Patienteninformation und -beratung zum … · Fakten 80 - 95 % aller Krebspatienten leiden während...

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Fatigue Patienteninformation und -beratung zum Erschöpfungssyndrom S. Gärtner

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Fatigue

Patienteninformation und -beratung zum Erschöpfungssyndrom

S. Gärtner

Fatigue

Französisch:

� fatigant

• ermüdent und lästig

Englisch:

� fatigueability

• Ermüdbarkeit

Normale Erschöpfung und Müdigkeit

� regulieren beim Gesunden die Balance zwischen Aktivität und Ruhe

� schützen den Organismus vor körperlicher/psychischer Überlastung

� werden nach Anstrengung oft als angenehm wahrgenommen

� verschwinden wieder nach Ruhe- oder Schlafphasen

Fakten

� 80 - 95 % aller Krebspatienten leiden während oder nach ihrer Behandlung unter Fatigue.

� Im Gegensatz zu Therapeuten schätzen Patienten Fatigue als schwerwiegendstes Symptom ein.

� 20 - 40 % der Tumorpatienten leiden noch Jahre nach der Therapie an Fatigue

Fatigue

Fatigue kommt nicht nur bei Krebserkrankungen sondern auch bei anderen chronischen Erkrankungen vor.

� AIDS� Multiple Sklerose (>60%)� Lupus erythomatodes (>80%)� Morbus Bechterew (50%)� rheumatoide Arthritis (>60%)� Kardiomyopathien (10 – 15%)� Chron. Nieren- und Lungenerkrankungen� Und andere

Abgrenzung von CRF zur normalen Müdigkeit

�CRF tritt überraschend schnell auf

� die Intensität steht nicht im Verhältnis zur Aktivität

� der Mangel an Energie betrifft alle Dimensionen

� sie ist nicht durch Ruhe beeinflussbar

� und kann nicht im Voraus beschrieben werden

Definition

Fatigue bei Krebskranken ist ein subjektives Gefühl unüblicher Müdigkeit, das sich auswirkt auf den Körper (physisch), die Gefühle (affektiv) und die mentalen Funktionen, das mehrere Wochen andauert und sich durch Ruhe und Schlaf nur unvollständig

oder gar nicht beheben lässt.A. Glauss(2000)

Definition

„Fatigue ist eine ungewöhnlich quälende Form der Müdigkeit und Erschöpfung, welche zu

starker Einschränkung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit führt. Dieser

Zustand lässt sich durch Schlaf- und Ruhephasen nicht verbessern. Er kann einige

Wochen dauern , aber auch über mehrere Monate anhalten.“

(Klinik für Tumorbiologie, Freiburg 2001)

Was bedeutet Fatigue für die Betroffenen?

� Physisches Müdigkeitsempfinden steht mit 59% im

Vordergrund.

� Gefolgt von affektiven Müdigkeitsempfinden mit 29%,

� Und schließlich 12% kognitives Müdigkeitsempfinden.

Fatigue aus psychologischer Perspektive

� Fatigue ist psychisch sehr belastend� Kann nicht durch ausreichend Schlaf oder

Willensanstrengung überwunden werden– Hilflosigkeit und Ohnmacht

� Wirkt sich negativ auf die Lebensqualität aus� Kann depressive Reaktionen auslösen oder verstärken� Kann Angst vor Neuerkrankung auslösen� Verhindert positiv erlebte Aktivitäten

Ursachen der Fatigue

Fatigue

Metabolische Probleme, Dehydratation

Anämie

Immobilität

Anorexie, Kachexie

Zytokine

Organversagen(Herz, Lunge, Leber, Niere)

Tumorbehandlung(OP, Chemo, Radiatio)

Störung der Energiezufuhr(Tumor-, Infektbedingt)

Stress, Depression, Angst

Medikamente

Schlafstörungen

Schmerz

Ursache – Stoffwechsel

� Unterversorgung mit Mineralstoffen (Ca, Mg, K) durch Appetitlosigkeit, Übelkeit – Erbrechen, Durchfall

dies kann zu Muskelschwäche führen

� Hormonelle Änderungen• z.B. Schilddrüsen Unter- oder Überfunktion (hervorgerufen durch Radatio,

Röntgen-Kontrastmittel)• Cortisolmangel nach Cortisonzufuhr

• Diabetes z.B. unter Steroidgabe

� Noch vieles unklar und schlecht untersucht

Ursache - Tumortherapie

�Operationsfolgen• Organverlust z.B. Magen Ca

• Narbenschmerzen

• Bewegungsstörungen

• Funktionseinbußen z.B. Rektum Resektion

�Chemotherapiefolgen• Übelkeit und Erbrechen

• Schlafstörungen durch Cortisongabe

• Infusionsgabe oder -dauer bis in die Nacht

Ursache - Tumortherapie

�Hormontherapiefolgen• nach Mamma Ca Tamoxifen oder Arimidex Gaben

dadurch hervorgerufene Wechseljahrsbeschwerden z.B. schwitzen – Schlafstörungen und Stimmungsschwankungen

• nach Prostata Ca Gabe von weiblichen Hormonen, auch hier vielfältige körperliche wie auch psychische

Reaktionen

Ursache - Tumortherapie

�Zytokintherapiefolgen• Interferon/

• Interleukin 2

Häufig starke körperliche Nebenwirkungen, wie das Gefühl eines starken grippalen Infektes, mit Schweißausbrüchen, Schlafstörungen und Energiemangel.

Ursache – Anorexie/Kachexie

� Erkrankungsbedingte Ernährungsstörung(Hypermetabolismus, Leberinfiltration, Darmstenosen, Peritonealkarzinose)

• Kachexiefördernde Zytokine blockieren hypothalamische Zentren für Hunger

� Therapiebedingte Übelkeit/Inappetenz(Chemotherapiebedingtes Erbrechen, Ösophagitis nach Radatio)

• Mangelnde Flüssigkeitszufuhr - Hypotonie

Ursache – Zytokine

�Lösen Schmerzen, Müdigkeit und Erschöpfung aus

� Störung des Gleichgewichts der Zytokine durch:

• Autokrine Produktion von Tumorzellen (IL6 beim Plasmozytom)

• Reaktion des Körpers auf Tumorzellen (verstärkte Produktion von TNF durch Immunzellen)

• Reaktion auf Therapieeffekte (Zellschädigung und Zerstörung – Freisetzung von IL1, IL6, TNF durch Radatio

und Chemo)

Ursache – Zytokine

�Zum Teil widersprüchliche Ergebnisse (Korrelationen von Fatigue und Zytokine versus keine Korrelationen)

�Zytokine haben vermutlich nur einen geringen Einfluss auf Fatigue.

Ursache – Medikamente

� Opiate – verstärken Müdigkeit

� Schlafmedikamente – verstärken Müdigkeit, je nach Medikament „overhang“ in den Tag

� Bei Einschränkung von Leber- und/oder Nierenfunktion – verzögerter Abbau oder

Ausscheidung

Ursache – Anämie

� Chemo- oder Strahlentherapiebedingte Schädigung der Blutbildung im Knochenmark

� Verdrängung des Knochenmarks durch Tumorzellen

� Hemmung der Erythropoetin – Bildung

� Chornische Blutung Fe-Mangel

� Mangel an bestimmten Vitaminen (z.B. Vit B12/Folsäure)

Ursache – Immobilität

� Abbau von Muskelmasse und Kreislaufleistung –schnellere Erschöpfbarkeit

� Abbau von Knochenmasse – Inaktivitätsosteoporose -Schmerzen

Ursache – Schlafstörungen

� Erkrankungs- /Behandlungsbedingte Änderung der Schlaf-/Wach-/Arbeitsrhythmus

� Kreisende Gedanken, Zukunftsangst

� Stressbedingte Hormonausschüttung (Katecholamine)

Ursache – Stress, Depression, Angst

� Emotionaler Stress, Depression, Angst, Traurigkeit, Partnerkonflikte rauben Energie

� Tumorpatienten sind durch die Erkrankung nicht häufiger depressiv als die Normalbevölkerung

� Abgrenzung Depression zur Fatigue nicht immer einfach

Therapie

� Findet oft nicht statt, weil

• Patienten keine Behandlung erwarten, da sie sich der Fatigue nicht bewusst sind

• Symptombehandlung deutlich weniger erfolgreich ist als z.B. Schmerzbehandlung

• Viele Therapeuten hilflos sind „man kann nicht helfen, es hilft nichts“

• Therapeuten sagen damit muss der Patient alleine zurecht kommen

Therapie der Anämie

� Bluttransfusion unterhalb HB 10g/dl

� Erythrooietin bei EPO>100U/L• Erypo/NeoRecormon/Eprex 3x/Woche s.c.

• Aranesp 1x/Woche s.c.

� Ansprechraten• Plasmozytom 79%

• Solide Tumore 40%

� Kosten 5000 – 7.500€/8 Wochen

Medikamentöse Therapien

� Steroide bei Zytokin vermittelter Fatigue

� Gestagene (Megestat) oder Steroide bei Kachexie

� Amphetamine (Ritalin) bei morphininduzierter Müdigkeit oder kognitiven Defiziten

� Antidepressiva bei Vorliegen von depressiven Symptomen

Fatigue aus psychologischer Perspektive

Fatigue als Ausdruck der Krankheitsverarbeitung:

• Als Folge von Angst/Stress/Depression – die ständige ängstliche Erregung (Stressreaktion) führt auf Dauer zu Erschöpfung

• Als Schutz des Individuums vor Überforderung

• Als Abwehrmechanismus/Bewältigungsversuch, um Angst vor Tod/Sterben nicht bewusst werden zu lassen.

Fatigue aus psychologischer Perspektive

Fatigue wird von vielen Patienten als persönliche Schwäche erlebt:

„so kenne ich mich nicht, ich war immer aktiv, ein positiver Mensch…“

„strenge ich mich nicht genügend an?“

„kämpfe ich zu wenig?“

„was mache ich falsch?“

Fatigue und Depression

�Der Zusammenhang ist immer noch ungeklärt

�Überschneidungen in den körperlich-vegetativen Leitsymptomen wie Antriebslosigkeit, Energielosigkeit und Interessenverlust

�Unterschiede in den kognitiven und psychischen Symptomen (Selbstwertproblematik, Schuldgefühle)

Fatigue und Depression

�Treten häufig gemeinsam auf

�Weisen ähnliche Symptomatik auf

� Sind schwer diagnostisch zu unterscheiden

�Können sich im zeitlichen Verlauf gegenseitig bedingen.

Abgrenzung von CRF zur Depression

Depression beinhaltet häufig die typischen Symptome der Fatigue, geht jedoch deutlich darüber hinaus. Psychologische Symptome im emotionalen und kognitiven Bereich sind bei der Depression ausgeprägter:

� Entwertung des eigenen Selbst

� Bewertung der Umwelt als feindlich

� Gefühl der Leere

� Versagensängste in Beziehungen

� Suizidgedanken und -handlungen

FatigueMindestens 6 Merkmale müssen erfüllt

sein, um die Diagnose zu stellen.

� Ungewöhnliche Müdigkeit

� Energiemangel

� Antriebslosigkeit

� inadäquates, gesteigertes Ruhebedürfnis

� generalisierte Schwäche

� Unfähigkeit Alltagsakti-vitäten zu bewältigen

� keine Erholung nach dem Schlaf

� Großes Bedürfnis nach Ruhe und Schlaf

� Gefühl sich zu jeder Aktivität zwingen zu müssen

� ausgeprägte emotionale Reaktion (Traurigkeit, Frustration, Reizbarkeit)

� Nach körperlicher Anstrengung mehrere Stunden andauerndes Unwohlsein

� Konzentrationsstörung

Was kann der Betroffene selbst gegen Fatigue tun?

�Abklärung der Ursache (Hb-Wert)

�Regelmäßige körperliche Betätigung, individuelles Trainingsprogramm (Fitnesstagebuch)

�Ausreichend schlafen, jedoch nicht zuviel

�Eigene Grenzen akzeptieren, jedoch nicht unterfordern

�Ausreichende Flüssigkeitszufuhr

�Gesunde, ausgewogene Ernährung• Vitamin- und eisenreich

Fatigue

�Planung des Tagesablaufes• realistische Ziele planen

• führen eines Fatigue-Tagebuches

• schöne Dinge bewußt mit einplanen

• anstrengende Aktivitäten zu energiereichen Zeiten planen

• erstellen einer Aktivitätenliste nach Prioritäten

• Hilfe einfordern

• Tempo anpassen

Fatigue

� Geistige Beschäftigung• Ablenkung nicht immer an Fatigue

denken

�Ruhepausen einhalten• kurze Ruhepausen• zum Ausruhen nur hinsetzen nicht hinlegen• kurze Nickerchen, wenn nötig

Fatigue

� Kräfte schonend arbeiten• Hilfe in Anspruch nehmen

• Tätigkeiten nach Möglichkeit im Sitzen erledigen

• vermeiden von schwerem Heben und Tragen

Pflegerische Beratung und Intervention bei Fatigue

�Beratung bei der Planung des kommenden Tages

• Ausreichend Zeit für Körperpflege und Mahlzeiten• Ruhephasen einplanen• Abläufe besprechen

�Ruhephasen ermöglichen und respektieren• Koordination mit anderen Berufsgruppen• Ausreichend Ruhephasen zwischen den Terminen

Fatigue

� Psychische Unterstützung des Patienten• Gespräche anbieten, wichtigste Botschaft Fatigue ist kein Zeichen

persönlicher Schwäche• Emotionale Entlastung, Reduktion der Frustration• Hilfestellung beim Setzen von Prioritäten• Beratung zur Gestaltung/Bewältigung des Alltages zu Hause• Informationen zu kräfteschonendem Arbeiten, Essen auf Räder,

Nachbarschaftshilfe, ect.• Bei Bedarf Kontakt zu anderen Berufsgruppen herstellen z.B.

Sozialberatung

Fatigue

� Verwendung von komplementären Pflegemethoden

Pflege mit ätherischen Ölen

• zur Anregung:

Duftlampe/-stein mit Zitronen-, Orangen-, oder Pfefferminzöl

• zur Beruhigung/Unterstützung des Schlafes:

Duftlampe/-stein mit Rosen-, oder Lavendelöl

Fatigue

Voll- und Teilbäder (z.B. Fussbäder)

• zur Anregung:

mit Rosmarinöl

• zur Beruhigung/Unterstützung des Schlafes:

mit Lavendel-, oder Rosenöl

Wechselduschen

• zur Kreislaufanregung

Fatigue

Ganzkörpereinreibung (oder auch nur Extremitäten)

• zur Kreislaufanregung

mit Rosmarinöl

Atemstimmulierende Einreibung (ASE)

• zur Beruhigung/ Unterstützung des Schlafes

mit Rosen-,

Lavendel-,

Melisse-,

oder neutralem ÖL

Fatigue

Tees

• zur Beruhigung/Unterstützung des Schlafes

Melissenblättertee,

Lavendelblütentee

Johanniskrauttee

Gletscherschockmassage

• zur Förderung der Konzentrationsfähigkeit

mit Pfefferminzöl

Fatigue

Zusammenfassung� 80 - 95 % aller Krebspatienten leiden während oder nach ihrer

Behandlung unter Fatigue. � Im Gegensatz zu Therapeuten schätzen Patienten Fatigue als

schwerwiegendstes Symptom ein.� Die Ursachen der Fatigue sind vielfältig und überwiegend wenig oder

nicht erforscht.� Bis jetzt stehen wenig medikamentöse Therapieverfahren zur

Verfügung� Die Krankheitsverarbeitung und andere psychologischen

Einflussmerkmale spielen eine wichtige Rolle� Die Information des Patienten über das Fatigue Syndrom wirkt oft sehr

entlastend.

Fatigue

Informationen� DKFZ Telefon Hotline für Patienten

Tel: 06221/424344, Mo, Mi, Fr 16.00 – 19.00 Uhr� http:/www.deutsche–fatigue-gesellschaft.de� www.fatigue.at� www.m-ww.de/krankheiten/krebs/fatigue� www.krebsinformation.de/body_fatigue� www.dgk.de� Fatigue (die blauen Ratgeber Nr.34) deutsche

Krebshilfe e.V. Thomas Mann Str. 40 53111 Bonn

Fatigue

Klinik für Tumorbiologie

Breisacherstr.117

79106 Freiburg

Sabine Gärtner

[email protected]