Paul Tillich: Jenseits von Supranaturalismus und...

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Paul Tillich: Jenseits von Supranaturalismus und Naturalismus Es gebe drei Arten, Go zu besmmen: 1 Jenseits von Go in der erstens supranaturalen sowie der zweitens naturalisschen Vorstellung schlägt Tillich vor, Go driens als die Transzendierung der endlichen Freiheit zu Selbst-Transzendierung und Ekstase 2 zu sehen. 3 Was meint das? Dem Supranaturalismus liege in seiner simplen, aber religiös bedeutsamsten Form die Vorstellung eines Goes zugrunde, der in das Weltgeschehen als korrigie- rende Größe gegen „kreatürlichen Widerstand“ eingrei- fe, um seinen Plan zur Erfüllung zu bringen. So unter- werfe man aber Go als das Unendliche den endlichen Dimensionen von Raum, Zeit und Ursächlichkeit. Der göliche Raum werde durch den natürlichen Raum be- grenzt, Goes Wirkzeit durch die natürliche Zeit und seiner Wirkmacht stehe die der natürlichen Ursächlich- keit gegenüber. Als Substanz bestehe er – abgegrenzt – neben anderen Substanzen. Der Naturalismus 4 verteidi- ge hier zu Recht indirekt das wahre Anliegen der Religi- on: die Unendlichkeit Goes in seinen Dimensionen von Raum, Zeit und Ursächlichkeit. 5 Dem Naturalismus wiederum liege das Problem zugrunde, dass er Gefahr laufe, in der Idenfikaon von Go und Universum bzw. dessen Wirkkräſten oder Es- senz (Wesen) den Goesbegriff überflüssig zu machen. Die Erfahrung von Heiligkeit: vor allem als Wahrneh- mung des Unterschiedes von (menschlicher) Endlichkeit und (gölicher) Unendlichkeit gehe verloren. 6 Religiös unbefriedigend, ja gefährlich sei ein Schwanken zwischen beiden: Naturalismus 7 und Supra- naturalismus. Tillich schlägt einen drien Weg vor. Er denke diese Tradion der Theologen Augusnus, Luther, Zwingli, Calvin oder Schleiermacher weiter. Go sei we- der „neben“ noch „über“ dem Menschen, sondern all dem, was sei, näher als dieses sich selbst: und zwar als 1 Tillich, Paul: Systematische Theologie II. Walter de Gruyter Berlin New York 1987 (1957), S. 12 2 S. 12 3 S. 12-16 4 Denn er schließt jede supranaturale Wirkmacht aus. 5 S. 12 6 S. 12f. 7 Der naturalissche Fehlschluss ist dafür ein Beispiel, der vom Sein (etwa des Selekonsprinzips) auf das Sollen schließt (vgl. z.B. Huxleys Eugenik ). dessen „schöpferischer Grund“ unabhängig von Raum und Zeit. 8 Dieses Denken mache mancher Naturalismus noch mit. Tillich gehe aber weiter. Er vereſt seine Goesvorstellung durch den Begriff der endlichen Freiheit. Dieser Begriff entsteht durch die Unterschei- dung eines Wesens hinsichtlich seiner Substanz 9 ( We- sensform, das trotz Veränderung Bleibende ) und sei- ner potenellen Loslösung von seinem schöpferischen Grund. Der Mensch sei substanell geeint mit seinem Schöpfer 10 dem Sein des Seins, dem Sein-Selbst oder der Macht des Seins, 11 die sich gegen das Nichtsein behauptet, sonst verlöre der Mensch sein Sein – aber auch frei 12 von ihm: in seiner tatsächlichen Ausprä- gung seines Wesens. 13 Die Endlichkeit der Freiheit be- steht also darin, dass der Mensch von seiner göli- chen Substanz nicht loskomme, aber dieser in seiner tatsächlichen Ausprägung nicht notwendig entspre- chen müsse: was seine Freiheit ausmache. Go und Mensch seien folglich frei von- und füreinander. Go komme aber keine Überwelt 14 zu. Die Beziehung zu diesem Go sei folglich keine räum- liche. Goes Über („Supra“) bestehe in der innersten Natur der Welt. Die Welt sei selbst-transzendierend, sie weise über sich hinaus. 15 Go sei ihr Grund 16 und Abgrund 17 , wohl je nach ihrer Haltung zu ihm. Er sei transzendent zu ihr. 18 Das bedeute die Freiheit, dass sie über sich ekstasch hinaussteigen könne. So er- fahre sie das Heilige als Verwirklichung des Selbst- Transzendierens: jeder Mensch in sich. 19 Tillichs drier Weg ließe sich also vielleicht als Supra-In-Natura-lismus bezeichnen, wobei das „in“ nicht räumlich vorzustellen wäre. 8 S. 13 9 ank-mielalterlicher Ontologie (Seinslehre) entlehnt 10 Vgl. den Begriff der Ebenbildlichkeit Goes (Gen 1,27f.) 11 S. 17f. 12 Vgl. den Begriff der Sünde (Röm 5 + 7) 13 S. 14f. 14 wie im Supranaturalismus 15 S. 14 16 quasi Himmel 17 quasi Hölle 18 S. 13f. 19 S. 14 © Zusammenfassung: Bernd Voigt, Hildesheim, 2.1 06.04.2017 / 13.02.2016 // solus-christus.portacaeli.de 1 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50 55 60 65

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Paul Tillich: Jenseits von Supranaturalismus und Naturalismus

Es gebe drei Arten, Gott zu bestimmen: 1 Jenseits von

Gott in der erstens supranaturalen sowie der zweitens

naturalistischen Vorstellung schlägt Tillich vor, Gott

drittens als die Transzendierung der endlichen Freiheit

zu Selbst-Transzendierung und Ekstase 2 zu sehen.3 Was

meint das?

Dem Supranaturalismus liege in seiner simplen,

aber religiös bedeutsamsten Form die Vorstellung eines

Gottes zugrunde, der in das Weltgeschehen als korrigie-

rende Größe gegen „kreatürlichen Widerstand“ eingrei -

fe, um seinen Plan zur Erfüllung zu bringen. So unter -

werfe man aber Gott als das Unendliche den endlichen

Dimensionen von Raum, Zeit und Ursächlichkeit. Der

göttliche Raum werde durch den natürlichen Raum be-

grenzt, Gottes Wirkzeit durch die natürliche Zeit und

seiner Wirkmacht stehe die der natürlichen Ursächlich-

keit gegenüber. Als Substanz bestehe er – abgegrenzt –

neben anderen Substanzen. Der Naturalismus 4 verteidi-

ge hier zu Recht indirekt das wahre Anliegen der Religi -

on: die Unendlichkeit Gottes in seinen Dimensionen von

Raum, Zeit und Ursächlichkeit.5

Dem Naturalismus wiederum liege das Problem

zugrunde, dass er Gefahr laufe, in der Identifikation von

Gott und Universum bzw. dessen Wirkkräften oder Es -

senz (Wesen) den Gottesbegriff überflüssig zu machen.

Die Erfahrung von Heiligkeit: vor allem als Wahrneh-

mung des Unterschiedes von (menschlicher) Endlichkeit

und (göttlicher) Unendlichkeit gehe verloren. 6

Religiös unbefriedigend, ja gefährlich sei ein

Schwanken zwischen beiden: Naturalismus 7 und Supra-

naturalismus. Tillich schlägt einen dritten Weg vor. Er

denke diese Tradition der Theologen Augustinus, Luther,

Zwingli, Calvin oder Schleiermacher weiter. Gott sei we-

der „neben“ noch „über“ dem Menschen, sondern all

dem, was sei, näher als dieses sich selbst: und zwar als

1 Tillich, Paul: Systematische Theologie II. Walter de Gruyter Berlin New York 1987 (1957), S. 12

2 S. 123 S. 12-164 Denn er schließt jede supranaturale Wirkmacht aus.5 S. 126 S. 12f.7 Der naturalistische Fehlschluss ist dafür ein Beispiel, der vom Sein

(etwa des Selektionsprinzips) auf das Sollen schließt (vgl. z.B. HuxleysEugenik).

dessen „schöpferischer Grund“ unabhängig von Raum

und Zeit.8

Dieses Denken mache mancher Naturalismus

noch mit. Tillich gehe aber weiter. Er vertieft seine

Gottesvorstellung durch den Begriff der endlichen

Freiheit.

Dieser Begriff entsteht durch die Unterschei -

dung eines Wesens hinsichtlich seiner Substanz 9 (We-

sensform, das trotz Veränderung Bleibende ) und sei-

ner potentiellen Loslösung von seinem schöpferischen

Grund. Der Mensch sei substantiell geeint mit seinem

Schöpfer10 – dem Sein des Seins, dem Sein-Selbst oder

der Macht des Seins,11 die sich gegen das Nichtsein

behauptet, sonst verlöre der Mensch sein Sein – aber

auch frei12 von ihm: in seiner tatsächlichen Ausprä -

gung seines Wesens.13 Die Endlichkeit der Freiheit be-

steht also darin, dass der Mensch von seiner göttli -

chen Substanz nicht loskomme, aber dieser in seiner

tatsächlichen Ausprägung nicht notwendig entspre-

chen müsse: was seine Freiheit ausmache.

Gott und Mensch seien folglich frei von- und

füreinander. Gott komme aber keine Überwelt 14 zu.

Die Beziehung zu diesem Gott sei folglich keine räum -

liche. Gottes Über („Supra“) bestehe in der innersten

Natur der Welt. Die Welt sei selbst-transzendierend,

sie weise über sich hinaus. 15 Gott sei ihr Grund16 und

Abgrund17, wohl je nach ihrer Haltung zu ihm. Er sei

transzendent zu ihr.18 Das bedeute die Freiheit, dass

sie über sich ekstatisch hinaussteigen könne. So er -

fahre sie das Heilige als Verwirklichung des Selbst-

Transzendierens: jeder Mensch in sich. 19

Tillichs dritter Weg ließe sich also vielleicht

als Supra-In-Natura-lismus bezeichnen, wobei das „in“

nicht räumlich vorzustellen wäre.

8 S. 139 anti k-mittelalterlicher Ontologie (Seinslehre) entlehnt10 Vgl. den Begriff der Ebenbildlichkeit Gottes (Gen 1,27f.)11 S. 17f.12 Vgl. den Begriff der Sünde (Röm 5 + 7)13 S. 14f.14 wie im Supranaturalismus15 S. 1416 quasi Himmel17 quasi Hölle18 S. 13f. 19 S. 14

© Zusammenfassung: Bernd Voigt, Hildesheim, 2.106.04.2017 / 13.02.2016 // solus-christus.portacaeli.de 1

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