Physikalisches Praktikum fur Molekulare¨ Biotechnologen ... · Optik - Reflexions- und...

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Physikalisches Praktikum f ¨ ur Molekulare Biotechnologen - Block 1 Ausgabe 16. Dezember 2016 Inhalt Vorbemerkung 2 Vorbereitung 2 Durchf ¨ uhrung der Versuche 3 Messgenauigkeit und Fehlerabsch ¨ atzung 4 11 Einf ¨ uhrungsversuch 11 41 Temperaturmessung 19 42 Spezifische W ¨ armekapazit ¨ at fester K ¨ orper 27 22 Bestimmung der Elementarladung nach Millikan 33 250Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivit ¨ at 37 251 Statistik und radioaktiver Zerfall 41 254 R ¨ ontgenstrahlung 51

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Physikalisches Praktikum fur MolekulareBiotechnologen - Block 1

Ausgabe 16. Dezember 2016

Inhalt

Vorbemerkung 2

Vorbereitung 2

Durchfuhrung der Versuche 3

Messgenauigkeit und Fehlerabschatzung 4

11 Einfuhrungsversuch 11

41 Temperaturmessung 19

42 Spezifische Warmekapazitat fester Korper 27

22 Bestimmung der Elementarladung nach Millikan 33

250Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivitat 37

251Statistik und radioaktiver Zerfall 41

254Rontgenstrahlung 51

Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Praktikumsvorbereitung

I Vorbemerkung

Dieses Praktikum verfolgt hauptsachlich drei Ziele:

1. Sie lernen den Umgang mit physikalischen Messgeraten und Messappara-turen.

2. Kenntnisse, die Sie bereits erworben haben (oder noch erwerben werden)sollen durch die Uberprufung im Experiment gesichert werden.

3. Das Fuhren eines Protokolls.

Zu diesem Zweck enthalt das Praktikum Versuche mit uberschaubarer Theo-rie und einfachen Messapparaturen, deren Funktionsweise leicht einzusehen ist.Naturlich ist damit nicht die Messgenauigkeit aufwendiger Apparaturen, wiesie in der Forschung verwendet werden, erreichbar. Das Ziel des Praktikumssind weniger prazise Ergebnisse, sondern Sie sollen lernen, die Einflusse, die dieMessgenauigkeit begrenzen, zu erkennen und einzuschatzen. Aus diesem Grundsollen bei der Auswertung die Ergebnisse stets mit einer Fehlerabschatzung an-gegeben werden.Lesen Sie bei der Versuchsvorbereitung die Versuchsanleitung genau durch unduberlegen Sie, was bei der Versuchsdurchfuhrung und Auswertung gemacht wer-den soll, welche Messwerte Sie brauchen, usw. Nur so konnen Sie zugig messenund vermeiden unnotige Mehrarbeit durch Fehler beim Auswerten.Gestalten Sie die Auswertung ubersichtlich und kennzeichnen Sie alle Anga-ben so, dass man sofort erkennen kann, worum es sich handelt (z.B.:

”aus der

Zeichnung abgelesen:“,”Literaturwert:“,

”Mittelwert der Messreihe:“). End-

ergebnisse werden stets zusammen mit ihrem Fehler angegeben und besonderskenntlich gemacht, z.B. durch doppeltes Unterstreichen. Es ist unsinnig, denFehler mit mehr als zwei Stellen anzugeben; das Ergebnis soll bis auf maximalzwei ungenaue Stellen angegeben werden (s.u.).Bei graphischen Darstellungen von Messwerten ist folgendes zu beachten:

• Die graphische Darstellung erfolgt grundsatzlich auf Millimeterpapier bzw.Logarithmenpapier.

• Richtige Große wahlen. Nutzen Sie wenn moglich den vollen Bereich desmm-Papiers bzw. Logarithmenpapier.

• Bei jeder Achse Messgroße und Maßeinheit angeben (Bsp.: T in C, T [C],T/C).

• Um sich das Eintragen der Messpunkte zu erleichtern, empfiehlt es sich einesinnvolle Achseneinteilung zu wahlen (z.B. 1 C=0,5 cm oder 1 cm oder 2cm zu wahlen und nicht 1 C=0,4 cm oder 2,5 cm)

• Verbinden Sie beim Zeichnen von Kurven nicht einfach die Punkte mit-einander (

”Malen nach Zahlen“), sondern versuchen Sie die Streuung der

Messwerte auszugleichen.

• Befinden sich mehrere Kurven in einem Diagramm, so sind die einzelnenKurven und Messwerte zu kennzeichnen (Legende hinzufugen).

• Jede Zeichnung, Tabelle und Diagramm muss mit einer Text-Uberschriftversehen werden.

II Vorbereitung

Um das Praktikum effizient durchzufuhren, ist eine grundliche Vorbereitungnotwendig. Es ist nicht in Ihrem Interesse die Versuche

”starr“ nach Anleitung

abzuarbeiten, ohne zu verstehen was Sie uberhaupt praktizieren. Die erfolgreicheTeilnahme am Praktikum setzt voraus, dass Sie ein entsprechendes Kenntnisni-veau der mit den Versuchen verknupften Physik besitzen. Ob diese Kenntnisseaus Ihrem Fundus oder aus Ihrer Vorbereitung stammen, ist naturlich belanglos.Informieren Sie sich vor Beginn der Versuchsdurchfuhrung, uber die Stichpunk-te, die bei den jeweiligen Versuchen unter dem Kapitel

”Vorbereitung“ aufgelis-

tet sind. Dabei reicht das alleinige Studium der Praktikumsanleitung keinesfallsaus. Die Praktikumsanleitung ist kein Lehrbuch! Zu jedem Versuch sinddaher zusatzlich Literaturempfehlungen angegeben. Bei den meisten Versuchenist es vollkommen ausreichend, wenn Sie sich mit Hilfe der Standardwerke (Wal-cher, Gerthsen, Bergmann-Schafer, etc.) auf die Versuche vorbereiten.

Um Ihnen die Vorbereitung zu erleichtern, sind neben den Stichpunktenzusatzlich noch Fragen in der Praktikumsanleitung aufgelistet.Eine Versuchsdurchfuhrung ohne ausreichende Vorbereitung ist klarerweise oh-ne Lerneffekt und nicht sinnvoll. Die Praktikantin oder der Praktikant muss indiesem Fall damit rechnen, nach Hause geschickt zu werden und den Versuchzu einem spateren Zeitpunkt zu wiederholen.Die folgenden Punkte fassen das Basiswissen zusammen, uber das Sie bei denVersuchen verfugen sollten:

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Praktikumsvorbereitung

1. Mathematische Voraussetzungen - elementare Funktionen: Polynome, trigo-nometrische Funktionen, Logarithmus- und Exponential-Funktion - elemen-tares Differenzieren und Integrieren - gewohnliche Differentialgleichungen:Schwingungsgleichung/Kraftgesetz, Gleichung des naturlichen Wachstums.

2. Statistik und Fehler - Mittelwert, Standardabweichung, statistische undsystematische Fehler, Fehler des Mittelwertes, Fehlerfortpflanzung, Gauß-verteilung.

3. Die 7 Basiseinheiten des SI-Systems : m, kg, s, A, K, mol, Cd.

4. Mechanik - Newtonschen Gesetze; Krafteparallelogramm - Erhaltungssatzefur Translation und Rotation (Energie, Impuls, Drehimpuls) - Drehmo-ment, Tragheitsmoment u. Steinerscher Satz - Hooksches Gesetz, ElastischeKonstanten - Resonanzkurve - Fur Studierende mit Hauptfach Physik: Dif-ferentialgleichung des gedampften harmonischen Oszillators und typischeLosungen - Schallgeschwindigkeit, longitudinale und transversale Schwin-gungen.

5. Elektrizitatslehre - Elementarladung und Ladungserhaltung; Faraday-Konstante, Avogadrokonstante, Stoffmenge - Ohmsches Gesetz, Kirchhoff-sche Regeln, spezifischer Widerstand - Messbereichserweiterung von Mess-instrumenten - Kondensator, Kapazitat. Fur Studierende mit HauptfachPhysik: Herleitung Kondensatorentladung, Bewegung einer Ladung im elek-trischen Feld.

6. Optik - Reflexions- und Brechungsgesetz - Abbildung mit Linsen (geometri-sche Bildkonstruktion, Linsengleichung, Abbildungsmaßstab) - kontinuier-liche und Linienspektren (qualitatives Verstandnis) - Auflosungsvermogenoptischer Instrumente.

7. Warmelehre - Warme, Zustandsgroßen (Temperatur, innere Energie,...),Zustandsgleichung des idealen Gases - 1. und 2. Hauptsatz, Warmebilanz,spezifische Warme, Phasendiagramm, Dampfdruck - Fur Studierende mitHauptfach Physik: Van-der-Waals-Gleichung realer Gase, Verlauf der Iso-thermen im p(V )-Diagramm, Gesetz von Dulong-Petit, Freiheitsgrade undGleichverteilungssatz, Clausius-Clapeyron Gleichung.

Die Kenntnis dieses Basiswissens erspart naturlich nicht das sorgfaltige Durch-arbeiten der Anleitung und die Vorbereitung der anderen Kapitel im Skript.

Insbesondere sollten Sie sich bei der Vorbereitung auch schon uber die Versuchs-durchfuhrung, die Messmethoden und uber die Auswertung Gedanken machen.Machen Sie sich bewusst, was und wie Sie messen werden und schatzen Sie ab,welchen Einfluss die Fehler der Einzelmessungen auf den Gesamtfehler haben(Bsp.: eine quadratische Große geht mit doppeltem Gewicht ein, als eine lineare).

III Durchfuhrung der Versuche

Sehen Sie sich die Apparatur grundlich an und machen Sie sich mit der Funk-tion aller Einzelteile vertraut. Spielen Sie die Messprozedur nach Moglichkeitzunachst qualitativ durch. Wenn Sie eine elektrische Schaltung herzustellenhaben, kontrollieren Sie zunachst selbst sorgfaltig, ob Sie keine Schaltfehlergemacht haben. Vor Anlegen der Spannung muss die Schaltung vomAssistenten abgenommen werden. Das Protokoll wird auch wahrend derMessungen luckenlos gefuhrt, d.h. man soll keine großen Zwischenraume furspatere Eintragungen lassen. Lassen Sie sich Zeit zum Fuhren eines ordentlichenProtokolls.

Ein Protokoll ist eine dokumentarische Darstellung des gesamten Versuchsab-laufs: Versuchsaufbau, Versuchsdurchfuhrung, Erfassung und Auswertung vonMessdaten, Diskussion der Ergebnisse. Die Qualitat der bei einem Prakti-kumsversuch erzielten Ergebnisse hangt nicht nur vom Messverfahren und derGenauigkeit der Messgerate ab, sondern auch vom exakten experimentellenArbeiten und der korrekten Protokollfuhrung. Im Einzelnen soll das Protokollenthalten:

1. Uberschrift und Versuchsnummer.

2. Einleitung: Formulierung der theoretischen Grundlagen, sowie physikali-scher Begriffe und Gesetze, die zum Verstandnis des Versuchs erforderlichsind.

3. Das Protokoll muss so ausgelegt sein, dass Formeln, die fur den Versuchbenotigt werden, und zwar zunachst in der Form, in der man sie als allge-mein bekannt voraussetzen kann, dann die fur den Versuch notigen Umfor-mungen. Damit man den Einfluss der Fehler der gemessenen Großen auf dasVersuchsergebnis leichter ubersehen kann, ist es zweckmaßig, die Formelnauf die Form

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Versuchsergebnis = Funktion der direkt gemessenen Großenzu bringen. Alle Abkurzungen, die in den Formeln vorkommen, mussenerklart sein, evtl. mit Hilfe der Skizze der Apparatur. Diesen Teil des Pro-tokolls schreiben Sie am besten schon zu Hause bei der Vorbereitung.

4. Skizze und Beschreibung der Versuchsanordnung (schematisch, Schaltplanbei elektrischen Schaltungen).

5. Knappe aber vollstandige Angaben uber das Messverfahren, soweit diesnicht vollig selbstverstandlich ist. Das Protokoll muss selbsterklarend sein!

6. Prasentieren Sie Ihre Messergebnisse in Form von Tabellen und Diagram-men, die klar und ausreichend beschriftet sein mussen. Kommentieren Siediese mit einigen einleitenden Satzen.

7. Fuhren Sie nach Moglichkeit eine vorlaufige Auswertung unmittelbar nachder Messung durch.

8. Bei der Auswertung mussen alle Zwischenrechnungen im Protokollheft aus-gefuhrt werden. Vergleichen Sie, soweit vorhanden, Ihre Messergebnisse mitLiteraturwerten. Bei der Fehlerabschatzung berucksichtigen Sie nur die Fak-toren, die Sie quantitativ kennen, also im allgemeinen die zufalligen Fehlerund die mutmaßliche Genauigkeit der Eichung der Instrumente. Es genugtvollstandig, sich auf die Faktoren zu beschranken, die die Messge-nauigkeit hauptsachlich begrenzen. Wenn Sie glauben, dass bei demVersuch systematische Fehler auftreten, die Sie nicht quantitativ erfassenkonnen, machen Sie hieruber eine kurze Bemerkung. Achten Sie darauf,dass Sie alle zur Auswertung notigen Angaben aufgeschrieben haben (z.B.Barometerstand, Zimmertemperatur, etc.).

9. Zusammenfassung und kritische Diskussion. Fassen Sie am Schluss der Aus-wertung den gesamten Versuch mit einigen kurzen Satzen zusammen. Ge-hen Sie dabei auf die physikalische Fragestellung ein, das Messprinzip, dieMessergebnisse und Fehler. Setzen Sie sich kritisch mit dem Versuch aus-einander. Gibt es Moglichkeiten den Versuchsaufbau oder das Messprinzipzu verbessern? Gibt es Moglichkeiten die Fehler zu minimieren?

IV Messgenauigkeit und Fehlerabschatzung

Jede Messung kann nur mit einer begrenzten Genauigkeit durchgefuhrt werden.Zwei unabhangige Messungen werden daher unterschiedliche Ergebnisse liefern.Damit das Resultat einer Messung aussagekraftig ist, reicht es nicht aus nur denZahlenwert des Messergebnisses anzugeben, sondern es muss auch eine Aussageuber die Messgenauigkeit gemacht werden. Dies geschieht z.B durch die Angabeeines Intervalls [x−∆x, x+∆x] bzw.

x±∆x, (1)

innerhalb dessen der”wahre Wert“ mit einer bestimmten, anzugebenen Wahr-

scheinlichkeit liegt.

Beispiel:Die Bestimmung der Erdbeschleunigung mit einem Fadenpendel ergab folgendesResultat:

g = (9, 81± 0, 03) m/s2. (2)

Die erste Zahlenangabe entspricht der besten Schatzung des”wahren Wertes“.

Die zweite Zahl ist die Messgenauigkeit, die man haufig auch den”Fehler“ des

Messergebnisses nennt. Das Wort”Fehler“ darf nicht falsch interpretiert werden.

Diese Angabe gibt nicht etwa den Betrag an, um den das Messergebnis falschist, sondern stellt ein Unsicherheitsbereich dar, in dem der

”wahre Wert“ mit

einer bestimmten Wahrscheinlichkeit liegt. Wie groß diese Wahrscheinlichkeitist, werden wir an spaterer Stelle diskutieren. Das Resultat der Messung istdann wie folgt zu interpretieren:

Als beste Schatzung fur die Erdbeschleunigung wurde ein Wert von9, 81 m/s

2bestimmt. Der wahre Wert liegt mit einer bestimmten Wahr-

scheinlichkeit im Intervall 9,78 m/s2... 9,84 m/s

2.

Beachten Sie, dass es bei der Angabe des Messergebnisses und der Mess-unsicherheit keinen Sinn macht beliebig viele Nachkommastellen anzugeben(Taschenrechnerergebnis). Die Angabe

g = (9, 8114587± 0, 0298682) m/s2 (3)

ist sinnlos. Die Messgenauigkeit soll auf eine oder hochstens zwei signifikanteStellen gerundet werden und die letzte signifikante Stelle des Messergebnissessoll der selben Großenordnung entsprechen wie die Messgenauigkeit:

g = (9, 81± 0, 03) m/s2. (4)

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IV.1 Systematische und Statistische Fehler

Bei einer Messung konnen zwei Arten von Fehlern auftreten: Systematische Feh-ler und statistische (zufallige) Fehler. Systematische Fehler fuhren dazu, dassdas Messergebnis einseitig vom wahren Wert abweicht. Eine Wiederholung derMessung zeigt immer die gleiche Abweichung. Der Messwert ist entweder immergroßer oder immer kleiner als der

”wahre Wert“. Im Gegensatz dazu schwanken

bei zugrundeliegenden statistischen Fehlern, die Messwerte zufallig. Mal sind siegroßer, das andere mal kleiner als der

”wahre Wert“.

IV.1.1 Systematische Fehler

Systematische Fehler werden zunachst durch die begrenzte Genauigkeit der Ei-chung der Instrumente verursacht. Bei Maßstaben und Skaleneinteilungen istdie absolute Genauigkeit in der Regel etwas besser als die Ablesegenauigkeit.An vielen Analogmessinstrumenten ist zusatzlich noch eine Genauigkeitsklas-se angegeben. Diese gibt den relativen Fehler des Messbereichsendwertes an.Wird z.B. mit einem Voltmeter der Klasse 1,5 innerhalb eines Messbereichesvon 200 V eine Messung durchgefuhrt, so betragt der Fehler 1,5% von 200 V,d.h. 3 V. Bei digitalen Instrumenten wird der Fehler in der Regel durch zweiGroßen angegeben. Einen prozentualen Fehler, der sich entweder auf dem Mess-wert (Angabe v.M. = vom Messwert) oder auf den Messbereich (Angabe v.E.

= vom Endwert) bezieht, sowie eine Fehlerangabe in der Form: ±x Digits. Dieletztere Angabe bedeutet, dass der Messwert um ±x Einheiten der hinterstenStelle der Anzeige schwanken kann.

Beispiel: Mit einem digitalen Voltmeter mit der Genauigkeitsangabe

±1, 5% v.M.,±3 Digits

wird ein Spannung von 12,00 V gemessen. Der absolute Fehler berechnet sichaus 1,5% vomMesswert sowie drei Einheiten der letzten Stelle: 1,5% von 12,00 Vund 3 × 10 mV = 180 mV + 30 mV = 210 mV.

Desweiteren konnen systematische Fehler auch durch Umwelteinflusse wie Tem-peraturdriften, Einkopplung elektrischer Felder (z.B. Netzbrummen) etc. oderaber auch durch grundsatzliche Mangel des Messverfahrens verursacht werden.Z.B. muss bei der Messung an einer hochohmigen Spannungsquelle der Innen-widerstand des Voltmeters berucksichtigt werden (wichtig in Versuch 41 Tem-peraturmessung). Geschieht dies nicht, treten systematische Abweichungen auf.

Nr. x [V] Nr. x [V] Nr. x [V] Nr. x [V]

1 5,070 6 5,039 11 5,053 16 5,038

2 5,073 7 5,043 12 5,054 17 5,058

3 5,031 8 5,034 13 5,078 18 5,040

4 5,024 9 5,034 14 5,071 19 5,071

5 5,034 10 5,079 15 5,050 20 5,051

Tabelle 1: Ergebnisse einer 20-maligen Spannungsmessung.

Fur die Abschatzung von systematischen Fehlern lassen sich keine allgemeinenRegeln aufstellen. Es kommt im Einzelfall auf den Scharfsinn und die physi-kalischen Kenntnisse des Experimentators an. Allerdings konnen systematischeFehler auch noch nach einer Messung berucksichtigt werden. Sind die Ursachenbekannt, kann das Messergebnis entsprechend korrigiert werden.

IV.1.2 Statistische Fehler

Statistische Fehler entstehen durch zufallige Prozesse wahrend des Messprozes-ses. Ursachen hierfur sind z.B. das Rauschen eines Sensors oder thermodynami-sche Prozesse. Auch der Experimentator selbst kann eine statistische Fehlerquel-le darstellen, da dieser stets die Messwerte aufnehmen, ablesen und interpretie-ren muss. All dies kann statistischen Schwankungen unterliegen. Z.B. wird manbei einer mehrmaligen Zeitmesung mit einer Stoppuhr aufgrund schwankenderReaktionszeiten verschiedene Ergebnisse erhalten.

Statistische Fehler haben die Eigenschaft, dass die Messergebnisse zufallig umden

”wahren Wert“ schwanken. Falls es moglich ist eine Messung mehrmals zu

wiederholen, konnen solche Fehler mit Mitteln der Statistik aus der Streuungder Messwerte ermittelt werden.

Tabelle 1 zeigt ein Beispiel, bei dem eine elektrische Spannung x 20-mal gemes-sen wurde. Die Messwerte sind in Abbildung 1 eingetragen.

Gesucht ist ein Wert der die beste Schatzung des wahren Wertes darstellt. MitHilfe statistischer Uberlegungen lasst sich zeigen, dass dieser Bestwert dem arith-metischen Mittelwert entspricht:

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0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20

4,96

4,98

5,00

5,02

5,04

5,06

5,08

5,10

5,12

5,14EinzelmessungMittelwert

Messung

Spannung x

[V

]

Abbildung 1: Darstellung von 20 unabhangigen Messungen einer elektrischenSpannung x. Die waagrechte Linie entspricht dem Mittelwert.

x =1

N

N∑

i=1

xi. (5)

Dieser Wert ist in Abbildung 1 als waagrechte Linie eingezeichnet.

Neben der besten Schatzung des”wahren Werts“ (Mittelwert) mussen wir

zusatzlich noch eine Aussage uber die Genauigkeit der Messung machen. Da-zu wiederholen wir die Messung nicht nur 20-mal sondern viele Male mehr. InAbbildung 2 sind z.B. 3500 Einzelmessungen aufgetragen. Hier ist noch deut-licher zu erkennen, dass die Messwerte symmetrisch um einen mittleren Wertstreuen. Die meisten Messwerte liegen in der Nahe des Mittelwertes. Aber es

0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500

4,96

4,98

5,00

5,02

5,04

5,06

5,08

5,10

5,12

5,14

5,16

Messung

Spannung x

[V

]

Abbildung 2: Darstellung von 3500 Messungen.

gibt auch einzelne”Ausreißer“, die weiter weg vom Mittelwert liegen. Um dies

zu quantifizieren empfiehlt sich eine andere grafische Darstellung der Messwer-te in Form eines Histogramms. Dabei wird gezahlt, wieviele Einzelmessungeninnerhalb eines bestimmten Intervalls aufgetreten sind und die entsprechendeHaufigkeit in Form eines Saulendiagramms dargestellt. Solch ein Histogrammist in Abbildung 3 dargestellt. Fur sehr viele Messungen, streng genommen furunendlich viele, nahert sich das Histogramm einer bekannten Verteilung, die alsNormal- bzw. Gaußverteilung bezeichnet wird und durch

P (x) =1√2π σ

exp

(

− (µ− x)2

2σ2

)

(6)

dargestellt wird. Die Gaußverteilung beschreibt eine Wahrscheinlichkeitsdichte,

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4,98 5,00 5,02 5,04 5,06 5,08 5,10 5,12

0

50

100

150

200

250

300

350 MessungGaußverteilung

Häufig

keit

Spannung x [V]

s

m

Abbildung 3: Histogramm von 3500 Einzelmessungen. Die durchgezogeneLinie zeigt die dazugehorige Gaußverteilung mit den Parametern µ und σ.Die Gaußverteilung ist hier nicht auf Eins normiert, sondern auf die Flachedes Histogramms.

d.h.∫ b

a

P (x) dx (7)

gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass ein Wert xi gemessen wird, der im Intervalla ≤ xi ≤ b liegt. Durch den Vorfaktor 1/

√2π σ ist die Verteilung normiert, d.h.

∫ ∞

−∞

P (x) dx = 1. (8)

Dies ist sofort einsichtig, da mit 100%-iger Wahrscheinlichkeit irgendein Wert

gemessen wird.Eine Gaußverteilung besitzt zwei Parameter. Die Lage des Maximums der Ver-teilung wird durch die Große µ bestimmt und entspricht dem wahrscheinlichstenWert. Die Breite der Verteilung ist durch die Große σ (Abbildung 3) gegeben.Falls die Messwerte tatsachlich gaußverteilt sind - und das ist sehr haufig derFall - konnen wir annehmen, dass wir das Messergebnis einer großen Anzahl vonEinzelmessungen, ebenfalls durch die Parameter µ und σ beschreiben konnen.

Wie sich zeigen lasst, konvergiert der arithmetische Mittelwert x fur eine großeAnzahl von Einzelmessungen, gegen den wahrscheinlichsten Wert µ

limN→∞

x = limN→∞

1

N

N∑

i=1

xi = µ. (9)

Der Mittelwert stellt somit, wie wir bereits zuvor erwahnt haben, die besteSchatzung des

”wahren Werts“ dar.

Die Breite der Gaußverteilung wird durch σ bestimmt. Je großer σ, desto breiterist die Verteilung und umso großer ist die Streuung der Messwerte um den wahr-scheinlichsten Wert µ. Wir konnen daher σ als ein Maß fur die Messgenauigkeitinterpretieren.Fur eine große Anzahl von Einzelmessungen lasst sich zeigen, dass die Reihe(Wurzel aus der mittleren quadratischen Abweichung vom Mittelwert)

S′

E =

1

N

N∑

i=1

(x− xi)2, (10)

gegen σ konvergiert:

limN→∞

S′

E = σ. (11)

S′E wird als Standardbweichung einer Messreihe bezeichnet. Allerdings ist

hier Vorsicht geboten. S′E ist nur dann ein guter Schatzwert fur die Streuung der

Messwerte, wenn viele Einzelmessungen durchgefuhrt werden. Bei nur wenigenMessungen wird die Streuung um den Mittelwert uberschatzt. Eine genauereUberlegung zeigt, dass es besser ist als Maß fur die Streuung die Große

SE =

1

N − 1

N∑

i=1

(x− xi)2, (12)

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Intervall ±σ ±2σ ±3σ

Wahrscheinlichkeit 68,3% 95,5% 99,7%

Tabelle 2: Wahrscheinlichkeiten fur unterschiedliche Werte von σ.

zu verwenden. SE wird auch als der mittlere Fehler einer Einzelmessungbezeichnet.Wird eine Messung viele male wiederholt und als beste Schatzung des

”wahren

Wertes“ der Mittelwert x angegeben, so ist dieser naturlich genauer als derMesswert einer Einzelmessung und zwar um den Faktor 1/

√N :

SM =

1

N(N − 1)

N∑

i=1

(x− xi)2. (13)

SM wird auch als mittlerer Fehler des Mittelwerts oder einfach als Stan-dardfehler bezeichnet.Mit Hilfe von Gleichung (7) lasst sich berechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeitein Messwert xi im Bereich von±σ um den wahrscheinlichsten Wert µ schwankt:

∫ µ+σ

µ−σ

P (x) dx = 68, 3 %. (14)

Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einer Messung ein Wert im Bereich [µ−σ, µ+σ]auftritt betragt 68,3 %. Analog lassen sich auch die Wahrscheinlichkeiten fur den2σ bzw. 3σ-Bereich bestimmen.Fur das Endergebnis einer Messung gibt man in der Regel den 1σ-Fehler SE

bzw. SM an. Wird ein großerer Fehlerbereich angegeben (z.B. 3σ-Fehler) istdies gesondert zu vermerken.

Beispiel:

Fur die in Tabelle 1 angegebenen Messdaten errechnen sich die Ergebnisse wiefolgt:

Mittelwert: x =1

20

20∑

i=1

xi =5, 070 V + ...+ 5, 051 V

20= 5, 051 V. (15)

Fehler einer Einzelmessung: SE =

1

19

20∑

i=1

(x− xi)2 = 0, 0173 V. (16)

Fehler des Mittelwerts: SM =

1

20 · 19

20∑

i=1

(x − xi)2 = 0, 0039 V. (17)

Das Endergebnis wird in der Form

x± SM bzw. x±∆x (18)

angegeben. Anstatt SM schreibt man auch haufig fur den Fehler einfach ∆x. Inunserem Beispiel erhalten wir

x = (5, 051± 0, 004) V. (19)

IV.2 Fehlerfortpflanzung

Bei vielen Praktikumsversuchen reicht es nicht aus nur eine physikalisch Großezu messen und dessen Fehler abzuschatzen. In der Regel sollen aus dem Mess-ergebnis weitere Großen und dessen Genauigkeiten bestimmt werden.

Beispiel:

Es soll die Verlustleistung P eines ohmschen Widerstands R, an dem die Span-nung U anliegt, bestimmt werden. Dazu wird der Widerstand R und die Span-nung U gemessen und gemaß

P =U2

R(20)

die Verlustleistung berechnet. Da sowohl R als auch U nur mit einer bestimmtenGenauigkeit bestimmt wurden, besitzt auch die daraus abgeleitete Große P eineendliche Genauigkeit.Die Bestimmung dieser Genauigkeit geschieht mit Hilfe der Differentialrechnung.Wenn die direkt gemessenen Großen x und y um kleine Betrage dx und dygeandert werden, verandert sich der Wert einer Funktion f = f(x, y) um

df =∂f

∂xdx+

∂f

∂ydy (vollstandiges Differential) (21)

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Hier bedeutet ∂f/∂x die partielle Differentation der Funktion f nach x, d.h.die Ableitung von f nach x, wobei die Variable y als Konstante behandelt wird.

Wenn wir in dieser Gleichung die Differentiale dx und dy durch die Feh-ler ∆x und ∆y der direkt gemessenen Großen ersetzen wollen, mussenwir berucksichtigen, dass sich die Fehler im Mittel teilweise kompensierenwerden, wenn sie voneinander unabhangig sind. Daher berechnet man denmittleren Fehler ∆f durch

”quadratische Addition“ nach dem Gaußschen

Fehlerfortpflanzungsgesetz:

∆f =

(

∂f

∂x∆x

)2

+

(

∂f

∂y∆y

)2

(22)

Hier und im Folgenden wird unter ∆x bei zufalligen Fehlern, der mittlere Feh-ler SM nach Gleichung (13), bei systematischen Fehlern die oben diskutiertenUberlegungen verstanden.Fur das oben angefuhrte Beispiel (20) berechnet sich der Fehler wie folgt:

P = P (U,R) (23)

∆P =

(

∂P

∂U∆U

)2

+

(

∂P

∂R∆R

)2

(24)

=

(

2U

R∆U

)2

+

(

−U2

R2∆R

)2

(25)

Die funktionale Abhangigkeit der zu ermittelnden Große von den direkt gemes-senen hat haufig eine einfache Form. Es lohnt sich, die folgenden Formeln zumerken, die aus der allgemeinen Gleichung (22) folgen:

f = ax ∆f =a∆x (26)

f = x+ y ∆f =√

(∆x)2 + (∆y)2 (27)

f = xy, f = x/y∆f

f=

(

∆x

x

)2

+

(

∆y

y

)2

(28)

f = x±b ∆f

f=|b|∆x

x, b = const. (29)

Merken Sie sich:

1.”Der absolute Fehler einer Summe oder Differenz zweier Großen ist gleichder quadratischen Summe der absoluten Fehler der Summanden“.

2.”Der relative Fehler des Produkts oder des Quotienten zweier Großen istgleich der quadratischen Summe der einzelnen relativen Fehler“.

Fur eine Fehlerabschatzung kann man statt den Gleichungen (27) und (28) auchdie einfacheren Formeln ∆f = ∆x+∆y bzw. ∆f/f = ∆x/x+∆y/y verwenden.Bevor man mit der Messung beginnt, sollte man sich mit Hilfe der Gleichun-gen (26) bis (29) uberlegen, durch welche Fehler die Genauigkeit der Messunghauptsachlich begrenzt wird. Man kann dann versuchen, die empfindlich in dasResultat eingehenden Fehler klein zu halten.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 11 Einfuhrungsversuch

Versuch 11

Einfuhrungsversuch

Abbildung 1: Versuchsaufbau.

I Vorbemerkung

Ziel des Einfuhrungsveruches ist es Sie mit grundlegenden Techniken des Ex-perimentierens und der Auswertung der Messdaten vertraut zu machen. DieseGrundkenntnisse sind fur eine erfolgreiche Durchfuhrung des Praktikums not-wendig.Bei diesem Versuch werden Sie Messungen am Federpendel durchfuhren.Zunachst wird die Federkonstante gemessen. Das Ergebnis dieser Messungwird verwendet um in einer zweiten Messung die Erdbeschleunigung zubestimmen. Sie werden in diesem Versuchsteil den statistischen Fehler bei derBestimmung der Schwingungsdauer des Federpendels kennen lernen. Es sollauch gezeigt werden, dass zwei scheinbar identische Methoden zur Bestimmungder Schwingungsdauer unterschiedliche Messgenauigkeiten besitzen. Um ausden Messdaten die Federkonstante und die Erdbeschleunigung zu extrahierenist es notwendig die Ergebnisse graphisch darzustellen. Aus den Diagrammendie erstellt werden, kann man die zu bestimmenden Großen einschließlich desMessfehlers ablesen.

Ziel des Versuches:

Zunachst wird die Federkonstante eines Federpendels gemessen. Danach wirdunter Berucksichtigung dieses Ergebnisses die Erdbeschleunigung ermittelt.

Lernziele:

• Bestimmung des Messfehlers bei einer Zeitmessung.

• Vergleich von zwei unterschiedlichen Messmethoden.

• Graphische Darstellung von Messwerten.

• Ablesen von Messgroßen und -fehlern aus der graphischen Darstellung.

Messmethode:

Die Differentialgleichung fur ein Federpendel lautet:

mx = −Dx (1)

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11

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Wenn man das Federpendel zur Zeit t = 0 um x0 auslenkt und loslasst, so lautetdie Losung

x(t) = x0 cos(ωt) (2)

mit

ω =

D

m. (3)

Die Periodendauer T ist mit ω uber

ω =2π

T(4)

verknupft. Somit ergibt sich fur die Periodendauer:

T = 2π

m

D(5)

Misst man die Periodendauer T als Funktion der Masse m so kann man hierausdie Federkonstante D bestimmen. Wird das Federpendel mit einer Masse mbelastet, so gilt:

mg = Dx (6)

Da der Wert der Federkonstante D aus der vorhergehenden Messung bereitsbekannt ist, kann man hieraus den Wert der Erdbeschleunigung bestimmen.

Durchfuhrung des Versuchs:

Belasten Sie zunachst das Federpendel mit einer Masse von 200g. Messen Siedann je 10 mal 3 Pendelschwingungen um die Schwingungsdauer des Pendelszu bestimmen. Starten und stoppen sie dabei die Messungen beim Maximalaus-schlag des Pendels. In einer zweiten Messung von 10 mal 3 Pendelschwingungensoll die Schwingungsdauer bestimmt werden, indem die Messung beim Null-durchgang des Pendels gestartet und gestoppt wird. Bestimmen Sie fur beideMessreihen die mittlere Schwingungsdauer und den mittleren Fehler des Mit-telwertes1. Verwenden Sie fur die folgenden Messungen die genauere der beiden

1Fur eine Messreihe mit n Messungen x1, x2, ..., xn und dem Mittelwert x ist der mittlere

Fehler der Einzelmessung (auch Standardabweichung) durch σx =

∑ni=1(xi−x)2

n−1definiert.

Der mittlere Fehler des Mittelwertes ist durch σx = σx√n

=

√∑ni=1

(xi−x)2

n(n−1)gegeben.

Methoden. Messen Sie nun die Schwingungsdauer als Funktion der Masse. Be-schweren Sie hierzu das Federpendel mit Massen zwischen 50 g und 250 g inSchritten von 50 g. Fur jede Masse werden dreimal drei Pendelschwingungenausgemessen. Diese Messreihe wird dazu benutzt die Federkonstante des Pen-dels zu bestimmen.Fur die Messung der Erdbeschleunigung wird die Auslenkung des Federpendelsals Funktion der Masse bestimmt. Das Federpendel wird hierzu mit denMassen 0g, 50g, 100g, 150g, 200g und 250g beschwert und die Auslenkung wirdabgelesen. Notieren Sie die Ablesegenauigkeit fur die Auslenkung!

Hinweise zur Auswertung:

10,0 10,1 10,2 10,3 10,4 10,5 10,60

1

2

3

4

5

6

7

8

Mittelwert T

Binbreite:

0,05s

Anzahlder

Ein

träge

T[s]

sT

Abbildung 2: Histogramm einer Messreihe.

Tragen Sie zunachst die Ergebnisse der Vergleichsmessungen der Schwingungs-dauer in ein Histogramm ein. Wahlen Sie fur beide Histogramme den gleichenAbszissenbereich! Die Abbildung zeigt beispielhaft ein Histogramm fur eine

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Messreihe. Berechnen Sie fur beide Methoden den Mittelwert und den mittlerenFehler des Mittelwertes. Welche Methode ist genauer? Was ist der Grund?

Messung T [s] T [s] σT [s] σT [s]1 10,11

10,285 0,094 0,03

2 10,233 10,344 10,285 10,266 10,247 10,288 10,469 10,2710 10,38

Um die Federkonstante aus der Messung der Schwingungsdauer als Funktionder Masse zu bestimmen wird eine graphische Methode verwendet. Hierzu wirdGleichung (5) geschrieben als

T 2 =4π2

D·m (7)

Dies lasst sich als Geradengleichung

y = ax+ b (8)

interpretieren wenn manx = my = T 2

a = 4π2

Db = 0

(9)

setzt. Daher wird im Diagramm das Quadrat der gemessenen SchwingungsdauerT gegen die Masse m aufgetragen. Der Wert von T 2 und von m sind fehlerbe-haftet und es mussen Fehlerbalken in das Diagramm eingezeichnet werden. DerFehler wird nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz aus den mittleren Fehlern derMittelwerte der Schwingungsdauern bestimmt. Als nachstes wird die Steigungaus dem Diagramm bestimmt in dem eine Gerade so in das Diagramm gelegtwird, dass die Gerade die Messwerte moglichst gut beschreibt. Die Steigung

dieser Geraden kann nun aus dem Diagramm nach

a =∆T 2

∆m(10)

abgelesen werden. Um den Fehler von a zu erhalten werden in das Diagrammzusatzlich Fehlergeraden eingezeichnet. Die Fehlergeraden werden so gelegt, dasssie noch gerade die Messungen unter Berucksichtigung des Messfehlers beschrei-ben konnten. Die Differenz der Steigungen der optimierten Geraden und derFehlergeraden wird als Fehler der Steigung σa verwendet. Nach Gleichung (9)kann nun die Federkonstante und mit Hilfe des Fehlerfortpflanzungsgesetz derMessfehler der Federkonstanten berechnet werden.Nach Gleichung (7) sollte man erwarten, dass die Gerade durch den Koordina-tenursprung geht. Dies ist aber nicht der Fall. Uberlegen Sie sich die Ursachehierfur. Aus dem selben Grund ist es ubrigens auch nicht moglich die Feder-konstante fur einzelne Messungen direkt aus Gleichung (5) zu bestimmen. Diegraphische Bestimmung der Federkonstante ist in diesem Fall unerlasslich! Umdie Erdbeschleunigung zu bestimmen wird nun in einem zweiten Diagramm dieAuslenkung des Federpendels gegen die Masse aufgetragen. Aus der Steigungder Geraden kann die Erdbeschleunigung bestimmt werden, da Gleichung (6)wieder als Geradengleichung der Form

x =g

Dm (11)

dargestellt werden kann. Die Steigung

a =∆x

∆m(12)

und ihr experimenteller Fehler konnen nun nach dem oben beschriebenen Ver-fahren aus dem Diagramm abgelesen werden. Die Erdbeschleunigung wird nach

g = D · a (13)

berechnet. Um den Fehler der Erdbeschleunigung zu bestimmen muss die Feh-lerfortpflanzung angewendet werden, da sowohl der Wert von D als auch derWert von a fehlerbehaftet sind.

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II Messprotokoll

Vergleich der Methoden zur Bestimmung der Schwingungsdauer:

Nr.Anzahl der

Schwingungen n

Messzeit

t [s]

Periodendauer

T [s]

Mittelwert

T [s]σT

[s]

1 32 33 34 35 36 37 38 39 310 3Messung der Schwingungsdauer. Start/Stop bei Maximalauslenkung.

Nr.Anzahl der

Schwingungen n

Messzeit

t [s]

Periodendauer

T [s]

Mittelwert

T [s]σT

[s]

1 32 33 34 35 36 37 38 39 310 3

Messung der Schwingungsdauer. Start/Stop bei Nulldurchgang

Ablesegenauigkeit der Stoppuhr: ...................

Messung der Federkonstante:

m

[g]Nr.

Anzahl der

Schwingungen n

Messzeit

t [s]

Periodendauer

T [s]

Mittelwert

T [s]σT

[s]

501 32 33 3

1001 32 33 3

1501 32 33 3

2001 32 33 3

2501 32 33 3

Messung der Schwingungsdauer als Funktion der Masse. Start/Stop bei

..............................

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Messung der Erdbeschleunigung:

∆m [g] Auslenkung x [mm] Ablesefehler ∆x [mm]

Messung der Auslenkung als Funktion der Masse

III Beispiele fur die Darstellung von Messergeb-

nissen

Abschließend werden noch ein paar Beispiele dafur gegeben, wie Messdaten gra-phisch dargestellt werden sollen. Es werden auch einige Beispiele fur typischeFehlerquellen beim Zeichnen von Diagrammen gezeigt.

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

x[m

m]

m[g]

Abbildung 3: Richtige Darstellung von Messwerten.

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0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

Abbildung 4: Fehlerhafte Darstellung von Messergebnissen: Achsenbeschriftun-gen fehlen.

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

x[m

m]

m[g]

Abbildung 5: Fehlerhafte Darstellung von Messergebnissen: Fehlerbalken fehlen.

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0 20 40 60 80 100

0

5

10

15

20

25

x[m

m]

m[g]

Abbildung 6: Fehlerhafte Darstellung von Messergebnissen: Messpunkte sinddurch eine (unphysikalische) Zick-Zack-Linie verbunden.

0 20 40 60 80 100 1200

5

10

15

20

25

30

Fehler-gerade

Ausgleichs-gerade

Dx=

21,5

mm

Dm=78g

Dx=

20m

m

Dm=80g

x[m

m]

m[g]

Abbildung 7: Richtiges Anpassung einer Ausgleichsgerade und Ermittlung derGeradensteigung.

Die Steigung der Ausgleichsgeraden ergibt sich zu

aAusgleich =∆x

∆m=

20mm

80g= 0, 25

mm

g

die der Fehlergeraden zu

aFehler =∆x

∆m=

21, 5mm

78g= 0, 276

mm

g

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Versuch 41

Temperaturmessung

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs Temperaturmessung.

I Messaufbau

• Pyrometer

• Pt100-Thermometer (Klasse B)

• Konstantstromquelle 1 mA

• Dewargefaß

• Gasthermometer

• Topf fur Temperaturbad

• Thermoelement fur hohe Temperaturen (PtRh, Typ B oder Typ S) mitEichtabelle

• Multimeter

• Butangas-Bunsenbrenner

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums:http://www.physi.uni-heidelberg.de/Einrichtungen/AP/

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Temperatur, absoluter Nullpunkt, Gasgesetze, Zustandsanderungen des idealenGases, reale Gase, van der Waals- Gleichung, Thermoelement, PlanckschesStrahlungsgesetz.

Verstandnisfragen:

1. Was ist Warme, was ist Temperatur?

2. Was fur Thermometer gibt es? Auf welchen physikalischen Prinzipien be-ruhen sie? Welche Vor- oder Nachteile bei der Anwendung ergeben sichdaraus?

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 41 Temperaturmessung

3. Wie funktioniert ein Gasthermometer? Warum ist dieses Thermometer fureine absolute Temperaturmessung gut geeignet? Kann man ein beliebigesGas nehmen? Bis zu welchen Temperaturen halten Sie ein Gasthermometerfur geeignet- welches Gas wurden Sie also nehmen?

4. Als Temperaturfixpunkte werden die Temperatur des kochenden Wassersund die Schmelztemperatur des Eises (Eis-Wassermischung) genommen, dierelativ leicht realisiert werden konnen. Von welchen außeren Parameternhangen diese Fixpunkte ab?

5. Welche prinzipielle Moglichkeit zur Festlegung der Temperatur, unabhangigvon einer Arbeitssubstanz, gibt es?

6. Wie funktioniert ein Thermoelement?

7. Wie lasst sich die Oberflachentemperatur von Sternen bestimmen? Wieunterscheiden sich die Spektren von Sirius (T≈10000 K) und der Sonne (T≈ 6500 K)?

IV Aufgaben

• Temperaturmessung mit Hilfe eines Gasthermometers und eines Platin- Wi-derstandsthermometers im Bereich zwischen dem Siedepunkt des Wassersund dem Siedepunkt von flussigem Stickstoff.

• Messungen mit einem Infrarot- Thermometer im Bereich von 0C bis 100C.

• Als typische Anwendung eines Thermoelementes wird mit demPtRh-Element die Temperaturverteilung einer Bunsenbrennerflamme ge-messen.

V Grundlagen

Der thermische Zustand eines Stoffes wird durch die Temperatur charakterisiert.Zur Messung dieser Große benutzt man Instrumente (Thermometer), die dieTemperaturabhangigkeit verschiedener physikalischer Großen ausnutzen. Da-zu gehoren zum Beispiel Ausdehnungsthermometer (Flussigkeitsthermometer,Gasthermometer), deren Prinzip auf der Temperaturabhangigkeit des Volumens

eines Stoffes beruht. Eine weitere große Klasse von Thermometern sind Wider-standsthermometer wie Platin-Thermometer oder Hableiterthermometer (NTC,PTC). Bei diesen hangt der elektrische Widerstand von der Temperatur ab.Thermoelemente bestehen aus zwei unterschiedlichen, miteinander kontaktier-ten Metalldrahten. Zwischen den Anschlussen liegt eine elektrische Spannungan, die von der Temperaturdifferenz der Kontaktstelle und den Anschlussendenabhangt. In diesem Versuch werden Sie auch Messungen mit einem Pyrometerdurchfuhren. Solch ein Thermometer misst die von einem Korper ausgehende

”Warmestrahlung“, die im Idealfall nur von der Temperatur abhangt.

Weltweit gibt es verschiedene Temperaturskalen wie z.B. Celsius oder Fahren-heit, die auf zwei unterschiedlichen Fixpunkten aufbauen. Bei der Celsiusskalasind dies der Schmelz- und der Siedepunkt von Wasser. Der untere Fixpunkt derFahrenheitskala entspricht der Temperatur einer speziellen Kaltemischung, derobere Fixpunkt der

”Korpertemperatur eines gesunden Menschen“. Solche Defi-

nitionen sind nicht besonders gut reproduzierbar. Aus physikalischer Sicht gibtes nur eine Temperaturskala, die sich aus dem ersten und zweiten Hauptsatz derThermodynamik ableiten lasst: Die thermodynamische Temperaturskala oderdie Kelvinskala.

Die derzeit gultige internationale Temperaturskala wurde 1990 (ITS-90) fest-gelegt. Sie definiert spezielle Temperaturfixpunkte im Bereich von 0,65 K bis2200 K. Zwischen diesen Temperaturwerten wird mittels definierter Ther-mometer interpoliert, die zuvor an den Fixpunkten kalibriert wurden. Zudiesen gehoren insbesondere die Platin- Widerstandsthermometer (Messbe-reich ca. 10 K bis ca. 1200 K), das He-Gasthermometer und das He-Dampfdruckthermometer fur Temperaturen kleiner als 30 K, sowie im Hochtem-peraturbereich die Strahlungsthermometer.

VI Das Gasthermometer

Das Funktionsprinzip eines Gasthermometers lasst sich mit Hilfe der IdealenGasgleichung beschreiben:

pV = NkT, (1)

wobei p den Druck, V das Volumen, T die absolute Temperatur, N die Teil-chenzahl und k die Boltzmann- Konstante darstellen.

Befindet sich ein Gas in einem abgeschlossenen Behalter, so kann bei konstantgehaltenem Volumen die Temperatur des Gases durch eine Druckmessung be-

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Glaskugel

Drucksensor

Manometer

Abbildung 2: Aufbau eines Gasthermometers.

stimmt werden (Gesetz von Amontons):

T ∝ p fur V = konstant. (2)

Den Aufbau des im Praktikum eingesetzten Gasthermometers ist in Abbildung 2dargestellt. Es besteht aus einem mit Luft gefullten Glasballon, der uber eineKapillare mit einem elektrischen Manometer verbunden ist.Die Genauigkeit, mit der die Temperatur gemessen werden kann, hangt vonder Konstanz des Volumens und dem verwendeten Gas ab. Dabei mussen zweisystematische Fehler berucksichtigt werden. Zum einen dehnt sich der Glasbal-lon bei Erwarmung aus, wodurch sich das Luftvolumen andert. Dieser Fehlerkann aber aufgrund des viel großeren Ausdehnungskoeffizienten von Luft ge-genuber dem von Glas vernachlassigt werden. Zum anderen bleibt die in derKapillare zwischen Glaskugel und Manometer eingeschlossene Luft annaherndauf Zimmertemperatur. Temperaturanderungen im Glasballon bewirken daher,dass dieses

”schadliche Volumen“ komprimiert bzw. expandiert wird, wodurch

sich ebenfalls das Luftvolumen andert. Desweiteren ist Luft nur bedingt als idea-les Gas anzusehen. Weit oberhalb des Verflussigungspunktes und bei geringemDruck sind die Voraussetzungen eines idealen Gases sicherlich gut erfullt. Al-

lerdings werden Sie auch Messungen bei Temperaturen des flussigen Stickstoffsdurchfuhren. Da der Druck im Glasballon bei dieser Temperatur deutlich ge-ringer ist als Atmospharendruck, tritt keine Verflussigung auf und die Luft imGlasbehalter kann immer noch als ideal angesehen werden.

T2T1

Uth

T1

T2

a) b)

Kontaktstelle

I th

Uth

Abbildung 3: Funktionsprinzip eines Thermoelements.

VII Das Thermoelement

Die Wirkungsweise eines Thermoelementes beruht auf dem Seebeck- Effekt:Bringt man zwei unterschiedliche Metalle zueinander in Kontakt, so baut sichan der Kontaktstelle eine elektrische Spannung auf, deren Betrag von der Artdes Metalls und der Temperatur abhangt (Abbildung 3 links). Aus dem Me-tall mit der geringeren Austrittsarbeit fließen Elektronen in das Metall mit dergroßeren Austrittsarbeit. Es entsteht eine Thermospannung Uth. Bei geschlosse-nem Stromkreis fließt ein Thermostrom Ith; die dafur

”benotigte Energie“ wird

der Warmequelle entnommen.

Betragt die Temperatur an der Kontaktstelle T1 und an den beiden Enden derMetalle T2, so folgt fur die Thermospannung:

Uth = K(T1 − T2), (3)

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wobei K eine Konstante darstellt, die von beiden Metallen abhangt.Thermoelemente werden in Industrie und Technik sehr haufig eingesetzt. DieVorteile dieser Sensoren sind kleine Dimensionen, gute mechanische und chemi-sche Stabilitat, die Anwendbarkeit uber einen sehr großen Temperaturbereichsowie die geringen Herstellungskosten. Allerdings besitzen Thermoelemente auchNachteile. Es lassen sich nur relative Temperaturen messen. Soll die Tempera-tur T1 absolut bestimmt werden, so muss die Vergleichstemperatur T2 bekanntsein. Fur einfache Messungen geringer Genauigkeit begnugt man sich mit derungefahr konstanten Raumtemperatur T2 als Vergleichstemperatur (Bei Mes-sungen von sehr hohen Temperaturen ist auch diese Methode sehr genau). Furprazise Messungen der absoluten Temperatur wird aber eine konstante Ver-gleichstemperatur benotigt. Dazu verwendet man ein Thermoelement mit zweiKontaktstellen (Abbildung 3 rechts), wobei ein Kontakt auf eine definierte Ver-gleichstemperatur T2 eingestellt wird.Die Spannung die an einem Thermoelement anliegt ist sehr gering. Bei demhier verwendeten Platin-Rhodium Thermoelement betragt die Spannung bei50C 2 µV, bei 1000C 4,9 mV. Eine Vergleichliste zwischen Temperatur undThermospannung liegt am Laborplatz aus.

VIII Das Platin Widerstandsthermometer

Die Temperaturabhangigkeit eines Pt-Widerstands lasst sich mit guter Genau-igkeit durch ein Polynom zweiten Grades approximieren1:

R(T ) = R0(1 +AT +B T 2), (4)

mit den Koeffizienten

A =3, 9083× 10−3[C−1]

B =− 5, 775× 10−7[C−2].

R0 ist der Nennwiderstand bei 0C. Fur ein Pt100-Thermometer gilt R0 =100 Ω. Damit kann aus dem gemessenen Widerstand R die Temperatur berech-net werden. Aus Gleichung (4) ergibt sich:

1Die DIN IEC 751 legt fur den Platin-Widerstand eigentlich zwei Temperaturbereiche fest(-200C bis 0C und 0C bis 850C), die durch unterschiedliche Polynome definiert sind. Beidiesem Versuch reicht es aber aus, stets die angegebene quadratischen Naherung zu verwenden.

Pt-ThermometerStromquelle

I

Leitungswiderstand

RL

RL

Voltm

ete

r

a)

Pt-ThermometerStromquelle

I

Leitungswiderstand

RL

RL

I

RL

RL

~~0

b)

Voltm

ete

r

Abbildung 4: a) Zweileiterschaltung und b) Vierleiterschaltung zur Messungdes Widerstands eines Pt-Thermometers.

T (R) =−R0A+

R20A

2 − 4R0B(R0 −R)

2R0B. (5)

Platinthermometer sind in vier Genauigkeitsklassen erhaltlich. Die im Prakti-kum eingesetzten Thermometer sind in der Genauigkeitsklasse B eingeordnet.In dieser Klasse betragt der Temperaturfehler:

∆T = 0, 30 C+ 0, 005 |T |. (6)

Der Widerstand eines Pt-Thermometers kann im einfachsten Fall nach demOhmschen Gesetz durch zwei verschiedene Methoden bestimmt werden. Ent-weder wird an den Pt-Widerstand eine konstante Spannung angelegt und derStrom gemessen oder es wird ein konstanter Strom eingepragt und der Span-nungsabfall uber dem Pt-Widerstand gemessen. Bei beiden Messmethoden trittstets eine Eigenerwarmung des Pt-Thermometers auf, die die eigentliche Tem-peraturmessung verfalscht. Es ist daher sinnvoll, die Widerstandsmessung miteinem moglichst kleinen, konstanten Messstrom durchzufuhren und den Span-nungsabfall uber dem Pt-Widerstand mit einem Voltmeter zu messen. Im Prak-tikum verwenden Sie hierfur eine Konstantstromquelle die einen Strom von 1 mAliefert.

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Bei der Spannungsmessung muss berucksichtigt werden, dass der Pt-Widerstandin der Regel an mehr oder weniger langen Zuleitungen angeschlossen ist, die wie-derum selbst einen elektrischen Widerstand besitzen. Bei der Zweileiterschal-tung in Abbildung 6 a) geht in die Widerstandsmessung der Widerstand derMessleitungen mit ein. Dieser Messfehler kann durch eine sogenannte Vierleiter-schaltung vermieden werden. Dabei dienen zwei Leiter der Stromzufuhr undzwei weitere zur Messung des Spannungsabfalls. Da die Spannungsmessung mithochohmigen Voltmetern (Innenwiderstand einige MΩ) erfolgt, fließt nur einsehr kleiner Strom durch die Leitungen und der Spannungsabfall an den Zulei-tungen ist vernachlassigbar klein.

IX Das Pyrometer

Jeder Korper dessen Temperatur großer als 0 K ist sendet Warmestrahlungaus, deren Intensitat nur von der Temperatur abhangt. Zur Quantifizierung derabgestrahlten Intensitat geht man zunachst vom Modell eines schwarzen Strah-lers aus. Dabei handelt es sich um einen idealisierten Korper, der die gesamteauf ihn einfallende elektromagnetische Strahlung vollstandig absorbiert. Nachdem Kirchhoffschen Strahlungsgesetz besitzt solch ein Korper auch ein maxi-males Emissionvermogen ǫ =1. Die Intensitatsverteilung der Strahlung die voneinem schwarzen Strahler ausgeht, wird durch das Plancksche Strahlungsgesetzbeschrieben:

Mλ(λ, T ) dAdλ =2πhc2

λ5

1

e(hc

λkT ) − 1dAdλ, (7)

wobei Mλ die Strahlungsleistung beschreibt, die vom Flachenelement dA imWellenlangenbereich λ bis λ+ dλ in den Halbraum abgestrahlt wird. Die Inten-sitatsverteilung ist in Abbildung 5 fur verschiedene Temperaturen im Bereichvon 300 K bis 10000 K dargestellt.Die gesamte von einem Korper abgestrahlte Leistung wird durch das Stefan-Boltzmann-Gesetz beschrieben. Integration von Gleichung (7) uber die gesamtestrahlende Flache A und uber alle Wellenlangen ergibt

P = ǫ(T )σAT 4, (8)

wobei σ die Stefan-Boltzmann-Konstante und T die absolute Temperatur be-schreiben. Der Faktor ǫ(T ) ≤ 1 berucksichtigt, dass reale Korper ein kleine-

0,1 1 10 100

106

107

108

109

1010

1011

1012

1013

1014

1015

300 K

500 K

1000 K

3000 K5777 K

spekt

rale

Strahlu

ngsd

ichte

[Wm

-3]

Wellenlänge l [mm]

10000 K

Me

ssb

ere

ich

de

sIR

-Pyro

me

ters

8 -

14

µm

sic

htb

are

r B

ere

ich

Abbildung 5: Spektrale Intensitatsverteilung eines schwarzen Korpers bei un-terschiedlichen Temperaturen. Die Temperatur von 5777 K entspricht der ef-fektiven Temperatur der Sonnenoberflache.

res Emissionsvermogen aufweisen als der idealisiert schwarze Korper. Die ab-gestrahlte Leistung eines Korpers hangt demnach nur von der Flache und derTemperatur ab. Auf dieser Eigenschaft beruhen beruhrungslose Pyrometer undWarmebildkameras.

Bei Zimmertemperatur (≈300 K) liegt das Strahlungsmaximum im langwelligenInfrarotbereich bei einer Wellenlange von etwa 10 µm (Abbildung 5). In diesemBereich arbeiten kommerzielle IR-Pyrometer. Die im Praktikum eingesetztenPyrometer integrieren die von einem Korper ausgehende Strahlung im Bereichvon 8 µm bis 14 µm.

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X Durchfuhrung des Versuchs

Achtung:

Kontakt mit flussigem Stickstoff bzw. mit Trockeneisverursacht schwere Erfrierungen und Augenschaden.Beim Hantieren mit Trockeneis und flussigem Stick-stoff unbedingt Handschuhe anziehen und Schutz-brille aufsetzen. Da wahrend des Versuchs erhebli-che Mengen Stickstoff und Kohlendioxid verdampfen,sollte der Raum gut beluftet werden.

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau

2.1 Eichung der Thermometer bei 0C

Inbetriebnahme des Pt100-Thermometer: Bauen Sie eine Vierleiterschaltungauf. Stecken Sie dazu den Stecker des Pt100-Thermometers in die Adapter-box. Die vier Anschlussleitungen konnen Sie dann an den 4 mm-Buchsenabgreifen. Verbinden Sie als nachstes je eine weiße und eine rote Buchse mitden entsprechenden Buchsen der Stromquelle. Wenn Sie das Voltmeter andie beiden noch freien Buchsen der Stromquelle anschließen (rote Buchse anden Anschluss Com des Voltmeters), haben Sie eine Zweileiterschaltung (sieheAbbildung 6) und Sie messen den Spannungsabfall uber den Kabeln mit. Umeine Vierleiterschaltung zu bekommen, mussen Sie das Voltmeter direkt andie Adapterbox anschließen. Sie sollten bei der folgenden Messung wenigstenseinmal beide Schaltungen ausprobieren. Bei 0C betragt der Pt100-Widerstand100 Ω. Bei einem Messstrom von 1 mA erhalten Sie bei der Vierleiterschaltungeinen Spannungsabfall von 100 mV. In der Zweileiterschaltung werden Sie einengroßeren Wert messen, da Sie die Zuleitungswiderstande mitmessen. Allerdingssind die Kabel relativ kurz und der Effekt daher sehr klein.

Benutzen Sie fur die Messung bei 0C eine Wasser-Eis Mischung. Fullen Sie denTopf zur Halfte mit klein zerstossenem Eis und platzieren Sie den Glasballonmittig im Topf. Gießen Sie mit Wasser auf und ruhren Sie mit einem Glasstabgut um. Die Glaskugel muss vollig mit Wasser bedeckt sein! BeobachtenSie gleichzeitig die Spannung am Pt100 sowie die am Pyrometer angezeigteTemperatur. Die Temperatur des schmelzenden Eises in Wasser als Fixpunkt

und Nullpunkt der Temperaturskala muss moglichst gut erreicht werden. Siemussen dazu das Minimum des Spannungswertes des Pt100-Thermometersabwarten. Wenn sich die Spannung stabilisiert hat, protokollieren Sie dieSpannung, den Druck des Gasvolumens und die Pyrometertemperatur. DiePyrometertemperatur wird auf der Wasseroberflache gemessen. Sie wird sichsystematisch von der

”wahren“ Temperatur unterscheiden, weil das Absorpti-

onsvermogen von Wasser nicht Eins ist.

2.2 Temperaturmessung bis T= 100C

Stellen sie jetzt die Kochplatte an und erhitzen Sie das Wasser auf etwa 10C.Schalten Sie die Heizplatte kurz vor dem Erreichen der gewunschten Tempe-ratur aus und ruhren Sie das Wasser gut um, damit sich eine gleichmaßigeTemperaturverteilung einstellen kann. Registrieren sie Druck, Pyrometeranzei-ge und Pt100-Spannung. Wiederholen Sie diese Messungen in Schritten vonungefahr 10 Grad. Versuchen Sie nicht durch wiederholtes Ein- und Ausschaltender Heizplatte genau die Werte 10C, 20C, ...anzufahren. Welcher Wert sichletztlich einstellt, ob 10C oder eben 11,5C, ist vollig unerheblich. Warten sieca. 2 Minuten unter dauerndem Umruhren und lesen Sie dann fur jeden Schrittdie Spannung am Pt100, den Druck und die Pyrometeranzeige ab. Nehmen Sieals letzten Messpunkt die Temperatur des siedenden Wassers auf. Lesen Sieden Luftdruck am Barometer im Gang ab und notieren Sie diesen Wert.

2.3 Temperatur von Trockeneis und flussigem Stickstoff am Siede-punkt

Lassen Sie den Glasballon zunachst einige Zeit abkuhlen. Fullen Sie danndas Dewargefaß mit Trockeneis und Alkohol. Durch den Alkohol wird derWarmekontakt zum Glasballon verbessert. Verwenden Sie dazu die schon ferti-ge Trockeneis- Alkoholmischung in den beiden Dewargefaßen auf dem Waschbe-cken. Geben Sie wenn notig noch etwas Trockeneis hinzu. Warten Sie zunachstbis sich die Temperatur stabilisiert hat. Dabei gut umruhren! Sobald sich dieMesswerte stabilisiert haben, notieren Sie die Spannung und den Druck. DasPyrometer ist bei diesen tiefen Temperaturen nicht mehr einsetzbar.

Schutten Sie nach Beendigung der Messung das Trockeneis- Alkohol Gemischwieder zuruck in die Dewargefaße auf dem Waschbecken.

Fullen sie jetzt das Dewargefass schrittweise mit flussigem Stickstoff undschieben Sie die Glaskugel langsam ein bis sie ganz vom Stickstoff bedeckt

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ist. Warten Sie bis die starke Verdampfung aufgehort hat und sich die Tempe-raturwerte stabilisieren. Registrieren sie PT100-Spannung und den Druck imGasthermometer.

3. Messung von sehr hohen Temperaturen mit dem PtRh-Thermo-element

Messen Sie die Temperaturverteilung in der Flamme mit dem PtRh-Thermoelement bei starker Luftzufuhr und bei schwacher Luftzufuhr. DasPtRh-Thermoelement besteht aus zwei Platindrahten, die aber unterschiedlichstark mit Rhodium legiert sind. Achtung: Beim Versuch sind verschiedeneThermoelemente vorhanden (Typ S und Typ B). Achten Sie darauf die richtigeEichtabelle zu verwenden. Zeichnen Sie die ungefahre Gestalt der Flamme undtragen Sie fur verschiedene Stellen die Thermospannung ein (funf Messungenbei starker und schwacher Luftzufuhr). Drehen Sie nach Versuchsende das Gasab und schutten Sie das Wasser und das Eis aus.

XI Auswertung

1. Tragen Sie die bei den vier Fixpunkten gemessenen Druckwerte gegen dieTemperatur in ein Diagramm ein. Wahlen Sie auf der x-Achse einen Tempe-raturbereich von -280C bis 110C. Eichen Sie die Temperaturskala, indemSie die Temperatur des Wasser-Eisgemisches als 0C ansetzen. Tragen Siedort den gemessenen Druck ein. Einen zweiten Eichpunkt erhalten Sie, in-dem Sie die den Druck pgem, den Sie bei der Temperatur des kochendenWassers gemessen haben, auf den Druck pNB unter Normalbedingungenumrechnen:

pNB = pgem1013, 25 hPa

pLD, (9)

wobei pLD den Luftdruck beschreibt. Ordnen Sie diesem Druckwert dieTemperatur 100C zu und tragen Sie den Wert in das Diagramm ein. Jetztkonnen sie die Eichgerade des Gasthermometers durch beide Messpunktezeichnen. Bei welcher Temperatur wird der Druck Null? Tragen Sie jetzt denDruckmesswert bei der Temperatur des flussigen Stickstoffs ein. WelchenTemperaturwert lesen sie ab? Wie vergleicht sich dieser mit dem Litera-turwert TN2 = 80,35 K (-195.8C). Sie konnen diesen Literaturwert auch

als weiteren Eichpunkt benutzen um den absoluten Nullpunkt besser zubestimmen. Bei welcher Temperatur bekommen Sie jetzt den Druck p=0?Tragen Sie schließlich auch den Druck ein, den Sie bei der Messung mitTrockeneis aufgenommen haben. Welche Temperatur erhalten Sie dafur?Erganzen Sie das Diagramm durch eine Kelvin-Skala.

2. Eichung des Pt100-Widerstandsthermometers. Bestimmen Sie mit Hilfe derzuvor angefertigten Eichkurve die Temperaturwerte des Gasthermometersim Bereich von 0C bis 100C. Tragen Sie den Widerstand des Pt100-Elements gegen die Temperatur in ein weiteres Diagramm ein. WelchenZusammenhang finden Sie? Legen Sie durch die Messwerte im Bereich von0C bis 100C eine Ausgleichsgerade. Vergleichen Sie die Steigung mit demlinearen Glied des Polynoms in Gleichung (4).

3. Tragen Sie die Temperaturmessungen mit dem Pyrometer gegen die Tem-peratur des Gasthermometers auf. Was beobachten Sie? Erklarung?

4. Skizzieren Sie die Flammengestalt und tragen Sie die Temperaturen furschwache und fur starke Luftzufuhr ein. Die zu den Thermospannungengehorigen Temperaturen sind der ausgelegten Eichtabelle zu entnehmen.

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Versuch 42

Spezifische Warmekapazitat fester

Korper

Abbildung 1: Aufbau des Versuchs spezifische Warmekapazitat fester Korper.

I Messaufbau

• Kalorimeter mit Magnetruhrer

• Elektrischer Kocher

• Stativ mit Drahthaken

• 3 große Versuchskorper (Graphit, Aluminium, Blei)

• 3 kleine Versuchskorper fur den Versuch bei Stickstofftemperatur

• Dewargefaß fur flussigen Stickstoff

• elektronisches Thermometer

• elektronische Waage

• Stoppuhr

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart,

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

• Homepage des Praktikums:http://www.physi.uni-heidelberg.de/Einrichtungen/AP/

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden The-men vor: Spezifische Warmekapazitat, Mischungskalorimeter, Dulong-Petit’sches Gesetz, Grundbegriffe der kinetischen Warmetheorie (Temperatur,Aquipartitionsprinzip, Freiheitsgrade). Fur Physiker: Debey- Modell derspezifischen Warme (qualitativ).

Verstandnisfragen:

1. Wie konnen Sie Temperatur definieren?

2. Wo konnen Sie im Alltag beobachten, dass Warme eine Energieform ist?Was bedeutet Warme auf atomarer bzw. molekularer Ebene?

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3. Was fur Freiheitsgrade gibt es in Gasen bzw. in Festkorpern? Was besagtdas Aquipartitionsprinzip? Was versteht man unter dem

”Einfrieren“ von

Freiheitsgraden?

4. Schildern Sie das Messprinzip eines Mischungskalorimeters und leiten Siedie entscheidenden Gleichungen her, denen man die spezifische Warme ent-nehmen kann.

5. Wie hangt die Warmekapazitat mit der Anzahl der Freiheitsgrade zusam-men? Was versteht man genau unter

”Freiheitsgrad“? Was besagt das

Dulong-Petit-Gesetz? Leiten Sie es her. Gilt es fur alle Festkorper? Wiesieht der Temperaturverlauf der Warmekapazitat qualitativ aus?

IV Aufgabe

• Messung der spezifischen Warmekapazitat verschiedener Festkorper mit derMischungsmethode im Temperaturbereich zwischen 20C und 100C.

• Messung der spezifischen Warmekapazitaten im Bereich von 20C und-195C.

V Grundlagen

Wird einem Korper die Warmemenge Q zugefuhrt, so erhoht sich, sofern keinPhasenubergang stattfindet, seine Temperatur um ∆T . Die Große

C =Q

∆T(1)

heißt Warmekapazitat des entsprechenden Korpers. Sie gibt an, welcheWarmemenge einem Korper zugefuhrt werden muss um seine Temperatur um1C zu erhohen. Die Warmekapazitat hangt von der Masse bzw. der Stoffmengedes Korpers ab. Daher unterscheidet man noch die spezifische Warmekapazitatoder einfach spezifische Warme

c =Q

m∆T(2)

und die molare Warmekapazitat (Molwarme)

cmol =M

m

Q

∆T, (3)

wobei m die Masse des Korpers und M die molare Masse beschreiben.

Prinzip der Messung:Das Verfahren der Mischungsmethode im Wasserkalorimeter beruht darauf,dass sich verschieden warme Korper bei Beruhrung durch Austausch vonWarmemengen in ihrer Temperatur ausgleichen. Ein Probekorper mit derTemperatur T1 wird in einem Kalorimetergefaß in ein Wasserbad der Tempe-ratur T2 gebracht. Es stellt sich eine Mischungstemperatur T ein. Nach demEnergiesatz gilt dann fur den Fall T1 > T2: Die vom Probekorper abgegebeneWarme

Q = mxcx(T1 − T ) (4)

ist gleich der vom Wasser und dem Kalorimeter aufgenommenen Warmemenge

Q = (mW cW +W )(T − T2) (5)

Die Große W stellt die Warmekapazitat des Kalorimeters dar, die auch alsWasserwert bezeichnet wird. Der Index w bezieht sich auf Wasser, x auf denProbekorper. Daraus ergibt sich die gesuchte spezifische Warmekapazitat cx zu

cx =(mW cW +W )(T − T2)

mx(T1 − T ). (6)

Die Warmekapazitat von Wasser betragt im Temperaturbereich von 15C bisungefahr 65C cw =(4,186±0,004) J/(gK).

Beim zweiten Versuchsteil wird ein Probekorper mit der Temperatur T1

(Zimmertemperatur) in flussigem Stickstoff (T2= -195,8C) abgekuhlt. Ausder bekannten Verdampfungswarme QV und der verdampften Menge desStickstoffes mV kann die abgegebene Warme Q des Probekorpers und darausnach

Q = QV mv = mxcx(T1 − T2) (7)

der Wert cx berechnet werden.

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VI Durchfuhrung des Versuchs

Bei allen Versuchen muss moglichst schnell ein Temperaturgleichgewicht erreichtwerden. Dazu muss das Wasser gut durchmischt werden. Um Ihnen die Arbeitzu vereinfachen steht ein Magnetruhrer zur Verfugung. Probieren Sie diesenvor Versuchsbeginn aus, indem Sie das Kalorimetergefass zu drei Vierteln mitVE-Wasser1 fullen und es zentrisch auf den Magnetruhrer stellen. Schalten Sieden Ruhrer ein und beobachten Sie wie das Wasser durchmischt wird. Wenndas Gefaß richtig steht, horen Sie ein charakteristisches Ratschen des Magnetenuber dem Kalorimeterboden. Optimieren Sie den Ruhrvorgang durch Verschie-ben des Kalorimeters auf dem Ruhrer. Achten Sie bei den Versuchen- bei denenja der Deckel geschlossen ist- darauf, dass Sie das Ruhrgerausch deutlich horen.Bei der Messung mit den großen Probekorpern mussen Sie darauf achten, dassdas Thermometer diese nicht beruhrt. Platzieren Sie die Korper daher nicht zen-trisch im Kaloriemeter, sondern z.B. auf der linken Seite. Wenn Sie den Deckelaufsetzen, muss das Thermometer dann auf der rechten Seite im Kalorimetereintauchen.

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Bestimmen Sie die Massen aller Probekorper.

3. Bestimmung des Wasserwertes:Bestimmen Sie zunachst die Masse des unbefullten Kalorimeters ohne De-ckel (Temperaturfuhler herausnehmen). Uberzeugen Sie sich vor dem Wie-gen, dass das Kalorimeter sowohl innen als auch außen vollig trocken ist.Andernfalls trocknen Sie es mit einem Tuch gut ab. Stellen Sie das Kalori-metergefass auf den Magnetruhrer. Messen Sie mit dem Digitalthermometerdie Zimmertemperatur. Diese entspricht der Anfangstemperatur T2 des Ka-lorimeters. In einem Kocher wird Wasser auf T ≈50C erhitzt. Der Kocherwird abgeschaltet und gewartet bis die Temperatur sich unter standigemUmruhren nicht mehr andert. Notieren Sie diese Temperatur als Anfang-stemperatur T1. Starten Sie anschließend die Uhr und befullen Sie das Ka-lorimeter zur Halfte mit dem heißen Wasser. Legen Sie den Deckel schnellauf und schalten sie den Magnetruhrer ein. Die Temperatur des Wassersim Kalorimeter wird funf Minuten lang alle 30 Sekunden gemessen, bis sichein linearer Abfall ergibt (siehe Abbildung 2).

1Voll Entsalzenes Wasser

Tem

pera

tur

Zeit

T1

-

0

T

t

Abbildung 2: Zur Bestimmung des Wasserwertes.

Messen Sie abschließend das Gewicht des befullten Kalorimeters ohne De-ckel. Hieraus konnen Sie die Masse des Wassers berechnen. Der Tempera-turausgleich im Kalorimetergefaß erfolgt so schnell, dass er mit dem Ther-mometer nicht verfolgt werden kann. Der Warmeverlust an die Außenluftwahrend des Temperaturausgleichs ist vernachlassigbar. Die Mischungstem-peratur T zum Zeitpunkt t0 des Einfullens wird durch Extrapolation desgemessenen Temperaturverlaufs bestimmt. Der Wasserwert kann aus derBilanz der Warmemengen bestimmt werden:

W = mW cWT1 − T

T − T2

fur T1 > T2. (8)

4. Zur Messung der spezifischen Warmekapazitat wird das Kalorimeter zu et-wa drei Vierteln mit frischem VE-Wasser gefullt und erneut gewogen umdie Wassermenge zu bestimmen. Es werden die großen Probekorper be-nutzt. Fullen Sie den Kocher zur Halfte mit Wasser und hangen Sie einenProbekorper mit Hilfe des Stativs in das siedende Wasser. Der Korper darfnicht den Boden des Kochers beruhren, da er sich sonst uber 100C aufhei-zen wurde. Der Probekorper sollte mindestens 5 Minuten lang imkochenden (sprudelnden) Wasser verbleiben.

Die Temperatur T1 des kochenden Wassers lasst sich aus dem Luftdruck p

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gemaß

T1 = 100C + 0, 0276C/hPa (p− 1013 hPa) (9)

bestimmen, wobei p den Luftdruck in hPa beschreibt. Messen Sie dazuden Luftdruck. Schon vor dem Einbringen des ersten Korpers ist die Tem-peratur des Wassers im Kalorimeter fur einige Minuten jede Minute zumessen. Vergessen Sie nicht den Magnetruhrer einzuschalten. Wenn derProbekorper mit Sicherheit die Temperatur des kochenden Wassers ange-nommen hat, wird er aus dem Wasserbad entfernt, kurz abgetropft und soschnell wie moglich zentrisch versetzt auf das Gitter im Kalorimeter gestellt.Kalorimeter sofort verschließen und darauf achten, dass das Thermometernicht den Probekorper beruhrt. Notieren Sie alle 10 Sekunden die Tempe-ratur. Messen Sie so lange die Temperatur bis ein Temperaturmaximumerreicht wird, d.h. die Temperatur im Kalorimeter wieder zu fallen beginnt.Die Mischungstemperatur T entspricht dann dem gemessenen Tempera-turmaximum. Die Messungen mit den verschiedenen Probekorpern konnenhintereinander im selben Wasserbad durchgefuhrt werden. Bestimmen Siejedoch vor jeder Messung erneut durch Wagung des Kalorimeters die Massedes Wassers.

5. Messung der spezifischen Warmekapazitaten mit flussigem Stick-stoff:Achtung: Beim Hantieren mit flussigen Stickstoff Handschuhe und Schutz-brille tragen. Verwenden Sie fur diese Messung die kleinen Probekorper.Fullen Sie den Dewar zu 3/4 mit flussigem Stickstoff, stellen Sie ihn aufdie Waage und warten Sie den Temperaturausgleich ab. Notieren Sie dasAnfangsgewicht. Anschließend lasst man den Probekorper langsam an ei-nem Faden in den Stickstoff eintauchen und wartet die Beendigung desSiedens ab. Daraufhin wird der Probekorper herausgenommen und dasEndgewicht bestimmt. Die Differenz von Anfangs- und Endgewicht ent-spricht der verdampften Menge Stickstoff. Uber die Verdampfungswarmewird daraus die abgegebene Warmemenge bestimmt. Die fur die Rechnungbenotigten Großen sind im Anhang zusammengefasst. Schutten Sie denrestlichen Flussigstickstoff zuruck in den großen Dewar.

VII Auswertung

1. Berechnen Sie die spezifischen Warmekapazitaten sowie die Molwarmen derjeweiligen Probekorper und vergleichen Sie diese mit den Literaturwertensowie mit dem Gesetz von Dulong-Petit.

2. Es sind wieder die spezifischen Warmekapazitaten und die Molwarmenzu berechnen. Beachten Sie dabei, dass diese eine Funktion der Tempe-ratur sind, und uberlegen Sie, welche Große Sie tatsachlich bestimmt ha-ben. Rechnen sie zuletzt fur alle Proben das Verhaltnis der spezifischenMolwarme bei tiefer Temperatur zu der bei hoher Temperatur mit Feh-ler aus. Fur welche Festkorper stellen sie eine signifikante Abnahme derMolwarme mit T fest? Nutzen sie die aus der Debyetheorie bestimmte Kur-ve fur dieses Verhaltnis, um die Debyetemperatur der Stoffe zu bestimmen.Am Ende der Auswertung sollte eine Tabelle stehen, in der alle relevantenMessgrossen fur Ihre Proben mit Fehlerangabe stehen.

VIII Anhang 1

Siedetemperatur von fl. Stickstoff TS = −195, 8 C

Verdampfungswarme von fl. Stickstoff QV = 199 J/g

Rel. Atommasse von Blei MPb = 207, 2 g/mol

Rel. Atommasse von Aluminium MAl = 26, 98 g/mol

Rel. Atommasse von Graphit MC = 12, 01 g/mol

Literaturwerte:

Spez. Warme von Blei (300 K) cPB = 0, 129 J/(gK)

Spez. Warme von Aluminium (300 K) cAl = 0, 90 J/(gK)

Spez. Warme von Graphit (300 K) cC = 0, 709 J/(gK)

(10)

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IX Anhang 2

Theorie der spezifischen Molwarme

Die innere Energie U eines Festkorpers ist die Summe der Schwingungsenergienaller Atomrumpfe, die um ihre Gleichgewichtslage im Festkorper schwingen.Diese Schwingungen sind in guter Naherung harmonisch, so dass im zeitlichenMittel gleich viel Energie in der kinetischen und in der potentiellen Energiesteckt. Jeder Atomrumpf hat drei Schwingungsfreiheitsgrade, ein Mol hat alsoinsgesamt 3NA Schwingungsfreiheitsgrade.In der klassischen Physik hat nach dem Aquipartitionsprinzip jeder dieserFreiheitsgrade die mittlere Energie < E >= kT (je 1/2kT fur die kineti-sche und die potentielle Energie). Damit ware die innere Energie eines MolsUMol = 3kTNA = 3RT und damit die spezifische Molwarme CV = 3R, die Vor-hersage der Dulong-Petit’schen Regel. Offensichtlich ist diese Vorhersage schonbei Zimmertemperatur fur leichte Elemente wie Be, C, Si, Al falsch. Dies warum 1900 gut bekannt und eine der

”zwei dunklen Wolken“ uber der klassi-

schen Physik, wie es Lord Kelvin in einem beruhmten Vortrag 1900 ausdruckte.(Die andere Wolke war das Atherproblem bei der Lichtausbreitung). Die Losungliefert die Quantenmechanik: Oszillatoren haben diskrete, gequantelte Energie-zustande der Energie Eν = hν und die Wahrscheinlichkeit w, dass ein Zustandbei der Temperatur T angeregt ist, ist gegeben durch die Bose-Einstein Statistik

w(T,Eν) =1

exp(

Eν/kT)

− 1, (11)

wie es Planck 1900 bei der Interpretation seiner Strahlungsformel fur einenschwarzen Temperaturstrahler postuliert hatte.Der Erste, der dies erkannte war 1906 Albert Einstein, der sich lange mit der In-terpretation und den Konsequenzen der Planck’schen Strahlungsformel befassthatte. In seinem Modell der spezifischen Warme betrachtete er NA unabhangige3-dimensionale Oszillatoren pro Mol, die alle dieselbe Eigenfrequenz hatten. Da-mit konnte er die damaligen experimentellen Daten befriedigend beschreibenund zum ersten Mal erklaren, warum die spezifische Warme mit der Tempera-tur abnimmt. In den folgenden Jahren wurden dann die spezifischen Molwarmenvon Festkorpern bei immer tieferen Temperaturen genauer gemessen. Dabei zeig-ten sich systematische Abweichungen vom Einsteinschen Modell, die 1911 vonPeter Debye behoben wurden. Die Atomrumpfe in einem Festkorper schwingennicht unabhangig voneinander, sie sind ganz im Gegenteil stark gekoppelt. Die

Schwingungsanregungen sind daher gekoppelte Schwingungsmoden, die heutePhononen heißen und ein Mol eines atomaren Festkorpers hat i.A. 3NA un-terschiedliche Schwingungsfrequenzen νi, die jeweils mit der Wahrscheinlichkeitw(Eν , T ) angeregt sind. Die innere Energie ist daher gegeben durch

UMol =

NA∑

i=1

g(νi)hνi/(exp[hνi/kT ]− 1) (12)

Das Schwingungsspektrum ist im Allgemeinen nicht bekannt und schwer zuberechnen. Debye hat daher das Schwingungsspektrum in seinem Modell alsquasi kontinuierlich angenommen und durch die Spektraldichte g(ν) ≈ν2 an-genahert, wobei er diese aber bei der Grenzfrequenz abschnitt, die 3NA Schwin-gungszustanden entsprach. In seiner Theorie gibt es daher nur einen material-abhangigen Parameter, die Debye-Temperatur ΘD und der Verlauf der spezi-fischen Molwarmen mit der Temperatur hangt nur von T/ΘD ab. Dieses ein-fache Modell beschreibt die experimentellen Daten recht gut und daher wirddie Debye-Temperatur i.A. fur die Charakterisierung der Warmekapazitat vonFestkorpern genutzt. Stoffe wie Be, C, Al und Si haben hohe Debye- Temperatu-ren - sie haben ein

”hartes“ Schwingungsspektrum, d.h. hohe Eigenfrequenzen,

die erst bei sehr hohen Temperaturen angeregt werden konnen. Im Versuchsollen am Ende die Debyetemperaturen der Proben aus der gemessenen Tempe-raturabhangigkeit von CV abgeschatzt werden.

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X Anhang 3

Diagramme zur spezifischen Warmec

[JK

-1M

ol-1

]

T [K]

25

20

15

10

5

0 200 400 600 800

J = 430 K (Al)D

J = 470 K (Fe)D

J = 640 K (Si)D

J = 95 K (Pb)D

J = 2230 K (C)D

J = 930 K ( )BeD

Messung mitflüssigemStickstoff

Messung mitsiedendem

Wasser

Abbildung 3: Temperaturabhangigkeit der spezifischen Warme nach dem Debye-Modell fur verschiedene Elemente.

1,1

1,0

0,9

0,8

0,7

0,6

0,5

0,4

0,3

0,2

C

( N

)

/V

2C

(

H

O )

V2

C (300 K bis 373 K)V

C (77 K bis 300 K)V

Abbildung 4: Oben: Spezifische Warme beim Abkuhlen von Zimmertempera-tur auf die Temperatur des flussigen Stickstoffs bzw. beim Abkuhlen von derTemperatur des siedenden Wassers auf Zimmertemperatur als Funktion derDebey-Temperatur. Unten: Verhaltnis der spezifischen Warme beider Tempera-turbereiche.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 22 Millikanversuch

Versuch 22

Bestimmung der Elementarladung nach

Millikan

Abbildung 1: Ubersicht des Millikan-Versuchs.

I Messaufbau

• Millikan-Gerat (Plattenkondensator, Olzerstauber und Beleuchtung).

• Mikroskop-Kamera mit Monitor.

• Millikan-Steuergerat (Hochspannungsquelle, Triggerung der Stoppuhren).

• Zwei elektronische Stoppuhren.

• PC mit Drucker, Datenauswertung mit dem Programm Excel.

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart, 7.Auflage 1994,S. 310-313.

• W. Ilberg, M. Krotzsch, D. Geschke, Physikalisches Praktikum,B.G.Teubner Verlagsgesellschaft Stuttgart, Leipzig 10. Auflage 1994, S. 254-256.

• J. Becker, H.J. Jodl, Physikalisches Praktikum fur Naturwissenschaftler undIngenieure, VDI-Verlag GmbH Dusseldorf 1991, S. 152-155.

• Homepage des Praktikums:http://www.physi.uni-heidelberg.de/Einrichtungen/AP/Hier finden Sie weitere Informationen zum Versuch. Unter anderem konnenSie hier die Orginalarbeit Millikans,

”On the Elementary Electrical Charge

and the Avogadro Constant“, herunterladen.

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themen vor:Auftrieb, Stokesches Gesetz, Elektrisches Feld in einem Kondensator, Kraft aufeine Ladung im homogenen elektrischen Feld. Berechnen Sie die Summe allerKrafte auf ein im feldfreien Raum mit konstanter Geschwindigkeit sinkendesOltropfchen und auf ein im elektrischen Feld des Kondensators mit konstanterGeschwindigkeit steigendes Oltropfchen. Leiten Sie hiermit die beiden Gleichun-gen (5) und (6) ab.

IV Aufgaben

• Bestimmung der Elementarladung durch Messung der Sink- bzw. Steigge-schwindigkeit von elektrisch geladenen Oltropfchen im Plattenkondensator.

c© Dr. J.Wagner - Physikalisches Anfangerpraktikum - V. 1.2 Stand 06/2016

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 22 Millikanversuch

V Grundlagen

Robert A. Millikan

Robert A. Millikan hat im Jahre 1913 in der Fach-zeitschrift Physical Review eine Arbeit mit dem Ti-tel

”On the Elementary Electrical Charge and the

Avogadro Constant“ (Phys.Rev. 2 (1913), 109-143)veroffentlicht. Fur die in dieser Arbeit beschriebeneMessung der elektrischen Elementarladung erhielt Mil-likan im Jahre 1923 den Nobelpreis fur Physik. Der hierim Praktikum aufgebaute Versuch beruht im wesent-lichen auf der Originalapparatur von Millikan. Grund-prinzip des Millikan- Experiments ist die Tatsache,dass auf ein im homogenen Feld eines Plattenkonden-sators bewegliches, elektrisch geladenes Oltropfchenverschiedene Krafte wirken, die indirekt messbar sind.Dabei wird die Ladung eines Tropfchens aus der Mes-sung seiner Fallgeschwindigkeit vf im feldfreien Raumund seiner Steiggeschwindigkeit vs bei einer an denKondensator angelegten Spannung bestimmt.

Auf ein fallendes Tropfchen (ohne elektrisches Feld) wirken drei Krafte:

Gewichtskraft: FG =4

3πr3ρOl g (1)

Auftriebskraft: FA =4

3πr3ρLuft g (2)

Stokesche Reibung: FR = 6πrηv. (3)

Wobei r, ρOl, und v der Radius, die Dichte und die Geschwindigkeit desOltropfchens bezeichnen, g ist die Schwerebeschleunigung, ρLuft und η sinddie Dichte und die Viskositat der Luft. Tragt das Oltropfchen eine elektrischeLadung q, so wirkt im Feld eines Plattenkondensators eine zusatzliche Kraft,

elektrische Kraft: Fe = qU

d(4)

auf dieses ein. Hier ist q die Ladung des Tropfchens, U ist die am Kondensatoranliegende Spannung und d der Abstand der Kondensatorplatten.Aus der Summe aller Krafte, die ohne elektrisches Feld auf ein mit konstanterGeschwindigkeit vf fallendes Tropfchen wirken und aus der Summe der Krafte,

Abbildung 2: Einwirkende Krafte auf ein elektrisch geladenes Oltropfchenim Plattenkondensator. Links: Ohne elektrisches Feld. Rechts: Im elek-trischem Feld.

die auf ein im elektrischen Feld des Kondensators mit konstanter Geschwindig-keit vs steigendes Tropfchen wirken, lassen sich die beiden Gleichungen fur denRadius r und die Ladung q des Oltropfchens ableiten:

r =

2ρgvf (5)

q =(vf + vs)

9 vf η3

2 ρ g

6πd

U, (6)

wobei ρ die Differenz ( ρOl - ρLuft) darstellt.Berechnet man die Ladungen der Oltropfchen mit Hilfe von Gleichung (6) undleitet aus vielen solchen Messungen die Elementarladung e ab, so stellt manfest, dass der so bestimmte Wert um etwa einen Faktor 1,1 zu hoch ist. Ge-nauere Untersuchungen zeigen, dass dieser Faktor um so großer wird, je kleinerder Radius der Oltropfchen ist. Der Grund hierfur liegt in der Tatsache, dassdie Radien der Oltropfchen im Bereich 10−6 m bis 10−7 m liegen (folgt ausGleichung (5)). Dies entspricht derselben Großenordnung wie die mittlere freieWeglange der Molekule in Luft. Die Viskositat η wurde aber bei der bisherigenBetrachtung als konstant angenommen. Allerdings gilt dies nur dann, wenn der

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 22 Millikanversuch

Durchmesser der Oltropfchen deutlich großer ist als die mittlere freie Weglangeder Luftmolekule. Man kann aber die Viskositat η mit einem radiusabhangigenKorrekturfaktor f(r) versehen. Dieser auch schon von Millikan benutzte Kor-rekturfaktor (die sogenannte Cunningham-Korrektur des Stokeschen Gesetzes)ist gegeben durch:

η(r) = η0f(r) =η0

1 + brp

. (7)

Hier ist η0 der Grenzwert der Viskositat fur sehr große Oltropfchen, p ist derLuftdruck und b eine empirische Konstante. Da bei unserer Betrachtung derRadius r von η abhangt, Gleichung (5), musste man (um r exakt zu berechnen)Gleichung (7) in Gleichung (5) einsetzen und nach r auflosen (fuhrt auf einequadratische Gleichung). Es zeigt sich aber, dass es genugt, in Gleichung (5)mit η0 zu rechnen. Der Fehler, den man dabei fur r macht, liegt bei etwa 5 %.Der daraus resultierende Fehler fur den Korrekturfaktor f betragt nur etwa0,5 % und ist somit vernachlassigbar.

Bei der Auswertung zu verwendende Konstanten:

Viskositat der Luft η0 = 1, 81× 10−5 Ns/m2

Schwerebeschleunigung g = 9.81 m/s2

Dichte des Ols bei 15C ρOl = 877 kg/m3

Dichte des Ols bei 25C ρOl = 871 kg/m3

Dichte der Luft ρLuft = 1, 29 kg/m3

Konstante im Korrekturfaktor b = 7, 78× 10−3 Pa m

Abstand der Kondensatorplatten d = (6, 00± 0, 05) mm

Skala auf dem Bildschirm 1Skt = (5, 00± 0, 13)× 10−5 m

VI Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Machen Sie sich mit der Versuchsapparatur vertraut. Bringen Sie Oltropfchenin den Kondensator ein und beobachten Sie ihr Verhalten unter dem Einfluss

der angelegten Spannung (ungefahr 500 Volt einstellen, eingestellten Wertnotieren und dann nicht mehr verandern). Benutzen Sie zur Scharfstellungdas Einstellrad an der Mikroskopfuhrung. Beachten Sie die Prozedur zumNullstellen der Stoppuhren (ist auf den Uhren angegeben). Diese mussen Sienur einmal durchfuhren. Mit dem rechten Schalter des Steuergerats startenSie die obere Uhr, mit der die Fallzeit der Tropfchen gemessen wird. Mit demlinken Schalter wird die Spannung am Kondensator angelegt, gleichzeitig wirddie obere Stoppuhr angehalten und die untere Stoppuhr gestartet. Am oberenUmkehrpunkt des Tropchens wird der linke Schalter wieder ausgeschaltet, diesstoppt die untere Uhr und startet wieder die obere Uhr, usw. Am Ende derMessung eines Tropfchens wird schließlich wieder der rechte Schalter betatigt.

3. Suchen Sie sich ein langsam steigendes Tropfchen aus. Messen Sieseine Fallgeschwingkeit (ohne elektrisches Feld) und seine Steiggeschwindigkeit(mit elektrischem Feld) jeweils 5 mal und notieren Sie die Werte der einzelnenMessungen (Wege und Zeiten). Aus der Verteilung der insgesamt 10 Messwertesoll spater die Genauigkeit der Geschwindigkeitsmessung abgeschatzt werden.Achtung: Beim Starten und Stoppen der Zeiten an den UmkehrpunktenParallaxe beachten (Augen sollten auf Hohe des Oltropfchens sein!).

4. Messen Sie die Fall- und Steiggeschwindigkeiten von insgesamt etwa40 bis 60 Tropfchen. Verfolgen Sie nach Moglichkeit ein Tropfchen bei mehrerenFall- und Steigbewegungen.

5. Notieren Sie die Werte fur Temperatur und Luftdruck.

6. Tragen Sie die jeweils 4 Werte fur jedes gemessene Tropfchen (Fallwegund Fallzeit, Steigweg und Steigzeit) in die Tabelle des Excel-Programms zurAuswertung ein.

7. Drucken Sie die Excel-Tabelle aus.

VII Auswertung

1. Verifizieren Sie fur ein ausgewahltes Tropfchen die von Excel berechnetenWerte, d.h. berechnen Sie fur dieses Tropfchen von Hand vf , vs, r0, f(r0) undq unter Berucksichtigung der Einheiten (r0 ist der mit η0 berechnete Radius).

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 22 Millikanversuch

2. Zeichnen Sie (von Hand) ein Histogramm aller gemessenen Ladungen,die im Bereich von 0 As bis ca. 10−18 As liegen. Wahlen Sie als Intervallgroße2 × 10−20 As.

3. Uberprufen Sie, ob der im Excel-Programm benutzte Wert fur dieobere Grenze der gemessenen Ladung eines einfach geladenen Tropfchensvernunftig ist. Konnen Sie sicher sein, dass der im Excel-Programm berechneteWert einer Elementarladung e entspricht (und nicht etwa 2e oder 3e)?

4. Schatzen Sie den systematischen Fehler ∆q/q unter Berucksichtigungder oben angegebenen Fehler einiger Eingabegroßen ab. Nehmen Sie fur denFehler der Spannungsmessung 0,5 %, fur den Fehler der Viskositat (einschließ-lich des Korrekturfaktors) 2,0 % und fur den Fehler der Oldichte 0,5 % an.Verwenden Sie dazu die folgende Formel und begrunden Sie die in der Formelenthaltenen Vorfaktoren 1/2 und 3/2:

∆q

q=

(3∆s

2s

)2

+(∆ρ

)2

+(3∆η

)2

+(∆d

d

)2

+(∆U

U

)2

(8)

5. Nehmen Sie an, dass der statistische Fehler im wesentlichen auf den Mess-fehlern beruht, die Sie bei den Geschwindigkeitsmessungen machen. SchatzenSie aus der Verteilung der 5 Werte fur q, die Sie mit Hilfe von Gleichung (6) ausden Messungen in Aufgabe 3 erhalten haben, den resultierenden Fehler einerEinzelmessung fur q ab und vergleichen Sie ihn mit der von Excel bestimmtenStandardabweichung einer Einzelmessung.

6. Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit dem Literaturwert

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivitat

Grundlagen zu den Versuchen der

Radioaktivitat

I Das Geiger-Muller Zahlrohr

Das Geiger-Muller-Zahlrohr ist ein Nachweisgerat fur ionisierende Strahlung(α−, β−, γ und Rontgenstrahlen). Es besteht aus einem Metallzylinder und ei-nem darin axial verlaufenden Anodendraht (Abbildung 1). Das Rohr ist an bei-den Enden fest verschlossen und mit einem geeigneten Gasgemisch gefullt, bei-spielsweise Argon und Alkoholdampf. Soll mit dem Zahlrohr auch α-Strahlungdetektiert werden, so benotigt man ein sogenanntes Fensterzahlrohr. Bei diesemist eine Stirnseite mit einem nur schwach absorbierenden Fenster (z.B. Glimmer)versehen, so dass auch α-Teilchen in das Zahlrohr eindringen konnen. Zwischendem Anodendraht und dem Metallzylinder liegt eine Spannung von einigen 100bis 1000 Volt, die je nach Gasfullung und Abmessungen des Zahlrohrs eingestelltwerden muss.Das Grundprinzip eines Zahlrohres beruht auf der Ionisation des Fullgases durchionisierende Strahlung. Gelangt ein schnelles, elektrisch geladenes Teilchen, z.B.ein β-Teilchen, in das Zahlrohr, so entstehen durch Ionisation des Zahlgaseslangs der Bahn des Teilchens freie Elektronen und positiv geladene Ionen. DieElektronen werden aufgrund des elektrischen Feldes in Richtung des Anoden-drahtes beschleunigt und konnen durch Stoße weitere Gasmolekule ionisieren.Diese freien Elektronen leiten eine Gasentladung ein, die jedoch bei geeigneterWahl der Spannung und einem entsprechend dimensionierten Vorwiderstand,nach etwa 10−5 Sekunden selbst erlischt. Bei dieser Gasentladung fließt fur kurzeZeit ein Strom im Zahlrohr, der an dem Widerstand einen Spannungsimpuls ver-ursacht. Dieser lasst sich elektronisch verstarken und mit einer Zahlerschaltungregistrieren.

I.1 Kennlinie eines Zahlrohres

Die genauen Vorgange im Zahlrohr sind etwas komplizierter und hangen beson-ders von der Zahlrohrspannung ab:Dringt ionisierende Strahlung in das Zahlrohr ein, so ist die Anzahl derprimar erzeugten Ladungstrager stets proportional zur Energie der einfallen-den Strahlung. Bei kleinen Zahlrohrspannungen erreicht aber nur ein Teil der

Gasfüllung

10 MW

U ~ 500VZ

+-

Verstärker

Fenster(Glimmer, Mylar)

Anodendraht

Metallzylinder(Kathode)

1254

Zähler

be-

+

ionisierteGasteilchen

Abbildung 1: Aufbau eines Fensterzahlrohrs.

Primarelektronen den Anodendraht, der Rest geht durch Rekombinationen ver-loren. Mit zunehmender Spannung sinkt die Rekombinationswahrscheinlichkeitund nahezu alle Primarelektronen gelangen zur Anode. Der Strom durch dasZahlrohr ist in diesem Spannungsbereich proportional zur Energie der einfallen-den Strahlung. In diesem Bereich arbeitet beispielsweise eine Ionisationskam-mer zur Messung der Primardosisleistung. Im Versuch

”Absorption und Dosi-

metrie von Rontgenstrahlen“ werden Sie sich mit diesem Gerat1 noch genauerbeschaftigen.

Wird die Zahlrohrspannung weiter erhoht, so werden die Primarelektronen ir-gendwann so stark beschleunigt, dass sie in der Lage sind durch Stoße wei-tere Gasmolekule zu ionisieren. Es entstehen Sekundarelektronen dessen An-zahl allerdings immer noch proportional zur Zahl der Primarelektronen ist.Dieser Spannungsbereich wird als Proportionalbereich bezeichnet. Bei nochhoheren Spannungen werden neben den primar erzeugten Elektronen, auch dieSekundarelektronen so stark beschleunigt, dass diese selbst das Fullgas ionisie-ren. Die Zahl der erzeugten Elektronen steigt derart an, dass jedes einfallende

1Bei diesem Versuch wird allerdings kein Zahlrohr eingesetzt, sondern ein Aufbau mit eineranderen Geometrie. Das Grundprinzip entspricht aber den Erlauterungen im Text.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivitat

Anza

hl

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Zählrohrspannung

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eich

Plateaubereich

Gas

entl

adung

Abbildung 2: Schematische Darstellung der Charakteristik eines Zahlrohrs.

Teilchen eine Elektronenlawine langs des Anodendrahtes hervorruft. Damit dieGasentladung nach kurzer Zeit wieder abklingt, ist dem Zahlrohr ein Loschgas(z.B. Alkoholdampf) beigemengt. Dadurch erlischt die Entladung nach eini-gen 10−5 s von selbst. In diesem sogenannten Plateaubereich (bzw.Geiger-Muller-Bereich oder Auslosebereich) erzeugt jedes einfallen-de Teilchen, unabhangig von seiner Energie, ein gleich großes Entla-dungssignal. Allerdings geht dabei auch jegliche Information der Energie dereinfallenden Strahlung verloren. Ein im Auslosebereich betriebenes Zahlrohreignet sich daher nur zur Detektion von ionisierender Strahlung und wird spe-ziell fur Zahlanwendungen verwendet. Daher der Name Zahlrohr. Eine weite-re Erhohung der Zahlrohrspannung bewirkt zunachst keine Erhohung der Zahlder erzeugten freien Elektronen. Jede einfallende ionisierende Strahlung bewirktja bereits, dass das Zahlrohr von einer Elektronenlawine durchsetzt wird. DieZahlrohrkennlinie verlauft in diesem Bereich daher sehr flach, d.h. plateauartig.Wird die Zahlrohrspannung weiter erhoht, so kommt man irgendwann in den

Bereich, in dem eine Dauerentladung gezundet wird. Diese klingt nicht mehrselbststandig ab und fuhrt in der Regel zur Zerstorung des Zahlrohres.

I.2 Der Plateaubereich

Bei vielen Experimenten zur Radioaktivitat ist man nur daran interessiert, be-stimmte Ereignisse nachzuweisen. Ein Beispiel ist der radioaktive Zerfall einesinstabilen Elements, bei dem man die Zahl der pro Zeiteinheit zerfallenen Ato-me messen mochte. Ein anderes Beispiel sind Absorptionsmessungen von ra-dioaktiver Strahlung. Hierbei mochte man untersuchen, welcher Bruchteil dereinfallenden Strahlung einen Absorber durchdringen kann. All dies sind reineZahlaufgaben, die mit einem Zahlrohr im Plateaubereich durchgefuhrt werden.In diesem Bereich ist der im Zahlrohr erzeugte Stromimpuls unabhangig von derEnergie der Strahlung. Jedes einfallende ionisierende Teilchen liefert das gleicheAusgangssignal, welches der nachgeschalteten Elektronik als Triggersignal eineselektronischen Zahlers dient und den Zahlerstand um Eins erhoht.

Plateau

Zäh

lrat

eZählrohrspannung

Einsatzspannung UE

Abbildung 3: Gemessener Pla-teaubereich eines Geiger-Muller-Zahlrohres.

Tragt man die gemessene Zahlrate eines radioaktiven Praparates konstanterAktivitat als Funktion der Zahlrohrspannung auf, so erhalt man einen Ver-lauf, wie er in Abbildung 3 dargestellt ist. Im Idealfall wurde man erwarten,dass die Zahlrate mit zunehmender Spannung im Plateaubereich uberhauptnicht steigt. In der Praxis ist dennoch ein gewisser Anstieg zu beobachten. Die

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivitat

Ursachen hierfur sind zum einen auf Inhomogenitaten des elektrischen Feldeszuruckzufuhren, die zu einer unregelmaßigen Ladungsverteilung langs des An-odendrahtes fuhren. Zum anderen tragen auch Nachentladungen zum Plateau-anstieg bei. Bei guten Zahlrohren sollte der Plateubereich langer als 100 V seinund nur eine geringe Steigung von wenigen Prozent pro 100 V aufweisen.

Beim Betrieb eines Geiger-Muller-Zahlrohres im Auslosebereich, muss dieZahlrohrspannung so gewahlt werden, dass bei zufalligen Spannungsschwankun-gen, die Einsatzspannung UE nicht unterschritten wird. Dazu muss zunachst derPlateaubereich gemaß Abbildung 3 ausgemessen werden. Anschließend wird dieBetriebsspannung so eingestellt, dass diese ca. 50 bis 100 V großer ist als dieEinsatzspannung.

I.3 Totzeit eines Zahlrohres

Nach jedem Entladungsimpuls ist das Zahlrohr fur eine gewisse Zeit lang un-empfindlich gegen neu eintretende Strahlung. Erst nach Ablauf dieser Totzeit(typischerweise 10−4 s) ist das Zahlrohr zum Nachweis eines Teilchens erneut be-reit. Der Hauptgrund hierfur liegt bei den positiv geladenen Ionen des Zahlgases,die das Feld der Anode abschirmen und aufgrund ihrer großen Masse nur lang-sam driften. Erst wenn die Ionen zur Kathode gedriftet sind und hier entladenwerden, ist das Zahlrohr wieder einsatzbereit.

Sollen bei einem bestimmten Experiment die Ereignisse nicht nur detektiert son-dern auch quantitativ ausgewertet werden, so mussen bereits bei wenigen hun-dert Ereignissen pro Sekunde Totzeitkorrekturen vorgenommen werden. Dies istauch der Grund dafur, dass bei dem Versuch

”Statistik des radioaktiven Zer-

falls“ die Messzeit nicht beliebig klein gewahlt werden darf. Bei diesem Versuchmessen Sie viele Male hintereinander die Anzahl der Zerfalle eines radioaktivenPraparates innerhalb eines bestimmten Zeitraums und werten diese mit Hilfestatistischer Methoden aus. Um eine gute Statistik zu bekommen, benotigt manin der Regel viele Messwerte, was eine lange Experimentierzeit mit sich bringt.Nun konnte man vermuten, dass die Anzahl der Messwerte in der Weise erhohtwerden kann, indem die Messzeit einer Einzelmessung verkleinert und dafur dieEreignissrate erhoht (z.B. das Praparat naher an das Zahlrohr bringen) wird.Dies ist aber nur dann moglich, wenn die Zahlrate nicht zu groß wird. Bereits bei200 Impulse/s hat die Totzeit bei diesem Versuch einen solch großen Einfluss,dass die experimentellen Werte erheblich von den theoretischen abweichen.

I.4 Statistische Schwankungen

Die Zahl der Teilchen, die aus einem Praparat in das Zahlrohr eindringen, iststatistischen Schwankungen unterworfen. Daher streuen wiederholte Messungenderselben Zahlrate um einen Mittelwert. Der mittlere statistische Fehler ei-ner Zahlung von n Teilchen ist gegeben durch

√n, der mittlere relative

Fehler also√n/n = 1/

√n. Werden beispielsweise 1000 Ereignisse gezahlt, so

betragt der absolute Fehler 32 Ereignisse bzw. der relative Fehler 3%. Bei 10000Ereignissen betragt der relative Fehler nur noch 1%. Bei allen graphischen Dar-stellungen werden die Messpunkte mit Fehlerbalken entsprechend dem mittlerenFehler versehen. Eine detaillierte Einfuhrung in die Statistik des radioaktivenZerfalls, erhalten Sie in der Versuchsbeschreibung

”Statistik des radioaktiven

Zerfalls“ und in dem Aufsatz”Wir wollen richtige Fehler“ zu Beginn dieser

Anleitung.

I.5 Nulleffekt

Auch ohne Praparat zahlt das Zahlrohr eine gewisse Zahlrate (ca. 50 Ereignissepro Minute). Dieser Nulleffekt wird durch die uberall in geringer Konzentrationvorhandene naturliche Radioaktivitat und die Hohenstrahlung verursacht. Fallsder Nulleffekt nicht klein gegen den statistischen Fehler des Messwertes ist, mussdieser bei Messungen an einem radioaktiven Praparat abgezogen werden.

II Betriebsanleitung des Zahlgerates BF-SG 11

Inbetriebnahme des Zahlgerates - Einstellung der Einsatzspannung:

1. Kontrollieren Sie, ob die Hochspannung ausgeschaltet ist!

2. Falls das Zahlrohr noch nicht angeschlossen ist, schließen Sie dieses an dieBuchse GM (Geiger-Muller) an. Der Kippschalter daneben, muss in derStellung GM sein. Im Bedienfeld daneben, lasst sich die Triggerschwelleeinstellen. Da wir diese Funktion nicht benotigen, drehen Sie den Regler

”Untere Schwelle“ ganz nach links und den Regler

”Obere Schwelle“ ganz

nach rechts. Anschließend konnen Sie das Gerat einschalten. Der Netzschal-ter befindet sich unten rechts.

3. Ziehen Sie den Regler fur die Hochspannungseinstellung leicht heraus undstellen Sie diesen auf ca. 40 (entspricht 400 V) ein. Durch Drucken kann

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Grundlagen zu den Versuchen der Radioaktivitat

Lautstärke-regler

ZeitbasisAnschluss für

externen Zähler Netzschalter

RESET sec

min

8

Zählersteuerung

START STOP

Anschluss für Zählrohr

Hochspannung Interner Zähler

OBEN

x 10 [V]

EIN

Schwelle

UNTEN

Regler für Zählrohrspannung

Anzeige-InstrumentAUS

Abbildung 4: Frontplatte des Zahlgerates BF-SG 11.

dieser Knopf spater gegen Verdrehen gesichert werden.

4. Schalten Sie nun die Hochspannung ein. Den genauen Wert konnen Sieauf dem Anzeige-Instrument ablesen. Dazu mussen die Schalter unter demInstrument auf

”HV“ (High Voltage) und

”1 kV“ gestellt werden.

5. Schrauben Sie das Praparat in die Halterung vor dem Zahlrohr.

6. Das Zahlgerat besitzt einen integrierten Lautsprecher, mit dem Sie dieregistrierten Ereignisse akustisch verfolgen konnen. Drehen Sie dazu denLautstarkeregler etwa eine halbe Umdrehung nach rechts.

7. Erhohen Sie nun langsam die Zahlrohrspannung bis Sie ein sprungartigeinsetzendes akustisches Signal horen. Dieser Spannungswert entspricht derEinsatzspannung VE .

Bedienung des Internen Zahlers:

1. Um die Anzahl der registrierten Ereigniss quantitativ festzuhalten, besitztdas Zahlgerat einen internen Zahler. Die Zahlung wird automatisch nacheiner vorgegebenen Zeit (Zeitbasis, Torzeit) gestoppt, die Sie an den bei-den Digitalschaltern und dem Umschalter

”sec/∞/min“ einstellen konnen.

Dabei steht”sec“ fur Sekunden,

”∞“ fur eine Dauermessung ohne Stopp-

funktion und”min“ fur Minuten.

2. Die Ausgabe des Zahlerstandes kann entweder nur an die Anzeige erfolgenoder zusatzlich an einen externen Drucker. Fur den Druckerbetrieb mussder Schalter

”Drucker“ auf

”EIN“ gestellt werden.

3. Drucken Sie die”Start“-Taste um den Zahler zu starten. Der Zahlvorgang

wird automatisch nach der eingestellten Torzeit gestoppt oder manuelldurch Drucken der

”Stop“-Taste. Um den Zahlerstand auf Null zu setzen,

mussen Sie die”Reset“-Taste drucken. Wenn die linke Reset-LED leuchtet

(dauert ca. 2 Sekunden) konnen Sie den Zahler erneut starten.

4. Den Schalter”×1“ bzw.

”×10“ neben der Zahleranzeige, sollten Sie stets

in der Position”×1“ stehen haben. In der Stellung

”×10“ wird nur jeder

zehnte Impuls gezahlt!

Messung des Zahlrohrplateaus:

1. Erhohen Sie die Zahlrohrspannung um 50 V uber der Einsatzspannung VE

und bringen Sie das Praparat (60Co oder 137Cs) in einen solchen Abstand,dass ca. 50 bis 100 Ereignisse pro Sekunde gezahlt werden.

2. Ausgehend von VE wird nun ein Teil des Plateaubereichs ausgemessen.Stellen Sie fur die Messzeit 30 Sekunden ein und messen Sie bis zu einerSpannung von VE+150 V in Schritten von 25 V. Tragen Sie die Messwertesofort in ein Diagramm gemaß Abbildung 3 ein.

3. Stellen Sie nach der Messung die Zahlrohrspannung auf die Mitte des ge-messenen Plateaubereichs ein.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Versuch 251/2 Statistik/ Halbwertszeit

Versuch 251

Statistik des radioaktiven Zerfalls,

Halbwertszeit

Abbildung 1: Versuchsaufbau.

I Messaufbau

• Geiger-Muller Zahlrohr mit Betriebsgerat

• Externer Impulszahler

• PC mit Drucker

• Neutronenquelle

• Praparatehalterung

• Radioaktives Praparat (60Co oder 137Cs, Indium)

II Literatur

• W. Walcher, Praktikum der Physik, B.G.Teubner Stuttgart.

• J. Stiewe, Wir wollen richtige Fehler, der Praktikumsanleitung beigefugt.

• Homepage des Praktikums (http://www.physikpraktika.uni-hd.de).

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themenvor: Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung und Statistik, RadioaktiverZerfall, Geiger-Muller-Zahlrohr.

Verstandnisfragen:

1. Was ist Radioaktivitat?

2. Wie lautet das Zerfallsgesetz?

3. Was ist ein Isotop?

4. In welcher Beziehung stehen die Binomial-, Poisson- und Gauß-Verteilung?

5. Wodurch wird die mit einem Zahlrohr gemessene Zahlrate bestimmt?Warum muss die Messung im Plateaubereich durchgefuhrt werden?

6. An einer Probe eines langlebigen radioaktiven Materials werde als Mitteleiner Reihe von 20 Messungen eine Rate von 23,5 Zerfallen pro 10 s gemes-sen.

a) Wie groß ist die Varianz dieser Verteilung?

b) Wie groß ist der Fehler des Mittelwertes?

7. Die Große von 4402 Studenten sei normalverteilt mit einem Mittelwert von185 cm und einer Standardabweichung von 3 cm.

a) Wie viele dieser Studenten haben eine Große zwischen 179 cm und188 cm?

b) Wie viele sind großer als 191 cm?

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Versuch 251/2 Statistik/ Halbwertszeit

IV Aufgaben

1. Messen Sie ausgehend von der Einsatzspannung bis 150 V daruber dieZahlrohrcharakteristik.

2. Untersuchen Sie den Anstieg der Zahlrate im Plateau des Zahlrohrs unterBerucksichtigung der statistischen Schwankungen.

3. a) Anhand einer langen Messreihe sind die Schwankungen der Zahlrateexperimentell zu untersuchen und damit die statistische Natur desradioaktiven Zerfalls zu bestatigen.

b) Berechnen Sie anhand der Tabelle des Messprotokolls, wie viele Mes-sungen um mehr als ±σexp,±2σexp und ±3σexp vom Mittelwert ab-weichen und vergleichen Sie dies mit den theoretischen Erwartungen.

4. Bestimmung der Halbwertszeit von 116In

V Motivation

Radioaktive Atome tragen in sich eine geheimnisvolle innereStatistik-Uhr

”Ein Atom ist zwar bekanntlich nicht unteilbar, doch alles in allem sehr

stabil. Die allermeisten Atome in unserer Welt existieren bereits seit Milliardenvon Jahren. Sie wurden irgendwann im Inneren eines Sterns erbrutet. Doch esgibt auch instabile Atome, die nicht fur die Ewigkeit gemacht sind. Ohne jedenaußeren Einfluss konnen sie ganz spontan zerfallen. Solche Atome nennt manradioaktiv. Beim Zerfall senden sie Strahlung aus - Heliumatomkerne (Alpha-Strahlung), Elektronen (Beta-Strahlung) oder energiereiche elektromagnetischeWellen (Gamma-Strahlung). Betrachtet man ein einzelnes radioaktives Atom,so kann niemand vorhersagen, auch der beste Physiker nicht, wann diesesAtom zerfallen wird. Das kann in der nachsten Sekunde geschehen, in einemMonat oder in tausend Jahren. Die

”innere Uhr“ eines radioaktiven Atoms

kennen wir nicht. Und doch gehorcht der Zerfall radioaktiver Atome prazisenGesetzen der Statistik. So lasst sich genau vorhersagen, wie sich Kollektive ausvielen Atomen verhalten werden, auch wenn das Schicksal jedes Einzelatomsnicht vorhersehbar ist. Nach einer ganz bestimmten Zeit, der so genanntenHalbwertszeit, ist stets die Halfte aller zunachst vorhandenen Atome zerfallen.

Die Halbwertszeit ist dabei ein fur jede Sorte radioaktiver Atome charakteristi-scher Wert. Das Isotop Jod-131 besitzt zum Beispiel immer eine Halbwertszeitvon 8,02 Tagen. Manche Atome sind so instabil, dass ihre Halbwertszeit nurBruchteile von Sekunden betragt. Nach nur 1,05 Millionstel Sekunden sindbeispielsweise 50 Prozent der Thorium-219-Atome zerfallen. Auch das andereExtrem gibt es. Uran-235, das zum Bau von Atombomben verwendet wird, hateine Halbwertszeit von mehr als 700 Millionen Jahren.“1

VI Grundlagen

VI.1 Wahrscheinlichkeitsverteilungen

Misst man mit einem Zahlrohr die von einem radioaktiven Praparat emittiertenTeilchen unter unveranderten Versuchsbedingungen, so wird man in der Regelbei jeder Messung eine etwas andere Teilchenzahl erhalten. Der Grund hierfurist, dass jeweils wahrend der Messzeit nur ein kleiner Bruchteil der radioaktivenAtome zerfallt, und dass die einzelnen Zerfallsprozesse vollig unabhangig von-einander stattfinden. Die genaue Anzahl der innerhalb der Messzeit zerfallendenAtome bleibt daher dem Zufall uberlassen.

Allerdings lasst sich mit dem Zufall hervorragend experimentieren und rechnen.Der Zufall zeigt Gesetzmaßigkeiten! Zwar ist es unmoglich den Zerfallszeitpunkteines einzelnen Atomkernes vorherzusagen - uber eine große Anzahl vonKernen lassen sich dagegen durchaus Vorhersagen treffen. Tragt man beispiels-weise die mit einem Zahlrohr gemessene Zahlrate in ein Histogramm ein undwiederholt dieses viele Male, so wird man unter bestimmten Voraussetzungen2

stets dieselbe Verteilung erhalten (Vergleiche Abbildung 2). In den folgendenAbschnitten wollen wir untersuchen, welche statistische Verteilungen geeignetsind den radioaktiven Zerfall zu beschreiben.

”Alle Dinge umfaßt eine bestimmte Ordnung und was den ihm angewie-

senen Platz verlaßt, das tritt damit zwar in den Bereich einer andern Ordnungein, aber niemals fallt es vollig aus aller Ordnung heraus, denn Willkur undZufall sind unbekannt im Reiche der Vorsehung!“ 3

1Norbert Lossau, Artikel vom 18. August 2004 in der Zeitung”Die Welt“

2Die Halbwertszeit des Isotops muss groß gegenuber der Beobachtungszeit sein.3Boethius Anicius Manlius Severinus: Die Trostungen der Philosophie

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Versuch 251/2 Statistik/ Halbwertszeit

n=10 n=100

n=500 n=1000

n=10000 n=50000

2

1.5

1

0.5

060 70 80 90 100 110 120 130 140 150

Anzahl der Zerfälle/Zeiteinheit

Häu

figkei

tH

äufi

gkei

tH

äufi

gkei

t

Häu

figkei

tH

äufi

gkei

tH

äufi

gkei

t

60

50

40

30

20

10

0

10

8

6

4

2

0

0

5

10

15

25

20

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450 2500

2000

1500

1000

500

0

60 70 80 90 100 110 120 130 140 150

Anzahl der Zerfälle/Zeiteinheit

60 70 80 90 100 110 120 130 140 150

Anzahl der Zerfälle/Zeiteinheit

60 70 80 90 100 110 120 130 140 150

Anzahl der Zerfälle/Zeiteinheit

60 70 80 90 100 110 120 130 140 150

Anzahl der Zerfälle/Zeiteinheit

60 70 80 90 100 110 120 130 140 150

Anzahl der Zerfälle/Zeiteinheit

Abbildung 2: Tragt man die pro Zeiteinheit gemessenen radioaktive Zerfalleeiner großen Anzahl von Atomen in ein Histogramm ein, so erhalt man nachvielen Messungen stets dieselbe Verteilung. n bezeichnet die Anzahl der Mes-sungen.

VI.1.1 Die Binomial-Verteilung

Die Binomial-Verteilung ergibt sich aus folgender Fragestellung:

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafur, dass ein Ereignis A bei n voneinander

unabhangigen Versuchen genau k-mal eintritt, wenn p die Wahrscheinlichkeit fur

das Eintreten des Ereignisses A bei einem Versuch ist und (1− p) die Wahrschein-

lichkeit fur das Nichteintreten dieses Ereignisses darstellt?

Nehmen wir zunachst an, dass das Ereignis A gerade bei den ersten k Versucheneintritt, bei den folgenden n−k dagegen nicht. Da die Versuche voneinander sta-tistisch unabhangig sein sollen, mussen die Wahrscheinlichkeiten fur die einzel-nen Versuche multipliziert werden. Somit ergibt sich fur die WahrscheinlichkeitW dieses konkreten Beispiels:

W = pk(1− p)n−k. (1)

Das Ereignis A muss aber nicht unbedingt bei den ersten k Versuchen auftreten.Es muss nur innerhalb von n Versuchen genau k-mal vorkommen. Die Reihenfol-ge ist dabei beliebig. Nun gibt es aber genau

(

nk

)

Moglichkeiten, aus n Elementen

k herauszugreifen. Unter Beachtung aller moglichen Permutationen(

nk

)

erhaltenwir schließlich die Binominal-Verteilung:

B(k;n, p) =

(

n

k

)

pk(1− p)n−k. (2)

Dazu folgendes Beispiel: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei zehnma-ligem Wurfeln genau dreimal die Zahl

”4“ fallt?

aus p = 1/6, n = 10 und k = 3 folgt:

B(3; 10, 1/6) =

(

10

3

)(

1

6

)3(

1− 1

6

)10−3

= 15, 5%

Die Binomial-Verteilung ist eine diskrete4, zweiparametrische Verteilungmit den Parametern n und p. Als Notation verwenden wir die BezeichnungB(k;n, p). Dabei kennzeichnet das Kurzel B, dass es sich um eine Binomial-Verteilung handelt. In der Klammer wird zunachst die Variable angegeben,

4d.h. n, k ∈ N

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43

Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Versuch 251/2 Statistik/ Halbwertszeit

anschließend - getrennt durch ein Semikolon - die Parameter.

Eigenschaften der Binomial-Verteilung:

Normierung:

n∑

k=0

B(k;n, p) = 1 (3)

Mittelwert: 〈k〉 =n∑

k=0

k B(k;n, p) = np (4)

Varianz: σ2 =

n∑

k=0

k2 B(k;n, p)− 〈k〉2 = np (1− p) (5)

Standardabweichung: σ =√

np (1− p) (6)

Unsere bisherigen Uberlegungen zur Binomial-Verteilung lassen sich nun ein-fach auf den radioaktiven Zerfall ubertragen. Auch hier handelt es sich um einEreignis mit zwei moglichen Ausgangen: Entweder ein radioaktiver Atomkernzerfallt innerhalb eines gewissen Beobachtungszeitraums oder eben nicht. Stelltp die Zerfallswahrscheinlichkeit eines Atomkerns dar, so beschreibt die Binomial-Verteilung die Wahrscheinlichkeit, dass von n Atomkernen, genau k innerhalbeines bestimmten Zeitraums t zerfallen.Die Zerfallswahrscheinlichkeit p hangt naturlich vom Beobachtungszeitraum ab.Je langer Sie warten, desto mehr Zerfalle werden Sie beobachten. Es lasst sichleicht zeigen, dass fur p gilt:

p(t) = 1− e−λ t, (7)

wobei die Zerfallskonstante λ eine fur das Isotop charakterische Große darstellt.Sie werden diesen Sachverhalt in dem nachsten Praktikumsversuch,

”Aktivie-

rung von Indium und Silber mit langsamen Neutronen“, noch genauer unter-suchen. Ist die Zerfallskonstante sehr klein, wie es bei den in diesem Versuchverwendeten radioaktiven Praparaten der Fall ist, so kann die Zerfallswahr-scheinlichkeit p fur einen festen Beobachtungszeitraum als konstant angenom-men werden.Obwohl die Binomial-Verteilung die Statistik des radioaktiven Zerfalls sehr gutbeschreibt, ist sie in der Praxis nur schwer handzuhaben. Stellen sie sich vor,sie mussten die Fakultat von n ≈ 1023 ausrechnen! In vielen Fallen ist aber dieZerfallswahrscheinlichkeit p sehr klein und die Anzahl der Atome n sehr groß.

0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 200,00

0,05

0,10

0,15

0,20 n=20p=1/2

B(k

;n,p

)

k

30 40 50 60 700,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

n=100p=1/2

B(k

;n,p

)

k

10 20 30 400,00

0,05

0,10

0,15n=40p=1/5

B(k

;n,p

)

k

5 10 15 20 25 30 35 400,00

0,05

0,10

0,15n=40p=4/5

B(k

;n,p

)

k

0 2 4 6 8 100,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

n=10p=1/6

B(k

;n,p

)

k0 10 20

0,00

0,05

0,10

0,15 n=80p=1/8

k

B(k

;n,p

)

Abbildung 3: Binomial-Verteilung fur unterschiedliche Werte von n und p.

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44

Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Versuch 251/2 Statistik/ Halbwertszeit

Sofern dies gilt, lassen sich einige mathematische Naherungen anwenden undwir erhalten schließlich aus der Binomial-Verteilung die Poisson-Verteilung.

VI.1.2 Die Poisson-Verteilung

Fur kleine Zerfallswahrscheinlichkeiten (p → 0) und eine große Anzahl von ra-dioaktiven Atome (n → ∞) kann die Binomial-Verteilung durch die Poisson-Verteilung angenahert werden. Allerdings mussen wir fordern, dass der Mittel-wert µ ≡ 〈k〉 = np endlich bleibt. Die Poisson-Verteilung ist also dann gultig,wenn die durchschnittliche Anzahl der Ereignisse (d.h. der Mittelwert) das Er-gebnis einer sehr großen Zahl von Ereignismoglichkeiten und einer sehr kleinenEreigniswahrscheinlichkeit ist. Die mathematische Herleitung dieser Verteilungfinden Sie im Anhang. Wir wollen an dieser Stelle nur das Ergebnis angeben:

P (k;µ) =µke−µ

k!. (8)

Die Poisson-Verteilung ist wie die Binomial-Verteilung eine diskrete Verteilung(k ∈ N). Sie ist eine einparametrige Verteilung, die durch den Mittelwert µvollstandig beschrieben wird.

Eigenschaften der Poisson-Verteilung:

Normierung:

∞∑

k=0

P (k;µ) = 1 (9)

Mittelwert: 〈k〉 =∞∑

k=0

k P (k;µ) = µ (10)

Varianz: σ2 =

∞∑

k=0

k2 P (k;µ)− 〈k〉2 = µ (11)

Standardabweichung: σ =√µ (12)

Beachten Sie, dass der Parameter µ zugleich den Mittelwert als auch die Varianzdarstellt. Die Standardabweichung berechnet sich demnach aus der Wurzel desMittelwertes. Hierauf beruht das

√N -Gesetz bei der Fehlerbestimmung von

gezahlten Großen. Wir werden an spaterer Stelle noch darauf zuruckkommen.In Abbildung 4 ist die Poisson-Verteilung fur verschiedene Werte von µ dar-gestellt. Fur µ < 1 ist der wahrscheinlichste Wert stets Null. Die Verteilung

0 5 10 15 20 25 30 35 400,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

m=20

P(k

;m)

m

0 1 2 3 4 5 6 7 80,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

0,35

0,40

0,45

m=1,1

P(k

;m)

k

m

0 5 10 15 20 25 300,00

0,05

0,10

0,15

0,20 m=4,5

P(k

;m)

k

m

0 5 10 150,00

0,05

0,10

0,15

0,20

B(k

;n,p

),P

(k;m

)

k

B(k;n,p)P(k;m)

n=18, p=1/4, m =4,5

0 5 10 150,00

0,05

0,10

0,15

0,20

B(k

;n,p

),P

(k;m

)

k

0 1 2 3 4 5 6 7 8

0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

0,6

0,7

m=0,5

P(k

;m)

k

m

k

B(k;n,p)P(k;m)

n=150, p=3/100, m =4,5

Abbildung 4: Poisson-Verteilung fur unterschiedliche Werte von µ. Untere Rei-he: Vergleich der Binomial-Verteilung mit der Poisson-Verteilung. Fur großeWerte von n und kleine Wahrscheinlichkeiten p nahert sich die Binomial-Verteilung der Poisson-Verteilung.

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Versuch 251/2 Statistik/ Halbwertszeit

besitzt in diesem Fall kein Maximum und nimmt monoton mit zunehmendem kab. Fur µ > 1 besitzt die Verteilung ein Maximum, dessen Breite allerdings beigleichem Mittelwert großer ist als die der Binomial-Verteilung (Die Varianz derPoisson-Verteilung entspricht dem Mittelwert σ2

P = µ ≡ np, wahrend sie bei derBinomial-Verteilung gegeben ist durch σ2

B = np (1 − p) < σ2P ). Weiterhin fallt

auf, dass die Verteilungen fur kleine Mittelwerte stark asymmetrisch sind undfur großer werdende Mittelwerte immer symmetrischer werden. In der Tat gehtdie Poisson-Verteilung fur große µ in die symmetrische Gauß-Verteilung uber.

VI.1.3 Die Gauß-Verteilung

Fur einen großen Mittelwert (µ > 30) lasst sich die Poisson-Verteilung in guterNaherung durch eine Gauß-Verteilung approximieren (Die Herleitung finden Siewieder im Anhang):

G(k;µ) =1√2πµ

e−(µ−k)2

2µ . (13)

Gleichung (13) stellt ein Spezialfall der Gauß-Verteilung dar, bei der die Varianzdem Mittelwert entspricht. Die allgemeine Form lautet:

G(k;µ, σ) =1√2π σ

e−(µ−k)2

2σ2 . (14)

Eigenschaften der Gauß-Verteilung:

Normierung:

∫ ∞

−∞

G(k;µ, σ) dk = 1 (15)

Mittelwert:

∫ ∞

−∞

k G(k;µ, σ) dk = µ (16)

Varianz:

∫ ∞

−∞

k2 G(k;µ, σ) dk − 〈k〉2 = σ2 (17)

Fur den Spezialfall einer Zahlstatistik (Gleichung (13)) ergibt sich, wie bei derPoissonverteilung, fur die Standardabweichung

σ =√µ. (18)

Im Gegensatz zur Binomial- und Poissonverteilung, deren Variable k nur diskre-te Werte annehmen kann, ist die Gauß-Verteilung kontinuierlich, d.h. k ∈ R. Sie

0 2 4 6 8 10 12 14 160,00

0,05

0,10

0,15

0,20

0,25

0,30

G(k

;m,s

)

k

m = 8

s = 22

s = 42

s = 82

s = 122

G(k

;m,s

)

k

m

ss

mm s- m s+

a) b)

40 60 80 100 1200,00

0,02

0,04

P(k;m)

G(k;m,s)

m = 80, s = 80

P(k

;m),

G(k

;m,s

)

k0 10 20 30

0,00

0,02

0,04

0,06

0,08

0,10

0,12

0,14

P(k

;m),

G(k

;m,s

)

k

P(k;m)

G(k;m,s)

m = 10, s = 10

c) d)

Abbildung 5: a) Gauß- Verteilung fur µ = 8 und verschiedene Werte von σ. b)Grafische Darstellung von σ. c) und d) Vergleich der Poisson-Verteilung mitder Gauß-Verteilung.

ist eine zweiparametrige Verteilung, die durch den Mittelwert µ und die Stan-dardabweichung σ eindeutig bestimmt ist. In Abbildung 5a) sind einige Vertei-lungen mit unterschiedlichen Standardabweichungen dargestellt. Je großer dieStandardabweichung σ, desto breiter ist die Verteilung. Die Bilder c) und d)vergleichen die Gauß-Verteilung mit der Poissonverteilung fur zwei unterschied-liche Mittelwerte. In Abbildung 5b) ist eine Gauß-Verteilung abgebildet, bei derdie Flachen unter der Kurve im Bereich k > µ + σ und k < µ − σ schraffiertdargestellt ist. Diese Flache gibt die Wahrscheinlichkeit Pσ an, dass k um mehr

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46

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Eine Abweichung von µ um mehr als ±σ ±2σ ±3σhat die Wahrscheinlichkeit 31,73% 4,55% 0,27%

Tabelle 3: Wahrscheinlichkeiten fur unterschiedliche Werte von σ.

als eine Standardabweichung vom Mittelwert µ abweicht. Pσ lasst sich gemaß

Pσ = 1−∫ µ+σ

µ−σ

G(k;µ, σ)dk (19)

berechnen und betragt etwa 30 %. Analog erhalt man die Wahrscheinlichkeitenfur Abweichungen von µ um mehr als ±2σ und ±3σ (Tabelle 3).Um auf einfacher Weise die Standardabweichung aus einer Gaußkurve ab-zuschatzen, sollten Sie sich folgende Beziehung merken:

FWHM ≈ 2, 36σ, (20)

wobei FWHM fur full width at half maximum steht, d.h. fur die volle Breiteder Kurve auf halber Hohe.

VI.2 Statistik und Messfehler

In der Praxis ist der Mittelwert µ einer sehr langen Messreihe meist nichtgegeben, sondern nur das Resultat k einer einzigen Messung. In diesem Fallkann man das Ergebnis als Schatzung des Mittelwertes interpretieren:

G(µ;k) ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine sehr lange Messreihe den Mittelwert µergeben wurde, wobei das Resultat k einer einzigen Messung gegeben ist.

Da k und µ nicht stark voneinander abweichen, konnen wir aufgrund ei-ner einzigen Messung auch einen Naherungswert fur die Standardabweichungangeben:

σ =√k. (21)

Es ist ublich, das Resultat einer solchen Zahlung in der Form

k ±√k (22)

anzugeben. Dies ist eine Abkurzung fur die Satze:”Ich habe k Ereignisse gezahlt.

Daraus schließe ich, wegen Abbildung 5b) und Tabelle 3, dass der Mittelwerteiner sehr langen Messung mit 68% Wahrscheinlichkeit im Bereich k±

√k liegt,

mit 95% Wahrscheinlichkeit im Bereich k± 2√k und nur mit einer Wahrschein-

lichkeit von 0,3% außerhalb des Bereichs k ± 3√k“.

Die Betrachtung der statistischen Fehler ist besonders wichtig, wenn man he-rausfinden will, ob die Differenz zweier Zahlergebnisse k1 und k2, allein durchstatistische Schwankungen erklart werden kann oder auf eine Anderung der Ver-suchsbedingungen zuruckzufuhren ist. Viele Experimente laufen auf diese Fra-gestellung hinaus.Nach dem Fehlerfortpflanzungsgesetz erhalt man den mittleren statistischenFehler einer Differenz durch quadratisches Addieren der Einzelfehler.Es sei

∆ = k1 − k2; σ1 =√

k1; σ2 =√

k2.

Dann ist

σ∆ =√

σ21 + σ2

2 =√

k1 + k2.

Man schreibt dies meist in der Form :

∆ = (k1 − k2)±√

k1 + k2.

Fur die Wahrscheinlichkeit, dass ∆ allein aufgrund von statistischen Schwan-kungen von Null um mehr als eine, zwei oder drei Standardabweichungen(σ∆ =

√k1 + k2) abweicht, gilt wieder Tabelle 3. In der Regel halt man den

Einfluss einer Anderung der Versuchsbedingungen fur erwiesen, wenn ∆ ummehr als drei Standardabweichungen von Null abweicht. In diesem Fall bezeich-net man die Differenz ∆ als signifikant.

VI.3 Aktivierung mit thermischen Neutronen

Bei diesem Teilversuch wird das Isotop 115In mit Hilfe thermischer Neutronenaktiviert. Die Neutronenquelle besteht aus einem Praparat, das Berylliumspaneund einen α-Strahler (241Am) enthalt. Durch die Kernreaktion

9Be + α →12 C + n

entstehen Neutronen mit einer Energie von 1 - 10 MeV. Diese schnellen Neu-tronen werden in dem die Neutronenquelle umgebenden Paraffinblock durch

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Versuch 251/2 Statistik/ Halbwertszeit

elastische Stoße mit den Wasserstoffkernen abgebremst, bis sie nahezu ther-mische Energie erreicht haben. Stoße gegen die Kohlenstoffkerne bremsen dieNeutronen nur wenig ab. Bei einem elastischen Stoß gegen eine gleich schwereMasse (namlich gegen ein Proton) verliert dagegen das Neutron im Mittel dieHalfte der Energie. Viele Atomkerne haben einen großen Wirkungsquerschnittfur den Einfang langsamer Neutronen. Dabei entsteht ein Isotop des bestrahltenElements mit einer um eins erhohten Massenzahl. Wenn dieser Kern radioaktivist, stellt die Aktivierung durch langsame Neutronen die bequemste Moglichkeitzur Erzeugung dieses radioaktiven Isotops dar, aber auch zum empfindlichenanalytischen Nachweis des Grundisotops in einer Probe. Bei Bestrahlung vonIndium wird aus dem stabilen Isotop 115In der β-Strahler 116In gebildet.Bei der Aktivierung wird pro Sekunde eine bestimmte Zahl von radioaktivenKernen erzeugt. Die Zahl der pro Sekunde zerfallenden Kerne ist aber der Anzahlder jeweils vorhandenen radioaktiven Kerne proportional (Zerfallsgesetz). Dahernimmt die Aktivitat A (d.h. die Zahl der Zerfalle pro Sekunde) als Funktion derBestrahlungsdauer t nach dem Gesetz

A(t) = A(∞)(1 − exp−λt) (23)

zu, bis ein Gleichgewicht eintritt, bei dem pro Sekunde gleichviel Kerne des ra-dioaktiven Isotops neu gebildet werden wie pro Sekunde zerfallen. Nach Endeder Aktivierung tritt dann nur noch der Zerfall nach dem radioaktivern Zerfalls-gesetz

A(t) = A0 exp (−λt) (24)

auf. Fur die Halbwertszeit gilt

T1/2 =ln 2

λ. (25)

VII Durchfuhrung des Versuchs

1. Skizzieren Sie den Versuchsaufbau.

2. Messung der Zahlrohrcharakteristik

Messen Sie die Zahlrohrcharakteristik mit Hilfe des internen Zahlersdes Betriebsgerates. Das Praparat (60Co oder 137Cs) erhalten Sie vomVersuchsbetreuer. Folgen Sie dazu den Anweisungen in den Abschnitten

”Inbetriebnahme des Zahlgerates - Einstellung der Einsatzspannung“ und

”Messung des Zahlrohrplateaus“ in der Beschreibung Grundlagen zu denVersuchen der Radioaktivitat. Tragen Sie die Messwerte mit den statisti-schen Fehlern sofort in ein Diagramm ein. Stellen Sie nach der Messungdie Zahlrohrspannung auf die Mitte des gemessenen Plateaubereichs ein.Dieser Spannungswert wird im Folgenden als U0 bezeichnet.

3. Untersuchung des Plateauanstiegs

Bringen Sie das Praparat moglichst dicht an das Zahlrohr und mes-sen Sie jeweils 1 Minute und 3 Minuten lang die Zahlrate bei denSpannungen U0, U0 + 50 V und U0 + 100 V. Stellen Sie anschließend dieZahlrohrspannung wieder auf U0 ein.

4. Verifizierung der statistischen Natur des radioaktiven Zerfalls

In dieser Teilaufgabe werden Sie viele Male (mindestens 1500 Mal) dieZerfalle eines radioaktiven Praparats innerhalb eines festen Zeitraums (Tor-zeit) messen und in ein Histogramm darstellen. Falls sich der radioaktiveZerfall vollig statistisch verhalt, sollte das gemessene Histogramm durch ei-ne Poisson- Verteilung, bzw. bei einem großen Mittelwert, durch eine Gauß-Verteilung beschrieben werden konnen. Uberprufen Sie dies zunachst fureinen großen Mittelwert:

Nahern Sie das Praparat durch Verschieben des Reiters dem Zahlrohr an,bis etwa 100 Zerfalle/Sekunde gezahlt werden. Schalten Sie den Computerund das externe Zahlgerat ein und starten Sie das Messprogramm Statis-tik.exe auf dem Desktop. Stellen Sie im Programm die Messzeit (Torzeit)auf 1 s. Starten Sie die Messung durch Drucken des Pfeilsymbols in derlinken oberen Ecke. Die registrierten Zerfalle/Torzeit werden in einem Hi-stogramm dargestellt. Zusatzlich wird aus den Messdaten der Mittelwertund die Standardabweichung berechnet und im Feld

”Statistik“ angezeigt.

Der theoretisch zu erwartende Wert der Standardabweichung (σtheor) wirdaus der Quadratwurzel des Mittelwertes berechnet und ebenfalls angezeigt.Wenn Sie die Option

”Gaußkurve“ einschalten, wird aus dem gemessenen

Mittelwert und der Standardabweichung die dazugehorige Gauß-Verteilungberechnet und im Histogramm mitangezeigt. Beachten Sie, dass die ange-zeigte Gaußkurve nicht angefittet wird, sondern aus den Messdaten berech-net wird! Die Darstellung der Poisson- Verteilung ist nur dann moglich,

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wenn der Stoppwert der Abszisse kleiner als 34 ist.

Den Abszissenbereich des Histogramms konnen Sie durch den Start- undStoppwert in der linken und rechten unteren Ecke einstellen. Warten Siezunachst etwa 50 Messungen ab und stellen Sie dann diese Werte so ein,dass das Histogramm optimal dargestellt wird.

Insgesamt sind mindestens 1500 Messungen durchzufuh-ren. Wahrend dieser Zeit konnen Sie mit der Auswertung der Aufgabe 2beginnen. Zum Beenden der Messung drucken Sie im Programm die Stop-Taste. Speichern Sie die Messung unter einem wiederfindbaren Namen unddrucken Sie das Messprotokoll im Querformat aus.

5. Halbwertszeit von Indium

Messen Sie fur zwei mal zwei Minuten (oder 4 Minuten) ohne Praparat denNulleffekt. Uberzeugen Sie sich durch eine Testmessung, dass die Kobalt-Quelle die Untergrundmessung nicht mehr beeinflusst. Stellen Sie im Mess-programm zerfall.exe die Torzeit des Zahlers auf 2 Minuten. LassenSie sich nun das Indium- Praparat vom Assistenten geben. Das Indium-Praparat wird mit der Indiumseite zum Zahlrohr hin in die vorgeseheneAussparung gesteckt und mit einem 1 mm Aluminiumblech dahinter fixiert.Starten Sie sofort das Messprogramm durch einen Mausklick auf den Pfeilim linken oberen Bereich des Programmfensters. Stoppen Sie die Messreihenach ca. 50 Minuten. Speichern Sie wieder die Messdaten und drucken Siedas Protokoll aus.

VIII Auswertung

1. Werten Sie die Differenzen(

n(U0 + 50V) − n(U0))

und(

n(U0 + 100V) −n(U0)

)

getrennt aus. Geben Sie den Plateauanstieg in %/100 Volt mit sta-tistischem Fehler an (Jeweils fur die Messung mit einer Minute und mitdrei Minuten). Sind die Differenzen signifikant?

2. Berechnen Sie anhand der Tabelle aus Aufgabe 4 des Messprotokolls, wieviele Messungen um mehr als ±σexp,±2σexp,±3σexp und ±4σexp vom Mit-telwert abweichen und vergleichen Sie dies mit den theoretischen Erwar-tungen.

3. Von den gemessen Zerfallen aus Aufgabe 5 wird der Nulleffekt abgezogen.Die korrigierten Messwerte werden mit den entsprechenden statistischenFehlern in einfach logarithmisches Papier (1 Dekade) eingetragen. Durchdie Messpunkte wird eine Ausgleichs- und Fehlergerade gelegt, an der dieHalbwertszeit und dessen Fehler abgelesen wird. Berechnen Sie die Zerfalls-konstante des 116In.

IX Anhang

IX.1 Die Poisson-Verteilung als Grenzfall der Binomial-

Verteilung

Bezeichnen wir den Mittelwert von k mit µ ≡ np, so lasst sich die Binomial-Verteilung

B(k;n, p) =

(

n

k

)

pk(1− p)n−k (26)

=n!

k! (n− k)!pk(1− p)n−k (27)

wie folgt umformen. Mit p=µ/n ergibt sich

B(k;n, p) =n!

k! (n− k)!

µk

nk

(

1− µ

n

)n−k

(28)

=

n!

(n− k)!

1

nk

(

1− µ

n

)−kµk

k!

(

1− µ

n

)n

. (29)

Fuhren wir nun den Grenzubergang n → ∞ und p → 0 durch, mit der Forderungdas µ = np endlich bleibt, so konvergieren die ersten beiden Faktoren gegen Eins.Fur den zweiten Faktor ist dies sofort einzusehen. Fur den ersten Ausdruck inder geschweiften Klammer gilt fur n ≫ k:

n!

(n− k)!= n · (n− 1) · (n− 2) · ... · (n− k + 1) ≈ nk (30)

und somit

limn→∞

n!

(n− k)!

1

nk

= 1. (31)

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Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg Versuch 251/2 Statistik/ Halbwertszeit

Der letzte Faktor in Gleichung (29) konvergiert gegen die Exponentialfunktionmit dem Argument −µ. Somit erhalten wir schließlich die Poisson-Verteilung:

P (k;µ) =µk

k!e−µ. (32)

IX.2 Die Gauß- Verteilung als Grenzfall der Poisson- Ver-

teilung

Fur große Mittelwerte (µ > 30) geht die Poisson- Verteilung in eine Gauß-Verteilung uber. Ersetzen wir die Fakultat in der Poisson- Verteilung durch dieStirling’sche Naherungsformel

k! =√2πk kk e−k, (33)

so ergibt sich

P (k;µ) =µk

k!e−µ → µk e−µ

√2πk kk e−k

=e−(µ−k)

√2πµ

(

µ

k

)k+ 12

(34)

=e−(µ−k)

√2πµ

(

1 +µ− k

k

)k+ 12

(35)

=e−(µ−k)

√2πµ

exp

(

k +1

2

)

ln

(

1 +µ− k

k

)

(36)

Entwickeln wir den Logarithmus nach Taylor

ln(1 + x) = x− x2

2+

x3

3− x4

4+ ... (37)

und brechen nach dem quadratischen Glied ab, so erhalten wir

P (k;µ) → e−(µ−k)

√2πµ

exp

(

k +1

2

)(

µ− k

k− 1

2

(µ− k)2

k2

)

. (38)

Bei hinreichend großem k konnen wir k + 1/2 durch k ersetzen und erhaltendamit

P (k;µ) → 1√2πµ

e−(µ−k)2

2k . (39)

Da (µ − k)/k ≪ 1 konnen wir im Nenner des Exponenten k durch µ ersetzenund erhalten schließlich einen Spezialfall der Gauß- Verteilung mit σ =

õ :

G(k;µ) =1√2πµ

e−(µ−k)2

2µ . (40)

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50

Physikalisches Anfangerpraktikum der Universitat Heidelberg - Praktikum fur Biotechnologen Versuch 254 Rontgenstrahlung

Versuch 254

Rontgenstrahlung

Abbildung 1: Versuchsaufbau.

I Messaufbau

• Rontgengerat mit Rontgenrohre (Wolfram-Anode)

• Goniometer

• Zahlrohr

• LiF-Kristall

• Computer mit Drucker

II Literatur

• Standardwerke der Physik: Gerthsen, Bergmann-Schafer, Tipler.

III Vorbereitung

Bereiten Sie sich auf die Beantwortung von Fragen zu folgenden Themenvor: Rontgenrohre, Bragg-Reflexion, Rontgenspektren (Bremsstrahlung,charakteristische Rontgenstrahlung), Moseley’sches Gesetz, Absorption vonRontgenstrahlung.

Verstandnisfragen:

1. Erklaren Sie den Aufbau und das Funktionsprinzip einer Rontgenrohre.In welchem Bereich liegt die Beschleunigungsspannung? Welche Große be-stimmt die Intensitat der Rontgenstrahlung?

2. Das Spektrum einer Rontgenrohre ist eine Uberlagerung aus einem Bremss-pektrum und einem charakteristischen Spektrum. Erlautern Sie das Zu-standekommen dieser beiden Spektren. Wovon hangt das charakteristischeSpektrum ab?

3. Wie hoch ist die Geschwindigkeit eines Elektrons, wenn es eine Beschleu-nigungsspannung von 30 kV durchlaufen hat?

4. Was besagt das Moseley’sche Gesetz?

5. Wie lautet das Braggsche Gesetz? Beschreiben Sie, wie man mit Hilfe derRontgenbeugung das Spektrum einer Rontgenquelle messen kann.

6. Geben Sie fur folgende Großen den Zusammenhang zwischen den Wertenvor und hinter einem Absorber der Dicke d an: Energie, Intensitat, Anzahlder Rontgenquanten.

7. Der Absorptionskoeffizient des menschlichen Korpers (Weichteile) ent-spricht dem von Wasser (Massenabsorptionskoeffizient bei 50 keV:µ/ρ=0,2 cm2/g). Berechnen Sie fur monoenergetische Rontgenstrahlungvon 50 keV jeweils fur d = 1 cm, 5 cm, 10 cm, 20 cm und 30 cm den Anteilder Strahlung, der im Korper stecken bleibt.

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IV Aufgaben

• Nehmen Sie bei einer Rohrenspannung von 35 kV das Rontgenspektrumeiner Wolfram-Anode auf.

• Messen Sie den Reflexionswinkel der Lα- Linie in der ersten Beugungsord-nung und bestimmen Sie daraus die Wellenlangen und Energie dieser Linie.

• Rontgenabsorption: Messen Sie die Intensitat der Lα- Linie in Abhangigkeitunterschiedlich dicker Absorberfolien.

V Grundlagen

Anode

Glühkathode

Beschleunigungsspannung

- +

-+Heiz-spannung

evakuierterGlaskolben

Abbildung 2: Aufbau einer Rontgenrohre.

Eine Rontgenrohre besteht aus einem evakuierten Glaskolben und zwei Elek-troden. An der Kathode werden durch Gluhemmission freie Elektronen erzeugt.Zwischen Kathode und Anode liegt eine Beschleunigungsspannung von typi-scherweise 10 kV bis 100 kV an. Dadurch werden die Elektronen in RichtungAnode beschleunigt und beim Aufprall durch das Coulombfeld der Atomkernedes Anodenmaterials abgebremst. Die dabei verlorene Energie wird teilweise inForm von elektromagnetischen Wellen abgestrahlt. Da der Energieverlust der

Elektronen beim Abbremsen unterschiedlich groß ist, entsteht ein kontinuierli-ches Spektrum, welches als Bremsspektrum bezeichnet wird (Abbildung 3). Aufder kurzwelligen Seite setzt das Bremsspektrum erst oberhalb einer Grenzwel-lenlange λgr ein. Dies folgt unmittelbar aus der Energieerhaltung: Haben dieElektronen die Spannung U durchlaufen, so besitzen sie eine Energie E = eU .Wird nun ein Elektron in einem einzigen Prozess abgebremst, so wird dieseEnergie vollstandig in Rontgenstrahlung der Energie h ν umgewandelt. Fur dieGrenzwellenlange λgr ergibt sich dann:

E = e U = h νgr = hc

λgr⇒ λgr =

h c

eU, (1)

wobei h das Planck’sche Wirkungsquantum und c die Lichtgeschwindigkeit dar-stellen.Bei entsprechend hohen Beschleunigungsspannungen ist dem kontinuierlichenBremsspektrum zusatzlich noch ein diskretes Linienspektrum uberlagert. Dadieses vom Anodenmaterial der Rontgenrohre abhangt wird es auch als charak-teristisches Spektrum bezeichnet. Die in der Rontgenrohre beschleunigten Elek-tronen konnen ihre Energie auch durch Ionisation des Anodenmaterials verlie-ren. Wird ein Elektron aus den innersten Elektronenschalen herausgeschlagen,so kann die entstehende Lucke durch ein Elektron aus einer hoher liegendenSchale gefullt werden. Dabei wird die freiwerdende Bindungsenergie in Formeines Rontgenquants abgestrahlt.Je nachdem von welcher und auf welche Schale der Elektronenubergang statt-findet, gibt es mehrere mogliche Ubergange die sich zu Serien zusammenfassenlassen konnen. Erfolgt der Ubergang stets auf die innerste Schale, die K-Schale,so spricht man von Ubergangen der K-Serie: Beim Ubergang eines Elektrons vonder L-Schale auf die K-Schale wird Kα-Strahlung emittiert, beim Ubergang vonder M-Schale auf K-Schale handelt es sich um Kβ-Strahlung. In Abbildung 4links, sind mogliche Ubergange anhand des Termschemas von Molybdan darge-stellt.Die Energie der charakteristischen Linien, lasst sich mit Hilfe des Moseley’schenGesetz abschatzen. Fur den Ubergang von der n-ten auf die m-te Schale gilt:

En→m = h cR∞(Z −A)2(

1

m2− 1

n2

)

, (2)

wobei h das Planck’sche Wirkungsquantum, c die Lichtgeschwindigkeit, R∞ dieRydbergkonstante (R∞=1,097×107 m−1), Z die Kernladungszahl und n bzw. m

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5 10 15 20 25 30

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

Bremsstrahlung

charakteristische Strahlung

hlra

te[s

-1]

Kristallwinkel [ °]

La

Lb

Lg

Abbildung 3: Rontgenspektrum.

die jeweiligen Hauptquantenzahlen darstellen. Bei der Große A handelt es sichum eine Abschirmungskonstante, die die Abschirmung der Kernladung durchElektronen berucksichtigt. Bei der Kα-Strahlung wird der Kern nur von einemElektron abgeschirmt. Hierfur gilt in guter Naherung A ≈ 1:

Kα-Strahlung : E2→1 = h cR∞(Z − 1)2(

1

1− 1

22

)

=3

4h cR∞ (Z − 1)2. (3)

Fur die Energie der Kα-Strahlung von Molybdan erhalt man aus dem Mose-ley’schen Gesetz E = 17,2 keV. Dies ist eine gute Ubereinstimmung mit demLiteraturwert von E = 17,4 keV.Das Moseley’schen Gesetz liefert nur eine Abschatzung der Energie der cha-rakteristischen Strahlung. Tatsachlich besitzen alle Energieniveaus bis auf das

K

LI

LII

LIII

K

L

M

N

Ka Kb KgKa2 Ka1

L a L b

Kontinuum

Feinstruktur-aufspaltung

Abbildung 4: Vereinfachtes Termschema eines Atoms.

K-Niveau noch eine Feinstruktur dessen Energie neben der Hauptquantenzahlauch von der Drehimpulsquantenzahl und von der Spinquantenzahl abhangt(Abbildung 4 rechts). So ist beispielsweise das L-Niveau dreifach entartet. Da-durch ergeben sich zwei verschiedene Kα- Ubergange. Der Ubergang LIII 7→K wird als Kα1 und LII 7→ K als Kα2 bezeichnet. Der Ubergang LI 7→ K istunter Berucksichtigung von Erhaltungssatzen nicht moglich. Diese zusatzlichenNiveaus fuhren dazu, dass die Kα-Linie eine Doppellinie darstellt.Das im Praktikum verwendete Rontgengerat besitzt eine Wolframanode. DieEnergien der K-Linien liegen bei 59 keV bzw. 67 keV. Da die maximale Energiedes Rontgengerats nur 35 keV betragt, konnen diese nicht angeregt werden. ImSpektrum sind daher nur die L-Linien sichtbar.

V.1 Bragg-Reflexion

Zur Untersuchung des Spektrums einer Strahlungsquelle greift man in der Re-gel auf zwei verschiedene physikalische Prinzipien zuruck: Die Dispersion unddie Beugung, die im sichtbaren Bereich Anwendung im Prismenspektrometerbzw. im Gitterspektrometer finden. Fur Rontgenstrahlung kann die Dispersionnicht ausgenutzt werden, da der Brechungsindex von Materie in diesem Wel-lenlangenbereich kaum von Eins abweicht. Auch die Ausnutzung von Beugungs-

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effekten ist fur Rontgenstrahlung komplizierter. Da Beugungserscheinung nurdann auftreten, wenn die Große des beugenden Objekts etwa der Großenordnungder Wellenlange (λ ≈ 0,1 pm bis 10 nm) entspricht, benotigt man ein Gitter mitaußerst kleinen Strukturen. Solche Dimensionen sind technisch kaum realisier-bar.1912 hat Max von Laue einen Kristall mit Rontgenstrahlung durchleuchtet.Dabei beobachtete er ein gleichformiges Beugungsmuster, woraus er schloss,dass die Atome im Kristall regelmaßig angeordnet sind. Da die Atomabstandeim Kristall von der gleichen Großenordnung wie die Wellenlange sind, eigenensich solche Kristalle als Beugungsgitter fur Rontgenstrahlen. 1913 gelang esschließlich William Henry Bragg und seinem Sohn William Lawrence Bragg denZusammenhang zwischen der Kristallstruktur und den entstehenden Beugungs-mustern zu erklaren. Die Rontgenbeugung an Kristallen wird daher auch alsBragg- Reflexion bezeichnet.Trifft Rontgenstrahlung unter dem Winkel ϑ (Abbildung 5a) auf die Oberflacheeines Kristalls, so wird dieser gemaß des Reflexionsgesetzes reflektiert. Da dieStrahlung tief in den Kristall eindringen kann, finden zusatzliche Reflexionen antiefer gelegenen Netzebenen statt. Die Intensitat der reflektierten Gesamtstrah-lung hangt vom Gangunterschied ∆s der teilreflektierten Strahlung ab. Betragtdieser fur zwei benachbarte Teilbundel ein Vielfaches der Wellenlange λ, so inter-ferieren diese konstruktiv. Ist dies nicht der Fall, so loschen die teilreflektiertenStrahlen aus (Vielstrahlinterferenz). Ist d der Netzebenenabstand, so folgt ausAbbildung 5a) fur den Gangunterschied ∆s:

∆s = 2d sinϑ (4)

und damit das Bragg’sche Gesetz:

2d sinϑ = nλ, n ∈ N Bragg’sches Gesetz. (5)

Die unter dem Winkel ϑ reflektierte Strahlung hangt demnach von der Wel-lenlange der Rontgenstrahlung sowie von der Kristallstruktur (Netzebenenab-stand) ab. Somit eignet sich die Bragg- Reflexion zur Monochromatisierung vonRontgenstrahlung und damit zur Messung des Spektrums einer Rontgenquelle.Bei der Drehkristallmethode (Abbildung 5b) wird der Einfallswinkel ϑ variiert,in dem der Kristall um eine Achse senkrecht zur einfallenden Strahlung gedreht

Abbildung 5: a) Bragg- Reflexion von Rontgenstrahlung an einem Kristall. b)Drehkristallmethode zur Messung des Spektrums einer Rontgenrohre.

wird. Bei jeder Winkelstellung besitzt die reflektierte Rontgenstrahlung eine be-stimmte Wellenlange dessen Intensitat z.B. mit einem Zahlrohr gemessen werdenkann. Das Spektrum in Abbildung 3 wurde nach diesem Verfahren gemessen.

V.2 Wechselwirkung mit Materie

Die Schwachung von Rontgenstrahlung beim Durchgang durch Materie hangtim wesentlichen von zwei Mechanismen ab (Abbildung 6):

1. Photoeffekt: Ein Rontgenquant gibt seine Energie an ein Elektron in derAtomhulle ab und schlagt dieses aus der Hulle. Durch Nachrucken außererElektronen, kommt es zu charakteristischer Strahlung. Jedesmal wenn die

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Kern

einfallendesPhoton

Elektron

Kern

einfallendesPhoton

gestreutesPhoton

Elektron

Photoeffekt Comptoneffekt

Abbildung 6: Absorption von Rontgenstrahlung durch Photoeffekt und Comp-toneffekt.

Energie der γ-Quanten ausreicht, um eine tiefer gelegene Schale zu ionisie-ren, steigt die Absorption schlagartig an. Diese charakteristischen Liniensitzen auf einem kontinuierlichen Absorptionsspektrum (Abbildung 7).

2. Comptonstreuung: Ein Rontgenquant wird inelastisch an einemHullenelektron gestreut und verliert dadurch einen Teil seiner Ener-gie. Der Energieverlust wachst fur hohere Energien an.

Fur kleine Energien dominiert der Photoeffekt, welcher mit steigender Energierasch abnimmt bis die Comptonstreuung dominiert. Bei sehr großen Energientritt ein weiterer Effekt auf (Paarbildung). In diesem Energiebereich spricht mandann nicht mehr von Rontgenstrahlung sondern von γ-Strahlung.Fur monoenergetische Strahlen kann die Intensitat der Rontgenstrahlung aufge-fasst werden als die Zahl der Photonen, die pro Zeit durch eine Flacheneinheittritt. Einheit = 1/(m2 s)Fur die Intensitat gilt das Absorptionsgesetz.

Id = I0e−µd

Id = Intensitat hinter der absorbierenden Schicht der Schichtdicke dI0 = Intensitat vor der absorbierenden Schichtµ = Absorptionskoeffizient (Einheit 1/cm)d = Schichtdicke (Einheit cm)

m

log E

gesamt

mCompton

mPhoto

mPaar

m

Abbildung 7: Beitrag des Photoeffekt, Comptoneffekt und Paarbildung zumSchwachungskoeffizient fur Rontgen- bzw. γ-Strahlung.

Statt der Schichtdicke fuhrt man oft die Masse pro Flache (Flachendichte) ein: d ( = Dichte)Dann ist

I = I0e−(µ/) d

Die Große µ/ bezeichnet man als Massenabsorptionskoeffizient.Wie der radioaktive Zerfall ist die Absorption von Rontgenstrahlen ein statis-tischer Prozess. Das Absorptionsgesetz beschreibt die nach der Dicke d nochvorhandenen Rontgenquanten, liefert jedoch keine Aussage uber ein einzelnesQuant. Analog zum radioaktiven Gesetz konnen wir hier die Halbwertsdickeeinfuhren, d.h. die Dicke, nach der noch die Halfte der ursprunglichen Quantenvorhanden ist.

H1/2 =ln2

µ

Die Halbwertsdicke hangt von der spektralen Zusammensetzungder Rontgenstrahlen ab. Langwellige, d.h. energiearmere (”weiche”)

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Rontgenstrahlung wird starker absorbiert als kurzwellige (”harte”) Strah-lung.Fur monoenergetische Strahlung gilt:

Id = I0(d = 0) e−µd

d = Dicke des Absobersµ = linearer Absorptionskoeffizient, gemessen in m−1.µ ist um so großer, je ”dichter gepackt ” die Atome im Absorber liegen, d.h.µ ist der Atomdichte proportional. Zur physikalischen Charakterisierung einesAbsorbermaterials zieht man daher besser den Massenabsorptionskoeffizientenµ/ heran. ( = Dichte des Materials; µ/ wird gemessen in cm2/g). µ/ hangtvon der Energie hν der Strahlung, der Ordnungszahl Z und der Massenzahl Ades Absorbers ab.Fur die Absorption durch Photoeffekt gilt naherungsweise:

Photoeffekt (γ + Atom → Ion+ + e−)µPhoto

∼ Z4

ν31

A≈ λ3 Z3

Die Absorption bei Streuung spielt vor allem fur Elemente mit kleinem Z undfur hochenergetische Rontgenstrahlung eine Rolle.

Anwendungen der Z- und ν- Abhangigkeit des Photoeffekts:

a) Kontrast in Rontgenaufnahmen (hoheres Z in Knochen, Kontrastmittel)

b) Filterung von Rontgenstrahlung durch Absorber, um weiche Komponenten(ν klein) zu beseitigen. (Hartung von Rontgenstrahlen)

V.3 Geratebeschreibung

Das im Praktikum eingesetzte Rontgengerat ist als Zahlrohr-Goniometer (Ab-bildung 8) ausgefuhrt, mit schwenkbarem Messarm und einem Probentragerin der Drehachse. Die Drehwinkel von Messarm und Probentrager konnen imVerhaltnis 2:1 gekoppelt werden, so dass beim Nachweis der Bragg-Reflexeund bei der Aufnahme von Rontgenspektren das auf dem Messarm befestig-te Zahlrohr immer die richtige Position zum Auffangen der Reflexe hat, d.h.die Probennormale halbiert stets den Winkel zwischen Primar-Strahlrichtungund der Richtung der reflektierten Strahlung. Die Rontgenrohre (Wolframan-ode, maximal 35 kV, 1 mA) ist in einem separaten Rohrenraum untergebracht,der zur Abschirmung - wie auch der Experimentierraum mit dem Goniometer -

mit einer Bleiglas-Schiebetur verschlossen wird. Am Ubergang zum Experimen-tierraum ist ein Kollimator eingesetzt. Der Kristall ist fest an der Drehachse desGoniometers fixiert. Beide Goniometerarme sind unabhangig voneinander durchSchrittmoren zu schwenken, die kleinste mogliche Schrittweite betragt 0,1. Wei-terhin ist es moglich, das Goniometer im gekoppelten Modus (1:2-Kopplung) zubetreiben, so dass der Winkel des Messarms immer das Doppelte des Winkels desTargetarms betragt. Dieser Modus ist fur die Messungen der Bragg-Reflexionzu wahlen. Die reflektierte Strahlung wird mit einem am Messarm befestigtenGeiger-Muller-Zahlrohr nachgewiesen. Die Spannungsversorgung des Zahlrohrsund der Impulszahler sind, genau wie die Steuerung des Goniometers, in dasRontgengerat integriert und uber das Bedienfeld rechts von der Rontgenrohrezu steuern. Uber das dort platzierte Display lassen sich die Messwerte anzeigen.

ZählrohrEinkristall

J

2J

Abbildung 8: Aufbau des Goniometers.

Die Einstellung des Gerates kann auch rechnergesteuert mit einem PC erfolgen.Starten Sie dazu die Software measure vom Desktop aus. Im Programm ist eineSymboldarstellung des Rontgengerats dargestellt. Zum Einstellen der Parametermussen Sie auf die entsprechenden Bereiche der Symboldarstellung doppelkli-cken. Soll z.B. die Beschleunigungsspannung eingestellt werden, mussen Sie aufdie Rontgenrohre klicken- soll der Winkelbereich modifiziert werden, mussen Sieauf das Goniometer doppelklicken (siehe gelbe Markierungen in Abbildung 9).

Fur die Messung der Absorption von Rontgenstrahlung befindet sich im Geratdirekt hinter dem Kollimator, eine drehbar gelagerte Scheibe mit 9 verschie-denen Aluminiumabsorbern (Abbildung 10). Die Dicke variiert von 0,02 mmbis 0,18 mm in Schritten von 0,02 mm. Der jeweilige Absorber kann mit den

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Einstellung Röntgenröhre

Einstellung Goniometer

Messung starten

Abbildung 9: Einstellung der Gerateparameter.

Pfeiltasten am Steuergerat, das sich außerhalb des Rontgengerats befindet, aus-gewahlt werden. Mit der rechten Pfeiltaste wird der Absorber in die Nullpositiongestellt. Die gewahlte Absorberdicke wird durch Leuchtdioden angezeigt.

VI Durchfuhrung

a) Messen Sie das Rontgenspektrum der Wolfram-Anode.

Uberzeugen Sie sich, dass die Absorberscheibe auf Null steht (Leuchtdi-ode leuchtet beim Wert 0 µm). Schalten Sie das Rongengerat auf derRuckseite neben dem Netzstecker ein. Starten Sie das Programm measure

vom Desktop aus. Klicken Sie doppelt in der Symboldarstellung auf dieRontgenrohre (Abbildung 9) und wahlen Sie fur die Rohrenspannung 35 kVund fur den Emissionsstrom 1 mA. Stellen Sie anschließend den Scanbereichein indem Sie doppelt auf das Goniometer klicken. Wahlen Sie folgende Ein-

Abbildung 10: Absorberscheibe mit Steuergerat.

stellungen:

• Modus: 1:2 Kopplung

• Kristall: LiF

• Kristall Startwinkel: 5

• Kristall Stoppwinkel: 30

• Kristall Schrittweite: 0, 1

• Integrationszeit: 5 s.

Verriegeln Sie die Tur des Rongengerates mit dem Taster unter dem Schloss-symbol auf der Frontplatte des Rontgengerats. Das verriegelte Schloss mussleuchten. Falls dies nicht moglich ist, mussen Sie die Tur des Rontgengeratsvon Hand offnen, wieder schließen und erneut auf den Taster drucken. Star-ten Sie im Programm die Messung durch einen Klick auf das Kreissymbolin der linken Ecke der Menuleiste (Abbildung 9).

Die Messung dauert nun etwa 20 Minuten. Danach stoppt der Messvorgangautomatisch und es erscheint ein Hinweisfenster. Wahlen Sie die Optionalle Messungen an measure uebertragen aus. Dadurch startet ein neu-es Programm in dem Sie die Daten auswerten und ausdrucken konnen.Vermessen Sie die Lage der charakteristischen Linien. Am einfachsten gehtdies mit der Option Peakanalyse im Menu Messauswertung. AktivierenSie im folgenden Fenster die Option Ergebnisse einzeichnen und klicken

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Sie auf Berechne. Schließen Sie das Fenster und drucken Sie das Diagrammaus.

b) Lesen Sie aus Ihrer Messung die Lage der Lα Linie ab (starkste Linie).Gehen Sie zuruck zum Messprogram indem Sie auf das Icon ganz rechtsin der Symbolleiste klicken. Wiederholen Sie die Messung aus a) in einemschmalen Bereich (1- 2) um die Lα Linie mit einer Integrationszeit von20 s. Drucken Sie das Diagramm im Auswerteprogramm aus.

c) Messung der Absorption von monochromatischer Rontgenstrahlung. DieMessung soll mit Rontgenquanten gleicher Energie erfolgen. Da die Lα Liniedie hochste Intensitat im Spektrum besitzt, wird das Goniometer auf die-sen Winkel eingestellt. Klicken Sie wieder doppelt auf das Goniometer undwahlen Sie fur die Option Kristall Startwinkel den von Ihnen bestimm-ten Wert der Lα Linie. Kristall Stoppwinkelmussen Sie auf einen etwasgroßeren Wert stellen. Die Integrationszeit stellen Sie auf 30 s ein. StartenSie die Messung durch einen Klick auf das Kreissymbol und beenden Siediese Messung sofort wieder durch einen Klick auf das Symbol mit dem Qua-drat. Der Winkel ist jetzt fest eingestellt. Schalten Sie die Rontgenrohre amBedienfeld des Rontgengerats ein. Das Wellensymbol muss leuch-ten. Die Intensitat wird nun am Display angezeigt und nach Ablauf derIntegrationszeit fortlaufend aktualisiert. Wahlen Sie am Steuergerat fur dieAbsorberscheibe den Wert Null und lesen Sie die Intensitat am Display ab.Notieren Sie nicht den ersten aktualisierten Wert auf dem Display sondernwarten Sie ab bis der Wert auf dem Display erneut aktualisiert wurde. Wie-derholen Sie dies fur alle weiteren Absorberdicken. Auch hier ist es wichtig,dass Sie nicht direkt den Wert nach der Aktualisierung aufschreiben son-dern einen weiteren Messzyklus abwarten. Sie mussen immer sicher sein,dass Sie mit jeder Einstellung tatsachlich genau 30 Sekunden gemessen ha-ben. Notieren Sie bei jeder Messung die Absorberdicke und die gemesseneIntensitat. Tragen Sie die Messwerte sofort auf ein- bzw. zweidekadischeseinfachlogarithmischen Papier auf (x-Achse: linear die Absorberdicke undy-Achse: logarithmisch die Intensitat). Falls hier

”Ausreißer“ auftreten, ha-

ben Sie die Moglichkeit einen einzelnen Wert nochmals nachzumessen.

6 7 8 9 10

30

40

50

60

70

80

90

100

110

120

m/r

[cm

2/g

]

Energie [keV]

http://physics.nist.gov/PhysRefData/XrayMassCoef/ElemTab/z13.html

Aluminium Z=13, r= 2,67 g/cm3

Abbildung 11: Massenabsorptionskoeffizient von Aluminium.

VII Auswertung

a) Bestimmen Sie aus dem Diagramm der Lα- Linie die Lage des Peakma-ximums sowie die Halbwertsbreite (Breite der Linie in halber Hohe). MitHilfe der Bragg- Gleichung und dem Netzebenenabstand von Lithiumfluorid(LiF) mit d=201,4 pm, konnen Sie die Wellenlange und damit die Energieder Lα-Linie berechnen. Den Fehler der Energie berechnen Sie analog ausder Halbwertsbreite. Vergleichen Sie Ihr Ergebnis mit dem LiteraturwertE≈8,4 keV.

b) Tragen Sie im Diagramm der Absorptionsmessung noch Fehlerbalken einund zeichnen Sie eine Ausgleichsgerade und eine Fehlergerade mit ein. Be-

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stimmen Sie hieraus die Halbwerstdicke und berechnen Sie den Massenab-sorptionskoeffizienten µ/ in der Einheit cm2/g. Die Dichte von Aluminiumbetragt 2,67 g/cm2. Schatzen Sie den Fehler ab. Vergleichen Sie Ihr Ergeb-nis mit dem Literaturwert aus Abbildung 11.

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