PERSÖNLICHKEITEN, DIE LIECHTENSTEIN PRÄGTEN · PDF fileOtto Seger ist dies gleich in...

1
SERIE LIECHTENSTEINER VATERLAND | DIENSTAG, 22. AUGUST 2006 19 Pionier der beruflichen Bildung PERSÖNLICHKEITEN, DIE LIECHTENSTEIN PRÄGTEN Manchen Menschen gelingt es, sich während ihres Lebens ein Denkmal zu setzen. Otto Seger ist dies gleich in zwei Bereichen gelungen: In der Bildung, vor allem der beruflichen Weiter- bildung, und in der Welt der Sagen seiner Heimat. Von Jnes Rampone-Wanger Die Bücher, welche Otto Seger zeitle- bens geschrieben hat, füllen in der Liechtensteinischen Landesbiblio- thek eine ganze Reihe Regale. Er forschte, recherchierte und schrieb über die Geschichte seiner Heimat, Bildung- und Weiterbildung, die Welt der Sagen, Liechtensteins Unterneh- men, den Zollvertrag, Münzen und Notgeld oder auch den Automobil- club Liechtensteins. Dabei war Otto Seger schon fast vierzig Jahre alt, als er nach Liechtenstein übersiedelte. Geboren wurde er am 20. Februar 1907 in Schottwien am Semmering, wo sein Vater Adolf Fürstlich Liech- tensteinischer Förster war.Seine Mut- ter Hedwig war eine geborene Real. Bald nach Otto Segers Geburt über- siedelte die Familie nach Schlesien und 1919 nach Böhmen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Adolf Seger Forstmeister in Mödling bei Wien. Nach der Matura studierte Otto Seger Germanistik und Geschichte und ar- beitete anschliessend in Wien als Leh- rer für Knaben.1937 heiratete er Ger- da Rittler aus Wien, mit der er die bei- den Kinder Ulrich und Elisabeth hat- te.Tiefe Trauer kam über die Familie, als Sohn Ulrich bei einem Bergunfall am Mont-Blanc erst 19jährig ums Le- ben kam. Leben in Kriegszeiten Mit 31 Jahren wurde Otto Seger Di- rektor des Gymnasiums in Bregenz und ein Jahr darauf auch des Mäd- Und was bleibt? Professor Otto Seger hat Liechten- stein ein grosses Erbe hinterlassen. Er hat während mehr als vierzig Jahren, in denen er in Liechten- stein lebte und arbeitete, unzähli- ge Publikationen über Geschichte und Berufsbildung verfasst sowie das Abendtechnikum gegründet. Zudem kann Liechtenstein dank Otto Seger über eine umfassende Sagensammlung verfügen. ***** Die kommende Ausgabe der «Va- terland»-Serie «Persönlichkeiten, die Liechtenstein prägten» wid- men wir am Dienstag, 5. Septem- ber, Max Auwärter, Gründer der Balzers AG. Bisher sind erschienen: • David Beck 23.8.05 • Guido Feger 6.9.05 • Alexander Frick 20.9.05 • Fabriklerinnen 4.10.05 • Josef G. Rheinberger 18.10.05 • Josef Sele 8.11.05 • Dr. Martin Risch 29.11.05 • Dr. Ludwig Grass 6.12.05 • Alma Batliner-Nutt 20.12.05 • Anton Frommelt 3.1.06 • Martin Hilti 17.1.06 • Peter Büchel 31.1.06 • Dr. Emil Beck 14.2.06 • Hans Ritter 7.3.06 • Dr. Wilhelm Beck 14.3.06 • Eugen Bühler 28.3.06 • Angela Wachter 11.4.06 • Dr. Alois Vogt 25.4.06 • Peter Kaiser 9.5.06 • Gustav Ospelt 23.5.06 • Johann Georg Helbert 7.6.06 • Josef Hoop 20.6.06 • Maria von Haberler 4.7.06 chengymnasiums Bregenz. Otto Se- ger muss sich damals stark mit dem Gedankengut der Nationalsozialisten identifiziert haben. Zeitzeugen be- richten, dass er die deutsche Uniform trug und mit seiner Einstellung nicht hinter dem Berg gehalten habe. Dass seine Umsiedlung nach Liechtenstein im Jahre 1946 nur auf Heimatgefühle zurückzuführen ist, lässt sich unter diesen Umständen schwer nachvoll- ziehen. Otto Seger bekam jedenfalls in Vaduz, wo er fortan auch wohnte, eine Stelle als Gewerbesekretär. Schon schnell sah der breit gebildete Mann, dass er seinWissen in Liechten- stein in vielfältiger Weise einsetzen konnte. Bereits 1948 gründete er die Berufsberatungsstelle, in der er bis 1966 auch nebenamtlich tätig war. Danach wurde die Arbeit in der Be- rufsbildung zu intensiv, um zusätzlich auch noch als Reallehrer tätig zu sein. Nach 15 Jahren als Lehrer an der Re- alschule Vaduz trat er ganz in die Be- rufsbildung ein. Bereits 1968 konnte Liechtenstein erstmals an den Inter- nationalen Berufswettbewerben teil- nehmen. Vater des Abendtechnikums Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchs nicht nur der Wohlstand Liechten- steins, auch der Bildungshunger jun- ger Berufsleute stieg. Während viele aufstrebende Industriebetriebe Fach- leute aus dem Ausland anheuern mussten, blieben den Liechtensteine- rinnen und Liechtensteinern meist nur die einfacheren Stellen. Initiative junge Berufsleute konnten zwar im benachbarten Ausland Abendtechni- ka besuchen, mussten dazu aber ei- nen riesigen zeitlichen Aufwand in Kauf nehmen. Otto Seger war 1961 federführend daran beteiligt, dass Liechtenstein ein Abendtechnikum bekam. Über zwanzig Jahre lang leitete er die Schule und verhalf ihr zu einem weit über Liechtenstein hinausgehenden erstklassigen Ruf. Würde Otto Seger heute noch leben, könnte er mit Stolz sehen, dass aus seinem Abendtechnikum die Hoch- schule Liechtenstein geworden ist. Im gleichen Jahr wie das Abendtechni- kum wurde auch die Liechtensteini- sche Landesbibliothek gegründet, für die er sich massgeblich einsetzte. Bis 1975 war er Stiftungsrat der Biblio- thek. Aber auch als Präsident der Lehrlingskommission, Mitglied des Technikumsrates des Neutechnikums Buchs und Mitglied verschiedener an- derer Stiftungen und Institutionen setze sich Otto Seger für Bildung und Kultur Liechtensteins ein. Sagenhaftes Engagement Otto Segers Tage müssen mehr als vierundzwanzig Stunden gehabt ha- ben.Wie sonst ist es zu erklären, dass er nebst seinem Engagement für Bil- dung und Kultur auch noch publizis- tisch unheimlich aktiv war. Unheim- lich nicht nur, was die Anzahl seiner vielseitigen Publikationen betrifft, sondern auch in seinen Lieblingsge- bieten: Die Welt der Sagen und die gruselige Zeit der Hexenverbrennun- gen. Sein Engagement um die Sagen Liechtensteins hat seiner Heimat ein unermessliches Erbe hinterlassen.Als Volkskundler und Autor der Jahrbü- cher des Historischen Vereins Liech- tensteins hat er aber auch viel über Vaduz und seine Heimat niederge- schrieben sowie zahlreiche Vorträge gehalten. Dass Otto Seger aber nicht nur ein gestrenger Lehrer und akribischer Forscher war, zeigen seine zwei hu- morvollen Schriften «Liechtenstein einmal anders» und «Lachendes Liechtenstein», aus denen auch heute in manch geselliger Runde zitiert wird. Otto Seger starb am 8. März 1988 nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 81 Jahren. Quellen: Jahrbuch des Historischen Vereins für das Fürstentum Liechtenstein (Band 88). Archive Liechtensteiner Vaterland und Liechtensteiner Volksblatt. Krisenzeiten Band 1, Peter Geiger. «Eintracht» (Liechten- steinische Trachtenvereinigung) Nr. 10, De- zember 1995. Der Herr der Sagen Meine erste Begegnung mit Professor Otto Seger hatte ich als Realschüler in Vaduz. Ich erlebte ihn als sehr stren- gen, aber fairen und kompetenten Lehrer. Seine korrekte Strenge war aber immer mit einer grossen Portion Humor gespickt und so haben wir zum Beispiel alljährlich eine Fas- nachtszeitung mit unserer Klasse ge- macht. Mir hat es schon als Bursche gefallen, dass wir uns im Unterricht viel mit der reichen Sagenwelt Liech- tensteins befasst haben. Ohne ihn wä- re wohl manche Sage in Vergessenheit geraten. Besonders in Erinnerung bleibt mir ein Band mit selbst gesammelten, handgeschriebenen Sagen, den wir dem damaligen Fürsten Franz Josef überreichen durften. In meinem be- ruflichen Leben habe ich auch immer wieder mit Otto Seger Kontakt ge- habt.Ihm lag in weiser Voraussicht die berufliche Weiterbildung als Berufs- berater und Mitinitiant des Abend- technikums – aus dem heute die Hochschule Liechtenstein geworden ist – sehr am Herzen und er hat auch in dieser Hinsicht für unser Land Wertvolles geleistet. Der richtige Mann Als ich 1952 nach Liechtenstein zur PAV gekommen bin, war ich nicht der einzige Ingenieur, der aus dem Aus- land zugezogen worden ist, um die liechtensteinische Industrie bei ihrem Aufbau zu unterstützen. Junge Liech- tensteiner mit einer adäquaten Aus- bildung gab es damals zu wenig. Dass so auf die Dauer in Wirtschaft und In- dustrie ein ungutes Gleichgewicht zwischen qualifizierten Gastarbei- tern und noch zu wenig ausgebildeten Einheimischen entstanden wäre, sa- hen an vorderster Front Otto Seger und Josef Sprenger.Diesen beiden vo- rausschauenden Männern ist es zu verdanken, dass Liechtenstein damals zu einem Abendtechnikum im eige- nen Land gekommen ist. Über das Abendtechnikum, an dem ich auch unterrichten durfte, als Mitarbeiter der PAV und auch später als Gründer der Gravo-Optic, habe ich oft mit Ot- to Seger beruflichen Kontakt gehabt. Er war genau der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort und ich denke, dass Liechtensteins Wirtschaft ihm in punkto berufliche Weiterbildung sehr viel zu verdanken hat. Brückenbauer Mit der Person von Professor Otto Seger verbinde ich vor allem ein Ge- fühl von Dankbarkeit. In der Ab- schlussklasse der Realschule Vaduz wurde er 1965 unser Deutschlehrer. Von unseren Vorgängern und Vorgän- gerinnen wurden wir auf strenge Zei- ten vorbereitet. Dies stimmte auch: Die Anzahl der zu schreibenden Auf- sätze, der Umfang der Pflichtlektüre und die mit spitzfindigen Ausnahmen gespickten Diktate beeindruckten uns alle. Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir aber, dass Professor Seger neben seiner Lehrertätigkeit der berufliche Werdegang seiner Schüler und Schülerinnen sehr wich- tig war. In diesem Zusammenhang habe ich Otto Seger als Wegebner und Brü- ckenbauer zwischen einem offenen, aber im Mittelschulwesen noch uner- fahrenen Elternhaus erlebt. So hat er im Januar den Weg mit dem Velo nach Sargans nicht gescheut, um eine «langsame Balznerin» verspätet zur Aufnahmeprüfung an die Kantons- schule anzumelden und die Schullei- tung zu überzeugen, diese Anmel- dung noch anzunehmen. Historische Qualität Otto Seger hat in ausländischen Ar- chiven viele unbekannte Quellen auf- gespürt und damit Licht ins Dunkel unserer Vergangenheit gebracht.Wohl einmalig bleibt, wie er für unser Land ein Original des zweifach im Staatsar- chiv in Wien liegenden Vertrages von 1699 über den Kauf der Herrschaft Schellenberg vermittelt hat. Beein- druckend ist nicht allein der Umfang, sondern vor allem die Art und Quali- tät der historischen Arbeiten von Ot- to Seger. Er hat es verstanden, Ge- schichtsquellen mit erstaunlicher Sorgfalt und Sachkenntnis zusam- menzutragen, daraus das Wesentliche zu erfassen und Bilder der Geschich- te mit grosser Anschaulichkeit und epischer Kraft zu zeichnen. Er besass die glänzende Gabe des Erzählens und Nacherzählens und liess in seinen Schriften Menschen und Urkunden erzählen. Mit seinem Interesse auch für unscheinbare Dinge des Alltags, für das Schicksal der einfachen Leute in der Vergangenheit, hat er Anliegen der modernen Geschichtswissen- schaft vorweggenommen. (Aus der Traueransprache von Alois Ospelt 1988) Andreas Vogt, Balzers. Alois Ospelt, Vaduz. Fritz Helferich, Triesen. Elfriede Quaderer, Schaan. Professor Otto Seger hat ein grosses Erbe hinterlassen: Er hat unzählige Publika- tionen über Geschichte, Sagen und Berufsbildung verfasst sowie das Abendtech- nikum gegründet. Bild Liechtensteinisches Landesarchiv

Transcript of PERSÖNLICHKEITEN, DIE LIECHTENSTEIN PRÄGTEN · PDF fileOtto Seger ist dies gleich in...

Page 1: PERSÖNLICHKEITEN, DIE LIECHTENSTEIN PRÄGTEN · PDF fileOtto Seger ist dies gleich in zwei Bereichen gelungen: In der Bildung, vor allem der beruflichen Weiter- ... Band 1, Peter

SERIE LIECHTENSTEINER VATERLAND | DIENSTAG, 22. AUGUST 2006 19

Pionier der beruflichen BildungPERSÖNLICHKEITEN, DIE LIECHTENSTEIN PRÄGTEN

Manchen Menschen gelingt es,sich während ihres Lebens einDenkmal zu setzen. Otto Segerist dies gleich in zwei Bereichengelungen: In der Bildung, vorallem der beruflichen Weiter-bildung, und in der Welt der Sagen seiner Heimat.

Von Jnes Rampone-Wanger

Die Bücher, welche Otto Seger zeitle-bens geschrieben hat, füllen in derLiechtensteinischen Landesbiblio-thek eine ganze Reihe Regale. Erforschte, recherchierte und schriebüber die Geschichte seiner Heimat,Bildung- und Weiterbildung, die Weltder Sagen, Liechtensteins Unterneh-men, den Zollvertrag, Münzen undNotgeld oder auch den Automobil-club Liechtensteins. Dabei war OttoSeger schon fast vierzig Jahre alt, alser nach Liechtenstein übersiedelte.Geboren wurde er am 20. Februar1907 in Schottwien am Semmering,wo sein Vater Adolf Fürstlich Liech-tensteinischer Förster war. Seine Mut-ter Hedwig war eine geborene Real.Bald nach Otto Segers Geburt über-siedelte die Familie nach Schlesienund 1919 nach Böhmen. Nach demErsten Weltkrieg wurde Adolf SegerForstmeister in Mödling bei Wien.Nach der Matura studierte Otto SegerGermanistik und Geschichte und ar-beitete anschliessend in Wien als Leh-rer für Knaben. 1937 heiratete er Ger-da Rittler aus Wien, mit der er die bei-den Kinder Ulrich und Elisabeth hat-te.Tiefe Trauer kam über die Familie,als Sohn Ulrich bei einem Bergunfallam Mont-Blanc erst 19jährig ums Le-ben kam.

Leben in Kriegszeiten Mit 31 Jahren wurde Otto Seger Di-rektor des Gymnasiums in Bregenzund ein Jahr darauf auch des Mäd-

Und was bleibt?Professor Otto Seger hat Liechten-stein ein grosses Erbe hinterlassen.Er hat während mehr als vierzigJahren, in denen er in Liechten-stein lebte und arbeitete, unzähli-ge Publikationen über Geschichteund Berufsbildung verfasst sowiedas Abendtechnikum gegründet.Zudem kann Liechtenstein dankOtto Seger über eine umfassendeSagensammlung verfügen.

***** Die kommende Ausgabe der «Va-terland»-Serie «Persönlichkeiten,die Liechtenstein prägten» wid-men wir am Dienstag, 5. Septem-ber, Max Auwärter, Gründer derBalzers AG.

Bisher sind erschienen:

• David Beck 23.8.05• Guido Feger 6.9.05• Alexander Frick 20.9.05• Fabriklerinnen 4.10.05• Josef G. Rheinberger 18.10.05• Josef Sele 8.11.05• Dr. Martin Risch 29.11.05• Dr. Ludwig Grass 6.12.05• Alma Batliner-Nutt 20.12.05• Anton Frommelt 3.1.06• Martin Hilti 17.1.06• Peter Büchel 31.1.06• Dr. Emil Beck 14.2.06• Hans Ritter 7.3.06• Dr. Wilhelm Beck 14.3.06• Eugen Bühler 28.3.06• Angela Wachter 11.4.06• Dr. Alois Vogt 25.4.06• Peter Kaiser 9.5.06• Gustav Ospelt 23.5.06• Johann Georg Helbert 7.6.06• Josef Hoop 20.6.06• Maria von Haberler 4.7.06

chengymnasiums Bregenz. Otto Se-ger muss sich damals stark mit demGedankengut der Nationalsozialistenidentifiziert haben. Zeitzeugen be-richten, dass er die deutsche Uniformtrug und mit seiner Einstellung nichthinter dem Berg gehalten habe. Dassseine Umsiedlung nach Liechtensteinim Jahre 1946 nur auf Heimatgefühlezurückzuführen ist, lässt sich unterdiesen Umständen schwer nachvoll-ziehen. Otto Seger bekam jedenfallsin Vaduz, wo er fortan auch wohnte,eine Stelle als Gewerbesekretär.Schon schnell sah der breit gebildeteMann, dass er sein Wissen in Liechten-stein in vielfältiger Weise einsetzenkonnte. Bereits 1948 gründete er dieBerufsberatungsstelle, in der er bis1966 auch nebenamtlich tätig war.Danach wurde die Arbeit in der Be-rufsbildung zu intensiv, um zusätzlichauch noch als Reallehrer tätig zu sein.Nach 15 Jahren als Lehrer an der Re-alschule Vaduz trat er ganz in die Be-rufsbildung ein. Bereits 1968 konnteLiechtenstein erstmals an den Inter-nationalen Berufswettbewerben teil-nehmen.

Vater des Abendtechnikums Nach dem Zweiten Weltkrieg wuchsnicht nur der Wohlstand Liechten-steins, auch der Bildungshunger jun-ger Berufsleute stieg. Während vieleaufstrebende Industriebetriebe Fach-leute aus dem Ausland anheuernmussten, blieben den Liechtensteine-rinnen und Liechtensteinern meistnur die einfacheren Stellen. Initiativejunge Berufsleute konnten zwar imbenachbarten Ausland Abendtechni-ka besuchen, mussten dazu aber ei-nen riesigen zeitlichen Aufwand inKauf nehmen. Otto Seger war 1961federführend daran beteiligt, dassLiechtenstein ein Abendtechnikumbekam. Über zwanzig Jahre lang leitete er die Schule und verhalf ihr zu einem weit über Liechtenstein

hinausgehenden erstklassigen Ruf.Würde Otto Seger heute noch leben,könnte er mit Stolz sehen, dass ausseinem Abendtechnikum die Hoch-

schule Liechtenstein geworden ist. Imgleichen Jahr wie das Abendtechni-kum wurde auch die Liechtensteini-sche Landesbibliothek gegründet, für

die er sich massgeblich einsetzte. Bis1975 war er Stiftungsrat der Biblio-thek. Aber auch als Präsident derLehrlingskommission, Mitglied desTechnikumsrates des NeutechnikumsBuchs und Mitglied verschiedener an-derer Stiftungen und Institutionensetze sich Otto Seger für Bildung undKultur Liechtensteins ein.

Sagenhaftes Engagement Otto Segers Tage müssen mehr alsvierundzwanzig Stunden gehabt ha-ben.Wie sonst ist es zu erklären, dasser nebst seinem Engagement für Bil-dung und Kultur auch noch publizis-tisch unheimlich aktiv war. Unheim-lich nicht nur, was die Anzahl seinervielseitigen Publikationen betrifft,sondern auch in seinen Lieblingsge-bieten: Die Welt der Sagen und diegruselige Zeit der Hexenverbrennun-gen. Sein Engagement um die SagenLiechtensteins hat seiner Heimat einunermessliches Erbe hinterlassen.AlsVolkskundler und Autor der Jahrbü-cher des Historischen Vereins Liech-tensteins hat er aber auch viel überVaduz und seine Heimat niederge-schrieben sowie zahlreiche Vorträgegehalten.

Dass Otto Seger aber nicht nur eingestrenger Lehrer und akribischerForscher war, zeigen seine zwei hu-morvollen Schriften «Liechtensteineinmal anders» und «LachendesLiechtenstein», aus denen auch heutein manch geselliger Runde zitiertwird.

Otto Seger starb am 8. März 1988nach langer, schwerer Krankheit imAlter von 81 Jahren.

Quellen: Jahrbuch des Historischen Vereinsfür das Fürstentum Liechtenstein (Band 88).Archive Liechtensteiner Vaterland undLiechtensteiner Volksblatt. KrisenzeitenBand 1, Peter Geiger. «Eintracht» (Liechten-steinische Trachtenvereinigung) Nr. 10, De-zember 1995.

Der Herr der SagenMeine erste Begegnung mit ProfessorOtto Seger hatte ich als Realschüler inVaduz. Ich erlebte ihn als sehr stren-gen, aber fairen und kompetentenLehrer. Seine korrekte Strenge waraber immer mit einer grossen PortionHumor gespickt und so haben wirzum Beispiel alljährlich eine Fas-nachtszeitung mit unserer Klasse ge-macht. Mir hat es schon als Burschegefallen, dass wir uns im Unterrichtviel mit der reichen Sagenwelt Liech-tensteins befasst haben. Ohne ihn wä-re wohl manche Sage in Vergessenheitgeraten.

Besonders in Erinnerung bleibt mirein Band mit selbst gesammelten,handgeschriebenen Sagen, den wirdem damaligen Fürsten Franz Josefüberreichen durften. In meinem be-ruflichen Leben habe ich auch immerwieder mit Otto Seger Kontakt ge-habt. Ihm lag in weiser Voraussicht dieberufliche Weiterbildung als Berufs-berater und Mitinitiant des Abend-technikums – aus dem heute dieHochschule Liechtenstein gewordenist – sehr am Herzen und er hat auchin dieser Hinsicht für unser LandWertvolles geleistet.

Der richtige MannAls ich 1952 nach Liechtenstein zurPAV gekommen bin, war ich nicht dereinzige Ingenieur, der aus dem Aus-land zugezogen worden ist, um dieliechtensteinische Industrie bei ihremAufbau zu unterstützen. Junge Liech-tensteiner mit einer adäquaten Aus-bildung gab es damals zu wenig. Dassso auf die Dauer in Wirtschaft und In-dustrie ein ungutes Gleichgewichtzwischen qualifizierten Gastarbei-tern und noch zu wenig ausgebildetenEinheimischen entstanden wäre, sa-hen an vorderster Front Otto Segerund Josef Sprenger.Diesen beiden vo-rausschauenden Männern ist es zuverdanken, dass Liechtenstein damalszu einem Abendtechnikum im eige-nen Land gekommen ist. Über dasAbendtechnikum, an dem ich auchunterrichten durfte, als Mitarbeiterder PAV und auch später als Gründerder Gravo-Optic, habe ich oft mit Ot-to Seger beruflichen Kontakt gehabt.Er war genau der richtige Mann zumrichtigen Zeitpunkt am richtigen Ortund ich denke, dass LiechtensteinsWirtschaft ihm in punkto beruflicheWeiterbildung sehr viel zu verdankenhat.

BrückenbauerMit der Person von Professor OttoSeger verbinde ich vor allem ein Ge-fühl von Dankbarkeit. In der Ab-schlussklasse der Realschule Vaduzwurde er 1965 unser Deutschlehrer.Von unseren Vorgängern und Vorgän-gerinnen wurden wir auf strenge Zei-ten vorbereitet. Dies stimmte auch:Die Anzahl der zu schreibenden Auf-sätze, der Umfang der Pflichtlektüreund die mit spitzfindigen Ausnahmengespickten Diktate beeindrucktenuns alle. Besonders im Gedächtnisgeblieben ist mir aber, dass ProfessorSeger neben seiner Lehrertätigkeitder berufliche Werdegang seinerSchüler und Schülerinnen sehr wich-tig war.

In diesem Zusammenhang habe ichOtto Seger als Wegebner und Brü-ckenbauer zwischen einem offenen,aber im Mittelschulwesen noch uner-fahrenen Elternhaus erlebt. So hat erim Januar den Weg mit dem Velo nachSargans nicht gescheut, um eine«langsame Balznerin» verspätet zurAufnahmeprüfung an die Kantons-schule anzumelden und die Schullei-tung zu überzeugen, diese Anmel-dung noch anzunehmen.

Historische QualitätOtto Seger hat in ausländischen Ar-chiven viele unbekannte Quellen auf-gespürt und damit Licht ins Dunkelunserer Vergangenheit gebracht.Wohleinmalig bleibt, wie er für unser Landein Original des zweifach im Staatsar-chiv in Wien liegenden Vertrages von1699 über den Kauf der HerrschaftSchellenberg vermittelt hat. Beein-druckend ist nicht allein der Umfang,sondern vor allem die Art und Quali-tät der historischen Arbeiten von Ot-to Seger. Er hat es verstanden, Ge-schichtsquellen mit erstaunlicherSorgfalt und Sachkenntnis zusam-menzutragen, daraus das Wesentlichezu erfassen und Bilder der Geschich-te mit grosser Anschaulichkeit undepischer Kraft zu zeichnen. Er besassdie glänzende Gabe des Erzählensund Nacherzählens und liess in seinenSchriften Menschen und Urkundenerzählen. Mit seinem Interesse auchfür unscheinbare Dinge des Alltags,für das Schicksal der einfachen Leutein der Vergangenheit, hat er Anliegender modernen Geschichtswissen-schaft vorweggenommen. (Aus derTraueransprache von Alois Ospelt1988)

Andreas Vogt, Balzers. Alois Ospelt, Vaduz.Fritz Helferich, Triesen. Elfriede Quaderer, Schaan.

Professor Otto Seger hat ein grosses Erbe hinterlassen: Er hat unzählige Publika-tionen über Geschichte, Sagen und Berufsbildung verfasst sowie das Abendtech-nikum gegründet. Bild Liechtensteinisches Landesarchiv