Paul Blaguss

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INSTITUT FÜR MARKEN- ENTWICKLUNG GRAZ Am 26. April 2010 STUDIE „WAS LERNEN SIE GERADE?“ IM GESPRäCH MIT PAUL BLAGUSS, BLAGUSS REISEN

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Wer Alltagsfrust gegen Lebenslust tauschen möchte, sollte eine Reise tun. Oder mit Paul Blaguss sprechen. Gemeinsam mit seinem Cousin sitzt er im Fahrersitz einer stattlichen Unternehmensgruppe, die es nun schon 80 Jahre gibt. Kein Grund für Paul Blaguss, sich zurückzulehnen. Die Welt ist voller Möglichkeiten, und wer so neugierig ist wie er, möchte diese auch nutzen. Mit ein Grund, warum das Unternehmen so unglaublich jung wirkt. Paul Blaguss im Interview über Familienunternehmen, clevere Busfahrer und den Wunsch nach mehr Verständnis für andere Kulturen.

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INSTITUTFÜRMARKEN-ENTWICKLUNGGRAZ

Am 26. April 2010

STUdIE „WAS LERNEN SIE GERAdE?“IM GESpRäCh MIT pAUL BLAGUSS, BLAGUSS REISEN

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Wer Alltagsfrust gegen Lebenslust tauschen möchte, sollte eine Reise tun. Oder mit Paul Blaguss sprechen. Gemeinsam mit seinem Cousin sitzt er im Fahrersitz einer stattlichen Unternehmensgruppe, die es nun schon 80 Jahre gibt. Kein Grund für Paul Blaguss, sich zurückzulehnen. Die Welt ist voller Möglichkeiten, und wer so neugierig ist wie er, möchte diese auch nutzen. Mit ein Grund, warum das Unternehmen so unglaublich jung wirkt. Paul Blaguss im Interview über Fami-lienunternehmen, clevere Busfahrer und den Wunsch nach mehr Verständnis für andere Kulturen.

Christof Harrich: Was heißt für Sie Unternehmertum?

Paul Blaguss: Unternehmertum ist meiner Meinung nach das Schaffen von Werten. Das geht nur über ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren: Produkte erfinden, entwickeln und am Markt einführen, Organisationsstrukturen und Mitarbeiter aufbauen und dafür Sorge tragen, dass die Mitarbeiter und Kunden die Vision, also den Sinn der unternehme-rischen Grundidee, verstehen. Unternehmertum heißt aber auch Verantwortung an die Mitarbeiter abzugeben, damit sie sich selbst verwirklichen können und auch ihre eigenen Ansätze und Meinungen einflie-ßen lassen können.

CH: Woher kommt die Lust auf das Unternehmerische?

PB: Ich glaube Unternehmer wird man, weil man es selbst machen möchte. Grundsätzlich glaube ich schon, dass es eine bestimmte Persönlichkeitsstruktur ist, die einen zum Unter-nehmer macht oder eben nicht. Es gibt viele auch leitende Mitarbeiter, die durchaus auch das Zeug zum selbstständigen Unternehmer hätten, aber sehr gut beraten sind, es nicht zu versuchen. Weil zum Unternehmertum eben nicht nur eine Geschäftsidee gehört, sondern auch die gesamte Verwaltungstätigkeit und die Organisation im Hintergrund. Sehr viele Unternehmen scheitern daran, obwohl sie eine gute Geschäftsidee, gutes Know-how und gute Produkte haben, aber nicht die Konsequenz den Abwicklungsprozess im Hintergrund auch im Auge zu behalten. Die Beschäftigung damit, ist ein Hobby von mir geworden: Ich schaue mir Geschäftsab-läufe oder Produkte anderer Unternehmen an, um zu lernen wie die funktionieren. Das können alle möglichen Branchen sein, also auch Gastronomie oder Industrie. Dadurch habe ich ein Bauchgefühl entwickelt, das mir relativ schnell sagt, ob etwas geht oder nicht. Meist bewahrheitet sich das dann auch. Natürlich ersetzt das nicht das Beherrschen der betriebswirtschaftlichen Grundrechnungsarten, aber in Wahrheit zählt das Gespür für Menschen, die richtigen Mitarbeiter, die richtige Organisationsform.

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Dazu kommt sicher auch Einiges aus der Familie. Mein Cousin und ich wurden von klein auf schon so erzogen. Wir sind ein Familienunternehmen in der dritten Generation, in-dem man als kleines Kind schon zum Unternehmer oder zum unternehmerischen Denken hingeführt wird.

CH: Man kennt es gar nicht anders, weil man es immer so erlebt hat. Einfach ist es aber nicht, ein Familienunternehmen zu führen...

PB: Ja, Unternehmensnachfolge in einem Familienunternehmen ist eines der schwierigs-ten Themen überhaupt. Seine eigene Position finden, Vertrauen der Mitarbeiter gewin-nen, aus dem Schatten der Vorgänger heraustreten. Dazu kommt, dass es in der Jugend nicht immer einfach ist, wenn es heißt, „sein Weg ist ohnehin vorgezeichnet, der wird es einmal gut haben...“ Ein wenig leidet man da darunter, da stellt sich schon die Frage, was will ich wirklich? Ich habe zum Glück schon in der Pubertät, irgendwann mit 16 oder 17 die freie Entscheidung getroffen, diesen Weg zu gehen. Ich habe auch studiert und das Leben sehr genossen. Nach dem Einstieg hat es dann etwa eineinhalb Jahre gedauert, die gesamten Zusammenhänge im Unternehmen kennen zu lernen. Am Anfang war es wichtig, nicht zu viele neue Ideen hereinzubringen, sondern am Vertrauen der Mitarbei-ter und Führungskräfte zu arbeiten. Die Vater-Sohn-Konstellation hatten wir im Betrieb nicht unmittelbar, weil mein Vater an einem anderen Standort war. Das Cousin-Onkel-Verhältnis war da natürlich schon um einiges einfacher.

CH: Wie gewinnt man das Vertrauen der Mitarbeiter?

PB: Es braucht immer einen Ausgleich von Geben und Nehmen. Geben heißt für mich neben dem Gehalt vor allem, zuhören zu können, offen zu sein, wenn jemand etwas braucht. Die Mitarbeiter sind viel, viel cleverer als es viele Unternehmer wahrhaben wol-len und wissen sehr genau, wie es um ihre Firma bestellt ist und welches Engagement die Führungsebene wirklich zeigt. Bei uns spüren sie, dass wir wirklich dahinter stehen. Wir haben viele langjährige und sehr loyale Mitarbeiter. Mit dem Betriebsrat muss man immer im Gespräch sein und erklären, was möglich ist, wenn die Zeiten schwieriger werden. Der Betriebsrat ist eine wichtige und tolle Einrich-tung und wenn man sie nutzt bringt es dem Unternehmen viel. Aber wenn sich Unter-nehmensleitung und Betriebsrat nur mehr Dinge über die Medien ausrichten, wie in manchen großen staatsnahen Betrieben, dann gibt es kein Vertrauen mehr. Wir haben

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diese Probleme nicht, aber wenn wir die Löhne um 10% kürzen müssten, würde das sicher auch anders aussehen... Und ganz allgemein ist auch eine Orientierung am langfristigen Unternehmenswert wich-tig, das merken die Mitarbeiter auch. Es ist nicht gut, wenn Manager von Top Unterneh-men an Quartalszielen gemessen werden.

CH: Wie kommt das Neue bei Ihnen in das Unternehmen, was tut Paul Blaguss da?

PB: Indem ich mit offenen Augen durchs Leben gehe. Was machen die anderen? Könn-ten wir das brauchen? Auch sehe ich auf Reisen immer wieder Produkte, die es bei uns noch nicht gibt. Ich war einmal ein Jahr in Amerika und da bringt man schon Ideen für den österreichischen Markt mit, auch wenn das im Einzelfall mit unserem Grundgeschäft nichts zu tun hat. Wir experimentieren immer wieder in komplett unternehmensfremden Branchen. Außerdem lernen wir im Unternehmen immer wieder durch Zeitschriften, Wirtschafts-magazine oder andere gute Quellen. Hier werden auch durchaus interessante Artikel im Haus weitergereicht. Und dann diskutiert.

CH: Gegenfrage: Was behindert Sie, wenn es um Innovation geht?

PB: Ich glaube, man darf sich nicht zu viel mit internen Problemen herumschlagen. Natürlich gehören diese Probleme gelöst. Und als Unternehmer darfst Du vor allen Dingen den Blick von außen nicht verlieren. Außerdem warne ich davor, nur aus der eigenen Sicht auf die zu Produkte schauen, sondern immer zu versuchen das Ganze mit den Augen des Kunden, auch des Mitarbeiters zu sehen. Und daneben lauert immer die Gefahr, zu sehr ins Operative hineingezogen zu werden und so den Blick für die stra-tegischen Fragen zu verlieren. Das kann auch belastend werden, die operativen Fragen beginnen ja, wenn Mitarbeiter mit einem Problem kommen. Dem kann man sich ja nicht verschließen. Es gehört sich auch zum Unternehmertum, die richtige Balance zu finden, die Alarmzeichen zu erkennen und bei Kleinigkeiten zwar aufmerksam zu sein, aber die Lösungen den Mitarbeitern zu überlassen.

CH: Stichwort Alarmzeichen. Wie spüren und erleben Sie die Wirtschaftskrise?

PB: Sehr direkt im Business Travel Bereich. Das Flugverhalten ist radikal um etwa 25% zurückgegangen. Da geht es nicht nur um Volumina, auch die Preise am Flugmarkt sind verfallen. Das ist aber ein Bereich, wo man weiß, es wird auch wieder kommen. Auch im

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Reisebüro wurde als Vorsichtsmaßnahme die eine oder andere Person nicht nachbesetzt. Der Bereich Busreisen ist ohnehin saisonal sehr schwankend und da wurden vor dieser Saison schon einmal weniger Fahrer aufgenommen. Auch der Fuhrpark wurde moderat angepasst. Wir sind sehr breit aufgestellt, bei verhältnismäßig schlanken Einheiten – da muss man schon aufpassen, nicht zu viel einzusparen und kritische Schwellen zu unter-schreiten. Die moderaten Maßnahmen haben aber gewirkt, und so hatten wir 2009 vom Umsatz her kein schlechteres Jahr als 2008, wo wir immerhin die Fussball-Europameister-schaft hatten, also ein Superjahr. Es gab jedoch trotz der guten Eigenkapitalquote unseres Unternehmens Diskussionen mit Banken, die wir in einer normalen Situation nicht geführt hätten. Und es ist schon sehr ärgerlich, wenn man schwer nachvollziehbare Sicherheitsaufschläge zahlen muss und gleichzeitig liest mit welchen Praktiken die Banken Geschäfte gemacht haben. Was mich aber ein wenig beunruhigt ist, dass eigentlich zum ersten Mal das unsinkbare Schiff Staat ins Wanken gebracht wurde. Und da wären Politiker gefordert, die hier aber die Augen zu machen und strukturelle Maßnahmen nicht treffen...

CH: Welche wären das aus Ihrer Sicht?

PB: Zuerst gehört endlich eine Verwaltungsreform Österreich auf den Tisch. Das muss so mutig kommuniziert werden, dass es das Volk auch einmal versteht. Etwa: Wozu brau-chen wir so viele Mehrfachstrukturen? Dann – das sehe ich als Transportunternehmer natürlich stärker so – brauchen wir eine Reform der Infrastruktur. Die ÖBB ist ja unsere Konkurrenz, nur können die ÖBB gar nichts dafür, dass sie teilweise so schlecht dastehen, Die waren der politische Spielball der letzten 40 Jahre. Ich bin kein Gegner der Schiene, im Gegenteil, aber das gehört überge-ordnet geregelt: Wo brauchen wir Schiene, was kann der Busverkehr abdecken. Der Fern-verkehr muss endlich ausgebaut und modernisiert werden. Nach Prag fahren wir heute um 14 Minuten länger als zur Kaiserzeit. Gleichzeitig sitzen wir hier in Inzersdorf, wo an die 100.000 Menschen arbeiten und es gibt keine Strassenbahn oder U-Bahn. Also Hoch-leistungsfernverkehr, gescheite Vernetzungen in den Ballungszentren und einen gescheiten Güterverkehr - Cluster. Ende. Und die Bahn soll bitte nicht mehr fahren ins Marchfeld oder in den Seewinkel hinunter. Das können andere Transportmittel günstiger machen. Und zuletzt brauchen wir rasch eine Vereinfachung des Steuersystems.

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CH: Was lernen Sie gerade?

PB: Ich lerne, dass auch große Banken und auch Staaten nicht unerschütterlich sind. Ich lerne aber auch, dass wir deswegen nicht die Nerven verlieren dürfen. Ja, als Unternehmen muss man reagieren, sonst wird man zum Spielball. Ich glaube auch, wir Unternehmer müssen öfter der Politik ins Gewissen reden und sie daran erinnern, sich auf ihren eigent-lichen Job zu konzentrieren. Und ich lerne, dass es wichtig ist zwischen Unternehmern und angestellten Managern zu unterscheiden. Wir Unternehmer denken an Werte, an Unternehmenswert und Kulturentwicklung. Auch Top Manager sind immer noch Ange-stellte, wenn sie auch behandelt werden wie Supergurus. Es ist nicht ihr eigenes Geld, mit dem sie arbeiten. Das gehört klargemacht.

CH: Angenommen ich könnte Sie zum Unterrichtsminister machen, welches Schulfach würden Sie einführen?

PB: Ich weiß nicht, wie es heißen würde, aber es wäre so etwas wie Weltkultur. Verständ-nis vermitteln für verschiedene Völker und wie man die Welt sieht. Da kann man ja schon in den Nachbarstaaten beginnen: Warum kommt jemand zu uns? Welches Weltbild haben türkische Gastarbeiter oder Zugewanderte der zweiten Generation? Das werden wir in der Zukunft brauchen. Ohne Migration funktioniert der Staat nicht und wir haben wenig Chancen uns wirtschaftlich zu entwickeln. Geographisch gibt es in Europa kein Land, das besser liegt als wir.

Und auch wenn es nicht direkt mit dem Thema Unterricht zu tun hat, aber die Einstel-lung vieler Menschen ist schon ein Problem. Da fehlen natürlich echte Vorbilder, das falsche Handeln wird den Menschen ja vorgelebt. Die Politik habe ich ja schon erwähnt, Manager, die horrende Abfindungen kassieren, gehören auch dazu. Auch der Betriebsrat der AUA gehört dazu, der hat dem österreichischen Steuerzahler sicher 500 Millionen € gekostet. Und unser Sozialsystem gehört in dem Zusammenhang auch überdacht. Gibt es wirklich noch genug Anreiz überhaupt noch zu arbeiten?

CH: Was davon merken Sie selbst im Unternehmen, wenn Sie etwa neue Mitarbeiter suchen?

PB: Das Grundauftreten, also einfache Höflichkeitsformen, das wird schon schlechter. Viele Berufe haben auch echte Imageprobleme. Für uns wird es in Zukunft eine große Aufgabe werden, Menschen zu finden, die sich für den Beruf des Busfahrers interessieren, die das motiviert. Jeder will Akademiker werden, aber wir brauchen auch Facharbeiter.

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Der Busfahrer ist ja auch ein Facharbeiter. Wenn heute jemand im Privatleben sagt, er ist Busfahrer, wird er schnell schief angesehen. Dabei ist das ein Beruf mit sehr viel Verant-wortung. Nicht alle Akademiker haben so viel Verantwortung.

CH: Zum Schluss, sagen Sie mir, wo würden Sie Ihr Unternehmen gerne in 10 Jahren sehen?

PB: Wir wollen ein gesundes Unternehmen, das immer dynamisch ist. Wir wollen Qua-litätsführerschaft in vielen Bereichen. Wir wollen uns gut entwickeln, dort wo wir es für wichtig empfinden, und ich hoffe, dass die Projekte die wir jetzt gerade starten auch aufgehen werden. Ob das Unternehmen in 10 Jahren dann vielleicht um 20% kleiner ist oder um 50% größer, ist mir relativ egal solang es gut dasteht. Ich habe keinen Zehnjahresplan, nach dem Motto „jetzt kommen Kroatien, Bulgarien, Rumänien, dann die Ukraine dran“, sondern ich will das Schritt für Schritt beurteilen. Mit dem richtigen Management können wir uns schon step by step vergrößern. Wir ha-ben überall eigentlich leichte oder kleine Expansionspläne. Wir wollen ein guter Arbeitgeber sein. Das sind wir glaube ich auch.