Philippi ( 40 W - die-apostelgeschichte.de · Neapolis ist eine sehr alte griechische Stadt, von...

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§ Philippi (,) § Philippi (,) W ir haben schon bei der Besprechung des Auftaktabschnitts , – der in gewisser Weise ein Bestandteil des Philippi-Abschnitts ist – gesehen, daß der Verfasser der Apostelgeschichte mit Ausnahme von Ephesos nirgendwo so ausführlich ist wie in Philippi. Daher ist es ange- bracht, in einem ersten Schritt , in Unterabschnitte zu zerlegen: () Lydia , () Die wahrsagende Sklavin , () Anklage und Verhaftung , () Das Befreiungswunder , () Der abschließende Triumph , () Lydia (,) D er erste Teil des Philippiabschnitts befaßt sich mit Lydia – der er- sten Christin Europas, wie wir als Europäer konstatieren, aber auch der ersten Christin überhaupt, die Paulus seit seiner Abreise im fernen Antiochien am Orontes bekehrt hat. Die Nachricht, daß die erste Chri- stin Makedoniens Lydia aus Thyateira war, hatte sich in der Gemeinde Philippi ohne Zweifel bis auf die Zeit des Verfassers der Apostelgeschich- te erhalten. Wir dürfen daher davon ausgehen, daß wir es hier mit einem historischen Geschehen zu tun haben: Zur Zeit des Verfassers wußte man noch, daß die Gemeinde in Philippi aus der Hausgemeinde (vgl. v. und v. ) der Lydia hervorgegangen war; die Lage dieses Hauses der Lydia war jedem Gemeindeglied wohlbekannt und auch über die προσ- ευχ (proseuch¯ e . ) draußen vor dem Flußtor wußte man selbstverständlich Bescheid. Der Verfasser der Apostelgeschichte hat uns somit in diesem Unterabschnitt gute alte Tradition der Gemeinde in Philippi überliefert; eine Tradition, die der Gemeindegründung noch nahestand. Vgl. dazu oben im vorigen Paragraphen die Seiten . Zu Lydia und diesem Teil der Apostelgeschichte vgl. die Studie von Jean-Pierre Sterck-Degueldre: Eine Frau namens Lydia. Zu Geschichte und Komposition in Apostel- geschichte ,., WUNT /, Tübingen .

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  • Philippi (,)

    Philippi (,)

    Wir haben schon bei der Besprechung des Auftaktabschnitts , der in gewisser Weise ein Bestandteil des Philippi-Abschnitts ist gesehen, da der Verfasser der Apostelgeschichte mit Ausnahme vonEphesos nirgendwo so ausfhrlich ist wie in Philippi. Daher ist es ange-bracht, in einem ersten Schritt , in Unterabschnitte zu zerlegen:

    () Lydia ,

    () Die wahrsagende Sklavin ,

    () Anklage und Verhaftung ,

    () Das Befreiungswunder ,

    () Der abschlieende Triumph ,

    () Lydia (,)

    Der erste Teil des Philippiabschnitts befat sich mit Lydia der er-sten Christin Europas, wie wir als Europer konstatieren, aber auchder ersten Christin berhaupt, die Paulus seit seiner Abreise im fernenAntiochien am Orontes bekehrt hat. Die Nachricht, da die erste Chri-stin Makedoniens Lydia aus Thyateira war, hatte sich in der GemeindePhilippi ohne Zweifel bis auf die Zeit des Verfassers der Apostelgeschich-te erhalten. Wir drfen daher davon ausgehen, da wir es hier mit einemhistorischen Geschehen zu tun haben: Zur Zeit des Verfassers wute mannoch, da die Gemeinde in Philippi aus der Hausgemeinde (vgl. v. und v. ) der Lydia hervorgegangen war; die Lage dieses Hauses derLydia war jedem Gemeindeglied wohlbekannt und auch ber die - (proseuche. ) drauen vor dem Flutor wute man selbstverstndlichBescheid. Der Verfasser der Apostelgeschichte hat uns somit in diesemUnterabschnitt gute alte Tradition der Gemeinde in Philippi berliefert;eine Tradition, die der Gemeindegrndung noch nahestand.

    Vgl. dazu oben im vorigen Paragraphen die Seiten . Zu Lydia und diesem Teil der Apostelgeschichte vgl. die Studie von Jean-Pierre

    Sterck-Degueldre: Eine Frau namens Lydia. Zu Geschichte und Komposition in Apostel-geschichte ,., WUNT /, Tbingen .

  • Der Weg des Paulus bis Ephesos (Kapitel )

    Wir brachen aber von Troas auf und fuhren direkt nach Sa-mothrake und am nchsten Tag nach Neapolis und von dortnach Philippi, einer Stadt in dem ersten Bezirk Makedoniens, einerKolonie. In dieser Stadt verbrachten wir einige Tage. Am Sabbatgingen wir aus dem Stadttor beim Flu hinaus, wo wir eine Proseu-che vermuteten, und wir setzten uns hin und sprachen mit den dortversammelten Frauen. Und eine Frau mit Namen Lydia, einePurpurhndlerin aus der Stadt Thyateira, eine Gottesfrchtige, hr-te zu. Ihr tat der Herr das Herz auf, da sie achtgab auf das vonPaulus Gesagte. Als sie und ihr Haus getauft worden waren, batsie uns: Wenn ihr zu dem Schlu kommt, da ich an den Herrnglaube, so kommt in mein Haus und bleibt bei mir. Und sie be-drngte uns.

    ber die Przision der Wegbeschreibung,v. die uns v. bietet, haben

    wir schon gesprochen: Die Reise mit dem Schiff verluft glatt undberaus zgig. Man zeigt heute noch auf Samothrake die Stelle, wo Pau-lus die Nacht zugebracht hat (spter wurde hier eine Basilika errichtet).Neapolis ist eine sehr alte griechische Stadt, von der Insel Thasos ausgegrndet (die ltesten Inschriften stammen aus der Mitte des . Jh. v.Chr.). Im ersten Jahrhundert ist Neapolis Hafen der rmischen KoloniePhilippi, zu der die Missionare sich sogleich aufmachen.

    Exkurs: Philippi

    Ich habe in dem vorigen Paragraphen zu zeigen versucht, da Philippi fr denVerfasser der Apostelgeschichte eine ganz besondere Bedeutung hat, weil erselbst aus Makedonien, wahrscheinlich sogar aus Philippi stammt. Daher hat er

    Vgl. Julius Wellhausen: Kritische Analyse der Apostelgeschichte, AAG ,, Berlin, S. : Dieser Bericht, mit dem das eigentliche Itinerar des Paulus (seit seinembergang nach Europa) beginnt, ist aus einer Quelle bernommen, die in der erstenPerson des Plurals erzhlt. Er kann wohl von einem Autor herrhren, der selber dabeiwar.

    Zum textkritischen Problem dieser Passage siehe Philippi I sowie Bruce M.Metzger: Textual Commentary, S. .

    Vgl. die Belege in Philippi I , Anm. (dort auch weitere Literatur). Vgl. dazu oben die Seiten . Vgl. meinen Aufsatz: Lukas als . Zur Herkunft des Evangelisten

    aus Makedonien, in: Peter Pilhofer: Die frhen Christen und ihre Welt. GreifswalderAufstze . Mit Beitrgen von Jens Brstinghaus und Eva Ebel, WUNT ,Tbingen , S. .

  • Philippi (,)

    die Grndung dieser seiner Gemeinde auch besonders liebevoll und ausfhrlichbeschrieben. Aber auch fr Paulus hat es mit Philippi eine besondere Bewandnis,ist dies doch die erste Stadt, in der er nach dem Desaster des antiochenischenZwischenfalls nicht nur Fu fat, sondern sogar eine neue Gemeinde grndet.Hinzu kommt, da ihm diese Gemeinde ganz besonders ans Herz gewachsenist. Man hat ganz richtig von Philippi als der Lieblingsgemeinde des Paulus ge-sprochen.

    Gestatten Sie mir an dieser Stelle eine persnliche Bemerkung: Auch mir istdie Stadt und die Gemeinde Philippi besonders ans Herz gewachsen, habe ichmich doch fast zwanzig Jahre meines Lebens mit dieser Stadt und ihrer Gemein-de beschftigt. Nachdem ich sie im Jahr erstmals besucht hatte, war ichim Jahr mit Studentinnen und Studenten aus Mnster dort. Damals hatteich gerade meine Dissertation abgeschlossen und war auf der Suche nach einemThema fr meine Habilitation. Dabei fiel mir auf, da Philippi in der theologi-schen Literatur recht vernachlssigt worden war. Auch die Althistoriker und dieArchologen hatten sich nach dem Zweiten Weltkrieg kaum mehr mit Philippibeschftigt. Das war eine recht ungewhnliche Situation und wie ich fand eine echte Forschungslcke. Es gab die grundlegende Studie von Paul Collart auch heute noch unentbehrlich. Fr das christliche Philippi gab es damalsdas Werk von Paul Lemerle. Beide Bcher waren schon damals, als ich meineArbeit aufnahm, nicht mehr taufrisch.

    Daher habe ich mich seither bemht, diese Forschungslcke zu schlieen. Ichverfate einerseits eine Monographie, andrerseits eine Sammlung der Inschrif-ten. Diese knnen Sie auch im Netz unter www.philippoi.de bewundern.

    Zur Zeit arbeite ich an Band III meiner Studie, die sich mit den literarischenZeugnissen ber Philippi beschftigt. Das Buch wird in einigen Jahren erschei-nen. Eine kurze Zusammenfassung meiner Ergebnisse finden Sie in der neuenAuflage der RGG unter dem Stichwort Philippi.

    Die Formulierung geht auf Rudolf Pesch zurck (Rudolf Pesch: Paulus und seineLieblingsgemeinde. Paulus neu gesehen. Drei Briefe an die Heiligen in Philippi, Her-B , Freiburg/Basel/Wien ).

    Paul Collart: Philippes, ville de Macdoine, depuis ses origines jusqu la fin delpoque romaine, Paris .

    Paul Lemerle: Philippes et la Macdoine orientale lpoque chrtienne et byzan-tine. Recherches dhistoire et darchologie, [Bd. I] Texte, [Bd. ] Album, BEFAR ,Paris .

    Peter Pilhofer: Philippi. Band I: Die erste christliche Gemeinde Europas, WUNT, Tbingen .

    Peter Pilhofer: Philippi. Band II: Katalog der Inschriften von Philippi, WUNT, Tbingen . Die Arbeit an der zweiten Auflage von Philippi II ist durch dasJahrhunderthochwasser im Regnitztal im Juli erheblich zurckgeworfen worden;dennoch hoffe ich, da sie im Laufe dieses Jahres erscheinen kann. Die zweite Auflageerschien dann im Jahr

    Peter Pilhofer: Art. Philippi, RGG VI (), Sp. .

  • Der Weg des Paulus bis Ephesos (Kapitel )

    Abbildung : Die via Egnatia nach Philippi

    Im folgendenPhilippi alsrmischeKolonie

    hebe ich die wichtigsten Punkte heraus: Auch Philippi ist einermische Stadt. Wir haben schon im bisherigen Verlauf der Diskussion gesehen,da Paulus solche rmischen Kolonien bevorzugt besucht. Wenn wir Philippinun mit dem pisidischen Antiochien vergleichen, so sehen wir, da der Gradder Romanisierung in Philippi noch wesentlich hher ist als in Antiochien. So-bald Paulus in Neapolis sein Schiff verlie, war er mit lateinischen Inschriftenkonfrontiert: Die Meilensteine, die Paulus auf der Strae von Neapolis nachPhilippi las, waren zweisprachig, zuerst lateinisch, aber auch griechisch. Abersobald sich Paulus der Stadt und ihrer stlichen Nekropole nherte, dominierte

    Zum pisidischen Antiochien vgl. oben S. . Das folgende wieder nach meinem schon mehrfach genannten Aufsatz: Antiochien

    und Philippi. Zwei rmische Kolonien auf dem Weg des Paulus nach Spanien, in: PeterPilhofer: Die frhen Christen und ihre Welt. Greifswalder Aufstze . MitBeitrgen von Jens Brstinghaus und Eva Ebel, WUNT , Tbingen , S. .

    Die folgenden Beispiele sind nach Philippi I, S. ff. gegeben (wo man alle Ver-weise auf das erwhnte epigraphische Material findet).

    Die Straenverhltnisse boten keine Alternative: Es gab nur die via Egnatia, derenTrasse weitgehend festliegt. Wir kennen den Weg des Paulus in diesem Bereich dahergenau. (Die Abbildung oben zeigt ein Stck der via Egnatia zwischen Neapolis undPhilippi. Sie ist dem Buch . : . . [: ], Athen ,S. , entnommen.)

  • Philippi (,)

    Abbildung : Das Album der Silvanusanhnger in Philippi

    die lateinische Sprache: Die Grabinschriften waren lateinisch, und nur seltenkonnte man ein , (chai.re, parhodi.ta) oder hnliches sehen.

    In der Stadt selbst fand Paulus keine griechische Inschrift: Selbst im zweitenJahrhundert gab es auf dem Forum und in seiner Umgebung nicht eine einzige.Ich kenne keine Stadt in der stlichen Hlfte des imperium Romanum Kolonieoder nicht , wo Latein das Bild in einem derartigen Ausma beherrschte.

    Entsprechend rmischer war auch das kulturelle und das religise Leben inPhilippi. So ist beispielsweise die Inschrift eines Schauspielers erhalten, die zeigt,da die Stadt Philippi auf eigene Kosten eine Truppe von lateinischen Schauspie-lern unterhielt die Inschrift stammt aus dem . Jahrhundert. Paulus htte beieinem seiner Besuche in Philippi im Theater eine Darbietung dieses lateinischenEnsembles besuchen knnen, wenn er gewollt htte.

    Vergleichen wir das kulturelle Leben von Antiochien mit dem von Philippi,so kommen wir also zu dem Ergebnis, da es in Philippi strker rmisch ge-prgt war als in Antiochien. Ein Beispiel ist der archimimus latinus in unsererInschrift.

    Ein hnliches Bild ergibt sich, wenn wir uns dem religisen Leben in dieserStadt zuwenden. Das inschriftliche Material berliefert uns mehr als hundert

    Das einzige aus dem stlichen Friedhof erhaltene Exemplar, das ein , - bietet, ist die lateinische Grabinschrift des vierjhrigen Viatoreilius, die nach neunZeilen lateinischen Textes in Z. das griechische , bietet (Philippi II,Nr. /GL).

    Dieses Zitat stammt aus meinem in Anm. angegebenen Aufsatz, S. .

  • Der Weg des Paulus bis Ephesos (Kapitel )

    Abbildung : Von Philippi nach Thessaloniki

    Namen von Verehrern des rmischen Gottes Silvanus wir haben die Inschrif-ten aus dem Heiligtum der Silvanus-Anhnger am Fu der Akropolis vorhin alsDia gesehen. Bemerkenswert ist der Befund, da der Gott Silvanus auerhalbItaliens, insbesondere im Osten nur ganz vereinzelt bezeugt ist (und nirgend-wo auerhalb des italienischen Raumes mit einer solchen stattlichen Anhnger-schar).

    So zeigt das epigraphische Material, da Philippi eine viel rmischere Stadtwar als das pisidische Antiochien. Nach Philippi war Paulus bereit fr Rom und fr Spanien . . .

    Auch der weitere Weg des PaulusDer Weg vonPhilippi

    nachThessaloniki

    ist durch die Trasse der via Egnatia eindeu-tig festgelegt. Wir knnen ihn fast Schritt fr Schritt verfolgen (vgl. die Karteauf dieser Seite oben). Erinnern Sie sich an die Wege durch die Trkei undvergleichen Sie damit die Przision der Angaben in ,: Wir haben neben demAusgangspunkt Philippi und dem Endpunkt Thessaloniki hier zwei Zwischen-stationen: Amphipolis und Apollonia, das sagt alles.

    * * * Die Texte und bersetzungen finden sich in Philippi II (es handelt sich

    insgesamt um vier verschiedene Inschriften; die Seiten beziehen sich noch auf die . Auf-lage!), die zugehrigen Abbildungen kann man auf der Seite www.philippoi.de be-wundern. Eine Diskussion der interessanten Texte bietet Philippi I .

    Vgl. im einzelnen die in meinem Aufsatz a.a.O., S. gebotenen Nachweise. Karte aus Philippi I : Der Weg des Paulus von Philippi nach Thessaloniki auf

    der via Egnatia (vgl. Apg ,).

  • Philippi (,)

    Wir setzten unsere Auslegung mit v. fort: v. . . . und von dort nachPhilippi, eine Stadt in dem ersten Bezirk Makedoniens, einer Ko-lonie. In dieser Stadt verbrachten wir einige Tage. Auf das textkritischeProblem dieses Verses gehe ich an dieser Stelle aus Zeitgrnden nichtein. So knnen wenn Sie mgen dazu den entsprechenden Paragra-phen in meinem Buch ber Philippi nachlesen. Es ist zu lesen: . . . (he. tis esti.n pro. tes meri.doste. s Makedoni.as po. lis). Damit haben wir hier eine przise Angabe zur La-ge Philippis, die alle vergleichbaren Daten in der Apostelgeschichte anGenauigkeit weit bertrifft: Philippi liegt nicht nur in Makedonien, son-dern in dessen erstem Bezirk ( [pro. te meri.s]). Hier sprichtein Kenner der makedonischen Verhltnisse.

    Eine weitere singulre Angabe ist das hinzugefgte (koloni.a).Dies ist ber den bloen Konkordanzbefund hinaus das Wort [koloni.a] begegnet kein weiteres Mal im Neuen Testament ein bemer-kenswerter Sachverhalt, wenn man sich vergegenwrtigt, da allein inder Apostelgeschichte nicht weniger als acht andere Kolonien erwhntwerden, ohne da dies jemals mitgeteilt wrde: Antiochien in Pisidi-en uns aus Kapitel wohlvertraut (Apg ,; ,.); Iconium(Apg ,; , ..; ,); Lystra (Apg ,..); Alexandria Troas (Apg,.; ,f.); Korinth (Apg ,.D; ,); Ptolemais (Apg ,); Syra-kus (Apg ,); und schlielich Puteoli (Apg ,) keine dieser Stdtewird als [koloni.a] gekennzeichnet. Ganz gleich, ob dies auf dieUnkenntnis des Verfassers zurckzufhren ist oder nicht, man sieht: DerVerfasser der Apostelgeschichte ist in bezug auf Philippi wesentlich besserinformiert als anderwrts.

    Die Angabe in v. b hngt mit der Geschichte von der wahrsagendenFrau zusammen, auf die wir gleich noch genauer zu sprechen kommen.

    Am Sabbat v. gingen wir aus dem Stadttor beim Flu hinaus, wo wir ei-ne Proseuche vermuteten, und wir setzten uns hin und sprachen mit dendort versammelten Frauen (v. ). Auch hier sind die lokalen Kenntnissedes Verfassers mit Hnden zu greifen. Auf dem Weg von Antiochien amOrontes nach Zypern und Pisidien und Galatien und Lykaonien habenwir schon manche Synagoge besucht, aber eine Beschreibung der Ortsla-ge dieser Synagoge wurde uns bisher noch an keiner Stelle geboten.

    Philippi I : Philippi als Stadt der . Das textkritische ProblemApg ,.

    Philippi I f.

  • Der Weg des Paulus bis Ephesos (Kapitel )

    Ich weise Sie darauf hin, da der Verfasser der Apostelgeschichte hiernicht das sonst bei ihm bliche griechische Wort (synagoge. ) be-nutzt, sondern vielmehr (proseuche. ). Zwar ist in Philippi nun-mehr eine Synagoge auch epigraphisch bezeugt, doch ist diese Inschriftviel zu spt (sie wird ins dritte oder vierte Jahrhundert datiert), als dasie Aufschlsse ber die Zeit des Paulus ermglichte. Vermutlich war diejdische Gemeinde in Philippi recht klein die Tatsache, da Paulusund seine Begleiter nur auf Frauen stoen, knnte dafr sprechen. IhrVersammlungsort war nicht in der Stadt selbst, sondern drauen vor denToren.

    Jean-Pierre Sterck-Degueldre hat unsere Passage eingehend untersucht;ich zitiere sein Ergebnis: Zusammenfassend wird wohl der Zusatz () [hou. enomi.zeto proseuche. (n) ei.nai] ganz undgar auf das Konto des Lukas zurckgehen. Dabei verwendet er die Be-zeichnung [proseuche. ], die berlieferten Sprachgebrauch wi-derspiegelt und schon genuin mit der Bekehrungsgeschichte der Lydiaverbunden war. Da Lukas eingangs auerordentlichen Wert auf die rmi-sche Prgung der Stadt gelegt hat (V. ), kann er nun auf die rmischeSitte verweisen, wonach die jdische Gebetssttte vor der Stadtmauer(pomerium) zu finden ist. Die Ortsbeschreibung [e. xo te. s py. les para. potamo. n] entnahm der Redaktor seiner Vor-lage, der er erklrend den Zusatz () [hou.enomi.zeto proseuche. (n) ei.nai] beifgte. Somit verdeutlicht er wahrschein-lich dem Leser, warum die Synagoge in Philippi sich auerhalb des Toresbefindet. Ist der Zusatz (bis auf die Gebetsstttenbezeichnung) redaktio-nell, so mssen dem Redaktor Ortskenntnisse zugesagt [St.-D. meint:zugesprochen, P.P.] werden. Dies erhrtet wiederum die Annahme, daLukas nicht nur in Philippi gut Bescheid wei, sondern zudem dem Le-ser dies zu Erkennen [lies: erkennen, P.P.] geben mchte.

    Der folgende Vers v. v. fhrt die erste Christin Europas namentlichein: Lydia aus Thyateira. Ich habe oben gegen den anachronistischenGegensatz Asien/Europa polemisiert, weil der Verfasser der Apostelge-

    Vgl. dazu die einschlgige Inschrift in Philippi II: Nr. a/G auf S. f. ZurDiskussion der Situation in Philippi vgl. Jean-Pierre Sterck-Degueldre, a.a.O., S. .

    Zur Lokalisierung des von mir drittes Tor genannten Stadttors vgl. Philippi I : Das dritte Stadttor: Zur Lage der in Philippi (Apg ,).

    Jean-Pierre Sterck-Degueldre, a.a.O., S. . Wer das Zitat genau liest, bemerkt, daSterck-Degueldre vom bei Nestle/Aland gedruckten Text abweicht . . .

    Vgl. dazu oben Seite .

  • Philippi (,)

    schichte in Kapitel von einem solchen Gegensatz nichts wei. Trotz-dem ist aus unserer europischen Perspektive festzuhalten, da diese Fraudie erste namentlich bekannte Christin Europas ist. (Die Gemeinde inRom ist vermutlich lter als die in Philippi aber von ihrer Grndungwissen wir nichts, weil der Verfasser der Apostelgeschichte in Philippischrieb, nicht in Rom . . . ) Aus seiner Perspektive jedoch ist nicht diesvon Interesse, da Lydia die erste Christin Europas ist, sondern vielmehr,da sie die erste Christin berhaupt ist, die Paulus nach dem Apostel-konvent in Kapitel gewann.

    Man mu sich den Anmarschweg vor Augen stellen, um dies deutlichzu sehen: In Kapitel wird die Versammlung in Jerusalem ihrer Be-deutung entsprechend breit geschildert, wie es auch der Art des Verfas-sers der Apostelgeschichte entspricht. Wir haben sodann in , denmiglckten Start zur zweiten Missionsreise. In , sind wir auf ver-trautem Boden, neue Initiativen entwickelt Paulus dort allerdings nicht,wenn man einmal von der abwegigen Beschneidung des Timotheus ab-sieht. Von Lykaonien aus malt der Verfasser der Apostelgeschichte dasBild einer ziellos durch Kleinasien irrenden Gruppe von Missionaren die Conzelmannsche Formulierung gezielte Nicht-Missionsreise ist soetwas wie ein Klassiker geworden. Erst das (ho. rama) in Troas weistden Missionaren den Weg hier mit Lydia sind sie am Ziel.

    Ich zitiere erneut aus der Arbeit von Jean-Pierre Sterck-Degueldre:

    () Einerseits nimmt Lydia im Gesamtkonzept der Apostelgeschichteund der in ihr illustrierten ffnung zum Heidentum als Frau einenbeachtlichen Stellenwert ein. An ihr vollzieht sich nun endgltig dieffnung zum Heidentum. Hatte Lukas schon in der Kindheitsgeschich-te die Mutter Jesu als christliches Leitmodell hervorgearbeitet [St.-D.meint: herausgearbeitet, P.P.], so wird nun abermals einer Frau die Eh-re zuteil, als Paradigma fr christliches Verhalten zu fungieren. Dies ge-schieht an einem Wendepunkt der Verbreitung des Christentums. ()Und andererseits konnte es keinen besseren Schauplatz fr dieses Ge-schehen geben als eine rmische Kolonie. Die detailfreudige Schilderungder Reiseroute nach Philippi und der geographischen und politischenLage der Stadt zeugen nicht nur vom Lokalpatriotismus des Schreibers,sondern bergen eine theologische Intention. So bieten die Zwischensta-tionen und Reisebedingungen nicht nur historisch zutreffende Angaben,sondern dienen zudem einem theologischen Konzept: die Makedonien-

    Jean-Pierre Sterck-Degueldre, a.a.O., S. .

  • Der Weg des Paulus bis Ephesos (Kapitel )

    mission entspricht dem Willen Gottes! Es ist das groe Verdienst derDissertation von Sterck-Degueldre, da er dies herausgearbeitet hat.

    Der den Abschnitt abschlieende Vers v. berichtet von der Taufe derLydia und ihres ganzen Hauses. Dieser Vers ist im vergangenen Jahr-hundert im Zusammenhang der Diskussion um die Kinder- bzw. genau-er: Suglings-Taufe viel herangezogen worden, ohne da man ihm dazudoch viel Substantielles entnehmen knnte. Denn ber die Frage, obKinder oder gar Suglinge zum Haus der Lydia gehrten, schweigt sichder Vers ja gerade aus!

    () Die wahrsagende Sklavin (,)

    Damit kommen wir zum zweiten Abschnitt unserer Geschichte berPhilippi, einem Abschnitt, der zu dem Bisherigen in deutlichemGegensatz steht. Seit meiner Behandlung in Philippi I die er-schien hat Friedrich Avemarie eine grundlegende Studie zu dieserPassage verffentlicht, die ich Ihrer Aufmerksamkeit nachdrcklich emp-fehle.

    Es geschah aber, als wir auf dem Weg zur Proseuche waren, daeine Sklavin, die einen Python-Geist hatte, uns begegnete, welcheihren Eigentmern viel Einkommen verschaffte, indem sie Orakelgab. Diese verfolgte den Paulus und uns und schrie: DieseMenschen sind Diener des hchsten Gottes, welche euch einen Wegdes Heils verkndigen. Dieses tat sie viele Tage lang. Paulusaber war aufgebracht und drehte sich um und sagte zu dem Geist:Ich befehle dir im Namen Jesu Christi, aus ihr auszufahren. Undin diesem Augenblick fuhr er aus ihr aus.

    Vgl. den Paragraphen Die Diener des , Philippi I . Friedrich Avemarie: Warum treibt Paulus einen Dmon aus, der die Wahrheit sagt?

    Geschichte und Bedeutung des Exorzismus zu Philippi (Act ,), in: Die Dmo-nen/Demons. Die Dmonologie der israelitisch-jdischen und frhchristliche Literaturim Kontext ihrer Umwelt/The Demonology of Israelite-Jewish and Early Christian Li-terature in Context of their Environment, hg.v. Armin Lange, Hermann Lichtenbergerund K.F. Diethard Rmheld, Tbingen , S. .

    Es war mir im Januar aus Zeitgrnden leider nicht mglich, die Ergebnisseder interessanten Debatten zu diesem Abschnitt, die in unserer Lektre am . Febru-ar sowie am darauffolgenden . Februar gefhrt wurden, hier einzuarbei-ten. Dies mu der nchsten Auflage dieser Vorlesung vorbehalten bleiben. Interessen-ten seien auf die Protokolle dieser beiden Sitzungen hingewiesen, die im Netz unterwww.die-apostelgeschichte.de zugnglich sind.

  • Philippi (,)

    Wenn irgendwo von den religisen Gegebenheiten in der alten Weltdie Rede ist, sollte ein Hinweis auf diese Geschichte nicht feh-len; sie zeigt, da die Dinge viel unterschiedlicher waren und vor allemviel farbiger und interessanter, als wir unsern Handbchern in der Regelentnehmen knnen. Wer htte beispielsweise von einem so lukrativenPython-Geist jemals gehrt?

    Der in der vielfach genannten Stelle bei Strabon irrlichterierende Py-thon ein schwacher Abglanz eines groen Mythos ist jedenfalls nichtvon der Art, wie das hier zu verhandelnde Phnomen es nahelegt: Dennhier geht es nicht wie bei Strabon um eine akademische Debatte,sondern um handfeste konomische Interessen (die Geschichte knn-

    Fr Python verweist man meist auf Strabon IX ,: [sc. ] , , , , . ; , , ; .

    . . . die Parnassier, die ihm [dem Apollon] begegneten, htten [so schreibt der vonStrabon zitierte und kritisierte Ephoros] ihn auf noch einen anderen bsartigen Mannaufmerksam gemacht, Python genannt, mit dem Beinamen der Drache, und als er ihnerschoss, htten sie ihm zugerufen hi, Paian: daher sei der Paianruf in dieser Formtraditionell geworden fr die die im Begriff stehen zur Schlacht aufeinanderzuprallen;auch sei damals eine Htte Pythons von den Delphern in Brand gesteckt worden, wiesie das auch jetzt noch tun als Erinnerung an das damals Geschehene. Aber was knn-te fabelhafter sein als ein Apollon der schiet, der Tityosse und Pythone zchtigt, dervon Athen nach Delphi wandert und ber die ganze Erde zieht? Und wenn er [sc. dergenannte Ephoros] das nicht als Fabeln betrachtete, warum hatte er es dann ntig dieThemis der Fabel als eine Frau und den Drachen der Fabel als einen Menschen zubezeichnen es sei denn, er wollte die Bereiche der Geschichte und der Fabel miteinan-der verquicken? (Stefan Radt: Strabons Geographika, Band : Buch IXXIII: Text undbersetzung, Gttingen , S. ..)

  • Der Weg des Paulus bis Ephesos (Kapitel )

    te insofern geradezu aus unsern Tagen stammen . . . ). In der Erzhlungder Apostelgeschichte nmlich werden nicht, wie Strabon an Ephoroskritisiert, die Bereiche der Geschichte und der Fabel miteinander ver-quickt, hier geht es um finanzielle Ertrge, die schnell und bequem ver-diente Drachme sozusagen. Wie das florierende Orakel funktioniert, in-teressiert nicht nur unsern Verfasser nicht, sondern die Eigentmer auchnicht. Was die interessiert, ist der Ertrag und der versiegt von einemAugenblick auf den andern. An dieser Stelle greifen die Herren der Skla-vin ein. Das Wort (ky. rios) wird hier in einem ganz andern Sinnverwendet, als wir es sonst aus der Apostelgeschichte gewohnt sind!

    () Anklage und Verhaftung (,)

    Da die Herren Kapitalisten ihre Einnahmequelle von einem Tag aufden andern verlieren, gefllt ihnen nicht; das kann man verstehen.Daher halten sie sich an Paulus und seinen Mitarbeitern schadlos, wiewir im dritten Abschnitt erfahren.

    Als ihre Herren aber sahen, da es aus war mit ihren Gewinn-erwartungen, ergriffen sie den Paulus und den Silas und schlepptensie zur Agora zu den Behrden und fhrten sie den duumvirivor und sagten: Diese Menschen wiegeln unsere Stadt auf es sindJuden und propagieren eine Lebensweise, die fr uns nichtakzeptabel ist wir sind Rmer! Und die Menge erhob sichgegen sie, und die duumviri zerrissen ihre Kleider und befahlen, siezu geieln. Sie lieen sie krftig verprgeln und steckten sie insGefngnis; dem Gefngniswrter gaben sie den Auftrag, sie sorgfl-tig zu bewachen. Als er diesen Auftrag erhalten hatte, steckteer sie in den inneren Gefngnistrakt und machte ihre Fe an demHolz fest.

    Die Anklage, die gegen Paulus und seine Begleiter erhoben wird, istin der Apostelgeschichte ein Novum; sie bildet einen Sonderfall,der aus dem Rahmen vergleichbarer Szenen in der Apostelgeschichte(Apg ,f.; ,; ,f.; ,; ,; ,) herausfllt.

    Philippi I . Zum historischen und literarischen Hintergrund vgl. Philippi I : Die Anklage.

  • Philippi (,)

    Abbildung : Das Forum von Philippi im Frhjahr

    Die Besonderheiten beginnen schon im einleitenden Vers : v. Hier han-delt es sich nicht um eine Lynchjustiz oder sonst ein summarisches Ver-fahren; die Anklger schleppen die Anzuklagenden vor die zustndigenBehrden, die zunchst ganz allgemein (a. rchontes) genannt wer-den. Auf dem Forum soll ihnen der Proze gemacht werden. Die Stellekann man auch auf dem heute ausgegrabenen Forum aus dem zweitenJahrhundert noch in Augenschein nehmen, wie wir auf den Dias vorhingesehen haben: Es handelt sich um den westlichen Bereich des Platzes,wo die Amtsgebude der Behrden zu finden sind. Das Orakellokal lagnach meiner Rekonstruktion im Sdwesten des Forums; wenn Sie ein-mal nach Philippi kommen, knnen Sie den Weg also abschreiten.

    Zustndig v. sind fr dergleichen in einer rmischen Kolonie die duum-viri iure dicundo, und diese treten auch sogleich v. in Aktion auchdies ein Novum, denn von derlei Beamten haben wir noch in keinerKolonie bisher etwas gehrt!

    Zu den Beamten in Philippi vgl. Philippi I ; neben den hier erwhnten den duumviri begegnen im folgenden noch ihre Liktoren, griechisch, und der Gefngniswrter, griechisch .

    Da die einschlgigen Beamten in jeder rmischen Kolonie vorhanden sind, erscheintes umso verwunderlicher, da der Verfasser der Apostelgeschichte sie in den anatoli-schen Kolonien Antiochien, Ikonium und Lytra trotz der dortigen Konflikte gar nichterwhnt!

  • Der Weg des Paulus bis Ephesos (Kapitel )

    Ganz individuellv. ba ist schlielich auch ihre Anklage v. ba gestal-tet. Eine vergleichbare Konstellation findet sich in der Apostelgeschichtesonst an keiner Stelle. In dieser Anklage geht es um die rmische Iden-titt der Colonia Iulia Augusta Philippensis, und diese rmische Identi-tt beruht worauf sonst? auf dem mos maiorum. Es ist sehr passendund entspricht rmischem Denken, wenn die Vulgata das pluralische (e. the) in v. mit dem Singular morem wiedergibt: Dieser hier neuerdingsverkndigte mos entspricht nicht dem rmischen mos maiorum! Wirhaben gesehen, da Philippi eine rmischere Stadt ist als das pisidischeAntiochien: Die Anklage trgt dem voll Rechnung!

    In v. v. ist der bersetzer mit mehreren Schwierigkeiten konfrontiert.Das griechische (e. the) im Plural gibt die Vulgata, wie wir gesehenhaben, mit dem Singular mos wieder. Mir scheint das deutsche Lebens-weise dem Gemeinten am nchsten zu kommen. Das (katange. llousin) bersetze ich mit propagieren, denn um Propagandader belsten Sorte handelt es sich hier aus rmischer Sicht ohne Zweifel.Schlielich (parade. chesthai oude. poiei.n), an-nehmen und tun das lt sich im Deutschen auf Lebensweise nichtohne weiteres beziehen. Ich bin der Meinung, das akzeptieren trifftbeides einigermaen.

    Zwei Lebensweisen werden hier einander gegenbergestellt, die jdi-sche und die rmische. Dabei kommt die jdische hier nicht als spezi-fisch jdische in den Blick, geht es doch lediglich darum, die Propagan-da der Missionare als neu zu disqualifizieren. Ich habe an anderer Stelleversucht, die rmische Einstellung dem Neuen gegenber zu skizzieren,und kann mich hier auf die dort gegebenen Nachweise berufen. Die Sen-tenz des Cicero ne quid novi fiat contra exempla atque instituta maiorum

    meint ja nicht nur die [e. the] im allgemeinen, sondern insbesondereauch die religisen [e. the]. Und deos aut novos aut alienigenas einzu-fhren, ist, jedenfalls in der Theorie und dort, wo man sein Rmerseinso hervorhebt, wie die Anklger in unserer Szene es tun, kein diskussions-wrdiges Ansinnen. Dabei spielt es berhaupt keine Rolle, welche neuen

    Philippi I . Peter Pilhofer: Presbyteron Kreitton. Der Altersbeweis der jdischen und christli-

    chen Apologeten und seine Vorgeschichte, WUNT /, Tbingen , S. : Nequid novi fiat.

    Cicero: De imperio Cn. Pompei . Die Formulierung stammt von Cicero: De legibus II ; zur Sache vgl. meine

    zitierte Arbeit, S. ff.

  • Philippi (,)

    Gottheiten da propagiert werden sollen. Ganz gleich, ob es der jdischeGott oder der thrakische [theo. s hy. psistos] ist, in jedem Fallgreift doch das [ouk e. xestin]: Die rmische Religion geht aufdie Gtter selbst zurck und wurde von den maiores berliefert. Darumdarf hier nichts gendert werden.

    Nun geht es aber bei dieser Anklage nicht nur um neue Gtter, son-dern es geht das hat van Unnik betont hier insbesondere um neue [e. the]. Es geht der Anklage zufolge also nicht nur oder in erster Linieum eine theologische Frage, sondern es steht die Lebensweise als ganzeauf dem Spiel. Die von Paulus und Silas propagierte Lebensweise ist frRmer nicht nur neu oder fremd, sondern sie darf von ihnen auch nichtbernommen werden: Es wird ausdrcklich gesagt, da es sich hier um handelt, (!) (v. ).

    Die duumviri fllen v. v. zwar kein Urteil das wird spter noch eineRolle spielen , doch sie lassen es an Aktivitten nun ganz und gar nichtfehlen. Der Befehl der Geielung ist fr den letzten Abschnitt ebenfallsvon Bedeutung. Aktiv wird sogleich auch der Gefngniswrter v. , v. derzwar recht harmlos daherkommt jeder kann sich darunter etwas vor-stellen! aber doch auch ein Unikat darstellt: Ein Blick in eine Konkor-danz lehrt, da ein (desmophy. lax) auerhalb von Apg imgesamten Neuen Testament nirgendwo vorkommt. Das ist ein signifikan-ter Befund, wenn man bedenkt, da es gerade in der Apostelgeschichteja an Gefngnisszenen keinen Mangel gibt. In keinem dieser vielen Ge-fngnisse von Jerusalem bis Rom wird des leitenden Beamten gedacht,auer hier in Philippi.

    Das ist natrlich kein Zufall. Unser (desmophy. lax) istschlielich der zweite, wenn auch nicht namentlich bekannte Christ inPhilippi. Das sichert ihm das Gedenken bis auf den heutigen Tag. Das si-cherte der Erzhlung auch ihre Popularitt bis in die Tage des Verfassers

    Das Zitat stammt aus meiner oben zitierten Arbeit, S. . W.C. van Unnik: Die Anklage gegen die Apostel in Philippi (Apostelgeschichte xvi

    f), in: Mullus (FS Theodor Klauser), JAC.E , Mnster , S. (Nachdr. in:ders.: Sparsa Collecta. The Collected Essays of W.C. van Unnik, Part One, NT.S XXIX,Leiden , S. ).

    Philippi I .

  • Der Weg des Paulus bis Ephesos (Kapitel )

    der Apostelgeschichte. Er wute nicht nur genau, wo die Proseuchewar das sagt er selbst in , , sondern er kannte auch die Werk-statt der Lydia und selbstverstndlich die Familie des Gefngnisdirektorspersnlich falls nicht der eine oder die andere dieser Protagonisten zuseiner Zeit noch selbst am Leben war. Das ist eine Ausgangsposition frdie Traditionen von Apg , die besser ist als fr so ziemlich alles andere,was uns in diesem Buch sonst begegnet.

    In v. v. haben wir dann den bergang zu der vierten Szene, die ganzim Gefngnis spielt.

    () Das Befreiungswunder (,)

    Das Befreiungswunder knnen wir angesichts der fortgeschrittenenZeit nicht im einzelnen auslegen, so schade das ist, denn im Ver-gleich zu dem aus Kapitel wo Petrus an der Hand des Engels diesieben Stufen aus dem Gefngnis hinausschreitet, trotz der zahlreichenTren und Wachen wren hier einige Besonderheiten zu besprechen.Als Ersatz mag eine kurze Zusammenfassung aus der Feder von JuliusWellhausen dienen: Fabelhaft glorifizierend ist vor allem die Befreiungder beiden Missionare aus dem Kerker, in den sie nach vorhergehenderGeielung von den Prtoren (Duumvirn) geworfen sind. Sie stimmendort mitternachts einen Hymnus an, den die brigen Gefangenen hren.Da fallen ihnen allen die Fesseln ab, und mit einem Schlag springen smt-liche Tren auf. Der Wrter erwacht er ist der einzige Schlfer undwill sich umbringen in der Meinung, die Gefangenen seien ausgebrochen.Von Paulus beruhigt, kommt er mit Licht angesprungen, kmmert sichindes nicht um die anderen Gefangenen (nur nach einem bezeichnen-den Zusatz in D legt er sie zunchst wieder an die Kette), sondern flltden Aposteln, auf die er ohne weiteres das Wunder zurckfhrt, zu F-en und fragt die Herren, was er tun msse, um selig zu werden. . . . EinErdbeben, welches die Fesseln lst und die Tren sprengt, ohne Schadenanzurichten, ist keine natrliche Erscheinung. Auch hier begegnet das (ky. rios) im Plural, auch hier in fr den Leser der Apostelgeschich-te ganz und gar ungewohnter Verwendungsweise (vgl. oben zu v. ).

    Zum Gefngniswrter vgl. die Philippi I in Anm. zusammengestellten In-formationen. Es drfte sich wohl um den einzigen Gefngniswrter handeln, der imAnchor Bible Dictionary eines Artikels gewrdigt wurde . . .

    Julius Wellhausen, a.a.O., S. .

  • Philippi (,)

    () Der abschlieende Triumph (,)

    Wir kommen abschlieend auf die fnfte und letzte Szene unsererErzhlung zu sprechen, den triumphalen Abschied. Diese be-handeln wir wegen der textkritischen Probleme wieder etwas ausfhrli-cher.

    Als es Tag geworden war, schickten die duumviri die Liktorenmit der Botschaft: La diese Menschen frei! Da meldete derGefngniswrter diese Worte dem Paulus: Die duumviri haben (dieBotschaft) geschickt, da ihr frei seid. Nun geht hinaus und geht inFrieden! Paulus aber sagte zu ihnen (den Liktoren): Sie habenuns geieln lassen, ffentlich und als solche, die nicht verurteilt sind,uns die wir rmische Brger sind! ins Gefngnis geworfen; undjetzt wollen sie uns heimlich loswerden? O nein! Sondern sie mgenkommen und uns persnlich hinausgeleiten. Da meldeten nundie Liktoren den duumviri diese Worte. Die aber frchteten sich, alssie hrten, da sie rmische Brger seien, und sie kamen undbaten sie und geleiteten sie hinaus und baten sie, die Stadt zu verlas-sen. Sie aber gingen aus dem Gefngnis hinaus und begabensich zu Lydia, sahen die Brder und sprachen ihnen (Mut) zu undverlieen (die Stadt).

    Die wunderbaren Ereignisse in der Nacht blieben offenbar auf dasGefngnis beschrnkt, denn die brige Stadt ist nicht in Mitleiden-schaft gezogen was man bei einem solchen Erdbeben wohl erwartenmte , und die duumviri sind wegen ihrer Gefangenen ohne Sorge.

    Sie wollen v. v. der Affaire ein Ende machen und die Gefangenen entlas-sen. Das wre ein glimpfliches Ende einer schmerzhaften Angelegenheitgewesen. Doch damit begngt sich der Verfasser der Apostelgeschichtemitnichten. Er setzt erst einmal in aller Umstndlichkeit die Liktoren inMarsch, um den Gefngnisdirektor ber den Beschlu der duumviri zuinformieren.

    Dieser begibt sich v. v. seinerseits zu Paulus, um ihm persnlich dievermeintlich gute Kunde zu bringen. Auch er rechnet offenbar nicht miteiner Reaktion, wie sie v. v. schildert. Ein mit der Angelegenheit befa-ter Jurist htte die Rechtsverste der Herren Brgermeister nicht minu-

    Zu dieser Szene vgl. Philippi I f. Zur abweichenden westlichen berlieferung siehe gleich.

  • Der Weg des Paulus bis Ephesos (Kapitel )

    tiser auflisten knnen! Eine kleine Ungenauigkeit allerdings unterluftdem Verfasser der Apostelgeschichte: Obgleich es der Gefngniswrterwar, der dem Paulus die frohe Kunde brachte, antwortet dieser (pro. s autou. s) im Plural. Ich habe mich in der bersetzung miteiner Klammer beholfen: Paulus aber sagte zu ihnen (den Liktoren).

    Der Schreck der Brgermeister v. v. geht nun endgltig ber denRahmen dessen hinaus, was sich in einer rmischen Kolonie abzuspie-len pflegt. Auch wenn ihr Verfahren nicht ber jeden Zweifel erhabenwar, ihre Reaktion ist nicht vorstellbar. Wellhausen setzt beides zueinan-der so in Relation: sie stellen kein Verhr an, sondern betrachten dieAngeklagten ohne weiteres als schuldig und behandeln sie demgem.Das wre eine Ausschreitung, indes sie knnte begangen sein. Unglaub-lich aber ist, wie sie sich hernach vor Paulus demtigen. Wenn sie sichberhaupt darauf einlieen, zu ihm zu kommen, so muten sie doch fra-gen: Warum hast du uns nicht gleich gesagt, da du rmischer Brgerbist? Die nachtrgliche Berufung auf das rmische Brgerrecht, wobeizugleich auch Silas eingeschlossen wird, ist hchst befremdlich. Auch ge-ben die Prtoren [W. meint die duumviri] den Mishandelten [sic] keineSatisfaktion, sondern erreichen ohne das ihren Zweck, indem sie sie hin-aus komplimentieren.

    Die Kerkerszene kann nicht als unhistorisch abgetan werden. Bes-ser ist es, sich auf die Ausscheidung des etwa historisch Haltbaren zubeschrnken; denn da Tatschliches zu grunde liegt, lt sich nach. Thess. , nicht bezweifeln. Von den Juden werden Paulus und Si-las nicht angefochten, sondern als Juden von den Heiden; sie gelten frwandernde jdische Exorzisten, die zugleich fr ihre Religion werben.Die stdtischen Beamten sehen sie als solche Vagabunden an und weisensie aus, vielleicht ohne Urteil und Recht. Das ist glaubhaft, weil es demgewhnlichen Schema nicht entspricht.

    Ich wiederhole hier meine Stze aus Philippi I: Da die duumviridie gefangenen Missionare am folgenden Tag freilassen mit der Auflage,mglichst schnell aus der Colonia Iulia Augusta Philippensis zu verschwin-den, ist gut vorstellbar und stimmt mit der eigenen Angabe des Paulusin Thess , besser berein als die lukanische Darstellung, wonach dieduumviri persnlich (!) im Gefngnis erscheinen, um die Missionare hin-auszufhren mit der Bitte (!), die Stadt zu verlassen einen solch trium-

    Julius Wellhausen, a.a.O., S. . Julius Wellhausen, a.a.O., S. .