perspektiven - klinikum-karlsbad.de · Gemeinsam mit Moses Acquah organisierten Banya und Owoyele...

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Frische Ideen für Afrika Wie zwei Gründer afrikanischen Start-ups helfen, Partner in Deutschland zu finden. Willkommen im Leben Hebamme ist ein Beruf mit Leidenschaft – und Nachwuchsproblemen. Studieren, wie ich mag Frei und flexibel lernen – mit dem E-Campus der SRH Fernhochschule. MENSCHEN GESUNDHEIT BILDUNG Kochen gegen das Vergessen Kreative Therapien halten Demenzpatienten im Alltag möglichst lange fit. perspektiven MAGAZIN FÜR BILDUNG UND GESUNDHEIT 01 18

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Frische Ideen für Afrika

Wie zwei Gründer afrikanischen Start-ups helfen, Partner in Deutschland zu finden.

Willkommen im LebenHebamme ist ein Beruf mit Leidenschaft

– und Nachwuchsproblemen.

Studieren, wie ich magFrei und flexibel lernen – mit dem E-Campus

der SRH Fernhochschule.

M E N S C H E N G E S U N D H E I TB I L D U N G

Kochen gegen das VergessenKreative Therapien halten Demenzpatienten

im Alltag möglichst lange fit.

perspektivenM AG A Z I N F Ü R B I L D U N G U N D G E S U N D H E I T

01 18

MENSCHEN

BILDUNG

T I T E LT H E M A

Frische Ideen für AfrikaZwei Gründer haben in Berlin eine Konferenz ins Leben gerufen, da-mit afrikanische Start-ups Geschäftspartner in Deutschland finden.

Wilkommen im Leben Hebammen begleiten Eltern in einer der intensivsten Phasen des Lebens. Aber der Beruf aus Leidenschaft ist gefährdet.

Anpfiff für ein neues LebenAmir* flüchtete mit 16 Jahren allein von Afghanistan nach Deutsch-land. In Neckargemünd hat er ein neues Zuhause gefunden.

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Jetzt aber!Krankheit oder Unfall können einen aus der Bahn werfen. Experten der beruflichen Reha helfen, wieder Fuß zu fassen.

Studentenkolumne: #frischgedacht Bloggerin Alicia Riethmüller im Gespräch mit SWR-Fernsehmoderator und Humorist Pierre M. Krause.

Veränderung ist das ZielWarum es Zeit ist für einen neuen Umgang mit Weiterbildung.

Studieren, wie ich magLernen – überall und jederzeit. Das können Studenten mit dem E-Campus der SRH Fernhochschule.

Momentaufnahme Welche Erlebnisse oder Dinge verbinden Sie mit der SRH?

NachrichtenSRH Hochschule Hamm wird international / Beste Unterstützung für Helfer / Knochenmodell aus dem 3-D-Drucker / Schöner woh-nen für Azubis / Tumorpatienten schonend entlasten

16Studieren,

wie ich mag

4Frische Ideen

für Afrika

8Anpfiff für ein neues Leben

Inhalt

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* Name geändert

perspektiven 01/20182

IMPRESSUM

Herausgeber SRH Holding (SdbR) Bonhoefferstraße 1 69123 Heidelberg www.srh.de Nils Birschmann, Direktor Kommunikation Redaktion (SRH) und Kontakt Christiane Wolf, SRH Holding Telefon: 0 62 21/82 23-123 Fax: 0 62 21/82 23-06123 E-Mail: [email protected]

Redaktion und Gestaltung Siccma Media GmbH, Köln, www.siccmamedia.de Redaktionelle Umsetzung: Ulrike Heitze, Katja Stricker Autoren: Liane Borghardt, Melanie Contoli, Kirstin von Elm, Anne-Christin Giesen, Katrin Heine, Ulrike Heitze, Katja Stricker Comic: Ulrich Schmidt-Contoli Art-Direction/Gestaltung: Periodical.de Bildredaktion: Karin Aneser Druck abcdruck GmbH, Heidelberg, www.abcdruck.de Erscheinungsweise vier Ausgaben pro Jahr (jeweils 23.000 Exemplare)

Alle Rechte vorbehalten. Reproduktion nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Herausgebers und der Redaktion. Für unverlangt eingesandtes Material übernimmt die Redaktion keine Gewähr.Redaktionsschluss dieser Ausgabe: 12. März 2018. Die nächste Ausgabe von perspektiven erscheint im Juli 2018.

Fotos: Heinrich Voelkel / Agentur Ostkreuz, Dominik Butzmann, Andreas Reeg, Roger Hagmann Titelfoto: Dominik Butzmann

GESUNDHEIT

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Kochen gegen das VergessenKreative Therapien können helfen, Menschen mit Demenz im Alltag möglichst lange fit zu halten.

Vom Menschen aus denkenIdeen für eine Gesundheitspolitik der Zukunft.

Manchmal geht’s auch ohne WunderWie moderne Medizin Querschnittpatienten helfen kann.

Mini-Implantat gegen grünen StarEine neue minimalinvasive Methode verspricht Linderung bei einem Glaukom.

Auf die Stärken besinnenDemografie, Digitalisierung, Nachwuchsmangel: Krankenhäuser auf dem Land stehen vor großen Herausforderungen.

OrtsterminDem unternehmerischen Nachwuchs Raum geben – in Berlin. Eine Kolumne von SRH Chef Christof Hettich.

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28Manchmal geht’s

auch ohne Wunder

22Kochen gegendas Vergessen

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Der Masterstudiengang Entrepreneurship wird an der

SRH Hochschule Berlin seit

2012 angeboten, Unterrichts­

sprache ist Englisch. Ein Groß­

teil der Studenten kommt aus

Ländern außerhalb der EU. Das

zweijährige Programm zielt da­

rauf ab, seine eigene Geschäfts­

idee zu entwickeln und um­

zusetzen. Seit 2017 können die

Studenten der drei Berliner

SRH Hochschulen im Start­up

Lab gemeinsam an ihren Pro­

jekten arbeiten und Kontakte

knüpfen. Details dazu lesen Sie

auch auf Seite 34.

www.srh­hochschule­berlin.de

Text Kirstin von Elm Fotos Dominik Butzmann

Zwei Biografien – ein ZielErfahrungen vermitteln, damit kennt Banya sich aus. 2004 trat er als junger Mann in die nationale Armee ein, die sich gerade im Wiederaufbau befand. Dort absol­vierte er ein Bachelorstudium in Computer­ und Informa­tionssicherheit und bildete anschließend Rekruten und junge Offiziere an der Militärakademie aus. 2010 ging der Westafrikaner als Verbindungsoffizier für die ge­meinsame Friedensmission der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen nach Ostafrika. Als Vermittler zwischen Soldaten und zivilen Kräften war er in Uganda, Tansania und im Sudan im Einsatz. Im Frühjahr 2015 schrieb er sich für das Masterstudium in Berlin ein: „Nach so vielen Jahren im Dienst meines Landes wollte ich mir endlich ein Leben als Unternehmer aufbauen und selbstständig sein“, erklärt der dreifache Familienvater.

Das möchte auch Obadamilola Owoyele. Die 26­jährige Nigerianerin hat in Lagos einen Bachelor in

Obadamilola Owoyele (l.) und Bockarie Sama Banya haben sich beim Studium

in Berlin kennengelernt.

Zwei Jungunternehmer aus Nigeria und Sierra Leone haben in Berlin eine Konferenz ins Leben gerufen, damit afrikanische Start-ups Geschäftspart-ner in Deutschland finden.

Frische Ideen für Afrika

Auf den ersten Blick könnten die beruflichen Wege von Bockarie Sama Banya und Obadamilola Owoyele kaum unterschiedlicher sein. Der 41­jährige Banya stand viele Jahre als Offizier im Dienst seines Heimatlandes Sierra Leone. Die 26­jährige Finanzbuchhalterin Owoyele kommt aus Nigeria und träumt von einer eigenen Agen­tur als Hochzeitsplanerin. Gekreuzt haben sich ihre Wege 2015 in Berlin.

Als Studenten des Masterstudiengangs Entrepreneurship an der SRH Hochschule Berlin haben sie gelernt, wie man erfolgreich gründet – und ihr frisch erworbenes Wissen bereits gemeinsam in die Tat um­gesetzt. Mit ihrer Konferenz Afrolynk und der E­Com­merce­Plattform Dukanii wollen sie das europäische In­teresse auf afrikanische Start­ups sowie innovative Geschäftsideen aus und für Afrika lenken: „Wir möchten für afrikanische Gründer eine Brücke zur boomenden Berliner Gründerszene schlagen“, sagt Banya.

4 perspektiven 01/2018

Menschen Afrikanische Gründer in Berlin

„Ich war neugierig und offen für alles.“

Bockarie Sama Banya, Organisator der Afrolynk­Konferenz

Die Afrolynk bringt seit

2016 jährlich im Microsoft Atri­

um in Berlin Gründer zusam­

men, das nächste Mal am

31. August 2018. Die Konferenz

will die Innovationskraft junger

afrikanischer Unternehmen

sichtbar machen und ihnen zu

den notwendigen Kontakten

verhelfen, um ihre Geschäfts­

ideen voranzubringen. Start­ups

aus und für Afrika haben hier

die Gelegenheit, sich potenziel­

len Inves toren und Geschäfts­

partnern zu präsentieren.

www.afrolynk.com

Rechnungswesen abgeschlossen und könnte jederzeit bei ihrem Vater einsteigen, der eine Kanzlei für Finanz­buchhaltung betreibt. Doch ihre wahre Leidenschaft ist es, Menschen zusammenzubringen und besondere Events zu organisieren. Im Freundes­ und Familienkreis hat sie bereits einige Hochzeitsfeiern geplant: „In Nigeria ist das ein einzigartiges Ereignis“, sagt sie, „zur Hochzeit meiner Schwester kamen 800 Gäste.“ Mit jeder gelunge­nen Feier reifte in der jungen Frau der Wunsch, sich als Eventmanagerin selbstständig zu machen. Das englisch­sprachige Masterprogramm für angehende Gründer in Berlin schien ihr dafür die ideale Vorbereitung zu sein.

Das kreative Potenzial Afrikas fördernIm Gegensatz zu seiner Kommilitonin hatte Banya bei seiner Ankunft in Berlin keine konkrete Geschäftsidee im Gepäck: „Ich war neugierig und offen für alles, wusste aber noch nicht, welche Art von Unternehmen ich grün­den wollte“, erinnert sich der 41­Jährige. Doch das Pro­gramm und die Berliner Start­up­Szene zeigten Wirkung: An der Hochschule knüpfte Banya schnell Kontakte und startete eine Facebook­Gruppe für afrikanische Gründer.

Die Mitgliederzahlen stiegen rasant und Banya hatte seine Mission gefunden: ein professionelles For­mat, um afrikanische Gründer in die internationale Start­up­Szene einzubinden und den Blick von Investoren auf das Potenzial des Kontinents zu lenken. „Es ist wichtig, nicht immer nur die Schattenseiten Afrikas mit Krisen und Konflikten zu sehen“, sagt er, „sondern auch die vielen kreativen Geschäftsideen, die auf dem afrikani­schen Kontinent jeden Tag geboren werden.“

Gemeinsam mit Moses Acquah organisierten Banya und Owoyele im November 2016 die erste Afrolynk-Konferenz. Ihren Co­Gründer Acquah lern­ten die beiden Studenten bei einer Veranstaltung in Ber­lin kennen. Der IT­Spezialist aus Ghana kann bereits auf eine internationale Karriere in der Technologiebranche zurückblicken und arbeitet heute bei einem Risikokapi­talgeber mit Fokus auf Afrika. In nur drei Monaten stell­ten die drei ein hochkarätiges Konferenzprogramm mit mehr als 100 Vorträgen und Präsentationen auf die Bei­ne. „Ich habe ununterbrochen telefoniert, wo ich ging und stand“, sagt Cheforganisatorin Owoyele. Sie war nicht nur für die Visa für die afrikanischen Referenten, die Werbung und den Ticketvorverkauf zuständig, son­dern hatte jedes Detail zum zeitlichen Ablauf am Kon­ferenztag im Blick. „Da hat mir meine Erfahrung als Hochzeitsplanerin in meiner Heimat sehr geholfen.“

Der Einsatz hat sich gelohnt: Die Konferenz ist in­zwischen eine feste Größe. Nach 100 Gästen zur Pre­miere kamen 2017 bereits rund 300 Teilnehmer ins Ber­liner Microsoft Atrium, um sich auszutauschen und

Geschäftspartner und Investoren für sich zu gewinnen. Nicht nur der Zugang zu Kapital stellt für afrikanische Gründer einen Engpass dar: „Auch die Energieversor­gung ist oft eine große Herausforderung“, erklärt Konfe­renzteilnehmer Elvis Acheampong aus Ghana. 2017 hat der Geologe und Umweltschützer bei Afrolynk verschie­dene Unternehmen kennengelernt, die nachhaltige Ener­giekonzepte für den afrikanischen Markt entwickeln. In Berlin konnte er neue Kontakte knüpfen, um die Ener­gieprobleme seines jungen Recyclingunternehmens für Elektroschrott anzugehen.

In puncto Mentorenschaft könne Ghana genau wie andere afrikanische Länder von Deutschland lernen, so sein Fazit. Veranstaltungen wie Afrolynk könnten mehr afrikanische Absolventen zum Gründen inspirieren – und neue Jobs für andere junge Leute schaffen. Schon heute leben rund eine Milliarde Menschen auf dem Kon­tinent, jeder Zweite von ihnen jünger als 25. Mehr Inno­vationen und privates Unternehmertum seien unerläss­lich, damit sie in ihrer Heimat auf Dauer eine Perspektive hätten, betonten unter anderem Vertreter des Auswärti­gen Amtes auf der Konferenz.

2018 wird die Afrolynk bereits zum dritten Mal Besucher aus Europa und Afrika zusammenbringen: „Zu sehen, dass unsere Studenten so etwas auf die Beine stellen, ist sehr beeindruckend und genau das, was wir uns wünschen“, sagt Sigrid Peuker, Leiterin des SRH Start­up Labs Berlin und Dozentin im Masterstudiengang Entrepreneurship. Auch wenn Banya und Owoyele ihr Studium in­zwischen erfolgreich abgeschlossen haben, trifft sie die beiden regelmäßig im Start­up Lab. Dort treiben sie ein weiteres Grün­dungsprojekt voran: Die E­Commerce­Platt­form Dukanii (zu Deutsch: Laden) soll eine afrikanische Handelsplattform für Waren, Geschäftskontakte, Events und Dienstleistungen werden. „Quasi das afrikanische Pendant zur erfolgreichen chinesischen On­line­Plattform Alibaba“, sagt Owo­yele. Vielleicht wird dort bald auch eine Eventagentur in Lagos, Nigeria eingetragen. Die SRH Hochschule Berlin ist jedenfalls schon gelistet.

Im SRH Start­up Lab Berlin ar­beiten die Gründer ständig an neuen Projekten – manchmal dabei: Banyas kleine Tochter.

Afrikanische Gründer in Berlin Menschen

Hebamme aus Leidenschaft: Seit 28 Jahren unterstützt Ulrike Baumbach Frauen vor, während und nach der Geburt. Aber hohe Versicherungsprämien und neue Verordnungen bereiten vielen Beleghebammen Sorgen.

Willkommen im Leben

Text Katja Stricker Fotos Roger Hagmann

Das SRH Krankenhaus Waltershausen-Friedrich roda

mit 185 Betten verfügt über

sechs Fachabteilungen und be-

treut mehr als 27.000 Patienten

pro Jahr. Die Klinik ist zudem

akademisches Lehrkrankenhaus

der Philipps-Universität Marburg.

Jährlich begleitet ein Team von

fünf Beleghebammen rund 450

Geburten und kümmert sich um

Vor- und Nachsorge.

www.krankenhaus-waltershau-

sen-friedrichroda.de

acht bis acht, jeweils zwei Tage in der Woche. Die Be-leghebammen sind freiberuflich tätig und rechnen ihre Leistungen, die sie im Krankenhaus erbringen, direkt mit den Krankenkassen ab. Darüber hinaus betreut jede Hebamme junge Eltern und ihre Neugeborenen nach der Geburt, macht Hausbesuche, untersucht Frauen in der Schwangerschaft und bietet Geburtsvorbereitungs- und Rückbildungskurse an.

Im Dauereinsatz Ein abwechslungsreicher, aber auch fordernder Job-alltag. Ein Beispiel: Es ist acht Uhr morgens. Gerade hat Ulrike Baumbach ihren 24-Stunden-Dienst in der Klinik

Es ist der wohl intensivste und wertvollste Moment im Leben: die Geburt eines Kindes. Wenn nach neun Mona-ten Schwangerschaft und oft stundenlangen Wehen endlich der erste Schrei den Kreißsaal erfüllt, ist das pu-res Glück für die Eltern. Ulrike Baumbach und ihre Kolle-ginnen begleiten sie in dieser besonderen Zeit.

Ulrike Baumbach ist Hebamme aus Leidenschaft, und das seit gut 28 Jahren. Gemeinsam mit vier weite-ren Beleghebammen sorgt sie dafür, dass auf der Ge-burtsstation des SRH Krankenhauses Waltershau-sen-Friedrichroda jedes Jahr rund 450 Neugeborene das Licht der Welt erblicken können. Im Wechsel arbei-tet das Team in 24-Stunden-Diensten in der Klinik: von

6 perspektiven 01/2018

beendet und in dieser Zeit zwei Entbindungen begleitet. „Parallel wurde eine Schwangere mit Blasensprung ein-geliefert, die aber noch auf der Station ist und auf die Wehen wartet“, erzählt die 49-Jährige. So flitzt sie vom Kreißsaal rüber auf die Wochenstation, um dort nach dem Rechten zu sehen, und wieder zurück zu den Ge-burten, die schon in vollem Gange sind. An Schlaf oder eine kurze Ruhepause ist da nicht zu denken.

Dennoch wartet auf Ulrike Baumbach nach dem Dienst in der Klinik nicht das heimische Bett, sondern ein frischgebackenes Elternpaar. „Ich mache jetzt drei Haus-besuche, um zu sehen, ob der Bauchnabel des Babys gut verheilt, das Stillen klappt und sich die Mutter auch aus-reichend schont im Wochenbett“, sagt die Hebamme und fügt lachend hinzu: „Geschlafen wird später.“ Denn am frühen Abend steht erst noch ein Geburtsvorberei-tungskurs an. Ein langer Arbeitstag.

Ein Baby kommt, wenn es kommtMit den zwei Bereitschaftsdiensten in der Klinik als Be-leghebammen, Vor- und Nachsorge sowie Kursen haben Ulrike Baumbach und ihre Kolleginnen eine 60-Stun-den-Woche. Ein Grund, warum sich immer weniger jun-ge Frauen für diesen Beruf begeistern. Zumindest wenn es um die Geburtshilfe geht. „Viele scheuen sich wegen der Arbeitszeiten davor, Geburten zu begleiten. Aber eine Entbindung verläuft nicht nach Dienstplan – und ohne Nachtdienste und lange Schichten geht es nicht“, erklärt die Hebamme.

Ans Aufhören hat die Mutter von zwei mittler-weile erwachsenen Kindern dennoch nie gedacht: „Es fasziniert mich bis heute, Frauen im Kreißsaal zu beglei-ten. Die Geburt ist in unserer heutigen Zeit einer der we-nigen ursprünglichen Momente in unserem Leben“, sagt Baumbach. Und ihre Kollegin Eileen Thormeyer ergänzt: „Den Kindern zu einem guten Start ins Leben zu verhel-fen, ist das Herzstück unseres Jobs – und für mich immer wieder ein Glücksmoment.“

Doch die finanziellen und gesetzlichen Rahmen-bedingungen machen den Geburtshelferinnen das Leben schwer. „Ich habe seit Jahren das Gefühl, dass uns immer neue Steine in den Weg gelegt werden“, sagt Baumbach. Von 2002 bis 2017 haben sich die Haft-pflichtversicherungsprämien laut Hebammenverband mehr als verzehnfacht. Inzwischen muss eine Hebamme, die freiberuflich Geburtshilfe anbietet, über 8.000 Euro nur für ihre Berufshaftpflichtversicherung bezahlen.

Seit 1. Januar bereitet zudem eine neue Verord-nung der Krankenkassen den Beleghebammen Sorgen. Geht es nach den Kassen, sollen sie nur zwei Frauen gleichzeitig betreuen – und nur zwei Leistungen abrech-nen dürfen. „Das geht komplett an unserem Klinikalltag

vorbei, denn es ist selbstverständlich, dass wir uns um mehrere Frauen gleichzeitig kümmern. Ich schicke doch keine Schwangere mit Wehen weg“, sagt Baumbach. So machen sie und ihre Kolleginnen ihren Job weiter wie bisher, können nur nicht mehr alle Leistungen mit der Krankenkasse abrechnen.

Verstärkung gesuchtDa wundert es nicht, dass an vielen Orten Entbindungs-helfer fehlen. Schon heute haben werdende Eltern oft Schwierigkeiten, eine Hebamme für Vor- und Nachsorge in der Nähe zu finden. Krankenhäusern geht es nicht anders, betont Annett Gratz. Sie ist Geschäftsführerin des SRH Krankenhauses Waltershausen-Friedrichroda und würde gern eine weitere Beleghebamme für die Geburtsstation gewinnen. „Ich möchte unser Hebam-men-Team unterstützen – aber es ist nicht leicht, jeman-den zu finden“, sagt Gratz. Verstärkung muss spätestens in einigen Jahren her, wenn eine Kollegin in Rente geht.

Zurück im Kreißsaal: Wieder bringt eine junge Frau ein gesundes Kind mithilfe von Ulrike Baumbach zur Welt. Erleichterung und Tränen vor Glück in den Au-gen der Eltern. „In solchen Momenten weiß ich, warum ich meinen Job mache – und liebe.“

Hebamme werden

Die Hebammenausbildung dauert in Deutschland drei Jahre. Gelernt wird an staat-

lich anerkannten Hebammenschulen. Sie besteht zu einem Drittel aus Theorie und

zu zwei Dritteln aus praktischer Ausbildung. Daher sind die Schulen an Kranken-

häuser angegliedert.

Darüber hinaus werden derzeit in Deutschland an vier Hochschulen Studi-

engänge im Fach „Hebammenkunde“ angeboten. Das Vollzeitstudium inklusive Ba-

chelorarbeit dauert acht Semester und hat einen ebenso hohen Praxisanteil wie die

Ausbildung an der Hebammenschule. Zudem gibt es ausbildungsergänzende und

berufsbegleitende Studienmodelle.

www.hebammenverband.de/beruf-hebamme

„Die Geburt ist heute einer der wenigen

ursprünglichen Momente in unserem Leben.“

Ulrike Baumbach, Beleghebamme am SRH Krankenhaus Waltershausen-Friedrichroda

Die Pinnwand mit Post von den glücklichen Eltern.

Hebamme: Arbeitslust und Arbeitsfrust Menschen

2015 durch den Iran und die Türkei bis nach Deutsch­land dauerte acht Wochen. Amir stieg fünfmal mit an­deren Flüchtlingen in der Türkei in ein Boot, um nach Griechenland zu kommen. Viermal verhinderten türki­sche Ordnungskräfte die Überfahrt, indem sie unter an­derem die Schlauchboote zerstörten, erzählt der heute 19­Jährige. Dabei hat er sein Handy mit allen Kontakten zu Familie und Freunden verloren.

Wo sich seine Eltern und Geschwister derzeit auf­halten, weiß er nicht. Nicht mal, ob sie noch leben. Er musste seine Heimat überstürzt verlassen, nachdem er von einem Besuch bei Freunden zurückkam und ein Nachbar ihn abfing. „Er hat gesagt, dass die Taliban mei­ne ganze Familie abgeholt haben und dass sie auch mich

Kicken ist Amirs Leidenschaft: Auf dem Platz vergisst der

junge Afghane seine Angst vor Abschiebung.

Wenn Amir* aus der Schule kommt, wirft er sich in sei­nem Zimmer aufs Bett, um Musik zu hören, oder er trifft sich mit seinen Freunden zum Fußballspielen. Ganz nor­mal für einen 19­Jährigen. Die Wohngruppe im SRH Berufsbildungswerk Neckargemünd ist in den vergangenen zwei Jahren zu seinem Zuhause geworden, seine Mitbewohner und Betreuer zu Vertrauten. Hier ist Amir, der mit 16 Jahren allein seine Heimat Afghanistan verlassen hat, endlich zur Ruhe gekommen. Der Alltag gibt ihm Halt.

Odyssee ins UngewisseDenn was er bisher erlebt hat, ist alles andere als normal für einen Teenager. Seine Flucht aus Afghanistan im Jahr

Das SRH Berufsbildungs-werk Neckargemünd bietet

außerbetriebliche Ausbildungen

in mehr als 40 Berufen und be­

rufsvorbereitende Programme

für Jugendliche und junge Er­

wachsene mit gesundheitlichen

Einschränkungen und/oder indi­

viduellem Förderbedarf. Außer­

dem leben in den Wohngruppen

derzeit 15 geflüchtete Jugend­

liche und junge Erwachsene, die

einen Schulabschluss anstreben

oder eine Ausbildung machen.

www.bbw­neckargemuend.de

Amir* flüchtete mit 16 Jahren allein von Afghanistan nach Deutschland. Hier hat er ein neues Zuhause gefunden und büffelt nun für den Hauptschulabschluss.

Anpfiff für ein neues Leben

Text Katrin Heine Fotos Andreas Reeg

8 perspektiven 01/2018

Menschen Geflüchteter Jugendlicher aus Afghanistan

In Deutschland leben derzeit rund 266.000 Men­

schen aus Afghanistan. Unter

den Asylsuchenden bildeten Af­

ghanen nach Syrern und Irakern

in den vergangenen Jahren die

drittgrößte Gruppe. Das gilt

auch für die unbegleiteten min­

derjährigen Geflüchteten.

1.500 junge Afghanen stellten

zum Beispiel 2016 einen Asyl­

antrag. Im Gegensatz zu Flücht­

lingen aus Syrien sind ihre

Chancen auf Asyl aber geringer,

da Afghanistan von der Bun­

desregierung als in Teilen sicher

eingestuft wird.

suchen“, erzählt der junge Afghane, der sich darauf­hin zur Flucht entschloss – allein.

Nach seiner Ankunft am Münchner Hauptbahn­hof im Herbst 2015 meldete sich der damals 16­Jährige bei einer befreundeten Familie, die in Mannheim lebt und ihn zu sich holte. Von dort kam er vier Monate spä­ter zum SRH Berufsbildungswerk Neckargemünd. Hier leben seit drei Jahren auch einige minderjährige Flücht­linge. Das Team des SRH Berufsbildungswerks unter­stützt sie dabei, in Deutschland Fuß zu fassen, einen Schulabschluss zu machen und eine Ausbildungsstelle zu finden.

Starthilfe in die Selbstständigkeit Eine Perspektive für Amir zu schaffen, darum kümmert sich seit gut zwei Jahren Vanessa Orth. Die Jugend­ und Heimerzieherin ist eine von vier Pädagogen, die Amir und seine sieben Mitbewohner betreuen. So sehen sich die beiden fast täglich. Einmal in der Woche treffen sie sich zusätzlich zum ausführlichen Gespräch. Dann pla­nen sie gemeinsam Amirs nächste Schritte in die Selbst­ständigkeit.

Orth hilft ihm dabei, Bewerbungen zu schreiben oder sich auf das nächste Gespräch mit seinem Anwalt vorzubereiten. Denn Amirs Asylantrag wurde abgelehnt. Im vergangenen Oktober reichte er Klage gegen den Be­scheid ein und bekam daraufhin eine befristete Aufent­haltsgestattung.

Zusammen mit den anderen Betreuern und Mit­bewohnern ist Vanessa Orth Amirs Ersatzfamilie gewor­den. Sie kocht mit den Jugendlichen und bereitet den 19­Jährigen darauf vor, auf eigenen Beinen zu stehen. Sie erklärt, warum er sein Taschengeld lieber sparen soll, als es auf den Kopf zu hauen, und hat ein offenes Ohr für Fragen und Sorgen. Amirs Stundenplan kennt Orth auswendig und seine berufliche Zukunft beschäftigt sie auch nach Dienstschluss. Der junge Mann hat hohe An­sprüche an sich selbst. „Ich möchte eine Ausbildung in der IT­Branche machen“, wünscht er sich. Aber dafür braucht er mindestens einen Realschulabschluss.

Vanessa Orth und ihre Kollegen im SRH Berufsbil­dungswerk Neckargemünd versuchen, Jugendlichen wie Amir ein Zuhause zu geben. Ohne diese Unterstützung ist die Integration für junge Menschen, hinter denen eine traumatisierende Flucht liegt, kaum zu meistern. „Ohne meine Familie ist alles schwerer. Ich vermisse sie sehr“, sagt der junge Afghane.

Mittlerweile spricht der Teenager gut Deutsch. Nur an der Grammatik und dem Lesen hapert es noch etwas. Daran müsse er arbeiten, damit er seinen Haupt­schulabschluss im Sommer schafft, hört er von seinen Lehrern. Mathe und Informatik sind seine Lieblingsfächer

in der Schule. Parallel zur Hauptschule absolviert der 19­Jährige derzeit ein Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf (VAB), einen Ausbildungsweg des Landes Baden­Würt­temberg, der Jugendlichen dabei helfen soll, einen pas­senden Beruf zu finden.

Ehrgeizige Pläne für die ZukunftDer Hauptschulabschluss ist Amirs nächstes Ziel. Damit, so seine große Hoffnung, bekommt er einen Ausbil­dungsplatz und seiner Klage gegen den abgelehnten Asylantrag wird stattgegeben.

„Amir schläft schlecht, denn der Druck ist hoch“, erzählt Vanessa Orth. „Der Abschluss ist wichtig, wenn er in Deutschland bleiben und sich hier ein Leben auf­bauen will.“ Deshalb verbringt der junge Mann viele Stunden damit, Deutsch zu büffeln, und schreibt neben­bei Bewerbungen, um einen Praktikumsplatz zu finden.

Die Angst vor einer möglichen Abschiebung raubt dem Schüler viel Energie. „Ich kann nicht zurück nach Afghanistan. Ich habe dort niemanden mehr“, sagt er. In Deutschland hat er mittlerweile viele Freunde ge­funden. Sein Vorteil: Sowohl in seiner Wohngruppe als auch in seiner Klasse leben und lernen Deutsche und Geflüchtete gemeinsam. In seiner knappen Freizeit spielt Amir am liebsten Fußball. Aus welchem Land man kommt, ist auf dem Platz egal. „Amir meistert seinen Alltag sehr selbstständig, da mache ich mir keine Sor­gen“, beschreibt Vanessa Orth ihren Schützling. Woran es ihm mangele, sei die Geduld. „Er will alles sofort schaffen und erreichen.“

Der junge Afghane hat klare Ziele: „Ich möchte einfach nur lernen, arbeiten und unabhängig leben.“ Falls er in Deutschland bleiben darf, würde er gern nach einer Ausbildung weiter zur Schule gehen und seinen Realschulabschluss machen. Viel­leicht, so hofft er, kann er dann irgendwann auch als IT­Techniker arbeiten.

* Name geändert

„Ich möchte einfach nur lernen, arbeiten und unab­

hängig leben.“Amir*, Schüler

Geflüchteter Jugendlicher aus Afghanistan Menschen

Kurz vor ihrem 24. Geburtstag zog Jasmin Baumann eine düstere Bilanz: Seit ihrem Realschulabschluss mit 16 Jah-ren hat sie zwei Ausbildungen abgebrochen, eine zur Verwaltungsfachangestellten, eine zur Erzieherin. Dazu blickt sie auf eine Reihe von glücklosen Hilfsjobs zurück, in einer Tankstelle, einem Kaufhaus, bei einer Tageszei-tung. „Ich hatte nichts erreicht, mein Leben fühlte sich sinnlos an“, sagt die heute 29-Jährige.

Hinter dem Scheitern steckt mehr, wird Baumann mit der Zeit bewusst: Bei der Arbeit kämpft sie immer wieder gegen ihr geringes Selbstwertgefühl, fühlt sich fehl am Platz. Morgens kommt sie kaum aus dem Bett. Bei 1,66 Metern Körpergroße magert Baumann schließ-lich auf 43 Kilo ab. Die gebürtige Badenerin redet sich nicht länger ein, das müsse „etwas Körperliches“ sein,

sondern weiß: „Ich brauche psychologische Hilfe.“ Sie begibt sich in eine psychiatrische Tagesklinik. Dort be-kommt ihr seelisches Leiden einen Namen. Wegen De-pressionen legt man ihr eine Ausbildung im geschützten Rahmen nahe, im Beruflichen Bildungs- und Rehazent-rum (BBRZ) in Karlsbad-Langensteinbach, das zur SRH Be-ruflichen Rehabilitation gehört.

Reha vor RenteArbeitsausfall wegen psychischer Erkrankungen ist mittler-weile ein gesellschaftliches Phänomen. Im vergangenen Jahrzehnt stiegen diese Krankmeldungen um fast 80 Pro-zent, zeigt der Fehlzeiten-Report des AOK Bundesverbands. Ein Trend mit langfristigen Folgen: Psychische Störungen und Nervenerkrankungen sind die häufigste Ursache für

Krankheit oder Unfall können einen aus der Bahn werfen. Experten der beruflichen Reha unterstützen Betroffene wie Jasmin Baumann dabei, in der Arbeitswelt wieder Fuß zu fassen.

Text Liane Borghardt

Foto Jürgen Gocke

Jetzt aber!

Nach zwei abgebrochenen Ausbildungen kann

Jasmin Baumann jetzt endlich optimistisch in

die Zukunft blicken.

10 perspektiven 01/2018

Bildung Berufliche Reha als Neuanfang

dauerhafte Berufsunfähigkeit, vor Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates und Krebs (siehe Grafik). 26 Prozent der Betroffenen sind zwischen 51 und 55 Jahren alt, 20 Prozent sogar erst zwischen 36 und 45 Jahren – also noch weit entfernt vom Eintritt ins Rentenalter mit 67.

„Reha vor Rente“ heißt die Maßgabe des Gesetz-gebers. Denn verschiedene Studien belegen: Berufliche Reha lohnt sich – für die Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft. Die Investition in eine Qualifizierung, die den persönlichen Fähigkeiten entspricht, bringt das Mehrfache an volkswirtschaftlichem Gewinn. Die Kosten übernehmen zum Beispiel Rentenversicherung oder Agentur für Arbeit (siehe Kasten). Bundesweit vermitteln rund 30 Berufsförderungswerke neue Perspektiven. Das Angebot reicht vom Abgleich individueller Stärken und der Belastbarkeit mit passenden Berufsprofilen über Wei-terbildungen bis zur Umschulung. Je nach Bedarf beglei-tet von Ärzten, Psychologen und Pädagogen.

Jasmin Baumann absolviert im BBRZ Karlsbad zu-nächst eine Berufsfindung mit anschließendem Prakti-kum in der Verwaltung einer Supermarktfiliale. Das erste Mal seit Langem ist sie positiv von sich überrascht: „Es ist mein Ding, mit Zahlen zu jonglieren“, sagt sie, „beim Rechnen bekomme ich den Kopf frei.“ Den Facherpro-bungstest für den kaufmännischen Bereich besteht sie mit 98 Prozent. Am Anfang ihrer Ausbildung zur Indus-triekauffrau schreibt sie ihre erste Eins. „Ich bin richtig aufgeblüht“, erzählt Baumann. Ihr Alltag hat Struktur, in der Gruppe fühlt sie sich aufgehoben. Mit Psychologen trainiert sie, sich bei Selbstzweifeln und depressiven Ver-stimmungen wieder aufzurichten.

Endlich neu anfangenBerufliche Reha ist kein Angebot von der Stange, son-dern gestaltet sich nach den Bedürfnissen der Kunden (siehe Interview). Ob Depressionen, Rückenleiden oder neurologische Defizite nach einem Schlaganfall: „Viele Teilnehmer tragen einen schweren Rucksack“, sagt Mar-git Ober. Die 61-Jährige arbeitet seit 17 Jahren im Berufs-förderungswerk (BFW) der SRH Berufliche Rehabilitation Heidelberg. Als Reha- und Integrationsmanagerin beglei-tet sie Kunden vom Qualifizierungsbeginn bis zum Antritt einer neuen Arbeitsstelle. Besonders jüngeren Teilneh-mern fehle es oft an familiärem und sozialem Rückhalt, weiß die Sozialarbeiterin – und an Zutrauen in die eige-nen Fähigkeiten. „Das sind oft harte Biografien mit Zick-zack-Kurs“, sagt Ober. Kunden mittleren Alters plagten vor allem Zukunftssorgen. Eines aber haben alle gemein-sam: „Unsere Teilnehmer sind hoch motiviert. Über Jahre mussten sie gesundheitliche Rückschritte akzeptieren, dann auf die Entscheidungen der Kostenträger warten. Jetzt haben sie endlich die Chance, neu anzufangen.“

Wieder durchstarten: Schritt für Schritt

1. Leistungen beantragen

Das Sozialgesetzbuch regelt: Wer körperlich oder seelisch beeinträchtigt ist

oder von Behinderung bedroht, hat Anspruch auf berufliche Rehabilitation.

Sprich auf Leistungen aus der Sozialversicherung, die die Erwerbsfähigkeit er-

halten, verbessern oder wiederherstellen. Der Antrag erfolgt beim jeweils zu-

ständigen Reha-Träger: der Agentur für Arbeit, Berufsgenossenschaft oder Ren-

tenversicherung.

2. Beruf und Belastbarkeit testen

Berufliche Perspektiven nach Krankheit oder Unfall vermitteln ist Kernaufgabe

von Berufsförderungswerken. Welcher Beruf entspricht Fähigkeiten und Gesund-

heit? Begleitet von Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern, ermitteln Teilneh-

mer, welche Berufsbereiche infrage kommen und zu ihrer Belastbarkeit passen.

Dauer: in der Regel zwei, maximal sechs Wochen. Im Abschlussbericht an den

Leistungsträger werden konkrete Qualifizierungsmaßnahmen empfohlen.

3. Unterstützung von allen Seiten

Zu Ausbildungsbeginn lernen Teilnehmer im BFW Heidelberg alle Mitarbeiter

kennen: Lehrkräfte, Ärzte, Psychologen sowie ihre Reha- und Integrations-

manager. Sie alle helfen dem Teilnehmer während der Ausbildung, bei Proble-

men eigene Lösungen zu finden.

4. In die Praxis einsteigen

Während der Ausbildung kommen Reha- und Integrationsmanager regelmäßig

mit Kollegen aller Fachbereiche zusammen, um Fortschritte und Förderbedarf

der Teilnehmer festzuhalten. Läuft eine Umschulung nicht nach Plan, kann

rechtzeitig gegengesteuert werden. Ebenfalls wichtig für die Integration in den

Arbeitsmarkt: ein Bewerbungstraining und das mehrmonatige Praktikum wäh-

rend der Ausbildung.

Psychische Erkrankungen vornDie häufigsten Ursachen für Berufsunfähigkeit

Quelle: Statista 2017, gerundet

Psychische Störungen und Nervenerkrankungen

Krebs und andere bösartige Geschwülste

Sonstige Erkrankungen

Unfälle

Erkrankungen des Herzens und des Gefäßsystems

Erkrankungen des Skelett- und Bewegung sapparates

31 %

21 %

16 %

15 %

9 %

8 %

Berufliche Reha als Neuanfang Bildung

11

Allergie zwingt zur UmschulungBernd Lohrmann, 45, erinnert sich genau an den Beginn seiner Beschwerden: Als der gelernte Feinwerkmecha-nikermeister am 7. Juni 2010 die Maschinenhalle betritt, überkommen ihn Schwindel, Übelkeit und ein Enge-gefühl beim Atmen. „Die Symptome waren schnell da, aber es dauerte ein, zwei Wochen, bis ich mich davon erholt hatte“, erzählt Lohrmann. Fachärzte bescheinigen eine stark eingeschränkte Lungenfunktion, Grund ist ver-mutlich eine Allergie gegen Kühlschmiermittel. Lohr-mann mag seine Arbeit, als dreifacher Familienvater will er nicht ans Aufhören denken. Vier Jahre erduldet er das gesundheitliche Auf und Ab, geht arbeiten, wird krank-geschrieben, geht wieder arbeiten. Zwei Kuraufenthalte an der Ostsee bringen mittelfristig nichts.

Der Lungenarzt rät Lohrmann schließlich drin-gend, seinen Beruf aufzugeben. Über den Reha-Berater der Rentenversicherung kommt Lohrmann ins BFW Hei-delberg und erhält grünes Licht für eine Umschulung zum Maschinenbautechniker, der sein Fachwissen vor al-lem konzeptionell einsetzt.

Jasmin Baumann hat ihre Ausbildung im BBRZ be-reits erfolgreich begonnen, als der Kostenträger alter-nativ eine externe Lehre im Betrieb vorschlägt. Doch Baumann, die früher nie recht wusste, was sie eigentlich will, möchte die Unterstützung vor Ort nicht aufgeben. „Noch nie hatte ich so einen Rückhalt erlebt, alle stan-den hinter mir, meine Psychologin, meine Gruppe, Leh-rer. Auch meine Eltern haben mitgelitten“, sagt sie. „Das hat mir Kraft gegeben.“

Ihre Ansprechpartnerin im BBRZ unterstützt Bau-mann dabei, den Leistungsantrag mit psychologischem Gutachten erneut zu stellen. Mit Erfolg: Beim Start der nächsten Ausbildungsrunde im Januar 2015 ist sie wie-der dabei. Die IHK-Prüfung legt sie am Ende mit Eins ab. Ihr Praktikumsbetrieb, ein mittelständischer Robotik-Her-steller, übernimmt Baumann in der Buchhaltung. Ihre Unsicherheit steht ihr manchmal noch im Weg, sagt sie. „Aber jetzt weiß ich: Ich kann es!“

Auch Bernd Lohrmann findet nahtlos eine Stelle, „wie ich sie mir vorgestellt habe“. Wieder trägt er Team-verantwortung, nun aber in der Fertigungsplanung. Für seinen Arbeitsweg braucht Lohrmann nur fünf Fahrminu-

ten. Während der zweijährigen Umschulung hat der Fa-milienvater wochentags konzentriert in Heidelberg ge-lernt, nur die Wochenenden im heimischen Heroldstatt verbracht. „Jetzt gibt es Nachholbedarf“, sagt Lohr-mann. Seine achtjährigen Zwillinge lieben es, mit ihm herumzutoben. Heute kein Problem: „Meine Lungen-funktion liegt wieder bei 95 Prozent.“

„Berufliche Reha ist keine Erholung am Luftkurort“

Susanne Ecsedi und Thomas Windolf, Geschäftsführer der SRH Berufliche

Rehabilitation, über Chancen am Arbeitsmarkt und für wen eine statio-

näre Unterbringung Sinn macht.

Für wen eignet sich welche Maßnahme?

Thomas Windolf: Für manche Teilnehmer ist es wichtig, das gewohnte soziale

Umfeld zu verlassen. Gerade den jüngeren fehlt es oft an einer angemessenen Ta-

gesstruktur. Dann ist die stationäre Unterbringung sinnvoll. Auch wenn jemand Un-

terstützung von Ärzten, Psychologen oder Gebärdensprachdolmetschern braucht,

empfiehlt sich eine Einrichtung mit all diesen Experten.

Susanne Ecsedi: Andere Teilnehmer benötigen nach einer persönlichen Krise wie

einer psychischen oder orthopädischen Erkrankung oft keine komplette Umschu-

lung, sondern eher ein Coaching, um ihr Wissen zu aktualisieren oder sich richtig

zu bewerben. Für sie bieten wir wohnortnah kürzere Maßnahmen an.

Wie sind die Erfolgsaussichten der Teilnehmer?

Ecsedi: Unsere Teilnehmer sollen mit ihrem Abschluss den Schritt in den Arbeits-

markt schaffen. Für eine erfolgreiche Integration haben wir beispielsweise in ver-

schiedenen Bereichen den Anteil des Praktikums erhöht, das zu jeder Ausbildung

gehört. Bei den IT-Berufen haben inzwischen 90 Prozent bereits nach dem Prakti-

kum einen Arbeitsvertrag. Außerdem trainieren unsere Kunden wichtige Fähigkei-

ten wie Präsentationstechniken oder den Umgang mit Unsicherheiten im Vorstel-

lungsgespräch. So sind sie fit und vorbereitet.

Windolf: Berufliche Reha ist alles andere als eine Erholung am Luftkurort: Unsere

Teilnehmer eignen sich geballtes Wissen an, parallel dazu nehmen sie die Angebote

von Medizin und Therapie wahr. Sie so zu stärken, dass sie den Anforderungen des

Arbeitslebens erfolgreich standhalten – das ist die große Leistung unserer Reha-

Teilnehmer und Mitarbeiter.

„Noch nie hatte ich so einen Rückhalt erlebt.“

Jasmin Baumann, Reha-Teilnehmerin

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Bildung Berufliche Reha als Neuanfang

perspektiven 01/2018

Er ist schlagfertig, hat ein freches Mundwerk und begeistert damit seine Zuschauer Woche für

Woche im SWR Fernsehen: Pierre M. Krause ist Autor, Schauspieler, TV-Moderator und Humorist.

Seinen Durchbruch erlangte der gelernte Bankkaufmann und Studienabbrecher im Jahr 2002 in

der SWR-Jugendsendung „Dasding.tv“. Ein Gespräch über Berufe, das Fernsehen und Humor.

Du bist Autor, Comedian, Schauspieler und Moderator. Was schreibst du in einen Patientenaufnahmebogen beispielsweise beim Zahnarzt in die Zeile „Beruf“?Das ist jedes Mal sehr schwierig. Manchmal schreibe ich so was wie „Kampfpilot“ rein, weil es

mich amüsiert. Bei meiner Versicherung würde ich mich das allerdings niemals trauen, weil dies

die Beiträge enorm in die Höhe treiben würde. Ich denke, mein Beruf ist formalistisch nicht

leicht festzuhalten. Das merke ich auch in dieser sehr behördenhaft durchstrukturierten SWR-

Welt. Hier gibt es Mitarbeiter aus der Verwaltung, den Redaktionen, dann Moderatoren und

Autoren – und ich bin irgendwie alles. Ich glaube, mein Beruf ist es, Pierre M. Krause zu sein.

Wie fühlst du dich eigentlich in der TV-Nische?Besser, als oft unterstellt wird. Die Show an sich würde ich allerdings gar nicht so sehr als „Ni-

schenshow“ bezeichnen, eher den Sendeplatz. Im Nischensender in der Nische also. Mehr Un-

derdog geht nicht. Früher saßen ja auch immer die Coolsten in der letzten Reihe im Schulbus.

Wo holst du dir Inspiration für deine Arbeit? Aus dem Leben: mit offenen Augen durch die Welt gehen und viele Medien konsumieren. Zu-

hören, wenn die Leute reden, und beobachten, wie der Gemeinschaftskundelehrer mit den dre-

ckigen Sandalen sich im ICE darüber beschwert, dass die Bahn mal wieder drei Minuten zu spät

ist. Loriot hat mal gesagt: „Wer gut beobachten kann, braucht keine Fantasie.“ Das stimmt.

Du lebst dafür, andere Menschen zu unterhalten. Findest du dich auch selbst lustig?(Stille) Ich würde eher sagen, ich lebe davon, Menschen zu unterhalten. Das tue ich natürlich

mit meinem Humor, den ich schon lustig finde, sonst würde am Grundkonzept meines professio-

nellen Daseins etwas nicht stimmen. Ich lache aber nicht über meine eigenen Witze, weil ich die

Pointe schon kenne. Ich kann mich auch nicht zum Lachen bringen, indem ich mich selbst kitzle.

Das komplette Interview gibt es hier: www.calwer-notizen.de/author/alicia/

Text Alicia Riethmüller

D I E KO LU M N E

In der neuen Serie #frischgedacht berichten Studenten der

zehn SRH Hochschulen darüber, wie sie die Welt sehen und

was sie bewegt.

Alicia Riethmüller, 20,

studiert Medien- und Kom-

munikationsmanagement am

Calwer Campus der SRH

Hochschule Heidelberg. Für

den studentischen Webblog

„Calwer Notizen“ hat sie den

TV-Moderator und Humorist

Pierre M. Krause interviewt.

Nach dem Studium

möchte Alicia in einer TV-Re-

daktion oder im Marketing-

und Kommunikationsbereich

arbeiten. Neben dem Studi-

um schreibt sie einen Word-

Press-Blog unter dem Namen

„raalicia“.

Die Autorin

M I T M AC H E N

Wer auch mit einem Blogbeitrag in den SRH perspektiven

erscheinen will, kann einen Vorschlag an

[email protected] senden.

Ich lache nicht über meine eigenen Witze

#frischgedacht

So viel Zeit muss sein: Ein Erin-nerungs-Selfie darf nicht fehlen.

Studentenkolumne Bildung

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Studentenkolumne Bildung

Unternehmen, Chefs und Mitarbeiter müssen sich ständig weiterentwickeln, um erfolgreich zu sein. Deshalb ist es Zeit für einen neuen Umgang mit Weiterbildung.

Veränderung ist das Ziel

Interview Ulrike Heitze Foto Henry Sowinski

Die Welt wird immer komplexer. Unternehmen müssen sich ständig weiterentwickeln, um mithalten zu können. Das schaffen sie nur, wenn sich auch die Mitarbeiter ste-tig mitverändern, stellt Prof. Dr. Marcel Crisand, Leiter des Instituts für wissenschaftliche Weiterbildung und Personalentwicklung (IWP) an der SRH Hochschule Heidelberg, fest. Sein Institut schult Fach- und Führungs-kräfte von externen und SRH Unternehmen (mehr dazu im Kasten rechts). Im Interview erklärt Crisand, warum Arbeitgeber endlich mehr Energie in eine visionäre Per-sonalentwicklung stecken und Weiterbildung weitsichtig einsetzen müssen.

Warum muss Weiterbildung neu gedacht werden? Prof. Dr. Marcel Crisand: Personalentwicklung soll den Menschen Lust auf Weiterentwicklung machen – und sie ermöglichen. Das klappt aber kaum mit dem traditionel-len Ansatz „Wir haben hier mal 20 Seminare ausgesucht und zufällig ist noch etwas Budget für dich übrig. Such dir irgendwas aus“. Das ist sinnlose Weiterbildung. Insbe-sondere die nachrückenden Generationen holen Sie als Arbeitgeber damit nicht ab.

Weshalb ist das für Jüngere nicht attraktiv?Die heute 20- bis 40-jährigen Berufstätigen können mit dem früher vorherrschenden Konzept „Ich habe einmal

etwas gelernt und das war es dann“ gar nichts anfan-gen. Sie wollen sich weiterentwickeln und dabei unter-stützt werden. Zudem möchten sie einen Sinn in dem sehen, was sie tun, und an etwas beteiligt sein, das ei-nem größeren Ziel dient. Sonst gehen sie gleich wieder. Ein zukunftsorientierter Arbeitgeber bietet ihnen eine solche Vision, die auf gemeinsamen Werten basiert.

Welche Aufgabe fällt dabei den Führungskräften zu?Früher bedeutete Führen im Wesentlichen „Ich gebe dir Geld, du gibst mir Leistung“. Heute geht es um transfor-mationale – verändernde – Führung: Ein Chef ist dann ein guter Chef, wenn er erkennt, was seinen Mitarbeiter treibt, wohin er will und was er konkret braucht, um sich zu verwirklichen.

Der Job des Managers ist dann, die Motive der Einzelnen bestmöglich mit denen des Unternehmens in Einklang zu bringen. Nur so holt er dauerhaft das Beste aus seinem Team heraus. Zudem ist es seine Aufgabe, die Visionen des Unternehmens vorzuleben. Damit Füh-rungskräfte ihre Mitarbeiter weiterentwickeln können, müssen auch sie stetig an sich und an ihren Kompeten-zen arbeiten. Ein Unternehmen muss ihnen dazu die Möglichkeit geben.

CORE steht für Competence

Oriented Research and Educa-

tion. Das Studienmodell wird

an der SRH Hochschule Hei-

delberg und in ausgewählten

Stu diengängen an anderen

SRH Hochschulen eingesetzt.

Das Studium ist zum Beispiel

in 5-Wochen-Blöcke unterteilt,

in denen sich die Studenten

jeweils mit einer praxisnahen

Fragestellung beschäftigen. Sie

betrachten sie dabei aus ver-

schiedenen fachlichen und me-

thodischen Blickwinkeln und

setzen unterschiedlichste Lern-

methoden ein.

14 perspektiven 01/2018

Prof. Dr. Marcel Crisand

Wie sieht so ein Entwicklungsprogramm aus?Im Rahmen der Personalentwicklung müssen Unterneh-men weg von reiner Wissensvermittlung. Man braucht ein Konzept, das Kompetenzen aufbaut. Ähnlich, wie es das CORE-Prinzip an unseren SRH Hochschulen für die Studenten tut. Auch das Entwicklungsprogramm der SRH für ihren Managementnachwuchs trainiert zum Bei-spiel sukzessive und individuell alles, was man rund um transformationale Führung können muss. Das Gleiche werden wir in den kommenden Jahren mit über 300 Führungskräften aus den SRH Kliniken tun.

Ein letztes Beispiel aus der Praxis: Ein mir bekann-tes Unternehmen, ein sehr werteorientiertes Schweizer Familienunternehmen, hat eine Art Lernlohn eingeführt. Die Mitarbeiter erhalten für ihre Arbeit nicht nur Geld, sondern werden gezielt weitergebildet, sodass sie Fähig-keiten erwerben, die sie persönlich und beruflich voran-bringen. Auf diese Weise nehmen sie eine zweite Art Lohn mit nach Hause.

Wie stellen Sie fest, wer welche Kompetenzen schon hat und wer welche noch braucht?Dafür gibt es moderne Evaluationsverfahren, wie etwa das Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlich-keitsbeschreibung, kurz BIP. Damit werden verschiedene Kompetenzfacetten wie etwa Flexibilität oder Gewissen-haftigkeit abgefragt. Eine Führungskraft schätzt sich selbst ein. Danach geben die Managementkollegen und die Mitarbeiter Rückmeldung. So erhält man ein Bild, wo die Menschen stehen, und richtet die Ausbildung ent-sprechend aus.

Sind diese Ergebnisse nicht für manche sehr kompromittierend?Es kommt darauf an, wie man die Ergebnisse verstehen will. Man kann das defizitorientiert tun. Dann kann ei-nen solch ein Feedback tatsächlich verletzen. Wer aber sagt: „Großartig, meine Mitarbeiter geben mir damit eine Lernchance. Da gibt es etwas, wo ich mich weiter-entwickeln kann“, der hat eine ganz andere Brille auf und investiert Energie.

Das Unternehmen muss aber auch mit Fehlern gut umgehen können.Ja, unbedingt. Wenn Ihr Unternehmen eine defizitorien-tierte, niedermachende Kultur hat, wird ein Mitarbeiter immer versuchen, seine Schwächen geheim zu halten. Damit Menschen bereit sind, sich zu verändern, braucht Ihr Unternehmen eine Kultur, die das Lernen honoriert: Wer „Defizite“ offenbart, ist kein Versager, sondern zeigt, wo er noch besser werden kann.

Das hat viel mit Kultur und Werten in einem Unterneh-men zu tun. Individuelle Weiterentwicklung muss immer einhergehen mit der des Systems.

Was haben Kunden, Patienten oder Studenten davon, dass ein Unternehmen wie die SRH auf eine moderne Personalentwicklung setzt?Wenn in einem Unternehmen fähige Menschen führen, hat das positive Auswirkungen auch auf das Betriebs-klima: Wer zufrieden ist, erbringt gute Leistungen, egal, ob als Arzt, Pflegepersonal oder Dozent. Das merken die Kunden ganz unmittelbar. Zudem hilft gut aus- und wei-tergebildetes Personal dem Unternehmen, wie eingangs festgestellt, in Sachen Fortschritt mitzuhalten. Auch da-von profitieren unsere Kunden. Und nicht zuletzt ist man so ein attraktiver Arbeitgeber.

Das IWP an der SRH Hochschule Heidelberg

IWP steht für Institut für wissenschaftliche Weiterbildung und Personalentwicklung

und ist seit 2006 der Dreh- und Angelpunkt für die Fort- und Weiterbildungs-

formate an der SRH Hochschule Heidelberg. Das umfasst in der Weiterbildung bei-

spielsweise Zertifikatsstudien sowie Seminar- und Weiterbildungsreihen rund um

Management, Führung und soziale Dienstleistung für externe Kunden wie für die

Studenten der Hochschule. In der Personalentwicklung fokussiert das IWP auf

Kompetenzentwicklung und -förderung im Sinne des CORE-Prinzips. Die Personal-

entwicklungstrainings sind sowohl bei externen Kunden wie auch bei Unterneh-

men der SRH im Einsatz.

www.hochschule-heidelberg.de Hochschule Institute

„Damit Menschen bereit sind, sich zu verändern, brauchen

Unternehmen eine Kultur, die das Lernen honoriert.“

Prof. Dr. Marcel Crisand, Leiter des Instituts für wissenschaftliche

Weiterbildung und Personalentwicklung (IWP)

15

Personalentwicklung Bildung

Diandra Lilienthal-Grundhöfer macht eine Brücke, steht im Handstand – und rutscht dann elegant in den Spagat. Die 22-Jährige arbeitet bereits seit einigen Jahren als Ar-tistin, präsentiert auf Firmenfeiern und anderen Events ihre Choreografie und bietet zudem Akrobatik-Work-shops für Kinder, Jugendliche und Erwachsene an. Ohne tägliches Training geht das nicht. Um neben ihrem Artis-ten-Job studieren zu können, hat sich die junge Frau für ein Bachelorstudium an der SRH Fernhochschule – The Mobile University entschieden.

Spagat zwischen Sport, Kind und Studium „Meine Zeit als aktive Akrobatin auf der Bühne ist be-grenzt. Deshalb ist ein zweites berufliches Standbein wichtig“, erklärt Lilienthal-Grundhöfer. Das will sich die

22-Jährige mit ihrem Bachelorstudium im Fach Sportma-nagement schaffen. Mittlerweile ist sie im 5. Semester – und sehr zufrieden mit den Studienbedingungen.

„Das Fernstudium passt perfekt zu meinem ganz persönlichen Lebenskonzept“, sagt Lilienthal-Grundhöfer, die mit ihrer 18 Monate alten Tochter und ihrem Mann im hessischen Kurort Bad Nauheim lebt. „Ich muss auf nichts verzichten, habe Zeit für meine kleine Tochter, meine Akrobatik und mein Bachelorstudium.“ An einer Präsenzhochschule wäre dieser Mix kaum möglich gewe-sen, ist die junge Sportlerin überzeugt.

Maximale Freiheit und Flexibilität: Das sind die großen Stärken des virtuellen E-Campus der SRH Fern-hochschule. Denn der ist immer nur einen Mausklick entfernt. So kann jeder dort studieren und lernen, wo er

Ob in der Mittagspause, im Lieblingscafé oder in der Bahn: Der virtuelle E-Campus der SRH Fernhochschule bietet Studenten Freiheit und Flexibilität beim Lernen.

Text Katja Stricker Fotos Heinrich Voelkel / Agentur Ostkreuz

Studieren, wie ich magArtistin Diandra Lilien thal-Grundhöfer muss täglich

trainieren.

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Die SRH Fernhochschule –

The Mobile University ist spezialisiert auf mobiles Studie-

ren. Die Fächerpalette reicht

von Wirtschaft und Manage-

ment über Psychologie und Ge-

sundheit bis hin zu Naturwis-

senschaften und Technologie.

Derzeit stehen 15 Bachelor-

und zehn Masterstudiengänge

sowie 20 Hochschulzertifikate

teilweise auch in Kooperation

mit SPIEGEL ONLINE (siehe Kas-

ten) zur Auswahl.

www.mobile-university.de

16 perspektiven 01/2018

mag: zu Hause, im Café um die Ecke, im Hotel auf Ge-schäftsreise – und nach seinem persönlichen Zeitplan.

Jeder in seinem RhythmusTablet und Laptop sind dabei Hörsaal, Bibliothek, Lehr-buch und Kommunikationsplattform zugleich. „Unser E-Campus und alle Funktionen sind plattformübergrei-fend, damit jeder mit seinem persönlichen Lieblingsgerät auf die multimedialen Lerninhalte zugreifen kann“, er-klärt Prof. Dr. Wolfram Behm, Professor für Informations- und Kommunikationsmanagement an der SRH Fern-hochschule – The Mobile University. Er hat gemeinsam mit seinem Team die Studienplattform entwickelt und arbeitet permanent an weiteren Verbesserungen.

„Wir setzen modernste Technologien ein und konzentrieren uns darauf, ständig neue Funktionen be-reitzustellen, die unsere Studenten beim Lernen unter-stützen“, sagt Behm. In den als Electronic Publications (E-Pubs) entwickelten Studienmaterialien lassen sich digi-tal Notizen machen und, wie im Papierbuch, Textstellen farbig markieren. „Damit das Lernen nicht zu trocken wird, sind in den E-Pubs Tonbeiträge und Filme integ-riert“, erklärt Behm. „Ein Klick, und der Professor erläu-tert Zusammenhänge oder stellt aktuelle Bezüge her.“

Die ergänzende hochschuleigene Videoplattform bietet den Studenten außerdem die Möglichkeit, Videos mit Notizen zu versehen und diese mit Kommilitonen zu diskutieren. Zudem stehen den Fernstudenten eine On-line-Bibliothek und umfangreiche Office-Anwendungen und Tools zur Online-Zusammenarbeit und Bildung von Lerngruppen zur Verfügung.

Alles nur einen Mausklick entferntFernstudent Christian Hülsdau schätzt vor allem, dass er von überall auf sämtliche Studienunterlagen zugreifen kann. Vergessene Ordner, falsche Mappe dabei: Das gibt es mit dem E-Campus nicht. „Ich packe mein Tablet ein – und habe alles, was ich zum Lernen brauche, dabei“, sagt Hülsdau, „die digitalen Studienbriefe, dazu Übun-gen, Aufzeichnungen von Online-Veranstaltungen und Musterklausuren, um mich optimal vorzubereiten.“

Sehr praktisch für den 38-Jährigen, denn er muss jede freie Minute für sein Masterstudium nutzen. Tags-über arbeitet Hülsdau im Innovationsmanagement eines großen Lebensmittel-Discounters. In seiner Freizeit stu-diert er seit September 2015 an der SRH Fernhochschule Wirtschaftspsychologie und schreibt gerade an seiner Masterarbeit.

Diandra Lilienthal-Grundhöfer hat mittlerweile feste Studienzeiten in ihren Alltag integriert: „Wenn mei-ne Tochter Mittagsschlaf macht, ist das für mich die Zeit zum Lernen“, sagt sie. „Sobald sie die Augen schließt,

Diandra Lilienthal-Grundhöfer nutzt den Mittagsschlaf ihrer

Tochter zum Lernen.

mache ich es mir in meiner Lieblingsecke im Wohnzim-mer gemütlich und packe mein Tablet aus.“

Fernstudenten sind oft Nachteulen Außerdem sitzt die Akrobatin an mindestens vier Aben-den in der Woche ab 19 Uhr am Schreibtisch – und wid-met sich einige Stunden ganz ihren Studienbriefen, liest, fasst zusammen, löst Übungsaufgaben oder schreibt an Hausarbeiten. „Das ist meine Zeit, abends bin ich enorm produktiv“, erzählt die 22-Jährige.

Die freiwilligen Präsenzveranstaltungen, welche die SRH Fernhochschule an ihren 16 Studienzentren

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„Ich packe mein Tablet ein

und habe alles, was ich zum Lernen brauche, dabei.“

Christian Hülsdau, Fernstudent an der SRH Fernhochschule – The Mobile University

17

So geht Fernstudium heute Bildung

bundesweit anbietet, lassen sich für die Artistin nur sel-ten realisieren. Dafür hält sie über Foren und E-Mails Kontakt mit Kommilitonen. „Gibt es Fragen zum Stoff oder zu prüfungsrelevanten Themen, kann ich sie im Fo-rum loswerden oder direkt meine Professoren anschrei-ben – und habe im Handumdrehen eine Rückmeldung“, sagt Lilienthal-Grundhöfer.

Echte Freundschaften geschlossenDass der E-Campus auch die Option auf ein echtes Studentenleben bietet, schätzt Christian Hülsdau sehr: Einmal im Monat tauscht der 38-Jährige deshalb den virtuellen Hörsaal gegen einen reellen und besucht ge-meinsam mit seinen Mitstudenten von Freitagnachmit-tag bis Samstagabend verschiedene Vorlesungen und Seminare. „Ich empfinde die Präsenzzeiten als sehr be-reichernd“, sagt der Manager. So sei das Fernstudium weit weniger einsam: „Ich habe Gleichgesinnte, mit de-nen ich mich zwischen den Präsenzen auch mal über Skype unterhalte und die zum Teil echte Freunde gewor-den sind. Wir motivieren uns gegenseitig.“

Motivation braucht es zum Durchhalten. Denn das Pensum ist nicht ohne: Neben dem regulären Joball-tag sind in einer Woche im Schnitt noch 16 bis 18 Stun-den Büffeln angesagt – abends und an den Wochen-enden. „Natürlich ist das ganz schön knackig, aber ich versuche beispielsweise, Reisezeiten mit der Bahn konse-quent zum Lernen oder Lesen zu nutzen“, erzählt der 38-Jährige.

Viele Studenten der SRH Fernhochschule sind wie Christian Hülsdau berufstätig oder verfolgen wie Diandra Lilienthal-Grundhöfer parallel noch eine sportliche Karrie re und haben kleine Kinder. „Um ihnen optimale Studienbedingungen zu bieten, arbeiten wir ständig an Verbesserungen und neuen Funktionen“, sagt IT-Experte Behm. So können Studenten seit Anfang Februar über die Lernplattform auch alle schriftlichen Arbeiten wie Hausarbeiten oder Praxisberichte mit wenigen Klicks hochladen. „Bisher war der Versand nur per Post mög-lich“, sagt Behm.

Der Vorteil dabei: kein nerviges Ausdrucken mehr, bei dem garantiert im entscheidenden Moment wahlweise das Papier oder die Tintenpatrone ausgeht. Keine verzweifelte Suche nach dem passenden Kuvert und kein Anstehen bei der Post, um die Hausarbeit noch termingerecht abzuschicken.

„Bequemer geht es nicht; diese Neuerung ist wirklich eine große Arbeitserleichterung für uns Studen-ten“, findet Diandra Lilienthal-Grundhöfer. Der jeweilige Korrektor bekommt sofort ein Signal, wenn das PDF hochgeladen ist. Der Student kann jederzeit den aktuel-

len Bearbeitungsstatus in seinem persönlichen E-Cam-pus-Bereich einsehen – und schließlich die Bewertung.

Wenn alles nach Plan läuft, wird Artistin Lilien thal-Grundhöfer in wenigen Monaten ihr Bachelorstudium beenden. Für die Zeit danach hat sie schon ehrgeizige Pläne: „Ich bleibe dem Fernstudium treu – und möchte einen englischsprachigen MBA inklusive zwei Auslands-aufenthalten in den USA anschließen“, sagt sie. Auch mit Kind kein Problem, denn die Unterstützung ihres Mannes hat sie. „Er nimmt seinen Jahresurlaub und wir gehen ge-meinsam mit unserer Tochter nach Amerika.“ Und auch dort soll die Artistik nicht zu kurz kommen.

Fit für die digitale Zukunft

Seit Januar 2018 bietet die SRH Fernhochschule – The Mobile University in Koope-

ration mit SPIEGEL ONLINE an der neu gegründeten SPIEGEL AKADEMIE berufsbe-

gleitende, staatlich zugelassene Zertifikatskurse an. Angeboten werden derzeit die

auf sechs Monate angelegten Hochschulkurse „Digital Media Management“, „Digi-

tal Business Management“ und „Projekt- und Change-Management“ sowie „Busi-

ness Intelligence und Data Management“, „Marketing Management“ und „Profes-

sional Communications“. Mittelfristig sind außerdem Bachelor- und

Masterstudiengänge in Planung. Für jeden Kurs gibt es ein benotetes Zertifikat und

Credit-Points, die auf entsprechende Studiengänge der SRH Fernhochschule oder

einer anderen Hochschule angerechnet werden können.

Die akademische Lehre und persönliche Betreuung durch Professoren der Mobile

University ergänzen Experten aus der SPIEGEL-Gruppe mit anschaulichen Video-Tu-

torials aus der Praxis. „Wir möchten die Menschen fit machen für die Digitalisie-

rung“, erklärt Prof. Dr. Ottmar Schneck, Rektor und Geschäftsführer der SRH Fern-

hochschule – The Mobile University das neue Bildungsangebot. „SPIEGEL ONLINE

ist dafür ein idealer Partner.“

www.spiegel-akademie.de

„Damit das Lernen nicht zu trocken wird, sind in den E-Pubs Tonbeiträge und

Filme integriert.“Prof. Dr. Wolfram Behm,

Professor für Informations- und Kommunikations-management an der SRH Fernhochschule

Foto

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18 perspektiven 01/2018

Bildung So geht Fernstudium heute

Manchmal liegt der Fehler im Detail, und man muss genau hinsehen, um festzustellen, was einem Patienten fehlt. Wie hier die Zellen eines Adenokarzinoms, die sich erst nach aufwendigem Einfärben rötlich von gesundem Gewebe abheben, aufgenommen von den Pathologen des SRH Zentralklinikums Suhl. Rund 1.250 Mitarbeiter kümmern sich am Klinikum täglich um die richtige Diagnose und intensive Behandlung ihrer Patienten. Jedes Jahr versorgen sie so 30.000 Menschen stationär und 45.000 ambulant.

Mit 640 Betten, zehn zertifizierten Zentren und 24 Fachdisziplinen ist das Akutkrankenhaus die größte Klinik im Süden Thüringens. Die angeschlossene Poliklinik sichert mit 60 Arztpraxen die ambulante Betreuung in der Region.

www.zentralklinikum-suhl.de

Einblickein die SRH

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Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,

Perspektiven – so heißt nicht nur unser Magazin, das Sie nun zum 10. Mal als ei-gene Mitarbeiter-Ausgabe in der Hand halten. Perspektiven ist ein zentraler Be-griff in unserem Selbstverständnis als Ar-beitgeber. Uns liegt viel daran, Sie in Ih-rer Entwicklung in der SRH zu fördern: durch vielfältige Weiterbildungsangebote oder über unser SRH Executive Develop-ment Program (EDP). Es unterstützt SRH Führungskräfte bei ihren Aufgaben und fördert den Austausch mit Kollegen in ähnlichen Positionen. In Projektgrup-pen arbeiten derzeit etwa Teams aus den Bereichen Reha, IT und Laufbahnbera-tung für Studenten zusammen.

Beim Austausch „_.impuls vor Ort“ vom 9. bis zum 13. April an mehre-ren Standorten geht es ebenfalls um Per-spektiven: Hier treffen sich Mitarbeiter mit Vorstand und Geschäftsführern, um sich besser kennenzulernen und um neue Projekte, die aus den Ergebnissen der Mitarbeiterbefragung entstanden sind, vorzustellen.

Am 12. Mai ist es wieder so weit: Wenn die Abenddämmerung herein-bricht, werden Tausende von Läufern in den Startlöchern für den „15. SRH Däm-mer Marathon“ stehen. Sind Sie dabei? Schreiben Sie uns auf facebook, wie Sie sich motivieren und worauf Sie sich am meisten freuen! Einen allzeit „guten Start“ wünschen Ihnen ...

Sie betreuen in Ihrer Freizeit Geflüchte-te? Sie sind Lesepate im Kindergarten? Sie helfen bei der Essensausgabe der Tafel? Dann werden Sie zum Glücks-bringer! Mit der Aktion „Teil Dein Glück“ unterstützt Sie die SRH bei Ihrer ehrenamtlichen Arbeit, wie beispielsweise Ines Tribian, die sich für Straßen- und Waisenkinder in Indien engagiert (siehe Seite VIII in der Mitarbeiter-Ausgabe). Bis zu 1.000 Euro Förderhilfe können Sie für Ihr Projekt beantragen. Zusätzlich gibt es bis zu zwei Tage Sonderurlaub pro Jahr, damit Sie mehr Zeit für Ihr Engagement haben. Voraussetzung ist, dass der Verein ehren-amtlich für Gesundheit, Bildung oder die Integration von Geflüchteten tätig ist. Und so geht’s: Einfach den Antrag aus dem Intranet ausfüllen und mit einer Beschreibung des Projekts an [email protected] schicken. Die SRH überweist nach Prüfung der Unterlagen den Betrag auf das Konto der Organisation.

Gemeinsam laufen, gemeinsam feiern: Unter diesem Motto startet der „15. SRH Dämmer Marathon“ in Mannheim. Beim Jubiläumslauf am 12. Mai 2018 werden mehr als 10.000 Läufer und 100.000 Zuschauer entlang der Wegstrecke erwartet. „Die Atmosphäre ist ganz besonders“, sagt Prof. Dr. Christof Het-tich, Vorstandsvorsitzender der SRH. „Ein Marathon während der Abenddämmerung ist einzigartig in Deutschland.“

Seit Wochen trainieren SRH Mitarbei-ter in unterschiedlichen Laufgruppen, um sich für die sportliche Herausforderung fit zu ma-chen. In diesem Jahr werden wieder zahlrei-che Läufer aus SRH Unternehmen in den ver-

schiedenen Disziplinen starten. Dazu gehören neben Marathon- und Halbmarathon auch noch ein 10-Kilometer-Lauf, der Team-Mara-thon und das sogenannte Bike & Run: Da- bei treten zwei Läufer als Team auf der Halb-marathon-Strecke an. Beide absolvieren die volle Distanz und dürfen gemeinsam ein Fahr-rad verwenden, auf dem sie sich abwech-selnd ausruhen.

www.daemmermarathon-mannheim.deChristof Hettich

Vorstandsvorsitzender

Nils Birschmann

Direktor Kommunikation

Jubiläumsmarathon: Zusammen an den Start

Herzensprojekt fördern lassen

Auf strahlenden Sonnenschein wie beim letztjährigen „SRH Dämmer Marathon“ hoffen die mehr als

10.000 Teilnehmer auch 2018.

Einblicke Neues aus der SRH

II perspektiven 01/2018

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Das SRH Executive Development Program (EDP) fördert Mitarbeiter mit Führungserfahrung auf ihrem weiteren Karriereweg. In kleinen Gruppen arbeiten die Programmteilnehmer aktuell an Lösungen für konkrete Herausforderungen innerhalb der SRH. Ergebnisse sollen den Austausch stärken, den Zusammenhalt fördern und Synergien zwischen allen SRH Unternehmen erzeugen.

Zum Beispiel entwickelt die Projektgruppe „Reha“ ein Kon-zept, das die medizinische und die berufliche Rehabilitation besser miteinander vernetzt. Die SRH deckt das gesamte Spektrum von der Akutbehandlung über die medizinische bis zur beruflichen Reha ab. Von einer engeren Zusammenarbeit profitieren Patienten, die abge-stimmt und aus einer Hand betreut werden können.

Das Team „Laufbahnberatung“ möchte Infos zu Karrierechan-cen bündeln. Studenten sollen intensiver bei der Jobsuche unter-stützt werden, vor allem wenn es um einen möglichen Berufsein-stieg in der SRH geht. Um den Hochschulen ein konkretes Werkzeug an die Hand zu geben, arbeitet die Gruppe derzeit an einer Land-karte, auf der alle Laufbahnen zu sehen sind. Studenten und Berater können sich so auf einen Blick über alle Karrieremöglichkeiten inner-halb der SRH informieren.

Mit dem Thema „Gemeinsam fit für die digitale Gegenwart“ beschäftigt sich die Projektgruppe „IT“. Die Teilnehmer entwickeln ein effizientes IT-Schulungssystem. Denn alle Mitarbeiter der SRH sol-

len in Zukunft die IT ganz selbstverständlich bei der täglichen Arbeit einsetzen können. Pflegekräfte etwa sollen durch die effektivere Nutzung eines Computers Zeit sparen, aber auch Professoren, Stu-denten und Ärzte sollen von IT-Schulungen profitieren.

Das EDP-Programm eröffnet Führungskräften innerhalb der SRH neue berufliche Perspektiven. Die erste Runde ist im Juni 2017 mit 15 Teilnehmern gestartet; die zweite wird im Juni beginnen. In Workshops werden zentrale Kompetenzen vermittelt wie Mitarbei-terführung, Change- und Projektmanagement.

Ideen für engere Zusammenarbeit

Zukunft der Therapieberufe in der SRHD I E S R H I N Z A H L E N

Zu wenig Auszubildende und eine alternde Gesellschaft: Das Therapiewesen steht vor großen He-rausforderungen. Um weiterhin qualitativ hochwertige und ausreichende Therapieangebote sicher-zustellen, wollen SRH Unternehmen noch enger zusammenarbeiten. Dafür gründen sie ein sekto-ren- und unternehmensübergreifendes Therapienetzwerk. Denn Ergotherapeuten, Logopäden und Physiotherapeuten leiden unter akutem Fachkräftemangel. Immer weniger junge Menschen möch-ten den Beruf erlernen. Dabei steigt der Bedarf angesichts einer alternden Bevölkerung rasant.

„Durch die Vernetzung von Lehre und Praxis können wir Patienten nach den bestmögli-chen Standards behandeln und einen Maßstab im Vergleich zu unseren Wettbewerbern setzen“, sagt Anne-Kathrin Deloux, Leiterin Geschäftsentwicklung der SRH Fachschulen. „Gleichzeitig brau-chen wir dringend Nachwuchs in den Therapieberufen. Die unterschiedlichen Ausbildungs- und Karrieremöglichkeiten innerhalb des SRH Therapienetzwerks machen uns als Arbeitgeber deutlich

attraktiver.“ Die SRH verbindet akutmedizi-nische Versorgung, berufliche und medizi-nische Rehabilitation, ambulante Therapi-en sowie vielfältige therapeutische Ausbildungen auf Fachschul- und Hoch-schulniveau. Die Details des Netzwerks er-arbeiten die Initiatoren aus Fachschulen und Hochschule Heidelberg mit Vertretern der SRH Kliniken, der Hochschule für Ge-sundheit Gera und dem Berufsbildungs-werk Neckargemünd.

Experten aus verschiedenen SRH Unternehmen arbeiten derzeit an einem neuen Therapienetzwerk.

18.405S T U D E N T E N U N D K U N D E N

der Weiterbildung waren im Jahr 2016 an 10 SRH Hochschulen

eingeschrieben.

Das sind

5.110T E I L N E H M E R M E H R

als im Vorjahr.

85 %S I N D S T U D E N T E N ,

15 %F O R T - U N D W E I T E R -B I L D U N G S K U N D E N .

Der persönliche Austausch der Programmteilnehmer steht bei der Projektarbeit im Mittelpunkt.

III

Neues aus der SRH Einblicke

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Text Liane Borghardt

Fotos Amac Garbe

Starthelfer aus LeidenschaftDie Mitarbeiter der SRH Berufliche Trainingszentren (BTZs) verhelfen Menschen nach einer psychischen Erkrankung zu einer neuen beruflichen Perspektive – so individuell und praxisnah wie möglich.

Depressionen, Zwangsstörungen, ADHS – viele Kunden kommen gleich mit Mehrfachdiagnosen. „Eine Heraus-forderung, Menschen mit diesen Problemen in den ers-ten Arbeitsmarkt zu bringen“, weiß Dr. Heike Droth. Sie leitet die vier Beruflichen Trainingszentren, welche die SRH Berufsbildungswerk Sachsen GmbH in Dresden, Cottbus, Leipzig und Rostock betreibt. „Wir bieten ih-nen deshalb einen geschützten Raum, in dem wir sie gut auf das Berufsleben draußen vorbereiten.“

Insgesamt 69 Mitarbeiter betreuen die zurzeit 147 Teil-nehmer, die im Durchschnitt 30 Jahre alt sind. „Die Kol-legen brennen für ihre Aufgabe“, sagt Droth. „Durch sie lebt unser Konzept: Nah am Teilnehmer, nah am Ar-beitsmarkt.“ Ein Team aus Dresden stellt sich und seine Aufgaben vor.

www.berufliche-trainingszentren.de

I perspektiven 01/2018IV

Früher war ich als Themenleiter im Maschinenbau und als Projekt-

manager im Kraftwerksanlagenbau tätig, wollte ursprünglich mal

Berufsschullehrer werden. Hier habe ich nun tatsächlich die Chan-

ce, meine Berufserfahrung an junge Leute weiterzugeben. Heute

kümmere ich mich zum Beispiel um beruflich Unerfahrene, meist

Abiturienten, mit überdurchschnittlicher Begabung, aber teilweise

mit abgebrochenem Maschinenbau-, Physik- oder Bauingenieur-

studium. Wenn ich sie für eine Ausbildung oder Umschulung zum

Technischen Produktdesigner für Maschinen- und Anlagenkonst-

ruktion oder zum Bauzeichner begeistern kann, bereiten wir sie

praxisnah darauf vor. Viele haben einen familiär schwierigen Hinter-

grund, kommen ohne Selbstvertrauen und Orientierung. Für sie bin

ich auch ein bisschen Vaterersatz – der mächtig stolz ist, wenn sie

Wir vom Psychosozialen Dienst begleiten auf vielfältige Weise: Mit

dem Teilnehmer bearbeiten wir in Einzelgesprächen, wie er mit sei-

nen psychischen Einschränkungen und Besonderheiten umgehen

kann. Wir unterstützen bei behördlichen Angelegenheiten und sind

in Kontakt mit Fachärzten, Psychotherapeuten, Betreuern, Angehö-

rigen und den Kostenträgern wie Arbeitsagentur, Rentenversiche-

rung oder Berufsgenossenschaft. Im Tandem mit dem Beruflichen

Trainer treffe ich außerdem jeden Teilnehmer monatlich zum För-

derplangespräch. Gemeinsam legen wir Teilziele für Arbeit, Ge-

sundheit und Alltag fest und besprechen die Umsetzung: von der

Für viele bin ich der Erstkontakt zum BTZ: Interessenten rufen selbst

an oder ihre Angehörigen, Therapeuten oder Reha-Träger. Nach

der Infoveranstaltung, die wir 14-tägig anbieten, vereinbaren sie ei-

nen Termin. Im Gespräch stellen die Interessenten dann gemeinsam

mit je einem Mitarbeiter aus dem Psychosozialen Dienst und dem

Beruflichen Team fest, ob wir die geeignete Einrichtung für sie sind.

Zu Beginn einer Maßnahme sehe ich viele wieder – sei es, weil sie

einen Garagenstellplatz, einen Schlüssel oder Berufsbekleidung be-

nötigen. Auch solche organisatorischen Dinge laufen über uns.

Nach Möglichkeit delegieren wir Aufgaben aber im Rahmen realer

Zu meinem Team gehören inzwischen 16 Berufliche Trainer. Meine

Aufgabe ist es, unsere Trainingsbereiche mit dem Arbeitsmarkt abzu-

gleichen und dafür die richtigen Leute einzustellen. Die Tischlerei zum

Beispiel haben wir abgeschafft, aber den Elektrobereich ausgebaut.

Die Teilnehmer dort werden uns von Unternehmen förmlich aus der

Hand gerissen. Die Gärtnerei hat sich leider nicht mehr bewährt –

viele Teilnehmer leiden unter Allergien –, dafür aber das Training im

Labor: Strukturierte Abläufe ohne zu viele Kontakte, das entspricht

gerade psychisch Erkrankten. So finden sie ihre Nische im medizi-

nisch-sozialen Bereich – ein wachsender Markt. Die Anerkennung

später, mit Facharbeiterzeugnis und Festanstellung in der Tasche,

noch mal vorbeischauen. Meine anderen Teilnehmer sind Akademi-

ker, häufig durch widrige Umstände im Beruf erkrankt. Schlechtes

Team, ekliger Chef, selbstausbeuterische Arbeitseinstellung. Wir

versuchen, sie über reale Projekte aufzubauen – für die Rückkehr in

den Job oder für eine Umschulung: Ein Architekt hat zum Beispiel

gemeinsam mit einer Historikerin, einer Germanistin und Teilneh-

mern aus der Mediengestaltung ein Sanierungskonzept für ein ver-

gessenes Denkmal entworfen. Stadt und Land waren begeistert. Im

Herbst feiert „Hauptmann Hirsch“ seine Auferstehung – die größte

Anerkennung für unser Team. Und allen ist damit wieder der Ein-

stieg in den Arbeitsmarkt gelungen.

Belastungsfähigkeit über die Strukturierung seines Tages bis zur

Selbstfürsorge. Zudem halten wir Gruppenangebote wie Kompe-

tenz- oder Bewerbertraining vor. Da geht es zum Beispiel um den

Umgang mit Konflikten oder mit der Erkrankung im Bewerbungs-

prozess. Wunderschön zu erleben, wie sich die Einzelnen ent-

wickeln: Im Erstgespräch sitzen viele total verunsichert und ange-

spannt. Am letzten Tag resümieren sie, wie sie die vielen kleinen

Schritte und Erfolge ihrem persönlichen Ziel näher gebracht haben:

zu einer neuen Chance und zu mehr Lebensqualität.

Arbeit an die Teilnehmer. Das trainiert. Sie übernehmen Gästebe-

wirtung, Auf- und Abbau von Präsentationstechnik, den Empfangs-

dienst inklusive Telefonzentrale. Was für eine Selbstsicherheit die

Teilnehmer nach zwei Monaten entwickelt haben! Im Sekretariat

muss man flexibel sein. Als Assistenz der Geschäftsbereichsleitung

mit nun vier Standorten unterstütze ich Frau Dr. Droth bei den ver-

schiedensten Prozessen, plane und organisiere Termine oder be-

gleite selbst Projekte. Zuletzt habe ich im BTZ Rostock das kauf-

männische Personal mit ausgewählt und eingearbeitet.

von Kostenträgern und Teilnehmern ist unser Lohn: Die Nach-

frage ist groß, die Wartezeiten sind lang. Jüngst haben wir um

zehn Plätze aufgestockt und Fläche dazugenommen. Wichtig ist

uns, dass Teilnehmer reale Aufträge erledigen, sei es für externe

Kunden oder für unser Haus. Ein Teilnehmer, der sich für Fahr-

radmechanik interessiert, hat Räder für unsere WG-Bewohner

gebaut, pulverbeschichtet in SRH Orange. Ob Gestaltung von

Broschüren, Intranetseiten oder Klapptischen für die Kaffee-

küche: Die Projekte sollen auf den Arbeitsmarkt vorbereiten –

und zum Teilnehmer passen.

Klaus Gnauck, 61 ist Beruflicher Trainer

im Bereich Konstruktion

und Gestaltung.

Dr. Kerstin Schaaf, 57 ist Pädagogin und heilprakti-

sche Psychotherapeutin. Seit

zehn Jahren arbeitet sie im Psy-

chosozialen Dienst.

Silke Weidauer, 49 gehörte zum Gründungs-

team des BTZ Dresden und

hat Sekretariat und Verwaltung

aufgebaut, wo sie auch heute

arbeitet.

Thomas Pohl, 47 ist

Teamleiter im Beruflichen Training

und hat selbst eine vielfältige Karrie-

re. Ursprünglich hat er als Tischler

und Ergotherapeut gearbeitet, dann

Architektur studiert und sich als

Web-Designer und Systemischer

Coach weitergebildet.

Was macht ihr eigentlich? Einblicke

V

Text Melanie Contoli

Wenn Prof. Dr. Marcel Crisand über das Selbstverständ-nis von Ärzten und Stationsleitungen spricht, über typi-sche Kommunikationsprobleme und über die Frage, wie man Mitarbeiter besser führt, dann hat er ein klares Bild vor Augen: einen Kompass.

In einem Hotel in Suhl sitzen 35 Führungskräfte aus mehreren SRH Kliniken und erfahren von ihm, was in den nächsten Jahren auf sie zukommt. Marcel Crisand, sei-nes Zeichens Professor für Betriebswirtschaftslehre an der SRH Hochschule Heidelberg und Experte für Personalent-wicklung, stellt das neue Mammutprojekt vor: In einem umfangreichen, über insgesamt drei Jahre angelegten Trai-ningsprogramm will er mehr als 300 Führungskräfte aus allen SRH Kliniken in ganz Deutschland in Sachen Kommu-nikation und Mitarbeiterführung schulen.

Unter dem Motto „Gemeinsam in Führung“ wer-den erstmals Ärzte wie Stationsleitungen, Pflegedienst-leitungen wie Abteilungsleiter, auch aus unterschiedli-chen Kliniken, in Gruppen fit für ihre Leitungsfunktionen gemacht. Anstoß und Basis für das umfangreiche Coa-ching ist das neue Leitbild der SRH Gesundheit. Ein Do-

Patienten, Kunden und Mitarbeiter stehen im Zentrum, haben sich die SRH Kliniken in ihrem neuen Leitbild auf die Fahnen geschrieben. Einer der ersten Schritte, um das im Klinik alltag mit Leben zu füllen: ein umfassendes Führungskräfte training.

L E I T B I L D D E RS R H G E S U N D H E I T

RegionaleGesundheitsversorgung

Mitarbeiter-orientierung

Qualität& Sicherheit

Wirtschaft lichkeit

Unternehmens- entwicklung

Rechts: Die SRH Gesundheit

hat sich im Zuge ihres Strategie-

prozesses ein neues Leitbild

gegeben. In dieser Erklärung

werden das Selbstverständnis,

die Werte und Grundprinzipien

sowie die Umsetzung des Leit-

bilds in sechs zentralen Hand-

lungsfeldern definiert (siehe Gra-

fik). An der Entwicklung und

Formulierung des Leitbilds wa-

ren neben der Arbeitsgruppe

Pflegeboard, dem Medical Board

und der Hochschule Heidelberg

Mitarbeiter unterschied licher

Leitungsebenen beteiligt.

Wir sind ein gemeinnütziges Unternehmen im Gesundheitswesen, ausschließlich dem Wohl unserer Patienten, Kunden und Mitarbeiter verpflichtet.

Wir bieten unseren Regionen eine hochwertige und sichere Gesundheits­versorgung. Im Verbund sind wir stark und fördern gleichzeitig Individualität.

Wir handeln wirtschaftlich und verantwortungsvoll, um in unsere Mitarbeiter und in medizinischen Fortschritt zu investieren.

GESUNDHEIT

UMSETZUNG IN HANDLUNGSFELDER

Patienten- &Kundenorientierung

Gemeinsam in Führung

Im SRH Krankenhaus Waltershausen-Friedrichroda wird das neue Leitbild bereits gelebt.

Einblicke Leitbild SRH Gesundheit

VI perspektiven 01/2018

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kument, in dem sich die Kliniken auf gemeinsame Grundprinzipien und Handlungsmotive verständigt und diese schriftlich festgelegt haben (siehe Grafik).

Seinen persönlichen Stil findenMarcel Crisand hat viel vor: Er will den Teilnehmern da-bei helfen, ihren eigenen Führungstyp zu erkennen und authentisch weiterzuentwickeln. Ein wissenschaftlich fundierter „Führungskompass“ gibt Orientierung, in wel-cher Situation welcher individuelle Führungsstil am bes-ten passt. „Will ich meine Mitarbeiter argumentativ überzeugen oder inspirierend motivieren? Kann ich in meinem Team den Zusammenhalt fördern und dabei gleichzeitig harte Entscheidungen kommunizieren? Das sind Fragen, denen sich jede Führungskraft stellen muss – ob Chefarzt oder Abteilungsleiter“, sagt Crisand.

Genau wie das neue Leitbild wurde auch das Führungskräftetraining keineswegs von oben „verord-net“. „Beim Konzept und den Inhalten sind die Bedürf-nisse der Mitarbeiter unmittelbar mit eingeflossen“, be-tont Jürgen Sprekelmeyer, bei der SRH Kliniken GmbH verantwortlich für Strategieprozesse. In der Mitarbeiter-befragung „_.impuls“ hatte sich ein Teil der Belegschaft für Verbesserungen im Bereich Führung und Kommuni-kation ausgesprochen. „Außerdem kam immer wieder der klare Wunsch, ein Selbst- und Führungsverständnis für die eigene Berufsgruppe zu formulieren“, berichtet Andreas Tiemann, Chefarzt am Zentralklinikum Suhl und Leiter des Medical Boards. In den Schulungen soll die-ses gemeinsame Führungs-Selbstverständnis mit Leben gefüllt werden. „Wir bringen Oberärzte und Stationslei-tungen, Pflegedienste und Geschäftsführer zusammen an einen Tisch und erarbeiten uns im Team neue Ansätze für moderne Mitarbeiterführung“, erklärt Tiemann.

Kulturwandel anstoßenDiese Grundidee passt zur Unternehmenskultur, denn die SRH will dem neuen Leitbild entsprechend sowohl die Kooperation zwischen Kliniken als auch den Aus-tausch der einzelnen Berufsgruppen noch stärker för-dern. „Dieser Austausch ist alles andere als selbstver-ständlich“, weiß Jürgen Sprekelmeyer. In Kliniken müssen oft unter Zeitdruck schwierige Entscheidungen getroffen werden, was sich mitunter in Spannungen zwischen den Berufsgruppen ausdrückt. „Oft ist dann Silodenken an der Tagesordnung“, bestätigt Marcel Crisand. Konflikte darüber, wer gerade welche Aufgabe priorisieren soll, wer welche Kompetenzen hat, wer die Verantwortung trägt und wer Rücksicht zu nehmen hat, seien dann vorprogrammiert.

Mit dem neuen Leitbild und dem umfangreichen Führungskräfteprogramm will die SRH den Kulturwandel weg vom Silodenken hin zu multiprofessionellen Teams und mehr Kooperation fördern. Jürgen Sprekelmeyer: „Am Ende geht es bei uns immer um das Wohl des Pati-enten – und das lässt sich im Team mit allen Berufsgrup-pen und gemeinsam auf Augenhöhe am besten errei-chen.“

Vom unterschiedlichen Blickwinkel auf Augenhöhe

Dass das neue Leitbild nicht nur auf dem Papier besteht, zeigt das Beispiel des

SRH Krankenhauses Waltershausen-Friedrichroda. Im Rahmen der Zertifizierung ha-

ben sich kürzlich alle Führungskräfte des Hauses – von den Chefärzten bis zur Pflege-

dienstleitung, von den Stationsleitungen bis zur Leiterin Rechnungswesen und vom

Abteilungsleiter Technik bis hin zur Chefin der Patientenverwaltung – einen Tag lang

zurückgezogen. Der Plan: gemeinsame Ideen entwickeln, um das neue Leitbild mit

Leben zu füllen und auf die individuellen Gegebenheiten anzupassen. Dabei stand

die Frage im Vordergrund, wie die Patientenversorgung besser über die behandeln-

den Berufsgruppen hinweg koordiniert und ob der Klinikalltag durch die Entwicklung

der Behandlungspfade verbessert werden kann. „Mir war von Beginn an klar: Wenn

wir das gemeinsam erarbeiten, dann können unsere Führungskräfte das besser nach

innen kommunizieren“, sagt Annett Gratz, Geschäftsführerin des Krankenhauses.

Als vergleichsweise kleines Haus, das im ländlichen Raum die Grund- und Regelversor-

gung übernimmt, ist das Krankenhaus Waltershausen-Friedrichroda auch auf Patien-

ten aus dem Umland angewiesen. „Deshalb steht bei uns die Patientenzufriedenheit

an erster Stelle“, so Gratz. Am meisten beeindruckt hat sie, dass die Mitarbeiter über

alle Berufsgruppen hinweg diskutiert und neue Ideen erarbeitet haben. „Da hat natür-

lich jeder seinen Blickwinkel: Die Ärzte konzentrieren sich auf die medizinische Be-

handlung. Aber die Schwestern sehen den Patienten häufiger, bekommen sein Umfeld

und seine psychische Verfassung stärker mit.“ Ein gemeinsames Führungsverständnis

setzt voraus, dass man diese verschiedenen Sichtweisen zusammenführt – nur so

kann aus unterschiedlichen Blickwinkeln Kommunikation auf Augenhöhe werden.

Um die Bedeutung der Pflege

und den Erfahrungsaustausch

zwischen den Kliniken zu stär-

ken, arbeiten Pflegedirektoren

und Ärztliche Direktoren der

SRH Kliniken eng zusammen:

Einmal im Jahr stimmen Pflege-

board und Medical Board

Themen wie Qualitätsentwick-

lung, Personalakquise und Risi-

komanagement ab.

SRH Krankenhaus Waltershausen­Friedrichroda

Leitbild SRH Gesundheit EinblickeFo

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Konferenzmanagerin, 27, engagiert sich für Straßen- und Waisenkinder in Indien – FORUM Institut für Management, Heidelberg

Stolz deutet Ines Tribian auf die Fotos an ihrer Wohnzim-merwand. Sie zeigen die 27-Jährige umringt und umarmt von Mädchen und Jungen aller Altersklassen. Leuchtende schwarze Augen, strahlendes Lachen, Lebensfreude pur. „Sie nennen mich ‚Ines Didi‘. Das bedeutet auf Hindi res-pektvoll ‚Große Schwester‘.“ Seit sechs Jahren engagiert sich die Heidelbergerin für Nitya Seva (www.nityaseva.eu): Der Verein um das Gründerehepaar Claus und Asha von der Fink betreibt vom hessischen Bensheim aus drei Kin-derheime im indischen Bhopal. Über 200 Straßen- und Waisenkinder haben dort ein neues Zuhause gefunden.

„Angesichts dessen, was sie zuvor an Gewalt und Elend erlebt haben, bin ich immer wieder erstaunt, was für fröhliche und glückliche Kinder das jetzt sind“, sagt Tribian. Dreimal war sie bislang in Bhopal und hat für mehrere Mo-nate mit ihnen gelebt: die Kleinsten morgens für die Schule fertig gemacht, beim Mittagessenkochen geholfen, sie bei den Hausaufgaben betreut, mit den Älteren viele seelsorge-rische Gespräche geführt. „Das ist natürlich kein erholsa-

mer Urlaub, weil Sie rund um die Uhr gefragt sind. Aber es ist einfach schön, für die Kinder eine Konstante zu sein.“ Mit vielen hält Tribian, die seit Sommer 2017 als Konferenz-managerin beim FORUM Institut für Management arbeitet, engen Kontakt über Internet und Telefon. Vor ihrem letzten Besuch hat sie eifrig Spenden gesammelt: „Ich wollte je-dem Kind einen Ausflug ermöglichen. Und das hat am Ende auch geklappt.“ Jedes der 200 Kinder war mindestens einmal in einem Erlebnisbad oder Vergnügungspark. „Und mit den Größeren bin ich zum Tadsch Mahal gefahren.“

Die SRH unterstützt Ines Tribians Herzensprojekt, wie sie es nennt, nun im Rahmen der Initiative „Teil Dein Glück“. Ein Engagement, das sie freut. Nitya Seva kann Hil-fe gut gebrauchen, sei es über Spenden, eine Patenschaft, durch aktive Mitarbeit im Verein oder von Freiwilligen, die in Bhopal anpacken. Auch Tribian möchte im Sommer wie-der dabei sein. „Es ist ein schönes Gefühl, zu wissen, da ist die große Nitya-Seva-Familie – und ich gehöre dazu.“ Ein-mal große Schwester, immer große Schwester.

www.forum-institut.de

Gestatten, Kollegin Ines Tribian!

„ E S I S T E I N F A C H S C H Ö N ,

F Ü R D I E K I N D E R E I N E K O N S T A N T E

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Einblicke Eine von uns

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perspektiven 01/2018

Eis für alle!

Jetztmitmachen!

Welche Erlebnisse oder Dinge verbinden Sie mit der SRH?

Was verbinden Sie mit der SRH?Schreiben Sie uns eine E-Mail an

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„Mich begeistert der praktische Nutzen in meiner Ausbildung: Von einer

Fangopackung hatte ich noch nie gehört, wende sie jetzt gern an. Der heilsame

Schlamm wärmt bei Rückenschmerzen – auch zu Hause oder bei Freunden.“

„Dank der Wanderbänke und der Aktion ‚Südthüringens

Schönste Aussichten‘ haben meine Frau und ich gut

60 wunderbare Orte und Routen in unserer Heimat entdeckt.“

T I M TA D D E Y

absolviert Ausbildung und Studium zum

Physio therapeuten an der SRH Fachschule

für Physiotherapie in Leverkusen und gibt

seinen Freunden seither Gesundheitstipps.

S A N D R A S P O O R

arbeitet im Media Office – digital der

SRH Fernhochschule. Sie hat ihr

Team zur SWR3 Ice-Truck-Challenge

angemeldet und gewonnen.

D I R K J E H N I G

war Patient im SRH Zentralklinikum Suhl

und ist begeisterter Wanderer. Neue

Strecken sucht er entlang der von der

SRH gesponserten Wanderbänke.

„Unsere Aufgabe war es, ein Poolpartyfoto nachzustellen, und alle Kollegen

waren sofort dabei. Die Aktion hat gezeigt: Wenn alle anpacken, können wir viel bewirken.

Und einen Berg Eiscreme gewinnen.“

19

MomentaufnahmeFo

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priv

at

Junge Menschen wollen nicht nur gut ausgebildet werden, sondern möglichst auch in Eigenregie ihren Alltag gestalten. So bietet das SRH Berufsbildungswerk Neckargemünd Jugendlichen mit individu-ellem Förderbedarf verschiedenste Wohnformen an: von sozialpäda-gogisch betreuten Internaten über Wohngemeinschaften bis zu ei-genen Wohnungen. Im Laufe des Frühjahrs wird eine weitere Bleibe fertiggestellt: Das neue Boardinghouse am Dreikreuzweg bietet Platz für 25 junge Erwachsene mit gesundheitlichen Einschränkun-gen. „Wir unterstützen die Eigenständigkeit unserer Auszubilden-den“, sagt Sascha Lohwaßer, Mitglied der Geschäftsführung. „Unser Wohnkonzept ermöglicht ihnen, sich und ihr Leben selbst zu organi-sieren.“ Die hellen, möblierten Einzelapartments sind je 20 Quadrat-meter groß, haben ein eigenes Bad, Einbauküche und Balkon. Das offen gestaltete, lichtdurchflutete Gebäude ist komplett barrierefrei, verfügt über einen Fahrstuhl sowie einen Gemeinschaftsraum.

www.bbw-neckargemuend.de

Neue Angebote, neue Perspektiven: Ab dem Sommersemester startet der mit der SRH Hochschule Heidelberg entwickelte eng-lischsprachige Masterstudiengang „Internatio-nal Business and Engineering“ an beiden Hochschulen.

Zudem kooperiert die SRH Hochschule Hamm mit dem Freshman Institute der Fach-hochschule Aachen. Dort bereiten sich auslän-dische Studenten ein Jahr lang fachlich und sprachlich auf ihr Studium in Deutschland vor. Anschließend können sie sich an einer von sechs Kooperationshochschulen bewerben. „Das interkulturelle Umfeld ist ein Gewinn für beide Seiten und bereitet die Studenten bes-tens auf das Arbeiten in einer globalisierten Welt vor“, sagt Hochschulrektor Prof. Dr. Lars Meierling. Ein weiteres Plus der Hochschule: aktives, eigenverantwortliches Lernen nah an der Praxis. Zum Wintersemester werden

deshalb alle Bache-lorstudiengänge auf das sogenannte CORE-Prinzip umge-stellt. CORE steht für Competence Orien-ted Research and Education, ein Stu-dienmodell, bei dem die Studenten sich Kompetenzen statt bloßes Wissen erar-beiten. Das geschieht zum Beispiel mittels Fallstudien, Gruppen-arbeiten oder Rollenspielen. Raum dafür bietet ihnen das neu gestaltete Atrium der Hoch-schule mit mobilen Lerninseln.

www.fh-hamm.de

SRH Hochschule Hamm wird international

Schöner wohnen für Azubis

So wird das neue Boardinghouse aussehen, wenn die letzte Lampe

installiert und alle Farbe getrocknet ist.

Fünf indische Studenten des neuen internationa-len Masterstudiengangs im BVB-Stadion

in Dortmund.

20

Nachrichten Bildung & Gesundheit

perspektiven 01/2018

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Auf der einen Seite: Stu-denten, die Theorie in die Praxis umsetzen. Auf der anderen: Ärzte, die das Ergebnis nutzen. Eine klassische Win-win-Situa-tion – und ein gutes Bei-spiel für die erfolgreiche Zusammenarbeit von SRH Hochschulen und SRH Kliniken. So fertigten angehende Ingenieure der SRH Hochschule Hei-delberg mithilfe eines 3-D-Druckers Modelle von Knochenstrukturen an. Allein die Datenaufbe-reitung ist eine Wissenschaft für sich: „Damit ein brauchbarer Datensatz entsteht, müssen Aufnahmen aus verschiedenen radiologischen Quellen wie Rönt-gen oder MRT übereinandergelegt werden“, sagt Prof. Dr. Andreas Gerber, Dekan an der School of Engineering and Architecture. Zusammen mit Prof. Dr. Eckart Theophile betreut er das Projekt auf Hochschulseite. „Und in der praktischen Anwendung eines solchen Druckers ergeben sich Fragen, die über das Lehrbuch weit hinausgehen.“ Dr. Thomas Welk, Oberarzt der Radiologie am SRH Klinikum Karls-bad-Langensteinbach, lieferte das nötige Bildmaterial

und beriet bei der Umwandlung der Dateiformate. Initiator der Zusammenarbeit ist Dr. Michael Ruf, Chefarzt der Wirbelsäulenchirurgie. Für Mediziner können solche Modelle wertvolle Hilfsmittel sein: Vor einer OP sehen sie Fehlbildungen der Wirbelsäule nicht nur auf dem Monitor, sondern bekommen im wahrsten Sinne des Wortes ein Gespür für die Struk-turen. Ärzte können Eingriffe noch besser planen und mögliche Komplikationen im Vorfeld erkennen.

www.hochschule-heidelberg.de, www.klinikum-karlsbad.de

Knochenmodell aus dem 3-D-Drucker

Wer ein Projekt starten möchte, um sozial be-nachteiligte oder geflüchtete Menschen zu för-dern, hat es nicht leicht. Anträge müssen aus-gefüllt, Kooperationspartner gefunden und Gelder organisiert werden. Gut, wenn man dann auf ein solides Netzwerk zurückgreifen kann: Gründungsmitglieder der DIFIM – kurz für Deutsche Initiative für Integration und Migration – sind mehrere SRH Unternehmen sowie die gemeinnützigen Organisationen SportStift und GetYourWings. Zusammen un-terstützen sie Vereine oder Einzelpersonen mit ihrem Wissen – und mit ihrer Erfahrung, wenn es darum geht, Fördermittel und Spenden ein-zuwerben. „Die Ressourcen sind oft entschei-

dend, um gesellschaftsrelevante Projekte am Laufen zu halten“, sagt Prof. Dr. Katja Rade, Rektorin der SRH Hochschule Heidelberg und erste Vorsitzende der DIFIM. Kürzlich übergab die Initiative im Ankunftszentrum Heidelberg, einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete, Sachspenden im Wert von mehreren Tausend Euro an Diakonie und Caritas. In den Paketen: Sportkleidung, unter anderem gestiftet vom Fußballverein VFL Wolfsburg und von Sport-artikelherstellern. Gedacht sind sie für Geflüch-tete, die an den Sportangeboten von Diakonie und Caritas teilnehmen möchten. Zudem über-reichte die DIFIM Mal- und Bastelutensilien für geflüchtete Kinder.

Patienten, die ein zweites Mal an ei-

nem Tumor im Oberbauch erkranken,

können oft nicht erneut operiert wer-

den. Dieser Tumor blockiert allerdings

oft den Gallenfluss. Ohne die Galle,

die in der Leber gebildet wird, kann

die aufgenommene Nahrung nicht

richtig verdaut werden. Die Folge:

Gelbsucht, Schmerzen, Übelkeit und

Erbrechen. In diesen Fällen behandelt

das SRH Wald-Klinikum Gera Patien-

ten mit der endosonographischen

Galleableitung. Anstatt Drainagen

außerhalb des Körpers zu legen, wer-

den minimalinvasiv innere Ableitun-

gen für die Galle geschaffen. Da-

durch kann die Galle auf normalem

Weg abfließen. „Unheilbar erkrankte

Patienten haben dank dieses Verfah-

rens weniger Schmerzen und erhal-

ten deutlich mehr Lebensqualität“,

sagt Prof. Dr. Uwe Will, Chefarzt der

Gastroenterologie und Hepatologie.

Das SRH Wald-Klinikum Gera ist eine

der ersten Kliniken bundesweit, die

das Verfahren einsetzen. Patienten

kommen aus ganz Deutschland.

www.waldklinikumgera.de

Beste Unterstützung für Helfer

DIFIM-Vorsitzende Prof. Dr. Katja Rade (5. v. r.) übergibt Spenden für Flüchtlingsprojekte.

Dr. Thomas Welk (l.) und Prof. Dr. Andreas Gerber begutachten das Ergebnis der Studenten.

Tumorpatienten schonend entlasten

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Bildung & Gesundheit Nachrichten

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Vorsichtig fischt Susanne Gärtner* das blaue Kännchen mit den weißen Punkten zwischen all den anderen Koch- utensilien auf dem Tisch hervor. „So eines hatten wir frü-her auch“, erklärt die 62-Jährige zurückhaltend und dreht das Gefäß hin und her. „Wir haben es immer für die Milch zum Kaffee benutzt.“ – „Und was ist das hier?“, hakt Ergotherapeutin Jeannine Liebau nach und deutet auf einen etwas altertümlich anmutenden Metallgriff mit Schlinge, den Susanne Gärtner in ihrer anderen Hand hält. „Das ist ein Öffner für Einmachgläser“, kommt es leise, aber bestimmt zurück. Sie habe früher selbst viel Kompott eingekocht, aus dem eigenen Garten, Pfirsiche, Birnen, Äpfel, berichtet die an Alzheimer Erkrankte den umstehenden Mitpatienten. Ein paar nicken zustimmend.

Alle haben sich inzwischen Küchengeräte wie Sparschäler, Handquirl oder Zitronenpresse genommen und erzählen nun, immer wieder animiert von Jeannine Liebau, über ihre Verbindung dazu. – Warm-up beim Kurs „Kochen gegen das Vergessen“, zu dem sich jede Woche ein halbes Dutzend Patienten in der Therapie-küche des SRH Wald-Klinikums Gera treffen. Sie alle sind an Demenz erkrankt und arbeiten hier zwischen Toma-ten und Kartoffeln gegen die Symptome ihrer Krankheit an. Rund 1,6 Millionen Menschen in Deutschland leben zurzeit mit einer demenziellen Erkrankung. Bei fast zwei Dritteln ist es Morbus Alzheimer, dessen Ursachen man immer noch nicht genau kennt und der hauptsächlich

Aus einer Vielzahl von Zutaten wählen die Kursteilnehmer alles

Nötige für ihr Rezept aus. Das schult ihre Planungskompetenzen.

* Name geändert

Text Ulrike Heitze Fotos Roger Hagmann

Die meisten Demenzerkrankungen sind noch nicht heilbar. Kreative Thera-pieangebote können Patienten aber helfen, im Alltag möglichst lange fit zu bleiben – und sich wohler zu fühlen.

Kochen gegen das Vergessen

22

Gesundheit Mit Demenz leben

perspektiven 01/2018

bei sehr alten Menschen auftritt (siehe Grafik). Daneben gibt es aber auch andere Formen, wie etwa vaskuläre – gefäßbedingte – Demenzen oder solche nach Unfällen. Die Krankheit führt dazu, dass im Gehirn allmählich Ner-venzellen absterben und der Informationsaustausch zwi-schen den verbliebenen Zellen gestört ist.

Das wirkt sich im frühen Stadium vor allem auf das Kurzzeitgedächtnis aus: Die Betroffenen vergessen den Inhalt von Gesprächen, haben Wortfindungs- und Orientierungsschwierigkeiten, bekommen komplexere Tätigkeiten nicht mehr organisiert – können ihr Leben aber noch weitgehend selbst bestreiten. Die Beeinträch-tigungen beim Denken, Erinnern und Orientieren neh-men mit der Zeit zu, sodass die Patienten im Alltag im-mer mehr Hilfe benötigen. Das Sprechen fällt schwer, vertraute Personen werden nicht mehr erkannt, die eige-ne Geschichte vergessen. Im fortgeschrittenen Stadium kommt zum geistigen Abbau der körperliche hinzu.

Nicht kurieren, aber lindernDemenzerkrankungen sind, bis auf wenige Sonderfor-men, aktuell nicht heilbar. Auch wenn es einige vielver-sprechende Forschungsansätze gibt, werden noch Jahre vergehen, bis ein Wirkstoff entwickelt ist, der das Fort-schreiten des Zellsterbens aufhält oder sogar umkehrt. Für einige Monate können Antidementiva die Gedächt-nisfunktionen so verbessern, dass die Symptome sich nicht zeigen oder nur langsam zunehmen. Mit anderen Medikamenten lassen sich Begleiterscheinungen der Krankheit wie Depressionen, Wut- oder Angstzustände lindern. „Gegen das Grundübel können wir wenig tun“, stellt Dr. Thomas Jochum, Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie am SRH Wald-Klinikum, fest. „Aber wir können den Verlauf etwas bremsen. Unser Ziel ist, die alltagsrelevanten Defizite lange so klein wie möglich zu halten. Dann wird die Erkrankung auch als weniger dra-matisch empfunden.“

Untersuchungen zeigen, dass zum Beispiel neuro-kognitives Training hilft, die noch vorhandenen Ressour-

cen zu stabilisieren und den geistigen Verfall zu verlang-samen. „Das Gehirn ist da wie ein Muskel: Untrainiert ist auch der nicht in der Lage, dauerhaft Leistung zu brin-gen“, erklärt Dr. Andreas Becker, Chefarzt für Neurologie und Intensivmedizin am SRH Kurpfalzkrankenhaus Hei-delberg, und empfiehlt jede Art von geistiger Beschäfti-gung. Vom Kreuzworträtsel bis zum speziellen De-menz-Gedächtnistraining. Zudem seien soziale Kontakte sehr wichtig: „Wenn man einen an Demenz erkrankten Menschen in den Familienalltag integriert, schreitet die

„Unser Ziel ist, die alltagsrelevanten Defizite

lange so klein wie möglich zu halten.“

Dr. Thomas Jochum, Chefarzt für Psychiatrie und Psychotherapie

am SRH Wald-Klinikum Gera

Ergotherapeutin Kathleen Riefler und Susanne Gärtner bei der Arbeit.

Ab 80 Jahren tritt Demenz häufiger auf

Anteil der Erkrankten in der jeweiligen Altersklasse

Quelle: Deutsche Alzheimer Gesellschaft, 2016

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41 %

85–89

26 %

80–84

16 %

75–79

7 %

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65–69

2 %

< 65 Jahren

< 2

%

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Mit Demenz leben Gesundheit

Krankheit langsamer voran, als wenn man ihn isoliert.“ Auch körperliche Betätigung verbessert das Allgemein-befinden und hilft, den Patienten ansonsten körperlich gesund zu halten. Zu Beginn der Krankheit, solange der Patient seinen Alltag noch gut gestemmt bekommt, kön-nen er und seine Angehörigen das geistige und körper-liche Training noch in Eigenregie leisten (Tipps siehe Kas-ten unten). Später empfehlen sich zusätzlich Therapien unter professioneller Anleitung, die auf die Bedürfnisse von Demenzpatienten zugeschnitten sind. „Damit versu-chen wir, den Menschen optimal zu begleiten“, sagt

Chefarzt Jochum aus Gera. „Beispielsweise durch Ergo- und Physio-therapien, wie wir sie hier am Klinikum anbieten.“ Dem einen hilft dann ge-meinschaftliches Singen, Tanzen oder Handwerken. Der andere profitiert vom Konzentrationstraining, den Sportangeboten oder blüht in Sitzungen mit Therapiehund wieder auf. Oder beim Kochen …

In einer Vorbespre-chung haben sich die „Kochen gegen das Ver-gessen“-Teilnehmer auf ein Gericht geeinigt. Handfestes soll es geben:

Frikadellen, Bratkartoffeln mit Speck und Würstchen, dazu ein bunter Salat. „Neben dem gemeinsamen Erle-ben geht es uns auch darum, dass die Patienten aktiv ihre Handlungen planen müssen. Welche Zutaten brau-chen wir? Wann kommt was in den Topf?“, erklärt Jeannine Liebau, die das Ergotherapie-Team am Klinikum leitet. „Diese Fähigkeit lässt sich durch regelmäßiges Training länger bewahren.“

Kleine Übung, große WirkungDie Teilnehmer schälen mittlerweile Kartoffeln, kneten alte Brötchen und Gehacktes ineinander. Liebau und ihre Kollegin, Kathleen Riefler, haben immer ein Auge darauf, dass sich alle wohlfühlen, dass keiner überfordert oder geängstigt wird, was bei Demenz leicht passieren kann. Dazwischen haken sie immer wieder nach: „Was würden Sie denn da sonst noch in den Topf tun?“ Die beiden Er-gotherapeutinnen wollen die Menschen wieder zum Spre-chen bringen. Viele Demenzkranke ziehen sich zurück, weil sie nicht möchten, dass ihre Defizite offensichtlich werden, oder weil ihnen einfach die Worte fehlen.

Das hilft Demenzpatienten

Die Krankheit annehmen, statt sie zu verleugnen oder zu verheimlichen.

So gut es geht, weiter am sozialen Leben teilnehmen (Familie, Freunde, Vereine).

Austausch und Unterstützung suchen. Über die Krankheit und Sorgen sprechen.

Vorkehrungen für den weiteren Krankheitsverlauf treffen (Wohnsituation, Vorsor-

gevollmacht, Patientenverfügung).

Das Gedächtnis trainieren, für geistigen Input sorgen (Kreuzworträtsel,

Sudoku, Gehirnjogging, Tageszeitung, Diskussionen, Lesen, Musizieren, Spielen).

Sportlich betätigen (Spazieren gehen, Gymnastik, Tanzen, gern in der Gruppe).

Gedächtnisstützen nutzen (farbige Post-it-Zettel, Listen).

Alltag strukturieren und vereinfachen (an bestimmten Tagen einkaufen im im-

mer gleichen Supermarkt, feste Bezugspersonen, Mobiliar an derselben Stelle).

Wichtige Dinge an festen Plätzen deponieren (Schlüssel, Geld, Medikamente).

Wohnung sicher machen (Gas, Strom, Beleuchtung, Bekleidung, Laufwege).

Das können Familie und Freunde tun

Erkrankten aktiv in den Alltag einbeziehen (Inklusion).

Einfache Sätze und Fragen, langsam und deutlich reden.

Aufmerksam, freundlich und ruhig sein.

Verständnis haben und zeigen, nicht überfordern, nicht ständig korrigieren.

Wertschätzendes Verhalten, auch verrücktes Benehmen ernst nehmen.

Gewohnheit schaffen (Umfeld, Abläufe, Personen).

Infos und Unterstützung

Deutsche Alzheimer Gesellschaft. Verbund von Selbsthilfeorganisationen. Bro-

schüren, Beratungstelefon, Gedächtnissprechstunden. www.deutsche-alzheimer.de

Demenz Partner. Verzeichnis von Kursangeboten, um mehr über die Krankheit

und den Umgang mit ihr zu lernen. www.demenz-partner.de

Alzheimer & You. Informationsseite für Jugendliche. www.alzheimerandyou.de

„Neben dem gemeinsamen

Erleben geht es uns auch darum, dass die Patienten aktiv ihre

Handlungen planen müssen.“ Jeannine Liebau,

Leiterin des Ergotherapie-Teams am SRH Wald-Klinikum Gera

Angeregt durch alte Küchenutensilien, erinnern sich die Patienten an früher.

Gesundheit Mit Demenz leben

24 perspektiven 01/2018

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SRH

Susanne Gärtner schneidet eine rote Paprika akribisch in kleine Würfel. Handgriffe, die seit Jahrzehnten sitzen. Nicht alles in ihrem Alltag klappt noch so reibungslos. Manchmal vergisst sie die Namen ihrer Kinder und Enkel. Mit der Diagnose Alzheimer lebt sie schon einige Jahre. Zweimal pro Woche bringt ihr Mann sie in die Ambulanz des Klinikums. Montags wird gekocht, mittwochs steht Gedächtnistraining am Computer auf dem Plan. Die The-rapeuten begleiten ihre Patienten so über Jahre – und können die individuelle Entwicklung der Krankheit im Auge behalten.

Nach rund zwei Stunden Betriebsamkeit stehen drei dampfende Schüsseln mit Bratkartoffeln und Frika-dellen auf dem Tisch, dazu ein herrlich bunter Salat. Den Teilnehmern schmeckt es. Sie sind erschöpft, aber auch stolz. „Das Kochen verschafft ihnen ein Erfolgserlebnis und hebt das Selbstbewusstsein“, beobachtet Jeannine Liebau. „Es zeigt ihnen, dass doch noch was geht.“

www.waldklinikumgera.de, www.kurpfalzkrankenhaus.de

Erinnerungen festgehalten

Blitzkuchen, Kirschenmichel oder Lumpensuppe: An manche Gerichte aus der Kind-

heit erinnert man sich ein Leben lang. Allzu oft gehen die Rezepte dafür aber im Laufe

der Generationen verloren, genau wie die Geschichten der Menschen, die zu diesen

Rezepten gehören. Neun Masterstudenten der SRH Hochschule Heidelberg am Stand-

ort Calw wollten das ändern: Sie sprachen im vergangenen Jahr mit gut zwei Dutzend

Senioren und brachten deren kulinarische und persönliche Erinnerungen zu Papier.

Herausgekommen ist das mit viel Liebe zum nostalgischen Detail gestaltete Kochbuch

„Lebensgerichte“. Der Verkaufserlös fließt in Projekte für Menschen mit Demenz.

„Lebensgerichte – Die Erinnerung verblasst, der Geschmack bleibt“, Eva-Maria Waas

(Hrsg.), Edition Campus Druck & Verlag Tübingen, 2017, 99 Seiten, 14,95 Euro. Zu

beziehen über: (Online-)Buchhandlung Osiander (www.osiander.de) oder Calwer

Demenz-Initiative DemiL (www.demil-calw.de)

Ein vertrautes Milchkännchen bringt einen Teil der eigenen

Geschichte zurück.

SRH Studenten haben alte Rezepte und Geschichten

gesammelt.

Ein selbst gekochtes Essen auf dem Tisch

beschert den Patienten nicht nur Genuss, sondern auch ein Erfolgserlebnis.

Durch die große Kochinsel lassen sich

alle Teilnehmer wirklich einbeziehen.

25

Mit Demenz leben GesundheitFo

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Wie sollte eine gute medizinische Versorgung in fünf oder zehn Jahren aussehen? Und wie müsste sich das Gesundheitswesen in all seinen Teilbereichen dafür weiterentwickeln? Eine Expertengruppe hat sich darüber Gedanken gemacht.

Vom Menschen aus denken

Interview Ulrike Heitze

Das Gesundheitswesen in Deutschland steht vor großen Veränderungen: eine alternde, pflegeintensive Bevölke­rung, begrenzte Budgets und Fachkräftemangel einer­seits, aufgeklärte Patienten, große medizinische Fort­schritte und ganz neue Möglichkeiten durch die Digitalisierung andererseits. All diese Entwicklungen müssen klug miteinander vernetzt werden.

Wie das gelingen kann, haben Experten aus allen Bereichen der Gesundheitswirtschaft auf Initiative der Stiftung „Senat der Wirtschaft“ (siehe Kasten rechts) dis­kutiert. Ihr Ansatz: Ideen für eine zeitgemäße, patienten­orientierte Gesundheitspolitik entwickeln – losgelöst von Vorgaben und Einschränkungen des aktuellen Systems. Prof. Dr. Axel Ekkernkamp stellt Empfehlun­gen dieser Expertengruppe vor.

Gesundheitspolitik vom Menschen her zu denken sollte eigentlich selbstverständlich sein. Warum muss das neu überdacht werden?Prof. Dr. Axel Ekkernkamp: Weil unser Gesundheitssystem vor allem die Institutionen im Blick hat. Wir müssen wie­der mehr in Menschen investieren. Die Ressourcen dafür sind begrenzt. Deshalb plädieren wir dafür, die jahrzehn­telang manifestierten Grenzen zwischen ambulanter, stationärer und rehabilitativer Medizin weiter abzubau­

en. Praxen und Kliniken sollen leichter zusammenarbei­ten können. Nur gemeinsam lässt sich die Versorgungs­qualität kontinuierlich steigern.

Um die Pflege zu stärken, werden mehr Personal und bessere Weiterbildung gefordert. Was sollte konkret umgesetzt werden?Das Pflegeberufegesetz von 2017 müsste mit Blick auf die potenzielle Benachteiligung der Altenpflege korri­giert werden, damit alle Sektoren gleich interessant sind. Neben einer adäquaten Vergütung der examinierten Pflegekräfte wird auch die für 2018 angestrebte Grün­dung der Bundespflegekammer ein wichtiges Zeichen setzen. Indem wir den Pflegeberuf attraktiver machen, lassen sich möglicherweise gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Inwiefern zwei Fliegen mit einer Klappe?Durch die Digitalisierung werden in anderen Branchen außerhalb von Gesundheitswesen und Gesundheitswirt­schaft viele Arbeitsplätze wegfallen. Für diese Beschäftigten wird Deutschland neue Jobperspektiven brauchen. Die könnten in der Pflege entstehen. Oder in den Therapieberufen. Überall dort, wo jetzt und in der Zukunft viele Fachkräfte benötigt werden.

Prof. Dr. Axel Ekkern-kamp ist Vorsitzender des

Kuratoriums der Stiftung

„Senat der Wirtschaft für

gemeinwohlorientierte Politik“

und Aufsichtsratsvorsitzender

der SRH Holding.

26 perspektiven 01/2018

Gesundheit Ideen für eine Gesundheitspolitik der Zukunft

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: SRH

Die Experten sehen auch bei anderen Gesund-heitsberufen dringenden Handlungsbedarf. Ja, denn der Mangel an Fachkräften in allen nicht ärzt­lichen Gesundheitsberufen kann zu langfristigen Prob­lemen führen. Gerade die Therapieberufe (Physiothera­pie, Ergotherapie, Logopädie) tragen in unserem Land zu einer hohen Qualität der gesundheitlichen Versorgung bei. Während Auszubildende in der Gesundheits­ und Krankenpflege sicher finanziert sind und eine Aus­bildungsvergütung erhalten, müssen angehende Thera­peuten dafür Kredite aufnehmen.

Immer mehr Gesundheitsberufe lassen sich studieren. Eine richtige Entwicklung?Das halten wir für sehr sinnvoll und es macht auch gute Fortschritte. Hier sollte man allerdings darauf achten, Studiengänge öffentlicher und privater Anbieter zu har­monisieren und die Qualität einiger Hochschulen im Auge zu behalten. Darüber hinaus wäre es wünschens­wert, wenn sich die medizinischen Fakultäten für Stu­denten aus den nicht ärztlichen Gesundheitsberufen öff­nen würden – so wie es international Standard ist.

Wie kann die optimale Patientenversorgung künftig geplant werden?Im Mittelpunkt der Versorgungsplanung müssen die Bedürfnisse der Menschen stehen. Mit der historisch gewachsenen Aufgabentrennung – die Krankenhaus­ planung über die Bundesländer, die ambulante Bedarfs­regelung über die Kassenärztlichen Vereinigungen – kann das nicht zeitnah funktionieren. Zudem benötigen wir belastbare Daten aus dem Gesundheitsbereich, um auf dieser Basis den Bedarf besser einschätzen zu können.

Große Hoffnungen liegen auf der Digitalisierung. Wie weit sind wir?In Deutschland fehlt es, anders als in anderen Ländern, noch an einem klaren Bekenntnis, welchen Stellenwert die Digitalisierung im Gesundheitssystem haben soll. Das ist aber nötig, um ihr enormes Potenzial zur Verbesse­rung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit zu heben.

Welche Schritte halten Sie für notwendig?Damit zum Beispiel digitale Technologien in der Regel­versorgung eingesetzt werden können, müssen zügig verbindliche Zulassungskriterien definiert werden. So­wohl bei den Krankenkassen als auch in der ambulanten Versorgung fehlen Digital­Budgets. Entscheidende Vor­

aussetzung zur Etablierung virtueller Vertragsarztsitze, bei denen Ärzte und Therapeuten Patienten ausschließ­lich über Online­Sprechstunden oder Chats betreuen, ist der Wegfall des Fernbehandlungsverbotes. Damit könn­ten auch Menschen in bislang unterversorgten Gebieten angemessen behandelt werden.

Unsere Krankenhäuser haben erheblichen digita­len Nachholbedarf. Hier sind die von der Bundesregie­rung angekündigten staatlichen Zuschüsse ebenso hilf­reich wie das Nationale Gesundheitsportal. Dabei geht es nicht vorrangig um Technologie, sondern darum, eine neue – digitale – Kultur zu schaffen.

Eine ausführliche Version der Expertenempfehlungen unter:

www.senat­magazin.de/SENATE_17­4/mobile (ab S. 8)

Die Stiftung „Senat der Wirtschaft für gemeinwohlorientierte Politik“

In der unabhängigen Stiftung haben sich engagierte Menschen aus Wirtschaft,

Wissenschaft, Forschung, Politik, Zivilgesellschaft und Medien zusammengefunden.

Sie erarbeiten aus der Sicht verschiedenster Disziplinen gemeinwohlorientierte

Lösungsvorschläge, um Deutschland, Europa und die Welt zukunftsfähig zu

machen. Die Stiftung will damit der Politik wie der Gesellschaft grundsätzliche

Orientierung geben bei der Weiterentwicklung von Gesellschaft und Wirtschaft in

Richtung einer ökologischen und sozialen Marktwirtschaft.

www.stiftung-senat.de

„Wir müssen wieder mehr in Menschen als

in Gesundheitsinstitutionen investieren.“

Prof. Dr. Axel Ekkernkamp, Stiftung „Senat der Wirtschaft“

27

Ideen für eine Gesundheitspolitik der Zukunft Gesundheit

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: SRH

Franziska Pech hat nach ihrer Querschnittlähmung Stehen, Laufen und Greifen erst wieder lernen müssen.

Text Ulrike Heitze Fotos Andreas Reeg

Manchmal geht’s auch ohne Wunder

perspektiven 01/201828

Gesundheit Behandlung von Querschnittlähmungen

Tausende von kleinen Knoten hat Franziska Pech schon geschafft. Das Arbeiten mit den dünnen Fäden fällt ihr immer noch etwas schwer. Die 19-Jährige knüpft Freund-schaftsbändchen. Als Therapie für die Feinmotorik ihrer Hände – und als Dankeschön für all die Menschen, die ihr in der letzten Zeit mit viel Liebe beigestanden haben. Denn vor acht Wochen stürzte die Schülerin auf einer Party unglücklich im Bad, schlug sich verschiedenste Körperteile an, blieb bewusstlos und verkrümmt liegen. Erst nach Stunden wurde sie gefunden und ins Kranken-haus gebracht. Dass sie ihre Beine nicht mehr spürte, nicht stehen und gehen konnte, deuteten die Ärzte dort nicht richtig und schickten sie wieder nach Hause. Erst einen Tag später erkannte eine zweite Klinik den Ernst der Lage – Bruch der Halswirbelsäule, Verletzung des Rückenmarks – und operierte die junge Frau umgehend. Kurz darauf wurde sie per Helikopter zur Weiterbehand-lung ins SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach geflogen.

Dessen Querschnittzentrum ist eine von bundes-weit 27 Spezialkliniken für die Behandlung von Quer-schnittlähmungen. Diese sind fachlich und personell extra für die Akutversorgung, die Ersttherapie und die oft lebenslange Nachsorge von Menschen mit Rücken-markverletzungen ausgestattet. Mit über 40 Jahren Erfahrung ist die Paraplegiologie am SRH Klinikum in Karlsbad eines der bedeutendsten Querschnittzentren in Deutschland und betreut jährlich bis zu 300 Patienten.

Rund 2.000 Menschen erleiden hierzulande pro Jahr neu eine Querschnittlähmung, ausgelöst durch Unfälle oder Erkrankungen wie Tumoren und Infektionen (siehe Grafik). „Ein Querschnitt entsteht, wenn Entzün-dungen, Durchblutungsstörungen oder Druck auf die Wirbelsäule Rückenmarkzellen so stark schädigen, dass sie ihre Arbeit einstellen“, erklärt Chefarzt Dr. Carl Hans Fürstenberg, der die Paraplegio logie am SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach leitet. Dann werden elektri-sche Impulse zwischen Gehirn und anderen Körperteilen nicht mehr richtig übertragen. Funktionen, die vom Rückenmark unterhalb der Verletzung gesteuert werden, fallen teilweise oder komplett aus. Eine erschreckende Erfahrung, erinnert sich Franziska Pech. „Es ist schlimm, wenn dein Hirn deinen Armen und Beinen befiehlt, sich zu bewegen, und es tut sich nichts.“ Bei ihr wird eine

Franziska Pech verletzte sich bei einem Sturz schwer am Rückgrat. Wie die Medizin ihr und anderen Menschen mit Querschnittlähmung heute helfen kann.

Der Begriff Querschnitt­lähmung bzw. Paraplegie

steht für verschiedene Formen

von Lähmungen, die durch

Schädigungen des Rückenmarks

und von Nervenzellen in diesem

Bereich entstehen. Je nach

Schwere unterscheidet man

zwischen Plegie (komplette

Lähmung, das Rückenmark ist

komplett geschädigt) und

Parese (inkomplette Lähmung,

Teile des Rückenmarks sind

noch intakt). Sind nur die Beine

betroffen, spricht man von

Paraplegie oder Paraparese.

Sind Arme und Beine involviert,

heißt es Tetraplegie oder Tetra-

parese.

traumatische Tetraparese, eine inkomplette Lähmung der Arme und Beine, diagnostiziert. Ein Schock für die Abiturientin und ihre Angehörigen. „Anfangs hatte ich keine Lust mehr auf mein Leben. Aber dann habe ich so viel Unterstützung von allen Seiten bekommen, dass ich dachte, okay, für die anderen gebe ich mir jetzt Mühe.“

Schnell raus aus dem BettWenn Patienten mit einer frischen Rückenmarkverlet-zung ins Querschnittzentrum kommen, gehe es nach ei-ner umfassenden Diagnose per CT und MRT zunächst um die operative Akutversorgung, erklärt Chefarzt Fürs-tenberg. „Dann stabilisieren wir beispielsweise eine ge-brochene Wirbelsäule, damit sie sich nicht mehr ver-schieben kann, und verschaffen dem Rückenmark wieder so viel Platz, dass der Druck nachlässt und mög-lichst keine weiteren Nervenzellen zerstört werden.“

Lagen Patienten früher wochenlang im Bett, da-mit der Bruch heilt, weiß man heute: Eine zügige Mobili-sation ist hilfreicher. „Je schneller man mit der Rehabili-tation beginnt, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich Nervenzellen erholen“, sagt Fürstenberg. Dafür wird das Therapiekonzept täglich angepasst, je nachdem, wie sich die Lähmung entwickelt. Ist Stehen, Gehen oder Greifen gerade nicht möglich, trainieren Ergo- und Physiothera-peuten sowie Pflegekräfte mit dem Patienten alles, was nötig ist, um später im Alltag zurechtzukommen. Das

Vor allem Krankheiten als AuslöserUrsachen für Querschnittlähmung*

*Bei den in 2016 neu hinzugekommenen Fällen.

Quelle: Arbeitskreis Querschnittlähmung der Deutschen

Gesetzlichen Unfallversicherung, 2017

Krankheit53 %

Verkehrsunfälle15 %

Arbeitsunfälle6 %

Sonstige Unfälle (Freizeit etc.)

26 %

Behandlung von Querschnittlähmungen Gesundheit

29

reicht vom An- und Ausziehen über das Handhaben eines Rollstuhls bis zum Umgang mit Hilfsmitteln wie etwa Pro-thesen, die das Greifen ermöglichen. In einer Übungs-küche lernen Patienten, wie sie vom Rollstuhl aus an Schränke kommen oder den Herd bedienen. Demnächst ergänzt ein Rollstuhlparcours das Angebot, ein Geschenk der renommierten Manfred-Sauer-Stiftung, die sich seit Jahrzehnten für Querschnittgelähmte einsetzt.

Jeder Querschnitt ist anders – und ebenso sind es die Einschränkungen. Eine der größten Herausforderun-gen bei einer Querschnittlähmung ist aber die Blasen- und Darmentleerung. „Die funktioniert meist nicht mehr automatisch. Wir er arbeiten mit den Patienten verschie-dene Techniken. Es nimmt viel Zeit in Anspruch, eine gute Lösung zu trainieren“, sagt der Chefarzt. Weil diese einschneidenden Veränderungen den Menschen einiges abverlangen, nimmt auch die psychologische Unterstüt-zung der Patienten am Klinikum einen großen Raum ein. In jedem Fall benötigen sie viel Geduld.

Neuvernetzung anregen Zeigen sich Fortschritte, indem der Patient Berührungen wieder spürt oder Körperteile bewegen kann, lässt sich der Prozess gezielt unterstützen. „Als die Schwellung in meinem Rückenmark zurückging, fühlte sich das an wie ein Auftauprozess“, erinnert sich Franziska Pech. Ab da ging es für sie jeden Tag aufs Laufband zum Gangtrai-ning. „Ich habe buchstäblich alle virtuellen Berge und Tä-ler, die das Programm vorgibt, erwandert“, schmunzelt sie. Durch Übungen mit dem Theraband und an Fitness-geräten kam wieder erste Kraft in die Arme. Mit Steck-nadeln, Büroklammern und Münzen stellten ihr die Ergo-therapeuten einen Greifparcours zusammen. In einem Lokomat, einem Gangroboter, der die Beine des Patien-ten mechanisch bewegt, lässt sich zudem der physiologi-

sche Ablauf des Gehens trainieren. Dem Rückenmark werden so authentische Informationen rund ums Gehen geboten, um sie ans Gehirn weiterzumelden. „So wollen wir schlafende Nervenzellen aktivieren oder andere moti-vieren, die Funktion zu übernehmen“, sagt Fürstenberg. Das Trainieren dieser Rückkopplung kann helfen, dass elektrische Impulse zwischen Gehirn und Rückenmark wieder fließen. „Durch eine schnellere Notfallversorgung und bessere Operationstechniken ist heute nur noch ein Drittel der Querschnitte komplett“, sagt der Mediziner. „Zwei Drittel sind inkomplett.“ Das heißt, es sind zumin-dest Teile des Rückenmarks intakt und mit Therapien möglicherweise erreichbar.

Das Querschnittzentrum ist Mitglied im EMSCI-Projekt, in dem 18 europäische Paraplegiolo-gie-Kliniken eine der weltweit wichtigsten Datenbanken rund um Lähmungen führen. So profitieren die Patienten von aktuellsten Erkenntnissen. Vollständig zerstörte Ner-venzellen kann derzeit auch modernste Medizin nicht wieder reparieren – trotz einzelner Erfolge mit Hirnim-plantaten und neuronalen Stammzellen.

Wie ausgeprägt ein Querschnitt auf Dauer ist, zeigt sich in der Regel nach einigen Monaten bis hin zu zwei, drei Jahren. Dann manifestiert sich meist, in wel-chem Ausmaß der Patient gelähmt bleiben wird. Franzis-ka Pech ist zuversichtlich. Sie ist nach ihrer Ersttherapie am SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach wieder da-heim bei ihrer Familie in der Nähe von Heidelberg.

Tägliche Vojta-Übungen, eine spezielle Physio-therapie, sollen ihr Gehirn anregen, um alltägliche Be-wegungsabläufe wieder zu aktivieren. Das Gehen klappt bereits gut, allerdings gehorchen Arme und Hände noch nicht so wie früher, und der Körper ist schnell kraftlos. Trotzdem war sie schon wieder in der Schule. „Ich will unbedingt in diesem Jahr das Abitur angehen“, sagt sie entschlossen.

www.klinikum-karlsbad.de

„Unser Job ist es, den Patienten wieder

lebensfit zu machen.“Dr. Carl Hans Fürstenberg,

Leiter der Paraplegiologie am SRH Klinikum Karlsbad-Langensteinbach

perspektiven 01/2018

Gesundheit Behandlung von Querschnittlähmungen

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Der Patient von Dr. Kai Wildner hatte lange nicht ge-merkt, dass sich sein Gesichtsfeld langsam einschränkte und er dadurch weniger sah. Erst eine Routineuntersu-chung beim Augenarzt ergab: Der Patient hat grünen Star. Auf verschiedene Augentropfen reagierte er mit geröteten und tränenden Augen. Eine Operation ließ sich nicht mehr vermeiden. Im SRH Zentralklinikum Suhl wurde er von Chefarzt Kai Wildner operiert. Ziel war es, den zu hohen Augeninnendruck zu senken und das so-genannte Kammerwasser ablaufen zu lassen. Wildner ist Spezialist für eine ganz neue OP-Methode – das Setzen von iStents.

„Mein Patient war ein Musterkandidat für eine iStent-OP“, sagt Wildner. Es ist nur ein kleiner Eingriff,

der in wenigen Minuten erledigt ist. Dabei wird ein win-zig kleines Metallröhrchen in den Abflusskanal des Kam-merwinkels eingesetzt, um das Kammerwasser ablaufen zu lassen. Die minimalinvasive Methode kommt ohne Naht aus: „Weil nicht genäht werden muss, kann es nicht zu Komplikationen in der Wundheilung kommen. Der kleine Schnitt wächst von allein zu.“

Filigrane OperationsmethodeErst seit zwei Jahren arbeiten Mediziner mit dem kleinen Stent. Im SRH Zentralklinikum Suhl wurden in dieser Zeit aber schon einige Operationen mit dem Mini-Implan-tat durchgeführt. Eine filigrane Angelegenheit, denn das Metallröhrchen ist kaum 0,5 Millimeter lang und

0,2 Millimeter breit und damit das kleinste Implantat für den menschlichen Körper auf dem Markt. Klein muss es auch sein, denn es wird im Augeninneren, im sogenann-ten Kammerwinkel, dem Ansatzpunkt der Regenbogen-haut, eingesetzt. Der Patient merkt von dem kleinen Fremdkörper in seinem Auge nach dem Eingriff nichts.

Sehkraft erhaltenDie minimalinvasive Therapie hat viele Vorteile: Je kürzer am Auge operiert wird, desto geringer ist das Infektions-risiko. Außerdem ist das Setzen des Stents nicht unwider-ruflich: Verbessert sich das Glaukom des Patienten durch die OP nicht, können auch danach noch konventionelle Behandlungen und Operationen durchgeführt werden. „Bei der konventionellen Glaukom-OP, in der ein Ab-laufkanal mit augeneigenem Gewebe geformt wird, kann es zwar mehr Komplikationen geben“, erklärt Kai Wild-ner. „Für manche Patienten ist dies aber die einzige Opti-on, um das Glaukom zu stoppen und so langfristig die Sehkraft zu erhalten.“ Bei einem deutlich zu hohen Augen innendruck reicht der Durchmesser des Mini-Im-plantats oft nicht aus, um das Kammerwasser abzuleiten.

Kai Wildners Patient hatte Glück, ihm hat die iStent-Methode geholfen. Sein Augeninnendruck wurde deutlich gesenkt und seine Sehkraft gerettet, weil die Krankheit nicht voranschreitet.

www.zentralklinikum-suhl.de

Text Anne-Christin Giesen

Mini-Implantat gegen grünen StarWenn der Augenarzt ein Glaukom diagnosti-ziert, geht es manchmal nicht ohne Operation. Eine neue minimalinvasive Methode verspricht schnelle Linderung der Beschwerden.

Neben der modernen

iStent-Methode gibt es weitere,

konventionelle Operations-techniken, die bei der Behand-

lung eines Glaukoms

angewendet werden. Mit der

Trabekulektomie werden künst-

liche Abflüsse mit augeneige-

nem Gewebe für das Kammer-

wasser in der Bindehaut

angelegt.

Der grüne Star (auch

Glaukom) ist eine Erkrankung,

die den Sehnerv schädigt und

unbehandelt zu Ausfällen im

Gesichtsfeld des Patienten bis

hin zur Erblindung führen kann.

Hauptrisikofaktor eines Glau-

koms ist ein erhöhter Augen-

innendruck. Es wird zu viel Kam-

merwasser produziert oder es

kann nicht richtig ablaufen. Pa-

tienten bemerken ein Glaukom

häufig erst, wenn das Gesichts-

feld schon sehr stark einge-

schränkt ist. Eine regelmäßige

Untersuchung des Augeninnen-

drucks kann helfen, die Sympto-

me frühzeitig einzudämmen

und das Fortschreiten der

Krankheit zu stoppen.

„Weil nicht genäht werden muss, kommt es selte-

ner zu Komplikationen.“ Dr. Kai Wildner,

Chefarzt der Augenheilkunde am SRH Zentralklinikum Suhl

Das Mini-Implantat ist mit dem bloßen Auge kaum als Röhrchen zu

erkennen.

KAMMERWINKEL

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(IRIS)

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HORNHAUT

SEHNERV

KAMMERWASSER

Glaukom-Therapie Gesundheit

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Demografie, Digitalisierung, Nachwuchsmangel: Krankenhäuser müssen sich derzeit vielen Herausforderungen stellen. Das gilt besonders im ländlichen Raum. Ein Zukunftsmodell sind regional vernetzte Gesundheitszentren.

Auf die Stärken besinnen

Kommentar: Nils Birschmann, Direktor Kommunikation SRH Holding

Den Krankenhäusern geht es wie dem deutschen Mittel-stand. Obwohl die kleinen und mittleren Betriebe für fast 60 Prozent der Arbeits- und mehr als 80 Prozent der Ausbildungsplätze verantwortlich sind, stehen nicht sie, sondern die großen börsennotierten Konzerne im Mittel-punkt der Aufmerksamkeit. Das Idealbild vom Kranken-haus der Zukunft ähnelt insofern dem eines mittelständi-schen Unternehmens: Es sollte sichere und gut bezahlte Arbeit bieten, ein hohes Ansehen in der Bevölkerung ge-nießen und zur regionalen Wertschöpfung beitragen.

Doch die Realität sieht anders aus, vor allem auf dem Land: In vielen Regionen wird die Gesundheitsver-sorgung den heutigen und zukünftigen Anforderungen nicht mehr gerecht. Finanziell angeschlagene Kranken-häuser arbeiten mit zu kleinen Versorgungseinheiten, bieten zu wenig Spezialisierung und leiden zudem unter

Fachkräftemangel. Hinzu kommt ein radikaler Verände-rungsdruck durch Mega-Trends wie die Digitalisierung, die demografische Bevölkerungsentwicklung und den Strukturwandel (siehe Kasten rechts oben).

600 der etwa 2.000 Kliniken in Deutschland be-finden sich im ländlichen Raum. Sie stehen heute oft-mals vor der Entscheidung, entweder schließen zu müs-sen oder sich weiterzuentwickeln und mit anderen Akteuren zu kooperieren. Was häufig fehlt, sind innova-tive Modelle, die sowohl die Tragfähigkeit der Kranken-häuser als auch die wohnortnahe Gesundheitsversor-gung der Bevölkerung sichern.

Andere Länder machen es vorEin interessantes internationales Vorbild für eine regional vernetzte Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum

Megatrends verändern den Alltag vor allem in ländlichen Kliniken.

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: SRH

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sind die „Community Health Centers“ in Kanada, den USA, Österreich und Skandinavien. Sie garantieren die Primärversorgung der Patienten, und verschiedene Ge-sundheitsberufe arbeiten hier in einem Team zusammen. So können sie die Behandlung akuter und chronischer Erkrankungen noch enger mit Rehabilitation, Pflege so-wie präventiven Leistungen verzahnen.

Ein sehr ähnliches Modell hat der Sachverständi-genrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesund-heitswesen bereits vor drei Jahren empfohlen: Ein lokales Gesundheitszentrum soll demnach die Erst- und Lang-zeitversorgung der Patienten sichern. Hier arbeiten Haus ärzte, Therapeuten, Pflegekräfte und Sozialarbeiter zusammen. Von dort lassen sich dann weitere Maß-nahmen organisieren, und zwar sowohl professionelle als auch ehrenamtliche Angebote. So gibt es in vielen Regionen gut funktionierende Gesundheitsnetze, zum Beispiel für Demenz- oder Palliativpatienten. Aber auch Initiativen wie „Wohnen im Alter“ oder mobile Gesundheitsdienste können direkt mit den lokalen Gesundheitszentren kooperieren.

Integrierte GesundheitszentrenBislang haben solche Einrichtungen in Deutschland aller-dings noch Modellcharakter. Doch das neue Kranken-hausstrukturgesetz wird die regional vernetzte Gesund-heitsversorgung weiter forcieren. Ländliche Krankenhäuser könnten sich dann zu integrierten Ge-sundheitszentren mit Haus- und Fachärzten, Pflege und Rehabilitationsangeboten entwickeln. Sie wären stärker als bislang auf den Bedarf und die kommunalen Struktu-ren vor Ort ausgerichtet, könnten einen zusätzlichen Schwerpunkt auf Prävention und Gesundheitsförderung setzen und zudem die Chancen und Potenziale der Digi-talisierung, etwa im Bereich e-health, Robotik und künst-liche Intelligenz, besser nutzen.

Für die regionalen Betreiber solcher Gesundheits-zentren kommt es vor allem darauf an, familienfreundli-che und flexible Arbeitsbedingungen sowie gute Weiter-bildungsmaßnahmen anzubieten. Um Mitarbeitern und Bürgern vor Ort die Ängste vor der Veränderung zu neh-men, müssen sie transparent informieren und mit allen Beteiligten in einen regelmäßigen Dialog treten.

Die Krankenhäuser können also gestärkt aus dem Wandel hervorgehen. Voraussetzung ist, dass sie sich auf ihre Stärken besinnen und sich intensiver als Partner der öffentlichen Hand, der Region und der Menschen vor Ort verstehen. Die Klinik der Zukunft lebt und arbei-tet nach der Devise „Mehr Nähe, bessere Qualität und mehr Beteiligung“.

www.innovative-gesundheitsmodelle.de

Digitalisierung ermöglicht, dass Ärz-

te, Therapeuten und Krankenkassen bes-

ser zusammenarbeiten. Patienten und

ihre Angehörigen werden stärker einge-

bunden.

Sektorenübergreifende Versor-gung: Chronisch kranke und ältere Pati-

enten mit mehreren Erkrankungen brau-

chen eine abgestimmte Versorgung über

die Fachbereiche hinweg.

Demografischer Wandel bringt im-

mer mehr ältere Patienten mit mehreren

Krankheiten in die Krankenhäuser.

Nachwuchsmangel und Wandel der Arbeit: Weil es an Medizinern und

Pflegepersonal mangelt, arbeiten Teams

aus verschiedenen Berufen zusammen

und kooperieren stärker mit niedergelas-

senen Ärzten. Das steigert jedoch häufig

auch die Arbeitsbelastung des Einzelnen.

Umbruch in der Krankenhausland-schaft und Strukturwandel: Bet-

tenabbau oder Klinikschließungen sowie

die Privatisierung öffentlicher Kranken-

häuser führen zu Ängsten in der Bevöl-

kerung.

Regional und vernetzt: das SRH Krankenhaus Oberndorf am Neckar

Wie eine moderne Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum funktionieren kann,

zeigt das Beispiel des SRH Krankenhauses Oberndorf am Neckar in Baden-Würt-

temberg. Jährlich werden hier 6.000 Patienten stationär und 10.000 Patienten am-

bulant versorgt. Kooperationen mit niedergelassenen Ärzten bestehen über zahlrei-

che Fachbereiche hinweg – von orthopädischen Eingriffen bis hin zu ambulanten

HNO- und Augenoperationen. Den Notfall- beziehungsweise Rettungsdienst orga-

nisiert das Krankenhaus gemeinsam mit dem Deutschen Roten Kreuz. Außerdem

kooperieren die Oberndorfer mit der kardiologischen Klinik in Villingen-Schwennin-

gen und bei Krebspatienten mit dem Universitätsklinikum Tübingen. 2011 wurde

das Haus privatisiert und die SRH übernahm die Trägerschaft. Seitdem wurden

mehr als 26 Millionen Euro in die Generalsanierung investiert, die Anzahl der Pati-

enten ist um 30 Prozent gestiegen, der Umsatz um 47 Prozent.

www.krankenhaus-oberndorf.de

Fünf Herausforderungen für die ländliche Gesundheitsversorgung

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: SRH

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: upi

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Krankenhäuser im ländlichen Raum Gesundheit

Hamburg

Hamm

Asunción

Heidelberg

Neckargemünd

Bad WimpfenHeilbronn

Magdeburg

Bad Kösen

HermsdorfRonneburg

Altenburg

Crimmitschau/MeeraneSchmöllnGreiz

ZeulenrodaZella-Mehlis

Gera

Suhl

Düsseldorf

Hannover

Berlin

Dresden

Cottbus

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SRH IM ÜBERBL ICK

Die SRH komplettiert ihr Angebot für den unternehmerischen Nachwuchs in Berlin.

I m Januar hatte ich das große Vergnügen, das Grenke Centre for Entrepreneurial

Studies mit zu eröffnen. Das neue Institut der SRH Hochschule Berlin widmet sich der Gründungsforschung und wird untersuchen, unter welchen Bedingungen junge Unter-nehmen erfolgreich sind und wie diese wis-senschaftlichen Erkenntnisse in Lehre und Praxis einfließen können. Der Startschuss für das Grenke Centre fiel ziemlich genau auf den ersten Geburtstag unseres SRH Start-up Labs Berlin. Vor einem Jahr haben wir am Ernst-Reuter-Platz, im Erdgeschoss unserer SRH Hochschule Berlin, inspirierende Räumlichkeiten eigens für junge Gründer er-öffnet: kostenlose Kreativ-Arbeitsplätze mit WLAN, Whiteboard und allem anderen, was man für Schaffensprozesse braucht.

Seitdem können die Studenten unserer drei Berliner Hochschulen – der SRH Hochschule Berlin, der SRH Hochschu-le der populären Künste und der design aka-demie berlin, SRH Hochschule für Kommu-nikation und Design – dort in Ruhe an Geschäftsideen feilen, mit Investoren und Gründungsexperten netzwerken oder sich weiterbilden. Zusammen mit unserem Mas-terstudiengang Entrepreneurship bilden Grenke Centre und Start-up Lab nun einen Dreiklang aus Lehre, Forschung und Praxis. Wir haben ihn Entrepreneurial Success Space – kurz ESS – getauft. Eine ähnliche Kombination betreibt die SRH in Form des Gründer-Instituts schon erfolgreich an ihrer Hochschule in Heidelberg.

Deshalb freut es mich riesig, dass auch das Berliner Angebot rege genutzt wird: Je-den Tag treffen sich im Start-up Lab ein bis zwei Dutzend Studenten, um Einfälle zu dis-kutieren oder ihre konkreten Start-ups wei-terzuentwickeln. Große Teile der Afrolynk- Idee, über die Sie auf Seite 4 lesen können, sind dort entstanden. Hinzu kommen wö-chentliche Veranstaltungen für Gründungs-laien und -experten. Dass sich Wolfgang Grenke als Gründer eines Weltmarktführers so für Studenten engagiert, ist nicht selbst-verständlich und verdient Anerkennung und Dank. Natürlich kann nicht jeder Absolvent eine so erfolgreiche Firma aufziehen. Aber unternehmerisches Denken beflügelt jede Karriere und steht bei Arbeitgebern aller Branchen hoch im Kurs. Selbstständigkeit ist keine Frage des Arbeitsvertrags. 

Angebot der SRH Hochschulen in Berlin rund ums

Gründen, bestehend aus Forschung, Lehre und Praxis

SRH Start-up Lab Berlin: Räume, Netzwerk, Know-

how und Veranstaltungen für gründungsinteressierte

Studenten der drei Berliner SRH Hochschulen

Grenke Centre für Entrepreneurial Studies: Institut für

Gründungsforschung und Forschungstransfer

Masterstudiengang Entrepreneurship an der

SRH Hochschule Berlin

www.srh-hochschule-berlin.de

( Hochschule Einrichtungen)

S T E C K B R I E F ENTREPRENEURIAL SUCCESS SPACE (ESS)

C H R I S T O F H E T T I C H

Der Vorstandsvorsitzende der SRH kommentiert aktuelle Entwicklun-

gen in der SRH und Trends rund um Bildung und Gesundheit.

von Christof Hettich

34 perspektiven 01/2018

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Mein Ortstermin Entrepreneurial Success Space (ESS) in Berlin

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straße 1, 69123 Heidelberg; Telefon: 0 62 21/82 23-0; E-Mail: [email protected].

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ren: SRH Holding (SdbR), Datenschutzbeauftragter, Bonhoefferstraße 1, 69123 Heidel-

berg; Telefon: 0 62 21/82 23-113; E-Mail: [email protected].

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