Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03....

12
Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“ Pilger des Glaubens und Zeugen des auferstandenen Christus Liebe Cursillistas, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste! Als ich im November 2010 angerufen und gefragt wurde, welchen Titel ich meinem Vortrag geben würde, war ich zunächst ein wenig ratlos. Denn meistens mache ich mir erst zwei Wochen vorher Gedanken darüber. Mein Blick fiel, noch während ich den Telefonhörer in der Hand hatte, auf den Pastoralbrief zum Heiligen Jakobusjahr 2010, den unser Freund, Erzbischof Don Julián Barrio Barrio in Santiago de Compostela zum Heiligen Jakobus- jahr 2010 geschrieben hatte, und den Angela und ich ins Deutsche übersetzt hatten. Er trug den vielsagenden Titel: PILGER DES GLAUBENS UND ZEUGEN DES AUFERSTANDENEN CHRISTUS. Wir hatten uns im Rahmen dieser Übersetzungsarbeit (etwa 131 Seiten) so intensiv damit befasst, dass ich spontan sagte: Das ist ein gutes Thema auch für den heutigen Tag. Keine Sorge – ich habe daraus nichts abgeschrieben. Aber er ist lesens- wert – zu bekommen über [email protected] . Pilger des Glaubens und Zeugen des auferstan- denen Christus. Darin schwingt natürlich die Geschichte der Jünger auf dem Weg nach Emmaus mit – sie ist auch der Leitfaden dieses Pastoralbriefes. Und wie kaum eine andere nachösterliche Erzählung kann sie als Hintergrund dienen für einige Überlegungen zu diesen „50 Jahren Cursillo“. An der Emmaus-Erzählung entlang über die Geschichte unserer Bewegung und ihren Auftrag in die Zukunft hinein zu meditieren, das schien mir mehr als berechtigt. Mir geht es dabei um Erinnerungen und Visio- nen. Erinnerungen, die zurückreichen in die Zeit der Ent- stehung des Cursillo, in viele Cursillos in unserer Diözese und in unserem Land, Erinnerungen, in denen so viele wunderbare kleine und große Ereignisse verflochten sind, die mit der Ausbreitung der Cursillo-Bewegung auf der ganzen Welt zu tun haben. Und natürlich bewegen und berühren uns heute auch die Erinnerungen an unseren eigenen Cursillo. Er liegt für manche schon Jahrzehnte 2 zurück – meinen Cursillo zum Beispiel habe ich vor bald 46 Jahren erlebt, im September 1965, und ich durfte seither in gut 150 Cursillos im ganzen deutschsprachigen Raum mitarbeiten – und einmal sogar ein Einführungs- seminar für Mitarbeiter in Tschechien halten. Allein von diesen Erinnerungen und Erfahrungen zu berichten, würde den heutigen Vormittag füllen. Es muss uns heute aber auch um Visionen gehen. Ein Pilger im Glauben zu sein, der nur von Erinnerungen erzählt und nicht auch davon beseelt wäre, Zeugnis zu geben vom auferstandenen Christus, das wäre ein Wider- spruch. Das wäre auf jeden Fall zu wenig. Das würde zu kurz greifen. Wir können und dürfen dieses goldene Jubi- läum des Cursillo nicht nur mit schönen Erinnerungen – rückwärtsgewandt - feiern. Ich denke dabei an einen Ausspruch von Prälat Rudi Hagmann in Rottenburg, der einmal sagte: „Solange die Summe deiner Visionen größer ist als die Summe deiner Erinnerungen, solange bist du noch jung.“ Eine gute Frage bei einem solchen Jubiläum wie heute. Wie jung sind wir denn? Mir geht es darum aufzuzeigen, welche Gründe, Ziele und Visionen die Initiatoren des Cursillo im Blick hatten, und welche uns heute bewegen, um mit dieser Bewe- gung des Cursillo in die Zukunft hinein zu gehen. Zuvor möchte ich aber, weil ich heute hier im There- sienheim Moos sprechen darf, an der Wiege des Cursillo in Deutschland, hier in Moos bei den geliebten Steyler Schwestern – danken für das große Geschenk, hier zu sein. Ich möchte Ihnen, liebe Schwestern, ein herzliches Vergelt’s Gott sagen, dass sie uns heute hier aufgenom- men haben – und noch mehr, dass sie damals, im März 1961, vor 50 Jahren, dieses Haus für den 1. Cursillo in unserer Diözese Rottenburg-Stuttgart und damit in Deutschland, zur Verfügung gestellt haben. Es war ganz offensichtlich das Werk des Heiligen Geistes, eine geist- liche Bewegung in einem Haus zu beherbergen, das von einer „Heilig-Geist-Spiritualität“ begründet und erfüllt ist. Viele Cursillos habe ich hier in Moos mit begleiten dürfen. Und immer wussten wir: die Schwestern von Moos halten während des gesamten Cursillo Nachschub. Einmal ist während eines Cursillo eine Schwester, die schon länger schwer krank war, gestorben, und sie sagte noch kurz vor ihrem Sterben: ich gebe mein Leben für 3

Transcript of Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03....

Page 1: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“ Pilger des Glaubens

und Zeugen des auferstandenen Christus Liebe Cursillistas, liebe Freundinnen und Freunde, liebe Gäste! Als ich im November 2010 angerufen und gefragt wurde, welchen Titel ich meinem Vortrag geben würde, war ich zunächst ein wenig ratlos. Denn meistens mache ich mir erst zwei Wochen vorher Gedanken darüber. Mein Blick fiel, noch während ich den Telefonhörer in der Hand hatte, auf den Pastoralbrief zum Heiligen Jakobusjahr 2010, den unser Freund, Erzbischof Don Julián Barrio Barrio in Santiago de Compostela zum Heiligen Jakobus-jahr 2010 geschrieben hatte, und den Angela und ich ins Deutsche übersetzt hatten. Er trug den vielsagenden Titel: PILGER DES GLAUBENS UND ZEUGEN DES AUFERSTANDENEN CHRISTUS. Wir hatten uns im Rahmen dieser Übersetzungsarbeit (etwa 131 Seiten) so intensiv damit befasst, dass ich spontan sagte: Das ist ein gutes Thema auch für den heutigen Tag. Keine Sorge – ich habe daraus nichts abgeschrieben. Aber er ist lesens-wert – zu bekommen über [email protected] . Pilger des Glaubens und Zeugen des auferstan-

denen Christus. Darin schwingt natürlich die Geschichte der Jünger auf dem Weg nach Emmaus mit – sie ist auch der Leitfaden dieses Pastoralbriefes. Und wie kaum eine andere nachösterliche Erzählung kann sie als Hintergrund dienen für einige Überlegungen zu diesen „50 Jahren

Cursillo“. An der Emmaus-Erzählung entlang über die Geschichte unserer Bewegung und ihren Auftrag in die Zukunft hinein zu meditieren, das schien mir mehr als berechtigt. Mir geht es dabei um Erinnerungen und Visio-nen. Erinnerungen, die zurückreichen in die Zeit der Ent-stehung des Cursillo, in viele Cursillos in unserer Diözese und in unserem Land, Erinnerungen, in denen so viele wunderbare kleine und große Ereignisse verflochten sind, die mit der Ausbreitung der Cursillo-Bewegung auf der ganzen Welt zu tun haben. Und natürlich bewegen und berühren uns heute auch die Erinnerungen an unseren eigenen Cursillo. Er liegt für manche schon Jahrzehnte

2

zurück – meinen Cursillo zum Beispiel habe ich vor bald 46 Jahren erlebt, im September 1965, und ich durfte seither in gut 150 Cursillos im ganzen deutschsprachigen Raum mitarbeiten – und einmal sogar ein Einführungs-seminar für Mitarbeiter in Tschechien halten. Allein von diesen Erinnerungen und Erfahrungen zu berichten, würde den heutigen Vormittag füllen. Es muss uns heute aber auch um Visionen gehen. Ein Pilger im Glauben zu sein, der nur von Erinnerungen erzählt und nicht auch davon beseelt wäre, Zeugnis zu geben vom auferstandenen Christus, das wäre ein Wider-spruch. Das wäre auf jeden Fall zu wenig. Das würde zu kurz greifen. Wir können und dürfen dieses goldene Jubi-läum des Cursillo nicht nur mit schönen Erinnerungen – rückwärtsgewandt - feiern. Ich denke dabei an einen Ausspruch von Prälat Rudi Hagmann in Rottenburg, der einmal sagte: „Solange die

Summe deiner Visionen größer ist als die Summe deiner

Erinnerungen, solange bist du noch jung.“ Eine gute Frage bei einem solchen Jubiläum wie heute. Wie jung sind wir denn?

Mir geht es darum aufzuzeigen, welche Gründe, Ziele und Visionen die Initiatoren des Cursillo im Blick hatten, und welche uns heute bewegen, um mit dieser Bewe-gung des Cursillo in die Zukunft hinein zu gehen. Zuvor möchte ich aber, weil ich heute hier im There-sienheim Moos sprechen darf, an der Wiege des Cursillo in Deutschland, hier in Moos bei den geliebten Steyler Schwestern – danken für das große Geschenk, hier zu sein. Ich möchte Ihnen, liebe Schwestern, ein herzliches Vergelt’s Gott sagen, dass sie uns heute hier aufgenom-men haben – und noch mehr, dass sie damals, im März 1961, vor 50 Jahren, dieses Haus für den 1. Cursillo in unserer Diözese Rottenburg-Stuttgart und damit in Deutschland, zur Verfügung gestellt haben. Es war ganz offensichtlich das Werk des Heiligen Geistes, eine geist-liche Bewegung in einem Haus zu beherbergen, das von einer „Heilig-Geist-Spiritualität“ begründet und erfüllt ist. Viele Cursillos habe ich hier in Moos mit begleiten dürfen. Und immer wussten wir: die Schwestern von Moos halten während des gesamten Cursillo Nachschub. Einmal ist während eines Cursillo eine Schwester, die schon länger schwer krank war, gestorben, und sie sagte noch kurz vor ihrem Sterben: ich gebe mein Leben für

3

Page 2: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

den im Cursillo, der es am nötigsten hat. Die Steyler Schwestern von Moos (dazu gehört auch das Dreifaltig-keitskloster in Laupheim und auch das Haus St. Hilde-gard in Oberdischingen) haben die Anfänge des Cursillo in Deutschland mit ihrem Gebet und Opfer begleitet wie Schutzengel. Dafür auch heute einfach ein großes Danke! Unser Thema „Pilger des Glaubens und Zeugen des auferstandenen Christus“ möchte ich nun gerne auf dem Hintergrund der drei Etappen des Cursillo entfalten:

- Begegnung mit sich selbst - Begegnung mit Christus - Begegnung mit der Gemeinschaft

und ihr werdet sehen, wie sich auch in diesem Drei-Schritt die Emmaus-Erzählung spiegelt. Zunächst zur Erinnerung die Ausgangslage, die Hin-tergründe, die zur Entstehung des Cursillo führten: Von 1936-1939 tobte in Spanien ein Bürgerkrieg, der vor keiner Institution, vor keiner Partei, auch vor keiner Privatperson Halt machte. Ganz Spanien, Staat und Kirche, Arbeiterschaft und Industrie, Verkehr und Sport – alles wurde verwüstet in einem sinnlosen, blutigen, ungerechten, hasserfüllten Krieg. Dass auch Deutschland, damals schon im Sog nationalsozialistischer Idelogie, sich in der sog. „Legion Condor“ 1937 in das blutige Ge-metzel hineinziehen ließ und im ersten Luftangriff der Geschichte die baskische Stadt Guernica dem Erdboden gleichmachte, können wir heute nur noch mit Scham und Trauer zur Kenntnis nehmen. Spanien blieb zwar im Zweiten Weltkrieg neutral, aber das Land war durch den Bürgerkrieg innerlich zerrissen und wie gelähmt. Das war die Situation, als sich Anfang der 40er-Jahre auf der Mittelmeerinsel Mallorca ein paar junge Leute um einen damals 24-jährigen Großhandelskaufmann namens Eduardo Bonnin sammelten. Damals rief die „Katholische Aktion“, eine in Spanien sehr starke Laienorganisation, unterstützt von vielen Bi-schöfen, zu einem Neubeginn, zur „geistigen Erneue-rung“ Spaniens auf. In einem mehrjährigen Vorberei-tungsprozess sollte vor allem die Jugend auf die Pilger-schaft im „Heiligen Jakobusjahr 1948“ nach Santiago de Compostela eingestimmt werden. Initiator und prägende Kraft war damals Manuel Aparici, der Vorsitzende der Katholischen Jugend. Eduardo Bonnin und seine Leute griffen diesen Impuls auf und begannen damit, sogenann-

4

te „Pilgerführer-Kurse“ zu halten. Dies waren mehrtägi-ge Seminare, zu denen sie Gleichgesinnte, Laien und Priester, einluden, also ebenfalls junge Leute, denen sie nach einiger Schulung und Vorbereitung die Begleitung von Pilgergruppen auf dem Jakobsweg nach Santiago anvertrauten. Zwei Priester waren von der ersten Stunde an dabei: Juán Capó, der gerade vom Studium in Rom zurückgekommen war, und Don Sebastián Gayá. Große Unterstützung kam auch von Bischof Dr. Juán Hervás, der 1947 als jüngster Bischof Spaniens die Diözese Mal-lorca übernommen hatte. Ich habe ihn 1972 beim III. Welttreffen der Sekretariate auf Mallorca kennengelernt, und auch Sebastián Gayá wie Eduardo Bonnin bin ich in späteren Jahren mehrfach begegnet. Die Anfänge des Cursillo bildeten bereits ab, was das II. Vatikanum (1962-65) nachdrücklich bestätigte: Die geschwisterliche Weg-gemeinschaft mit Bischöfen, Priestern und Laien. Der Entstehung des Cursillo ging ein langer Prozess der Themenfindung voraus. Diese jungen Leute – das können wir heute rückblickend wohl sagen – waren, viel-leicht ohne es selbst zu wissen, wirklich Visionäre, vom Heiligen Geist geführt und inspiriert und getrieben von der Unruhe, neue Anfänge in Kirche und Gesellschaft an-zustoßen. Was sie in ein paar Jahren zuwege brachten, würde manches Institut für Meinungsforschung und Unternehmensberatung erstaunen. Es gelang ihnen, wirk-lich die „Zeichen der Zeit“ kritisch und klar zu definieren und daraus Schlüsse für ihr Handeln zu ziehen. Darauf geht übrigens besonders das Thema „Wir und die Welt“ (früher hieß es „Milieu“) zurück, das heute noch im Cur-sillo seinen Platz am Sonntagvormittag findet. Diese „Studie über das Milieu“ – eine Analyse der Ausgangs-lage, in der diese jungen Christen ihr Umfeld, ihr Land, ihre Gesellschaft kritisch untersuchten, – legte auch den Grundstein für die erste Etappe des Cursillo: Begegnung mit sich selbst Blenden wir einmal über dieses Thema die Situation ein, in der sich die Emmausjünger befanden, damit wir die Geschichte des Cursillo mit dem Tiefgang der bibli-schen Botschaft, wie sie uns Lukas im 24. Kapitel erzählt, verbinden: Zwei Jünger verlassen Jerusalem. Der Karfreitag, der schändliche Tod ihres Rabbi auf Golgota, steckt ihnen in den Knochen. Alles ist zusammengebrochen. Sie sind in-

5

Page 3: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

nerlich so durcheinander, wie gelähmt, so dass sie an nichts anderes mehr denken können. Sie sind wie „mit Blindheit geschlagen“ – dass sie nicht einmal den wahr-nehmen, der sich zu ihnen gesellt. Sie sind so sehr in sich selbst verkrümmt, und ihr „Sprechen über all das, was

sich ereignet hatte“, ist so voller Depression und Aus-weglosigkeit, so voller Trauer, dass sie dem Fremden, der sich ihnen anschließt, keine Aufmerksamkeit schenken. Jetzt gehe ich wieder in unsere Zeit – in irgendeinen Cursillo hinein. Da kommen auch Menschen, und manch-mal waren und sind welche dabei wie nach einem Kar-freitagsgeschehen, orientierungslos, hoffnungslos, irri-tiert, von einem Schicksal beschädigt, ohne Ausweg, Gott anklagend „warum!?“, mit Fragen und Zweifeln. Zu all dem, was oft schon in der Begrüßungsrunde am ersten Abend zur Sprache kommt an Gottsuche, an Sinnsuche, an Ablehnung und Widerwillen an Kirche, Gott und Glauben – zu all dem beten wir am ersten Abend auch noch den Kreuzweg. Das ist starker Tobak. Der Cursillo ist kein Wellness-Wochenende. Im Cursillo geht man den Realitäten nicht aus dem Weg. Manch einer hat am ersten Abend schon seine Koffer gepackt. Das habe ich auch hier in Moos bei einem Männer-Cursillo erlebt. Die Freiheit, traurig oder auch zornig weg zu ge-hen. Das muss nicht sein, aber es darf sein. Für manchen ist diese freie Entscheidung der erste, wichtige Schritt zu seiner späteren Umkehr geworden. Zurück zu Eduardo Bonnin und den Anfängen des Cursillo. Man darf es aus heutiger Sicht wirklich als „visionär“ bezeichnen, dass diese jungen Leute damals nicht die Dogmen, den Katechismus, die Lehre der Kir-che, nicht den Heilsplan Gottes mit der Welt in den Vor-dergrund ihrer Kurse stellten, sondern einfach nur den Menschen. Das war fünfzehn Jahre vor dem Konzil, drei-ßig Jahre vor der ersten Enzyklika von Papst Johannes Paul II., der darin schrieb: „Der Mensch ist der Weg des

Evangeliums, der Mensch ist der Weg der Kirche, der Mensch ist der Weg der Verkündigung.“ (Kap 14) Es ging den Initiatoren tatsächlich von Anfang an um die Nähe zum Menschen. Die Teilnehmer an den „Pilger-führer-Kursen“, sowie alle, die sie auf der Pilgerschaft nach Santiago im August 1948 von Mallorca aus begleiteten, 700 Menschen, sie standen von Anfang an im Zentrum aller Bemühungen. Es ging mit dem Schiff hinü-

6

ber nach Barcelona und dann auf Lastwagen, per Bahn, sehr oft zu Fuß, weil die Transportwege, Schienen wie Straßen, noch vom Bürgerkrieg her zerstört waren, Rich-tung Santiago. Die Infrastruktur fehlte weitgehend, die Verpflegung der Pilger war ein tägliches Abenteuer. Oft war nichts aufzutreiben als trockenes Brot und Wasser. Die Sorge um die Menschen, die geistlich und körperlich begleitet und versorgt werden mussten, prägte die Pilgerschaft und drückte ihr ein unauslöschliches Siegel auf. Diese Pilgerschaft, die aus allen Landesteilen Spa-niens nach Santiago führte, vereinte schließlich über 70.000 Menschen am Grab des Hl. Jakobus. Sebastián

Gaya, einer der Priester, die die Gruppen aus Mallorca begleiteten, und der auch bei den ersten Cursillos von 1948 an dabei war, erzählte uns einmal, wie oft er sich unterwegs – vor allem in den vielen Beichtgesprächen – an die Erzählung von Emmaus erinnert fühlte. Viele der jungen Leute waren geprägt von den Schrecken des Bürgerkriegs. Manche hatten Väter oder Brüder verloren oder hatten von Folter und Mord in der unmittelbaren Nachbarschaft erfahren. Viele konnten nicht mehr an einen Gott glauben, der die Menschen liebt. „Wir aber hatten gehofft, dass er es sei, der Israel

erlösen würde“, klagten die Emmausjünger. Die Frage nach dem Sinn des Leidens, nach dem Sinn des Sterbens und des Todes – damit waren die Begleiter der Pilgerschaft täglich konfrontiert. Erst allmählich wächst im Menschen, wenn er auf dem Weg bleibt, die Offen-heit, zu ahnen und neu sehen zu lernen: „Musste nicht

alles so geschehen?“

Das ist bis heute im Cursillo ein großes Thema, und es ist gut, dass wir auch heute wie damals den Menschen in den Mittelpunkt der drei Tage rücken: Der Mensch mit seinen ungelösten Problemen und Fragen. Der Mensch mit seinen Verletzungen und Prüfungen, die ein Schicksal ihm zumutet. Der Mensch mit seiner inneren Zerrissen-heit zwischen Gelingen und Scheitern, der Mensch mit seiner Schuld, seiner Scham, seiner Angst. Der Mensch aber auch mit seiner Hoffnung, mit seiner Sehnsucht, sich ungeteilt, ungetrübt freuen zu dürfen am Leben. Das alles nimmt der Cursillo ernst. Er deckelt nichts mit frommen Sprüchen zu. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Cursillo könnte es manchmal him-

7

Page 4: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

melangst werden angesichts der schweren „Rucksäcke“, die so manche Teilnehmer mit in den Cursillo bringen. Wenn wir Mitarbeiter nicht vertrauen könnten auf die Kraft des Gebetes, auf die Kraft des Nachschubs, auch auf die Unverschämtheit, Gott unsere „kleinen Brötchen“ hinzuhalten, damit er sie segne und vermehre, bevor wir sie austeilen unter die Menschen, dann wäre unser Dienst im Cursillo eine einzige Anmaßung. Wir Mitarbeiter sind hier in Moos so manche Nacht oben in der Kapelle vor dem Tabernakel gekniet und haben dem Herrn unsere ganze Ohnmacht hingehalten. Von Anfang an – schon damals bei den ersten Cursillo auf Mallorca wie auch bei unserem Start hier in Moos vor 50 Jahren – waren Menschen unter den Teilnehmern, die man dort normalerweise nicht vermuten würde. Aus-gehend von der Erfahrung der Pilgerschaft nach Santiago war man aber zu der Überzeugung gekommen, dass es gerade in der Verkündigung der Frohen Botschaft keine Unterschiede geben darf zwischen Interessierten, Gläubi-gen, Frommen, Taufscheinchristen oder distanzierten Aussenseitern, sogenannten „Fernstehenden“. Die Erfahrung der Pilgerschaft hatte den Verantwortli-chen bewusst gemacht: Als Pilger auf dem Weg sind wir alle gleich – da zählen keine Unterschiede des Standes, der Bildung, der Herkunft, der Frömmigkeit, des Ge-schlechts, des Vermögens oder irgend eine andere Eigen-schaft. Alle sind miteinander unterwegs, alle gehören mit dazu, alle müssen sich den Mühen des Weges unter-werfen, alle müssen schwitzen, alle werden nass, alle müssen jeden Tag das Ziel erreichen, alle müssen aufeinander achten, dass sich keiner verrennt oder zurück bleibt, alle wachsen hinein in die Solidarität, die der Weg fordert. Bei einem der ersten Männer-Cursillo auf Mallorca, (der erste hatte vom 7. – 10. Januar 1949 oben auf dem Curaberg bei Randa im Kloster Sant Honorat stattge-funden), war unter den Teilnehmern auch ein Mann, der im Bürgerkrieg den Vater eines der Mitarbeiter, der an diesem Cursillo mitwirkte, erschossen hatte. Er war nie zur Verantwortung gezogen worden. Aber man kannte ihn und lud ihn zum Cursillo ein. Er kam tatsächlich. Erst am letzten Tag, in der Messe am Sonntag, erfuhr er, dass der Sohn des von ihm Ermordeten – immer um die Tat-sachen wissend – jeden Tag mit großer Liebe und Hin-

8

gabe von Christus Zeugnis gegeben und auch ihn, den Mörder seines Vaters, bei Tisch bedient hatte. Als sich die beiden Männer unter Tränen in die Arme schlossen und sich den Friedensgruß gaben, geschah wohl das Glei-che wie bei den Jüngern von Emmaus: Da gingen ihnen die Augen auf, und sie erkannten IHN. Damit komme ich zur zweiten Etappe: Begegnung mit Christus Wirkliche, wahre und echte Christus-Begegnung ist beim Cursillo oft und oft geschehen – bei den Frauen- ebenso wie bei den Männer-Cursillos. Und sie geschieht – Gott sei Dank – auch heute noch. Am 1. Männer-Cursillo hier in Moos (10.-13.03.1961) nahm auch ein ehemaliger Nazi teil, Leonhard Geiger, der eine tiefe Bekehrung erfuhr. In der Eucharistiefeier am Sonntag wurde er wieder in die Kirche aufgenommen. Ich bin heute noch all den damaligen Mitgliedern der Legio Mariens dankbar, die durch ihr Apostolat an den der Kirche Entfremdeten Zugang zu solchen Menschen fanden und sie zum Cursillo einluden. Das war damals nicht einfach, und es ist auch heute nicht einfach. Aber es ist nötig. Denn gerade dafür ist der Cursillo geschaffen, dass wir an die „Hecken und Zäune“ gehen und Men-schen einladen zu einer Erfahrung, die sie zur Freund-schaft mit Christus führt. Aber der Cursillo ist natürlich nicht nur für die Prob-lematischen, die Schwierigen, für die Grenzgänger zwi-schen Glauben und Nichtglauben geeignet. Wir haben zwar oft genug erfahren, dass es manchmal einfacher war, einen Menschen, der Gott, Glaube und Kirche fern stand, zu einer neuen Begegnung mit Christus zu führen, als solche, die engagiert und selbstsicher, aber ohne Liebe, ohne wirkliche Herzensbeziehung zu Christus ihren Dienst in der Kirche taten, oder solche, die einfach nie über ein Taufschein-Christentum hinaus gekommen waren, die selbstgenügsam, lau und gleichgültig eben nur noch christentümlich lebten. Sie taten sich oft viel schwe-rer, sich selbst zu erkennen, ihre Selbstgerechtigkeit und fromme Heuchelei einzugestehen und ihr altes, über-kommenes Gottesbild abzulegen, das oft das Bild eines strafenden, rächenden, kontrollierenden Gottes war. Sie taten sich schwer damit, sich der Botschaft des barm-herzigen Vaters zu öffnen, der den Sünder nicht nur vor-

9

Page 5: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

behaltlos liebt, sondern ihm voll froher Erwartung und Sehnsucht entgegen kommt. Im Grunde geht es uns im Cursillo wie Christus: mit denen, die sich für die Gerech-ten halten, ist es oft schwerer als mit denen, die um ihr Sündersein, um ihre Erlösungsbedürftigkeit wissen. Wenn ich nochmals zur Emmausgeschichte schwenke, finden wir treffende Parallelen: Obwohl sich die beiden Jünger in der Bibel gut auskannten, waren sie doch bei einer Messias-Vorstellung rein weltlicher Dimension ste-hen geblieben. „Wir aber hatten gehofft, dass er der sei,

der Israel erlösen werde“. Geht es uns und unseren Teil-nehmern im Cursillo nicht auch oft so? Ich hatte gehofft, dass Gott meine Gebete, Erwartungen, Hoffnungen erfül-len würde. Ich hatte gehofft, dass er in meiner kleinen Welt Ordnung schaffen würde. Ich hatte gehofft, dass mir Gott die unangenehmen Aufgaben in meinem Leben ab-nehmen würde usw. Einmal sagte eine Frau sehr ent-täuscht: Jetzt bin ich schon zehnmal zu Fuß nach Alt-ötting gepilgert, und mein Vater übergibt den Hof immer noch nicht. Im Cursillo wird versucht, die Grunderfahrungen der Menschen ernst zu nehmen. Es gelingt uns Menschen nicht immer, aus eigener Kraft und eigenem Willen einen Weg in die Zukunft zu finden, der auch tragfähig wäre und der sowohl ererbten wie künftigen Belastungen standhalten kann. Wir brauchen Begleiter. Wir brauchen einen, der mit uns geht, einen, der uns zunächst einmal nur zuhört, geduldig, der vielleicht einfach nur fragt: „Was sind das für Dinge, die ihr miteinander redet?“ Es weckt unsere Skepsis, wenn einer daher kommt und schon fertige Antworten hat, noch bevor er uns richtig angehört hat, einer, der gerne Ratschläge verteilt oder gar jemand, der uns Antworten auf Fragen gibt, die wir gar nicht gestellt haben. Der Gesprächsstil Jesu ist unser Vorbild. Mehr zuhören als reden, und erst, wenn der andere seine Bereit-schaft zeigt, seinerseits zuzuhören, wenn er sich öffnet für den Dialog mit Herz und Verstand, dann wird viel-leicht guter Grund gelegt für eine neue Sicht, für eine neue Blickrichtung. Dann ist er vielleicht hörfähig für ein Wort, das ihm weiterhilft. Jesus hat nie einen Menschen mit seinem Wort oder mit einer Geste, gar mit einem Heilungsgeschehen, überfallen. Selbst noch den Blindge-borenen, dessen Not jedem, auch Jesus, offenkundig war,

10

fragt er erst: „Was willst du, das ich dir tun soll?“ Der Ratsuchende, der Heilung Suchende muss sich selbst aussprechen, muss das, was ihn belastet, ins Wort bringen. Wir kennen den Grundsatz: Was nicht ausge-sprochen wird, kann nicht geheilt werden. Der Cursillo hat diesen neuen Weg der Verkündigung eingeschlagen: Er sucht das intensive Gespräch unter-einander – zu zweit, in Gruppen – und er versucht es zu verbinden mit Vorträgen, die wir ebenfalls „Gespräche“ nennen. Denn sie sollen keine theoretischen Referate, vielmehr Gesprächsanstöße sein. Sie sollen sein wie das Ausbreiten einer Landkarte, auf der jeder – allein oder gemeinsam mit anderen – die für ihn gangbaren Wege und die erwünschten Ziele markieren kann, die ihm ange-messen erscheinen. Und gerade da, wo sich Menschen am Anfang sehr schwer taten, sich zu öffnen für die Be-gegnung mit Christus, sind uns die Gespräche mit jedem Einzelnen wichtiger als alle dogmatischen Wahrheits-ansprüche. Etwas salopp nennen wir Mitarbeiter diese Gespräche im Cursillo „Gangarbeit“. Nicht nur, weil diese Gesprä-che oft auf den Gängen der Exerzitienhäuser stattfinden, sondern auch, weil dieser Prozess des Aufeinanderhörens und des einfühlsamen Austauschs etwas in Gang – in Bewegung – setzen soll. Nicht zuletzt ist es auch das Mit-einandergehen, das seelsorglich-therapeutische Kraft be-sitzt. Hat nicht der Wanderprediger aus Nazaret die Men-schen „im Gehen“ – auf dem Weg – gewonnen für seine Botschaft? Pestalozzis Wort „es ginge vieles besser, wenn man mehr ginge“ haben nicht erst die Jakobspilger von heute neu entdeckt. Dass wir im Gehen mit den Menschen auf ihrem inneren Weg, in der Geistlichen Be-gleitung, aufmerksam machen können auf die Dynamik ihres einmaligen Lebens, die ihren Person-Kern betrifft, das kann man durchaus als einen der aufrüttelnden Aspekte des Cursillo sehen. Hier lernen Menschen aber nicht nur ihren Weg neu sehen und kennen, sondern auch den, der alle Wege mitgeht: Christus, der den Menschen begleiten will in allem Auf und Ab, der selbst noch dann, wenn der Mensch falsche Wege geht, sich zunächst nicht quer stellt, sondern mitgeht. Die Emmaus-Geschichte sagt es uns ganz deutlich:

11

Page 6: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

Jesus sagte vor seinem Tod, er werde seinen Jüngern nach seiner Auferstehung nach Galiläa vorausgehen (vgl. Mt, 26,32). Dort würden sie ihn sehen. Das ist ein anderer Ort als Emmaus. Aber Jesus stellt sich den Beiden nicht in den Weg und ruft: Halt, ihr geht in die falschen Richtung! Nein, er geht den falschen Weg mit ihnen. Das ist bemerkenswert! Es ist längst nicht selbstverständlich, etwa zu beten: „Herr, begleite meine Kinder auf ihrem verkehrten Weg“ – und doch liegt darin eine Logik, die Gott und seiner Macht etwas zutraut. Trauen wir Gott, unserem Herrn, etwa nicht zu, dass der so souverän ist, mit anderen auch falsche Wege mitzugehen und ihre Herzen zu entzünden, ihre Augen zu öffnen, wenn die rechte Zeit dafür gekommen ist? Mit unserem ängstlich drohenden Rechthabenwollen müssen wir aufhören, wenn wir unsere Kinder, Partner – oder wen auch sonst – der Obhut Gottes anvertrauen. Die Begegnung mit Christus können wir nicht machen, aber wir können Ihm, dem alle Macht gegeben ist, schon heute dafür danken, dass Er Herzen und Sinne zur rechten Zeit denen öffnet, die ihn – oft ohne es selbst zu wissen – doch suchen. Der Cursillo sucht Menschen, die sich vielleicht wie ein Zachäus verstecken, aber sehnsüchtig nach Jesus Ausschau halten; die unerwartet entdeckt, angerufen und herausgeholt werden aus dem Versteckspiel ihres Lebens, aus dem Bunker ihrer vermeintlichen Minderwertigkeit oder Hoffnungslosigkeit. Der Cursillo sucht - ich sage es noch einmal – Menschen an den „Hecken und Zäunen“, Menschen, denen ihre Sehnsucht nach einer „Einladung Jesu“ vielleicht nicht einmal bewusst ist, die nie damit gerechnet hätten, weil sie sich für Ausgeschlossene, Randsiedler oder sogar von Gott Vergessene halten, obwohl sie in der Welt alles tun, um vor den Menschen etwas zu gelten (Besitz, Leistung, Ansehen, Beziehun-gen…). Der Cursillo will auf jeden Fall nicht, was leider viel immer wieder geschieht: sogenannte „längst gefangene Fische“ noch einmal zu „fangen“. Er will wie ein „Vor-posten“ kirchlicher Verkündigung sein – ähnlich dem mittelalterlichen Wachsoldaten draußen am Stadttor in seinem Schilderhäuschen. An seinem Zeugnis und seiner Ausstrahlung, an seiner sympathischen Einladung und seiner „spirituellen Kompetenz“ orientieren sich Fragen-de, Suchende, Vorbeikommende. Spüren sie bei ihm das

12

„neue Brennen“ nach dem sie im Grunde ihres Herzens verlangen, werden sie sich bewegen lassen und eintreten, um danach vielleicht wie die Emmausjünger heimzu-kehren in ihre Gemeinschaft und voll Überzeugungskraft und Begeisterung zu bezeugen: Wahrhaftig, ER lebt! Die Begegnung mit Christus kann so vielfältige Formen annehmen, wie es Menschen gibt. Im Cursillo findet diese Begegnung noch immer auffallend oft und auffallend intensiv in der Eucharistie statt, wenn auch oft erst in der Eucharistiefeier am Sonntagmorgen. Für viele wird diese Stunde zu einem Emmaus-Erlebnis, zu einer Taborstunde, und viele sind von dieser Stunde an wirk-lich aufgebrochen in ein neues Leben hinein. Viele haben in ihrer Familie, an ihrem Arbeitsplatz, in ihren verschie-denen Milieus Zeugnis gegeben vom auferstandenen Herrn, der ihnen begegnet ist. Ehen sind wieder geheilt worden, Familienstreitigkeiten fanden Frieden, Feinde versöhnten sich. Und Menschen erkannten ihre bis dahin verborgene Berufung. Für mich wurde in meinem eigenen ersten Cursillo ein Schriftwort aus dem Philipperbrief zum Zündfunken für eine Kettenreaktion: „Ich vermag alles in dem, der mich

stark macht“ (Phil 4,13). Bald nach meinem Cursillo gab ich meinen Kaufmannsberuf auf und ging in den Kirchli-chen Dienst. Ich wuchs in die spirituelle Bildungsarbeit hinein, ohne dass ich Theologie, Psychologie oder Päda-gogik studiert hätte. Natürlich lernte ich in dieser Arbeit auch meine Grenzen kennen, aber immer wenn ich vor einer neuen Aufgabe kapitulieren wollte, stand dieses Wort wieder vor mir: „Ich vermag alles in dem, der mich

stark macht“. Und dann ging es weiter. Jesus sagt: „Euch

soll es um Reich Gottes und um seine Gerechtigkeit

geben, dann wird euch alles andere dazu gegeben

werden“ (Mt 6,33). Das stimmt wirklich. Ich habe es oft und oft erfahren – bis heute. Ich möchte noch einmal darauf zurück kommen, dass die Feier der Eucharistie die beste – und vielleicht sicher-ste – Gelegenheit zur Christusbegegnung darstellt, nicht nur im Cursillo. Wie für die Emmausjünger nach ihrer verzweifelten Flucht aus Jerusalem wichtig war, dass sie ihren Weg, ihre Gespräche, ihr Fragen und Nichtverste-hen mit hinein genommen haben in das „Bleibe bei uns“ mit dem Herrn, hinein in das Brotbrechen und den Segen, den der Herr über alles sprach. Im Gebrochen-werden des

13

Page 7: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

Brotes haben sie auch die Brüche in ihrem eigenen Le-ben, ja sogar das Zusammenbrechen ihrer bisherigen Lebenshoffnungen hinein genommen in den heilenden Lobpreis über die gebrochenen Gaben, und so konnten ihnen die Augen geöffnet werden. Sie erlebten ja nicht nur das Glück, jetzt die Gegenwart des Auferstandenen zu erkennen, sondern auch die Freude, dass ihre Herzen schon auf dem Weg des Zweifelns und Suchens ange-fangen hatten, zu brennen. Scheuen wir uns nicht, die Feier der Eucharistie auch in unseren Gemeinden als die höchste Form unseres Glaubens zu begehen. Vielleicht müssen wir neue Wege entdecken und gehen, unseren Schwestern und Brüdern im Glauben die alles entscheidende Feier von Tod und Auferstehung unseres Herrn neu nahe zu bringen, als uns in Diskussionen zu verlieren um theologisch-amtliche Fragen wie Zölibat, viri probati und Frauenordination, wo oft nur polemische Angriffe die Fronten verhärten. Wenn es in unserer Kirche einen Neu-Aufbruch geben muss – und ich glaube schon, dass es ihn geben muss – dann müsste er von einem tieferen eucharistischen Berührt-werden und einer tieferen Sehnsucht, Feuer zu fangen, ausgehen. Wir brauchen ein neues Brennen! Die Weggemeinschaft mit Christus und miteinander wird am Nachhaltigsten aus der Eucharistie gespeist und erneuert. Sie ist das Vermächtnis Jesu. Wir feiern in der Liturgie nicht uns selbst, sondern das Gedächtnis des Todes und der Auferstehung Jesu, und wir feiern dieses Gedächtnis deshalb regelmäßig, damit wir ihn nicht aus dem Gedächtnis verlieren. Denn nichts bringt uns im Alltag so sehr mit Christus in Berührung wie die Feier der Liturgie. In der Frage der Beständigkeit und Aktualität der Cursillo-Bewegung, der Treue der Cursillistas, besonders der Mitarbeiter, spielt die Liebe zur Eucharistie deshalb eine ganz entscheidende Rolle. Sie ist die Mitte und der Sammelpunkt christlichen Lebens, christlicher Gemein-schaft. Von ihr geht unsere Sendung aus, unser Brot mit den Armen zu teilen und die Liebe Gottes in die Welt zu tragen. Alles, was es über eine lebendige Christus-Begeg-nung zu sagen gibt, gründet in der Eucharistie, und natür-lich folgt daraus in einer ganz besonders intensiven Weise der Dienst an den Armen und Notleidenden, der Dienst an denen, die unsere ganz besondere Liebe und

14

Zuwendung brauchen. Es hat mich tief bewegt, als ich einmal das Noviziat der Mutter-Teresa-Schwestern in Rom – mitten im Slum im Süden der Stadt – besuchte. Trotz ihres Dienstes an den Armen und Verwahrlosten verbringen sie täglich – morgens wie abends – jeweils eine Stunde in der Anbetung vor dem eucharistischen Herrn. Daraus schöpfen sie ihre Kraft. Wir sehen, wie sich hier auch die Schnittstelle ergibt zur dritten Etappe des Cursillo: Begegnung mit der Gemeinschaft Die Weggemeinschaft mit Christus und miteinander wird am Nachhaltigsten aus der Eucharistie gespeist und erneuert. Sie ist das Vermächtnis Jesu. Nur wenn wir uns das Herz immer wieder, in jeder Eucharistiefeier, neu entzünden, ja, entflammen lassen, bleibt uns die Sendung in die Gemeinschaft hinein plausibel. Wie es die beiden Emmaus-Jünger nicht mehr aushalten in der Herberge, in der sie beim Brotbrechen den Herrn erkannt hatten, so wird es auch uns als ganz natürliche Konsequenz der Mahl- und Festgemeinschaft mit Christus zu den Ge-schwistern und Freunden ziehen. „Noch in derselben

Stunden brachen sie auf und eilten zurück nach

Jerusalem“, heißt es bei Lukas. Zurück in der Gemeinschaft, erhalten sie die Bestä-tigung, dass sie in der intimen Begegnung mit dem Auf-erstandenen in Emmaus keiner Täuschung aufgesessen waren. Wir sind Pilger des Glaubens, und wir sind Zeu-gen des auferstandenen Christus. Wir haben Christus erlebt – in einer Stunde des Glücks vielleicht, im begeis-ternden Aufschwung des Herzens in einer Taborstunde – in einer Atmosphäre tiefer Verbundenheit mit Gleichge-sinnten – in einer Erfahrung des Schweigens voll erschüt-ternder Gewissheit der Gegenwart des Herrn in uns. Aber all das, so beseligend und beglückend sich uns „Begeg-nung mit Christus“ auch geschenkt haben mag: wir haben sie nicht für uns allein bekommen. Wir werden einmal gefragt werden: was hast du damit gemacht? Was hat diese Erfahrung mit dir gemacht? Ob wir sie vergraben haben wie das eine Talent, mit dem der Mann im Gleichnis sich nicht getraut hatte zu wuchern – oder sind wir mit dieser Erfahrung unter die Leute gegangen, um ihre Frucht auszuteilen? Die Begegnung mit der Gemeinschaft wird zum Prüf-

15

Page 8: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

stein unserer Begegnung mit Christus, und sie ist geprägt vom Aufbruch, von der Pilgerschaft, von der Entschei-dung für den „neuen Weg“. Wer wirklich von der Freundschaft mit Christus ergriffen ist, dessen Heimat ist nicht mehr die Sesshaftigkeit, das einmal Erreichte und Erfahrene, die Häuslichkeit im Glauben, die Sicherheit gefestigter Denkstrukturen. Der Christ, der in die Spuren Christi tritt, ist im Aufbruch zuhause, in der Unruhe der Nachfolge. Diese Einstellung verdanke ich vielen Freunden, vie-len Geschwistern im Glauben, die mir das vorgelebt ha-ben. Viele habe ich durch den Cursillo kennen gelernt, und ich will nur ein paar Namen aufzählen, auch wenn ich weiß, dass viele von Euch sie nicht gekannt haben: Thea Ettle, Erich Kniffki, Max Fscher, Anna Hahl, Lilo Lohmiller… Pater Josef Cascales aus Wien ist heute unter uns – ein ganz besonderes Geschenk. Er hat uns den Cursillo nach Deutschland gebracht und viele, viele haben seinen Impuls bis heute weitergetragen. Ich denke jetzt an viele Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter, Laien und Priester der ersten Stunde: Pater Stephan, P. Adalbert Mohn, Robert Ammer, Pater Friedhelm, Bruder Paul, P. Josef Pfanner, um nur ein paar zu nennen. Viele weitere wären zu nennen. Andere sind als diese Zeugen schon vorausgegangen zum Herrn: Maria Schaadt, Anni Reize, Klaus Krämer, Roland Rube, Ottmar Maxheim, Stefan Braun und viele, viele weitere – ich kann sie gar nicht alle aufzählen Viel haben wir ihnen zu verdanken! Wir danken allen, Lebenden wie Verstorbenen, für ihr Zeugnis, für ihre Liebe zu Christus, die sie ausgestrahlt und mit der sie überzeugt haben. Sehr viele Teilnehmer an unseren Cursillos sind wirk-lich aufgebrochen nach dem Erlebnis dieser drei Tage. Nicht nur Priesterberufe und geistliche Berufungen sind durch den Cursillo geschenkt worden, sondern vor allem Laien-Apostel, engagierte Frauen und Männer, die in ihrem Leben, in ihrer Familie, in ihren Pfarrgemeinden in Wort und Tat schlicht und ohne viel Aufhebens umge-setzt haben, was zur tiefen Erfahrung ihres Herzens ge-worden war: Wir können unmöglich schweigen von dem,

was wir gesehen und erlebt haben (vgl. Apg 4,20). Ich will hier gar nicht große Erfolge und spektakuläre Taten aufzählen, obwohl es legitim wäre, davon zu reden. Denn

16

Gutes tun und darüber reden, ist noch immer wichtig in unserer Zeit und gerade in unserem deutschen Land, wo ständig so viel gejammert und mies gemacht wird, wo Leute, die sich ehrenamtlich und unentgeltlich für andere engagieren, sich immer wieder gegen den Vorwurf eigen-süchtiger Profilierung wehren müssen. Was wäre nicht alles zu berichten von den Cursillos im Gefängnis - zuerst in Straubing und dann vor allem in Berlin-Tegel - Fritz Höschen ist ja unter uns, der sich da besonders reingehängt hatte. Ich müsste erzählen von den ersten Cursillos nach der Wende im Osten – von den ersten Cursillos in Tschechien (die übrigens hier in Moos ihren Anfang genommen hatten), und an denen viele von Euch, die heute hier sind, ganz entscheidenden Anteil hatten. Ja ich könnte erzählen von all den Anfängen in den deutschen Diözesen seit 1965, die ich miterlebt habe und bei denen ich aktiv mit dabei sein durfte als Mitarbeiter. Ich müsste erzählen vom Cursillo-Haus St. Jakobus in Oberdischingen und vom Haus St. Josef in Tschechien u.v.m. Morgen wird bei der Ultreya einiges zur Sprache kommen. Ich müsste erzählen von so vielen Aktionen, die durch Cursillistas angestoßen und über viele Jahre begleitet worden waren - unsere Fördergemeinschaft „Brücke und Weg“ zum Beispiel, durch die wir in Kroatien und Tsche-chien, in Ostdeutschland und sogar in Andalusien (beim Neubau des dortigen Priesterseminars) mithelfen konn-ten. Und da sind auch noch all die vielen äußerlich un-scheinbaren, aber wirksamen Initiativen, die Cursillistas als ihr Apostolat erkannt und in Wort und Tat umgesetzt haben. Wir sagen für alles vor Gott unserem Herrn Dank, der uns als Werkzeuge gerufen und zu so vielen Diensten brauchbar gemacht hat. Aber dieser heutige Tag – dieses Jubiläum – darf nicht nur auf Vergangenes, auf bisher Erreichtes schauen. Ein Jubiläum hat immer auch die Visionen aufzuzeigen, die zwar viel Kraft aus den Erinnerungen beziehen. Aber ohne Vision bleichen auch die schönsten Erinnerungen aus. Etwas salopp ausgedrückt: man kann den „Kaffee-satz“ schöner Erfahrungen oder Leistungen nicht immer und immer wieder aufbrühen – die Brühe würde jedes Mal dünner und schließlich ungenießbar. Wenn wir als geistliche Gemeinschaft, als Kirche, in die Zukunft hinein bestehen wollen, müssen wir klare

17

Page 9: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

Ziele vor Augen haben. Es geschieht im Laufe vieler Jahre, dass sich ein Nebel von täglichen Mühen, Sorgen und vielfältiger Ablenkungen auf unsere Ideale legt. Plötzlich geraten die Ziele aus dem Blick. Dann tappen wir leicht in die Falle von sogenannten Hauptthemen, die immer und immer wieder als die wichtigsten in der Kirche genannt werden. Ihr kennt sie alle: Zölibat, die Ämterfrage, Homosexualität, die Wiederverheirateten Geschiedenen u.a. Ich verkenne nicht, dass es wichtige Fragen sind. Ich bestreite nicht den Reformstau in der Katholischen Kirche. Aber wo in der Welt gibt es keinen Reformstau? Ich wünsche mir auch mehr Dialog in der Kirche, mehr Hören aufeinander, weniger Angst unter den Bischöfen und anderen Amtsträgern. Lassen wir uns nicht beirren. Für uns Christen behält Vorrang, dass wir uns daran orientieren, was uns Paulus im Epheser-Brief sagt: „Wir wollen uns, von der Liebe

geleitet, an die Wahrheit halten und in allem wachsen,

bis wir Ihn erreicht haben. Er, Christus, ist das Haupt“

(Eph 4,15 f). Verlieren wir nie den Blick auf diese Di-mension unseres Glaubens. Daraus wächst unsere Vision für die Zukunft. Was wir im Cursillo als „Begegnung mit der Gemein-schaft“ in der dritten Etappe bedenken, hat natürlich auch die Welt als Ganzes im Blick. Wir wissen, dass wir als Christen wie auch als Bürger dieser Welt den Auftrag haben, das Antlitz der Erde mit zu gestalten. Aber eben weil wir Christen sind und nicht nur Bürger dieser Welt – weil wir als Christen zwar i n dieser Welt sind, aber nicht v o n dieser Welt – darum gehört zu unserem Dienst an der Welt und in der Welt das Vertrauen auf die Führung des Heiligen Geistes. Als Christen wissen wir, dass wir als Kirche – unter der Führung des Geistes – Sauerteig sein sollen. Das ist auch unser Wissen und Gewissen als Kirche. Zu diesem Wissen gehört, dass wir aus der Überzeugung leben, dass wir immer richtig han-deln, wenn wir das Evangelium als Richtschnur anlegen. Ich nenne als „Richtschnur für die Hosentasche“ nur mal das Vaterunser, das Credo oder auch die Bergpredigt. Ich muss nicht das ganze Evangelium auswendig aufsagen können. Aber ich möchte mein Leben und die Milieus, auf die ich Einfluss nehmen kann, aus der Gewissheit heraus mitgestalten, dass die Lösung, die ich aus dem Evangelium beziehe, richtig ist. Es ist richtig, wenn wir

18

uns die Haltung des Herrn zu eigen machen, der z. B. nach der Auferweckung des Lazarus sagt: „Bindet ihn los

und lasst ihn gehen“ (Joh 11,44). Lassen wir die Menschen los, wenn Gott an ihnen das Wunder der Auferstehung in seiner Gnade gewirkt hat? Lassen wir sie los in ihren je eigenen, persönlichen Pilgerweg, in ihren eigenen Aufbruch hinein? Oder hoffen wir im Stillen, dass sie doch einschwenken auf die Wege, die wir ihnen vorgeben? Bleiben wir da sehr achtsam und besiegen wir unsere Erwartungen, die vielleicht nicht den Lebens-Entwürfen der Menschen, die wir begleiten wollen, ent-sprechen. Oder wenn Jesus den Zachäus vom Baum herunter ruft und ihm sagt: „Heute muss ich bei Dir einkehren!“ (Lk 19,5) Fühlen wir uns verantwortlich für jeden „Zachäus“ in Kirche und Gesellschaft, den wir nicht zunächst zu uns, sondern zu Christus einladen wollen? Wir wollen die „Zachäus-Menschen“ weder manipulieren noch verein-nahmen. Wir wollen ihnen aber Gemeinschaft anbieten und freuen uns, wenn sie bei uns – in Gruppen und Ultreyas – so viel Herzlichkeit, Annahme und Wärme erleben, dass sie neues Vertrauen fassen, auch in der Kirche als Ganzes ihre Heimat neu zu entdecken. Oder nehmen wir Jesu Gespräch mit der Samariterin am Brunnen. Wenn Jesus sich nicht scheut, mit einer stadtbekannten Außenseiterin ein geistliches Gespräch zu führen, darf es auch für uns keinen Menschen geben, der uns als nicht geeignet erscheinen könnte für die Einla-dung zum Gespräch über Christus und sein Wort. Denken wir daran: die Samariterin hat nach ihrer Begegnung mit Christus ihr ganzes Dorf zu ihm gebracht! Wo auch immer wir in die Schule Jesu, in die Schule des Evangeliums gehen, nie stoßen wir auf einen Bericht, dass die Menschen nach ihrer Begegnung mit Christus perfekt gewesen wären. Wir sollten auch nicht meinen, wer an einem Cursillo teilgenommen hat, müsste ein perfekter Christ sein. Sind wir denn perfekte Christen geworden? Ich jedenfalls nicht. Ich war, bin und bleibe ein Pilger des Glaubens. Und mir hilft der Satz von Roger Schutz sehr: „Der Christ kann jeden Tag von einem Neubeginn zum nächsten gehen“. Mit den Worten Jesu heißt das: „Wer mir nachfolgt, geht nicht im

Dunkeln, sondern hat das Licht des Lebens“ (Joh 8,12).

19

Page 10: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

In die Entstehungszeit des Cursillo fiel 1943 die En-zyklika Pius XII. „Mystici corporis“ – über den geheim-nisvollen Leib Christi, die Kirche. Die Cursillo-Themen der ersten Kurse waren stark geprägt von dieser Theolo-gie. Zum ersten Mal seit dem Trienter Konzil (1545-63) – das sich vor allem gegen die Reformation gewandt und ein institutionelles, juridisches Kirchenverständnis ge-prägt hatte – sprach ein Papst wieder vom lebendigen, geheimnisvollen Leib Christi als Modell der Kirche. End-lich kam wieder zur Sprache, was die Vision des heiligen Paulus von einer lebendigen Kirche prägt: alle Glieder gehören dazu, alle ergänzen sich, alle respektieren ihre unterschiedlichen Ämter und Aufgaben. Lesen wir doch wieder einmal und immer wieder im ersten Korinther-brief, was Paulus über den einen Geist und die vielen Gaben, über den einen Leib und die vielen Glieder, über Gnadengaben und Charismen schreibt. Die Cursillo-Bewegung als eine „Kirche in Bewe-gung“ hat zu Recht den hl. Paulus als ihren Patron erhalten. Aber richten wir uns auch nach seiner Vision? Machen wir sie uns zu eigen? Oder basteln wir uns aus dem Vielerlei von aktuellen, der Zeitmode angepassten anscheinend „heißen“ Themen unsere Vision zusammen? Wir werden scheitern, wenn wir nicht immer wieder zur großen Weite des Evangeliums zurückkehren. Wir alle bleiben Pilger. Kaum einer, der sich wirklich in der Nachfolge Jesus auf dem Weg, auf dem „Neuen Weg“ befindet, wird zu einem anderen Mitpilger sagen: ich brauche dich nicht, so wenig, wie die Hand zum Ohr sagt: ich brauche dich nicht. Wir brauchen Leute, die mit beiden Händen fest mit anpacken können, wir brauchen Leute, die ein offenes Ohr für die Nöte der Menschen haben, wir brauchen prophetisch Begabte, die auf den Grund der Dinge – vielleicht auch einmal weit voraus - blicken können. Wir brauchen auch Leute, die mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen stehen bleiben, wenn andere – vielleicht nur vorübergehend – schwärme-risch glauben für eine Änderung der Verhältnisse eintre-ten zu müssen. Und wir brauchen vor allem auch Men-schen, die nicht den Lärm der Welt noch durch eigenes Lärmen zu übertönen suchen, sondern die ganz im Ge-genteil Orte der Stille schaffen können, keine Nischen ab-seits der Welt, sondern Quellen mitten in der Welt, wo man Kraft aus dem Schweigen, Kraft aus dem Gebet

20

schöpfen kann. Zu all dem möchte ich Euch ermutigen bei diesem Cursillo-Jubiläum. Weil wir im Herzen Pilger sind, brau-chen wir nicht zu erschrecken angesichts der weiten We-ge, die noch zu gehen sind. Der Pilger weiß, auch wenn der Weg noch weit und die Horizonte noch nicht in Sicht sind: Es kommt auf den nächsten Schritt an, auf den neuen Aufbruch ins Heute. Nichts kann uns trennen von der Liebe Christi, und er befähigt uns zu jener Liebe, die alles erträgt. Diese Liebe ist geduldig, langmütig, sie hofft alles, hält allem stand. Sie hört niemals auf. Weil wir im Herzen Pilger sind - darum ist der Cur-sillo als ein Werkzeug des Heiligen Geistes, das aus der Pilgerschaft entstanden ist, auch heute noch ein wunder-bares Geschenk an die Zeit von heute, an die Menschen von heute. Denn wenn wir die Menschen, zu denen wir den Cursillo bringen wollen, als Menschen verstehen, die im Herzen Pilger sind, Menschen, in denen eine Sehn-sucht brennt, Menschen, die Kräfte für neue Aufbrüche in sich tragen, dann bedarf es bloß noch der Sprache, die aus der Liebe kommt, dass wir sie und sie uns verstehen kön-nen. Auch wir sind im Herzen Pilger, keine Menschen, die sich auf dem einmal Erreichten ausruhen, sich gegen-seitig auf die Schulter klopfen und sich nur noch rück-wärtsgewandt damit zufrieden geben: Ach was war das einmal schön mit uns! Nein, wenn wir im Herzen Pilger sind, dann liegt Neuland vor uns. Wenn wir im Herzen Pilger sind, dann können wir jeden Morgen Gott danken für die neue Wegstrecke, die er uns führt, und die schon deshalb gut sein wird, weil ER alle unsere Wege mitgeht, denn „wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben,

alles zum Guten führt“ (Röm 8,28). Ich wünsche uns allen, dass wir heute von Neuem ernst nehmen, dass Christus uns nicht zu sesshaften Nesthockern berufen hat, sondern zu Pilgern, die auf dem je eigenen Weg – seinem Beispiel folgend – Menschen für das Reich Gottes gewinnen. Reich Gottes, das meinen wir ja mit unserer Definition vom „Ideal“: „Das Ideal –

das Reich Gottes – ist ein erkannter Wert, der den Willen

leidenschaftlich bewegt, alle Kräfte des Menschen

sammelt, und von dem der Mensch seine Vollendung und

sein ganzes Glück erwartet“. Bleiben wir Pilger des Glaubens und Zeugen des auf-erstandenen Christus! Ultreia!

21

Page 11: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

Neuerscheinung zum Cursillo-Jubiläum!

„Weil wir im Herzen Pilger sind - Christsein will Weite“ Schon seit langem bestand der Wunsch nach einem Buch, das die Intentionen der Cursillo-Bewegung im Zu-sammenhang mit der Pilgerschaft nach Santiago de Com-postela und der Aktualität des Jakobsweges beschreibt. Wolfgang Schneller, der über vierzig Jahre lang als Mit-arbeiter der Bewegung mitgewirkt und zugleich viele Menschen auf dem Jakobsweg als Pilgerführer begleitet hat, versucht in seinem neuen Buch, die Spiritualität der Pilgerschaft als charakteristisches Charisma des Christ-seins überhaupt vorzustellen. Entlang der Thematik des dreitägigen Glaubenskurses, der ein „Erlebnis des Wesentlichen im Christentum“ ver-mitteln will, nimmt der Autor zwei Ziele in den Blick:

22

1. Christen, die im Cursillo eine tiefe Erfahrung mit Christus gemacht haben, können diesen Schatz nur be-wahren, wenn sie ihn auch anderen weiterschenken. 2. Suchende Menschen, wie man sie oft unter den Pil-gern auf dem Weg nach Santiago findet, und die oft nach einer zuverlässigen Orientierung für ihr Leben und Glau-ben fragen, können dieses „Meditations- und Werkbuch“ in ihren Rucksack stecken und damit unterwegs in Etap-pen Schritt für Schritt in die wesentlichen Überzeugungen und Grundhaltungen des Christseins hineinfinden. Das Buch will keine umfassende Glaubenslehre sein. Es zeigt eine große Weite auf und will Anregung und Hil-fe sein bei der je persönlichen Suche und Entscheidungs-findung. Es atmet den Geist der Pilgerschaft und lebt aus dem persönlichen Zeugnis des Autors. Es will Menschen ermutigen, mit ihrem ganzen Leben, trotz aller Unvoll-kommenheiten, auf dem Weg zu bleiben und ebenfalls Zeugnis zu geben – weil wir im Herzen Pilgersind. Das Buch wird voraussichtlich Ende Juni 2011 im Schwabenverlag Ostfildern erscheinen. Preis ca.9,90 €. Vorbestellungen sind möglich bei [email protected] oder direkt beim Autor: [email protected] .

23

Page 12: Pilger des Glaubens Raum mitarbeiten – und einmal sogar ... · Referat beim Mitarbeitertag 12.03. 2011 im Theresienheim Moos anlässlich von „50 Jahre Cursillo in Deutschland“

Wolfgang Schneller

Pilger des Glaubens

und Zeugen

des auferstandenen Christus

Karl Schmitt-Rottluff, Emmaus, 1918

Referat beim Mitarbeitertag am 12. März 2011

anlässlich des Cursillo-Treffens im St. Theresienheim Moos

zum Jubiläum

„50 Jahre Cursillo-Bewegung

in Deutschland“