PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten...

12
206 PRINTERNET 04/06 Korrespondenzadresse: Axel Doll Wannseeschule e.V. Zum Heckeshorn 36 D-14109 Berlin Tel.: 030 80686 412 [email protected] Schlüsselwörter Beratung Lernfeld Handlungsfeld Handlungskompetenzen Onkologische Pflege Axel Doll, Diplom Pflegepädagoge, Fachkrankenpfleger für Onkologie Sonja Hummel-Gaatz, Diplom Pflegepädagogin, Krankenschwester Lernfeld Beratung in der Pflege Umsetzung des Lernfeldkonzeptes in der Fachweiterbildung für onkologische Pflege Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz In der Pflege gewinnt das Thema Beratung immer mehr an Bedeutung. Durch den Wandel des Krankheitsspektrums hin zur Dominanz chronischer Erkran- kungen liegt der Fokus der Pflege, gerade auch in der Onkologie, auf der Unter- stützung des Patienten in seiner Krankheitsbewältigung. Um Tumorpatienten und ihre Bezugspersonen in ihrer Anpassung an die durch Krankheit ausgelöste veränderte Lebenssituation zu unterstützen, ist es besonders für onkologische Fachpflegekräfte unerlässlich, über Beratungskompetenzen zu verfügen. Die Vor- teile des in der Berufspädagogik etablierten Lernfeldkonzeptes werden für die curriculare Entwicklung onkologischer Fachweiterbildungen genutzt, um eine Grundlage zu schaffen, Beratungshandeln in der onkologischen Pflege lehr-/ lernbar zu machen. In einem ersten Schritt wird das Handlungsfeld „Beratung in der onkologischen Pflege“ untersucht. Dazu wird eine Befragung (Fragebogen) von 200 onkologischen Pflegekräften und eine Analyse deutschsprachiger Pflege- literatur durchgeführt. Aus der Synthese dieser Ergebnisse wird ein systemisches Beratungsmodell entwickelt. Mit Hilfe dieses Modells wird das Lernfeld „Beratung in der onkologischen Pflege“ abgeleitet. Dafür werden Feld-, Methoden-, System- und Selbstkompetenzen, Lerninhalte und der Zeitrichtwert festgelegt. Einleitung In der Pflege gewinnt das Thema Beratung, beeinflusst durch gesellschaftliche, gesundheits- ökonomische und berufspolitische Faktoren, immer mehr an Bedeutung. Es wird sowohl von verschiedenen Wissenschaftlern der Pflege- und Gesundheitswissenschaften als auch von Pflegepädagogen und Pflegepraktikern als wichtiges neues Handlungsfeld gesehen (Schaeffer/Moers 2000, Müller-Mundt 2000, Reibnitz von/Schnabel/Hurrelmann 2001). Der steigende Bedarf an Beratung in der Pflege resultiert u.a. aus der konsequenten Forderung nach und Förderung von mündigen und informierten Patienten, die mit deutlich mehr Ei- genverantwortung und Mitbestimmung an ihrem Krankheitsbewältigungsprozess beteiligt werden sollen (WHO 1986, Schröck/Drerup 2002, Abt-Zegelin 2003). Für die Pflege wird es in Zukunft deutlich mehr zum Aufgabenspektrum gehören, einerseits Patienten und deren Bezugspersonen (Familie, Partner, Freunde, Nachbarn, Betreuer) durch Beratung aktiver in den stationären Behandlungs- und Pflegeprozess einzubeziehen und andererseits voraus- schauend und professionell auf die Entlassung und die potentiellen Probleme im häuslichen Umfeld vorzubereiten (Koch-Straube 2001). Berufspolitisch schlagen sich diese Veränderungen in aktuellen Gesetzesnovellierungen (Al- tenpflegegesetz 2003, Krankenpflegegesetz 2004) und nationalen Leitlinien zur Qualitäts- sicherung nieder, wie z. B. in den nationalen Expertenstandards zum Schmerz- und Entlas- sungsmanagement (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege 2004). Durch den Wandel des Krankheitsspektrums hin zur Dominanz chronischer Erkrankungen liegt der Fokus nicht mehr nur auf der Heilung von Krankheiten, sondern auch auf der Unterstützung der Patienten in ihrer Krankheitsbewältigung. Insbesondere bei Krebserkrankungen kommt es zu Auseinandersetzungen mit existenziellen Bedrohungen und dadurch zu Lebensbruchkrisen und traumatischen Erfahrungen (Schaeffer/Moers 2000). Diese krisenhafte Auseinanderset- zung der Patienten mit ihrer Tumorerkrankung erfordert von der Pflege Beratungsangebote, die den Patienten zur Anpassung an seine Erkrankung befähigen und die Integration seiner veränderten Lebenssituation in den Alltag fördern (Rennecke 2000). Auf diese Beratungsaufgaben sind Pflegekräfte bisher nur unzureichend vorbereitet. Beratung wird meist ohne entsprechende qualifikatorische Basis durchgeführt (Abt-Zegelin 2002, Kne- lange/Schieron 2000). Deswegen wird von Experten gefordert, Beratung als Lerngegenstand sowohl in die Aus- aber auch in Weiterbildungen stärker zu integrieren und gezielt Kompe- tenzen zum Beratungshandeln zu entwickeln. Um Tumorpatienten in ihrer Anpassungsleis- tung zu unterstützen, ist es besonders für onkologische Fachpflegekräfte 1 unerlässlich, über Beratungskompetenzen zu verfügen. PFLEGEP ÄDAGOGIK

Transcript of PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten...

Page 1: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

206 PRINTERNET 04/06

Korrespondenzadresse:Axel DollWannseeschule e.V.Zum Heckeshorn 36D-14109 BerlinTel.: 030 80686 [email protected]

SchlüsselwörterBeratung

Lernfeld

Handlungsfeld

Handlungskompetenzen

Onkologische Pfl ege

Axel Doll,Diplom Pfl egepädagoge, Fachkrankenpfl eger für Onkologie

Sonja Hummel-Gaatz, Diplom Pfl egepädagogin, Krankenschwester

Lernfeld Beratung in der Pfl egeUmsetzung des Lernfeldkonzeptes in der

Fachweiterbildung für onkologische Pflege

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz

In der Pfl ege gewinnt das Thema Beratung immer mehr an Bedeutung. Durch den Wandel des Krankheitsspektrums hin zur Dominanz chronischer Erkran-kungen liegt der Fokus der Pfl ege, gerade auch in der Onkologie, auf der Unter-stützung des Patienten in seiner Krankheitsbewältigung. Um Tumorpatienten und ihre Bezugspersonen in ihrer Anpassung an die durch Krankheit ausgelöste veränderte Lebenssituation zu unterstützen, ist es besonders für onkologische Fachpfl egekräfte unerlässlich, über Beratungskompetenzen zu verfügen. Die Vor-teile des in der Berufspädagogik etablierten Lernfeldkonzeptes werden für die curriculare Entwicklung onkologischer Fachweiterbildungen genutzt, um eine Grundlage zu schaffen, Beratungshandeln in der onkologischen Pfl ege lehr-/lernbar zu machen. In einem ersten Schritt wird das Handlungsfeld „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ untersucht. Dazu wird eine Befragung (Fragebogen) von 200 onkologischen Pfl egekräften und eine Analyse deutschsprachiger Pfl ege-literatur durchgeführt. Aus der Synthese dieser Ergebnisse wird ein systemisches Beratungsmodell entwickelt. Mit Hilfe dieses Modells wird das Lernfeld „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ abgeleitet. Dafür werden Feld-, Methoden-, System- und Selbstkompetenzen, Lerninhalte und der Zeitrichtwert festgelegt.

EinleitungIn der Pfl ege gewinnt das Thema Beratung, beeinfl usst durch gesellschaftliche, gesundheits-ökonomische und berufspolitische Faktoren, immer mehr an Bedeutung. Es wird sowohl von verschiedenen Wissenschaftlern der Pfl ege- und Gesundheitswissenschaften als auch von Pfl egepädagogen und Pfl egepraktikern als wichtiges neues Handlungsfeld gesehen (Schaeffer/Moers 2000, Müller-Mundt 2000, Reibnitz von/Schnabel/Hurrelmann 2001). Der steigende Bedarf an Beratung in der Pfl ege resultiert u.a. aus der konsequenten Forderung nach und Förderung von mündigen und informierten Patienten, die mit deutlich mehr Ei-genverantwortung und Mitbestimmung an ihrem Krankheitsbewältigungsprozess beteiligt werden sollen (WHO 1986, Schröck/Drerup 2002, Abt-Zegelin 2003). Für die Pfl ege wird es in Zukunft deutlich mehr zum Aufgabenspektrum gehören, einerseits Patienten und deren Bezugspersonen (Familie, Partner, Freunde, Nachbarn, Betreuer) durch Beratung aktiver in den stationären Behandlungs- und Pfl egeprozess einzubeziehen und andererseits voraus-schauend und professionell auf die Entlassung und die potentiellen Probleme im häuslichen Umfeld vorzubereiten (Koch-Straube 2001).

Berufspolitisch schlagen sich diese Veränderungen in aktuellen Gesetzesnovellierungen (Al-tenpfl egegesetz 2003, Krankenpfl egegesetz 2004) und nationalen Leitlinien zur Qualitäts-sicherung nieder, wie z. B. in den nationalen Expertenstandards zum Schmerz- und Entlas-sungsmanagement (Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pfl ege 2004). Durch den Wandel des Krankheitsspektrums hin zur Dominanz chronischer Erkrankungen liegt der Fokus nicht mehr nur auf der Heilung von Krankheiten, sondern auch auf der Unterstützung der Patienten in ihrer Krankheitsbewältigung. Insbesondere bei Krebserkrankungen kommt es zu Auseinandersetzungen mit existenziellen Bedrohungen und dadurch zu Lebensbruchkrisen und traumatischen Erfahrungen (Schaeffer/Moers 2000). Diese krisenhafte Auseinanderset-zung der Patienten mit ihrer Tumorerkrankung erfordert von der Pfl ege Beratungsangebote, die den Patienten zur Anpassung an seine Erkrankung befähigen und die Integration seiner veränderten Lebenssituation in den Alltag fördern (Rennecke 2000).

Auf diese Beratungsaufgaben sind Pfl egekräfte bisher nur unzureichend vorbereitet. Beratung wird meist ohne entsprechende qualifi katorische Basis durchgeführt (Abt-Zegelin 2002, Kne-lange/Schieron 2000). Deswegen wird von Experten gefordert, Beratung als Lerngegenstand sowohl in die Aus- aber auch in Weiterbildungen stärker zu integrieren und gezielt Kompe-tenzen zum Beratungshandeln zu entwickeln. Um Tumorpatienten in ihrer Anpassungsleis-tung zu unterstützen, ist es besonders für onkologische Fachpfl egekräfte1 unerlässlich, über Beratungskompetenzen zu verfügen.

PFLEGEPÄDAGOGIK

Page 2: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

207 PRINTERNET 04/06

Im aktuellen fachdidaktischen Diskurs in der Pfl egepädagogik wird davon ausgegangen, dass vor allem in fächerintegrativen und handlungsorientierten Lehr-/Lernarrangements zu kom-plexem berufl ichem Handeln, wie z. B. Beraten von Patienten und Bezugspersonen, befähigt werden kann. In einer Untersuchung von Curricula/Stoffverteilungsplänen onkologischer Fachweiterbildungen in Deutschland (Gaatz/Doll 2003) zeigt sich jedoch, dass Beratung als Lerngegenstand nur rudimentär verankert ist und vielfach ohne Verknüpfung mit der Pfl ege in bezugswissenschaftlichen Fächern (Psychologie, Pädagogik) fachsystematisch vermittelt wird. Damit stehen sich sowohl die politische Forderung nach professionellem Beratungs-handeln als auch die fachdidaktischen Forderungen nach handlungsorientiertem Lernen auf der einen Seite, sowie die unzureichende curriculare Umsetzung in den onkologischen Fach-weiterbildungen auf der anderen Seite gegenüber. Anknüpfend an dieses identifi zierte Bil-dungsdefi zit wird das in der Berufs- und Pfl egepädagogik etablierte Lernfeldkonzept auf die curriculare Entwicklung für die Fachweiterbildung übertragen. Damit werden die besonderen Vorteile des Konzeptes, wie z. B. die Orientierung an der berufl ichen Handlungskompetenz und das Prinzip der Fächerintegration für den Weiterbildungssektor nutzbar gemacht.

Zielsetzung und MethodeDa weder die beiden Lernfelder „Unterstützen, Beraten, Anleiten“ des Alten- und Kranken-pfl egegesetzes empirisch gestützt entwickelt und das Beratungsverständnis in der Pfl ege klar theoretisch konzeptualisiert wurden, noch das Handlungsfeld für die Beratung in der onkologischen Pfl ege bisher erfasst wurde, werden in der Untersuchung die beiden nach-stehende Ziele verfolgt:

1. Das Handlungsfeld „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ berufswissenschaftlich fundiert zu analysieren und zu beschreiben

2. Das Lernfeld2 „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ für die onkologische Fachweiterbil-dung empirisch begründet zu entwickeln

Als Grundlage zur curricularen Konstruktion von Lernfeldern ist eine empirische Untersu-chung der Handlungsfelder durch eine Analyse der Arbeits- und Geschäftsprozesse (Nieder-sächsisches Kultusministerium 2001) bzw. in der Übertragung auf die Pfl ege durch Analyse der Pfl ege- und Beziehungsprozesse (Wittneben 2003) notwendig. Da dies bisher jedoch noch nicht durchgeführt wurde, stehen keine geeigneten Untersuchungsinstrumente zur Verfügung. In Anlehnung an Knigge-Demal (2001) werden deshalb die folgenden Struk-tur- und Prozessmerkmale von Pfl egesituationen als Denkmodell und Analyseraster für das Handlungsfeld „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ zugrunde gelegt:

Zur Beleuchtung des Forschungsgegenstandes werden zwei methodische Zugänge verwen-det, die im Folgenden kurz dargestellt werden.

Durch eine Befragung von onkologischen Pfl egekräften in Form eines Fragebogens werden die Pfl egephänomene in der Pfl egepraxis erfasst, die Anlässe zu Beratung von Patienten und ihren Bezugspersonen darstellen. Zur Erhebung der Kontextbedingungen wird erfragt, inwieweit in der Praxis Beratungsgespräche spontan oder geplant durchgeführt werden. Die Bedeutung der Beratung in der onkologischen Pfl ege wird ebenfalls empirisch erhoben. Dafür wurden auf dem 26. Deutschen Krebskongress 2004 in Berlin die Teilnehmer des Pfl egekongresses befragt. Insgesamt wurden 200 Fragebögen verteilt. Der Rücklauf betrug 75%. In die Stichprobe aufgenommen wurden nur Pfl egekräfte, die in der stationären oder

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK

Struktur- und Prozessmerkmale von Pfl egesituationen (Knigge-Demal 2001)

� Analyseraster für das Handlungsfeld „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ (Hummel-Gaatz/Doll)

Anlässe und Zielsetzungen, die mit einer Situation verknüpft sind

� Pfl egethemen/-phänomene, die Anlass zu Beratung von onkologisch erkrank-ten Patienten und Bezugspersonen sind

Der Pfl egeprozess, der pfl egerisches Handeln strukturiert

� Beratungsprozess

Kontextbedingungen der Organisation, in die die Berufs- und Pfl egesituationen eingebettet sind

� Kontextbedingungen, in die Beratungs-handeln eingebettet sind

Gesellschaftliche Bedingungen, unter denen sich der Berufsauftrag realisiert

� Derzeitige und zukünftige gesellschaft-liche Anforderungen bezogen auf das Handlungsfeld „Beratung in der onkolo-gischen Pfl ege“

TitleCounselling in Nursing as a Learning Field

The Implementation of the Learning Field Concept in the Advanced Training for Onco-logy Nursing

AbstractThe subject of “counselling” gains ever more importance in nursing. Due to changes in the range of diseases towards a dominance of chronic illnesses, nursing, and especially oncolo-gy nursing, increasingly focuses on supporting patients in de-veloping individual strategies for coping with their illness. In order to support tumour patients and their relatives in the process of adapting to their altered life situation, it is indis-pensable that oncology nurses acquire special counselling competences. The advantages of the learning fi eld concept that has been established in professional education sciences is being employed for the curriculum development of ad-vanced training programs for oncology nurses. The authors use this concept to develop a conceptual basis enabling the teaching and learning of the counselling performance in on-cology nursing. In a fi rst step, the sphere of activity “coun-selling in oncology nursing” is examined. Therefore, a survey (questionnaire) with the participation of 200 oncology nurses has been conducted and an analysis of the German nursing literature was perfor-med. As a synthesis of results, a systemic counselling model has been developed.With the support of the deve-loped counselling model, the learning fi eld of “counselling in oncology nursing” is construc-ted from the described voca-tional fi eld of activity. For it, fi eld-, method-, system-, and self competences as well as content and time indexes have been defi ned.

KeywordsCounselling

Learning fi eld

Sphere of activity

Decision-making and re-sponsibility

Oncologic Nursing

Page 3: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

208 PRINTERNET 04/06

ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen oder Mitarbeitern im Aus-, Fort-, Weiterbildungs- und Hochschulbe-reich ausgefüllt wurden, erfüllten diese Einschlusskriterien nicht und fi elen somit aus der Stichprobe heraus. Insgesamt konnten 116 Fragebögen ausgewertet werden.

Zur quantitativen Auswertung wurde der Fragebogen codiert. Mit dem Statistikprogramm SPSS wurden Häufi gkeiten und Mittelwerte berechnet.

Die Antworten der offenen Fragen wurden in Anlehnung an Mayring (Bortz/Döring, 1995) einer strukturierenden Inhaltsanalyse unterzogen, dabei die Begriffe codiert und in Katego-rien geclustert.

Mit Hilfe einer Analyse deutschsprachiger Pfl egeliteratur wird dargestellt, welche Beratungs-konzepte in der Pfl ege diskutiert werden. Ergänzend zur empirischen Untersuchung werden anhand der Literaturanalyse Aussagen zu den Kontextbedingungen von Beratung zusam-mengestellt. Außerdem werden die derzeitigen und zukünftigen gesellschaftlichen Anforde-rungen bezogen auf Beratung in der onkologischen Pfl ege aus Expertensicht dargestellt.

In die Literaturanalyse wurden alle Veröffentlichungen der deutschsprachigen Pfl egelitera-tur bis Januar 2004 einbezogen, die Beratung in der Pfl ege thematisieren. Zur Erstellung der Bibliographie wurde in den Pfl ege-Datenbanken CARELIT und CINAHL mit folgenden Suchbegriffen nach Veröffentlichungen gesucht: Beratung, Pfl egeberatung, Patientenbera-tung, Pfl egeberater, Beratungskompetenz, Patientenedukation und Pfl egekompetenz. Für die Recherche von Büchern wurde die Online-Suchmaske von www.amazon.de und von der Pfl egebuchhandlung www.fachbuch-richter.de verwendet. Anhand der Literaturverzeichnisse und Bibliographien in den Büchern und Artikeln wurden noch fehlende Veröffentlichungen ergänzend erfasst.

ErgebnisseAuf der Basis einer Vielfalt von Beratungskonzepten in der Pfl ege – wie beispielsweise sys-temtheoretische, verhaltensorientierte oder humanistische Ansätze – wurde von den Autoren die folgende Defi nition von Beratung entwickelt. Sie liegt der empirischen Untersuchung bzw. der gesamten Arbeit zu Grunde:

Beratung in der Pfl ege ist ein Beziehungsprozess zwischen Pfl egenden und Patienten bzw. seinen Bezugspersonen mit dem Ziel, sie bei der Krankheits- und Krisenbewältigung zu unterstützen. Dies geschieht durch:

• Unterstützen beim Bewältigen von Problemen

• Unterstützen beim Finden von Entscheidungen

• Fördern, Entdecken und Erhalten von Ressourcen

• Unterstützen beim Auseinandersetzen mit veränderten Lebensumständen und den daraus resultierenden Emotionen.

Im Folgenden wird das Handlungsfeld „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ anhand des entwickelten Analyserasters beschrieben.

Pflegethemen und -phänomeneFür die Erhebung der Pfl egeprobleme, die für Pfl egekräfte Anlass zu Beratung von Patienten und Bezugspersonen sind, wurde ein aus der Voruntersuchung (Gaatz/Doll 2003) erstellter Themenkatalog vorgegeben. Aus dem Vergleich der Mittelwerte (Abb. 1) lässt sich ablesen, dass zu bestimmten Themen sowohl Patienten als auch Bezugspersonen häufi ger beraten werden (z. B. Angst, Ernährung, Übelkeit/Erbrechen, Schmerz und Umgang mit Medikamenten) als zu anderen Themen (z. B. Atmung, Juckreiz, Inkontinenz, Sexualität und Stomaversorgung). Mit Ausnahme von Hilfl osigkeit und Inkontinenz werden Patienten zu den erfassten Themen zwar häufi ger beraten als die Bezugspersonen trotz-dem zeigt sich eine deutliche Parallelität bei der Bedeutung der Beratungsthemen.

Mit zwei offenen Fragen wurde nach weiteren relevanten Pfl egethemen gefragt. Ein wichti-ges Ergebnis der Untersuchung ist, dass sich durch die Auswertung der offenen Fragen ein breites – nicht antizipiertes – Spektrum von Beratungsanlässen ergeben hat, die in sechs

Abb. 1

Häufigkeit der verschiedenen Beratungsanlässe bei Patienten und Bezugspersonen (n = 116)

1

2

3

4

Angst

Atmung

Hautpflege

Hilflosigkeit

Infektionsprophylaxe

Inkontinenz

Juckreiz

Mundpflege

Obstipation

Schlaf

Schmerz

Stomaversorgung

Umgang m

it Med.

Pflegeprobleme/-themen, die Anlass zu Beratung sind

Mit

telw

erte

: 1=

nie

; 2

= se

lten

; 3 =

man

chm

al;

4 =

häu

fig

Patienten Bezugspersonen

Ernährung

Erschöpfung

Körperbildstörung

Sexualität

Übelkeit/Erbrechen

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK

Page 4: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

209 PRINTERNET 04/06

von den Autoren gebildeten Kategorien systematisiert zusammengefasst wurden. Die Bera-tungsanlässe lassen sich in Themen der körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Dimension der Patienten und ihrer Bezugspersonen unterteilen. Es zeigte sich, dass das ge-sundheitspolitisch viel diskutierte Versorgungs-/Entlassungsmanagement von den Praktikern ebenfalls als Teil ihres Handlungsfeldes gesehen wird und Pfl egende es als Aufgabe sehen, eine Dolmetscherfunktion bezogen auf Diagnose und Therapie zu übernehmen (Tab. 1).

BeratungsprozessDie Analyse von fünfzehn Be-ratungsmodellen zeigt, dass Beratungshandeln als ein Ar-beitsprozess mit aufeinander aufbauenden Handlungsschrit-ten (nach dem Modell der vollständigen Handlung) iden-tifi ziert werden kann. Einige Theoretiker kritisieren jedoch, dass Beratung kein an linearen Phasen orientiertes Geschehen ist, sondern eher zirkulär und verschränkt verläuft. Für die Beratung in der onkologischen Pfl ege stellt ein am etablierten Pfl egeprozess orientiertes Pha-senmodell ein sinnvolles Glie-derungsinstrument dar, das hilft den Beratungsprozess zu strukturieren.

Zu Beginn des Beratungsprozesses stellt die Kontaktaufnahme und der Aufbau einer sym-metrischen Beziehungs- und Vertrauensbasis eine Grundvoraussetzung für eine ge-lingende Beratung dar. Abhängig davon, ob die Beratung eingebettet in eine bereits beste-hende Pfl egebeziehung oder losgelöst in einem strukturierten Beratungsangebot stattfi ndet, muss diese Phase unterschiedlich intensiv und bewusst gestaltet werden.

Das diagnostische Denken des Beraters ist von zentraler Bedeutung. Mehr oder weniger explizit stehen zu Anfang des Beratungsprozesses eine gemeinsame Exploration des Pro-blems und eine Identifi kation sowohl des objektiven Beratungsbedarfes als auch des subjektiven Beratungsbedürfnisses. Hierbei ist eine theoriegeleitete Hypothesenbildung des Beraters notwendig; durch strukturiertes Beobachten, waches Analysieren der Gesamt-situation (durch Fragen und Spiegeln) und gemeinsames Bewerten kann das Problem als Ausgangspunkt der Beratung identifi ziert werden.

Weitere Beratungsanlässe Themenbereiche bei Patienten

Themenbereiche bei Bezugspersonen

Körperliche Dimension:

• Symptommanagement (z. B. Diarrhoe, Thrombopenie)

• Hilfsmittel (z. B. zentralvenöse Zugänge)

• Pfl egerische Versorgung (z. B. Wundmanagement, Körperpfl ege)

• Sonstige Beratungsanlässe

11

3

0

5

4

4

4

3

Psychische Dimension (z. B. psychoonkologische Probleme) 6 8

Soziale Dimension:

• Familie (z. B. familiäre Probleme, Freunde)

• Berufl iche Situation (z. B. Arbeitslosigkeit, Schule)

• Finanzielle Situation (z. B. Gesundheitsreform)

• Sonstige Beratungsanlässe

4

3

2

5

5

2

3

7

Spirituelle Dimension (z. B. Glaube, Zukunft) 2 2

Entlassungs- und Versorgungsmanagement (z. B. Verlegung in Hospiz, Pfl egeüberleitung, Reha)

9 7

Dolmetscherfunktion (z. B. Therapiemodalitäten, Aufklärung) 5 5

Summe 55 54

Tab. 1: Spektrum der weiteren Beratungsanlässe (Häufi gkeit der Nennungen)

Abb. 2

Beratung als Problemlöseprozess

Phase 1: Beziehung herstellen

Phase 2: Beratungsbedarfe/-bedürfnisse erfassen

Phase 3: Beratungsziele aushandeln

Phase 4: Lösungen entwickeln

Phase 6: Beratung beenden

Phase 5: Beratungsprozess reflektieren

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK

Page 5: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

210 PRINTERNET 04/06

Mit dem zu Beratenen wird eine gemeinsame Zielsetzung ausgehandelt. Die möglichen Zielsetzungen der Beratung sind abhängig vom jeweiligen Beratungsansatz. Humanistische Ansätze ( Koch-Straube 2001, Hellige/Hüper 2002) zielen auf das psychosoziale Coping und die Integration von Emotionen. Der verhaltensorientierte Ansatz (London 2003, Abt-Zegelin 2003) hat die Anpassungsprozesse im Bereich der Alltagskompetenz zum Fokus und leistet damit einen wichtigen Beitrag in der konkreten Auseinandersetzung mit Krankheits- und Therapiefolgen. Ergänzt werden diese beiden Ansätze durch den systemischen Blickwinkel (Wörmann 2003), der besonders dadurch an Bedeutung gewinnt, dass von der Tumorer-krankung alle im sozialen bzw. familiären Netz durch Rollenveränderungen, der eigenen Krisenbewältigung und den neuen (pfl egerischen) Aufgaben betroffen sind. Koch-Straube (2001) versucht mit ihrem leiborientierten Beratungsansatz, diese verschiedenen Perspekti-ven zu integrieren.

Das Entwickeln von Lösungen fi ndet sowohl auf der Beziehungs- als auch Inhaltsebene statt und kann als eine Verschränkung von Beziehungs- und Problemlösungsprozessen ver-standen werden. Die Beziehungsebene ist geeignet, Patienten und ihre Bezugspersonen in ihrem Bewältigungsprozess zu begleiten, Gefühle zu explorieren und subjektive Deutungen nachzuvollziehen. Die Problemlösungsebene unterstützt diesen Prozess und ermöglicht – unter Einbeziehung von Ressourcen und biographischem Kontext – konkrete Handlungs-möglichkeiten zu erkennen.

Die abschließende Refl exion dient der Bewertung des Gesprächsverlaufs, der Zusammen-fassung des Erkenntnisgewinns und der Vereinbarung von konkreten Handlungsschritten. Es ist wichtig ein Beratungszyklus bewusst zu beenden und zu dokumentieren. Die Selbst-refl exion der Beraterrolle fi ndet zwar außerhalb des konkreten Gesprächs statt, gehört aber zu einem professionellen Beratungsprozess.

KontextbedingungenBei der Analyse der Beratungsliteratur zu Aussagen, die sich auf die Kontextbedingungen von Beratungssituationen in der Pfl ege beziehen, sind vor allem zwei große Argumentati-onsstränge bezogen auf die zeitlichen und räumlichen Bedingungen von Beratung in der Pfl ege zu erkennen: Es wird eine kontroverse Auseinandersetzung zwischen formeller, insti-tutionalisierter Beratung und informeller, spontaner Beratung geführt.

Viele Autoren betonen, dass es für die Beratung in der Pfl ege typisch ist, dass es kein klar defi niertes Beratungssetting (Beratungsraum, klare Terminvereinbarungen und abgesteckter Zeitrahmen) gibt, sondern dass die große Chance der Pfl ege darin besteht, alltagsnah bera-ten zu können und zwar immer dann, wenn vom Patienten Signale zu einem Beratungsbe-dürfnis ausgehen. Beratung ist dann keine Spezialtätigkeit, sondern wird als Pädagogisierung der stattfi ndenden Pfl ege in den alltäglichen Pfl egeprozess bzw. den Arbeitsablauf integriert (Koch-Straube 2000; 2003; Abt-Zegelin 2003). Dass sich Beratungsgespräche in der Pfl ege ungeplant und unvorhersehbar entwickeln, hängt auch damit zusammen, dass Patienten in ihrer Not mit ihren Anliegen sozusagen „herausplatzen“ und einer „zeitnahen interaktions-orientierten Zuwendung“ (Stratmeyer 2001) bedürfen. Der Pfl ege kommt die besondere Aufgabe zu, den pädagogisch günstigen Moment zu erkennen, d.h. auch indirekte und implizite Anspielungen als Beratungsbedürfnis zu identifi zieren und angemessen darauf zu reagieren (London, 2003).

Einige Autoren hingegen plädieren dafür, gezielt geplante und strukturierte Beratungsan-gebote in die Pfl ege zu implementieren. Nur wenn ein klarer zeitlicher Rahmen und ein ge-schützter Raum zur Verfügung stehen, kann dem Beratungsbedarf von Patienten und ihren Bezugspersonen ihrer Meinung nach entsprochen werden (Stratmeyer 2001, Koch-Straube 2003). Die Vorteile solcher institutionalisierten Angebote, wie z. B. Pfl egebüros, Beratungs-stellen, Angehörigensprechstunden und geplante eher alltagsdistanzierte Beratungsgesprä-che in einem Beratungsraum auf Station, bestehen darin, dass Vorbedingungen (Kenntnisse, Motivation des Patienten, individueller Stand der Krankheitsbewältigung), unterstützende Medien (Broschüren, Infoblätter, Modelle) mit in die Beratung einbezogen werden können und alle Beteiligten ausreichend Zeit mitbringen. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass umfassend und vollständig unter Einbeziehung verschiedener Perspektiven beraten werden kann (Stratmeyer 2001, London 2003; Abt-Zegelin 2002).

Auffallend ist, dass in der Literatur kaum Aussagen bezüglich der Bezugspersonen gemacht werden. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass im Rahmen der Pfl egeversicherung eine Beratung der Bezugspersonen bei alleinigem Bezug von Pfl egegeld vorgesehen ist (George/George 2003, 2004).

Die Literaturanalyse verdeutlicht, dass bei Beratung sowohl formelle, institutionalisierte als auch informelle, spontane Beratungssituationen eine wichtige Rolle spielen. Die empirische Untersuchung zeigt auf, dass Beratungsgespräche mit Patienten zum überwiegenden Teil spontan stattfi nden, nämlich zu knapp 70% meistens spontan und zu 15% fast immer spon-tan. Onkologische Pfl egekräfte planen ihre Beratungsgespräche mit Patienten lediglich zu knapp 13% (meistens geplant: 8,6%; fast immer geplant: 4,3%). Bei den Bezugspersonen werden Beratungsgespräche noch seltener geplant, insgesamt knapp 7%. Der Anteil der fast

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK

Page 6: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

211 PRINTERNET 04/06

immer spontan aus der Situation heraus geführten Beratungen liegt bei den Bezugspersonen mit etwas über 22% höher als bei den Patienten.

Die Autoren kommen zum Schluss, dass die besondere Chance der Beratung in der Pfl ege darin liegt, dass im Vergleich zu anderen Beratungsangeboten psychosozialer Berufsgruppen ein lebensweltnaher, situationsintegrierter Ansatz verfolgt werden kann. Dieses situiertes Beratungsverständnis nutzt die Nähe der Pfl ege zum Lebensalltag der Patienten und der Be-zugspersonen und ermöglicht ihnen im Sinne des situierten Lernens eine alltagsdidaktische Bewältigung der physischen, psychischen, sozialen und spirituellen Folgen einer Erkrankung. Darüber hinaus darf jedoch nicht vernachlässigt werden, dass gezielte institutionalisierte Beratungsangebote von Bedeutung sind, um das breite Spektrum von Beratungsbedarfen und -bedürfnissen abzudecken. Durch formelle Beratungsangebote wird sowohl den onko-logischen Patienten als auch ihren Bezugspersonen signalisiert, dass sich die Pfl ege Zeit und Raum für ihre Belange nimmt.

Derzeitige und zukünftige gesellschaftliche AnforderungenDer zentrale „Knackpunkt“, der von vielen Autoren (George/George 2003, Abt-Zegelin 2002, 2003, Koch-Straube 2001, Thomas/Wirnitzer 2001a-c, Müller-Mundt et al. 2000) aufgezeigt wird, ist das noch nicht weit genug ausgeprägte Bewusstsein der Pfl egenden zu ihrem Beratungsauftrag. Die meisten Autoren sind sich einig, dass beratende Tätigkeiten schon immer immanenter Bestandteil der Pfl ege waren, jedoch durch die Berufssozialisation der Pfl egenden häufi g der Fokus so sehr auf verrichtungsorientierte Aspekte der Pfl ege gelegt wird, dass sich Pfl egende der Bedeutung von beratendem und kommunikativem Handeln gar nicht bewusst sind. Darüber hinaus fühlen sie sich durch ihre Ausbildung nicht ausreichend auf Beratungsgespräche vorbereitet (Knelange/Schieron, 2000). Es fehlt den Pfl egenden zum einen an „methodischen Konzepten für die Gestaltung von Pfl egeberatung“ (Hösl-Brunner/Herbig 1998). Zum anderen besteht ein großes Qualifi zierungsproblem, weil in Deutschland anders als z. B. in den USA oder England, die Akademisierung der Pfl egeausbildung nur in ersten modellhaften Ansätzen vorhanden ist.

Abt-Zegelin betont, dass es erklärtes Ziel der nächsten Jahre sein solle, die patientenedu-kativen Aktivitäten noch mehr in den direkten Pfl egeprozess zu integrieren. Dazu sei es notwendig, das Bewusstsein der Pfl egenden zu erweitern, damit sie „Edukationsaufgaben als normale Tätigkeit begreifen“ (Abt-Zegelin, 2002). Sie kritisiert, dass bereits viel über das neue Handlungsfeld publiziert wird, aber in der Pfl egepraxis Beratung eher zufällig, intuitiv und unsystematisch stattfi ndet und die Tätigkeiten weder konzeptualisiert sind, noch kom-muniziert, dokumentiert oder evaluiert werden. Institutionelle und personelle Bedingungen seien so zu adaptieren, dass sich das neue Handlungsfeld weiter in der Praxis etablieren könne.

Thomas/Wirnitzer (2001) prognostizieren einen steigenden Bedarf an Pfl egeberatung vor allem im Zusammenhang mit der Einführung der DRGs. Im Spannungsfeld zwischen Ver-kürzung der Liegezeit und Unsicherheitsgefühlen von Betroffenen und Angehörigen ist Beratung in der Pfl ege die zentrale Strategie, um Überforderung und Rehospitalisierung zu reduzieren.

Dem gegenüber zeigen die Ergebnisse der empiri-schen Untersuchung auf, dass onkologische Pfl ege-kräfte Beratung von Patienten und Angehörigen be-reits als eine wichtige Aufgabe ansehen. So messen 49% aller Befragten der Beratung von Patienten einen sehr hohen und 38% einen hohen Stellenwert bei.

Beratung von Bezugpersonen gehört für 72% der Pfl e-gekräfte zu ihrem Aufgabenspektrum. Die Erhebung der für Beratung aufgewendeten Zeit pro Arbeits-tag ergibt, dass 62% der Befragten pro Arbeitstag mehr als 30 Minuten beraten. Ca. 19% beraten sogar mehr als eine Stunde pro Arbeitstag bzw. 8% mehr als zwei Stunden. Beratungsgespräche mit Patienten fi nden bei knapp 70% der onkologischen Pfl egekräfte mehrmals bzw. bei knapp 25% ca. einmal am Tag statt. Angehörigenberatung fi ndet jeweils zu ca. 25% mehrmals oder einmal statt (Abb. 3).

Synthese: BeratungsmodellUm die vielschichtigen Aspekte des Handlungsfeldes „Beratung in der onkologischen Pfl e-ge“ darzustellen, entwickeln die Autoren das Systemische Beratungsmodell HUGADO3

(Abb. 4). Es dient dazu die komplexen Interaktionen und Interdependenzen aller Beteilig-

Beratungshäufigkeit pro Arbeitstag (n =116)

0

10

2 0

3 0

4 0

50

6 0

70

8 0

mehrmals proArbeitstag

ca. einmal proArbeitstag

ca. jeden 2.-3.Arbeitstag

ca. einmal proWoche

weniger alseinmal pro

Woche

keine Angaben

Beratungshäufigkeit

Pro

zen

t

Patienten Bezugspersonen

Abb. 3

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK

Page 7: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

212 PRINTERNET 04/06

ten im Beratungsprozess systematisch zu veranschaulichen. Durch die graphische Darstellung der interagierenden Systeme können nicht-sichtbare Konstrukte veran-schaulicht werden. Das Modell hat zum Ziel trotz aller Verschränkungen und In-terdependenzen im Beratungsgeschehen eine Reduktion der Komplexität zu ermög-lichen. Es wurde ein systemisches Modell entwickelt um der Situation Rechnung zu tragen, dass die Tumorerkrankung und ihre Folgen alle Lebensbereiche des Patienten und seiner Bezugspersonen beeinfl usst.

Die Hauptkomponenten des Modells stel-len die zwei in einer Interdependenz ste-henden Systeme „Betreuungssystem“ und System „Lebenswelt Patient“ dar. Beide Systeme sind eingebettet in politische und gesellschaftliche Rahmenbedingungen.

Im System „Lebenswelt Patient“ befi nden sich der Patient selbst, sein näheres Umfeld (Angehörige und Freunde), und sein weiteres Umfeld wie z. B. Nachbarn, Bekannte oder Arbeitskollegen. Der Patient lässt sich beschreiben als ein bio-psycho-sozio-spirituelles Wesen. Innerhalb des Modells spiegelt sich dies in der körperlichen, psychischen, sozialen und spirituellen Dimension wider. Die Tumorerkrankung hat Auswirkungen auf alle diese vier Dimensionen und beeinfl usst den Patienten in seinen Bedürfnissen, Sorgen, Symptomen und Emotionen. Folglich lassen sich Beratungsanlässe in allen vier Dimensionen identifi zieren, wie beispielsweise:

Dabei sind die Dimensionen nicht starr voneinander abgegrenzt in gleich große Teile, viel-mehr stehen sie in einem Fließgleichgewicht und korrespondieren miteinander.

Eine weitere wichtige Komponente im System „Lebenswelt Patient“ stellt die Bezugsperson dar. Auch bei ihr hat die Tumorerkrankung des Patienten Auswirkungen auf die eigene kör-perliche, psychische, soziale sowie spirituelle Dimension. Für ihre eigene Krisenbewältigung benötigen Bezugspersonen deswegen Unterstützung und Beratung durch Pfl egekräfte. Anläs-se sind beispielsweise Schlafstörung (körperliche Dimension), Trauer (psychische Dimension), Rollendiffusion (soziale Dimension) und Sinnfragen (spirituelle Dimension). Darüber hinaus brauchen Bezugspersonen aber auch Kompetenzen, um ihre veränderte Rolle auszufüllen. Die Krankheit verändert das Interaktionsspektrum zwischen Bezugsperson und Patient, und die Bezugspersonen müssen dazu befähigt werden, Pfl ege- und Betreuungsaufgaben ge-genüber dem Patienten zu übernehmen. Beratungsanlässe sind beispielsweise Hintergrund-wissen zum Thema Schmerz, Umgang mit Port, Fähigkeit, sich Unterstützung von z. B. Selbsthilfegruppen oder Hospizdiensten zu holen und die Fähigkeit, seine eigenen Grenzen zu erkennen. Bei der Beratung von Bezugspersonen ist es darum wichtig, dass Pfl egende die Doppelrolle der Bezugspersonen erkennen und berücksichtigen.

Die Interaktionen zwischen der Pfl egekraft des „Betreuungssystems“ und dem System „Le-benswelt Patient“ stellt der Beratungsprozess dar. Dieser Prozess ist zu verstehen als dyna-misch und interdependent und nicht als statisch vorgegeben, linear und eindimensional. Da die Pfl egekraft im Beratungsprozess Informationen über die Beratungsbedürfnisse des Patienten/der Bezugsperson bekommt, weitere Einfl ussfaktoren auf den Beratungsgegen-stand erfasst und die Gesamtsituation mit dem Patienten/der Bezugsperson exploriert, ist der Beratungsprozess mit einem Doppelpfeil dargestellt. Dabei durchläuft er unterschiedliche aufeinander folgende, teilweise ineinander übergehende Phasen (vgl. Abb. 2). Der Bera-tungsprozess wird beeinfl usst von der Wechselbeziehung zwischen den Kompetenzen der Pfl egekraft auf der einen Seite und der im Vordergrund stehenden körperlichen, psychischen, sozialen oder spirituellen Dimension des Patienten auf der anderen Seite.

Beratungsanlässe resultieren nicht nur aus originären Pfl egehandlungen zwischen Pfl egekraft und Patient/Bezugsperson. Es gibt Beratungsanlässe, die sich auf Interaktionen zwischen Mit-gliedern des therapeutischen Teams (vor allem den Ärzten) und den Patienten und ihren Be-zugspersonen beziehen. Pfl egekräfte nehmen wegen ihrer Lebens- und Alltagsweltnähe zum Patienten/zur Bezugsperson eine Dolmetscherfunktion bezogen auf Diagnose und Therapie

Körperliche Dimension Erbrechen, Fieber, Schmerz

Psychische Dimension Angst, Hilfl osigkeit, Schmerz

Soziale Dimension Familienkonfl ikte, fi nanzielle Sorgen, Arbeitsplatzverlust

Spirituelle Dimension Sinnfragen, Glaube/Religion

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK

Abb. 4: Systemisches Beratungsmodell HUGADO

Page 8: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

213 PRINTERNET 04/06

ein. Weiterer Beratungsanlässe sind mit dem Entlassungs- und Versorgungsmanagement verknüpft, das sich auf den Übergang des Patienten von einem Pfl egesetting in ein anderes (z. B. vom Krankenhaus in ein Hospiz/eine Pfl egeeinrichtung oder von der stationären in die häusliche Betreuung) bezieht.

Beschreibung des LernfeldesDas Systemische Beratungsmodell HUGADO wird als Analyseraster für die Entwicklung des Lernfeldes „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ genutzt. Dadurch nimmt es eine Schar-nierposition zwischen Handlungs- und Lernfeld ein. Anhand der einzelnen Systemkomponen-ten wird die Entwicklung der einzelnen Strukturmerkmale des Lernfeldes vorgenommen.

Im Lernfeldkonzept vollzieht sich ein Paradigmenwechsel vom reinen Erlernen fachsyste-matischen Wissens hin zur Entwicklung von Handlungskompetenzen. Bei der Entwicklung des Lernfeldes ging es um die Frage, welche Handlungskompetenzen Pfl egende erwerben sollten, um den Beratungsprozess inhaltlich und methodisch professionell zu gestalten. Um den Kompetenzbegriff gibt es in der Pfl egepädagogik kontroverse Diskussionen, die an dieser Stelle nicht detailliert entfalten werden können. In Abgrenzung zum Qualifi kations-begriff sind Kompetenzen an die Person gebunden und lassen sich nicht zertifi zieren. Als Handlungskompetenzen lassen sich also die an das Subjekt gebundenen Voraussetzungen verstehen, die notwendig sind um in konkreten Situationen zielgerichtet, refl ektiert und verantwortlich zu handeln.

Dem Lernfeld wird die Einteilung in Kompetenzbereiche nach Lay (2001) und Haas-Unmüßig (2001) zu Grunde gelegt, da sie bereits den Kompetenzbegriff auf Beratung in der Pfl ege übertragen haben. Sie nehmen die Unterteilung von Beratungskompetenz in Feldkompetenz, Methodenkompetenz, Systemische Kompetenz und Selbstkompetenz vor. Lay macht deut-lich, dass alle vier Kompetenzbereiche miteinander verwoben sind und nur aus didaktischen Gründen differenziert dargestellt werden.

Unter Feldkompetenz (Tab. 2) verstehen Lay und Haas-Unmüßig Kenntnisse über das spezielle Feld, in dem das Problem des Ratsuchenden identifi ziert wird (Lay 2001). D.h. die Beschreibung der Feldkompetenz bezieht sich auf das spezifi sche Fachwissen, das den Beratungsgegenstand darstellt.

Die Pfl egekraft muss im Bereich der onkologischen Pfl ege Fachwissen über die Auswirkungen von onkologischen Erkrankungen auf die vier Dimensionen des Patienten und seiner Be-zugspersonen haben. Die fachlichen Inhalte hierzu müssen an anderer Stelle im Curriculum erworben werden. Innerhalb dieses Lernfeldes werden diese Inhalte genutzt um sie an ex-emplarischen Lernsituationen z. B. „Eine Patientin mit Tumorschmerzen“ mit Beratungshan-deln zu verknüpfen. Anhand des Phänomens „Schmerz“ können dann die Auswirkungen für Patient und Bezugspersonen und die Beratungsbedarfe in allen vier Dimensionen analysiert werden. Die Übersetzungsleistung bezogen auf Schmerztherapie und die Entlassungsbera-tung können am Beispiel der Schmerzpatientin bearbeitet werden.

Die Feldkompetenz wird von der Methodenkompetenz (Tab. 3) unterschieden. Sie bezieht sich auf die Gestaltung des Beratungsprozesses und seiner Kontextbedingungen. Diese Ein-teilung wird dem besonderen Charakter von Beratung gerecht, der sich dadurch auszeich-net, dass es zu einer Verschränkung von Fachkenntnissen (Beratungsinhalt) und interaktiven Fähigkeiten (Beratungsmethoden) kommt.

Voraussetzungen: Fachkenntnisse zur onkologischen Pfl ege bezogen auf alle sechs Kategorien

Feldkompetenz

• Fachkenntnisse in den sechs Kategorien (körperliche, psychische, soziale, spirituelle Dimen-sionen der Patienten und ihrer Bezugspersonen), Dolmetscherfunktion Diagnose/Therapie, Entlassungs- und Versorgungsmanagement anwenden

• Die Doppelrolle von Bezugspersonen im System „Lebenswelt Patient“ verstehen und die Be-zugspersonen in den Beratungsprozess einbeziehen

Lerninhalte

• Inhalte anderer Lernfelder z. B. das Phänomen „Schmerz“ werden genutzt, um daran exem-plarisch das Beratungshandeln und die Zusammenhänge aufzuzeigen:

o zum fachlichen Wissen bezogen auf die körperliche, psychische, soziale und spirituelle Dimension des Patienten und seiner Bezugspersonen

o zu Kenntnissen bezogen auf die Dolmetscherfunktion Diagnose/Therapie und das Entlas-sungs-/Versorgungsmanagement

Tab. 2

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK

Page 9: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

214 PRINTERNET 04/06

Kernelement der Methodenkompetenz ist das Verständnis, dass Beratung ein prozesshaftes Geschehen ist und dazu – orientiert an den Phasen des Beratungsprozesses bzw. der voll-ständigen Handlung – Teilkompetenzen notwendig sind, um diese Schritte ausgerichtet am individuellen Bedarf bzw. Bedürfnis zu gestalten. Herausgehoben werden soll an dieser Stelle die Fähigkeit zum diagnostischen Denken. Mehrere Theoretiker (Bartholomeyczik 2001a-c, Koch-Straube 2001) haben betont, dass diese Kompetenz zentral ist, um überhaupt Bera-tungsbedarfe bzw. -bedürfnisse identifi zieren zu können und durch hermeneutisches Fallver-stehen erst gesichert ist, dass die Ausgangssituation und die Umstände des Beratungsanlasses in ihrer Komplexität und Wechselwirkung erkannt werden können. Pfl egekräfte sollten sich mit unterschiedlichen Beratungsmodellen und den Beratungsprozessen mit den unterschied-lichen Phasen und deren Bedeutung beschäftigen. Neben der Einführung der Basisvariablen von Beratung nach Rogers geht es vor allem um das Vertiefen und Üben unterschiedlicher Gesprächstechniken im Beratungsgespräch. Zum Erwerb von beraterischer Methodenkompe-tenz reicht eine rein inhaltliche Vermittlung bei Weitem nicht aus. Hier ist eine methodische Umsetzung in handelndes Tun in simulierten Anwendungssituationen und die Refl exion des Handelns im Lernprozess nötig (Simulation, Übung, Training, Handlungsorientierter Unterricht). Zur Entwicklung von diagnostischen Kompetenzen ist fallbasiertes Arbeiten von zentraler Bedeutung. Die Verzahnung von Theorie und Praxis durch Praxisaufträge wird als wichtig angesehen.

Mit der Bezeichnung Systemkompetenz (Tab. 4) betonen Lay und Haas-Unmüßig, dass es in der Beratung nicht nur um die Kommunikation zwischen zwei Individuen geht, son-dern um interdependente Interaktionen von Mitgliedern von Systemen. Als Pfl egekraft ist es deshalb unabdingbar diese Verfl echtungen verstehen, analysieren und mitgestalten zu

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK

Voraussetzungen: Grundlagen in Kommunikationstheorien (Sender-Empfänger-Modell, Watzla-wik) und Gesprächsführung (Schulz von Thun), Gestaltung des Beziehungs- und Problemlöse-prozesses, diagnostisches Denken, Biografi earbeit, Lebensweltenkonzept

Methodenkompetenz

• Beratung als Beziehungs- und Problemlösungsprozess verstehen

• Beratungsmodelle situationsgerecht und theoriegeleitet anwenden und begründen

• Beratungsangebote sowohl situiert und alltagsnah als auch geplant und strukturiert gestalten

• Beratungsprozesse bedarfs- und bedürfnisorientiert ausgestalten

• Kontaktaufnahme gestalten und eine vertrauensvolle Beziehung aufbauen

• explizite und implizite Beratungsanlässe (Bedarfe und Bedürfnisse) erkennen

• analytisch bzw. pfl egediagnostisch denken (Hermeneutisches Fallverstehen)

• komplexe Probleme effektiv differenzieren und strukturieren

• unterschiedlichste Formen der Gesprächsführung anwenden

• das Gegenüber in seinem biographischen und lebensweltlichen Kontext wahrnehmen und akzeptieren und das Beratungsverhalten daran orientieren

• Nähe und Distanz innerhalb der professionellen Beratungsbeziehung gestalten

• eine wertschätzende, empathische und kongruente Beziehung aufbauen

• den Beratungsprozess retrospektiv refl ektieren und bewerten (Evaluation)

• die Beratungsbeziehung beenden

• im therapeutischen Team auf der Metaebene kommunizieren

• rechtliche Bestimmungsgrößen der Beratung in der onkologischen Pfl ege anwenden

Lerninhalte

• Verschiedene Beratungsmodelle und die jeweiligen Beratungsverständnisse (humanistisches, verhaltensorientiertes und systemisches Beratungsmodell)

• Kontexte von Beratung in der Pfl ege: situierte, spontane Beratung und geplante, institutiona-lisierte Beratung (Grenzen und Chancen)

• Beratungsbedarfe und -bedürfnisse als explizite und implizite Beratungsanlässe

• Beratungsprozess (Phasen und Schritte)

• Gesprächsführung in Beratungsgesprächen: Basisvariablen von Beratung nach Rogers (Empa-thie, Wertschätzung, Kongruenz); Bedeutung von Nähe und Distanz; Gesprächstechniken im Beratungsgespräch (Spiegeln, Verbalisieren, Fragen)

• Bedeutung von Dokumentation, Teamkommunikation und Supervision im Kontext von Bera-tung

Tab. 3

Page 10: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

215 PRINTERNET 04/06

können. Die Pfl egekraft braucht dazu Kenntnisse über ihr eigenes Betreuungssystem und das System ihres Patienten und muss die Fähigkeit entwickeln diese Systeme zu vernetzen, die Schnittstellen zu überbrücken und andere Netzwerke einzubeziehen, um sich dadurch selbst zu entlasten. Die zentrale systemische Kompetenz zeichnet sich dadurch aus, dass die eigene Position im System verstanden wird. D.h. die Pfl egekraft kann nachvollziehen, dass die Positi-onierung der Patienten und ihrer Bezugspersonen mit bestimmten Dimensionen gegenüber der Pfl egekraft sowohl mit dem Setting als auch der interdependenten Interaktion mit der Pfl egekraft in Bezug steht und nicht dem „Zufall“ überlassen ist. Um nicht passives „Opfer“ von systemischen Gegebenheiten zu sein/zu werden, ist es notwendig, Kompetenzen zum Change Management bei der Pfl egekraft anzubahnen, mit denen sie Team- und Organisati-onsstrukturen bis hin zu politischen Rahmenbedingungen weiterentwickeln kann.

Mit dem Begriff Selbstkompetenz (Tab. 5) wird betont, dass der Berater sich mit seinem „Selbst“ (seinen ‚Strickmustern’, biographischen Erfahrungen, seinen Werten, Haltungen und Bewältigungsstilen) in den Beratungsprozess einbringt (Lay 2001). Der Fokus liegt dabei auf der Refl exion eigener Haltungen und Positionen bezogen auf das eigene Menschenbild, das eigene Gesundheits- und Pfl egeverständnis und das eigene Beratungsverständnis. Nur wenn die Pfl egekraft über sich „selbst“ refl ektieren und über ihre eigenen Hintergründe und Einstellungen nachdenken kann, ist sie in der Lage eine klare Beraterrolle einzunehmen und dabei Selbst- und Fremdbild differenziert wahr zu nehmen. Eine symbiotische, altru-istische Verschmelzung mit dem beratenen Patienten und seinen Bezugspersonen kann so vermieden werden. Eine professionelle Beratung mit einem klaren Blick für Kompetenzen, Chancen aber auch Grenzen wird so möglich, und eine Überfrachtung der Beratung durch den eigenen Anspruch an sich selbst oder Erwartungen des beratenen Patienten und seiner Bezugspersonen kann vorgebeugt werden. Wenn der Erwerb von Beratungskompetenz als ein lebenslanger Prozess verstanden wird, ist es möglich in realistischen Teilschritten die eigene Beratungskompetenz zu entwickeln und sich selbst einzuräumen, Erfahrungen in Be-ratungssituationen als weitere Lernanlässe zu verstehen und zu nutzen. Die Differenzierung von Selbst- und Fremdwahrnehmungen bezogen auf Emotionen und Deutungsmuster sollten sowohl theoretisch als auch durch Rollenspiele explizit vorgenommen werden. Mögliche Konfl ikte im Beratungskontext und potenzielle Lösungsstrategien sollten thematisch erarbei-tet und geübt werden. Frustrations- und Ambiguitätstoleranz kann in institutionellen Wei-terbildungskontexten nur schwer angebahnt werden. Dazu müssten bei der methodischen Umsetzung professionelle Simulationspatienten zur Verfügung stehen oder in Supervision oder Fallbesprechungen reale Erfahrungen refl ektiert werden.

Voraussetzungen: Grundlagen der Systemtheorie, der gesellschaftlichen und politischen Rahmen-bedingungen und der Familien- und Gruppendynamik, sowie Rollentheorie und kooperatives Arbeiten in interdisziplinären Netzwerken

Systemkompetenz

• systemische Zusammenhänge verstehen

• Familien- und Gruppendynamik in den Beratungsprozess einbeziehen

• Mitglieder und Zusammenhänge im Betreuungssystem kennen

• Andere Pfl egesettings kennen

• eigene Rolle im Betreuungssystem erkennen und in Bezug zum System „Lebenswelt Patient“ ausgestalten d.h. auf die dargebotenen Dimensionen des Patienten und seiner Bezugsperso-nen durch eine entsprechende Positionierung mit den eigenen Kompetenzen und den Bera-tungsmethoden reagieren

• Informations- und Kooperationsnetze aufbauen

• Beratung an fachkompetente Berater innerhalb des Kooperationsnetzes weitervermitteln

• multifaktorielle Einfl üsse im systemischen Gefl echt identifi zieren und systemimmanente Gren-zen erkennen

• durch Team- und Organisationsentwicklung bzw. (gesundheits-) politischer Mitbestimmung Einfl uss auf Systeme nehmen (Change Management)

Lerninhalte

• Bedeutung von Kooperations- und Vernetzungsstrukturen im Beratungskontext

• Stellenwert von Beratung in der Pfl ege im institutionellen, gesundheitspolitischen bzw. gesell-schaftlichen Rahmen (Gesetze, Finanzierung, Gesundheitsreform und Einführung der DRGs, Forderung nach/Förderung von mündigen Patienten)

• Change Management zur Implementierung von Beratung im Pfl egealltag (Transfer)

Tab. 4

LiteraturAbt-Zegelin A: Neue Aufgaben für

die Pfl ege: Patientenedukation. Die Schwester/Der Pfl eger 2000, 39(1); 56-9.

Abt-Zegelin A: Patienten- und Familienedukation in der Pfl e-ge. Pflege und Gesellschaft. Sonderausgabe. Frankfurt/Main: Mabuse 2002; 103-15.

Abt-Zegelin A: Wer kommuniziert, pfl egt. Pfl ege Aktuell 2003, 56(12); 642-4.

Ausbildungs- und Prü-fungsverordnung für die Berufe in der Kran-kenpfl ege (KrPfl AprV). Stand 15.03.2003.

Bartholomeyczik S: Pro-fessionelle Kompetenz in der Pflege Teil I. Pfl ege Aktuell 2001a, 54(5); 284-7.

Bartholomeyczik S: Pro-fessionelle Kompetenz in der Pflege Teil II. Pfl ege Aktuell 2001b, 54(6); 344-7.

Bartholomeyczik S: Pro-fessionelle Kompetenz in der Pfl ege Teil III. Pfl ege Aktuell 2001c, 54(7-8); 412-4.

Bortz J, Döring N: For-schungsmethoden und Evaluation. 2. Aufl ., Berlin: Springer, 1995.

Bundesinstitut für Be-rufsbildung (Hrsg.): Berufsausbildung in der Altenpfl ege: Lern-feldorientiertes Curri-culum für praktische und schulische Ausbil-dung auf der Grundla-ge des Berufsgesetzes für die Altenpflege(AltPflG). Bielefeld. Bertelsmann, 2002.

Deutsches Netzwerk für Quali-tätsentwicklung in der Pflege (Hrsg.): Expertenstandard Entlas-sungsmanagement in der Pfl ege. Osnabrück, 2004.

Deutsches Netzwerk für Qua-litätsentwicklung in der Pfle-ge (Hrsg.): Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pfl ege. Osnabrück, 2004.

Gaatz S, Doll A: Patienteneduka-tion in Curricula onkologischer Fachweiterbildungen. Projekt-arbeit, Institut für Medizin- und Pfl egepädagogik/Pfl egewissen-schaft an der Humboldt-Univer-sität zu Berlin 2003.

George U, George W: Angehöri-genedukation als Inhalt der Aus- und Weiterbildung. PrInterNet 2004, 6(4); Pflegepädagogik 210-4.

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK

Page 11: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

216 PRINTERNET 04/06

DiskussionIn der empirischen Untersuchung des Handlungsfeldes wurde ein breitgefächertes Spektrum von Beratungsanlässen identifi ziert. Es wird deutlich, dass Beratung in der onkologischen Pfl ege in einem Spannungsfeld steht zwischen einem ganzheitlichen Beratungsverständnis und einem zu Überforderung neigenden Omnipotenzanspruch. Hier wird es in Zukunft einer klaren berufpolitischen und folglich berufsbildungspolitischen Positionierung zum Aufgaben-profi l von Beratung in der onkologischer Pfl ege bedürfen. Sollte einer Überfrachtung von Beratung in der onkologischen Pfl ege vorgebeugt werden, wäre eine klare Abgrenzung des Themenspektrums erforderlich. Sollte Pfl ege hingegen in Zukunft ganzheitlich beraten, so müssten dafür gesundheitspolitische und institutionelle Rahmenbedingungen geschaffen werden. Bezogen auf die Entwicklung von Beratungskompetenzen würde dies für die Aus- und vor allem Weiterbildung bedeuten, dass alle sechs Kategorien von Beratung als Bera-tungsinhalt thematisiert werden müssten. Dies gilt insbesondere für die Feldkompetenz. Für die Entwicklung der Methoden- und Systemkompetenz müssten dann konsequenterweise Beratungsmethoden in ihrer ganzen Bandbreite vermittelt werden, so wie es von den Au-toren im Lernfeld „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ formuliert wurde. Nur so wären onkologische Fachpfl egekräfte methodisch ausreichend auf die Herausforderungen einer ganzheitlichen Beratung vorbereitet.

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Bildungsgänge die Pfl ege in Zu-kunft braucht. Es muss geklärt werden, welche Anforderungen ein Lernfeld mit 80 Stunden innerhalb einer Fachweiterbildung erfüllen kann. Darüber hinaus ist es sicherlich sinnvoll, ein professionelles Beratungsprofi l in expliziten Zusatzqualifi kationen zum „Berater in der Pfl ege“ oder in Studienanteilen in Bachelor- oder Masterstudiengängen zu entwickeln. Die Akademisierung ist vor allem im Hinblick auf die Entwicklung von Refl ektionsfähigkeit der Pfl egenden von entscheidender Bedeutung. Unabhängig davon, in welchen Bildungsgängen Beratungskompetenzen in Zukunft ausgebildet werden, ist zu bedenken, dass viele Kompe-tenzen, die im Zusammenhang mit Beratung von Bedeutung sind, sehr komplex und nicht innerhalb einer kurzen Unterrichtssequenz vermittelbar sind, sondern vernetzt im gesamten Curriculum mit anderen Lernbereichen angebahnt werden müssen. Durch die ausschnitt-hafte Betrachtung des Lernfeldes „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ sind dieser Arbeit insoweit Grenzen gesetzt. Die vernetzte Kompetenzentwicklung kann nur bei der Gesamt-betrachtung eines Curriculums vollständig abgebildet werden.

Bei der Bearbeitung des Handlungsfeldes wurde deutlich, dass eine bewusste Haltung der Pfl egekräfte zu Beratung als Pfl egeaufgabe eine wichtige Rolle in der Umsetzung in berufl i-ches Handeln spielt. Die Bedeutung von Beratung in der onkologischen Pfl ege wurde in der empirischen Untersuchung von den onkologischen Pfl egekräften sehr hoch eingeschätzt.

George W, George U: Angehörigeninteg-ration in der Pfl ege. München: Reinhardt, 2003.

Haas-Unmüßig P: Kom-petenzen in der Pfl e-geberatung: Neue Aufgaben erfordern umfassende Weiterbil-dung. Pfl egezeitschrift 2001, 54(4); 285-6.

Hellige B, Hüper C: Pfl e-gerisches Beratungs-modell für chronisch kranke Menschen. Pfl egemagazin 2002, 3(6); 8-16.

Hösel-Brunner G, Her-big C: Das Pfl egebera-tungsverständnis von Pflegefachkräften. Pfl egezeitschrift 1998, 51(10); 779-82.

Knelange C, Schieron M: Beratung in der Pfl ege – als Aufgabe erkannt und professi-onell ausgeübt? Pfl e-ge und Gesellschaft 2000, 1(5); 4-11.

Knigge-Demal B: Curricula und deren Bedeutung für die Aus-bildung. In: Sieger M (Hrsg.): Pfl egepädagogik. Bern: Huber, 2001

Koch-Straube U: Beratung in der Pfl ege – eine Skizze. Pfl ege und Gesellschaft 2000, 1(5); 1-3.

Koch-Straube U: Beratung in der Pfl ege. Bern: Huber, 2001.

Koch-Straube U: Was verstehen wir unter Beratung in der Pfl ege? Vortragskript des Symposiums „Beratung in der Pfl ege: Chance und Herausforderung“, Bochum, 2003.

Krankenpflegegesetz (KrPflG), Bundesgesetzesblatt Jg. 2003, Teil I Nr. 55, 19.11.2003.

Lay R: Beratungskompetenz in der Pfl ege. PrInterNet 2001, 9(1); Pfl egepädagogik 195-200.

London F: Informieren, Schulen, Beraten. Bern: Springer, 2003.

Müller-Mundt G, Schaeffer D, Pleschberger S, Brinkhoff P: Patientenedukation – (k)ein zen-trales Thema in der deutschen Pfl ege. Pfl ege und Gesellschaft 2000, 5(2); 42-53.

Reibnitz von C, Schnabel P, Hur-relmann K (Hrsg.): Der mündige Patient. Weinheim: Juventa, 2001.

Rennecke S: Information, Schulung und Beratung von Patienten und Angehörigen. Köln: Kuratorium Deutsche Altenhilfe, 2000.

Schaeffer D, Moers M: Bewälti-gung chronischer Krankheiten – Herausforderungen für die Pflege. In: Rennen-Allhoff B,

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK

Voraussetzungen: Ethik und Pfl egetheorien (Metaparadigma der Pfl ege), eigene Haltung zum eigenen Menschenbild und Pfl egeverständnis, Gesundheitstheorien, Emotionen im Zusammen-hang mit der Pfl ege und Begleitung von Tumorpatienten

Selbstkompetenz

• das eigene Menschenbild und das eigene Pfl ege-, Gesundheits- bzw. Beratungsverständnis refl ektieren

• eigene Beraterrolle, Selbst- und Fremdbild, Kompetenzen und Grenzen refl ektieren

• eigene Deutungsmuster bzw. Emotionen (Ängste...) erkennen

• Konfl ikte erkennen und aushalten oder lösen

• Frustrations- und Ambiguitätstoleranz entwickeln, um mit dem Spannungsfeld divergierender Erwartungen umzugehen, das durch das Entstehen von Beratungsbedarfen innerhalb von Pfl egesituationen verstärkt wird

• Ethische Normen refl ektieren und eigene Wertvorstellungen entwickeln

• Erwerb von Beratungskompetenz als lebenslangen Lernprozess verstehen

Lerninhalte

• Eigene Haltung und Rolle als Berater in der Pfl ege (Kompetenzen und Grenzen)

• Selbst- und Fremdwahrnehmung (Emotionen, Deutungsmuster)

• Konfl iktmanagement im Beratungskontext

• Frustrations- und Ambiguitätstoleranz

Tab. 5

Page 12: PFLEGEPÄDAGOGIK Lernfeld Beratung in der Pfl · PDF file208 PRINTERNET 04/06 ambulanten onkologischen Pfl ege tätig sind. Die 33 Fragebögen, die von Arzthelferinnen, Pfl egedienstleitungen

217 PRINTERNET 04/06

Dieses Ergebnis steht im Gegensatz zu vielen Aussagen in der Pfl egeliteratur, die ein fehlen-des Bewusstsein für Beratung in der Pfl ege generell bemängeln. Dieser Widerspruch könnte einerseits auf ein an sozialer Erwünschtheit orientiertes Antwortverhalten der Befragten in der empirischen Untersuchung dieser Arbeit zurückgeführt werden, als auch auf die Auswahl der Probanden. Es ist davon auszugehen, dass die Kongressteilnehmer eine hochmotivierte und engagierte Gruppe darstellen, in der auch ein deutlich höheres Bewusstsein für Bera-tung vorhanden sein könnte (Selection Bias). Darüber hinaus müssen auch die Grenzen des gewählten Designs beachtet werden; mit Hilfe des Fragebogens können nur Selbstein-schätzungen der Probanden erhoben werden. Wie das konkrete Beratungsverhalten in der Pfl egepraxis tatsächlich aussieht, kann nur mit Hilfe qualitativer Forschungsmethoden (z. B. teilnehmende Beobachtung) erfasst werden. Die unterschiedlichen Ergebnisse in Bezug auf das Bewusstsein von Pfl egenden zum Stellenwert von Beratung könnte aber auch in den un-tersuchten Populationen liegen, was bedeuten würde, dass bei onkologischen Pfl egekräften das Bewusstsein für Beratung bereits viel höher ausgeprägt ist, als in der allgemeinen Pfl ege (Hösl-Brunner/Herbig 1998, Knelange/Schieron 2000). In diesem Zusammenhang sehen die Autoren weiteren Forschungsbedarf zum Beratungsverständnis und -handeln in der Pfl ege.

Bei der kritischen rückblickenden Refl ektion der vorgenommenen Übertragung des Lern-feldansatzes auf Weiterbildungskontexte kommen die Autoren zu dem Schluss, dass dieses Vorgehen – trotz aller methodischer Grenzen – wichtige Potenziale für die Fachweiterbildung beinhaltet. Die Analyse der Aufgabenbereiche, der Tätigkeitsprofi le bzw. der Handlungsfel-der als Ausgangspunkt curricularer Konzeptionen zu setzen, wird als hilfreich eingeschätzt. Werden die Handlungskompetenzen anhand der defi nierten Handlungsfelder abgeleitet, können inhaltliche und methodische Entscheidungen daran orientiert werden. Wirft man in diesem Zusammenhang einen Blick auf die Entstehung des Lernfeldkonzeptes in der Be-rufspädagogik, zeigt sich, dass es in einer Zeit entwickelt wurde, in der sich die theoretische und praktische Berufsbildung im dualen System immer weiter auseinander bewegt hat. Betrachtet man die aktuelle Entwicklung der Fachweiterbildungen in der Pfl ege, können ähnliche Tendenzen diagnostiziert werden. Daher sehen die Autoren eine große Chance für die Fachweiterbildungen, sich rechtzeitig mit der Überbrückung der Theorie-Praxis-Brüche zu beschäftigen. Dabei kann das Lernfeldkonzept hilfreich sein, da es seine Basis in der klaren Orientierung an Handlungskompetenzen hat, ohne eine falsch verstandene Ausrichtung von Bildungsangeboten an die reine Ausbildung von Praxistauglichkeit vorzunehmen. Metho-disch bedarf es beim Lernfeldkonzept jedoch einer weiteren Ausdifferenzierung und vor allem einer Klärung der Analyseverfahren von Handlungsfeldern ebenso wie eines fachdidaktischen Konstruktionsschrittes vom Handlungsfeld zum Lernfeld.

Für die (pfl ege)pädagogische Forschung wird in Zukunft Evaluationsforschung von Bildung-sangeboten an Bedeutung gewinnen. Es wird zu evaluieren sein, welche Bildungsangebote und Lehr-/Lernstrategien tatsächlich zur angestrebten Handlungskompetenzentwicklung führen. Bezogen auf Beratung wäre es sinnvoll, die Implementierung von entsprechenden Lernfeldern in die Weiterbildung wissenschaftlich zu begleiten.

Schaeffer D (Hrsg.): Handbuch Pfl egewissenschaft. Weinheim: Juventa, 2000.

Schröck R, Drerup E (Hrsg.): Der informierte Patient. Freiburg: Lambertus, 2002.

Stratmeyer P: Pflegeberatung zwischen Patientenschulung, so-zialer Arbeit und Psychotherapie. Unveröffentlichtes Vortragsma-nuskript, 2001.

Thomas B, Wirnitzer B: Patienten und Pfl egende in einer neuen Rolle. Pflegezeitschrift 2001a, 469-73.

Thomas B, Wirnitzer B: Pfl egebera-tung im Krankenhaus München-Neuperlach: Erste Ergebnisse des Modellprojekts. Pfl egezeitschrift 2001b, 869-72.

Thomas B, Wirnitzer B: Pfl egebe-ratung und Patientenschulung. Heilberufe 2001c, 6(8); 34-5.

Wittneben K: Handlungsfelder- Lernfelder- Bildungsinhalte. PrInterNet 2003, 5(4); Pfl ege-pädagogik 124-136.

Wörmann M: Personenzentrier-te Beratung durch Pflegende. In: Schneider K, Brinker-Mey-endriesch E, Schneider A (Hrsg.): Pfl egepädagogik. Berlin: Sprin-ger, 2003.

Anmerkungen1 Pfl egekräfte, die sich in einer zweijähriger berufsbegleitenden Fachweiterbildung auf die Pfl ege von Patienten

mit Tumorerkrankungen spezialisiert haben. (Onkologie = Lehre der Tumorerkrankungen)2 Das komplette Lernfeld beinhaltet Gesprächsführung, Anleitung und Beratung; in dieser Arbeit wird nur

das Teilhandlungs- bzw. Teillernfeld „Beratung in der onkologischen Pfl ege“ bearbeitet. Zur sprachlichen Vereinfachung werden in der ganzen Arbeit jedoch die Begriffe Handlungs- bzw. Lernfeld verwendet

3 benannt nach den Autoren HUmmel-GAatz/DOll

PrInterNet CommunitySie fi nden weitere Informationen zu

diesem Artikel unter

http://www.printernet.info/artikel.asp?id=620

Axel Doll, Sonja Hummel-Gaatz: Lernfeld Beratung in der Pflege – Umsetzung des Lernfeldkonzeptes ...PFLEGEPÄDAGOGIK