, auf lega-lem Wege zu bauen oder eine zum Leben notwendige Infrastruktur zu entwickeln. Die Gebäude in Susiya sind nach israelischem Rechtsver-ständnis „illegal“ und sollen abge-rissen werden.

2001 und 2011 haben die Bewoh-ner von Susiya schon zweimal die vollständige Zerstörung ihres Dor-fes erlebt. Auf jeden dieser Angriffe haben sie friedlich reagiert, indem sie aus den Trümmern wieder auf-gebaut und bei Gericht beständig für die Legitimierung ihres Dorfes gekämpft haben. Seit 30 Jahren le-ben die Menschen unter der ständi-gen Bedrohung von Zerstörung und Zwangsumsiedlung. Die Hoffnung auf Gerechtigkeit haben sie aber nicht aufgegeben.

Wir begleiten Waheed und Os-man bei einem Weidegang zu ei-nem Stück Land in unmittelbarer Nachbarschaft zur Siedlung Susya.

Inzwischen sind viele Weiden ab-gegrast, und jedes Stückchen Land muss genutzt werden. „Ohne eure Begleitung gehen wir hier nicht mehr mit unserer Herde hin. Es ist zu ge-fährlich.“ Sie berichten von maskier-ten Siedlern, Bedrohungen und tätli-chen Übergriffen. Auf dem Feld lie-gen noch vertrocknete Zweige von Oliven setzlingen, die im Vorjahr kurz nach der Anpflanzung zerstört worden sind.

In der Ferne sehen wir zwei is-raelische Soldaten, die von einem Wachturm aus das Gebiet zwischen Siedlung und palästinensischem Dorf beobachten. Militärfahrzeuge passieren auf dem Weg. Immer wie-der blicken die Schafhirten ängstlich in Richtung Soldaten und fragen sich: „Werden sie gleich anhalten? Uns wegschicken? Das Land zur ge-schlossenen Militärzone erklären?“ Ohne Begleitung haben sie derartige Schikanen schon oft erlebt. Doch an diesem Tag bleibt es ruhig.

Im Juli 2015 konnte die drohende Zerstörung von Susiya mit Hilfe der Kampagne Susiya 4 ever erfolgreich verhindert werden. Viele internatio-nale Organisationen, darunter auch EAPPI, und israelische Friedens-aktivisten organisierten eine inter-nationale Dauerpräsenz in Susiya, mobilisierten die Medien und emp-fingen politische und diplomatische Delegationen. So verschafften sie dem offensichtlichen Unrecht breite Beachtung.

Heute, ein Jahr später, ist Susiya erneut in seiner Existenz bedroht. Petitionen verschiedener Interessen-gruppen für oder gegen den Abriss beschäftigen die Gerichte.

Zuletzt hat sich das Oberste Ge­richt am 1. August mit Susiya be­fasst. Es gab dem israelischen Verteidigungsminister auf, bis zum 15. August zu erklären, ob er mit Susiya verhandeln wolle. Diese Frist wurde bis zum 15. November verlängert. PIZ

Mit diesem Gedanken gehen die Bewohner des Dorfes Susiya jeden Abend schlafen. „Werden sie heute Nacht oder in den frühen Mor-genstunden anrücken?“, fragt sich Mohammad Nawajaa, der schon zweimal die Zerstörung seines Dor-fes miterlebt hat.

Elke Mitze ist Lehrerin an einer Förderschule in Hessen. Während eines Sabbatjahres hat sie im Frühjahr 2016 als Freiwillige am Ökumenischen Begleitprogramm EAPPI für Palästina und Israel teil­genommen. Sie wurde vom Berliner Missionswerk entsandt und war mit drei anderen Freiwilligen in Yatta im Südhebroner Hügelland stationiert.

Susiya ist hier nicht einzigartig. Es steht für die Situation vieler palästi-nensischer Dörfer in den C-Gebieten, die von Zerstörung oder Zwangs-umsiedlung bedroht sind. Das Be-sondere in Susiya ist vielleicht die Ausdauer, mit der die Menschen sich mit friedlichen Mitteln gegen das Unrecht der Besatzung wehren. Ihr Motto: Existence is Resistance.

In diesem friedlichen Widerstand erfahren sie große internationale Solidarität, die ihnen Kraft und Motivation zum Weitermachen gibt. Deshalb muss sich die internatio-nale Gemeinschaft auch weiterhin für den Verbleib dieser Menschen auf ihrem eigenen Land, das sie seit Generationen bewirtschaften, ein-setzen. Nicht nur aus humanitären Gründen. Es ist ein wesentlicher Beitrag zum Frieden in dieser Re-gion. Denn nur Gerechtigkeit kann die Basis für einen dauerhaften Frie-den sein. Elke Mitze

1946 jenseits der Grünen Linie ge-boren, kam er zwei Jahre später als Vertriebener in die Hügellandschaft südlich von Hebron. Die Familie erwarb Ländereien südlich der Stadt Yatta und siedelte sich in Susiya an. Mit einer Schafherde und Olivenhai-nen schuf sich Mohammad als jun-ger Mann eine Existenzgrundlage und gründete eine Familie.

Anfang der Achtzigerjahre kamen erste israelische Siedler in die Region und bauten angrenzend die jüdische Siedlung Susya . Man lebte zunächst als „Nachbarn“, bis die Nawajaas zusammen mit den anderen Familien des palästinensischen Dorfes Susiya

1986 aus ihren Häusern vertrieben wurden. Grund der Vertreibung war die archäologische Bedeutung des Ortes, wo man Fundamente einer Synagoge aus dem 5./6. Jahrhundert entdeckt hatte.

„Das Dorf wurde dem Erdboden gleichgemacht, zum archäologischen

Schutzgebiet erklärt und uns Palästi-nensern der Zutritt ab sofort verbo-ten“, erzählt Mohammad Nawajaa. Die Menschen zogen zunächst auf ihr angrenzendes Farmland in dem Glauben, bald in das alte Dorf zu-rückkehren zu können.

Die archäologische Ausgra-bungsstätte wurde zu einem his-torischen Freizeit- und Erholungs-park ausgebaut, in dem auch jüdi-sche Familienfeste gefeiert werden. Seit 2002 wohnen dort jüdische Siedler in einem sogar nach israe-lischem Recht illegalen Außenpos-ten. Die völkerrechtlich ebenfalls illegale Siedlung Susya vergrößerte

Elke Mitze Foto: Voelker

UNOCHA nennt harte FaktenIn Susiya leben gegenwärtig 55 Fa­milien seit Jahrzehnten auf Land, das sie als ihr Eigentum beanspru­chen. Die Unterkünfte von 28 Fami­lien und alle öffentlichen Einrichtun­gen liegen im C­Gebiet unter voller israelischer Kontrolle. Wegen der früheren Zerstörung ihrer Wohnun­gen und der Verweigerung von Bau­genehmigungen wohnen die meisten Familien in provisorischen Zelten und Baracken.

Die Lebensbedingungen der Familien sind äußerst schwierig. Sie haben weder Wasser­ noch Stromanschluss, die Nutzung ihres Weidelandes ist ein­geschränkt. Von den Siedlern werden sie angegriffen und eingeschüchtert.

Die Einwohner im C­Gebiet stehen er­neut unter der Drohung sofortiger Ver­treibung. Hier gibt es für alle Gebäude Abrissverfügungen, die jederzeit aus­geführt werden können. Zudem wollen die israelischen Behörden das Dorf in eine nahe gelegene Gegend umsiedeln.

Planungen, die Baugenehmigungen auf eigenem Land erlaubt hätten, wurden wiederholt zurückgewiesen.

In einem Rechtsstreit hierüber hat der Oberste Gerichtshof eine einst­weilige Verfügung gegen die Zerstö­rungen versagt.

Israel hat als Besatzungsmacht im Westjordanland die völkerrechtli-che Verpflichtung, die palästinensi-sche Bevölkerung zu schützen und das Territorium zu deren Gunsten zu verwalten. nach UNOCHA Juni 2015

Briefe von Augenzeugen

7Nr. 10 / September 2016PalästinaIsraelZeitung BRENNPUNKT SUSIYA

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*dem Militär und dem Geheimdienst unterstellt PIZ-Karte nach Vorlage von UNOCHA Juni 2015

Susiya – von Zwangsumsiedlung bedrohtnach Hebron 15 km

von der israelischen Zivilverwaltung*

vorgeschlagener Platz für Neuansiedlung von Susiya

Susiyas ursprüng­liche Ortslage

Zonen A (palästinensisch) und B (jüdisch, palästinensisch)

Zone C (jüdisch)

palästinensische Ortschaften

abgelehnter Plan einer Gemeindegrenze von Susiya

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nach Um al Kher 9 km

Familien im Schutt ihrer zerstörten Wohnungen in Susiya am 20. Juni 2016 Foto EAPPI/S.Ntombeni

Page 8: Palästina IsraelZeitung · Palästina, Israel und die Deutschen Fortsetzung von Seite 1 Deutsch-Israelische Rüstungskooperation Waffenbrüder Von Paul Grasse Als drittgrößter

IMPRESSUMHerausgeber:Arbeitsgemeinschaft Völkerrecht undMenschenrechte in Palästina und Israel e. V.

Redaktion: Peter Bingel (bg), Christian Kercher (ck), Dr. Karl­Otto Körber (kö, viSdP)

Bestellung: Christian Kercher,Klausenerplatz 8, 14059 Berlinkontakt@palaestina­israel­zeitung.de

Telefon: +49 (O) 157 89 45 69 17

Leserbriefe:redaktion@palaestina­israel­zeitung.deDie einzelnen Artikel geben nicht notwendiger­weise die Meinung der Redaktion wieder.

Im Fall von offenen Copyrightfragen wenden Sie sich bitte an die Redaktion.

Gestaltung: Alexandra Nußbaum

Druck: Druckerei Rüss, Potsdam

Auflage: 4.500

Mein HausVon Gerhard Schoenberner

1 (1977)

Wenn du in mein Haus trittstdich ungebeten hinsetztund mir freundlich erklärstab heute wohntest du hierund ich müsse gehenist das völlig in Ordnung

Wenn ich laut werdeund mich zur Wehr setzewenn ich mich weigeremein Feld herzugebenmache ich michder Aggression schuldigDas ist eindeutig

Wenn ich im Gefängnis sitzeund du in meinem Hauswirst du den Vorübergehendendie nach mir fragen, erklären:Ich musste mich verteidigener ist ein GewalttäterSo einfach ist das

2 (2007)

Beide Parteien, sagt man heutehätten damals Fehler gemachtund müssten jetzt Frieden schließenEin Kompromiss wäre:Ich werde freigelassenDafür verzichte ich auf meine FelderDas wäre ein Zeichenvon Einsicht und gutem Willenauf beiden SeitenEr bleibt in meinem HausIch erhalte eine Kammerund werde sein DienerEine gerechte Lösungvon salomonischer WeisheitDas lässt sich nicht leugnen

Aus: Gerhard Schoenberner, Fazit. Prosagedichte,

Argument Verlag, Hamburg 2011

Der Autor war unter anderem von 1973 bis 1978 in Tel Aviv Direktor

des Deutschen Kulturzentrums, dem Vorläufer des Goethe-Instituts.

Rupert Neudeck >Am 31. Mai 2016 starb der mutige Mensch Rupert Neudeck. In den zahlreichen Nachrufen wurde fast ausschließlich sein außerordent-licher Einsatz für die vietnamesi-schen Bootsflüchtlinge mit dem Schiff Cap Anamur gewürdigt. Ru-pert Neudecks Engagement und Mitgefühl galt aber ebenfalls den unter der völkerrechtswidrigen is-raelischen Besatzung aller Rechte beraubten Palästinensern.

Nach einem Aufenthalt im West-jordanland gemeinsam mit Norbert Blüm veröffentlichte er seine er-schütternden Eindrücke und die vielfältigen Hintergründe im Jahre 2005 in seinem Buch Ich will nicht mehr schweigen. Über Recht und Gerechtigkeit in Palästina. Sein Fazit war: “Wir Deutschen sind in unserem ernsten Bemühen, Schuld abzutragen, immer wieder in die Freundschaftsfalle Israels hinein-geraten. Freundschaft kann man nicht aus der Vergangenheit ab-leiten. Freundschaft muss etwas sein, das aus der Anstrengung

beider Partner heraus wächst. Die Trauer und das Entsetzen über den Holocaust sind das eine. Aber die sklavische Unterstützung der Poli-tik Israels ist etwas anderes. ... Wir haben die Palästinenser vergessen, haben Israels Urteil über sie ange-nommen.”

Im Jahre 2011 folgte sein Buch Das unheilige Land. Brennpunkt Naher Osten. Warum der Friede verhindert wird. Bis zuletzt hat sich Rupert Neudeck für Recht und Ge-rechtigkeit in Palästina eingesetzt. Zum Beispiel unterstützte er mit seinen Grünhelmen den Kampf ei-ner christlichen Palästinenserfami-lie um ihr von jüdischen Siedlern bedrohtes Eigentum. Wahlspruch der Familie: “Wir weigern uns, Feinde zu sein”. Außerdem betei-ligte er sich noch kurz vor seinem plötzlichen Tod an dem Bündnis zur Beendigung der israelischen Besatzung (BIB). Von den Anfein-dungen der Israel-Lobby ließ er sich nicht beirren.

Siegfried Ullmann

Walter Herrmann >Seit dem Beginn des Golfkriegs 1991 stand er dort. Vor dem Dom in Köln. Mit seiner „Klagemauer“, wie er seine Installation aus be-schriebenen Papptafeln nannte, die an Wäscheleinen hingen. Da-rauf standen Friedensbotschaften, von Passanten hinterlassen. Aber auch Äußerungen zur Wohnungs-not, Aufrufe gegen Gewalt und für Völkerverständigung. In jedem Jahr erinnerte er an die Atombomben-opfer in Hiroshima und Nagasaki. Unermüdlich warb er für Frieden und Völkerverständigung auf der ganzen Welt.

Mit seiner Klagemauer wollte Walter Herrmann den Menschen eine Stimme geben. Prominente, wie der Dalai Lama, Lew Kopelew oder Stéphane Hessel, hinter-ließen ihre Friedensbotschaften. 1998 bekam er für sein unermüd-liches Eintreten für Frieden und Völker verständigung den Aachener Friedenspreis verliehen.

Vielen Anfeindungen war er aus-gesetzt, besonders in den letzten Jahren, als er sich für die Menschen in den palästinensischen Gebieten einsetzte, die seit nunmehr 50 Jah-ren von Israel besetzt sind. Aber er gab nicht auf. Bei Wind und Wetter stand er auf der Domplatte. Unbe-irrt und standfest. Am 26. Juni 2016 ist Walter Herrmann im Alter von 77 Jahren gestorben. Er fehlt uns.

Text und Foto Sabine Werner

Anonyme Karikatur mit dem Flüchtlingsjungen Handala des palästinensischen Karikaturisten Nadschi al-Ali (1938 bis 1987)

Hundert Jahre Dahers WeinbergIm Mai 1916 kaufte Daoud Nassars Großvater Daher das Land auf der Hügelkuppe bei Nahalin südlich von Bethlehem. Dort flo-riert jetzt die internationale Be-gegnungsstätte Tent of Nations.

„Wir weigern uns Feinde zu sein, ist unser Motto. Aber das ist harte Arbeit“, betont der Enkel. „Denn

Zu Liberman als israelischer Verteidigungsminister20. 5. „Dessen Regierungseintritt ließe eine Verschärfung der inne-ren und äußeren Konflikte erwar-ten. Im Umgang mit der arabischen Minderheit hat sich Liebermann immer wieder als Rassist gezeigt. … Mit den Stimmen von Avigdor Lie-bermans Partei ‚Unser Haus Israel‘ dürfte die ohnehin schon rechte is-raelische Koalitionsregierung noch einmal kräftig nach rechts rücken.“

Zur französischen Friedensinitiative3. 6. „Dass keiner mehr verhan-delt und niemand mehr hinschaut, heißt aber nicht, dass nichts mehr passiert. Im Gegenteil: Die Gewalt ist endemisch, und die Aussichten auf Frieden schwinden mit jedem Tag, weil der israelische Siedlungs-bau in den besetzten Gebieten die Gründung eines Palästinenserstaats zunehmend unmöglich macht. … Zwingen kann man gewiss nie-manden zum Frieden. Aber isolie-ren kann man den, der sich dem Frieden verweigert. Wenn dieses gemeinsame Signal von Paris aus-geht, wo Amerikaner, Araber und Europäer versammelt sind, wäre schon etwas gewonnen.“

Pressestimmen

INTERNATIONAL WEEKLY

Zum NGO-Gesetz13. 7. „In Wahrheit hatten die NGO bereits vor dem neuen Gesetz ihre ausländischen Spender jährlich mel-den müssen. Die nun verlangte Er-wähnung bei jeder Veröffent lichung oder bei öffentlichen Auftritten sorgt jedoch für eine zusätz liche Stigmati-sierung als vermeintlich ferngesteu-erte Interessenverwalter. Das passt ins Bild einer ... Kampagne, kriti-sche Organisationen als ‚Verräter‘ zu brandmarken.“

2. 9. „Der saudische und der ägyp-tische Besuch (in Israel) bezweckten angeblich, einen Frieden zwischen Israel und den Palästinensern vor-anzubringen. Leider gibt es Gründe daran zu zweifeln, dass die Palästi-nenser bei den arabischen Ländern tatsächlich im Mittelpunkt stehen. Ministerpräsident Netanjahu hat klar gemacht, dass er einer Verbes-serung der Beziehungen mit den ara-bischen Ländern den Vorzug gibt ... Die Gefahr liegt darin, dass diese Länder es für wichtiger halten, ihre Verbindungen untereinander zu ver-bessern und danach nichts mehr tun.“

Bern– 25. September, 10 Uhr, Pittaria Bern, Fal-kenplatz 1, Abdallah Abu Rahma aus Bil‘in im Westjordanland spricht über „Unser gewalt loser Widerstand gegen die Besatzung“

– Mahnwache jeden 2. Freitag im Monat um 12.30 Uhr, Heiliggeistkirche

Bremen– 22. September, 19 Uhr, Gemeindesaal St.-Pauli-Gemeinde, Große Krankenstraße 11, wie Bern 25. 9.– Mahnwache jeden Sonnabend um 11.30 Uhr am Dom

Hamburg– 8. Oktober, 16 bis 21 Uhr, Hamburg-Haus, Doormannsweg 12, Palästinensisches Kul-turfest, Eintrittspreise

– 4. November, 19 Uhr, Clemens Messer-schmid: „Wasser als Menschenrecht? – Bit-tere Aussichten für Palästina“; Info: [email protected]

Hannover– 18. Oktober, 19 Uhr, Freizeitheim Vah-renwald, Vahrenwalder Straße 92, Vortrag von Claus Walischewski: „Landnahme und Hauszerstörung im besetzten Palästina“– 7. November, 19 Uhr, Freizeitheim Vahren-wald, Vahrenwalder Straße 92, Vortrag von Clemens Messerschmid: „Wasser als Men-schenrecht? – Bittere Aussichten für Palästina“

– 15, November, 19 Uhr, Freizeitheim Lister Turm, Walderseestraße 100, Vortrag von Christoph Dinkelaker: „Gibt es Alterna-tiven in der israelischen politischen Füh-rungsschicht?“

Heidelberg– 29. September, 19.30 Uhr, Gemeinde-haus der Lutherkirche, Vangerowstraße 5,

VeranstaltungenVortrag Ekkehart Drost „ Kinder und Jugend-liche in israelischer Militärhaft – Erfahrungen bei Freedom Bus 2016“

Köln– 5. und 6. Oktober, 20.30 Uhr, Theater Tief-rot, Dagobertstraße 32, Film von Izzeldin Abuelaish „Ich werde nicht hassen“

Miesbach– 31. Oktober, 19 Uhr, Evangelische Kirche, Rathausstraße 12, Vortrag von Imad Haddad, P farrer der ELCJHL aus Ramallah

Mühlheim/Ruhr– 21. September, 19.30 Uhr, Gemeindehaus Kolo, Koloniestraße 41, wie Bern 25. 9.

Stuttgart– 20. September, 19 Uhr, AWO-Begegnungs-zentrum Ost, Ostendstraße 83, wie Bern 25. 9.

Wien– Mahnwache am 7. Oktober um 14 Uhr, Graben „Palästina wird geplündert“

Zürich– Mahnwache jeden 2. Freitag im Monat um 12.30 Uhr, Central

Vortragsreisen– Daoud Nassar aus Bethlehem, 12. bis 21. September, Vortrag „Unser Zelt der Völker: Wie Gandhi in Palästina“, Bamberg, Bonn, Heidelberg, Hof, Kaufbeuren, Markt Schwa-ben, Nürnberg, Stuttgart, Trier, Vaihingen/Enz, Waidhaus, Wittlich; Info: [email protected]

– Sumaya Fahat-Naser aus Ramallah, 7. bis 14. November, Vortrag „Palästina – eine Innenansicht – Herausforderungen in der Friedens arbeit“, Karlsruhe, Mannheim, Ruders berg, Sinsheim, Wiesloch; Info: [email protected]

– Abdallah Abu Rahma (siehe Bern) und Clemens Messerschmid (siehe Hamburg): Info zu weiteren Orten und Terminen unter www.cafe palestinefreiburg.blogspot.de

israelische Siedler und Soldaten tun alles, damit wir verschwinden. Seit einem Vierteljahrhundert weh-ren wir uns gegen die Enteignung im Rechtsstreit vor dem Militärge-richt und dem Obersten Gerichts-hof Israels über die Anerkennung der Kaufdokumente“, sagt Daoud Nassar. Er wurde schon ‚palästi-nensischer Gandhi‘ genannt. „Aber wir bleiben hier!“ Das Hundert-jährige wurde mit einer großen Festwoche im diesjährigen Mai ge-feiert. Ein Bildband zum Zelt der Völker erscheint im Dezember im Aphorisma-Verlag. Info unter www. tentofnations.org.

8 BASARNr. 10 / September 2016 PalästinaIsraelZeitung

Was bleibt uns. Gouache von Ibrahim Hazimeh, 2002

„Klagemauer“ vor dem Dom (Ausschnitt)

Daud unter dem Eingang zum Lehr-garten Text und Foto: ck