Plastizitaet Und Bruchmechanik

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 Plastizität und Bruchmechanik Manuskripte zur Vorlesung TU Berlin, Fakultät V Institut für Mechanik Wolfgang Brocks Januar 2012

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bruchmechanik

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    Plastizitt und Bruchmechanik

    Manuskripte zur Vorlesung

    TU Berlin, Fakultt V

    Institut fr Mechanik

    Wolfgang Brocks

    Januar 2012

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    Inhaltsverzeichnis

    Manuskript-Name

    Der Spannungsintensittsansatz nach IRWIN LEBM_SIF

    Der energetische Ansatz Griffith

    Phnomenologische Theorie der zeit- und geschwindigkeitsunabhngigen

    Plastizitt Plastizitaet

    Erweiterung der LEBM fr kleine plastische Zonen BM_SSY

    Wegunabhngige Integrale - J-Integral J-Integral

    Asymptotische Lsung fr das Spannungs- und Verzerrungsfeld

    an der Rissspitze in der EPBM (HRR-Feld) HRR-Feld

    Gleitlinientheorie Gleitlinien

    Plastischer Kollaps und Grenzlastverfahren Grenzlast

    Experimentelle Ermittlung von Bruchkennwerten fracture-toughness

    Verformung, Schdigung, Bruch Schaedigung

    Das Modell der Kohsivzone Kohaesivmodell

    Aufgaben

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    LEBM_SIF, 05.01.2012,- 1 -

    Der Spannungsintensittsansatz nach IRWIN

    Obwohl die wesentlichen Arbeiten ber Spannungsfelder an Rissen von INGLIS [1913],

    SNEDDON[1946], WESTERGAARD[1939] und anderen bereits Anfang bis Mitte des 20. Jahrhun-

    derts verffentlicht wurden, haben diese Erkenntnisse die Festigkeitsauslegung von Bauteilenpraktisch nicht beeinflusst. Erst IRWIN [1957] erkannte die fundamentale hnlichkeit aller a-

    symptotischen singulren Spannungsfelder an Rissen und zog den Schluss, die Intensittendie-

    ser Felder fr bruchmechanische Bewertungen zu nutzen.

    Er hat zunchst drei Grundformen (Moden) der Beanspruchungvon Rissen unterschieden, die

    drei voneinander unabhngigen Bewegungsmglichkeiten der Rissflchen gegeneinander ent-

    sprechen. In Tabelle 1 sind die Erscheinungsformen der drei Moden zusammengefasst und in

    Bild 1zusammen mit dem in der Bruchmechanik blichen kartesischen Koordinatensystem dar-

    gestellt.

    Modus lokale Erscheinungsform Arten der ueren Belastung

    Modus I ffnen der Rissufer unter Zugspan-

    nungen senkrecht zur Rissebene

    reine Normalkraftbelastung; reine

    Biegung; Aufkeilen

    Modus II Abgleiten der Rissufer unter Schub-

    spannungen in Ligament-Richtung

    reine Querkraftbelastung; unter 45

    geneigter Riss unter biaxialer Zug-

    Druck-Belastung

    Modus III Verscheren der Rissufer unterSchubspannungen parallel zur Riss-

    front

    Torsion; anti-ebenes Zerreien

    Tabelle 1: Grundformen der Rissbeanspruchung

    Bild 1: Grundformen der Rissbeanspruchung nach IRWIN

    Die singulren Spannungsfelder aller drei Rissffnungsarten knnen hinsichtlich ihrer Intensitt

    durch jeweils einen Faktor, den Spannungsintensittsfaktor, beschrieben werden, der nur von der

    Geometrie des Krpers, d.h. der Probe oder des Bauteils, und des Risses sowie der ueren Be-

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    LEBM_SIF, 05.01.2012,- 2 -

    lastung abhngt. Wegen der Voraussetzung linear-elastischen Materialverhaltens knnen die

    Spannungsfelder aller drei Grundformen superponiert werden, so dass die asymptotischen Nhe-

    rungen des Spannungszustandes an Rissen durch

    I II III

    I II III

    1( , ) ( ) ( ) ( )

    2ij ij ij ijr K f K f K f

    r

    = + +

    (1)

    und des Verschiebungszustandes durch

    I II IIII II III

    1( , ) ( ) ( ) ( )

    2 2i i i ir

    u r K g K g K gG

    = + + (2)

    gegeben sind. Die Indizes (i,j) bezeichnen kartesische Koordinaten (x,y,z) oder Zylinderkoordi-

    naten (r, , z) am Riss.

    KI, KII, KIIIsind die Spannungsintensittsfaktoren der drei Rissffnungsarten und

    I

    ijf ,II

    ijf , IIIijf ,Iig ,

    IIig ,

    IIIig sind die in Tabelle 2zusammengestellten dimensionslosen Win-

    kelfunktionen von .

    Im Bild 2sind die Winkelfunktionen I ( )ij

    f und II ( )ijf graphisch dargestellt. Die Normalspan-

    nungen ( )xxf und ( )yyf sind gerade Funktionen von fr Modus I und ungerade Funktionen

    fr Modus II, bei den Schubspannungen ( )xyf ist es umgekehrt.

    Die Spannungsintensittsfaktoren stellen ein Ma fr die Strke der 1 r -Singularitt dar

    I

    II0

    III

    ( , 0)

    lim 2 ( , 0)

    ( , 0)

    yy

    xyr

    yz

    rK

    K r r

    K r

    =

    = =

    =

    (3)

    Aus Gl. (3) lsst sich auch die Dimensionvon Kals [KraftLnge-3/2] ablesen. bliche Ma-

    einheitensind MPa m= 10 10 N mm 3 2 . Fr die Rissuferverschiebungen gilt entsprechend

    I

    II0

    III

    1( , )

    22 1

    lim ( , )1

    1

    ( , )4

    y

    xr

    z

    u r

    K

    K u rr

    K

    u r

    = +

    = =

    +

    =

    (4)

    Sind die asymptotischen Spannungsverteilungen ij(r,) aus analytischen oder numerischen L-

    sungen bekannt, erhlt man die K-Faktoren unmittelbar aus dem Vergleich mit Gl. (1).

    Fr einige elementare Belastungsflle des GRIFFITH-Risses der Lnge 2aund des kreisfrmigen

    Innenrisses vom Radius aim unendlichen Krper (SNEDDON[1973]) sind die K-Faktoren in der

    Tabelle 3zusammengestellt.

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    LEBM_SIF, 05.01.2012,- 3 -

    Modus I Modus II Modus III

    fxx 3

    cos 1 sin sin2 2 2

    3

    sin 2 cos cos2 2 2

    0

    fyy 3cos 1 sin sin

    2 2 2

    +

    3sin cos cos

    2 2 2

    0

    fzz 0 fr ESZ

    2 cos fr EVZ2

    0 fr ESZ

    2 sin fr EVZ2

    0

    fxy 3sin cos cos2 2 2

    3cos 1 sin sin2 2 2

    0

    fxz 0 0 sin2

    fyz 0 0 cos2

    gx 2cos 1 2sin

    2 2

    +

    2sin 1 2cos

    2 2

    + +

    0

    gy 2sin 1 2cos2 2

    +

    2cos 1 2sin2 2

    0

    gz 0 fr EVZ 0 fr EVZ 4sin2

    Tabelle 2: Winkelfunktionen der Spannungs- und Verschiebungsfelder am Riss in der LEBM

    -0,5

    0

    0,5

    1

    1,5

    -180 -120 -60 0 60 120 180

    fij

    Modus I fxx

    fyy

    fxy

    -2

    -1,5

    -1

    -0,5

    0

    0,5

    1

    1,52

    -180 -120 -60 0 60 120 180

    fij

    Modus II fxx

    fyy

    fxy

    Bild 2: Winkelfunktionen der Spannungsfelder am Riss fr Modus I und II in der LEBM

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    LEBM_SIF, 05.01.2012,- 4 -

    Die K-Faktoren sind von der Geometrie des belasteten Krpers, der Beanspruchungsart (z.B.

    Zug oder Biegung), der Risskonfiguration und (linear) von der ueren Belastung abhngig. Ihre

    exakte Ermittlung ist fr reale Strukturen in praxisrelevanten Fllen in der Regel nur mit auf-

    wendigen mathematischen Methoden analytischer (komplexe Spannungsfunktionen, Integral-

    transformationen) oder numerischer Art (Finite-Elemente-, Randelemente-Verfahren) verbun-den. Bei Anwendung analytischer Methoden braucht das Randwertproblem allerdings nicht voll-

    stndig gelst zu werden, sondern es gengt die Kenntnis des Spannungsfeldes um die Rissspit-

    ze; insbesondere sind Spannungsfelder ohne die charakteristische 1 r -Singularitt ohne Ein-

    fluss auf den Spannungsintensittsfaktor. Liegen numerische Lsungen des Spannungs- oder

    Verschiebungsfeldes vor, knnen die K-Faktoren durch Auswerten von Gl. (3) bzw. (4) be-

    stimmt werden. Andere numerische Verfahren beruhen auf dem Zusammenhang zwischen K-

    Faktoren undEnergiefreisetzungsrate.

    GRIFFITH-Riss KI KII KIII

    einachsiger Zug yy

    yy a 0 0

    reiner Schub yx = xy

    0xy a 0

    antiebener Schub yz 0 0

    yz a

    konstanter Rissflchendruck p0 0p a 0 0

    zwei Einzelkrfte F, "Aufkeil"-Problem

    Fa

    Ba

    0 0

    kreisfrmiger Innenriss KI KII KIII

    einachsiger Zug yy 2

    yy a

    0 0

    konstanter Rissflchendruck p0 0

    2p a

    0 0

    vernderlicher Rissflchendruck p(R)2 20

    2 ( )a R p RdR a

    a a R

    0 0

    Tabelle 3: Spannungsintensittsfaktoren fr elementare Belastungsflle

    Die Gewinnung und Anwendung von Nherungslsungen fr K hat hohe Bedeutung fr eine

    ingenieurmige Anwendung der Bruchmechanik. Fr ein beliebiges ebenes Rissproblem kann

    man Kin Verallgemeinerung der in Tabelle 3angegebenen Gleichungen in der Form

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    LEBM_SIF, 05.01.2012,- 5 -

    ( )GeometrieK a Y = (5)

    schreiben. Dabei ist eine geeignet definierte "Brutto-Nennspannung" im Fernfelddes Risses

    und Yeine dimensionslose Funktion geometrischer Parameter, die aus analytischen oder numeri-

    schen Nherungslsungen ermittelt werden kann. Fr eine Vielzahl von "Modellfllen" kann Y

    als tabellierte Funktion oder als Approximationsfunktion einschlgigen Handbchern wie dem

    "Compendium of Stress Intensity Factors" von ROOKEund CARTWRIGHT [1976],

    "Stress Analysis of Cracks Handbook" von TADA, PARISund IRWIN[1985],

    "Stress Intensity Factors Handbook" von MURAKAMIet al. [1992]

    und anderen entnommen werden. Der Erfahrung und dem Abstraktionsvermgen des Ingenieurs

    ist es vorbehalten, reale Strukturen auf die in den Handbchern zusammengestellten Probleme

    zurckzufhren und so Nherungslsungen zu erhalten. Dabei liefert das Superpositionsprinzip

    eine universelle Methodik, um K-Faktoren bzw. Geometriefunktionen komplexer Strukturen undBeanspruchungsflle aus Lsungen einfacherer Probleme zu gewinnen.

    Wegen des zugrundeliegenden elastischen Stoffgesetzes und der Annahme kleiner Verformun-

    gen ist das Randwertproblem linear, d.h. Spannungs- und Verformungsfelder verschiedener

    Lastflle knnen additiv berlagert, und damit K-Faktoren fr gleichen Rissffnungsmodus ad-

    diert werden:

    , I, II, III , Lastfllenn

    K K n

    = = = (6)

    Ein einfaches Beispiel ist die Scheibe mit schrg liegendem GRIFFITH-Riss unter Zug- und

    Schubbelastung, fr die man

    ( )

    ( )

    I

    II

    sin cos sin

    cos sin sin

    K a

    K a

    =

    = + (7)

    erhlt.

    INGLIS, C.E. [1913]: Stresses in a plate due to the presence of cracks und sharp corners, Trans.Inst. Naval Arch. 60, 219-230.

    IRWIN, G.R. [1957]: Analysis of stresses and strains near the end of a crack traversing a plate, J.

    Appl. Mech. 24, 361-364.SNEDDON, I.N. [1946]: The distribution of stress in the neighbourhood of a crack in an elastic

    solid. Proc. Roy. Soc. A187, 229-260.

    SNEDDON, I.N. [1973]: Integral transform methods - Circular cracks. In: Mechanics of Fracture(ed. by G.C. SIH), 1. Methods of analysis und solution of crack problems, 350-363.

    WESTERGAARD, H.M. [1939]: Bearing pressures und cracks, J. Appl. Mech. 6, 49-53.

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    Griffith, 14.01.2012, - 1 -

    Der energetische Ansatz

    GRIFFITH [3], [4] behandelte das Problem des Bruchs elastischer Festkrper mit dem Satz vom

    Minimum der Energie und wendete diese Theorie auf eine unendlich Scheibe mit Mittenriss

    der Lnge 2anach Bild 1 an.

    Bild 1: Der GRIFFITH-Riss

    Die elastische Verzerrungsenergiepro EinheitsdickeB= 1, die in einem kreisfrmigen Gebiet

    von Radius rin einer Scheibe unter einachsigem Zug ohne Riss gespeichert ist, betrgt

    2 2el 2 2

    0( 1)(1 ) 2(1 )

    16

    rU

    G

    = + + . (1)

    Dabei ist die anliegende Fernfeldspannung, 2(1 )G E = + der Gleitmodul und ein von

    der Querkontraktionszahl abhngiger Parameter

    3 4 fr EVZ

    3fr ESZ

    1

    = +

    . (2)

    Die Verzerrungsenergie hngt von der Gre der Scheibe ab und wird unendlich fr r.

    Schneidet man ein Loch in die Scheibe, ndern sich Spannungs- und Verzerrungszustand und

    also auch die Verzerrungsenergie. Abhngig von der Randbedingung nimmt sie zu oder ab.

    Nimmt man konstante Verschiebung (fixed-grip) an, wirdEnergie freigesetzt(released),

    el el el

    0 relU U U= . (3)

    Die Abnahme der Verzerrungsenergie infolge eines elliptischen Loches mit den Halbachsen a

    und b, kann mit Hilfe der Gleichungen von INGLIS[5] berechnet werden,

    ( ) ( ) ( ) ( ) ( ) ( )2

    2 2 2el 2 2 2 2 2

    rel(1 ) 1 2 1 1

    32U a b a b a b

    G

    = + + + + + +

    . (4)

    Sie hngt nur von den Abmessungen des Loches ab und ist immer endlich. Der Parameter

    bercksichtigt zweiachsigen Zug. Den GRIFFITH-Riss der Lnge 2aerhlt man fr b0,

    2 2el

    rel(1 )

    8aU

    G = + . (5)

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    Griffith, 14.01.2012, - 2 -

    Spannungen parallel zum Riss beeinflussen im Falle eines idealen Risses die freigesetzte

    Energie nicht.

    GRIFFITHformulierte als Bedingung dafr, dass der Riss wchst,

    ( )el

    rel sep 0U Ua

    . (6)

    Der zweite Term, die Separationsarbeit, ist gleich der Oberflchenenergie pro Einheitsdicke

    der insgesamt vier neuen Rissflchen1,

    sep 4U a= . (7)

    GRIFFITH's fhrte fr seine recht unorthodoxe Idee einer Oberflchenenergie folgendes

    Argument an: "Just as in a liquid, so in a solid the bounding surfaces possess a surface tension

    which implies the existence of a corresponding amount of potential energy. If owing to the

    action of a stress a crack is formed, or a pre-existing crack is caused to extend, therefore, a

    quantity of energy proportional to the area of the new surface must be added" [4].

    Ein vorhandener Riss wird sich instabilausbreiten, wenn das Gleichheitszeichen in Gl. (7) gilt,

    also wenn dieEnergiefreisetzungsrate (energy-release rate)

    el 2elel rel (1 )

    (2 ) (2 ) 2

    U aU

    B a B a G

    = = = +

    G (8)

    gleich der notwendigen Separationsarbeit(work of separation)

    sep

    c

    2(2 )

    U

    B a

    = =

    (9)

    ist, um neue Rissoberflchen zu schaffen:

    el

    c( )a =G . (10)

    Letztere wird als Materialkonstante angesehen. Aus diesem Kriterium ergibt sich die globale

    Bruchspannung der Scheibe zu

    f

    2E

    a

    = , (11)

    mit E E= fr ESZ und2(1 )E E = fr EVZ.

    IRWIN[6] stellte mehr als 35 Jahre spter einen Zusammenhang zwischen der GRIFFITHschen

    Energiefreisetzungsrate und dem Spannungsintensittsfaktor (SIF) her,

    2el K

    E=

    G , (12)

    und untersuchte, wie diese Theorie auf quasisprden Bruch (somewhat brittle fracture), d.h.

    bei Existenz kleiner plastischer Zonen an der Rissspitze (small-scale yielding) angewendet

    werden kann, indem er den Radius der plastischen Zone

    1 Man beachte, dass der GRIFFITH-Riss zwei Risspitzen hat.

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    Griffith, 14.01.2012, - 3 -

    2

    p

    F

    1

    2

    Kr

    R

    =

    . (13)

    und das Konzept des effektiven SIF einfhrte. Die Energiefreisetzungsrate einer mitten-

    gerissenen Scheibe ist unter Bercksichtigung der Plastizierung an der Rissspitze

    ( )2 pssy el pla rE

    += = +

    G G G , (14)

    und um das Bruchkriterium der Gl. (10) zu erfllen, muss ein zustzlicher plastischer Anteil

    der Separationsarbeit auf der rechten Seite hinzugefgt werden

    ssy el pl( ) ca = = +G . (15)

    Diese plastische Separationsarbeit hat die gleiche Dimension wie el, nmlich Energie pro

    Flche, ist jedoch keine Oberflchenenergie im Sinne von GRIFFITHmehr, denn die plastische

    Verzerrungsenergie bezieht sich auf ein Volumen.

    Solange plastische Deformationen auf eine kleine Umgebung der Rissspitze beschrnkt

    bleiben, verursacht diese phnomenologische Erweiterung der GRIFFITHschen Theorie keine

    ernsthaften Probleme, abgesehen davon, dass elastische und plastische Anteile von c nicht

    getrennt werden knnen und normalerweise pl el ist. Der grundlegende Unterschied

    zwischen beiden Anteilen hat jedoch schwerwiegende Folgen beim Auftreten groer

    plastischer Zonen (large-scale yielding):

    Solange die lokale Verzerrungsenergie nicht von der im Fernfeld separiert werden

    kann, besteht keine Chance, physikalisch sinnvolle, geometrie-unabhngige Werte derSeparationsarbeit, d.h. derBruchzhigkeitals Materialkenngre zu bestimmen.

    Die Berechnung der Separationsarbeit innerhalb einer Prozesszone erfordert die

    Einfhrung einer Lngenskala, der Hhe der Prozesszone. Dieses Problem verbirgt

    sich hinter verschiedenen Ungereimtheiten der elastisch-plastischen Bruchmechanik

    (EPBM), im sogenannten Paradoxon [7], dass das Nahfeld-J-Integral bei verschwin-

    dender Hhe der Integrationskontur Null wird [2], ebenso wie in der Netzabhngigkeit

    von FE-Analysen mit schdigungsmechanischen Modellen.

    Mit der Einfhrung desJ-Integrals in die EPBM durch RICEund CHEREPANOVschien zunchst

    eine mit der LEBM konsistente Theorie gefunden worden zu sein: in derDeformationstheorie

    der Plastizitt ist J eine Energiefreisetzungsrate, ( )J U B a= = G , und bestimmt dieIntensitt des singulren Spannungs- und Verzerrungsfeldes (HRR-Feld). Kritische J-Werte

    fr Rissinitiierung unter monotoner Belastung hngen nicht wesentlich von der Proben-

    geometrie ab. Dies nderte sich jedoch mit der Anwendung vonJauf duktiles Risswachstum

    in Form von R-Kurven: Die kumulative Gre J, die mit der Risslnge zunimmt, stellt keine

    Energiefreisetzungsrate mehr dar, sobald der Riss wchst. Stattdessen muss eine inkrementelle

    Gre eingefhrt werden (TURNER[8]).

    Man betrachte wieder die Energiebilanz fr eine inkrementelle Rissverlngerung unter

    quasistatischer Belastung,

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    Griffith, 14.01.2012, - 4 -

    ( )el plex sepW

    U U UB a B a

    = + +

    , (16)

    wobeiexW die Arbeit der ueren Krfte ist, elU und plU die elastischen und plastischen

    Anteile der inneren Energie des Krpers und sepU die Separationsarbeit in der Prozesszone,

    sep cU B a = . Die totaleDissipationsrateRist dann durch

    ( )pl

    eldisex c

    U UR W U

    B a B a B a

    = = = +

    (17)

    definiert. Unter dissipierter Energie wird die gesamte nicht wiedergewinnbare (irreversible)

    mechanische Arbeit verstanden.

    Als TURNER die Gre R einfhrte, bezweifelte er grundstzlich die Mglichkeit einer

    Trennung in lokale und globale Anteile. Damit enthlt jeder gemessene Risswiderstand

    notwendigerweise die plastische Verzerrungsarbeit im Rissfernfeld pl cU B a , und dasProblem der Geometrieabhngigkeit von JR-Kurven schien damit unlsbar. Sowohlexperimentelle Untersuchungen von Rissoberflchen als auch mikromechanische Modelle

    duktiler Schdigung haben jedoch neue Mglichkeiten und Anstze zu einer physikalisch

    aussagekrftigen Definition von Risszhigkeit aufgezeigt [1].

    [1] W. BROCKS: Cohesive strength and separation energy as characteristic parameters of

    fracture toughness and their relation to micromechanics. Struct. Integr. Durab. 1 (2005),

    233-244.

    [2] W. BROCKS& H. YUAN: "Numerical investigations on the significance ofJfor large stablecrack growth", Engng. Fract. Mech. 32 (1989), 459-468.

    [3] A.A. GRIFFITH: The phenomena of rupture and flow in solids, Phil. Trans. Roy. Soc.

    London A211 (1920), 163-198.

    [4] A.A. GRIFFITH: "Theory of rupture", Proc. 1st Int. Congr. for Applied Mechanics

    (S.B. BIEZENO& J.M. BURGERS, eds.), Delft: Waltman Uitgevery, 1924, 55-63.

    [5] C.E.INGLIS: "Stresses in a plate due to the presence of cracks and sharp corners", Proc. Inst.

    Naval Architects, 1913.

    [6] G.R. IRWIN: "Analysis of stresses and strains near the end of a crack traversing a plate," J.Appl. Mech. 24 (1957), 361-364.

    [7] J.R. RICE: "The mechanics of quasi-static crack growth", Proc. 8th U.S. Nat. Congr. of

    Applied Mechanics (R.E. KELLY, ed.), Western Periodicals, 1979, 191-216.

    [8] C.E. TURNER: "A re-assessment of ductile tearing resistance, Part I: The geometry

    dependence of J-R curves in fully plastic bending, Part II: Energy dissipation rate and

    associated R-curves on normalized axes", Fracture Behaviour and Design of Materials and

    Structures, (D. FIRRAO, ed.), ECF 8, Turin 1990, Vol. II, EMAS, Warley, 1990, 933-949,

    951-968.

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    12/93

    Brocks: Plast izitt, WS 2010/11

    Plastizitaet, 04.01.2012,- 1 -

    Phnomenologische Theorie der zeit- und geschwindigkeitsunabhngigenPlastizitt

    Die Theorie behandelt das inelastische Verformungsverhalten von Metallen bei niedrigenTemperaturen unter langsamen (quasistatischen) Beanspruchungen, d.h. unter Ausschlussvon Zeitabhngigkeit (Kriechen, Relaxation) und Dehnratenabhngigkeit (Hochgeschwindig-keitsbelastungen). Auf der Mikroebene (Kristallgitter) beruhen die Verformungen auf Verset-zungsbewegungen. Es werden jedoch nur die makroskopisch beobachteten Erscheinungen(Phnomene) im Rahmen der Kontinuumsmechanik beschrieben.

    Da plastische Deformationen nichtlinear sind und von der Belastungsgeschichte abhngen,werden die Stoffgleichungen inkrementell1, d.h. fr eine kleine Belastungs- und Verfor-mungsnderung formuliert:

    ;ij ij ij ijt t = = . (1)

    Dabei stellt das Zeitinkrement t > 0 keine physikalische Zeit dar, und damit sind dieSpannungs- undDehnraten ,ij ij keine realen Geschwindigkeiten. Die hier Zeit genannte

    positive skalare Gre parametrisiert die Belastungsgeschichte.

    Einachsiger Zugversuch

    Fr Spannungen unterhalb der Fliegrenze (Streck-oder Dehngrenze) verhlt sich das Material linear-

    elastisch, und es gilt das HOOKEsche Gesetz:0 :R E = .

    Sobald die Spannung erstmalig diese Grenze ber-steigt, wird die Spannungs-Dehnungskurve nichtli-near, und bei Entlastungen treten bleibende (plasti-sche) Dehnungen auf

    e p pE

    = + = + .

    Das Materialverhalten fr 0R> wird charakterisiert durch

    Fliebedingung

    F p F 0( ) , (0)R R R = , (2)

    F p( )R heit (einachsige) Fliekurve. Ausgehend von Spannungen F p( )R < treten nurelastische Verzerrungsnderungen auf, Spannungen F p( )R > sind unmglich.

    1 Man spricht deshalb auch von der Theorie der inkrementellen Plastizitt im Gegensatzzur finiten Plastizitt nach HENCKY[1924], siehe S 8 f

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    13/93

    Brocks: Plast izitt, WS 2010/11

    Plastizitaet, 04.01.2012,- 2 -

    Hookesches Gesetz

    fr die elastischen Verzerrungen bzw. die elastischen Verzerrungsanteile

    e p( )E E = = . (3)

    Be-/EntlastungsbedingungAusgehend von einer Spannung p( ) 0R = > gilt

    p

    p

    0 0 Belastung

    0 0 Entlastung

    > >

    < =

    . (4)

    Verallgemeinerung auf mehrachsige Spannungszustnde

    additive Zerlegung der Dehnraten

    e pij ij ij = + (5)

    Auf dem Wandern von Gitterversetzungen beruhende plastische Verformungen fhrennicht zu Volumennderungen (plastischeInkompressibilitt)2, weshalb

    p p p0 alsokk ij ij = = . (5a)

    gilt3. Die totalen plastischen Verzerrungen sind durch Integration ber die Belastungsge-schichte zu ermitteln

    p p

    0

    t

    ij ij

    d

    =

    =

    . (5b)

    Fliebedingung

    ( )p, 0ij ij , (6)

    wobei ( )p, 0ij ij = die Fliefunktion ist4. = 0 heit Flieflche im Spannungsraum.blicherweise wird als konvex angenommen (BETTEN [1979, 1982]), weil ein geraderBelastungsweg zwischen zwei elastischen Zustnden, < 0, nicht zu plastischen Verfor-mungen fhren sollte. Konvexittfolgt auch aus DRUCKERs[1950, 1959, 1964] Postulatenfr Werkstoffstabilitt. Fr plastisch inkompressibles Material ist Flieen unabhngig vomhydrostatischen Spannungsanteil 1h 3 kk = , und damit hat die Fliebedingung die Form

    2 Werkstoffe, die Mikro-Hohlrume enthalten, sind plastisch kompressibel. Hierfr wurdedie Plastizitt porser Werkstoffe insbesondere in der Schdigungsmechanik entwickelt.

    3 Jeder Tensor (2. Stufe) lsst sich in einen Deviatoranteil und einen Kugelanteil zerlegen:13ij ij kk ija a a = + . Die Spur (1. Invariante) des Verzerrungstensors kk ist die Volumendila-

    tiation.

    4 Im Falle einer assoziierten Flieregel (s.u.) ist zugleich das plastische Potential. Aus-gehend von Spannungszustnden mit ij ,ij

    p( )< 0 treten nur elastische Verzerrungsn-derungen auf, Spannungszustnde mit ij ,ij

    p( )> 0 sind unzulssig.

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    14/93

    Brocks: Plast izitt, WS 2010/11

    Plastizitaet, 04.01.2012,- 3 -

    ( )p h, 0 mitij ij ij ij ij = . (6a)

    und wird graphisch durch einen (konvexen) Fliezylinderim Hauptspannungsraum repr-sentiert, dessen Achse in der Raumdiagonale liegt.

    Fliezylinderim Hauptspannungsraum

    siehe z.B. BURTH& BROCKS[1992]

    hydrostatische Spannung 1h 3 kk =

    Deviatorspannung hij ij ij =

    Hookesches Gesetz fr elastische Verzerrungsnderungen

    ( ) ( ) ( )e e e h1 1 1

    1 1 1 23ij ij kk ij ij kk ij ij ijE E

    = + = + = + . (7)

    Die Verzerrungsraten sind hier in einen deviatorischen Anteil, die Gestaltnderungen, undeinen Kugelanteil, die Volumendilatation, aufgespalten, die jeweils linear ber den Gleit-

    modul ( )2 1G E = + von der Spannungsdeviatorrate bzw. ber den Kompressionsmodul( )3 1 2K E = von der hydrostatischen Spannungsrate abhngen.

    Flieregel: Stoffgesetz fr plastische Verzerrungsnderungen

    Es wird i.a. eine assoziierte Flieregelangenommen, bei der die Fliefunktion zugleichplastisches Potentialist,

    pij

    ij

    =

    , (8)

    wobei 0

    derplastische Multiplikatorist, der nach dem Prinzip derquivalenz der Dis-sipationsratendes mehrachsigen und des einachsigen Zustands aus der einachsigen Flie-kurve p( )R berechnet wird. Gl. (8) wird auch als Normalittsbedingungoder Normali-ttsregelbezeichnet und folgt ebenfalls aus DRUCKERs[1950, 1959, 1964] Stabilittspostu-laten.

    quivalenz der Dissipationsraten

    fr den mehrachsigen und den einachsigen Spannungszustand

    p p pij ij ij

    ij

    W

    = = =

    , (9)

    mit als der (einachsigen) Vergleichsspannungund p p = der zugehrigen (arbeitskon-jugierten) plastischen Vergleichsdehnrate.

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    15/93

    Brocks: Plast izitt, WS 2010/11

    Plastizitaet, 04.01.2012,- 4 -

    Be-/Entlastungsbedingung

    p

    p

    0 Belastung 0

    0 Entlastung 0ij

    ijijij

    > < =

    (10)

    Verfestigungsgesetzbeschreibt die nderung der Fliefunktion ( )p,ij ij mit der Belastungsgeschichte berskalare und tensorielle innere Variable,

    ( ) ( )p ( ), , , 0nij ij ij ij n = = , (11)

    die speziellenEvolutionsgesetzen

    ( )

    ( )

    ( ) P P p p

    ( ) ( ) P P p p

    , , , , , ,

    , , , , , ,

    nn kl kl n kl kl

    n nij ij kl kl n kl kl

    f

    g

    =

    =

    (11a)

    folgen. Meist ist die Zahl der inneren Variablen auf zwei beschrnkt, nmlich eine akku-

    mulierte plastische Vergleichsdehnung p p0

    t

    d = bzw. das arbeitskonjugierte Span-nungsma p( ) und der als deviatorisch angenommene Rckspannungstensor ij ij = .

    Nimmt man die Fliebedingung in der Form5

    ( ) ( ) 2 p 2 2 p, , ( ) ( ) 0ij ij ijs s = = = (11b)

    mit dem effektiven Spannungstensor ij ij ijs = und einer einachsigen effektiven

    Spannung s = sij( )an, lassen sich skalare und tensorielle innere Variable wie folgt in-terpretieren:

    p( ) beschreibt die Zunahme des Radius des Fliezylinders, die isotrope Verfes-

    tigung, und

    ij eine Parallelverschiebung der Zylinderachse, die kinematische Verfestigung.

    Whrend p( ) experimentell aus dem einachsigen Zugversuch bestimmt werden kann,

    erfordert ij ein Evolutionsgesetz nach Gl. (11a). Zwei klassische Anstze hierfr,P p

    ( )ij ijc = bzw. ( )P

    ( )ij ij ijc = , gehen auf PRAGER[1955] bzw. ZIEGLER[1959]zurck. Neuere und kompliziertere Evolutionsgesetze haben CHABOCHE & ROUSSELIER[1983] zur Beschreibung komplexer Verfestigungsphnomene und Belastungsgeschichteneingefhrt (z.B. BROCKS& OLSCHEWSKI[1989]).

    5 Diese Form der Darstellung ist nicht immer mglich, wie die TRESCAsche FliebedingungGl. (13a) zeigt.

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    16/93

    Brocks: Plast izitt, WS 2010/11

    Plastizitaet, 04.01.2012,- 5 -

    Isotropes Flieen: Weitere vereinfachende Annahmen und Sonderflle

    Isotrope Flieflche

    Die Darstellung der Flieflche darf nicht von der Wahl des Koordinatensystems abhn-gen, d.h. nur von der 2. und der 3. Invarianten des Deviators6der effektiven Spannungen(PRAGER[1945], DRUCKER[1959], BETTEN[1976, 1985]). Kinematische Verfestigung istweiterhin mglich.

    Rein isotrope Verfestigung

    Kinematische Verfestigung wird ausgeschlossen, also ij= 0 . Dann ist

    ( )2 2 2 3( ), ( )ij ijs J J = = , (12a)

    die Vergleichsspannungmit

    ( ) ( ) ( ) ( )( ) ( ) ( ) ( )

    2 2 2 2 2 21 1

    2 2 6

    2 2 22 2 21 1I II III I II II III III I2 6

    13 I II III3

    ( )

    ,

    ( ) det( )

    ij ik ki xx yy yy zz zz xx xy yz xz

    ij ij ij jk ki

    J

    J

    = = + + + + +

    = + + = + + = = =

    . (12b)

    Einfluss der 3. Invarianten

    Eine Flieflche der Form 22 ( ) 0ijJ = = ist rotationssymmetrisch und wird durchKreiszylinder im Spannungsraum bzw. Kugeln im Deviatorraum reprsentiert, siehe dieweiter unten beschriebene Fliebedingung nach VON MISES [1913, 1928]. Mit J3werden

    Abweichungen von der Rotationssymmetrie beschrieben. Es gibt eine Reihe von Fliebe-dingungen unter Einschluss der dritten Invarianten: BETTEN[1976, 1985], ISMAR& MAH-RENHOLTZ [1979, 1982], MAHRENHOLTZ & ISMAR [1981], von denen die TRESCAscheFliebedingung die bekannteste ist. Fliebedingungen der Form J2

    3 +cJ32( ) beschreiben

    ein symmetrisches Flieverhalten unter Zug und Druck (DRUCKER[1949, 1959]), whrendFliebedingungen der Form J2

    3 2 +cJ3( )auf ein asymmetrisches Flieverhalten (BETTEN[1979, 1985], CAZACU& BARLAT [2004]) fhren, daJ3eine ungerade, kubische Funktionder Spannungen ist. In beiden Fllen schrnkt die Konvexittsbedingung zulssige Werte-

    bereiche fr die Konstante cein (PRAGER[1945], DRUCKER[1959], BETTEN[1979, 1985]).

    Fliebedingung nach TRESCA:TRESCAs Fliebedingung ist auch als Hypothese der maximalen Schubspannungen be-kannt. Zur Vereinfachung wird sie blicherweise mit Hilfe der Hauptspannungen

    ( I, II, III)

    = =n 7als stckweise lineare Beziehung formuliert, die als das TRESCA-sche Sechseck bekannt ist8.

    6 Die erste Invariante des Spannungsdeviators verschwindet definitionsgem.

    7 n (= I,II,III) sind die Hauptachsen.8 Werden die Hauptspannungen als I II III angeordnet, ist nur 1fr die Fliebedin-

    gung relevant. Zur Berechnung der plastischen Verzerrungsrate p = n , in den Ecken

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    17/93

    Brocks: Plast izitt, WS 2010/11

    Plastizitaet, 04.01.2012,- 6 -

    I II III 1 I III F

    II I III 2 II III F

    II III I 3 II I F

    III II I 4 III I F

    III I II 5 III II F

    I III II 6 I II F

    : 2 0

    : 2 0

    : 2 0

    : 2 0

    : 2 0: 2 0

    = = = = = =

    = = = =

    = =

    , (13)

    Die hier eingefhrte Schubfliegrenzehngt mit der einachsigen Zugfliegrenze ber

    1F p F p2( ) ( )R = (13a)

    zusammen. Die zugehrige Vergleichsspannungnach TRESCAist

    ( )2

    max max

    = = (13b)

    Beachtet man, dass das Produkt 1 2 3 4 5 6 0 = ist, kann die TRESCAsche Fliebe-dingung auch in der geschlossenen Form

    3 2 2 2 4 62 3 F 2 F 2 F4 27 9 6 0J J R J R J R + = , (13c)

    geschrieben werden, woraus erkennbar wird, dass sie auch die 3. Invariante enthlt.

    Fliebedingungen nach TRESCA undVON MISESin der Deviatorebene

    Da die Fliefunktion nur stckweise definiert ist, gilt dies auch fr die assoziierte Flie-regel, z. B. fr I II III > > :

    ( )p p 1

    I III

    = = = n n n n

    , (14)

    und in einer Ecke I II III = > :

    ( )p 1 21 2 1 I 2 II 1 2 III

    = + = + +

    n n n n n . (14a)

    Fr isotropes Verhalten kann man 1 2 = annehmen, so dass daraus

    ( )p I II III2= + n n n (14b)

    des Sechsecks, I= II> III oder I> II= III mssen auch 2 oder 6 ausgewertetwerden, siehe Gl. (14a).

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    18/93

    Brocks: Plast izitt, WS 2010/11

    Plastizitaet, 04.01.2012,- 7 -

    folgt. Die InkompressibilittsbedingungIII

    p

    I

    0

    =

    = ist erfllt.

    Aus der quivalenz der Dissipationsratenfr I II III > >

    ( )

    p p p

    I IIIW = = =

    (14c)kann der plastische Multiplikator bestimmt werden. In einem einachsigen Zugversuch ist

    I I= n , I II III 0 > = = , also

    ( )p p 61 I II III2

    = = + =

    n n n n n n ,

    und p p p pI F2W R = = = = ,

    woraus 12 p = resultiert und damit

    ( )p 1 1

    p I II III2 2= n n n . (14d)Neben den Unstetigkeiten der TRESCAschen Fliebedingung in den Ecken ist die aufwen-dige Formulierung der Flieregel ein Grund fr die bevorzugte Anwendung der Fliebe-dingung nach VONMISES [1913, 1928] insbesondere in numerischen Anwendungen. Oftwird die TRESCAsche Bedingung unter Verletzung des Prinzips der quivalenz der Dissi-

    pationsraten auch mit der zur MISES-Bedingung assoziierten Flieregel kombiniert.

    Theorie nach VON MISES,PRANDTL undREU:

    Die (inkrementelle) Theorie besteht aus der Fliebedingung nach VON MISES[1913, 1928]

    und den Formnderungsgleichungen nach PRANDTL[1924] und REU[1930].Die Fliebedingunglautet

    2 2 22 F p F p3 ( ) ( ) 0J R R = = (15)

    mit der Vergleichsspannungnach VON MISES

    = 3J2 =32 ij ij , (15a)

    und F p F( ) 3R = .9 (15b)

    Da J3 unbercksichtigt bleibt, wird die auf der MISESschen Fliebedingung beruhendeFlietheorie alsJ2-Theorie bezeichnet.

    Die assoziierte Flieregelerhlt man aus Gl. (12b) zupij ij = . (16)

    Die quivalenz der Dissipationsraten Gl. (9) liefert die Definition einer arbeitskonju-giertenplastischen Vergleichsdehnrate10,

    9 Man beachte den Unterschied zu Gl. (13a).10 Diese Definition gilt ebenso wie die Definition der Vergleichsspannung in Gl. (15a) nur im

    Zusammenhang mit der MISESschen Fliebedingung!

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    19/93

    Brocks: Plast izitt, WS 2010/11

    Plastizitaet, 04.01.2012,- 8 -

    p p p23 i j ij = , (16a)

    und mit der einachsigen Fliekurve des Zugversuchs kann der plastische Multiplikator berechnet werden, so dass aus Gl. (16)

    pp

    F p F

    3 32 2ij ij ijR T R

    = = (16b)

    mit Fp pp

    ( ) dR

    Td

    = als demplastischen Tangentenmodulfolgt.

    Die Be-/Entlastungsbedingunglautet schlielich

    p

    p

    0 Belastung 0

    0 Entlastung 0ij

    ij ij

    ij

    > < =

    . (17)

    Zusammen mit den Gln. (5) und (7) erhlt man die Gleichungen von PRANDTL[1924] undREU[1930] fr die totalen Dehnraten

    e p e e ph

    p F

    1 1 1 3

    3 2 3 2ij ij ij ij kk ij ij ij ij ijG K T R

    = + = + + = + +

    . (18)

    Die Volumennderung ekk kk = ist rein elastisch, die Gestaltnderunge p

    ij ij ij = + be-steht aus einem elastischen und einen plastischen Anteil.

    Die Deformationstheorie der Plastizitt

    Im Unterschied zu den inkrementellen Formnderungsgesetzen von PRANDTL [1924] undREU[1930] hat HENCKY[1924] ein finites Formnderungsgesetz fr nichtlineares Material-verhalten aufgestellt, das noch heute insbesondere in der elastisch-plastischen Bruchmechanikin Verbindung mit dem Verfestigungspotenzgesetz von RAMBERG & OSGOOD [1945] vielverwendet wird. Tatschlich beschreibt es gar kein plastisches sondern lediglich nichtlinear-elastisches (hyperelastisches) Material, hat aber den Vorteil, mathematisch einfacher hand-habbar zu sein und in einigen Fllen sogar geschlossene Lsungen von Randwertproblemenzu ermglichen (z.B. die HRR-Gleichungen fr Spannungs- und Verzerrungsfelder an Riss-spitzen). Unter der sehr stark einschrnkenden Annahme radialer (proportionaler) Belas-tung, 0( ) ( )ij ijt t = , in jedem Punkt des Kontinuums

    11kann das finite HENCKY-Gesetz auchdurch Integration der inkrementellen PRANDTL-REU-Gleichungen hergeleitet werden.

    Es gelten auch hier die Voraussetzungen ber Isotropie und Inkompressibilitt des Werk-stoffs. Anstelle der additiven Zerlegung der Dehnraten nach Gl. (5) wird eine Zerlegung derGesamtverzerrungen in einen elastischen und einen plastischen Anteil angenommen

    e pij ij ij = + , (19)

    und anstelle der Flieregel Gl. (16) werden die plastischen Verzerrungen aus

    11 Hierdurch sind lokale Spannungsumlagerungen jeglicher Art und insbesondere Entlastun-gen ausgeschlossen.

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    20/93

    Brocks: Plast izitt, WS 2010/11

    Plastizitaet, 04.01.2012,- 9 -

    pij ij = . (20)

    berechnet und ber die einachsige Zugfliekurve in formaler Analogie zu Gl. (16b) be-stimmt

    p

    F p

    3 32 2R S

    = = (20a)

    mit p p F p( )S R = als dem plastischen Sekantenmodul. Da nur Belastungen zulssig sind,

    muss immer FR= erfllt sein. Die totalen Verzerrungen sind dann

    hp

    1 3 1

    2 2 3ij ij ijG S K

    = + +

    . (21)

    Aus der Darstellung des plastischen Anteils in Hauptrichtungen

    ( )p 1I I II III2p

    1S

    = + (21a)

    erkennt man mit der sogen. plastischen Querkontraktionszahl 1p 2 = sofort die formale Ana-logie zum HOOKEschen Gesetz

    ( )eI I II III1

    E = + . (21b)

    Setzt man insbesondere entsprechend dem Potenz-verfestigungsgesetz von RAMBERG & OSGOOD[1945]

    1

    0p p

    0 0

    ( )

    n

    S

    =

    (22)

    mit den materialspezifischen Verfestigungskennwer-ten > 0 und n1 und den Normierungsgren 0und 0, so nimmt der plastische Anteil des HENCKY-Gesetzes die Form

    1p

    0 0 0

    3

    2

    nij ij

    =

    (23)

    an. Diese Gleichung wird auch als dreidimensionale Verallgemeinerung des RAMBERG-OSGOOD-Gesetzes bezeichnet, wobei blicherweise 0 0R = und 0 0 E = gesetzt wird. Dadieses Gesetz von Anfang an nichtlinear ist, treten plastische Verzerrungen schon bei belie-

    big kleinen Belastungen auf, und es gibt keinen definierten bergang von elastischem zuplastischem Materialverhalten, also auch keine Fliebedingung.

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    21/93

    Brocks: Plast izitt, WS 2010/11

    Plastizitaet, 04.01.2012,- 10 -

    Elastizittskonstanten

    = = E= = K= G=

    , 3+ 2( )+

    2 + ( )

    + 23

    G, K K 23G G 93

    K G

    K G

    +

    3K 2G6K+ 2G

    K G

    E, (1 )(1 2 )

    E

    +

    E

    2(1 + ) E

    E

    3(1 2)

    E

    2(1 + )

    , LAM's coefficients LAMsche KonstantenG shear modulus SchubmodulK bulk modulus Kompressionsmodul

    E YOUNG's modulus Elastizittsmodul POISSON's ratio Querkontraktionszahl

    Literatur

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  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    23/93

    W. Brocks: Bruchmechanik

    BM-SSY, 15.01.2012,- 1 -

    Erweiterung der LEBM fr kleine plastische Zonen (small scale yielding, SSY)

    1. Plastizierung an Spannungskonzentratoren

    Die nach der Elastizittstheorie berechneten Spannungen am Kerbgrund eines gekerbtenBauteils knnen grer als die Fliegrenze sein, so dass unter der gegebenen Belastung eine

    lokale Plastizierung erfolgt. An einer Rissspitze wird sogar in jedem Falle die Fliegrenze

    (rechnerisch) berschritten, da der Spannungsverlauf dort eine Singularittsstelle hat. Die

    tatschliche Spannungsverteilung in der so entstehenden (als klein gegenber dem

    Ligamentquerschnitt angenommenen) plastischen Zone hngt von der Mehrachsigkeit des

    Spannungszustandes ab.

    2. Der quivalente elastische Riss (Modus I)

    Auf IRWIN [1964] geht die Idee zurck, aus der Spannungsverteilung am Riss im elastischenKontinuum nherungsweise die Gre der plastischen Zoneim Ligament zu berechnen und eine

    fiktive Rissverlngerung mit einem modifizierten "effektiven" Spannungsintensittsfaktor

    einzufhren. Dieser Gedanke wird im Folgenden an den beiden Grenzfllen ESZ und EVZ

    nher ausgefhrt.

    a) Ebener Spannungszustand (ESZ, plane stress) 3 0zz = =

    I1 2

    2xx yy

    K

    r

    = = = = . (1)

    Wegen 1 2 = und 3 0 = liefern die Fliebedingungen von MISESund TRESCA 0( )yy r R = im

    Bereich p0 r r , wenn ideal-plastisches (nicht verfestigendes) Material angenommen wird.

    Daraus folgt insbesondere die Stelle pr r= , in dem die elastisch berechneten Spannungen die

    Fliegrenze erreichen

    2

    Ip

    0

    1

    2

    Kr

    R

    =

    . (2)

    b) Ebener Verzerrungszustand (EVZ, plane strain) 3 0zz = =

    Es gilt wieder die Gl. (1) und auerdem fr die dritte Hauptspannung ( )3 1 2 = + .Damithat man als Fliebedingung nach MISES und TRESCA ( ) F1 2 ( )yy r R = im Bereich p0 r r und erhlt anstelle von Gl. (2)

    ( )22

    Ip

    0

    1 2

    2

    Kr

    R

    =

    . (3)

    Der Unterschied zwischen ESZ und EVZ - also die Mehrachsigkeit des Spannungszustandes -

    wirkt sich in der Gre von rpaus; die folgenden berlegungen sind dagegen unabhngig vom

    Spannungszustand.

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    BM-SSY, 15.01.2012,- 2 -

    Die Resultierende der singulren Spannungsverteilung ber den

    Bereich p0,r , in dem die Fliegrenze erreicht wird, ist

    p p

    Ip 0 p

    0 0

    2( ) 2

    2

    r r

    yy

    Kr dr dr r R r

    r

    = = = . (4)

    d.h. die durch die Fliebedingung "abgeschnittene" Flche unter

    der singulren Spannungsverteilung ist gerade gleich 0 pR r .Damit

    kann man die Folgerung ziehen: Wenn statt eines Risses der

    Lnge a ein fiktiver Riss der "effektiven" Lnge

    eff pa a r= + . (5)

    eingefhrt und mit den Methoden der LEBM untersucht wird, dann ist dessen effektive

    Spannungsintensitt nherungsweise fr kleine plastische Zonen pr a

    durch

    pIeff I

    a rK K

    a

    += . (6)

    bestimmt. Die Spannungsverteilung an der fiktiven Rissspitze ist wieder durch Gl. (1) mit

    I Ieff K K gegeben; sie erreicht an der Stelle p*r r= vor der fiktiven Rissspitze die

    Fliegrenze R0. Damit betrgt die Ausdehnung der plastischen Zone im Ligament insgesamt

    (d.h. gemessen von der realen Rissspitze aus)

    2

    Ip p

    02 2

    Kd rR

    = =

    (7a)

    mit2

    1 fr ESZ

    (1 2 ) fr EVZ

    =

    (7b)

    Aus dem effektiven Spannungsintensittsfaktor kann mit Hilfe der im Elastischen gltigen

    Beziehung zur Energiefreisetzungsrate auch ein Nherungswert fr das J-Integral bei Modus I

    und kleinen plastischen Zonen berechnet werden:

    2Ieff

    ssy ssy'

    KJ E= =G (8a)

    mit2

    fr ESZ

    'fr EVZ

    1

    E

    E E

    =

    (8b)

    3. Rissspitzenffnung (crack tip opening displacement, CTOD)

    Mit Hilfe des IRWINschen Konzepts der effektiven Risslnge kann noch eine weitere Gre

    bestimmt werden, die zu einem wichtigen bruchmechanischen Parameter fr plastizierende

    Werkstoffe geworden ist: dieRissspitzenffnung t.

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    BM-SSY, 15.01.2012,- 3 -

    Die elastische Rissffnung fr reinen Modus I ist mit = durch

    I2

    1 fr ESZ( , ) 4

    1 fr EVZ2y

    K ru r

    E

    =

    (9)

    gegeben. Nach WELLS[1961] wird nun eine Rissspitzenffnungtunter der Vorstellung berechnet, dass die fiktive Rissspitze im

    Mittelpunkt der plastischen Zone liegt und die elastische ffnung

    des Risses der effektiven Lnge ( )pa r+ an der Stelle der realenRissspitze das CTOD darstellt,

    t p2 ( , )yu r = . (10)

    Einsetzen der IRWINschen Abschtzungen fr rp nach Gl. (2) bzw. (3) liefert dann

    ( ) ( )2I

    t 20

    1 fr ESZ41 1 2 fr EVZ

    KER

    =

    (11)

    Die Rissspitzenffnung ist neben dem J-Integral ein bruchmechanischer Beanspruchungs-

    parameter in der elastisch-plastischen Bruchmechanik geworden1. Diesem sogen. CTOD-

    Konzept liegt die physikalische Vorstellung zugrunde, dass bei duktilem Material eine kritische

    plastische Verformung am Riss fr die Einleitung von Rissausbreitung (Initiierung) magebend

    ist. In neuerer Zeit hat das CTOD-Kriterium insbesondere im Flugzeugbau fr dnnwandige

    Strukturen (Scheiben, Schalen) Bedeutung gewonnen (NEWMAN et al.[2003],SCHWALBEet al.

    [2005]), bei denen die Anwendung desJ-Integrals an Grenzen gestoen ist.

    4. Gestalt der plastischen Zone

    Im Abschnitt 2. wurde lediglich die Ausdehnung dp= 2rp der plastischen Zone im Ligament

    abgeschtzt. Da die gesamte Spannungsverteilung im Ligament nach der asymptotischen

    Nherung in Abhngigkeit von r und bekannt ist, kann mit Hilfe der MISESschen

    Fliebedingung auch die zweidimensionale Gestalt der plastischen Zone (unter SSY-Bedingung)

    ermittelt werden. Die Vergleichsspannung nach VON MISESist durch

    ( ) ( ) ( ) ( )2 2 22 2 2 21

    vM 11 22 22 33 33 11 12 23 132 3

    = + + + + + . (12)

    definiert. Aus der Bedingung

    pvM 0r

    R = . (13)

    folgt durch Einsetzen der Winkelfunktionen ( )ijf der asymptotischen Spannungsverteilung

    ( , )ij r und

    1 Es gibt in der elastisch-plastischen Bruchmechanik viele verschiedene Definitionen der Risspitzenffnung(SCHWALBE [1995], ASTM E 2472). Hier wird die fr kleine plastische Zonen bliche Definition vorgestellt.

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    BM-SSY, 15.01.2012,- 4 -

    ( )

    0 fr ESZ

    fr EVZzz xx yy

    =

    + (14)

    die Grenzen p ( )d des plastischen Bereichs fr die beiden Flle des ESZ und des EVZ (z. B.

    HAHN[1976], KUNA[2010]).

    ( ) ( )

    2 232I

    p 2230 2

    1 sin cos fr ESZ1( )

    2 sin 1 2 1 cos fr EVZ

    Kd

    R

    + + =

    + + (15)

    In einer Probe oder einem Bauteil endlicher Dicke ndern sich Gre und Form der plastischen

    Zone lngs der Rissfront. Unter der Annahme, dass an der Probenoberflche der ESZ und in der

    Probenmitte der EVZ angenhert wird, haben HAHN& ROSENFELD[1965] das Hundeknochen-

    modellfr die dreidimensionale Form der plastischen Zone eingefhrt.

    (a) -3

    -2

    -1

    0

    1

    2

    3

    -1 0 1 2 3

    ESZ

    EVZ

    (b)

    Form der plastischen Zone am Riss fr ein K-dominiertes Spannungsfeld:

    (a) ESZ und EVZ, x- und y-Achse entsprechend Gl. (15) auf ( )( )2

    I 01 2 K R normiert;

    (b) dasHundeknochenmodellnach HAHN& ROSENFELD [1965]

    5. Das BARENBLATT-Modell

    In der linearen Elastizittstheorie fhrt die Existenz scharfer Risse zu Singularitten in den

    Spannungen und Verzerrungen. Die GRIFFITHsche Sprdbruchtheorie umgeht diese Schwierig-

    keit durch eine energetische Betrachtungsweise. Von BARENBLATT [1959] stammt der physi-kalisch motivierte Vorschlag, durch Einfhrung von sogen. Kohsivzonenan den Rissenden das

    Auftreten unendlich groer Spannungen zu vermeiden (siehe Bild links). Dabei geht er davon

    aus, dass ein Sprdbruch dann eintritt, wenn die Spannungen in einem kleinen Bereich vor der

    Rissspitze, der Prozesszone, die dort aufgrund der atomaren bzw. molekularen Anziehung

    wirkenden Kohsivkrftebersteigen.

    Die Schwierigkeit bei der Anwendung dieses Modells besteht darin, dass die Verteilung der

    Kohsionsspannungen (x) an den Rissenden nicht bekannt ist.

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    BM-SSY, 15.01.2012,- 5 -

    Die Modelle von BARENBLATT [1959] (links) und DUGDALE[1960] (rechts) zur Beseitigung der

    Singularitt an der Risspitze in der LEBM

    Moderne Adaptionen des BARENBLATT-Konzeptes verwenden Kohsivmodelle, bei denen die

    Kohsionsspannungen ber ein Kohsivgesetz () von der Separation der in der Prozesszone

    entstehenden neuen Rissflchen abhngt (z. B. BROCKSet al. [2003], BROCKS [2005]).

    6. Das DUGDALE-Modell

    Dem BARENBLATTschen Modell eng verwandt ist das Streifenplastizierungsmodell (strip yieldmodel) von DUGDALE[1962]. Er fand, dass sich an Rissen in dnnen Stahlblechen eine schmale

    bandfrmige plastische Zone vor der Rissspitze ausbildet. Der Grundgedanke des Modells

    besteht darin, dass sich bei Annahme von elastisch-idealplastischem Materialverhalten unter

    ESZ-Bedingungen in den plastischen Zonen ein Spannungszustand

    0 p( ,0) , 0yy r R r d = (16)

    einstellen wird (siehe Bild rechts). Der Einfluss des Flieens wird nun nherungsweise dadurch

    erfasst, dass man die Untersuchung nicht am Ausgangsriss der Lnge 2avornimmt, sondern an

    einem um die Lnge der jeweiligen Fliezone der Lnge dpverlngerten fiktiven Riss der Lnge

    p2 2 2c a d= + , (17)

    der durch die Spannungen 0 FR = im Bereich der Fliezonen a x c geschlossen wird.

    Auerhalb des fiktiven Risses wird elastisches Verhalten unterstellt. Die Rissffnungsspannung

    yy ist auf R0 begrenzt, besitzt also keine Singularitt. Die Gre der plastischen Zone ist

    dementsprechend zu bestimmen.

    Die elastizittstheoretische Behandlung des DUGDALE-Modells erfolgt durch Superposition

    zweier elastischer Teillsungen:

    (1)lastfreier Riss der Lnge 2cim einachsigen Zugfeld (GRIFFITH-Riss),

    (2)an den Rissenden a x c durch Zugspannungen 0 0R = teilbelasteter Riss.

    Die entsprechenden Spannungsintensittsfaktoren sind

    (1) (2)I I 0

    2, arccos

    aK c K R c

    c

    = = , (18)

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    BM-SSY, 15.01.2012,- 6 -

    Zur Lsung des zweiten Teilproblems siehe MUSCHELISHWILI [1971] oder HAHN [1976]. Die

    Risslnge cist so zu bestimmen, dass sich die Singularitten der beiden Teillastflle bei x c=

    gerade aufheben: (1) (2)I I 0K K+ = . Es folgt fr das Verhltnis a c

    0cos 2

    a

    c R

    = . (19)

    Mit Gl. (17) ist dann die Fliezone

    p

    0 0

    1 cos sec 12 2

    d c aR R

    = =

    . (20)

    Zur Herleitung der Gln. (19) und (20) wurde keine Einschrnkung der Gre der plastischen

    Zone eingefhrt. Fr SSY, d.h. 0 1R ergibt sich aus der Reihenentwicklung des Cosinus

    2 22

    p

    0 0

    1.238

    d c aR R

    . (21)

    Zum Vergleich: der Durchmesser der plastischen Zone nach IRWINbeim GRIFFITH-Riss fr den

    ESZ ist nach Gl. (2)

    2 2

    IRWIN Ip

    0 0

    1 Kd a

    R R

    = =

    . (22)

    das DUGDALE

    -Modell liefert also gegen ber dem IRWIN

    -Modell eine um 23% grere plastischeZone. Man beachte, dass das DUGDALE-Modell fr die (unendlich groe) Scheibe mit Mittenriss

    unter Zugbelastung, den GRIFFITH-Riss, hergeleitet wurde, und deshalb im Gegensatz zum

    IRWIN-Modell keine Abhngigkeit von der Proben- oder Bauteilgeometrie enthlt.

    Fr die Rissuferverschiebung findet man in Rissmitte (x= 0)

    ( )

    ( )

    1020

    102

    sin 1( 0, 0) ln

    sin 1y

    RRu x y a

    E R

    += = =

    (23)

    und am Ende des realen Risses (x= a)

    F

    F

    ( , 0) 4 ln sec2

    y

    Ru x a y a

    E R

    = = =

    . (24)

    In der Bruchmechanik findet vor allem die durch

    t 2 ( , 0)yu x a y = = = . (25)

    definierte Rissspitzenverschiebung (CTOD)

    0t

    0

    8 lnsec2

    R aE R

    =

    (26)

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    W. Brocks: Bruchmechanik

    BM-SSY, 15.01.2012,- 7 -

    Verwendung. Vergleiche hierzu auch wieder die Nherung nach IRWIN, Gl. (11), fr den

    GRIFFITH-Riss

    2

    0t

    0

    4Ra

    E R

    =

    . (27)

    Literatur

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  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

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    Wolfgang Brocks Bruchmechanik WS 2011/12

    J-Integral, Brocks, 15.01.2012 - 1 -

    Wegunabhngige Integrale

    Es sei ( )i

    x eine (skalare, vektorielle oder tensorielle) Feldgre, die im Gebiet B stetig

    differenzierbar mit

    , 0 inii

    x

    =

    B. (1)

    ist. Nach demGAUschen Satz gilt

    , 0i idv n da

    = = B B

    , (2)

    mitnials uerer Normale auf dem Rand B. Wenn eine Singularitt S in Bexistiert, dann ist

    ( )ix in diesem Punkt nicht differenzierbar, und der GAUsche Satz ist nur in einem Gebiet0 S= B B B mit dem geschlossenen Rand 0 S

    + = B B B B B anwendbar, das diese

    Singularitt ausschliet, Bild 1.

    Bild 1: Gebiet Bmit Singularitt S

    Dann gilt

    0 S

    0i i i i in da n da n da n da n da +

    = + + + = B B BB B

    , (3)

    und wegen

    ( ) ( ) ( ) ( ).. .. und .. ..

    +

    = =

    B BB B (4)

    erhlt man die Wegunabhngigkeit aller Linienintegrale, die die Singularitt im selben

    Umlaufsinn umschlieen

    S

    i in da n da

    = B B

    . (5)

    ESHELBY[6] hat einen Erhaltungssatz fr denEnergieimpulstensor(energy momentum tensor)

    , ,

    ,

    mit 0ij ij k i ij jk j

    wP w u Pu

    = =

    . (6)

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

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    Wolfgang Brocks Bruchmechanik WS 2011/12

    J-Integral, Brocks, 15.01.2012 - 2 -

    hergeleitet, wobei w eine Energiedichte ist, z.B. die Verzerrungsenergiedichte eines

    hyperelastischen Materials, siehe Gl. (11), und ( )i ju x das Verschiebungsfeld. Mit demESHELBY-Tensor knnen materielle Krfte berechnet werden, die auf Singularitten (Defekte) im

    Kontinuum wie Versetzungen oder Einschlsse wirken,

    i ij jF P n da

    = B

    . (7)

    Eine solche materielle Kraft ist das J-Integral nach CHEREPANOV [5] und RICE [8] fr die

    singulre Rissspitze.

    J-Integral

    Das Randwertproblem fr quasistatische Belastungen eines festen Krpers B werde durch

    folgende Gleichungen beschrieben:

    Gleichgewichtsbedingung , 0ij j = in B (8)

    Randbedingungen ij i jn t = auf B (9a)

    i iu u= auf uB (9b)

    Kleine (lineare) Verzerrungen ( )1 , ,2ij i j j iu u = + in B (10)

    Hyperelastisches Material ijij

    w

    =

    in B (11)

    Die Komponenten der materiellen Kraft

    ,( )i ij i jk k j iF w n n u da

    = B

    , (12)

    sind von Null verschieden, wenn Beine Singularitt enthlt. Das Integral wird jetzt angewendet

    auf eine Scheibe konstanter Dicke h, die einen geraden Riss entlang der x1-Achse hat, Bild 2.

    Das Gebiet innerhalb der geschlossenen Kontur

    0 1 2 + = (13)

    enthlt keine Singularitt, also

    [ ] [ ] [ ] [ ]0 1 2

    , .. .. .. .. 0i

    i jk k j i

    Fwn n u ds ds ds ds ds

    h

    +

    = = + + + = . (14)

    Man nennt

    1

    ,i i jk k j iJ wn n u ds

    = . (15)

    den J-Vektor.

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

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    Wolfgang Brocks Bruchmechanik WS 2011/12

    J-Integral, Brocks, 15.01.2012 - 3 -

    1

    2

    -

    +

    x1

    x2

    ni

    1 2 1 2( , ) , ( , )ij ij i ix x u u x x = =

    da h ds=

    1 2sin cosi in = = +n e e e 1

    2

    cos

    sin

    dx ds

    dx ds

    =

    =

    Bild 2: Zur Definition derJ-Integrals

    Die Rissflanken seien gerade und spannungsfrei,

    1 2sin 0auf ,

    0jk k j

    n ds ds dx

    n t

    + = = =

    = =

    (16)

    Dann verschwindet die erste Komponente,i = 1, der Integrale lngs , +

    , , 0i jk k j i i jk k j iwn n u ds wn n u ds

    +

    = = . (17)

    Auerdem gilt wie in Gl. (4)

    2 2

    , ,i jk k j i i jk k j iwn n u ds wn n u ds

    = . (18)

    und man erhlt die Wegunabhngigkeit der ersten Komponente desJ-Vektors

    [ ] [ ]1 2

    1 1 ,1 .. ..jk k jJ wn n u ds ds ds

    = = = . (19)

    Dies ist das von C.P.CHEREPANOV[5] und J.R.RICE[8] in die Bruchmechanik eingefhrte J-

    Integral. Die Integration entlang erfolgt im mathematisch positiven Sinne um die Rissspitze.

    2 ,1ij j iJ wdx n u ds

    = . (20)

    Wegen der Wegunabhngigkeit kann Jim Fernfeld des Risses berechnet werden und bestimmt

    zugleich das Nahfeld an der Rissspitze. Fr eine kreisfrmige Kontur um die Rissspitze ist

    ,( , ) cos ( , )ij j i xJ r w r r n u d

    +

    = . (21)

    Fr r0 behltJdann und nur dann einen endlichen (von Null verschiedenen) Wert, wenn die

    Verzerrungsenergiedichte w eine Singularitt der Ordnung r-1

    hat.

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    33/93

    Wolfgang Brocks Bruchmechanik WS 2011/12

    J-Integral, Brocks, 15.01.2012 - 4 -

    Man beachte die getroffenenAnnahmen:

    (1) zeitunabhngige Prozesse, keine Volumenkrfte,

    (2) kleine Verzerrungen,

    (3) homogenes hyper-elastisches Material,

    (4) ebene Spannungs- und Verschiebungsfelder, d.h. keine

    Abhngigkeit vonx3,

    (5) gerade und spannungsfreie Rissflanken parallel zux1.

    Die Annahme (3) eines hyperelastischen Materials nach Gl. (11) wird in der elastisch-

    plastischen Bruchmechanik als Deformationstheorie der Plastizitt im Unterschied zur

    inkrementellen Plastizitt bezeichnet. Sie entspricht der HENCKY-Theorie der Plastizitt im

    Gegensatz zur Theorie nach VON MISES, PRANDTLund REU.

    RICE[8], [10] hat auch gezeigt, dass diesesJ-Integral identisch derEnergiefreisetzungsratenachGRIFFITHfr eine ebene Rissausbreitung A h a = ist

    Lv

    UJ

    h a

    = =

    G . (22)

    HUTCHINSON [7] und RICE & ROSENGREEN [9] haben die singulren Spannungs- und

    Verzerrungsfelder an der Rissspitze in einem potenz-verfestigenden Material, das sogen. HRR-Feldhergeleitet, wo Jdie Rolle eines Intensittsfaktors spielt wie Kim Falle linear elastischen

    Materials. Fr letztgenanntes gilt der Zusammenhang

    ( )2 2 2I II III I II III1 1

    ' 2J K K K

    E G= + + = + +G G G . (23)

    Reales elastisch-plastisches Material erfllt die Gl. (11), also Annahme (3) nicht. Auerdem

    treten an der Rissspitze groe Verzerrungen auf, was Gl. (10) bzw. Annahme (2) widerspricht.

    Entsprechend zeigen FE-Analysen nach der inkrementellen Plastizittstheorie fr groe

    Verzerrungen eine Wegabhngigkeit von J, Bild 3 [4]. Im Fernfeld nhert sich der J-Wert nachGl. (20) dem Wert der Energiefreisetzungsrate nach Gl. (22).

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    34/93

    Wolfgang Brocks Bruchmechanik WS 2011/12

    J-Integral, Brocks, 15.01.2012 - 5 -

    Bild 3: Wegabhngigkeit des elastisch-plastischenJ bei kleinen und groen Verzerrungen; FE-Analyse einer C(T)-Probe

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    35/93

    Wolfgang Brocks Bruchmechanik WS 2011/12

    J-Integral, Brocks, 15.01.2012 - 6 -

    Risswiderstandskurven

    In der elastisch-plastischen Bruchmechanik beschreibt eine Risswiderstandskurve (R-Kurve) die

    Abhngigkeit einer bruchmechanischen Beanspruchungsgre wie J oder CTOD von der

    Rissverlngerung a. Klassischerweise, vor allem bei dickwandigen Bauteilen, finden R-Kurvenauf der Basis desJ-Integrals Anwendung [1]. Fr Risswachstum in Blechen haben sich auch R-

    Kurven auf der Basis von CTOD bewhrt [2].

    Zur experimentellen Ermittlung des J-Integrals an bruchmechanischen Proben wird seine

    Eigenschaft als Energiefreisetzungsrate in derDeformationstheorie der Plastizitt(genauer: bei

    nichtlinear elastischem oder hyperelastischem Werkstoffverhalten) herangezogen, Gl. (22). Man

    betrachte die Last-Verschiebungskurve einer gerissenen Probe bei unvernderlicher Risslnge in

    Bild 4.

    Bild 4: Last-Verschiebungskurve einerbruchmechanischen Probe bei

    konstanter Risslnge

    el plLU Fdv U U = = +

    pl plLU F dv=

    ( )el el pl1 1L L L2 2U Fv F v v= =

    * pl pl1 1L L2 2U U Fv U Fv= =

    Upl

    Uel

    U*

    F

    vL

    Bei einer kleinen Zunahme der Rissflche Aunter festgehaltener Lastpunktverschiebung (fixed

    grips) vLwird die mechanische Arbeit U freigesetzt, und der negative Quotient U A fr

    0A ist dasJ-Integral

    L L

    0limA

    v v

    U UJ

    A A

    = =

    . (24)

    Fr scheibenfrmige Proben mit gerader Rissfront ist A B a B b = = 1, fr jede Rissspitze2,

    mit b W a= als Lnge des Rissligamentes, so dass

    L L

    L L

    fr C(T) und SE(B)

    fr M(T) und DE(T)2 2

    v v

    v v

    U U

    B a B bJ

    U U

    B a B b

    =

    = =

    . (24a)

    1 In den Normen zur Bruchmechanik wird die Probendicke mitBbezeichnet.2 Man beachte, dass M(T)- und DE(T)-Proben zwei Rissspitzen haben.

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    36/93

    Wolfgang Brocks Bruchmechanik WS 2011/12

    J-Integral, Brocks, 15.01.2012 - 7 -

    Die Lastpunktverschiebung kann entsprechend Bild 4 in einen elastischen und einen plastischen

    Anteil zerlegt werden,

    el plL L Lv v v= + , (25)

    und entsprechend gilt fr die mechanischen Arbeiten

    plelL L L

    plL

    el plL L L

    0 0 0

    el pl el pl1L L2

    0

    vv v

    v

    U F dv F dv F dv

    Fv F dv U U

    = = +

    = + = +

    . (26)

    Mit Gl. (24) folgt daraus, dass auch Jin einen elastischen und einen plastischen Anteil zerlegt

    werden kann,el plJ J J= + , (27)

    wobei sich der elastische Anteil aus dem Spannungsintensittsfaktor Kfr Modus I ergibt (siehe

    Manuskript LEBM_SIF)

    2el IKJ

    E=

    , mit ( )IK a Y a W = (28)

    Die Spannung ist eine Fernfeld-Nennspannung (Kraft pro Flche des ungerissenenProbenquerschnitts) und ( )Y a W eine Geometriefunktion. Der plastische Anteil vonJfolgt ausden Gln. (24) und (25) zu

    L L

    L L

    pl pl

    pl

    pl pl

    fr C(T) und SE(B)

    fr M(T) und DE(T)2 2

    v v

    v v

    U U

    B a B bJ

    U U

    B a B b

    =

    =

    =

    . (29)

    Alternativ gilt (BEGLEY& LANDES[3], RICEet al. [10])

    L L

    0 0

    L L

    0 0

    1 1fr C(T) und SE(B)

    1 1fr M(T) und DE(T)

    2 2

    F F

    F F

    F F

    F F

    v vdF dF

    B a B bJ

    v vdF dF

    B a B b

    =

    = =

    (30)

    und

    pl plL L

    0 0pl

    pl plL L

    0 0

    1 1fr C(T) und SE(B)

    1 1fr M(T) und DE(T)

    2 2

    F F

    F F

    F F

    F F

    v vdF dF

    B a B b

    Jv v

    dF dF B a B b

    =

    = =

    . (31)

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    37/93

    Wolfgang Brocks Bruchmechanik WS 2011/12

    J-Integral, Brocks, 15.01.2012 - 8 -

    JR-Kurven fr C(T)-Proben [1]

    Bild 5: Geometrie einer C(T)-Probe

    Der elastische J-Anteilwird nach Gl. (28) berechnet mit

    = F

    BW

    (32a)und der Geometriefunktion

    ( ) ( ) ( ) ( ) ( )

    ( )3

    2

    2 3 42 0.886 4.64 13.32 14.72 5.6

    1

    a W a W a W a W a W a WY

    W a a W

    + + + =

    (32b)

    Der plastischeJ-Anteil bei konstanter Risslnge a0ist

    plpl

    0

    U

    J Bb

    =

    , (33a)

    mit ( ) ( )0 02.0 0.5222 2.0 0.522 1b W a W = + = + . (33b)

    Ausgehend vom J-Wert bei Rissinitiierung, d.h. bei der Risslnge 0a , nach Gl. (33a) wird

    ( )pl pl( ) ( )i iJ J a= schrittweise fr Rissinkremente ( ) ( ) ( 1)i i ia a a = nach einer Rekursionsformelermittelt

    pl( 1) ( ) ( )pl pl

    ( ) ( 1) ( 1)

    ( 1) ( 1)

    1i i ii i ii i

    U aJ J

    b B b

    = +

    , (34)

    mit( )

    ( )( ) ( )

    ( ) ( )

    2.0 0.522

    1.0 0.76

    i i

    i i

    b W

    b W

    = +

    = +

    . (35)

    Die nderung der plastischen Verzerrungsarbeit wird mit der Trapezregel aus der Flche unter

    der Last-Verformungskurve berechnet

    ( )

    plLL ( )

    plLL ( 1)

    pl pl pl pl pl1( ) ( ) ( 1) LL( ) ( ) ( 1) LL( )2

    i

    i

    v

    i i i i i i i

    v

    U U U Fdv F F v

    = = + . (36)

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    38/93

    Wolfgang Brocks Bruchmechanik WS 2011/12

    J-Integral, Brocks, 15.01.2012 - 9 -

    Die plastische Lastlinienverschiebung

    pl elLL( ) LL( ) LL( ) LL( ) ( ) LL( )i i i i i iv v v v F C = = (37)

    wird aus der gemessenen Gesamtverschiebung mit Hilfe der elastischen Nachgiebigkeit

    bestimmt. Obwohl die Anwendung von JR-Kurven nach ASTM E 1820 zur Beschreibung von

    duktilem Risswachstum gewissen Bedingen fr die ProbenabmessungenBund W, so genannten

    Gltigkeitskriterien3, unterliegt, gibt es fr die Auswerteformeln keinerlei Einschrnkungen

    hinsichtlich der ProbendickeB, so dass sie auch fr dnne Bleche anwendbar sind.

    [1] ASTM E 1820-06: Standard test method for measurement of fracture toughness, Annualbook of ASTM Standards, Vol 03.01, American Society for Testing and Materials,Philadelphia.

    [2] ASTM E 2472-06: Standard test method for determination of resistance to stable crack

    extension under low-constraint conditions, Annual book of ASTM Standards, Vol 03.01,American Society for Testing and Materials, Philadelphia.

    [3] J.A. BEGLEY & J.D. LANDES: The J-integral as a fracture criterion, in: FractureToughness, ASTM STP 514 (1972), 1-23.

    [4] W. BROCKS & I. SCHEIDER, I.: Reliable J-values - Numerical aspects of the path-

    dependence of the J-integral in incremental plasticity, Materialprfung. 45 (2003),

    264-275.

    [5] C.P. CHEREPANOV

    : Crack propagation in continuous media" Appl. Math. Mech. 31(1967), 476-488.

    [6] J.D. ESHELBY: "The continuum theory of lattice defects", Prog. Solid States Physics 3(1965), 79-114.

    [7] J.W. HUTCHINSON: "Singular behaviour at the end of a tensile crack in a hardeningmaterial" J. Mech. Phys. Solids 16 (1968), 13-31.

    [8] J.R. RICE: A path independent integral and the approximate analysis of strainconcentrations by notches and cracks, J. Appl. Mech. 35 (1968), 379-386.

    [9] J.R. RICE &G.F.ROSENGREN:"Plane strain deformation near a crack-tip in a power-lawhardening material", J. Mech. Phys. Solids 16 (1968), 1-12.

    [10] J.R. RICE, P.C. PARIS & J.G. MERKLE: Some further results of J-integral analysis andestimates, in: Progress in Flaw Growth and Fracture Toughness Testing, ASTM STP 536(1973), 231-245.

    3 Der Begriff "Gltigkeit" (validity) wird oft in doppelter Bedeutung verwendet, zum einenfr die zulssige Anwendbarkeit von R-Kurven, d.h. ihre bertragbarkeit auf Bauteile,zum anderen fr dieRichtigkeitder Formel fr ihre Ermittlung.

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    39/93

    W. Brocks: Bruchmechanik WS 2011/12

    HRR-Feld, 04.01.2012,- 1 -

    Asymptotische Lsung fr das Spannungs- und Verzerrungsfeld an der Rissspitze in der

    EPBM (HRR-Feld)

    1. Die Deformationstheorie der Plastizitt

    Im Unterschied zu den inkrementellen Formnderungsgesetzen von PRANDTL und REU hat

    HENCKY[1924] ein finites Formnderungsgesetz fr nichtlineares Materialverhalten aufgestellt1,

    das noch heute insbesondere in der elastisch-plastischen Bruchmechanik (EPBM) in Verbindung

    mit dem Verfestigungspotenzgesetz von RAMBERG & OSGOOD [1945] viel verwendet wird.

    Tatschlich beschreibt diese Deformationstheorie der Plastizitt gar kein plastisches sondern

    lediglich nichtlinear-elastisches (hyperelastisches) Materialverhalten, fr das

    ij

    ij

    w

    =

    (1)

    mit w als Verzerrungsenergiedichte gilt2. Sie hat aber den Vorteil, mathematisch einfacherhandhabbar zu sein und in einigen Fllen sogar geschlossene Lsungen von Randwertproblemen

    zu ermglichen wie das weiter unten hergeleitete nach seinen Autoren als HRR-Feld bezeichnete

    singulre Spannungsfeld an einer Rissspitze (HUTCHINSON [1968a, b], RICE & ROSENGREN

    [1968]).

    Auch in der finiten Plastizittstheorie gelten die Voraussetzungen ber Isotropie und In-

    kompressibilitt des Werkstoffs. Anstelle der additiven Zerlegung der Dehnraten wird eine

    Zerlegung der Gesamtverzerrungen in einen elastischen und einen plastischen Anteil an-

    genommen, e pij ij ij

    = + , und anstelle der Flieregel der inkrementellen Plastizittstheorie

    werden die plastischen Verzerrungen ber die einachsige Zugfliekurve aus

    pp

    F p

    3 3

    2 2ij ij ij

    R S

    = = (2)

    mit p p F p( )S R = als demplastischen Sekantenmodulbestimmt. Die totalen Verzerrungen sind

    dann

    h

    p

    1 3 1

    2 2 3ij ij ij

    G S K

    = + +

    . (3)

    Mit dem Potenzverfestigungsgesetz von RAMBERG & OSGOOD [1945] nimmt der plastische

    Anteil des HENCKY-Gesetzes die Form

    1p

    0 0 0

    3

    2

    n

    ij ij

    =

    (4)

    1 siehe Manuskript Plastizitaet2 siehe Manuskript J-Integral

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    40/93

    W. Brocks: Bruchmechanik WS 2011/12

    HRR-Feld, 04.01.2012,- 2 -

    mit den materialspezifischen Verfestigungskennwerten

    > 0 und n1 an. Die Normierungsgren werden

    blicherweise zu 0 0R = und 0 0 E = gesetzt.

    Da dieses Gesetz von Beginn an nichtlinear ist, treten

    plastische Verzerrungen schon bei beliebig kleinenBelastungen auf, und es gibt keinen definierten bergang

    von elastischem zu plastischem Materialverhalten, also

    auch keine Fliebedingung.

    2. Das Randwertproblem

    Das Nahfeld der Rissspitzenumgebung wird in einem

    Polarkoordinatensystem (r, ) beschrieben, und es werden

    die Grenzflle ebener Spannungszustand (ESZ) und ebener

    (plastischer) Verzerrungszustand (EVZ) fr Modus I be-

    trachtet. Die elastischen (linearen) Verzerrungen in Gl. (4)

    werden gegenber den plastischen (nichtlinearen)

    Verzerrungen vernachlssigt.

    ESZ: 0zz rz z = = =

    Damit erhlt man die Vergleichsspannung im ESZ

    2 2 2 23rr rr rr r = + + (5)

    EVZ: 0zz rz z = = =

    ( )1

    p 12

    0

    0

    n

    zz zz zz rrE

    = + =

    Die Spannung in Dickenrichtung ist3

    ( )12zz rr = + (6)

    und die Vergleichsspannung

    ( )22 23

    4 3rr r = + . (7)

    Die Gleichgewichtsbedingungen fr ebene Zustnde mit ( ) 0z =

    ( )1

    0

    20

    rrrrr

    rr

    r r r

    r r r

    + + =

    + + =

    (8)

    werden durch Einfhrung einer AIRYschen Spannungsfunktion4(r,) mit

    3 Man beachte die formale hnlichkeit zum EVZ in der Elastizittstheorie fr 12 .4 siehe z.B. HAHN[1992], GROSSet al. [1995]

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    41/93

    W. Brocks: Bruchmechanik WS 2011/12

    HRR-Feld, 04.01.2012,- 3 -

    2

    2 2 2

    2

    2

    1 1 1 1

    1 1

    rr

    r

    r r r r r

    r r r

    r

    = + +

    =

    =

    (9)

    identisch erfllt.5Mithilfe der Kompatibilittsbedingung

    ( ) ( )2 21 1 1 2

    0rr rr r r rr r r r

    + = (10)

    wird durch Elimination der Verzerrungen ber das Stoffgesetz Gl. (4) eine partielle nichtlineare

    homogene Differentialgleichung vierter Ordnung fr die Funktion (r,) jeweils fr den ESZ

    und den EVZ hergeleitet (siehe z.B. BROCKSet al. [1990]).

    Die spannungsfreien Rissflanken, ( ) ( ), , 0rr r = = = = sind mit Gl. (9) durch diein formuliertenRandbedingungen

    ( )

    ( )

    , 0

    , 0

    r

    r

    = =

    = = (11)

    zu realisieren. Die homogene Differentialgleichung mit den homogenen Randbedingungen

    beschreibt einEigenwertproblem.

    3. Singulre Rissspitzenfelder

    Fr die asymptotische Lsung wird ein Separationsansatz

    ( ), ( )sr K r = (12)

    gemacht. Die Potenz in r, d.h. der Exponent s, stellt den dominierenden singulren Term einer

    allgemeineren Potenzreihenentwicklung in rdar. Einsetzen in Gl. (9) liefert

    ( )( )

    ( )

    2 2

    2 2

    2 2

    ( )

    1 ( )

    1 ( )

    s s

    rr rr

    s s

    r r

    s s

    K r s K r

    K r s K r

    K r s s K r

    = + =

    = =

    = =

    . (13)

    Auch die Vergleichsspannung Gl. (5) bzw. (7) hat die gleiche Struktur, so dass allgemein

    2 ( )sij ijK r = . (14)

    geschrieben werden kann. Das zugehrige Verzerrungsfeld ergibt sich mit Gl. (4) zu

    ( ) ( )2 20 0

    0 0

    3( ) ( ) ( )

    2

    n n

    n s n s

    ij ij ij

    K Kr r

    = =

    . (15)

    5 Zur vereinfachten Schreibweise wurde undr = = eingefhrt.

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    42/93

    W. Brocks: Bruchmechanik WS 2011/12

    HRR-Feld, 04.01.2012,- 4 -

    Damit der Ansatz Gl. (12) das singulre Rissspitzenfeld beschreibt, muss s< 2 sein. Andererseits

    muss die in einer Kreisscheibe der Dicke hund vom Radius r0um die Rissspitze gespeicherte

    Verzerrungsenergie

    0

    0 ( , )

    r

    rw h w r r dr d

    = == . (16)

    endlich bleiben, also darf die Verzerrungsenergiedichte

    1

    ( 2)( 1) 10 0

    01

    n

    s n n

    ij ij

    Knw d r

    n

    +

    + + = = +

    . (17)

    hchstens eine r-2-Singularitt haben6, also ( )2 1s n n> + (HUTCHINSON[1968a]).

    Mit dem Separationsansatz (12) kann die partielle Differentialgleichung fr (r,) auf eine

    gewhnlichenichtlineare homogene Differentialgleichung fr ( ) reduziert werden, die linear

    in der hchsten Ableitung ist

    ( ), , ,f = . (18)

    Die Randbedingungen (11) nehmen die Form

    ( )

    ( )

    0

    0

    = =

    = =

    (19)

    an. Sie lassen sich alternativ durch Ausnutzung der Symmetrie der Mode-I-Belastung,

    ( , ) ( , )rr rr r r = + , ( , ) ( , )r r = + , ( , ) 0r r = auch

    ( ) ( )

    ( ) ( )

    0 , 0

    0 0 , 0 0

    = = = =

    = = = =

    (20)

    formulieren. Homogene Differentialgleichung (19) und homogene Randbedingungen (20) bilden

    zusammen ein nichtlineares Eigenwertproblem mit den Exponenten s als Eigenwert.

    HUTCHINSON[1968a] hat durch numerische Lsung den Zusammenhang

    2 1

    1

    ns

    n

    +=

    +

    (21)

    gefunden. RICE& ROSENGREN[1968] schlieen aus der Wegunabhngigkeit des J-Integrals fr

    hyperelastisches Material, dass die Verzerrungsenergiedichte in Gl. (17) eine r-1-Singularitt

    haben muss7

    1

    1 10 0

    01

    n

    nKnw r

    n

    +

    + = +

    . (22)

    und kommen so ebenfalls auf den Zusammenhang nach Gl. (21).

    6 dafr ist dann 2 1 lnr r dr r dr r = = 7 siehe Manuskript J-Integral und die folgende Gl. (24)

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

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    W. Brocks: Bruchmechanik WS 2011/12

    HRR-Feld, 04.01.2012,- 5 -

    Damit lauten die singulren Spannungs- und Verzerrungsfelder

    1

    1

    1

    00

    ( )

    ( )

    nij ij

    nn

    n

    ij ij

    K r

    K

    r

    +

    +

    =

    =

    . (23)

    Sie werden nach ihren Autoren HUTCHINSON[1968a, b], RICE& ROSENGREN[1968] zusammen-

    fassend als HRR-Feld bezeichnet. Die Winkelfunktionen ( )ij und ( )ij liegen aufgrund

    numerischer Lsungen der DGl. (18) in tabellierter Form fr Polar- und kartesische Koordinaten

    vor (SHIH [1983], BROCKSet al. [1990]).

    0

    0,5

    1

    1,5

    2

    0 45 90 135 180

    Win

    kelfunktionxx

    [ ]

    n=15

    n=10

    n=5

    0

    0,5

    1

    1,5

    2

    2,5

    3

    0 45 90 135 180

    Winke

    lfunktionyy

    [ ]

    n=15

    n=10

    n=5

    -0,75

    -0,5

    -0,25

    0

    0,25

    0 45 90 135 180

    Winkelfunktionxy

    [ ]

    n=5

    n=10

    n=15

    Winkelfunktionen ( )xx , ( )yy , ( )xy des ebenen Verzerrungszstandes (EVZ)

    fr n= 5, 10, 15.

    Fr n= 1 haben Spannungen und Verzerrungen die bekannte 1 r-Singularitt der LEBM.

    4. Das J-Integral als Rissspitzenintensitt

    In den Darstellungen der Rissspitzenfelder nach Gl. (23) ist (wie fr jedes Eigenwertproblem)

    der Intensittsparameter K unbestimmt. Er hngt von der ueren Belastung ab. Analog zur

    LEBM kann dieser Zusammenhang durch eine auf nichtlineares Materialverhalten verall-

    gemeinerte Energiefreisetzungsrate, das J-Integral beschrieben werden. Fr eine kreisfrmige

    Kontur um die Rissspitze ist8

    ,( , ) cos ( , )ij j i xJ r w r r n u d

    +

    = . (24)

    Mit ( , )w r nach Gl. (22) und

    ( ) ( ) ( ), , , , ,cos sin rrrij j i x rr r r r r r r n u u u u u u ur r

    = + +

    . (25)

    erhlt man nach Integration der Verschiebungs-Verzerrungsrelationen (BROCKS et al. [1990])

    und lngerer Rechnung den Zusammenhang

    1

    1

    0

    0 0

    n

    n

    JK

    I

    + =

    , (26)

    8 siehe Manuskript J-Integral

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    W. Brocks: Bruchmechanik WS 2011/12

    HRR-Feld, 04.01.2012,- 6 -

    wobei In ein vom Verfestigungsexponenten n und dem Spannungszustand ESZ oder EVZ

    abhngiges Integral ber verschiedene Winkelfunktionen der Spannungs- und Verschiebungs-

    felder ,ij iu ist. Fr n= 1 ist IK J K wie der SIF der LEBM.

    5. Die Rissspitzenffnung

    Die auf kartesische Koordinaten umgerechneten HRR-Verschiebungs-

    felder

    111

    0

    0 0

    ( )

    n

    nn

    i i

    n

    Ju r u

    I

    ++

    =

    (27)

    bieten nach Shih [1981] die Mglichkeit einer einfachen Definition der Rissspitzenffnung t

    ber den Schnittpunkt zweier 45-Sekanten mit den Rissflanken.

    t t t t t

    2 ( , ) mit ( , ) ( , )y x y

    u r r u r u r = = . (28)

    Hierfr lsst sich ein linearer Zusammenhang zwischenJund tableiten

    t

    0

    n

    Jd

    = (29)

    mit ( ) ( ) ( )11 1

    0 0

    12 ( ) ( ) ( )nn n

    n n x y y

    n

    d D u u uI

    = = + . (30)

    Im folgenden Diagramm sind die Werte der Konstanten In und Dn in Abhngigkeit des

    Verfestigungsparameters nfr EVZ und ESZ dargestellt (BROCKSet al. [1990]).

    0

    1

    2

    3

    4

    5

    6

    7

    0 5 10 15

    HRR-Konstanten,In,

    Dn

    Verfestigungsexponent, n

    EVZ In

    ESZ In

    ESZ Dn

    EVZ Dn

    6. Gltigkeit der HRR-Lsung

    In den grundlegenden Untersuchungen von MCMEEKING[1977a], MCMEEKING& PARIS[1979],

    SHIH [1985] und SHIH & GERMAN [1985] an zweidimensionalen FE-Modellen unter EVZ-

    Bedingungen im vollplastischen Zustand aber bei kleinen Deformationen wurde die von der

    HRR-Lsung dominierte Zone zu

  • 5/25/2018 Plastizitaet Und Bruchmechanik

    45/93

    W. Brocks: Bruchmechanik WS 2011/12

    HRR-Feld, 04.01.2012,- 7 -

    ( )

    ( )HRR0,07 bei Biegung

    0,01 bei Zug

    W aR

    W a

    =

    . (31)

    ermittelt. Die Untersuchungen von SHIH [1985] bei kombinierter Biege- und Zugbelastung

    zeigen, dass eine kleine Biegekomponente die von Jdominierte Zone schnell bis zur Gre beireiner Biegebelastung anwachsen lsst.

    Die FE-Rechnungen von MCMEEKING[1977a] und BROCKS& OLSCHEWSKI[1986], letztere fr

    groe Deformationen, belegen weiterhin den linearen Zusammenhang zwischen Jund tnach

    Gl. (29).Jund tstellen somit quivalente Beanspruchungsparameter des Rissspitzenfeldes dar.

    Die Rissspitzenaufweitung liefert zudem ein Ma fr

    die Gre der Zone, in der der Einfluss groer

    Deformationen von Bedeutung ist und zu einem

    Abweichen der realen (nach der inkrementellen

    Plastizittstheorie fr groe Deformationenberechneten) Spannungsverteilung vom singulren

    HRR-Feld fhrt. An der plastisch ausgerundeten

    Rissspitze bildet sich keine Singularitt der

    Spannungen aus sondern ein Spannungsmaximum

    wie vor Kerben. Die FE-Rechnungen von RICE &

    JOHNSON[1970], MCMEEKING[1977b] und BROCKS

    & OLSCHEWSKI [1986] zeigen, dass diese Zone

    etwas zwei- bis dreimal t gro ist. Damit eine J-

    dominierte Zone verbleibt, muss also HRR t3R > sein, und aus Gl. (31) ergeben sich mit dn= 2 als

    Grenbedingungen

    Spannungen an der Rissspitze einerC(T)-Probe bei groen Deformationen

    fr zweiJ-Werte (FE-Rechnung);

    x-Achse auf 0 tJ normiert.

    0

    0

    20 fr biegebelastete Proben

    150 fr zugbelastete Pr