Pferdestärken - Wieczorek / Tellenbach, ReadingSample · 2018. 3. 24. · Pferdestärken Das Pferd...

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Pferdestärken Das Pferd bewegt die Menschheit von Alfried Wieczorek, Michael Tellenbach 1. Auflage Pferdestärken – Wieczorek / Tellenbach schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Verlag Philipp von Zabern 2007 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 8053 3767 0 Inhaltsverzeichnis: Pferdestärken – Wieczorek / Tellenbach

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Pferdestärken

Das Pferd bewegt die Menschheit

vonAlfried Wieczorek, Michael Tellenbach

1. Auflage

Pferdestärken – Wieczorek / Tellenbach

schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Verlag Philipp von Zabern 2007

Verlag C.H. Beck im Internet:www.beck.de

ISBN 978 3 8053 3767 0

Inhaltsverzeichnis: Pferdestärken – Wieczorek / Tellenbach

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Abb. 1Rollsiegel aus Serpentinmit moderner Ab-rollung. Babylon, zwei-te Hälfte des 2. Jahrtau-sends v. Chr.Von einem zweirädri-gen Wagen aus jagt einBogenschütze Gazellen.Staatliche Museen zuBerlin, VorderasiatischesMuseum, Inv. Nr. VA6975.

nur nach den leichten Streitwagen mit zweiSpeichenrädern, sondern auch nach den zuge-hörigen Pferden, die in den Gebirgsregionen desTaurus, des ostanatolischen Hochlandes und desZagros, aber nicht in den Ebenen Meso-potamiens heimisch waren. Von der Mitte des 2. vorchristlichen Jahrtausends an wurde zwarauch im Zweistromland Pferdezucht betrieben,aber der Bedarf an Nachschub, nach dem vorallem die assyrische Armee verlangte, ließ sichdamit nicht decken. Pferde mussten daherzumeist aus den umliegenden Gebirgsregionen,wo sie in ihrem natürlichen Lebensraum ge-züchtet wurden, aber auch wild lebten, nachMesopotamien gebracht werden, sei es durchHandel oder als Beutegut. Ganze Feldzüge wur-den ausgerichtet, um die assyrische Armee inden Besitz der kostbaren Tiere zu bringen. Denunterworfenen Regionen wurde dann die Ab-lieferung von Pferden als Bestandteil von Tribut-leistungen auferlegt. Der mittelassyrische KönigTiglathpilesar I. (1114–1076 v. Chr.) etwa er-beutete, seinen eigenen Berichten zufolge, inden Gebirgszügen des Taurus ganze Pferde-herden und verlangte von den Einheimischen1.200 Pferde als jährlichen Tribut (Abb. 2). Auchin die unter medischer Herrschaft stehendenGebirgszüge des Zagros unternahmen die Assy-rer regelmäßige Tributexpeditionen, um den Tier-bestand ihrer Kavallerie zu erweitern.

Die Armeepferde waren in Stallungen unter-gebracht, die besten sogar in Zeughauspalästen,die so riesige Höfe umschlossen, dass die vorden Wagen gespannten Pferde dort trainiert wer-den konnten. Aus dem ausgehenden 2. vor-christlichen Jahrtausend haben sich Anweisun-gen zum Training von Wagenpferden und derenPflege erhalten.1 Um die Tiere auf das Kampf-geschehen, in dem sie Einsatz finden sollten,vorzubereiten, mussten sie, so beschreiben esdie keilschriftlichen Anweisungen ausführlich,vor den Streitwagen gespannt verschiedeneGangarten, Drehungen und Wendungen auf

STEFAN M. MAUL

Militärpferde im Alten Orient

Das Pferd ist im Zweistromland nicht heimisch.Da es in den umliegenden Gebirgsregionenjedoch seinen natürlichen Lebensraum besaß,nannten es die Sumerer „Esel des Gebirges“. Erstlangsam wurde es in Mesopotamien von derMitte des 3. Jahrtausends v. Chr. an als domesti-ziertes Haustier bekannt. Obgleich sich dasPferd als Zugtier für den königlichen Wagen(Abb. 1) oder den Wagen eines Gottes baldgroßer Beliebtheit erfreute, war es für den ein-fachen Mann so unerschwinglich, dass es imzivilen Bereich in Mesopotamien den Esel alsZug-, Last- und Reittier nie verdrängt hat.

Auch wenn in allen Epochen der altorientali-schen Geschichte die Infanterie den wichtigstenBestandteil der Armee bildete, gewann seit derMitte des 2. Jahrtausends v. Chr. der Einsatzzweirädriger, mit zwei, drei oder vier Pferdenbespannter Kampfwagen zunehmend an Bedeu-tung. Denn Schnelligkeit und Wendigkeit dieserneuen in Nordsyrien entwickelten Waffenerwiesen sich im Kampfgeschehen bei geeig-netem Gelände nicht selten als kriegsentschei-dend. Die Armeen verlangten daher nun nicht

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unterschiedlichem Terrain erlernen und immerwieder üben.

Im 1. Jahrtausend v. Chr. führte offenbar derKontakt mit nomadisierenden Reiterkriegerver-bänden zum Aufbau einer selbständigen Kaval-lerie im assyrischen Heer, deren Beweglichkeitsich rasch als äußerst vorteilhaft erwies. Erneutstieg der Bedarf an Pferden erheblich an. Dieberittenen Soldaten, die zumeist Pfeil undBogen, Speer, einen kleinen Schild und einKurzschwert führten (Abb. 3), lösten nach undnach die Streitwageneinheiten ab, so dass imfrühen 7. Jahrhundert v. Chr. der Streitwagen nurnoch Zeremonialcharakter besaß.

Der Pferdebestand der Armee wurde regel-mäßig gemustert. Hiervon zeugen keilschrift-liche Musterungsprotokolle, die in fast allenassyrischen königlichen Residenzen gefundenwurden und aus der Zeit vom letzten Drittel des2. Jahrtausends v. Chr. bis zum UntergangAssyriens im späten 7. Jahrhundert v. Chr. stam-men. Die ausführlichsten Berichte über dieMusterung von Pferden (Abb. 4) fanden sich inden Ruinen des Zeughauspalastes der assyri-schen Königsresidenz Kalchu. Sie wurden im 8. Jahrhundert v. Chr. verfasst. In Listen hattenFachleute für die Heeresleitung zusammen-gestellt, für welche Verwendung die etwa 3.000unter der Verantwortung jeweils eines Offiziersstehenden Tiere geeignet erschienen, ob siebereits auf einem Feldzug eingesetzt wordenoder „im Lande“ geblieben waren, ob sie einesweiteren Trainings bedürfen und ob man sie füreinen Einsatz bei einem neuen Feldzug verwen-den könne.2

Es versteht sich von selbst, dass den großenPferdehöfen des assyrischen Heeres auch Veteri-näre zur Verfügung standen. Ihr Wissen ist abernur bisweilen in die schriftliche Überlieferungeingegangen. In einem humanmedizinischenkeilschriftlichen Kompendium aus dem 7. vor-christlichen Jahrhundert, in dem Rezepte gegenErkrankungen der Harnwege, gegen verschiede-ne innere Krankheiten, gegen Augen- und Zahn-leiden sowie gegen Krankheiten zusam-mengestellt sind, die durch einen Totengeistverursacht wurden, finden sich auch zweiRezepte, die die Heilung von Koliken beim Pferdversprechen.3 Im ersten Falle empfiehlt der Arzteine Lösung von acht Pflanzen in gekeltertemWein, die in die linke Nüster des erkranktenPferdes zu gießen sei.4 Im zweiten Fallebeschreibt er die Herstellung und Verabreichungeines Einlaufs, der aus insgesamt 23 Pflanzenhergestellt wurde. Die Pflanzen sollten überNacht unter dem Einfluss des ‘Ziegensterns’ inBier eingeweicht, gekocht und der Sud gefiltert

Abb. 2Kappadokischer Pferde-kopf aus Ton als Gefäß-applikation aus der ersten Hälfte des 1. Jahr-tausends v. Chr. Staatliche Museen zuBerlin, Vorderasiati-sches Museum, Inv. Nr.VA 3511.

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werden. Mit weiteren Ingredienzen, einem LiterHonig und einem Liter Öl wurde das Gemisch ineinen Trinkschlauch gefüllt und anschließenddurch ein Rohr als Einlauf verabreicht. Pro Pferdsollten dabei vier Liter gekochtes Bier verwendetwerden.5 Weitere vergleichbare, aber bedeutendältere Rezepte zur Behandlung von Pferde-krankheiten finden sich in ugaritischen Textenaus dem 13. Jahrhundert v. Chr.6

Der machtpolitisch keineswegs unwichtigenAufgabe, die Militärpferde, die in der Hauptstadtund in den königlichen Residenzen stationiertwaren, vor Krankheiten, Seuchen und anderenGefahren zu schützen, versuchte man mit allenzur Verfügung stehenden Mitteln gerecht zu wer-den. Daher kümmerten sich nicht allein Tier-pfleger und Veterinäre um den Zustand der kost-baren und für die Sicherheit des Landes sowichtigen Pferde. Stets unterstanden die könig-lichen Stallungen und die dort untergebrachtenTiere auch der Sorge von Heilpriestern, die mitihrem esoterischen, auf die Götter selbst zurück-