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Zeitung .................................................................................. 4 Schwerpunkt: Parteiensystem im Umbruch Fachbeiträge Frank Decker Abschied vom Lagerdenken? Konsequenzen des neuen Fünfparteiensystems für die Koalitions- und Regierungsbildung ...................................................... 7 Hubert Kleinert Parteiendemokratie in der Krise ................................ 11 Kommentar Karl-Rudolf Korte Die NRW-Wahl als politischer Einschnitt .................... 15 Interview mit Erhard Eppler Ist die SPD wieder zurück? .......................................... 17 Didaktische Marcus Grebe Werkstatt Politikdidaktische Überlegungen zum post- demokratischen Dilemma............................................ 20 Verbandspolitische Persönliches: Rundschau Bernhard Sutor zum 80. Geburtstag .......................... 25 Informationen, Planungen, Aktionen, Berichte: Bayern: Politische Bildung und demokratischer Staat ............................................................................ 27 –: „Reifezeiten – Bildung, Politik Zeit“: Fachtagung an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg ................ 27 Nordrhein-Westfalen: „Jugendwettbewerb NRW. Demokratie leben. Unsere Werte - unsere Rechte.“ .. 28 Schleswig-Holstein: Landesfachtage .......................... 28 Mecklenburg-Vorpommern: LV plant Mitglieder- versammlung und Fortbildung.................................... 28 Hessen: Deutsch – polnisches Seminar ........................ 29 Rheinland-Pfalz: Geplante Reform der gymnasialen Oberstufe in Rheinland-Pfalz .................................... 29 Vorankündigung der „11. Tage der Politischen Bildung Rheinland-Pfalz“ .................. 30 Thüringen: Neuer Landesvorstand der DVPB-Thüringen gewählt .......................................... 30 –: „Was ist und wie entsteht Bürgerbewusstsein“ .... 30 –: Bericht zum 10. „Jenaer Tag der Politikwissenschaft“ .................................................... 31 –: Andreas Petrik – „Der Weg ist das Ziel“ ................ 32 –: Torsten Oppelland – „Geschichte, Politik, Geschichtspolitik“ ...................................................... 32 Magazin Rezensionen ................................................................ 33 Vorschau/Impressum .................................................. 34 POLIS Report der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung Editorial Das Parteiensystem hat sich in den vergan- genen Jahren deutlich verändert: Ein Zwei- einhalb- ist einem Fünfparteiensystem ge- wichen, die Volksparteien existieren nur noch als „Ruinen“, das Kräfteverhältnis innerhalb des Parteienspektrums hat sich zugunsten der kleineren Parteien verschoben. Frank Decker analysiert diese Veränderungen in der Parteienlandschaft und fragt nach den Konsequenzen, die sich daraus für die Koa- litions- und Regierungsbildung ergeben. Wer- den die politischen Parteien ihren verfas- sungsrechtlichen Aufgaben noch gerecht? Sind sie noch das lebendige Bindeglied zwi- schen Staat und Gesellschaft? Tragen sie noch zur politischen Bildung und Willens- bildung der Bürgerinnen und Bürger bei? Hubert Kleinert ist diesbezüglich eher skep- tisch und konstatiert in seinem Beitrag die Krise der Parteiendemokratie. Den Ausgang der richtungsweisenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat Karl-Rudolf Korte für POLIS kommentiert und mit Erhard Eppler sprachen wir über den Zustand und die Zukunft der SPD als Volkspartei. In der Didaktischen Werkstatt wendet sich Marcus Grebe dem theoreti- schen Ansatz der Postdemokratie zu. Mit dieser Ausgabe verabschiedet sich die POLIS-Redaktion von Renate Kreile, Gerd Steffens und Wilhelm Wortmann und bedankt sich ganz herzlich für die langjährige enga- gierte und kollegiale Mitarbeit. Gleichzeitig begrüßen wir als neue Mitglieder in der Re- daktion Bernd Overwien, Professor für Po- litische Bildung und ihre Didaktik an der Uni- versität Kassel, und Tim Engartner, Akade- mischer Rat am Lehrstuhl für Wirtschafts- didaktik an der Universität Duisburg-Essen. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit. Den aufmerksamen Leserinnen und Le- sern wird nicht entgangen sein, dass POLIS „umgezogen“ ist und seit der letzten Aus- gabe im Wochenschau-Verlag erscheint. Auch über diese neue Zusammenarbeit freut sich die Redaktion sehr. Martina Tschirner Heft 2/2010 polis_2_10_003_003_003_003.qxd 13.07.2010 13:46 Seite 1

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Zeitung .................................................................................. 4

Schwerpunkt: Parteiensystem im Umbruch

Fachbeiträge Frank DeckerAbschied vom Lagerdenken? Konsequenzen des neuen Fünfparteiensystems für die Koalitions- und Regierungsbildung ...................................................... 7

Hubert KleinertParteiendemokratie in der Krise ................................ 11

Kommentar Karl-Rudolf Korte Die NRW-Wahl als politischer Einschnitt .................... 15

Interview mit Erhard EpplerIst die SPD wieder zurück? .......................................... 17

Didaktische Marcus GrebeWerkstatt Politikdidaktische Über legungen zum post -

demokratischen Dilemma............................................ 20

Verbandspolitische Persönliches:Rundschau Bernhard Sutor zum 80. Geburtstag .......................... 25

Informationen, Planungen, Aktionen, Berichte:

Bayern: Politische Bildung und demokratischer Staat ............................................................................ 27

–: „Reifezeiten – Bildung, Politik Zeit“: Fach tagung an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg ................ 27

Nordrhein-Westfalen: „Jugendwettbewerb NRW. Demokratie leben. Unsere Werte − unsere Rechte.“ .. 28

Schleswig-Holstein: Landesfachtage .......................... 28

Mecklenburg-Vorpommern: LV plant Mitglieder -versammlung und Fortbildung.................................... 28

Hessen: Deutsch – polnisches Seminar ........................ 29

Rheinland-Pfalz: Geplante Reform der gymnasialenOberstufe in Rheinland-Pfalz .................................... 29

Vorankündigung der „11. Tage der Politischen Bildung Rheinland-Pfalz“ .................. 30

Thüringen: Neuer Landesvorstand der DVPB-Thüringen gewählt .......................................... 30

–: „Was ist und wie entsteht Bürgerbewusstsein“ .... 30

–: Bericht zum 10. „Jenaer Tag der Politikwissenschaft“ .................................................... 31

–: Andreas Petrik – „Der Weg ist das Ziel“ ................ 32

–: Torsten Oppelland – „Geschichte, Politik, Geschichtspolitik“ ...................................................... 32

Magazin Rezensionen ................................................................ 33Vorschau/Impressum .................................................. 34

POLISReport der Deutschen Vereinigungfür Politische Bildung

Editorial

Das Parteiensystem hat sich in den vergan-genen Jahren deutlich verändert: Ein Zwei-einhalb- ist einem Fünfparteiensystem ge-wichen, die Volksparteien existieren nur nochals „Ruinen“, das Kräfteverhältnis innerhalbdes Parteienspektrums hat sich zugunstender kleineren Parteien verschoben. FrankDecker analysiert diese Veränderungen inder Parteienlandschaft und fragt nach denKonsequenzen, die sich daraus für die Koa -li tions- und Regierungsbildung ergeben. Wer-den die politischen Parteien ihren verfas-sungsrechtlichen Aufgaben noch gerecht?Sind sie noch das le ben dige Bindeglied zwi-schen Staat und Gesellschaft? Tragen sienoch zur politischen Bildung und Willens-bildung der Bürgerinnen und Bürger bei?Hubert Kleinert ist diesbezüglich eher skep-tisch und konstatiert in seinem Beitrag dieKrise der Par teiendemokratie.

Den Ausgang der richtungsweisendenLandtagswahl in Nordrhein-Westfalen hatKarl-Rudolf Korte für POLIS kommentiertund mit Erhard Eppler sprachen wir überden Zustand und die Zukunft der SPD alsVolkspartei. In der Didaktischen Werkstattwendet sich Marcus Grebe dem theoreti-schen Ansatz der Postdemokratie zu.

Mit dieser Ausgabe verabschiedet sich diePOLIS-Redaktion von Renate Kreile, GerdSteffens und Wilhelm Wortmann und bedanktsich ganz herzlich für die langjährige enga-gierte und kollegiale Mitarbeit. Gleichzeitigbegrüßen wir als neue Mitglieder in der Re-daktion Bernd Overwien, Professor für Po-litische Bildung und ihre Didaktik an der Uni-versität Kassel, und Tim Engartner, Akade-mischer Rat am Lehrstuhl für Wirtschafts -didaktik an der Universität Duisburg-Essen.Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit.

Den aufmerksamen Leserinnen und Le-sern wird nicht entgangen sein, dass POLIS„umgezogen“ ist und seit der letzten Aus-gabe im Wochenschau-Verlag erscheint.Auch über diese neue Zusammenarbeit freutsich die Redaktion sehr.

Martina Tschirner

Heft 2/2010

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Berlin. Was versteht man unter ökono-mischer Bildung? Brauchen wir einPflichtfach „Wirtschaft“ an allgemein-bildenden Schulen? Antworten auf die-se und viele weitere Fragen gaben am 5.März auf Einladung der stiftung neueverantwortung vier Experten für Bil-

dungsfragen: Gesine Schwan, zweima-lige Bundes präsidentschaftskandidatinund langjährige Präsidentin der Europa-Universität Viadrina, Reinhold Hedtke,Dekan der Bielefelder Fakultät für So-ziologie, Hans Kaminski, Direktor desOldenburger Instituts für Ökonomi-sche Bildung sowie Patrick Meinhardt,Bildungspolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion.

Dass die Diskutanten im BerlinerBeis heim-Center einig sein würden,hatte niemand aus unserem Projekt-team „Zukunft der ökonomischen Bil-dung“ erwartet, aber wie sich die Po-diumsgäste etwa bei der Frage nacheinem Unterrichtsfach „Wirtschaft“gegeneinander abgrenzten, war danndoch bemerkenswert. Kaminski wiesdarauf hin, dass sich die jüngste Wirt-schafts- und Finanzmarktkrise wederdurch mehr politische noch durch mehrökonomische Bildung hätte verhindernlassen. Zugleich machte er deutlich, dassauf Dauer seriöse ökonomische Bildungausbildungs- und forschungspolitischnur über ein Fach „Wirtschaft“ erreich-bar sein wird. Sein Bielefelder KollegeReinhold Hedtke zweifelte an, dass es

um die ökonomische Bildung schlech-ter bestellt ist als um die politische – undrelativierte damit das Lamento des Bun-desverbands deutscher Banken über diemangelnden Ökonomiekenntnisse beiKindern und Jugendlichen. Seine For-derung, es brauche nach wie vor ein so-

zialwissenschaftliches Integrations-fach und die damit verbundene Mul-tiperspektivität, um ökonomischesWissen sach- und schü lergerecht zukontextualisieren, griff Gesine Schwanauf. Die Politikwissenschaftlerin gabsich weniger präsidial als vielmehrdiskussionsfreudig und kritisierte diezunehmende gesellschaftliche Orien-tierung am „Menschenbild“ des ho-mo oeconomicus. Sie mahnte an, diepolitische Bildung nicht zu Gunstender ökonomischen zu opfern. PatrickMeinhardt schließlich sprach sichdafür aus, den Praxisbezug an Haupt-

und Realschulen zu forcieren, Unter-nehmenspatenschaften für Schulen aus-zubauen und Lehrern einen regelmäßi-gen Einblick in den außerschulischenBerufsalltag zu gewähren.

Konsens bestand bei Podiums- undPublikumsgästen jedoch insoweit, alsökonomische Bildung für unverzichtbarerachtet wurde, um in der modernen Ar-beitswelt Orientierung zu bieten.

Tim Engartner

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ITU

NG Gesellschaftliche Teilhabe

durch ökonomische Bildung? Podiumsdiskussion der stiftung neue verantwortung

Patrick Meinhardt, die Moderatorin JacquelineBoysen und Reinholdt Hedtke im Gespräch

Sara Alfia Greco

Auch Gesine Schwan und Hans Kaminski(Rückenansicht) nutzten die Gelegenheit, sichüber das Für und Wider von mehr ökonomi-scher Bildung auszutauschen

Sara Alfia Greco

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Keine Europamüdigkeit trotz Euro-Krise

Gütersloh. Eine aktuelle Umfrage derBertelsmann Stiftung unter Teilnehmerndes BürgerForum Europa zeigt, dass 77Prozent der Befragten der Meinung sind,Europa müsse noch stärker zusammen-wachsen. Sie halten eine verstärkte In-tegration in der EU gerade vor dem Hin-tergrund der Krise für notwendig undunabdingbar.

Auch die vom französischen Staats-präsidenten Nicolas Sarkozy gewünsch-te Europäische Wirtschaftsregierung stößtauf Akzeptanz bei den Teilnehmern desBürgerforum. Vier von fünf Befragtensind für die Einführung dieses Vorschla-ges. Sogar 87 Prozent halten zu Vermei-dung künftiger Finanzkrisen in der EUeine stärkere Kontrolle der nationalenBudgets durch die EU für notwendig.

Am Beispiel der Griechenland-Krisewird für zwei Drittel der Befragten deut-lich, dass solche Krisen zu einem Pro-blem für das weitere Zusammenwach-sen Europas werden können. Die EU isttrotz ihrer erfolgreichen Geschichte nochnicht gefestigt genug.

„Es wird allzu vorschnell von einer Eu-ropamüdigkeit unter den Bürgern gespro-chen“, interpretiert VorstandsvorsitzenderDr. Gunter Thielen die Ergebnisse der Um-frage. „Die Menschen sind nach wie vorvon der Notwendigkeit der EuropäischenIntegration überzeugt. Sie wollen nicht we-niger, sondern mehr Europa. Bei der wirt-schaftlichen Koordinierung scheinen sichdie Politiker weit schwerer zu tun als dieBürger.“ Wie viel Geld in Athen, Lissab-on oder Rom ausgegeben werde, habe di-rekte Auswirkungen auf Deutschland, sag-te Thielen. Die EU benötige gerade in Kri-senzeiten sichtbare Erfolge.

Im vergangenen Jahr haben 350 zufäl-lig ausgewählte Bürger aus ganz Deutsch-land auf Initiative der Bertelsmann Stif-tung und der Heinz-Nixdorf-Stiftung de-taillierte Handlungsempfehlungen für dieEuropäische Union erarbeitet. In einemBürgerprogramm for derten die Teilneh-mer des Bürgerforums Europa die Di-rektwahl einer EU-Regierung sowie wei-tere Integrationsschritte in Richtung derVereinigten Staaten von Europa.

Bertelsmann Stiftung vom 08.06.2010

Politischen Bildungsträgerndroht der Kahlschlag

Berlin. Wie ein Vertreter des von demfür die Bundeszentrale für politische Bil-dung zuständigen Bundesinnenministe-riums am 7. Juli 2010 in Berlin ankün-digte, plant die Bundesregierung massi-ve Kürzungen im Bereich der politischenBildung. Der Etat der Bundeszentralefür politische Bildung (bpb) soll in 2011bereits um 1,5 Mio Euro reduziert wer-den, nach den Plänen der Regierung sindes aber schon 2012 über 5 Mio. Euro undin den beiden Folgejahren jeweils nocheinmal je 4,8 Mio Euro, die gestrichenwerden sollen.

Betroffen von diesen enormen Kür-zungen ist nicht nur die Bundeszentralefür politische Bildung selbst, sondernsind auch bundesweit zahlreiche Trägerund Einrichtungen politischer Bildungwie Jugendbildungsstätten, Bildungs-werke, Heimvolkshochschulen und In-ternationale Begegnungsstätten. Dieseerhalten über die bpb Fördermittel fürihre wichtige Arbeit; dafür standen bis-her jährlich rund 6,8 Mio Euro zur Ver-fügung. Die vorgesehenen Kürzungenim Haushalt der bpb sollen zur Hälfteauf die Fördermittel für die Träger ent-fallen. Es ist zu befürchten, dass vieleEinrichtungen diesen Kahlschlag bei derFörderung ihrer Aktivitäten nicht über-leben werden.

Der Vorsitzende des Arbeitskreis deut-scher Bildungsstätten, Peter Ogrzall,warnt vor den absehbaren Folgen: „Indem geplanten Ausmaß zu kürzen, istfahrlässig und widerspricht den Aussa-gen der Regierung, die Bildung und dengesellschaftlichen Zusammenhalt zu för-dern. Ohne politische Bildung gibt eskeine funktionierende Demokratie! Po-litische Bildung vermittelt Wissen, be-fähigt zum eigenen Urteil und ermutigtund qualifiziert für gesellschaftlichesund politisches Engagement.“

Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten

Internationale Vergleichsstudiezur politischen Bildung ohne Beteiligung Deutschlands

Göteborg. Österreichs Schülerinnen undSchüler haben im internationalen Ver-gleich hohes Interesse an politischen undsozialen Themen, bei bürgerschaftlichemWissen und zivilgesellschaftlichen Fä -hig keiten liegen sie allerdings nur imMittelfeld. Schweizer Schüler/innen da-gegen rangieren mit 531 Punkten beimPolitikwissen im oberen Viertel von 38teilnehmenden Ländern aus aller Welt(Durchschnitt ca. 500 Punkte). Über poli -tische Kenntnisse und Kompetenzen vondeutschen Schüler/innen können wir aberkeine aktuellen forschungsbasierten Aus-sagen machen, weil Deutschland an derjüngsten internationalen Vergleichsstu-die nicht mehr teilgenommen hat.

Am 29. Juni 2010 wurden im schwe-dischen Göteborg die ersten Resultateder „International Civic and CitizenshipEducation Study“ (ICCS) präsentiert. Ander Studie der renommierten IEA (In-ternational Association for the Evalua-tion of Educational Achievment) haben38 Länder aus Asien, Europa, Lateina-merika und Ozeanien teilgenommen;140.000 Schüler/innen der achten Jahr-gangsstufe sowie 62.000 Lehrer/innenwurden im Verlaufe des Jahres 2008 be-fragt. Beim Wissenstest, der neben Fak-tenwissen auch etwa Analysefähigkei-ten untersuchte hat, schnitten finnischeund dänische Schüler/innen mit jeweils576 Punkten am besten ab; am unterenEnde des Rangskala landeten Paraguay(424) und die Dominikanische Republik(380). Mädchen schnitten im interna-tionalen Durchschnitt um 22 Punkte bes-ser ab als ihre männlichen Mitschüler.

Einen weiteren erstaunlichen Befundteilten der Forschungsdirektor WolframSchulz und der Projektkoordinator JohnAinley mit: Im Vergleich zu der CIVED-Studie aus dem Jahre 1999, in der für 15Staaten die selben Fragen gestellt wor-den waren, sank 2008 im Durchschnittdas inhaltliche Politikwissen um einFünftel Standardabweichung und bei 7von diesen 15 Staaten sogar signifikant.Schade, dass eine Aussage zum Zeit-vergleich für Deutschland nicht vorliegt!

Der Gesamtbericht der Studie wirdim Herbst 2010 veröffentlicht werdenund im Detail die Zusammenhänge zwi-

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Zeitung

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schen bürgerschaftlichem Wissen, poli-tischen Einstellungen und zivilgesell-schaftlicher Partizipation, gesellschaft-lichem Kontext sowie unterschiedlichenAnsätzen in der schulischen Bildung ana-lysieren. Die bislang vorliegenden Er-gebnisse sind dokumentiert unter:http://www.sora.at und http://iccs.acer.edu.au.

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Lothar Harles ist neuer Vorsitzen-der des Bundesausschusses Politi-sche Bildung (bap)

Bonn. Einstimmig hat die bap-Mitglie-derversammlung am 5. Mai 2010 in derehemaligen Bundeshauptstadt LotharHarles, den Geschäftsführer der Ar-beitsgemeinschaft katholisch-sozialerBildungswerke (AKSB), in einer außer-ordentlichen Nachwahl zum neuen Vor-sitzenden gewählt. Harles, bisherigerStellvertreter, führt bereits seit dem 1.Januar 2010 kommissarisch die Ge-schäfte des Vorsitzenden, nachdem TheoW. Länge vom Bundesarbeitskreis Ar-beit und Leben Ende 2009 den Vorsitzniedergelegt hatte.

„Ich freue mich auf diese Aufgabe,auch wenn – oder gerade weil – vor unsgroße Herausforderungen liegen, auf diewir in der politischen Bildungsarbeit Ant-worten finden müssen“, so Harles. AlsSchwerpunkt seiner zukünftigen Tätig-keit sieht Harles neben dem demografi-schen Wandel und Fragen der Integrati-on besonders Themen wie Klimawandelund Globalisierung. „Je mehr die Weltzusammenwächst, desto mehr Reibungs-und Berührungspunkte gibt es. Mit Blickauf die UN-Dekade ist Bildung und nach-haltige Entwicklung dabei ein wichtigesStichwort. Hier kann und muss sich Po-litische Bildung einbringen.“ Harles be-tonte weiterhin die Chancen, die sichdurch den Einsatz von Web 2.0 für diepolitische Bildungsarbeit ergeben.

Der 57-jährige Lothar Harles ist seit2000 Geschäftsführer der AKSB. Wei-tere bundesweite Tätigkeiten: Bundes-vorsitzender der deutschen KatholischenJugend (BDKJ) (1983-1989) und seit2007 Vorsitzender der IJAB – Fachstel-le für Internationale Jugendarbeit derBundesrepublik Deutschland e.V.

bap

Wieder Kontroverse um politi-sche Bildung durch Bundeswehr-offiziere an Schulen

München. In der ersten Hälfte des Mo-nats Juni diesen Jahres wurde auch fürBayern eine Kooperationsvereinbarungzwischen dem Kultusministerium desLandes und dem Wehrbereichskom-mando IV der Bundeswehr, das für Süd-deutschland zuständig ist, zum Einsatzvon Jugendoffizieren an Schulen unter-zeichnet. Das Bayerische Kultusmini-sterium bezeichnete am 8. Juni diese Ver-einbarung als „Angebot an die Gesell-schaft“. Ein Generalmajor der Bun des- wehr meinte, dass Jugendoffiziere „aus-gewiesene Experten in sicherheitspoli-tischen Fragen und entsprechende The-men besonders gut geeignet“ seien. „Siekönnen sehr gut auf die Schüler aller Bil-dungseinrichtungen eingehen und zumpolitischen Diskurs anregen.“

Obwohl Auftritte von Jugendoffizie-ren der Bundeswehr als Experten an Schu-len in vielen Bundesländern bereits eineTradition besitzen, entspannte sich im An-schluss an diese Vereinbarung ein öf-fentlicher Disput. Am 1. Juli stellt ElkeHahn, Geschäftsführerin der Gewerk-schaft Erziehung und Wissenschaft(GEW) in Bayern, die Frage: „Sind dieLehrkräfte an Bayern Schulen dafür et-wa nicht geeignet? Sollte dies so sein,müsste es durch entsprechende Aus- undWeiterbildung geändert werden. Wir wen-den uns strikt dagegen, dass diese Auf-gabe der Bundeswehr übertragen werdenkann, wie es die Kooperationsvereinba-rung vorsieht. Es entsteht der Eindruck,dass es nicht in erster Linie um die Be-handlung des Themas an Schulen geht,sondern um dessen Behandlung durch dieBundeswehr selbst. Und hier sehen wirdie Krux: Die Bundeswehr hat in ersterLinie militärische Ziele zu erfüllen undmilitärische Aufgaben zu übernehmen.Deswegen ist sie nicht politisch wert-neutral! Neutral sind Lehrerinnen undLehrer an Schulen auch nicht. Aber manhat sich in dieser Gesellschaft darauf ver-ständigt, dass es die Pädagoginnen undPädagogen sind, die an Schulen den Bil-dungsauftrag zu erfüllen und dafür eineadäquate Ausbildung zu erhalten haben.“

Zwar sieht die Vereinbarung vor, dassJugendoffiziere nicht für Tätigkeiten in-nerhalb der Bundeswehr werben dürfen.

Die GEW vertraut hingegen dieser Grenz - ziehung nicht, und betont durch ihreBayerische Landesvorsitzende GeleNeubäcker, dass zum Bildungsauftragder Schulen ein größeres Themenspek-trum gehört: „Die Vermittlung und kri-tische Behandlung von Zusammenhän-gen zwischen Innen-, Außen-, Sicher-heits- und Friedens(!)politik, genau sowie die Auseinandersetzung über Fra-gen des sozialen Zusammenlebens einer(Welt-) Gesellschaft und die Frage, in-wieweit z.B. Frieden sichernde Maß-nahmen im Ausland zu den Aufgabender deutschen Bundeswehr gehören.“

Die Grünen in Mecklenburg-Vor-pommern sind auch gegen politische Bil-dung durch Bundeswehr-Offiziere. DerLandesvorstand erklärte am 2. Juli inSchwerin: „Allgemeine politische Bil-dung ist nicht Aufgabe der Bundeswehr.“Treten Jugendoffiziere an Schulen auf,müsse die Teilnahme für die Schüler frei-willig sein, forderte der bildungspoliti-sche Sprecher der Partei Andreas Katz.Dennoch lehne er authentische Afgha-nistan-Berichte vor Schülern nicht ab,wenn dabei auch ehrlich über Gefahren,Ängste und Traumatisierungen berich-tet werde. Allerdings bezweifelte er, dassdie Bundeswehr solche „ungeschmink-ten“ Berichte zulassen würde.

dpa/bildungsklick.de

Erziehungswissenschaftler zurdemokratischen Bildung

Leverkusen. Ein gerade erschienenerBand präsentiert die Vorträge des 22.Kongresses der Deutschen Gesellschaftfür Erziehungswissenschaft, der im März2010 in Mainz stattfand.

In Beiträgen, die die gesamte Breiteder Erziehungswissenschaft abdecken,werden aktuelle Debatten zum Bildungs -system und wichtige Fragen aus der Per-spektive erziehungswissenschaftlicherTeildisziplinen beleuchtet.

Das Buch gibt Impulse zur Klärungder Bedeutung von Bildung für eine de-mokratische Gesellschaft und zeigt, wel-che Rolle der Pädagogik dabei zukommt:STEFAN AUFENANGER u.a. (Hg.):Bildung in der Demokratie. Opladenund Farmington Hills: Barbara BudrichVerlag 2010; 210 S.; 24,90 €

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polis 2/2010

Zeitung

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Vom Zweieinhalb- zum Fünfparteiensystem

Es gehört zu den Lehrbuchweisheitender Politikwissenschaft, dass der Cha-rakter eines Regierungssystems maß-geblich von den Strukturen des Partei-ensystems bestimmt wird, die innerhalbder von der Verfassung konstituiertenStaatsorgane wirken und deren Funk-tionieren prägen. Die Veränderungen derParteienlandschaft, die wir in der Bun-desrepublik seit einigen Jahren beob-achten, haben diesen Zusammenhangeindrucksvoll bestätigt.

In der Hochzeit der Ära des stabilenZweieinhalbparteiensystems der sech-

ziger und siebziger Jahre kam es für dieKoalitionsbildung in erster Linie auf dieFDP an, die als Scharnier zwischen denbeiden Volksparteien den Regierungs-wechsel zweimal (1969 und 1982) er-möglichte. Das Standardmodell der „klei-nen Koalition“, der die jeweils andereVolkspartei als annähernd gleich starkeOpposition gegenübertrat, wurde nur imZeitraum 1966 bis 1969 vorübergehendverlassen, als sich Union und SPD frei-willig zur Bildung einer Großen Koali-tion entschlossen. Durch die Etablierungder Grünen als vierte Partei in den acht-ziger Jahren perfektionierte sich die dua-listische Struktur. Während die Öko-Par-tei koalitionspolitisch einseitig auf dieSPD ausgerichtet war, verharrte die FDPab diesem Zeitpunkt fest an der Seite derUnion im bürgerlichen Lager. Das Hin-zutreten der PDS nach der deutschenEinheit ließ die bipolare Struktur zu -nächst noch unangetastet, da die ge-samtdeutschen Ergebnisse der Partei zuschwach blieben, um die Bildung einerRegierung nach dem vertrauten Musterzu vereiteln. Mit der Bundestagswahl2005 sollte sich dies dramatisch ändern.Die Gründung einer linken Wahlalter-native im Westen aus Protest gegen dievon der rot-grünen Bundesregierung ein-geleiteten Sozialreformen und derenWahlbündnis mit der PDS ermöglichteden Postkommunisten eine Verbreitungihrer Wählerbasis in die Altbundeslän-der, wo sie bis dahin gänzlich erfolglosgewesen waren. Der Erfolg der Links-partei PDS, die ihr Ergebnis von 2002nahezu verdoppeln konnte, sorgte dafür,dass es bei der vorgezogenen Bundes-tagswahl 2005 für keines der beiden po-litischen Lager (Rot-Grün oder Schwarz-Gelb) mehr zur Mehrheit reichte.

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Abschied vom Lagerdenken?Konsequenzen des neuenFünfparteiensystems für die Koalitions- und Regierungs-bildung

von Frank Decker

Frank Decker, Dr. rer pol., Dipl.-Pol. istseit 2001 Professor für Politische Wissen-schaft an der Rheinischen Friedrich-Wil-helms-Universität Bonn. Seine Lehr- undForschungsgebiete sind das deutsche Re-gierungssystem und der Regierungssys -temvergleich.F

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Fachbeitrag

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der Union aus, die als mutmaßlich stärks -te Partei nun die Wahl hatte, entwedermit der FDP (wenn es für eine Mehrheitbeider Parteien reichte), den Sozialde-mokraten oder vielleicht sogar mit denGrünen zu regieren.

Die Regionalisierung des Parteiensys -tems bedeutet zugleich, dass die Koali-tionsbildung im Bund anderen Gesetz-mäßigkeiten folgt als in den Ländern undin den neuen Ländern wie derum ande-ren als in den alten. In den neuen Län-dern hat die Stärke der PDS dafür ge-sorgt, dass diese schon nach der zweitenRunde der Landtagswahlen in die Re-gierungsverantwortung mittelbar einge-bunden wurde (in Sachsen-Anhalt).Förmliche Koalitionen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin folgten. Gleich-zeitig führte die relative Schwäche vonFDP und Grünen in Verbindung mit derstrukturellen Hegemonie des linken La-gers dazu, dass das Modell der „kleinenKoalition“ die Ausnahme blieb und – voneinem Fall1 abgesehen – auch keine la-gerübergreifenden Dreierkoalitionen ge-bildet werden konnten oder muss ten.

In den alten Bundesländern entsprachdie Regierungsbildung demgegenüberbis zum Auftreten der WASG weitge-hend dem durch die bipolare Vierpartei -enstruktur vorgegebenen Muster. Auchnach Etablierung der gesamtdeutschenLinken sollten deren westlicher Able-ger so schwach bleiben, dass kleineZweierkoalitionen oder sogar Alleinre-gierungen nach dem vertrauten Modellmöglich blieben (so in Baden-Würt-temberg, Rheinland-Pfalz, Bremen, Nie-dersachsen, Hamburg, Bayern und – imzweiten Anlauf – Hessen). Bis zur Land-tagswahl 2010 in Nordrhein-Westfalenmusste in keinem einzigen Fall eineGroße Koalition gebildet werden.

Wesentlich komplizierter gestaltetsich die Situation auf Bundesebene. Weildie neu entstandene Linke aufgrund ih-rer Stärke in Ostdeutschland gesamt-deutsch mit einem in etwa doppelt sohohen Stimmenanteil rechnen kann wieim Durchschnitt der Westländer, ist dieWahrscheinlichkeit hier deutlich ge-sunken, dass es für die herkömmlichenZweier-Koalitionen noch zu Mehrhei-ten reicht – die Bundestagswahl 2005hat es gezeigt. Für sich genommen wür-de die abweichende Entwicklung ver-mutlich kein großes Problem darstellen.

Die Regionalisierung der Parteienlandschaft

Eine weitere Folge des Hinzutretens derPDS, die schon vor der Zäsur der Bun-destagswahl 2005 eintrat, war die Re-gionalisierung der Parteienlandschaft.Im Osten entstand nach der Wendezunächst ein Fünfparteiensystem mitdrei großen bzw. mittelgroßen (Union,SPD und PDS) sowie zwei kleinerenParteien (FDP und Bündnis 90 / Grü-ne). Dieses System entwickelte sich Mit-te der neunziger Jahre auf eine Drei-parteienstruktur mit Union, SPD undPDS zu rück, wobei die Postkommuni-sten zu den beiden Volksparteien immermehr aufschlossen. Mit dem Wiederer-starken von FDP und Grünen ab Beginndieses Jahrzehnts liegt auch diese Pha-se bereits hinter uns. Nimmt man die ge-legentlichen Wahlerfolge der Rechts-außenparteien hinzu, zeichnet sich dieParteienlandschaft im Osten durch einehohe und weiter wachsende Fragmen-tierung aus. Drei im Schnitt annäherndgleich starken „Mittelparteien“ stehenbis zu drei kleinere Parteien gegenüber,deren jeweilige Stimmenanteile sowohlzwischen den Bundesländern als auchim zeitlichen Verlauf enormen Schwan-kungen unterliegen.

Charakteristisch für das ostdeutscheParteiensystem ist des weiteren seinestrukturelle Asymmetrie. Bedingt durchdie Stärke der postkommunistischenPDS erreichen die drei linken Parteien(SPD, Linke/PDS und Grüne) in denneuen Ländern zusammengenommenhöhere Stimmenanteile als das bürger-liche Lager. Lediglich in Sachsen hat-ten Union und FDP bei der letzten Run-de der Landtagswahlen noch die Nasevorn. Anders stellt sich die Situation inden alten Bundesländern dar. Bis zumJahre 2005 blieb es hier bei der bipola-ren Struktur mit zwei nahezu gleich star-ken Lagern (Schwarz-Gelb versus Rot-Grün), die sich ab Mitte der achtzigerJahre herausgebildet hatte. Das Hinzu-treten der Linken bzw. WASG verschobdie elektoralen Kräfteverhältnisse zu -nächst wenig, nur dass sich die linkenStimmen jetzt auf drei Parteien verteil-ten. Da der Erfolg der Linken im We-sten primär von der SPD gespeist wur-de, wirkte sich dieses Viereinhalb -parteien system tendenziell zugunsten

In der Bundesrepublik ist es bis dahinaber stets so gewesen, dass neue Koali-tionsformate im Bund über die Länder-politik angebahnt werden. Besteht in denLändern keine Notwendigkeit, lager -übergreifende Dreierkoalitionen zu bil-den, müsste eine entsprechende Koali-tion auf Bundesebene also ohne vorhe-rigen Probelauf auskommen.

Die Bundestagswahl 2009

Der klare Sieg von Union und FDP beider Bundestagswahl im September hatgezeigt, dass Mehrheiten für kleineZweierkoalitionen auf der Bundesebe-ne durchaus möglich bleiben – aller-dings nur für das „bürgerliche“ Lager.Lagen die drei linken Parteien 2005 mit51,0 Prozent noch deutlich vor Unionund FDP, die zusammen 45,1 Prozenterhielten, so kehrte sich das Verhältnis2009 zugunsten der bürgerlichen Par-teien um: 48,4 Prozent für Union undFDP, 45,6 Prozent für die drei linkenParteien. Die beiden Seiten liegen alsoweiterhin knapp beieinander. Eine rela-tiv geringe Zahl von Rückkehrern undNichtwählern aus dem bürgerlichen La-ger reicht somit aus, um eine erneuteUmkehrung der Mehrheitsverhältnissezu bewirken.

Zu den dramatischen Ergebnissen derBundestagswahl 2009 gehört die Kräf-teverschiebung zwischen den großenund kleinen Parteien. Union und SPDkommen zusammengenommen auf nurnoch 58 Prozent der Stimmen (gegenü-ber 69 Prozent 2005), was einen histo-rischen Tiefstand markiert. (Bei der er-sten Bundestagswahl 1949 betrug ihrgemeinsamer Anteil 60 Prozent.) Nocheindrucksvoller sind die Zahlen, wennman sie auf die Gesamtwählerschaft be-zieht. Aufgrund der stark gesunkenenWahlbeteiligung (von 77,6 auf 70,8 Pro-zent) können die Volksparteien danachzusammen gerade noch 40 Prozent derWähler auf sich vereinigen. In der Hoch-zeit der Stabilität des Zweieinhalbpar-teiensystems – Anfang-Mitte der sieb-ziger Jahre – lag dieser Wert mit 80 Pro-zent doppelt so hoch.

Ab welchem Stimmenanteil hört ei-ne Volkspartei auf, Volkspartei zu sein?Kommentatoren haben diese Frage – hä-misch oder ernsthaft besorgt – vor al-

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lem mit Blick auf die SPD gestellt, dieam 27. September mit 23,0 Prozent ihrmit Abstand schlechtestes Ergebnis beieiner Bundestagswahl hinnehmen mus-ste, während die Union ihren bisherigenTiefstwert von 1949 (31,0 Prozent) dies-mal noch knapp überbot (33,8 Prozent).So wichtig es ist, die längerfristigen Ur-sachen der rückläufigen Wählerunter-stützung im Auge zu behalten, so rich-tig ist auch, dass der Hauptgrund für dasstarke Absinken der Großen bei der Bun-destagswahl 2009 in der Regierungs-konstellation zu suchen ist, die Unionund SPD 2005 unfreiwillig zusammen-geführt hatte. Einerseits wirkte sich dernatürliche Oppositionseffekt Großer Ko-alitionen aus, andererseits wurde der An-reiz, die Kleinen zu unterstützen, bei die-ser Wahl durch die Koalitionspräferen-zen und -optionen der Regierungspar -teien zusätzlich verstärkt. Während Uni-onswähler, die sicher gehen wollten, dassihre Stimme nicht erneut in eine GroßeKoalition münden würde, in die Armeder FDP getrieben wurden, fehlte es derSPD überhaupt an einer Machtperspek-tive. Von daher konnte sie ihre Kampa-gne am Ende nur noch auf das Ziel ab-stellen, eine schwarz-gelbe Koalition zuverhindern.

Die koalitionspolitische Öffnung derSPD gegenüber der Linken ist die Ant-wort auf die hegemoniale Position derUnion im neuen deutschen Fünfpartei-ensystem. Auch hier haben wir es miteiner bemerkenswerten Verschiebung zutun. Bei den drei vorangegangenen Bun-destagswahlen lag die SPD mit derCDU/CSU ganz oder nahezu gleichaufbzw. einmal (1998) sogar deutlich vordieser, was die Wahl- und Parteienfor-scher veranlasste, von einer strukturel-len Symmetrie bzw. fluiden Wettbe-werbssituation zwischen den Großpar-teien zu sprechen. Heute kann von einersolchen Symmetrie nur noch mit Blickauf die beiden Blöcke, nicht jedoch mitBlick auf Union und SPD die Rede sein.Weil die CDU/CSU es nur mit einem,die SPD dagegen mit zwei Konkurren-ten im eigenen Lager zu tun hat, mussletztere fürchten, im Verhältnis der bei-den großen Parteien auf längere Sicht ineine Minderheitspositon zu geraten. DerStatus als stärkste Partei verschafft derUnion einen doppelten machtstrategi-schen Vorteil. Einerseits erhält er ihr im

Bund wie in den meisten Ländern dieMöglichkeit, kleine Zweierkoalitionenzu bilden, wobei neben der FDP mitt-lerweile auch die Grünen als Partner inFrage kommen. Und wenn die Mehr-heiten dafür nicht reichen, tut sie sichandererseits leichter als die SPD, eineGroße Koalition einzugehen, in der siedas Amt des Regierungschefs für sichbeanspruchen kann. Die SPD scheint da-gegen heute nur noch in Dreierbündnis-sen mehrheitsfähig, die sie entweder mitLinken und Grünen oder – lagerüber-greifend – mit FDP und Grünen schlie -ßen müsste.2

Weil beide Optionen bei der Bun-destagswahl nicht zur Verfügung stan-den, hatten die Sozialdemokraten ge-genüber Union und FDP einen gravie-renden Wettbewerbsnachteil. Alleindamit lässt sich die Abwanderung vonSPD-Wählern zur bürgerlichen Kon-kurrenz natürlich nicht erklären. Sie istauch das Ergebnis einer geschicktenNeupositionierung der Merkel-CDU, dieaus ihren haarsträubenden Wahlkampf-fehlern 2005 die Konsequenz gezogenhatte, der SPD diesmal bloß keine An-griffsflächen zu bieten. Merkel nutztedie ihr aufgezwungene Große Koaliti-on, um die Union von konservativemund neoliberalem Ballast zu befreien.Indem sie eine Modernisierung der Fa-milienpolitik durchsetzte und allen ra-dikalreformerischen Ansätzen in der So-zial- und Arbeitsmarktpolitik einen Rie-gel vorschob, gelang es der Kanzlerin,sozialdemokratisches Terrain so erfolg-reich zu besetzen, dass die schwarz-gel-be Koalition als Schreckgespenst imWahlkampf nicht taugte. Der Kanzler-bonus der populären Amtsinhaberin tatein Übriges. Die Unionsstrategie beför-derte zwar die Abwanderung vielerWähler zu den ungeliebten Liberalen.Das Festhalten der FDP an einer „ent-sozialdemokratisierten“ Agenda, in de-ren Zentrum die gebetsmühlenhaft ver-kündete Forderung nach Steuersenkun-gen stand, sorgte aber am Ende für einebreite Wählerkoalition, die die Mehrheitfür Schwarz-Gelb sicherstellte.

Drei Szenarien der künftigenEntwicklung

Wie wird sich das Parteiensystem derBundesrepublik weiter entwickeln? Nachder Zäsur der Bundestagswahl 2005 wa-ren die Mehrzahl der journalistischenund wissenschaftlichen Beobachter da-von ausgegangen, dass die Ära des klas-sischen Volksparteien-Dualismus, diedas Standardmodell der kleinen Zwei-erkoalition begründet hatte, unwider-ruflich ans Ende gelangt sei. Zwei Zu-kunftsszenarien – ein negatives und einpositives – wurden ausgemalt. Entwe-der – so hieß es – komme es wie in Öster-reich zu einer Perpetuierung der GroßenKoalition. Oder eine multiple Koaliti-onslandschaft wie in den skandinavi-schen Ländern würde entstehen, in derlagerübergreifende Dreierbündnisse dasBild prägten.

Beide Szenarien haben sich nicht be-wahrheitet. Die koalitionspolitische Öff-nung der Grünen hat zwar zur Bildungdes ersten schwarz-grünen Bündnissesauf Landesebene geführt (in Hamburg).Der Option „Jamaika“ musste sich dieGrünen-Führung vor der Bundestags-wahl auf Druck ihrer Basis dann aberdoch verschließen – erst nach der Wahlwurde sie im Saarland erstmals reali-siert. Noch hermetischer bleibt die Ab-schottung der FDP gegen ein Ampel-bündnis mit SPD und Grünen, die vonden Liberalen auch in den Ländern bis-her konsequent durchgehalten wordenist.

Vor dem Hintergrund der nicht zu-stande gekommenen Dreierbündnisse istes erstaunlich, dass die Große Koalitionals alternatives Regierungsmodell zu-letzt ebenfalls an Attraktivität eingebüßthat. Wurden bis zu den Landtagswahlenim August und September 2009 fünfLän der von CDU und SPD gemeinsamregiert, waren es danach nur noch drei(bis zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen). Rechnet man Schwarz-Grünin Hamburg und Jamaika im Saarlandhinzu, gibt es auf der Länderebene da-mit fünf lagerübergreifende Bündnisse,denen zehn bürgerliche oder linke Ko-alitionen nach klassischem Muster ge-genüberstehen. (Das Land Rheinland-Pfalz bleibt mit seiner SPD-Alleinre-gierung ein Exot.)

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Es deutet also manches darauf hin,dass die Zeichen eher auf eine Rückkehrzum dualistischen Modell stehen. Ge-lingt es Rot-Grün und der Linken, ihrewechselseitige Abneigung zu überwin-den, dann könnten sich in der Bundes-republik demnächst wieder zwei an -nähernd gleich starke, koalitionspoli-tisch abgrenzbare Formationen be geg- nen, die um die Regierungsmacht strei-ten. Die Situation wäre damit ähnlichwie in den achtziger Jahren, nur dass sichdas linke Lager jetzt statt aus zwei ausdrei Teilen zusammensetzt.

Gegen ein solches Szenario sprichtdie Ungewissheit, wie sich das Verhält-nis von SPD, Grünen und Linken ent-wickeln wird. Einerseits ist das Interes-se an einer gemeinsamen Machtper-spektive noch kein Garant, dass sichbestehende personelle und programma-tische Differenzen überwinden lassen –das Scheitern der Sondierungsgesprächenach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat es gezeigt. Andererseitsführen die unterschiedlichen Koaliti-onsmöglichkeiten der beteiligten Part-ner dazu, dass ihre strategischen Inter-essen nicht deckungsgleich sind. Einervollständigen Vereinnahmung im linkenLager dürften sich insbesondere die Grü-nen widersetzen. Denn hält sich die Öko-Partei den Weg frei, gegebenenfalls auchmit den bürgerlichen Parteien zu pak-tieren, könnte sie demnächst eine ähnli-che Züngleinrolle im Parteiensystem ein-nehmen wie früher die FDP. Warum soll-te sie auf diesen Vorteil verzichten? Beiden Wahlen in Schleswig-Holstein (Sep-tember 2009), im Saarland (August2009) und in Nordrhein-Westfalen (Mai2010) hat das Offenhalten der Koaliti-onsfrage den Grünen an der Urne nichtgeschadet. Das Problem liegt – wennschon – eher bei der Parteibasis, die so-wohl im Verhältnis zur Wählerschaft alsauch im Verhältnis zur Parteispitze deut-licher nach links tendiert. Die klare Par-teitagsmehrheit für Jamaika im Saarlandzeigt aber, dass sich Delegierte wie Mit-glieder vom Schwenk in das bürgerlicheLager durchaus überzeugen lassen, wenner von der Führung gut vorbereitet undbegründet wird.

Eine vollständige Bipolarisierungwird und kann es wohl allein schon auf-grund der föderalen Verfassung der Bun-desrepublik nicht geben. Dass sich Lan-despolitiker der Koalitionsräson ihrerBundesparteien bisweilen entziehen,gehört hierzulande zu den normalenUsancen der Koalitionspolitik. Der ge-scheiterte Versuch der hessischen SPD,ein von der Linken geduldetes rot-grü-nes Bündnis zustandezubringen oder dieschwierige Regierungsbildung in Thürin-gen, wo der freiwillige Verzicht des Lin-ken-Spitzenkandidaten auf das Mini-sterpräsidentenamt genauso großen Un-mut in der eigenen Partei erzeugt hat wiedie Entscheidung des SPD-Landesvor-standes, statt mit der Linken lieber eineKoalition mit der CDU einzugehen, ste-hen hier nur pars pro toto. Wenn Partei-en, die auf Bundesebene gegeneinanderstehen, in den Ländern miteinander re-gieren, stößt das antagonistische Modellnotgedrungen an Grenzen. Das Ge-genüber zweier klar unterscheidbarerBlöcke mag zwar unter Demokratiege-sichtspunkten vorzugswürdig sein, in-dem es dem Wähler eine ebenso klareEntscheidung ermöglicht. Fraglich istaber, ob es die faktischen Entschei-dungsnotwendigkeiten und -alternativenim komplizierten Regierungsgeschehennoch hinreichend abbildet.

Stellt man diese Notwendigkeiten inRechnung, dann ist die Zeit der lager -übergreifenden Bündnisse in der deut-schen Politik nicht vorbei. Gewiss wä-re ein Modell multipler Koalitionen an-spruchsvoller als das bisherige Verharrenim Lagerdenken, würde es doch einegrundlegende Veränderung im Verhal-ten von Parteien und Wählern erfordern.Die ersteren müssten lernen, ihre kon-frontativen Neigungen zurückzustellenund pfleglicher miteinander umzugehen,die letzteren akzeptieren, dass am Endenicht sie, sondern Parteien bzw. Partei -führungen über die Regierungsbildungentscheiden. Der klare Wahlsieg vonSchwarz-Gelb kann die veränderten Be-dingungen des Fünfparteiensystems nichtrückgängig machen, dürfte den Über-gang zu einem stärker konsensuell aus-gerichteten System aber erschweren.

Frühestens die 2011 stattfindenden Land-tagswahlen werden Aufschluss geben,in welche Richtung sich der Parteien-wettbewerb in Zukunft entwickelt.

Anmerkungen

1 In Brandenburg amtierte von 1990 bis1994 eine Ampelkoalition aus SPD,FDP und Bündnis 90. Diese wurde ge-nauso wie die von 1991 bis 1995 be-stehende Ampel in Bremen noch vorAblauf der Wahlperiode beendet.

2 Das Ergebnis der Landtagswahl inNordrhein-Westfalen (Mai 2010) hatdiesen Befund bestätigt. Trotz exzep-tioneller Bedingungen durch dengleichzeitigen landes- und bundespoli-tischen Rückenwind gelang es der SPDhier weder, zusammen mit den Grü-nen eine eigene Mehrheit zu erzielennoch die Union als stärkste Partei zuüberflügeln.

Literatur

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Frank Decker, Veränderte Landschaft.Parteipolitik zwischen Lagerdenkenund neuen Koalitionen, in: MUT. Fo-rum für Kultur, Politik und GeschichteNr. 490 (Juni 2008), S. 10-19.

Eckhard Jesse/Eckart Klein (Hrsg.), DasParteienspektrum im vereinigtenDeutschland, Berlin 2007.

Uwe Jun/Melanie Haas/Oskar Niedermay-er (Hrsg.), Parteien und Parteiensyste-me in den Ländern, Wiesbaden 2008.

Karl-Rudolf Korte (Hrsg.), Die Bundes-tagswahl 2009. Analysen der Wahl-,Parteien-, Kommunikations- und Re-gierungsforschung, Wiesbaden 2010.

Matthias Machnig / Joachim Raschke(Hg.), Wohin steuert Deutschland?Bundestagswahl 2009: ein Blick hinterdie Kulissen, Hamburg 2009.

Joachim Raschke, Die Qual der Wahl. DasDebakel der SPD und strategische Op-tionen in der Lagerstruktur des deut-schen Parteiensystems, in: Forschungs-journal Neue Soziale Bewegungen 23(2010) H.1, S. 11-16.

Franz Walter, Baustelle Deutschland. Poli-tik ohne Lagerbindung, Frankfurt a.M.2008.

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Seit der ersten Hälfte der 1990er Jahrehäufen sich – keineswegs nur in Deutsch-land – die Anzeichen für einen Funkti-onsverlust der Parteien im Rahmen desdemokratischen Systems. Diese Ent-wicklung hat vielfältige Ausdrucksfor-men: 1. Die Beziehungen zwischen Bürger-

schaft und politischen Eliten sindnachhaltig gestört. Das Ansehen vonPolitik und Politikern ist auf einen hi-storischen Tiefstand gesunken, Legi-timation und Kompetenz des politi-schen Personals werden zunehmendin Zweifel gezogen. Eine weit ver-breitete Haltung traut Parteien undPolitikern im eigenen Interesse fastalles, bei der Problemlösung für dasGemeinwesen aber fast gar nichtsmehr zu. Zugleich erscheinen Politi-ker aller Parteien in den Grundfragender Zeit wie Getriebene. Die wirkli-che Macht scheint längst auf anony-

me Marktkräfte übergegangen (Fi-nanzmärkte). Dies trägt erheblich zumVertrauensverlust in der Bürgerschaftbei.

2. Wahlbeteiligungsraten sinken – mo-derat auf Bundesebene, dramatischim kommunalen Bereich. Waren inder alten Bundesrepublik über Jahr-zehnte Wahlbeteilungsraten bei Bun-destagswahlen von 80 bis 90 %, z.T.sogar darüber, an der Tagesordnung,liegen sie inzwischen nur noch knappüber 70 %. In den Kommunen, wofrüher Werte von durchschnittlich70 % und darüber erreicht wurden,gehen heute nicht einmal mehr dieHälfte der Stimmberechtigten zurWahl. Das gilt besonders für diegroßen Städte.

3. Den Volksparteien laufen die Mit-glieder davon. 1976 hatten die Sozi-aldemokraten in der alten Bundesre-publik über eine Million Mitglieder.Heute sind es – im größeren Deutsch-land – gerade noch knapp über500.000. Auch der Mitgliederbestandder Union liegt heute 30 % unter demvon 1990. Gleichzeitig leiden beideVolksparteien an einem Auszeh-rungsprozess bei den Jungen; ihreMitgliedschaft ist hoffnungslos übe-raltert. Wohl schneiden die kleinerenParteien etwas besser ab. Die Verlu-ste der Großparteien aber kompen-siert das keinesfalls.

Ob von einer insgesamt gesunkenen Be-reitschaft zum gesellschaftlichen und po-litischen Engagement auszugehen sei,ist umstritten. Sicher ist, dass eine Ver-lagerung von bürgerschaftlichem Enga-gement jenseits der gewachsenen Struk-turen von Parteien, Gewerkschaften, Ver-einen und Verbänden hin zu nicht-par tei gebundenem, anlassbezogenem,situativem Engagement in Bürgerinitia-tiven, Selbsthilfegruppen, Freiwillige-nagenturen usw. stattgefunden hat.

Die Volksparteien verlieren Bin-dungskraft und gesellschaftlicher Rück-koppelung. 1972 und 1976 haben in deralten Bundesrepublik über 90 % derWähler eine der beiden Großparteien ge-

wählt (bei Wahlbeteiligungsraten vonüber oder knapp 90 %). Am 27. Sep-tember 2009 mochten sich nur noch 57 %der Wähler für Union oder SPD ent-scheiden. 1976 haben acht von zehnWahlberechtigten SPD oder Union ge-wählt, 2009 waren es gerade noch vier.

Gleichzeitig hat sich die soziale Re-krutierungsbasis der Parteien deutlichverengt. Aus Integrations-, Mobilisie-rungs- und politischen Erziehungsorga-nisationen von Massen sind Kaderorga-nisationen geworden, oft ohne wirklicheKader, ohne die Honoratioren von ehe-dem und ohne nachhaltige Bindungs-und Sozialisationskraft. Ehemals welt-anschaulich geprägte Kampfgemein-schaften, die zugleich Nestwärme undZugehörigkeit vermittelten, haben sichzu Funktionärs- und Karriereerwerbs-gemeinschaften einer „politischen Klas-se“ entwickelt, die ihren Sinn immer häu-figer in sich selbst, in Posten und Wahl-erfolgen finden. Alle Parteien sind vonAkademikern geprägt; das untere Drit-tel der Gesellschaft ist praktisch nichtmehr vertreten. Parteitage sind heutzu-tage immer weniger Orte des lebendi-gen Ringens um künftige politische Ori-entierung und immer mehr unter me-dialen Wirkungsaspekten durchkom po- nierte Veranstaltungen. Zugleich leidendie Parteien an einem Mangel an glaub-würdigen Leitideen; ihre programma-tisch orientierende Kraft hat deutlich ab-genommen.

1 Die Ursachen von Verdrussund Partizipationsmüdigkeit

In der internationalen Diskussion lassensich unterschiedliche Erklärungsansät-ze für die krisenhaften Entwicklungender Parteiendemokratie unterscheiden:

• Wachsende Orientierungsschwächenvon Parteien und Fehler eines an-geblich schwächer und selbstsüchti-ger gewordenen politischen Perso-nals. Parteien vermittelten kaum nochpolitische Grundorientierungen, die

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Parteiendemokratie in der Krisevon Hubert Kleinert

Prof. Dr. Hubert Kleinert, 1983–1990MdB Die Grünen, 1987–1989 parlamenta-rischer Geschäftsführer, später hessischerLandesvorsitzender. Seit 2002 Professorfür Politikwissenschaften und Verfas-sungsrecht an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung des Landes Hessen in Wiesbaden.

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Fachbeitrag

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• Eine veränderte Struktur von Öffent-lichkeit, in dem sich das Verhältnisvon Politik und Medien zum Nachteilder Politik verändert habe. Besondersdie elektronischen Medien bestimm-ten inzwischen das Politikbild einerGesellschaft, in der die klassischen in-termediären Institutionen wie Verei-ne, Verbände und Gewerkschaften ih-re alte Rolle als Filter der politischenMeinungsbildung zunehmend ein-büßten. Das dramaturgische Prinzipder elektronischen Medien mit seinemHang zu Dramatisierung, Personali-sierung und Emotionalisierung be-günstige dabei ein Übermaß an nega-tiver Politikberichterstattung, das sichim wachsenden Ressentiment der Bür-gerschaft bloß widerspiegele. Boule-vardisierung von Öffentlichkeit undhektischer Aufmerksamkeitswettbe-werb im Quoten-Journalismus beför-dere dies weiter.

Jede dieser Interpretationen hat Gewicht,keine aber kann ein Deutungsmonopolbeanspruchen. Es handelt sich vielmehrum einen komplexen Wirkungszusam-menhang, in dem sich unterschiedlichegesellschaftliche Veränderungen wider-spiegeln und der ganz verschiedene Ak-teure beeinflusst.

Erstens hat sich der Gestaltungs-spielraum nationalstaatlicher Politik vorallem in den wirtschafts- und finanzpo-litischen Fragen, die erst den Rahmenschaffen für sozialpolitisches wie infra-strukturelles staatliches Handeln, auf-grund der viel beschriebenen interna-tionalen Verflechtungen und offenerMärkte gegenüber den siebziger undachtziger Jahren des vergangenen Jahr-hunderts deutlich vermindert. Hier spie-len vor allem die Wirkungen der dere-gulierten Finanzmärkte eine zentraleRolle. Da aber weiterhin die nationalePolitik Adressat für Wünsche und An-sprüche der Bürger bleibt, eine eu-ropäische oder gar weltweite Öffent-lichkeit mit entsprechenden Willensbil-dungen nicht existiert und anonymeMärkte keinen Adressaten kennen, andem sich die Bürger reiben könnten, istder Eindruck einer schwächeren und fastalternativlosen Politik entstanden, dieoft nur Anpassungszwänge exekutiert.Angesichts des wirtschaftsliberalen Cre-do der Politik in den letzten anderthalb

Politiker agierten in einem „selbs-treferenziellen“ System, das die rea-len Probleme der Gesellschaft nichtmehr zureichend widerspiegele. Auf-wendige, aber eher künstliche Wahl-kampfinszenierungen mit hohem Per-sonalisierungsfaktor ersetzten echtepolitische Richtungsentscheidungen.

• Der Verlust des nationalstaatlichenGestaltungsraums im Zuge von Glo-balisierung und Europäisierung schaf-fe bei notorisch knappen öffentlichenKassen den Eindruck einer Alterna-tivlosigkeit der zentralen politischenEntscheidungen. Wenn aber die Po-litik nur noch die durch Zwänge derÖkonomie und der von supranatio-nalen Institutionen vorgegebenenRahmenbedingungen auszufüllen ha-be, werde immer weniger erkennbar,wofür man sich eigentlich noch en-gagieren solle. Demnach wären Po-litikmüdigkeit und Identifikations-verlust Ergebnis einer säkularen Kräf-teverschiebung zwischen Politik undÖkonomie und habe die Politik mitihren Privatisierungsstrategien undder Popularisierung wirtschaftslibe-raler Weltbilder die verächtlichen Hal-tungen in der Bürgerschaft selbst mitprovoziert.

• Der Strukturwandel der Gesellschaftim Zuge von Enttraditionalisierung,Digitalisierung und Individualisie-rung. Die Auflösung der alten Mi-lieubindungen in der modernen „Mul-tioptionsgesellschaft“ verändere dieRahmenbedingungen für den politi-schen Erfolg der alten Volksparteienauf dramatische Weise, weil die re-lative Stabilität solcher Milieus ihrezentrale Erfolgsbedingung gewesensei.1 Gleichzeitig bedrohe die mo-derne „Event“- bzw. „Spaßgesell-schaft“ mit ihren veränderten Frei-zeitgewohnheiten und den gestiege-nen Ansprüchen an Unterhaltung,Erlebnis und Konsum auch die Be-reitschaft zum gesellschaftlichen undpolitischen Engagement, wären Ver-trauensverlust und Rückgang des po-litischen Engagements nur die Kehr-seite des Zugewinns an individuellerAutonomie in der modernen Welt mitihrer Pluralisierung von Lebensent-würfen, Lebensstilen und Sinndeu-tungsangeboten und der Erosion vonlängerfristigen Bindungen aller Art.

Jahrzehnten lässt sich von einer„Selbstabdankung der Politik“ sprechen.

Zweitens hat sich das Bild von Poli-tik in der Gesellschaft in den letztenzwanzig Jahren folgenreich verändert.Durch den sozialen Wandel sind die po-litischen Einstellungen weniger von Tra-dition und Milieubindungen bestimmt,stärker dagegen von der medialen Poli-tikpräsentation. So ist eine unsteteWählerschaft mit wechselnden Mei-nungskonjunkturen entstanden, die vorallem den Volksparteien wachsende Pro-bleme bereitet. Durch den Rückgang desParteijournalismus und die gewachse-ne Konkurrenz um Geld, Aufmerksam-keit und Quote werden heute auch diedunklen und weniger erfreulichen Sei-ten des Politikbetriebs viel gründlicherdurchleuchtet als früher. Gleichzeitigwird Politik stärker mit den Mitteln desBoulevardjournalismus präsentiert („Po-litainment“). Die Wirkungen dieser Ver-änderungen sind unterschiedlich: Waseinerseits Demokratiegewinn sein mag,weil niemand mehr auf einem Sockelsteht, hat andererseits eine Politikprä-sentation hervorgebracht, in der häufighysterische Aufregungskonjunkturenund politvoyeuristische Neugier an dieStelle von Maßstäben zur Beurteilungkomplexer politischer Sachverhalte tre-ten. Politiker sind zu Stars in einem Me-diengewerbe geworden, das statt umWahrheit mehr um Aufmerksamkeitringt und in dem die Grenzen zwischenNachrichten, Werbung und Unterhal-tung fließend geworden sind. Das be-einflusst die Sozialisation des moder-nen Politikertypus, der sich an die Ge-setze des modernen Medienbetriebsanzupassen sucht, sein öffentliches Ima-ge zum Maßstab des Handelns machtund eher als Politkommunikator mit nurnoch flüchtigen Bindungen an Ideen,Überzeugungen und Werte agiert.

Drittens leiden Politik und Parteienan einem Mangel an glaubwürdigenLeitideen, die sie identifizierbar und un-verwechselbar machen könnten. Esscheint, als sei mit dem definitivenScheitern der sozialistischen Utopie dieorientierende Kraft der politischenGroßideen der europäischen Geistesge-schichte – Liberalismus, Konservatis-mus, Sozialismus – an ein Ende ge-kommen. Jedenfalls haben es beideVolksparteien nicht geschafft, eine über-

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zeugende Antwort auf die nach 1989/90grundlegend veränderten Rahmenbe-dingungen zu finden. Von Adenauer bisKohl konnten die Wähler in der Unioneine unterschiedlich austarierte Mischungaus marktwirtschaftlichen und christ-lich-sozialen Vorstellungen identifizie-ren, angereichert mit einem prononcier-ten Antikommunismus und der Abgren-zung von staatswirtschaftlichen Anwand -lungen. Umgekehrt standen Sozialde-mokraten bei aller marktwirtschaftlichenÖffnung nach Godesberg für die Prio-rität einer demokratisch-sozialen oderdemokratisch-sozialistischen Politik derChancenmehrung für die Arbeitnehmerund die „kleinen Leute“. Letztinstanz-lich galt, dass die einen mehr auf denMarkt, die anderen mehr auf den Staatund auf politische Regulierung setzten.

Mit dem Ende des östlichen Staats-sozialismus war die Kraft des Antikom-munismus als Integrationsideologieebenso erschöpft wie die Frage nach derkünftigen Austarierung von Staat undMarkt in freiheitlichen Gesellschaftenneu gestellt war. Zugleich war die kon-servativere Volkspartei mit Modernisie-rungsanforderungen konfrontiert, diesich aus dem postmaterialistisch verän-derten Wertehaushalt moderner Gesell-schaften ergeben (veränderte Ge-schlechterrollen, Pluralisierung von Le-bensentwürfen usw.). Beide Seiten habensich mit diesen Anforderungen schwergetan. Besonders dramatisch haben dieProbleme neuer Sinnstiftung dabei dieSozialdemokraten getroffen. Ihr Versuch,mit einem neuen, liberaleren Verständ-nis des Verhältnisses von Staat, Marktund Gesellschaft Antworten zu geben(„New Labour“, Schröder/Blair-Papieretc.) hat am Ende nur breite Verunsi-cherung in den eigenen Reihen hinter-lassen.

Insgesamt ist das Parteiensystem seit1990 deutlich zusammengerückt und einprogrammatischer „Pragmatismus derneuen Mitte“ entstanden, der vor demHintergrund historischer Erfahrung unddem Misstrauen gegenüber großen Ent-würfen zwar folgerichtig erscheint,gleichzeitig aber zu einer Abnahme derIdentifizierbarkeit beider großer Volks-parteien beigetragen hat. Die CDU istnicht mehr konservativ und die SPD fürviele nicht mehr sozialdemokratisch. Derdamit verbundene Bindungsverlust hat

den Hang zum politischen Inszenie-rungstheater von Personen noch ver-stärkt, was vielen öffentlichen Auftrit-ten der letzten zehn, fünfzehn Jahre denEindruck künstlicher Aufgeregtheit ver-liehen hat.

Gleichzeitig geht die Schwächung dergesellschaftlichen Bedeutung der Par-teien mit einer wachsenden Selbstab-schottung einher, die veränderte Sozia-lisationsbedingungen für das Spitzen-personal schafft. Karrieremotive spielenfür politisches Engagement heute eineungleich wichtigere Rolle; gleichzeitigist das Innenleben von Parteien immerweniger Kampfplatz verschiedener Mei-nungen und Ideen, auf dem Überzeu-gungstreue beim Aufstieg eine Rollespielt. Der Parteienwettbewerb wird alsKampf zur Platzierung von Produktenauf einem Wählermarkt erlebt, geführtnach Regeln, die denen der Marktwirt-schaft immer ähnlicher geworden sind.Wer in einer solchen Welt politisch so-zialisiert wird, mag mediale Inszenie-rungsqualitäten entwickeln: Mit öffent-licher Glaubwürdigkeit wird er sich eherschwer tun.

2 Konsequenzen

Gerät mit dem Legitimationsverlust derParteien auch die Demokratie selbst ineine Krise? Können andere Formen derOrganisierung, Partizipation und Wil-lensbildung Aufgaben übernehmen, diedie Parteien nur noch unzureichend er-füllen? Stehen wir vor einer Ära des Po-pulismus und der starken politischenFührer ? Oder handelt es sich in Wahr-heit nur um eine Krise der Volkspartei-en? Brauchen wir nur überzeugenderePersonen und Projekte ?

Seit einigen Jahren ist viel von einemwachsenden Trend zur Personalisierungdie Rede. Tatsächlich deuten die medialePolitikpräsentation, vor allem die seitder rot-grünen Ära deutlich stärker bou-levardisierte Wahrnehmung von Politik,die Selbstinszenierung der Parteien unddie Anlage ihrer Wahlkämpfe in dieseRichtung.

Aber trotz aller modernen Dauerver-messung der Popularitätswerte von Spit-zenpolitikern lassen sich bei uns nur we-nige Indikatoren als Belege für die ge-wachsene Rolle der Personen bei

Wahl entscheidungen finden. AngelaMerkel hatte zeitweise die höchsten Po-pularitätswerte vorzuweisen, die ein Bun-deskanzler in der Geschichte der Bun-desrepublik überhaupt erreicht hat. Trotz-dem hat sie im Herbst 2009 dasschwächste Unionsergebnis seit 1949eingefahren. Auch Politiker wie Gen-scher oder Fischer konnten mit hohenpersönlichen Sympathiewerte ihren Par-teien nur wenig helfen, wenn diese öf-fentlich in Ungnade gefallen waren. Undbei aller Faszination, die der Erfolg unddas Charisma von Obama ausgelöst ha-ben, sollten die anders gelagerten poli-tischen Traditionen in Deutschland eben-so wenig vergessen werden wie die Sehn-sucht nach charismatischen Figuren nichtdarüber hinwegtäuschen darf, dass starkpersonenzentrierte Kampagnen traditio-nell eher Kennzeichen von Gesellschaf-ten mit schwachen öffentlichen Kom-munikationsstrukturen gewesen sind.

Es ist auch nicht in Sicht, welche an-deren Institutionen, Organisationsformenund Verfahren die Leistungen der Partei-en in einer funktionierenden Demokratieersetzen könnten. Es mag richtig sein,auch auf Bundesebene die Möglichkeitzu Plebisziten zu schaffen, weil dasSchicksal von Weimar nach sechzig Jah-ren demokratischer Stabilität nicht aufewig der negative Referenzpunkt unse-rer Verfassung bleiben kann. Wunder-dinge an Beteiligungsfreude und Enga-gement aber sind davon nicht zu erwar-ten. Man kann die Wähler stärker an derPersonalauswahl der Parteien beteiligen.Was bei Kommunalwahlen in vielen Län-dern praktiziert wird – Kumulieren undPanaschieren – ließe sich auch auf über-geordneten Ebenen denken. Ein ent-scheidender Gewinn für die Demokratieist davon aber kaum zu erwarten. Inter-essanter ist da schon die Idee öffentlicherVorwahlen bei der Auswahl der Spitzen-kandidaten. Ansonsten wird es darum ge-hen, den Parteien zu helfen, ihren Auf-gaben in Zukunft wieder besser zu erfül-len. Dazu sind Veränderungen aufunterschiedlichen Ebenen notwendig.

Parteien und Politiker

Die Übersichtlichkeit der politischenAuseinandersetzung früherer Jahrzehn-te mit der einfachen Links-rechts-An-

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ordnung der politischen Kräfte lässt sichnicht einfach wiederherstellen. Gleich-wohl muss den Parteien wieder mehrprogrammatische Klarheit und Wahr-haftigkeit abverlangt werden. Der Wan-del ehemaliger Gesinnungsgemein-schaften zu Machterwerbsmaschinenschafft Identifizierungsprobleme. Unddie Neigung der Parteien, Parteitage zu-erst als Orte wirkungsvoller Selbstins-zenierung des Spitzenpersonals zu be-trachten, ist ein Beitrag zur Verflachungder politischen Öffentlichkeit und nimmtdem politischen Nachwuchs Chancender politischen Sozialisation.

Medienprominenz ist kein Ersatz istfür Glaubwürdigkeit und Überzeu-gungskraft. Wenn Effekte mehr als Er-gebnisse zählen, entsteht ein Hang zurFlüchtigkeit, der auf Kosten von Glaub-würdigkeit und Seriosität geht. Ent-sprechend kritisch muss inzwischen auchdie Rolle von Politik-, Image- und Me-dienberatern gesehen werden. Eine Par-tei ist keine Marke, Stimmenmaximie-rung kein Selbstzweck und Program-mangebote sind keine Handelsware. DieAngleichung politischer Öffentlich-keitsarbeit an die Werbestrategien derPrivatwirtschaft wirkt auf die Politik ne-gativ zurück. Weniger Umfragen undweniger Wahltermine wären ein Gewinnfür die Demokratie.

Wahltermine lassen sich entzerren,die Parteienfinanzierung könnte stren-geren Regeln unterworfen und wiederan die tatsächliche Zahl der abgegebe-nen Stimmen gebunden werden. Und zuden Konsequenzen der Finanz- und Wirt-schaftskrise gehört auch die Chance ei-ner Neubesinnung über die Rolle poli-tischer Gestaltung und die entsprechen-den programmatischen Konsequenzen.

Gesellschaft

Die ausufernde Überdehnung des öko-nomischen Denkens in den letzten an-

derthalb Jahrzehnten hat nicht nur dieParteien, sondern die Demokratie ins-gesamt geschwächt, weil die Erinnerungdaran, dass der Markt ein in vielen Fäl-len effektives Steuerungsprinzip, aberkein Selbstzweck ist, darüber fast ver-loren gegangen ist. Wenn die Herrschaftdes Markts aber nicht mehr hinterfrag-bar ist, schafft dies ein Problem nichtnur für Politiker und Parteien, weil die-se dann fast nur noch Marktgesetze exe-kutieren und Folgeprobleme abarbeiten.Es schafft auch ein Problem für die Über-zeugungskraft der Demokratie als Grun-didee selbst, weil diese von der Vorstel-lung lebt, dass die geltenden Regeln ei-ner Gesellschaft auf überprüfbaren undveränderbaren Verabredungen beruhen.

Damit eng verknüpft sind die Folgender wachsenden Entkoppelung von Lei-stung und wirtschaftlichem Erfolg immodernen „Kasinokapitalismus“ für denWertehaushalt der Gesellschaft. WennBildung und Fleiß, Arbeit und Mühezwar ständig propagiert werden, aberfast jeder tagtäglich mitbekommt, dassInszenierung und Schein, Glück, ja Drei-stigkeit und Skrupellosigkeit in Wahr-heit mehr zählen, ist das meritokratischeGrundprinzip, dass einen wichtigen Teilder Attraktion von Demokratie undMarktwirtschaft ausmacht, infrage ge-stellt. Wenn Leistung sich nicht lohnt,weil Zockerei viel mehr einbringt undkeine Politik daran etwas ändern kannoder will, muss die Überzeugungskraftder Demokratie selbst Schaden nehmen.

3 Die Zukunft der Parteiendemokratie

Dass die Ära der Massen- und Volks-parteien zu Ende gehe, wird in der Wis-senschaft weithin als sicher angenom-men. Bis heute freilich ist umstritten,wie das neue Stadium der Parteienent-wicklung zu kennzeichnen sei. Dabeikonkurrieren Begriffe wie „professio-

nelle Rahmenpartei“, „Kartellparteien“,„Medienparteien“ oder „Minimalpartei-en“. Einig ist man sich nur in der Beob-achtung, dass dieses neue Stadium durcheine neue Dominanz von Berufspoliti-kern gekennzeichnet sei, Parteien stär-ker selbstreferentiell agierten, die in-nerparteiliche Demokratie geschwun-den, ehrenamtliche Aktivisten zu neh- mend funktionslos geworden seien undPolitiker zunehmend wie Unternehmermit staatlicher Risikoabsicherung agier-ten.

Wie immer die neuere Entwicklungbeschrieben werden mag: Das gemäßigtbipolare System mit zwei Großparteienauf Augenhöhe, die zusammen denLöwenanteil der Wählerstimmen errei-chen, wird schon deshalb kaum wieder-kommen, weil die strukturellen Voraus-setzungen dafür fehlen. Wahlergebnis-se von über 40 % werden künftig kaumnoch erreichbar sein. Viel wahrschein-licher ist eine weitere Ausfransung desParteiensystems mit Wahlerfolgen neu-er Kleinparteien.

Für die Zukunft der Demokratie ins-gesamt aber wird mehr davon abhängen,ob Politik wieder stärker, handlungs-fähiger und auch darüber identifizierba-rer werden kann. Die Finanzkrisen undder Umgang damit böte den Parteien da-bei neue Möglichkeiten.

Anmerkung

1 Vgl. grundlegend U. Beck, Die Erfin-dung des Politischen, Frankfurt/M.1993 sowie die verschiedenen Arbei-ten von Franz Walter, zuletzt F. Walter,Im Herbst der Volksparteien, Bielefeld2009. Vgl. auch O. Niedermayer, Nachder Vereinigung: Der Trend zum flui-den Fünfparteiensystem, in: O.W. Ga-briel/ O. Niedermayer/ R. Stöss (Hrsg.),Parteiendemokratie in Deutschland,Wiesbaden² 2002 und H. Kleinert, Ab-stieg der Parteiendemokratie, in: AusPolitik und Zeitgeschichte, Heft 35-36,August 2007, S. 3-11

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Die politische Wucht der Landtagswahlvon Nordrhein-Westfalen hält an. DieWahlen vom 9. Mai 2009 haben die po-litischen Koordinaten markant verän-dert: Ein Paukenschlag! BundeskanzlerSchröder zog 2005 seine Konsequenzenaus dem Ergebnis und steuerte auf dieAuflösung des Bundestages zu. So weitist es diesmal noch nicht. Doch das in-nerparteiliche und koalitionspolitischeMachtgefüge ist in Düsseldorf und Ber-lin durcheinandergewirbelt worden.

Folgt man den Rhythmen des Regie-rens in Deutschland, dann stand Rütt-gers vor einem Dilemma. Wähler liebennicht nur dosierte Machtwechsel, nachdenen in der Regel ein Koalitionspart-ner auch kontinuitätsverbürgend mit indie neue Regierung wechselt. Nach denZyklen des Regierens geben Wähler mei-stens auch einer Regierung eine zweiteChance. Das sprach zunächst für Rütt-gers II zumal seine Leistungsbilanz übervier Jahre Zustimmungswerte im Landproduzierte. Das Dilemma entstanddurch die zeitliche Nähe und den Aus-

gang der Bundestagswahl. Die auf derBundesebene regierenden Parteien wer-den bei Landtagswahlen oft abgestraft.Wenngleich sich dieser Pendel-Effekt inden letzten zehn Jahren abschwächte,blieb er wirkungsmächtig.

Zwar gab die Mehrzahl der Befrag-ten auch diesmal an, dass landes- undnicht bundespolitische Gesichtspunkteden Ausschlag für die Wahlentscheidungmarkieren. Doch diese Fragestellung ent-hält ein hohes Maß an sozial erwünsch-tem Verhalten. Die Validität kann ange-zweifelt werden. Faktisch konnten dieWähler in NRW – was ganz selten derFall ist – konkret die Bundesratsmehr-heit der Schwarz-gelben Bundesregie-rung abwählen. Steuersenkungen, Kopf-pauschale, Verlängerung der Laufzeitenvon Atomkraftwerken – um nur einigePolitikfelder aus der Berliner Koaliti-onsvereinbarung zu benennen – standensomit auch zur Wahl in Düsseldorf an.Das Bild der Berliner Koalition hätte fürRüttgers und Pinkwart nicht schlechtersein können. Stärkerer politischer Ge-genwind ist kaum vorstellbar. Insofernzeigt sich NRW spezifisch, wie bunde-spolitische Themen praktisch alle Wahl-en in Düsseldorf mit überlagert haben.Ohne den Parteispendenskandal vonBundeskanzler Kohl wäre Rüttgers ver-mutlich bereits vor zehn Jahren Minis -terpräsident geworden. Ohne den Rü -cken wind der schwächelnden rot-grü-nen Schröder-Regierung wäre derWahl erfolg der CDU-FDP in Düsseldorf2005 auch nicht zustande gekommen.

Wie kann das Wahlergebnisaußerhalb dieser bundespoliti-schen Variablen interpretiertwerden?

Mit 34,5 Prozent fällt die CDU auf ihrschlechtestes Ergebnis (Minus 10 % imVergleich zu 2005) seit 1947. Mit 34,5Prozent erhält die SPD das niedrigste

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Die NRW-Wahl als politischerEinschnitt

von Karl-Rudolf Korte

Univ.-Prof. Dr. Karl-Rudolf KorteDirektor NRW School of GovernanceUniversität Duisburg-Essen

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Kommentar

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Ergebnis seit 1954. Im Vergleich zumschlechten Wahlergebnis von 2005 ver-liert die SPD nochmals 400.000 Wähler.Bei 7,8 Millionen Wählern trennen amEnde rund 6200 Stimmen die CDU vonder SPD. Die Grünen präsentieren mit12,1 % ein Rekordergebnis; die FDP lan-det bei 6,7 und die Linke schafft den Ein-zug in den 13. Landtag in Serie mit5,6 %. Durch das Patt in der Sitzvertei-lung zwischen CDU und SPD kommt eszu keiner Mehrheit innerhalb der avi-sierten Lager rot-grün oder schwarz-gelb.

Die Volksparteien existieren nur nochals Volkspartei-Ruinen. Die Grünenwachsen zunehmend zur mittelgroßenPartei heran. Mehrheitsbildungen sindin einem changierenden Fünf-Parteien-Parlament durchaus noch mit Zweier-Koalitionen vorstellbar, aber keineswegsmehr kalkulierbar. Der Koalitionsmarktführt zum Koalitionspoker nach denWahlen. Der Einfluss des Wählers aufdie Regierungsbildung wird dadurch im-mer geringer.

Der Eigenanteil der schwarz-gelbenRegierung in Düsseldorf am Wahlver-lust ist messbar. Zu keinem Zeitpunktgelang es den Koalitionspartnern ihre

Leistungsbilanz im Wahlkampf zu kom-munizieren. Ihre sichtbaren Erfolge, dieüber gut vier Jahre auch zu positivenUmfragewerten führten, spielten imWahlszenario keine Rolle. Die SPD hol-te in allen wichtigen Kompetenzfeldern(Wirtschaft, Finanzen) deutlich auf undüberholte die Union im Bereich Schu-le/Bildung. Die FDP litt unter einem„Westerwelle-Malus“. Zu keinem Zeit-punkt hatte die FDP in NRW eine Chan-ce, dem kommunikativen Negativtrendseit der Bundestagswahl etwas entge-genzusetzen.

Rüttgers verfügte über keinen be-lastbaren Amtsbonus. Die Herausforde-rin, Hannelore Kraft, schien bürgernäherund glaubwürdiger. Nur im Bereich„Sachverstand“ und „Tatkraft“ über-trumpfte Rüttgers seine Herausforderin.Die im Monatsrhythmus zielgenau ver-öffentlichte Skandalisierung der Spon-soring Affäre und anderer Unregel-mäßigkeiten in der Parteienfinanzierung,brachten die Union deutlich in die De-fensive. Am Ende konnten die Wählernicht mehr erkennen, wofür die Regie-rung stand: Der Wahlkampf der Unionrichtete sich gegen rot-rot und gegen die

„Einheitsschule“. Ganz offensichtlichhatte die Union die Warnzeichen aus denWahlergebnissen 2009 (Europa-, Bun-destags- und Kommunalwahl) unter-schätzt.

Was kennzeichnet inhaltlich das Sig-nal von Düsseldorf? Gewissheits-schwund ist seit dem 9. Mai politischangesagt. Im rasanten Tempo hat die Ber-liner Koalition ihre Vorhaben verändert.Steuersenkungen sind unbefristet auf-geschoben. Finanzmarktregulierungensind wohl auch im nationalen Alleingangmöglich. Notwendige Sparhaushaltezwingen die Parteien erstmals dazu, umüber Prioritätensetzungen zu streiten undMaßstäbe zu entwickeln. Regieren durchVerhandeln wird noch offensiver als zu-vor von der Bundeskanzlerin genutzt.Sie muss jetzt die Länder über den Bun-desrat stärker involvieren. Sollte es inDüsseldorf zur Großen Koalition kom-men, ist informelles großkoalitionäresRegieren auch in Berlin wieder ange-sagt. In Zeiten von anhaltendem ökono-mischen Krisenmanagement favorisie-ren die Wähler solche Konstellationen.

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POLIS: Die erste Frage gilt natürlichdem Ausgang der Landtagswahl inNordrhein-Westfalen. Lassen die strah-lenden Gesichter der SPD-Genossenam Wahlabend den Schluss zu: DieSPD ist wieder zurück?

EPPLER: Ja, und zwar offenkundig nochein bisschen rascher als viele geglaubthaben. Man kann über eine Partei kaumreden, ohne gleichzeitig über die ande-ren zu reden. Ich habe am Tag nach demWahldesaster vom 27. September 2009mit der Stuttgarter Zeitung ein Interviewgemacht und damals schon die Erwar-tung ausgesprochen, dass die schwarz-gelbe Regierung innerhalb eines Jahresihre Unfähigkeit offenkundig machenwürde, mit den Aufgaben nach der Kri-se fertig zu werden. Die schwarz-gelbeKoalition ist wie manch andere Koaliti-on um viele Jahre zu spät gekommen.Die eine der beiden Parteien, nämlichdie FDP, war noch ganz im marktradi-

kalen Fahrwasser. Die andere Partei hat-te teilweise begriffen, dass man damitnicht weiter kommt. Und so war es un-vermeidlich, dass man erstens gestrittenhat und zweitens keine für die Menschenerkennbare zustimmungsfähige Linie ge-funden hat. Ich bin seit längerem derMeinung, dass der Hauptunterschiedzwischen Union und SPD darin besteht,dass die SPD inzwischen mit den markt-radikalen Einflüssen, die es auch in derSPD gab, fertig geworden ist und diesalles hinter sich hat, während die Uniones noch vor sich hat.

POLIS: Dann war die Wahl also eineDenkzettelwahl? Die Bürgerinnen undBürger in Nordrhein-Westfalen wähl-ten mit dem einem Denkzettel nachBerlin bzw. nach Düsseldorf. Gelingtes denn der SPD nicht, auch Wähle-rinnen und Wähler an ihr eigenes Pro-gramm zu binden?

EPPLER: Ich glaube, das sind zwei Din-ge, die man nicht auseinander haltenkann. Ich bin nicht der Meinung, dassder Ausdruck „Denkzettelwahl“ ange-messen ist. Die Menschen haben einfachbegriffen, dass es so nicht weitergehenkann. Sie haben verstanden, dass hier ei-ne Regierung das Land führen soll, dieweder in die Zeit passt, noch deren Ko-alitionspartner zueinander passen. Wäh -rend sie zu der Überzeugung gelangtsind, dass erstens die Grünen ganz ent-schieden in die Zeit passen. Die Men-schen haben auch verstanden, dass dieSPD hinter sich hat, was die CDU vorsich hat. Was nicht bedeutet, dass derVerlust an Glaubwürdigkeit, den die SPDerlitten hat, innerhalb von Monaten auf-zuholen wäre, aber es bedeutet schon,dass man der SPD heute schon mehr wie-der zutraut als noch vor acht Monaten.

POLIS: Knapp 41 Prozent der Wähle-rinnen und Wähler sind doch garmehr nicht zur Wahl gegangen. Dar-unter auch viele ehemalige SPD-Wähler. Die Partei der Nichtwählerist der eigentliche Wahlsieger.

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Ist die SPD wieder zurück? Am Tag nach den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalensprach mit Erhard Eppler für POLIS Martina Tschirner.

Dr. Erhard Eppler war über viele JahreBundesminister und gehörte den Spit-zengremien der SPD auf Landes- undBundesebene an. Unter anderem leiteteer die Grundwerte- und Programmkom-mission der sozialdemokratischen Partei;1991 zog er sich aus der aktiven Parteiar-beit zurück. Foto: dpa

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Interview

EPPLER: Ich weiß, dass die SPD zwei-fellos an Glaubwürdigkeit verloren hat.Das betrifft aber auch die Union; vonder FDP ganz abgesehen. Das heißt, esgibt auf allen Seiten, vielleicht am we-nigsten bei den Grünen, enttäuschteWählerinnen und Wähler, die es dannnicht über sich bringen, eine andere Par-tei zu wählen, sondern einfach zu Hau-se bleiben. Das gilt ganz besonders fürdie beiden Volksparteien.

POLIS: Vielleicht könnten wir über die-ses Desaster der Volksparteien nochwei ter nachdenken. Sie sagten, die So-zialdemokratie habe an Glaubwür-digkeit verloren. Auch in Ihren Publi -kationen haben Sie darauf hingewie-sen, dass die Sozialdemokratie mitt - lerweile ihre marktradikale Phaseüberwunden habe. Gehen Sie davonaus, dass es ihr deshalb gelingen wird,das Vertrauen der Bürgerinnen undBürger wieder zurück zu gewinnen?

EPPLER: Wenn eine Ideologie so domi-nant und so hegemonial wird – und zwarglobal, auf sämtlichen Kontinenten derErde –, wie das bei der marktradikalenIdeologie der Fall gewesen ist, dann bleibtkeine Partei davon unberührt. Und schongar keine Partei, die gerade regiert. Es istunendlich schwierig, gegen eine solcheIdeologie, die von 80 Prozent der politi-schen und 99 Prozent der Wirtschaftsre-daktionen medial verbreitet wird, anzu-regieren. In der SPD sind für mich Wolf-gang Clement und Bodo Hombach,weniger Gerhard Schröder, die Expo-nenten dieser marktradikalen Welle, dieauch in die SPD eingeflossen ist. Schonvor der letzten Wahl 2009 hatte ich dasGefühl, dass viele Menschen nach einerin sich schlüssigen, realisierbaren Alter-native zu diesem Marktradikalismus ge-sucht, dies aber nirgends gefunden ha-ben; zumal sie der SPD grundsätzlich mis-strauten. Es scheint jetzt auch so zu sein,dass gerade die aktuelle Politik derschwarz-gelben Koalition für viele denUnterschied zur sozialdemokratischenerst wieder deutlich gemacht hat. Des-halb bin ich auch gespannt, wie es nunweitergehen wird, sowohl innerhalb derKoalition als auch in der Opposition.

POLIS: Kommen wir noch mal auf dieMarktradikalität, auf die Ideologie

des Neoliberalismus zurück, die sieauch in ihren Publikationen immerwieder geißeln. Es gab doch neben denbeiden von Ihnen genannten Prota-gonisten eine breite Mehrheit inner-halb der SPD, die der Agenda 2010zum Durchbruch verholfen hat.

EPPLER: Gerhard Schröder war in einerZwangslage: Jeden Tag konnte er in derZeitung lesen, dass Deutschland wirt -schaft lich das Schlusslicht in Europa seiund dass dies nur deshalb komme, weildie Regierung Schröder/Fischer nicht imStande sei, die Reformen durchzusetzen,die nun nötig seien. Ich möchte Schrö-der zugestehen, dass er den Sozialstaatnicht demontieren, sondern zukunfts-fähig machen wollte. Dass dabei Ge-danken eingeflossen sind, die nicht ausder sozialdemokratischen Tradition stam-men, will ich gerne zugeben.

POLIS: Gehört auch der Bruch mit denGewerkschaften in bestimmten Sach-fragen dazu? Sich von der gesell-schaftlichen Gestaltungsmacht der Ge-werkschaften zu verabschieden, warebenfalls ein großes Risiko.

EPPLER: Ja, aber das wollte Schröder ei-gentlich nicht, sondern das ergab sichaus dem, was er mit der Agenda 2010durchsetzen wollte. Man vergisst, dassder Absturz der SPD in der Wählergunstschon vor der Agenda 2010 begann, dassSchröder vor der Frage stand, weiter ab-zugleiten oder noch einmal einen großenWurf zu wagen, wobei er sich von Vorn-herein klar war, dass das eine riskanteOperation war. Und dann kam auch nochdas Zwangsargument der Globalisierunghinzu. Das heißt: Die Globalisierungzwingt uns, dieses und jenes zu tun, vondaher die Sachzwangideologie. Einerechte, eine konservative Partei, dieSachzwänge exekutiert, muss sich nichtunglaubwürdig machen, eine sozialde-mokratische Partei sehr wohl.

POLIS: Heißt das, man hatte innerhalbder SPD keine andere Chance, als sichdiese Sachzwänge auch zu Eigen zumachen?

EPPLER: So würde ich es nicht aus-drücken. Ich glaube schon, dass es eineAlternative gegeben hat. Nur wäre sie

in der damaligen Zeit mindestens so ris-kant gewesen wie das, was die Sozial-demokratie tatsächlich getan hat. Dennals Regierung gegen alles anzugehen,was in den Medien selbstverständlichist, das muss man mir erst einmal vor-machen. Ich glaube, in Deutschland hatder Marktradikalismus auch noch durchden Kollaps des Kommunismus und diedeutsche Vereinigung profitiert. Men-schen neigen dazu, das Gegenteil desFalschen für richtig zu halten. Und wennes offenkundig falsch war, den Marktdurch Politik, Bürokratie und Staat zuersetzen, warum sollte man dann nichteinmal das Umgekehrte probieren, näm-lich Staat und Politik durch den Marktzu ersetzen, und genau das ist ja bis indie Kommunen hinein versucht worden.

POLIS: Bedeutet dies, dass wir bereitsin Philip Bobbits „Marktstaat“, denSie in einer Ihrer letzten Publikatio-nen beschreiben, angekommen sind?*

EPPLER: Nein, wir sind dort noch nichtangekommen, aber wir bewegen uns dar-auf zu. Den „Marktstaat“, wie ihn Bob-bit schildert, wird es möglicherweise inReinform nie geben, aber man kann sichdiesem annähern. Die Vereinigten Staa-ten haben sich diesem Marktstaat mitziemlicher Geschwindigkeit angenähert,dann kamen die Briten, die sich auch un-ter sozialdemokratischer Führung in die-se Richtung bewegt haben. Auf dem eu-ropäischen Kontinent war die Geschwin -digkeit geringer, aber z. B. in Deutsch -land höher als in Frankreich.

POLIS: Wir sind in ganz vielen gesell-schaftlichen Bereichen dort angekom -men. Das Wettbewerbsprinzip hältdoch in immer mehr gesellschaftlicheBereiche Einzug.

EPPLER: Na ja, darüber habe ich ja, aufdem Dresdener Parteitag etwas gesagt:Wettbewerb ist in der Wirtschaft un-entbehrlich, aber im Kindergarten musser nicht unbedingt sein. Das Wettbe-werbsprinzip ist in der Tat verallgemei-nert worden und gilt ja heute noch alsallgemeines Prinzip.

POLIS: Wo sehen Sie Gestaltungsmög-lichkeiten, sollte die SPD jetzt, nach-dem sie, wie Sie sagen, ihre markt -

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Interview

radikale Phase überwunden hat, imBund wieder in die Regierungsverant-wortung kommen?

EPPLER: Jetzt ist eine Revitalisierung derverschiedenen staatlichen Ebenen not-wendig und zwar beginnend mit denKom munen. Die Kommunen müssenwieder handlungsfähig werden, auch fi-nanziell. Ein finanziell nicht mehr hand-lungsfähiger Staat, das zeigt ja die jet-zige Krise, ist gar nicht mehr lebensfä -hig. So wären Steuersenkungen jetztnicht mehr nur falsch, sondern sie wärenkriminell, weil sich die Spekulation mög-licherweise dadurch ermutigt sähe, dassauch der deutsche Staat als größte Volks-wirtschaft in Europa finanziell nicht mehrauf festen Beinen steht.

Das zweite sind die Bundesländer –und da geht es vor allem um die Bildung.Die Länder müssen finanziell so ausge-stattet werden, dass sie eine wirklicheBildungspolitik überhaupt machen kön-nen. Eine Chance für den Bund bestehtdarin, dass der Verteidigungsetat immergeringer wird. Der Anteil des Verteidi-gungs- am Gesamtetat schrumpft. Sobleibt mehr Spielraum die für Familien-und für die Sozialpolitik insgesamt.

Drit tens muss ein Steuerkonzept ent-worfen werden, das den Menschen mehreinleuchtet als das aktuell geltende undvor allem mehr einleuchtet als das derFDP propagiert. Und schließlich kannich mir vorstellen, dass ein Konzept inder Rentenversicherung und in der Al-terssicherung insgesamt realisierbar ist,das der demografischen WirklichkeitRechnung trägt und trotzdem angemes-sen finanzierbar ist. Mit anderen Wor-ten: ich sehe eine Fülle von Möglich-keiten für eine konstruktive sozialde-mokratische Politik. Ich möchte viel -leicht noch etwas hinzufügen: linke de-mokratische Politik muss – und das zeigtsich ja jetzt in diesen Wochen noch einbisschen deutlicher als je zuvor – eu-ropäische Politik sein. Die Nationalis-men, die in den letzten Jahren und Mo-naten, wenn man beispielsweise an Un-garn denkt, wieder ins Kraut schießen;das können wir uns in Europa auf kei-nen Fall mehr leisten.

POLIS: Müssen wir uns denn nichtauch zunehmend als Weltbürger ver-stehen?

EPPLER: Ja, aber zunächst einmal geht esdarum, auf der internationalen Ebene inder europäischen Union staatliche Rah-mensetzungen zu Stande zu bringen, dieauf der nationalstaatlichen Ebene nichtmehr greifen. Wir brauchen unbedingt ei-ne Rahmensetzung in der Steuerpolitik,z. B. Mindeststeuern für Unternehmen,vielleicht auch Höchststeuern für Unter-nehmen und Mindest - spitzen sätze, da-mit die Europäer sich nicht gegenseitigihre Staaten dadurch ruinieren, dass siediesen seit langer Zeit anhaltenden Wett-bewerb um die niedrigsten Unterneh-menssteuern weiter fortsetzen. Hier müs-sen die Sozialdemokraten viel stärker alsbisher Flagge zeigen und Europa nochmehr zum Thema machen, zumal die Uni-onsparteien, die sich das zuerst auf dieFahnen geschrieben haben, sich nun wie-der Nationalismus leisten.

POLIS: So, wie man die Sozialdemo-kraten in den letzten Jahren erlebthat, stellt sich die Frage:Ist sie nochVolkspartei, ist sie vielleicht gar eineKaderpartei? Man musste den Ein-druck gewinnen, es gibt einen innerenZirkel, der dafür sorgt, dass aus Sichtder Führungsriege die richtigen Po-sten mit den richtigen Leuten besetztwerden. Anders formuliert: Sind dieParteitage nicht mehr und mehr zuVeranstaltungen verkommen, die nurnoch „oben“ getroffene Entscheidun-gen nachträglich legitimieren?

EPPLER: Also, Kaderpartei ist sie nunganz sicher nicht. Wer heute in die Orts-vereine geht und den Ton kennt, der dortüblich ist, und die Art kennt, wie mandort miteinander umgeht, wird feststel-len, sie ist das Gegenteil von einer Ka-derpartei. Und wenn ich mir überlege,wie die Ortsvereine zusammengesetztsind, dann ist die SPD nach wie vor ei-ne Volkspartei. Da gibt es den Archi-tekten und eben auch den Bauarbeitersowie relativ viele Leute aus dem öf-fentlichen Dienst, wie z. B. Lehrer. Unddann gibt es eben auch sehr viele Frau-en. Insgesamt glaube ich nicht, dass maneine Partei als Volkspartei danach klas-sifizieren kann, ob sie nun gerade 25oder 45 Prozent der Wähler und Wäh-lerinnen hinter sich hat, sondern viel-mehr danach, ob sie versucht, dem Ge-meinwohl und nicht nur einer Gruppie-

rung zu dienen. Zur Gemeinwohlorien-tierung gehört sicher, dass man dieSchwächsten besonders fördert – hiersehe ich keinen Widerspruch. Es wider-spricht aber sehr wohl dem Gemeinwohl,eine bestimmte Gruppierung, zum Bei-spiel die Zahnärzte oder die Hoteliersbesonders zu bedienen. Und insoferngibt es aus meiner Sicht tatsächlich nochzwei Volksparteien, die das Ganze imBlick haben: die Union und die SPD.

POLIS: Wie sehen Sie das Verhältnisder SPD zur Linkspartei? Sie durcheine Politik der Ausgrenzung über-flüssig zu machen, greift offensicht-lich nicht.

EPPLER: Nein, das ist wohl nicht möglich.Ich gehörte zu den Leuten, die zunächstdie Grünen verhindern wollten, indem sieversucht haben, die Ökologie in der SPDzu verankern; das hat bekanntlich Hel-mut Schmidt verhindert. Dann gab es dieGrünen, und ich habe von Anfang an ge-sagt, dies ist eine Partei, die sich nicht nurhalten wird, sondern die im 21. Jahrhun-dert noch wichtiger sein wird als zuvor,weil sie etwas Neues zu bieten hat. Diegrüne Partei hat das Thema Ökologie, dasin den 1960er Jahren überhaupt noch kei-ne Rolle spielte, aufgegriffen und in einProgramm integriert. Bei der Linkspar-tei sehe ich etwas Vergleichbares nicht.Sie erhebt im Kern nur Forderungen ausden 1970er Jahren. Insofern ist die Links-partei noch gar nicht im 21. Jahrhundertangekommen. Darüber hinaus könnte ichmir vorstellen, dass es dort zu harten Aus-einandersetzungen darüber kommt, obman nun regieren oder nur protestierenwill. Und langfristig würde ich auch nichtausschließen, dass es so kommt wie imJahr 1921, als die Unabhängigen in ihrergroßen Mehrheit wieder zur SPD zurückgekommen sind und eine kleinere Grup-pe übrig bleibt – damals war es die Kom-munistische Partei, heute wäre es wohleine ziemlich sektiererische Gruppierung.

POLIS: Herr Eppler, ganz herzlichenDank für dieses Gespräch.

Anmerkung

* Erhard Eppler: Eine Partei für daszweite Jahrzehnt: die SPD? Berlin 2008

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Parteiendemokratie in der Rezession

Es geht wieder ein Gespenst um in Eu-ropa – das einer ökonomisierten, kapi-talistischen Demokratie. In ihr, so derbritische Politikwissenschaftler ColinCrouch1, reduziert sich Demokratie aufein formal-institutionelles Maß, bei demdemokratischen Verfahren wie Wahlenlediglich eine instrumentelle Bedeutungzukommt. Das Tragischste an dieser Vor-stellung: Volkssouverän und mündigerBürger werden auf dem Altar kapitalis -tischer Marktgesetze geopfert.

Claudia Ritzi und Garry S. Schaal hal-ten uns vor diesem Hintergrund in ihrenÜberlegungen zur politischen Führungin der Postdemokratie vor Augen, wie

die mit der zunehmenden Entmachtungdes Bürgers aufkommende „leader de-mocracy“ zu kennzeichnen ist: Gestei-gerte, oft oberflächliche Imagepolitikund kurzfristig personalisierte Wahl-kampfstrategien treten dabei parteipoli-tisch an die Stelle einer klaren Pro-grammatik und des eigentlichen Kern-geschäfts der Politik: das mühsame undoft langwierige Ringen um politischeEntscheidungsfragen und das Abwägendazugehöriger möglicher Handlungsop-tionen.2 Mindestens genauso schwer wie-ge dabei, dass politische Inhalte vermehrtvon überwiegend wirtschaftlichen In-teressen unterhöhlt würden. Am Endestehe dann die „Scheindemokratie im in-stitutionellen Gehäuse einer vollwerti-gen Demokratie“.3

Folgt man Crouchs Kassandrarufen,hat diese Zukunft der Demokratie nichtnur in Europa, sondern auch in Deutsch-land schon begonnen. Und ja, in der Tat,wer sich heute die vermehrte Zuschau-erdemokratie im Zuge spektakulär ins-zenierter Wahlkämpfe, steter Meinungs -barometer und politischer Talkshows so-wie die damit einhergehende wachsendeEinflussnahme der Massenmedien vorAugen hält oder auch den sich ausbrei-tenden Zugriff lobbyistischer, wirt-schaftspolitischer Interessengruppen aufdie Politik beobachtet, wird sich indesdes Eindrucks nur schwer erwehren kön-nen, dass es sich bei Crouchs Ausfüh -rungen nicht nur um ein bloßes Gedan-kenkonstrukt mit reinem Modell cha -rakter, sondern um eine richtungs wei -sende Prognose handelt.

Spannend und wert scheint in diesemZusammenhang ein analytischer Blickauf die sich wandelnden Rollen der ein-zelnen Akteure im politischen Systemder Postdemokratie. Parteien und Poli-tiker tun sich dabei fortan immer schwe-rer, den vielfältigen, pluralisierten undsomit fragmentierten Bürgerinteressenund ihren einzelnen Erwartungshaltun-

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Politikdidaktische Über legungen zum post -demokratischen DilemmaVon Marcus Grebe

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Marcus Grebe ist Studienrat am Gymnasi-um Johanneum in Herborn, Lehrbeauf-tragter am Fachbereich Erziehungswis-senschaften der Philipps-Universität Mar-burg und bis August 2010 Ausbildungs -beauf tragter am Studienseminar Fulda

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Didaktische Werkstatt

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gen in der Breite gerecht zu werden, dadie Bürger – nicht zuletzt bedingt durchden Wegfall einstiger sozialer Milieus –immer weniger eindeutig identifizier-bare politische Wünsche artikulieren.Insbesondere die Volksparteien aber auchdie Klientelparteien reagieren daher mitweitgehend indifferenten Wahlpro-grammen, deren genaue Zuordnung bis-weilen sogar den eigenen Repräsentan-ten schwer fällt.4 Auch der Wähler fin-det sich darin nur schwer wieder undsieht sich nicht oder nur allzu selten re-präsentiert. Allein den Klientelparteiengelingt unter diesen Umständen mitun-ter noch ein „partielles Fischen imWählerbecken“ und vielleicht resultiertder Wahlerfolg der Grünen bei der ver-gangenen Landtagswahl in NRW ja ge-rade daraus, dass sie als bekennende Um-weltpartei für den Wähler immerhin nocheine deutliche Aussage und eine klareLinie erkennen lassen.

Die häufige Absage an alles Politi-sche rührt neben diesem Identitätsver-lust nicht selten auch aus einer mituntersklavischen Unterwerfung der Parteienunter die Funktionslogiken der (Mas -sen-)Medien. In Negativismus, zuneh-menden Personalisierungen und ver-kürzten Darstellungen von Zusammen-hängen als mediale Konstruktions-merkmale und medienspezifische Dar -stel lungszwänge sowie einem Politain-ment der bisweilen einfältigsten Sorteoffenbaren sich die Gründe, warum inder Öffentlichkeit oftmals auch ein ver-meintliches falsches Bild von problem-lösungsunfähigen und nicht vertrauens-würdigen Politikern gezeichnet wird.Am Ende steht dann Verdrossenheit –ganz gleich ob gegenüber Politiker, Par-teien oder Politik selbst. Und innerpar-teilich? Die Kluft zwischen Stamm-wählern, Mitglieder, Aktivisten einer-seits und Mandatsträgern, Führungselitenund parteinahen Expertennetzwerken an-dererseits wächst wie die Kluft zwischenArm und Reich. Claus Offe spricht imZusammenhang mit Crouchs Ausfüh -rungen von der mitgliederleeren Parteiund einer „schleichenden politischenEnteignung“ der Bürger.5 Gleichsam wu-chere dabei nach Offe auch die mytho-logische „Lehre vom überlegenen Wis-sen und von der höheren pragmatischenKompetenz des Managements für die Re-gelung nicht nur wirtschaftlicher, son-

dern auch sämtlicher öffentlicher An-gelegenheiten.“6 Privilegierte Eliten,Lobbyisten und Unternehmer scheinendabei den Bürger als Souverän abzulö-sen. In der Rolle eines Marginalisiertenbleibt ihm dabei letzen Endes nur nocheine vermeintliche Wahlfreiheit – ähn-lich wie die Entscheidungsfreiheit vonKonsumenten an den Supermarktkassendieser Welt.

Crouchs Bilder sollten uns bedenk-lich stimmen. So stellt sich denn auchdie Frage, wie krisensicher eine zuneh-mend ökonomisierte Demokratie seinmag, wenn sie nicht mehr im Volk ver-ankert ist und die Verdrossenheit über-hand nimmt. Distanzierung, lethargi-sches Erstarren, Passivität zum einenoder Aufbegehren, Protest und Aktivitätzum anderen bleiben dann dem Bürgernoch als Handlungsoptionen. Doch bei-des – Rückzug oder Angriff – führt zu-nehmend zu mangelnder Legitimationpolitischen Handelns und sorgt im En-deffekt für die Handlungsunfähigkeitvon Staat und Politik. Denn in solchenZeiten neigen Politik und Volk lediglichvermehrt dazu: „…den Status quo zu ver-teidigen, nur mehr kurzfristig-rationaleEntscheidungen zu treffen und große Re-formen zu verschleppen.“7

Rettungspakete für die Demokratie

Zunehmende Verdrossenheit und derBürger in der Rolle des bisweilen „apa-thischen Stimmviehs“ lassen am Endeeinmal mehr die Forderungen nach ei-ner vitalen Demokratie aufkommen. Al-so wieder mehr direkte Demokratie wa-gen und dadurch die Demokratie stär-ken?8 Dient uns vielleicht ObamasWahlkampf als Anschauungsbeispiel?Zumindest hat er mit seiner Kampagneden Stellenwert von Bürgerbeteiligungnachhaltig untermauert. Mittels seinessozialpolitischen Netzwerkdienstes „My-BarackObama“ – also mit Hilfe der neu-en Medien – hat er es nämlich geschafft,seine Anhänger miteinander zu verbin-den sowie reale Treffen von politisch In-teressierten vor Ort zu initiieren undwichtiger noch, er hat es Bürgern perAnleitung ermöglicht, sich selbst alsWahlkämpfer zu engagieren und seinenWahlsieg zu ihrer eigenen Sache zu er-

klären. Insbesondere junge Wähler ließensich auf diese Weise für die Politik be-geistern.

Die von Crouch geforderte Mobili-sierung des Bürgersinns sowie die Stär-kung der Zivilgesellschaft und die Ini-tiierung neuer sozialer Bewegungen kön-nen vom Grundgedanken her jedochauch im System der repräsentativen De-mokratie erfolgen – oftmals drohen sieje doch von den Parteien nicht aufge-griffen oder auf der Entscheidungsebe-ne von der Parteiendemokratie ersticktzu werden. Doch ob mehr direktdemo-kratische Verfahrensweisen hier alleinAbhilfe leisten, erst recht wie Crouchsie in Form von Bürgerversammlungen,die über die Zuteilung von Steuergel-dern an die Parteien entscheiden oderdie nach zufälliger Auswahl der Teil-nehmenden gar über Gesetzesvorschlä-ge beraten, andenkt, bleibt äußerst strit-tig. Direktdemokratische Verfahrens-weisen können also nicht das All heil -mittel sein und ein Blick in die Vergan-genheit verrät, wie anfällig sie ohne Si-cherungsinstrumentarien sind. Und den-noch besäßen beispielsweise direktekommunale Mitbestimmungsmöglich-keiten in der Haushaltspolitik oder derpartielle Ausbau der Beteiligungsrechteder Bürger hin zum Volksentscheiddurchaus ihren Reiz und erste positiveErfahrungen mit so genannten „Bürger-haushalten“ liegen bereits vor. Doch siesetzen, um Entscheidungen zu treffenund zu legitimieren, die Hinführung zummündigen und aufgeklärten Bürger, zumCitoyen, voraus. Nur damit gelingt, qua-si als Vorausbedingung, die Umsetzungvon Benjamin Barbers erweiterter Vor-stellung von Demokratie: „Nehmen In-dividuen ihre Aufgaben als Bürger wahr,dann werden sie zugleich dazu erzogen,öffentlich als Bürger zu denken, so wiedie Bürgerschaft die staatsbürgerlicheTätigkeit mit dem erforderlichen Sinnfür Öffentlichkeit und Gerechtigkeit er-füllt. Politik wird zu ihrer eigenen Uni-versität, Bürgerschaft zu ihrer eigenenLehranstalt und Partizipation zu ihremeigenen Lehrmeister.“9

Parteien und Politiker scheitern beiuns indes noch an etwas anderem: Bis-her ist es nur unzureichend gelungen,den Kapitalismus in den Griff zu be-kommen und seine negativen Auswir-kungen auf unsere Demokratie zu stop-

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pen. Immer noch sorgen kapitalistischeMarktdoktrin und Wirtschaftslobbyis-mus (der nicht selten bis hin zu Kor-ruption reicht) für die Fehlvorstellung,dass Marktgesetze wie Naturgesetze gel-ten müssen. Einen möglichen Ausweghierfür könnten die Konzepte des key-nesianischen Wohlfahrtsstaates bieten,weil in ihnen die Verantwortung und Ver-pflichtung des Staates und der Politikwieder deutlicher zum Ausdruck kom-men und sich darin die Interessen derMehrheit spiegeln. Dazu gehört nebeneinem gesunden dynamischen Wachs-tum aber vor allem auch das Austarie-ren von Leistungs-, Bedarfs- und Chan-cengerechtigkeit und eine im Ergebnissozial verträgliche Politik. Wie die der-zeitigen regulierenden Eingriffe im Rah-men von Finanz- und Währungskrisenzeigen, kommt es in diesem Kontext aberinsbesondere auch auf eine intensivier-te internationale Zusammenarbeit undauf mehr Konzepte, die in Richtung Glo-bal Governance weisen an, um die Her-de in den Griff zu bekommen.

Erstaunlich bleibt zum Schluss: Beibeiden innerstaatlichen Forderungen –Formung zum mündigen Bürgerideal so-wie Rückkehr zu den Konzepten deskeyne sianischen Wohlfahrtsstaates – sindes vor allem Wertvorstellungen wie Ver-trauen, Glaube, Fairness, Verantwortungund Gerechtigkeit, die für die nachhal-tige Akzeptanz von Politik in der Be-völkerung sorgen. Die Ökonomie selbstmusste die Einflussnahme solch oftmalsirrationaler Beweggründe auf die Ent-scheidungsfindung der Menschen ler-nen, wie die zunehmende Verabschie-dung vom einstigen Leitbild des homooeconomicus gezeigt hat. Eines habendiese Wertvorstellungen dabei gemein-sam: Sie beruhen auf Gegenseitigkeit,sind das Produkt von Erfahrungswerten,bedürfen Vorbilder und müssen in derGemeinschaft vermittelt und verankertwerden. Auch dies wird bei zukünftigenpolitischen Entscheidungen und der Aus-gestaltung unserer Parteiendemokratiezu beherzigen sein, denn daran wird nichtnur ihre Beständigkeit und ihr Wert ge-messen, sondern daran wird sich auchdie Frage entscheiden, inwiefern post-demokratische Zustände revidierbar sindund unsere Demokratie wieder einenAufschwung erlebt.

Was bedeutet das für die politische Bildung?

Zunächst einmal sollte die politische Bil-dung – und dies gilt für die schulischewie außerschulische Bildung gleicher-maßen – ihr „Kerngeschäft“, die Aus-bildung und Förderung der „Bürger-kompetenzen“, nicht vernachlässigenund die Bürgerinnen und Bürger zur po-litischen Partizipation befähigen. Diepolitische Bildung sollte darüber hinausdeutlicher als bisher von einem weit ge-fassten Verständnis von Demokratie, Po-litik und politischer Partizipation aus-gehen, denn die institutionalisierten Po-litik- und Partizipationsformen verlierenfür die Bürgerinnen und Bürger zuneh-mend an Attraktivität. Insbesondere dieschulischen Curricula bedürfen hier ei-ner Revision, denn die schulische poli-tische Bildung orientiert sich fast aus-schließlich an den Prozessen der reprä-sentativ-demokratischen Demokratie.Die politische Bildung sollte umfassen-der darauf reagieren, dass sich die Bür-gerinnen und Bürger einerseits häufigohnmächtig gegenüber den etabliertenpolitischen Strukturen und Institutionenfühlen, andererseits aber durchaus be-reit sind, sich im sozialen Bereich oderzivilgesellschaftlichen Bereich zu en-gagieren, punktuell an Kampagnen teil-zunehmen oder bewusst „politischenKonsum“ betreiben.10 Bürgerbeteili-gungen, „Neue Soziale Bewegungen“bis hin zu NGOs sollten deshalb im Un-terricht stärker Berücksichtigung findenund hinsichtlich Handlungsrahmen undGestaltungsmöglichkeiten einer kontro-versen Betrachtung unterzogen werden,bei der deren Partizipationsmöglichkei-ten und Stellenwert für die Demokratiemit den Schülern diskutiert und ausge-lotet werden. Ebenso und gleichzeitigmuss die politische Bildung vermehrtzum kritisch-reflexiven Umgang mit me-dialen Darstellungs- und Beteiligungs-formen anhalten – dazu gehört in Zeitendes Internets nicht zuletzt auch der „mün-dige“ Umgang mit Netzwerken, Forenund Plattformen wie Twitter, Facebooksowie das Aufzeigen politischer Parti-zipationsmöglichkeiten im Web 2.0.

Die politische Bildung sollte aber nichtnur nach den Strukturen der Demokrati-sierung, sondern ebenfalls nach den Ele-menten der Entdemokratisierung fragen.

Demokratie ist kein statisches Gebilde,sondern immer wieder von Phasen desDemokratieabbaus oder der „Demokra-tieentleerung“11 durchzogen. CrouchsAnalyse der „postdemokratischen“ Über-lagerung politischer durch ökonomischeKategorien bietet dazu vielfältige An-satzmöglichkeiten, weil er die Deforma-tion der Demokratie nicht als abruptenSystemwechsel, sondern als allmählichen„Substanzverlust“ unter Beibehaltung derinstitutionellen Strukturen beschreibt. Die-se Gleichzeitigkeit von Demokratie undEntdemokratisierung sollte die politischeBildung aufgreifen und reflektieren.

Überlegungen zur unterrichts -praktischen Umsetzung

Bietet sich Colin Crouchs Postdemo-kratiemodell auch als Lerngegenstandfür den politischen Unterricht an? Derbesondere Reiz der Thematik liegt dar-in, dass Wirkungsursachen und Wech-selwirkungen zwischen Wirtschaft, Po-litik und Gesellschaft sowie das Zu-sammenspiel verschiedener Akteure (wiez.B. Politiker, Bürger, Unternehmer, Lob-byisten, Massenmedien etc.) als auch ei-ne Vielzahl an Kategorien und katego-rialen Zusammenhängen bzw. Fach-konzepten daran analytisch betrachtetwerden können. Ebenso lassen sich diePrinzipien der Problem-, Wissenschafts-und Zukunftsorientierung verfolgen. So-mit bietet sich zum einen die Chance,im Fachunterricht wertvolles Verknüp-fungswissen einzuüben, zum anderenwerden zukünftige Demokratie und Leit-bild des mündigen Bürgers auf den Prüf-stand gestellt. Ein Schwerpunkt könntein diesem Zusammenhang auch auf derSchulung der Handlungskompetenz undentsprechender Teilkompetenzen liegen:Ausfüllung der eigenen Bürgerrolle, Ent-wicklung und Verständnis von Bürger-tugenden bis hin zur Positionierung undder Fähigkeit, Politik einen persönlichenStellenwert zuzuweisen, sich selbst dar-in zu verorten, Ideale und Werte zu ver-treten und nach außen zu artikulieren so-wie dabei ein tieferes, auf die eigeneIdentität bezogenes (Sinn-)Verständnisvon Welt, Politik, Gesellschaft und De-mokratie zu bekommen, sind Kompe-tenzen, die sich mit Hilfe von CrouchsAusführungen vermitteln lassen. Hin-

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sichtlich der Komplexität des Themassollte jedoch bedacht werden, dass sichCrouchs Modell ausschließlich für dieOberstufe eignet.

In einer Einstiegs- bzw. Vorlaufpha-se zur Unterrichtsreihe besteht zunächstdie Option, je nach Lerngruppe und Un-terrichtsstand, verschiedene Zugänge zurThematik zu wählen: Bevorzugt man,sich seitens der Wirtschaft und vomStandpunkt der Kapitalismuskritik demThema anzunähern, sei vor allem der Ar-tikel „Fegefeuer des Marktes“12 vonJens Jessen zur Einarbeitung und Dis-kussion im Unterricht empfohlen, da eran vielen Punkten die Auswirkungen derÖkonomie auf Demokratie, Politik undGesellschaft aufzeigt. Wer stärker denAkzent auf Lobbyismus und Massen-medien setzen möchte, sollte die 45mi -nütige Dokumentation „Strippenzieherund Hinterzimmer“13 von Thomas Leifund Julia Salden in Betracht ziehen.Ebenso ermöglicht es der mit vielen Ma-terialvorlagen und konkreten Unter-richtsvorschlägen versehene Band „DasImage der Politik und der Politiker.Wahrnehmung und Selbstwahrnehmungpolitischer Akteure“,14 sich medienkri-tisch mit Politik und Politikern in derParteiendemokratie auseinanderzuset-zen. Sehr gut für einen Problemaufrissgeeignet ist auch die Frontal21 Sendungvom 22.09.200915 mit verschiedenenBeiträgen zu den Themen Wahlbeteili-gung, Wähler, Wahlprogramme. Zitatewie das von Max Otte: „Ich denke, dasswir in neofeudale Zustände abzugleitendrohen, in denen die Konzerne und dieLobbys immer mehr die Macht über-nehmen, vielleicht noch die Medien undder Bürger immer mehr an den Rand ge-drängt wird“ (entnommen aus dem Bei-trag: „Nichtwahl als Protest“ von Stef-fen Judzikowski und Christian Rohde),dienen zur Sensibilisierung und für ei-ne erste Diskussion.

Im Anschluss an diese Zugänge bie-tet dann die wahlweise Erarbeitung derArtikel: „Das Ding heißt Demokratie“16

oder „Wie der Markt die Politik vergif-tet“17 die Möglichkeit, eine direkte Über-leitung zur Postdemokratie zu schaffen.18

In der darauf folgenden Erarbei-tungsphase könnte dann die Arbeit mitder Szenario-Methode im Vordergrundstehen. Als Denkmodell für Wissen-schaft, Politik, Wirtschaft und Gesell-

schaft dient die Methode dazu, Zusam-menhänge in ihrer Komplexität zu durch-dringen und Vernetzungsfähigkeit undsystemisches Denken zu fördern (vgl.Weinbrenner19). Des Weiteren schärftsie den Blick auf etwaige Gestaltungs-und Einflussmöglichkeiten und hält denSchülern die Wert- und Normenabhän-

gigkeit von Zukunftsvorstellungen vorAugen. Durch simulatives Handeln undproduktive-kreative Umsetzung zeigtsich die Methode zudem handlungsori-entiert. Insofern stellt sie eine entspre-chende Passung des methodischen Um-gangs in Bezug auf das Thema Postde-mokratie dar.

Einflussbereich Einflussfaktoren Deskriptoren

Partizipation undLegitimation

Parteien

Wahlen

Bürgerbeteiligung(Interessengruppen,Neue Soziale Bewegungen,Bürgerbewegungen,NGOs)

Politiker

Lobbyismus

- Transparenz und Verständlichkeit derProgramme

- Repräsentativität: Mitgliederzahl- Grad der innerparteilichen Demokratie

- Wahlbeteiligung- Vertrauen der Bürger in die Wahl

- Organisationsgrad / Beteiligungsum-fang

- Einfluss und Durchsetzungsvermögenbezüglich politischer Entscheidungen(z.B. direktdemokratische Verfahren)

- Legitimität und Gesetzeskonformität

- Unabhängigkeit- Verantwortungsbewusstsein- Professionalisierung

- Ausprägungsgrad (Organisation undDurchdringung)

- Stellenwert von Lobbyisten, personelleVerflechtungen

- vorgesehene und reale Einflussmög-lichkeiten im politischen System

Ökonomie

Deregulierung

Unternehmen

Verteilung und Gerechtigkeit

WirtschaftstheoretischeVorstellungen und Wirt-schaftspolitik

- Privatisierung, Outsourcing staatlicherAufgaben

- Machteinfluss (z.B. abzulesen an Un-ternehmenskonzentration, Korruption,Standortentscheidungen, Lohndum-ping etc.)

- Einkommensverteilung (Lohnquote)- Bedarfs-, Chancen- und Leistungsge-

rechtigkeit

- Stellenwert des Leitbildes vom homooeconomicus und Bedeutungswert von Marktgesetzen

- Angebots- und NachfrageorientierteKonzepte

Politische Kommunikation

Medien

Politainment

- Ausprägungsgrad einzelner Modellvor-stellungen (Top-down-,Bottom-up-,Biotop- und Mediokratiemodell)

- Effizienz und Akzeptanz des Internetsfür politische Prozesse (z.B. Partizipa -tionsmöglichkeit und Mobilisierungs-umfang im Rahmen von WEB 2.0)

- Auswirkungen der Personalisierungder Politik

- Ausbreitung und Wirkung von media-len Formaten wie Talkshows

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In einem ersten Vorgehensschritt derSzenario-Methode sollte mit den Schü -lern das Problem zunächst definiert undgenauer beschrieben werden. Im An-schluss an diese Problemanalyse wirddann mit der Leitfrage: Wovon ist derVerfall der Demokratie hin zur Postde-mokratie abhängig? ermittelt, welcheEinflussbereiche auf das Problem wir-ken. Maßgeblichen Einfluss auf das Di-lemma der Postdemokratie haben z.B.die Bereiche Partizipation und Legiti-mation, Ökonomie, Politische Kommu-nikation oder auch Gesellschaft und Bil-dung. Diese werden darauf hin weiterpräzisiert, indem ermittelt wird, welcheFaktoren diese Bereiche gut kennzeich-nen. Im Falle der Partizipation und Le-gitimation könnten u.a. Wahlen, Partei-en, Bürgerbeteiligungen entsprechendeEinflussfaktoren darstellen. In einemletzten Schritt sind diese Faktoren zuoperationalisieren, in dem sie auf quan-titative oder qualitative Deskriptoren her-unter gebrochen werden. Im Falle derWahlen bieten sich Wahlbeteiligung undVertrauen der Bürger in Wahlen als Des-kriptoren an.

Die Tabelle auf S. 23 zeigt zum bes-seren Verständnis exemplarisch mögli-che (!) Einflussbereiche, Einflussfakto-ren und Deskriptoren im Falle der Post-demokratie. Sie kann entweder mit denSchülern im Unterricht zusammen erar-beitet oder partiell vorgegeben werden.Wichtig erscheint aber, dass im Hinblickauf die darauffolgende Ausformulierungin ein stimmiges Szenario aufgrund derKomplexität eine gezielte, reduzierteAuswahl von Einflussbereichen, Ein-flussfaktoren und Deskriptoren erfolgensollte, da in Bezug auf Verknüpfungenund gegenseitige Einflussnahme dieKomplexität der Szenarien sonst schnellzu groß wird.

Nach dieser Vorarbeit gehen dieSchüler dazu über, sich ihre individuel-len Zukunftseinschätzungen zu überle-gen, ehe sie dann in einem gruppenar-beitsteiligen Prozess ein positives undein negatives Extremszenario sowie einTrendszenario (Versuch einer möglichenFortschreibung der Gegenwart) jeweilsfür einen kurzfristigen (ca. 5-10 Jahre),einen mittelfristigen (ca. 11-20 Jahre)sowie einen langfristigen Zeitraum (mehrals 20 Jahre) entwerfen. In der Ausfor-mung sollte dabei ein sogenannter Szen-

arientrichter entstehen (vgl. Weinbren-ner). Zu berücksichtigen bleibt, dass dieSchüler bei den Extremszenarien mög-lichst keine Kompromisse eingehen soll-ten und die Ursache-Wirkungszusam-menhänge der Einflüsse so konkret wiemöglich beschrieben werden sollten. Ei-ne besondere Stärke der Methode, diesich in diesem Abschnitt offenbart, istdie Vielzahl an Differenzierungsmög-lichkeiten. So kann eine Gruppe zumBeispiel nur eine Szenariovariante oderaber mehrere entwickeln; am an-spruchsvollsten zeigt sich indes die Ent-wicklung eines Trendszenarios. Eine wei-tere Möglichkeit wäre, durch die Anzahlder Einflussbereiche und -faktoren denGrad an Schwierigkeit und Komplexitätzu erhöhen. Die Aufforderung an dieGruppen, ihre Szenarien anschließendin einer kreativen, produktorientiertenPräsentation vorzustellen, bietet eben-falls individualisierte Gestaltungsmög-lichkeiten.

Mit der abschließenden Frage nachMöglichkeiten der Stärkung bzw. Ab-schwächung erwünschter bzw. befürch-teter Entwicklungen im Rahmen der Zu-kunftsvorstellungen und der Ausarbei-tung von Maßnahmen und Strategien zurProblemlösung wird dann die Auswer-tungsphase der Reihe eingeleitet. Sieschafft eine Überleitungsmöglichkeitund vermehrten Raum für die Umset-zung der Handlungskompetenz und diemit den Schülern in diesem Kontext aufder Metakognitivenebene z.B. im Ple-num zu konkretisierenden, reflexivenFragen wie z.B.: Was hat sich durch diezurückliegende Einheit geändert? Habeich auf manche Dinge nun eine „ande-re“ Sicht? Verhalte ich mich nun zukünf-tig „anders“ und wenn ja, inwiefern undwarum?

Anmerkungen

1 Colin Crouch: Postdemokratie. Frank-furt 2009.

2 Ritzi, Claudia; Schaal, Gary S.: Politi-sche Führung in der „Postdemokra-tie“; in: Aus Politik und Zeitgeschichte,Heft 2-3/2010 vom 11. Januar 2010, S.9-15.

3 Ebda., S. 104 Vgl. den Beitrag von Birte Meier: Par-

teiprogramme unverständlich; in:Frontal 21. Sendung vom 22.09.2009;Zugriffsmöglichkeit über die ZDF-Me-diathek unter: http://frontal21.zdf.de.

5 Claus Offe: Wie der Markt die Politikvergiftet. Erschienen in der FAZ vom22.09.2008, Nr. 22; S. 37.

6 Ebda. 7 Ritzi/Schaal, S. 13.8 So beispielsweise Benjamin Barber:

Starke Demokratie. Über die Teilhabeam Politischen. Hamburg 1994.

9 Ebda. Zit. n.: Wochenschau Sek. II,Heft 5 / Politische Theorien (2007), S.209.

10 Es geht hier selbstredend nicht darum,alle Formen sozialen Engagements mitpolitischer Partizipation gleichsetzenzu wollen. Vgl. dazu grundlegend: Be-nedikt Widmaier: Soziales Lernen undPolitische Bildung. Oder: Wie entstehtpolitische Partizipation? In: kursiv.Journal für politische Bildung Heft 1 /2009, S. 54-60.

11 Wilhelm Heitmeyer: Autoritärer Kapi-talismus. Demokratieentleerung undRechtspopulismus. Eine Analyse vonEntwicklungstendenzen. In: DietmarLoch / Wilhelm Heitmeyer (Hrsg.):Schattenseiten der Globalisierung,Frankfurt/M. 2001, S. 497-532.

12 Jens Jessen: Fegefeuer des Marktes;abgedruckt in: Jens Jessen (Hrsg.): Fe-gefeuer des Marktes. Die Zukunft desKapitalismus. Bonn 2006; S. 105-120.

13 Strippenzieher und Hinterzimmer –Meinungsmacher im Berliner Medien-zirkus. Ein Film von Thomas Leif undJulia Salden, Schnitt: Holger Höber-mann, Produktion: SWR, NDR, Erstsen-dung 6. März 2006 SWR.

14 Markus Gloe, Hans-Werner Kuhn,Alexander Linden, Tonio Oeftering:Das Image der Politik und der Politi-ker. Wahrnehmung und Selbstwahr-nehmung politischer Akteure (Themenund Materialien der BpB). Bonn 2010.

15 Frontal 21. Sendung vom 22.09.2009;Zugriffsmöglichkeit über die ZDF-Me-diathek unter: http://frontal21.zdf.de.

16 Tissy Bruns: Das Ding heißt Demokra-tie; Tagesspiegel vom 09.02.2009; Zu-griffsmöglichkeit unter:http://www.tagesspiegel.de/kultur/lite-ratur/das-ding-heisst-demokra-tie/1440086.html (letzter Zugriff:28.05.2010)

17 Vgl. Anm. 5.18 Ein vierseitiger und auch für Schüler

gut lesbarer Essay, in dem Crouch sei-ne Thesen zusammenfasst, findet sichunter: http://www.frankfurter-hefte.de/upload/Archiv/2008/Heft_04/NGFH_April_08_Archiv_Crouch.pdf.Ein Spiegel-Interview mit Crouch, dassich ebenfalls gut für Unterrichts-zwecke eignet: http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-58656917.html (LetzterZugriff: 28.05.2010)

19 Weinbrenner, Peter: Szenariotechnik;in: Kuhn, H.-W.; Massing, P.(Hrsg.): Le-xikon der politischen Bildung. Band 3:Methoden und Arbeitstechniken. 3.Aufl., Schwalbach/Ts. 2002; hier S. 180-183.

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P e r s ö n l i c h e sSehr geehrter, lieber Herr Sutor! Heutevor genau zwei Monaten, nämlich am11. April, vollendeten Sie Ihr 80. Le-bensjahr. Unsere heutige Veranstaltungwill Sie ehren und Ihnen für Ihr Le-benswerk Respekt bezeugen. Ihr Le-benswerk: Das ist nicht ausschließlich,aber doch sehr stark die politische Bil-dung. Sie gehören zum Kreis der profi-liertesten und prominentesten Vertreterder Wissenschaft von der politischen Bil-dung. (…)

Erlauben Sie mir, dass ich Sie mit ei-nigen biographischen Stationen HerrnSutors bekannt mache. Bernhard Sutorwurde am 11. April 1930 in Waldböckel -heim/Nahe im Landkreis Kreuznach, al-so in Rheinland-Pfalz, geboren. Er nahmnach der Reifeprüfung im Jahr 1950 ander Johannes Gutenberg-Universität inMainz das Lehramtsstudium auf. 1951wurde er in die Studienstiftung des Deut-schen Volkes aufgenommen. Mit Aus-nahme eines einsemestrigen Abstechersan die Universität Freiburg blieb HerrSutor der Mainzer Universität treu. DasStudium beendete er 1955 mit dem Er-sten Staatsexamen für das Höhere Lehr-amt mit den Fächern Latein und Ge-

schichte sowie Philosophie und Theo-logie. Nach Abschluss des ZweitenStaatsexamens 1957 trat er als Studien-assessor in den Höheren Schuldienst desLandes Rheinland-Pfalz ein.

Bereits 1960 wurde Herr Sutor Fach-leiter für politische Bildung und Sozial-kunde am Staatlichen Studienseminar inMainz. Wie er erzählt, erhielt er als Stu-dienassessor mit gerade 30 Jahren die-se herausgehobene Stelle unter anderemdeshalb, weil er auf einer Tagung der Po-litischen Akademie in Tutzing nach-drücklich Arnold Bergstraessers dort ge-haltenes Plädoyer für ein eigenes Un-terrichtsfach Politische Bildung unter -stützt hatte. Ein anwesender Ministeri-albeamter des rheinland-pfälzischen Kul-tusministeriums war davon so beein-druckt, dass er Herrn Sutor für die ebenerwähnte Stelle vorschlug. (…) 1962wurde Bernhard Sutor Studienrat, 1965Oberstudienrat und 1967 Studiendirek-tor. Das nennt man Karriere!

Herr Sutor setzte während seiner Leh-rertätigkeit seine wissenschaftlichen Stu-dien an der Mainzer Universität in Ge-stalt eines Promotionsstudiums fort. Erkonzentrierte sich dabei auf die FächerPhilosophie und Politikwissenschaft.1965 wurde er zum Dr. phil. promoviert.Seine Dissertation hatte den Zusam-menhang von Geschichtsphilosophie undPolitik bei Karl Jaspers zum Thema. (…)Herr Sutor veröffentlichte 1966 dieSchrift Politik und Philosophie. Er knüpf-te in dieser Schrift an die Tradition deraristotelisch-thomistisch geprägten phi-losophia perennis an. Trotz des Altersdieser Tradition maß und misst er ihr amehesten die Kraft zu, das philosophischeFundament auch der modernen Wissen-schaft von der Politik zu bilden. (…)

Noch als Lehrer veröffentlichte Bern-hard Sutor mehrere Bücher zur politi-schen Bildung. 1971 erschien die um-fangreiche Didaktik des politischen Un-terrichts, in der er erstmals seinen

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Verbands-

politische

Rundschau

Analysen Positionen InformationenDiskussionen

zur Arbeit der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung

polis 2/2010

Bernhard Sutor zum 80. Geburtstag

Auszug aus der Laudatio von Joachim Detjen

Persönliches

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Persönliches

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P e r s ö n l i c h e s

politikdidaktischen Ansatz entfaltete.Stichwortartig ist dieser Ansatz durchBegriffe wie personales Menschenbild,rationales politisches Urteilen und kri-tische Identifikation mit dem demokra-tischen Verfassungsstaat gekennzeich-net.

Einige Jahre später, nämlich 1976,publizierte Herr Sutor die Schrift Grund-gesetz und politische Bildung. In dieserPublikation bemühte er sich um denNachweis, dass die von ihm vertretenepersonale Anthropologie auch demGrundgesetz zugrunde liegt und deshalbeine geeignete Basis für die politischeBildung darstellt.

1976 schließlich verfasste er zusam-men mit den Professoren Dieter Gros-ser, Manfred Hättich und Heinrich Ober-reuter die in der Bildungspolitik starkbeachtete Schrift Politische Bildung.Grundlegung und Zielprojektionen fürden Unterricht an Schulen. Diese Schriftverstand sich als Gegenentwurf zu denemanzipatorisch inspirierten Politikdi-daktiken wie zu den Politiklehrpläneneiniger SPD-regierter Bundesländer. (…)

Im Jahre 1978 beendete Herr Sutorseine Tätigkeit als Lehrer. In diesem Jahrwurde er auf den Lehrstuhl für Didak-tik der Sozialkunde an unserer Univer-sität berufen. Seine Antrittsvorlesungtrug den Titel: Die Kardinaltugenden –Erziehungsziele politischer Bildung? Erging dort der Frage nach, ob die klassi-schen Tugenden Tapferkeit, Mäßigung,Klugheit und Gerechtigkeit sinnvoll inAufgaben moderner politischer Bildungtransformiert werden können. Er beant-wortete die Frage – wen wundert’s? –positiv.

Bernhard Sutor sah und sieht sich häu-fig missverstanden und falsch interpre-tiert. So fand er mehrfach seine Positi-on als ontologisch-normativ etikettiert.Er nahm dies 1984 zum Anlass, sein wis-senschaftliches Selbstverständnis, das erals praktisch-normativ bezeichnet, in ei-nem zweibändigen Werk mit dem Titel

Neue Grundlegung politischer Bildungausführlich darzulegen. 2005 folgte ei-ne über 400 Seiten starke Sammlungwichtiger Aufsätze unter dem bezeich-nenden Titel Politische Bildung undPraktische Philosophie. In beiden Wer-ken bestätigte er seine Prägung durchdie philosophia perennis. Gleichwohl ister kein Wissenschaftler, der den eigenenphilosophischen Ansatz verabsolutiert.Er ist offen für Anregungen von ande-ren Philosophen und Philosophien, sei-en dies nun Kant, der Pragmatismus oderJürgen Habermas.

Bernhard Sutor äußert sich nicht nurzur politischen Bildung. Die politischeEthik ist ein Gegenstandsbereich, für dener sich seit Jahrzehnten interessiert. Sopublizierte er 1991 eine gewichtige Mo-nographie zum Themenfeld Ethik. DerTitel Politische Ethik. Gesamtdarstel-lung auf der Basis der Christlichen Ge-sellschaftslehre legt Zeugnis davon ab,dass er sich dem Selbstverständnis die-ser katholischen Universität besondersverbunden fühlt. Sechs Jahre später,1997, veröffentlichte er die nicht allzuumfangreiche, aber sehr gehaltvolle Klei-ne politische Ethik. Die jüngste Mono-graphie mit ethischem Einschlag ist die2004 erschienene Studie mit dem TitelVom gerechten Krieg zum gerechtenFrieden? Stationen und Chancen einesgeschichtlichen Lernprozesses.

Neben all den genannten Werkenschrieb Herr Sutor auch noch Lehr- undArbeitsbücher zur politischen Bildungsowie Schulbücher zum Politikunter-richt. Am bekanntesten ist das über 500Seiten starke Werk Politik. Ein Studien-buch zur politischen Bildung. Es erschienerstmals 1994 und 2001 in einer grund-legenden Überarbeitung.

Nach seiner Emeritierung setzte HerrSutor sich nicht einfach zur Ruhe. Viel-mehr nahm seine Publikationstätigkeitjetzt erst richtig Fahrt auf. Seit der Eme-ritierung veröffentlichte er über 53 Auf-sätze und kleinere Beiträge. Insgesamt

kommt er auf deutlich über 180 Aufsät-ze sowie auf 21 selbstständig erschie-nene Veröffentlichungen. (…) Erst voreinigen Wochen gab Herr Sutor seinjüngstes Buchmanuskript in meinem Se-kretariat zwecks Formatierung ab. Esträgt den viel versprechenden Titel Po-litisch Lied – garstig Lied und setzt sichmit den Vorurteilen auseinander, die derPolitik begegnen. Ich freue mich schonauf die Lektüre. Alles in allem kann manmit Fug und Recht sagen: Bernhard Su-tors Bilanz sucht in der Wissenschaftvon der politischen Bildung ihresglei-chen.

Bernhard Sutor ist aber nicht nur Aka-demiker. Er ist auch ein Citoyen, einStaatsbürger im besten Sinne des Wor-tes. So war er langjährig tätig als Vor-sitzender der Landesverbände Rhein-land-Pfalz und Bayern der DeutschenVereinigung für Politische Bildung.Ebenso wirkte er für viele Jahre als Vor-sitzender des Landeskomitees der Ka-tholiken in Bayern. Er gründete eine ei-gene Stiftung, die Stipendien für Stu-dierende aus Polen und Tschechienvergibt. Er leitete von 2005 bis 2008 dashiesige „Zentralinstitut für Ehe und Fa-milie in der Gesellschaft“. Für seine vie-len Verdienste erhielt Herr Sutor 1997das Verdienstkreuz 1. Klasse des Ver-dienstordens der BundesrepublikDeutschland. (…)

Sehr geehrter, lieber Herr Sutor! Von1978 bis 1995 waren Sie Inhaber desLehrstuhls für Didaktik der politischenBildung und Christliche Soziallehre anunserer Universität. Die Universität kannstolz sein, dass es ihr damals gelang, Siefür eine Professur zu gewinnen. Und ichkann mich glücklich schätzen, Nachfol-ger auf Ihrem Lehrstuhl zu sein.

Für das kommende Lebensjahrzehntund darüber hinaus wünsche ich Ihnengeistige Frische, Gesundheit, vor allemaber Gottes Segen.

Joachim Detjen

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„Politische Bildung unddemokratischer Staat“

Interdisziplinäre Tagunganlässlich der Vollendung des80. Lebensjahres von Prof. Dr. Bernhard Sutoram 11. Juni 2010 an derKatholischen UniversitätEichstätt-Ingolstadt

Dass es sich bei dem Geehrten umeinen besonders anerkannten Wis -senschaftler und Eichstätter Uni -versitätslehrer handelt, war bereitsan der hochkarätigen Besetzungder Tagung zu erkennen. So lie ßenes sich anerkannte und prominenteKollegen und Weggefährten nichtnehmen, Bernhard Sutor ihre aka-demische Aufwartung zu machen,einem „prägenden und heraus ra -genden Mitglied der Uni versität,die ihm sehr Vieles zu ver dankenhat“, wie Vizeprä si den tin Prof. Dr.Gabriele Kien den Jubilar in ihremGrußwort würdigte.

Als sein Nachfolger auf demLehrstuhl für Politikwissen schaft/Politische Bildung zeichnete Prof.Dr. Joachim Detjen in seiner Lau -datio den beruflichen und wissen-schaftlichen Werdegang Sutorsnach und charakterisierte ihn als„einen der profiliertesten und pro-minentesten Vertreter der Wissen -schaft von der Politischen Bil -dung“.

Unter der Tagungsüberschrift„Politische Bildung und demokrati-scher Staat“ sprachen namhafteWissenschaftler aus Deutschlandund Russland. Der Dekan der Ge -schichts- und Gesellschaftswis sen - schaftlichen Fakultät, Prof. Dr. Leo -nid Luks gab Anmerkungen zumScheitern der ersten und zwei tenrussischen Demokratie und be -leuch tete die Vorgänge und Hinter -gründe der Revolution von 1917sowie die schwierigen Ver suche derDemokratisierung der Sow jet unionund Russlands in den 1990er Jah -ren. In beiden Epochen hatten nachLuks die demo krati schen Kräf te ihrpoliti sches Po ten zial nicht aus ge -nutzt, um die politi schen und ge -sell schaftlichen Ver hältnisse nach-haltig demokratisch zu beein flus -sen, so der Tenor sei ner These.

Daran anknüpfend konnte Dr.Walerij Salazkin aus Obninsk/Russ land kein erfreuliches Bild ei-ner demokratischen Entwick lungseiner Heimat in der Gegen wart

zeichnen. Analog zur poli tisch-ge -sellschaftlichen Praxis Russ lands,die praktisch keine demo kratischeWillensbildung und Ar tikulationkenne, könne man auch die Poli ti -sche Bildung nicht als demokra -tisch orientiert be zeichnen. Dasexistierende Unter richtsfach Ge -sellschaftskunde sei für eine demo-kratische politische Bildung un -tauglich, da es keine demokra ti -schen Lehrinhalte ver mittle; zu demfehle es an geeigneten Schul- undLehrbüchern und die Lehr kräf teseien völlig unzu reichend de mo -kratisch gebildet. Um die Chanceeiner Demokra tisierung des po li -tisch-gesell schaft lichen SystemRusslands wahren zu können, seiaber eine demokratische Bürger -bildung dringend notwen dig. Dazubedarf es nach Salazkin einer „brei-ten solidarischen Zu sam menarbeitvon deutschen und russischen Po -litikwissenschaftlern, Politik di dak -tikern sowie Lehrern der Politi -schen Bildung“, für die der russi -sche Gast nachdrücklich warb.

Der Bonner Verfassungs recht -ler Prof. Dr. Josef Isensee expli -zierte in seinem Vortrag über dieZivilreligion der Demokratie dieThese, dass sich das Religiöseauch im demokratischen Staatnicht gänzlich zurückdrängen las-se, sondern vielmehr als Zivilre -ligion zurückkehre. Dies beleuch-tete er anhand des säkularisiertenfranzösischen Staatsver ständ nis sesnach Rousseau, des US-amerikani-schen Bekenntnisses zu einerchristlich geprägten Demokratiesowie des deutschen Verfassungs -patriotismus und gesellschaftspsy-chologischer Symptome im Um -gang mit der NS-Zeit.

Zum Verhältnis pluralistischerDemokratietheorie und PolitischerBildung sprach Prof. Dr. PeterMassing. Dabei stellte der Ber li nerPolitikdidaktiker den Ein flussErnst Fraenkels auf die Poli tischeBildung heraus. Der Pluralismussei ein Grundpfeiler der Demo kra - tie und bedürfe der Stabili sie rung.Indem der mündige Bürger alsZielkategorie Politi scher Bil dungeine Voraussetzung für die plurali-stische Demokratie sei, stellt sichMassing zufolge eine politischeAnthropologie als Kern stück Poli -tischer Bildung sowie die politi -sche Charakter bil dung als Herz -stück politischer Erziehung dar.

Der Direktor der PolitischenAkademie Tutzing, Prof. Dr. Hein -rich Oberreuter, beklagte in sei -nem Referat zur Politischen Bil -dung im demokratischen Staat de-ren institutionelle Rahmen be din -gungen, die in der Schule völligunzureichend seien. Zudem trügendie mediale Berichter stat tung imFernsehen kaum mehr zu argu -men tativ-rationaler Politik ver mitt -lung bei. Für den Passauer Politik -wis senschaft ler sind indes auch diemangelnde Erklärungs fähigkeitder Politiker selbst und ein dempolitischen Entschei dungs prozessimplantierter Lob by ismus Gründefür die zuneh mende Intransparenzder Politik und deren Entfremdungvom Bür ger. Deshalb, so Ober -reuter, müsse die Politische Bil -dung ihr normatives Fundamentim Grund gesetz wieder verstärktbetonen sowie in der philoso phi -schen Aus richtung an den Kardi -naltugenden (Klugheit, Maß, Tap -ferkeit, Ge rechtigkeit). Dieses nor-mative Postulat finde in der Kon -zeption Sutors ihre besondereAkzen tu ierung.

Prof. Dr. Bernhard Sutor selbstplädierte in seinem Dankeswortnachdrücklich für eine sinnvolleVerbindung der Philosophie mitder Politik und der Bildungs theo -rie, die es für die Politikdidaktikfruchtbar zu machen gelte.

Walter Eisenhart

„Reifezeiten – Bildung,Politik Zeit“: Fachtagungan der Otto-Friedrich-Universität Bamberg

An der Otto-Friedrich-UniversitätBamberg fand am 13./14.04.2010eine Tagung für Praktiker undTheoretiker der politischen Bil -dung statt. Unter dem Motto „Rei -fezeiten“ mit dem Untertitel „Bil -dung, Politik und Zeit“ wurdenZusammenhänge zwischen Pro -

zessen der Formung der Persön -lichkeit von Individuen und derFormung des politischen Willensvon Gesellschaften diskutiert. Hin -tergrund ist die Beobachtung deszunehmenden Zeitdrucks in Schu -len und Parlamenten, beides Orte,an denen Weichen für die Zukunftgestellt werden. Folgende Fragenwurden aus erziehungs wissen -schaft licher, politikwissenschaftli-cher und fachdidaktischer Perspek -tive gestellt: Ist die Klage überZeitdruck in Bildung und Politiküberhaupt berechtigt? Wo kommtder Druck in beiden Bereichenher? Wo führt er hin? Verstärkt erdie Oberflächlichkeit und Kurz -sich tigkeit der Ergebnisse der je -weiligen Formungsprozesse? Undwelche Maßstäbe gibt es eigentlichfür einen angemessenen Umgangmit Zeit – damit Mündigkeit undMenschenwürde, Verantwor tungs -bereitschaft und Gemeinwohl, Zu -kunftskompetenz und Nachhal tig -keit reifen können? Referenten wa-ren u. a. Manfred Garhammer(Nürn berg), Ursula Drews (Pots -dam), Horst Rumpf (Frankfurt amMain), Detlef Sembill (Bamberg),Ulrich Mückenberger (Hamburg),Reinhard Zintl (Bamberg), FritzReheis (Bamberg), Frank Schiefer(Würzburg), Wolfgang Beutel(Jena), Andreas Brunold (Augs -burg) und Ludwig Heuwinkel(Bielefeld). Ein Tagungsband, derzusätzlich Beiträge von Dirk Lan -ge (Hannover) und KarlheinzGeißler (München) enthalten wird,erscheint voraussichtlich im Früh -jahr 2011 im Wochenschau-Verlag.

Weitere Informationen siehe:www.uni-bamberg.de/sowi/fachge-biete/weitere_faecher/didaktik_der_sozialkunde/

PD Dr. Fritz Reheis

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· Informationen · Informationen · Informationen ·

Bayern

Referenten der Sutor-Tagung: v.l.n.r.: Heinrich Oberreuter,Bernhard Sutor, Joachim Detjen, Josef Isensee, Leonid Luks,Walerij Salazkin, (nicht im Bild: Peter Massing)

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„Jugendwettbewerb NRW.Demokratie leben. UnsereWerte − unsere Rechte.“

Kooperationsprojekt derdvpb-nw e.v.mit der Landeszentrale fürpolitische Bildung NRW,Landes jugendring NRW e.V.,SCHULE ohne RASSISMUS −SCHULE mit COURAGE sowiedie WAZ Mediengruppe

4.000 Jugendliche beschäftigtensich im Rahmen ihrer 200 ein ge -reichten Projekte mit Grundlagenunserer Demokratie. Damit ver -zeichnet der „JugendwettbewerbNRW. demokratie leben.“ in sei -nem 3. Durchlauf eine Rekord -beteiligung. Die Zahl der Beiträgehat sich gegenüber dem letztenWettbewerb im Schuljahr 2007/2008 nahezu verdoppelt. Die Zahlder Teilnehmenden hat sich sogarverdreifacht. In ihren Beiträgen

setzten sich die Kinder und Ju -gend lichen kreativ mit denGrund lagen der Demokratie aus-einander. Zum ersten Mal richtetesich der Wettbewerb auch an Kin -der im Grundschul alter aufgrundder be sonderen Initiative derdvpb-nw e.v. Die weiteren derinsgesamt sechs Kategorien wa -ren Jugend gruppen, Sekundar -stufe I und II der allgemeinbilden-den Schulen, Förderschulen undBerufskolleg.

„Die Beteiligung ist überwälti-gend“, freut sich Maria Springen -berg-Eich, Leiterin der Landes -zentrale für politische BildungNordrhein-Westfalen. Die großeZahl der eingereichten Beiträgestehe für das große Interesse amThema ,,Werte“.

Aber nicht nur die Quantität,auch die Qualität der Arbeiten warsehr beeindruckend. Ein falls reich,kreativ in der Um set zung, aberauch nach denklich sind die Teil -

neh men dendes Wett be -werbs an dieAufga be he -ran gegan -gen. „Wirwollten Kin -der und Ju -gend liche zuden Grund -la gen unse-rer Demo -kra tie zuWort kom -men lassen.Und es hatsich bestä -tigt: Sie ha -ben uns eini-

ges dazu zu sagen“, so Sprin -genberg-Eich weiter. Ganz beson-ders freue sie sich über die großeBeteiligung der Grund schulen, diezum ersten Mal dabei waren undauf Anhieb ein Fünftel der Bei -träge einreichten, betont Springen -berg-Eich.

Dabei wählten die jungenKrea tiven sehr unterschiedlicheFormen für ihre Beiträge: Es ent -standen Musikvideos und Film-Produktionen, Drehbücher undComics, Performances und Thea -terprojekte auf DVD, Reportagen,Brettspiele, Collagen, Plakat se rienund Kunstobjekte. Die Bei trägebeschäftigen sich kritisch mit derWirklichkeit von Freiheit und Ver -antwortung, Gerechtig keit, Tole -ranz und Menschen rechten in derDemokratie. Die Projektarbeiten,die aus ganz Nordrhein-Westfalenein gereicht wurden, wurden am29. April 2010 durch die Haupt -jury, in der u.a. die Koopera tions -partner vertreten waren wie auchHeinz Hil gers, Präsident,Deutscher Kin der schutzbund e.V.,Tayfun Keltek, Vorsitzender derLandes ar beits ge mein schaft derkommu na len Migran ten vertre -tungen (LAGA NRW), be wertet.Die Verleihung der Preise – bis zu6.000 Euro pro Ka tegorie – erfolgtam 27. Juni 2010 in Düsseldorf.

Anmer kungen: Schade ist nur,dass die in den bisherigen Wett -bewerben ein ge reic hten Sek II-Beiträge sehr zurückgegangensind. Wün schenswert wäre es au -ßerdem, die Beiträge als Ideen -börse den politischen BilderInnenin NRW zugänglich zu machen.

Helmut A. BieberGeschäftsführer der dvpb-nw e.v.,

Mitglied der Hauptjury

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Verband

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Nordrhein-Westfalen

Mecklenburg-Vorpommern

v.l.n.r.: Dr. Harald Bergsdorf, LzPB-NRW, Dr.Gierden-Jülicher, Staatssekretärin u. Vorsitzendeder Hauptjury, Ralph Horst kötter, dvpb-nw e.v.,Sprecher der Vorjurygruppe. Foto: Bieber

Schleswig-Holstein

Am 9. September findet im Bil -dungszentrum Tannenfelde derLandesfachtag Wirtschaft/Politikstatt. Thema: „Europa in der Glo -balität. Wohin entwickelt sich dereuropäische Wirtschafts- undBildungsraum?“ Veranstalter istdas IQSH; von dort werden auchdie Einladungen an die Schulengehen. Die DVPB wird sich miteinem workshop inhaltlich betei-ligen.

Für November planen wir(zusammen mit Schulgeografenund Historikern) eine Fachtagungzum Thema „Global Change inLa tein amerika“. Näheres dazu imnächs ten Heft von POLIS.

Klaus-Peter Kruber

LV Mecklenburg-Vorpommern plantMitgliederversammlungund Fortbildung

Nun endlich stehen Termin undOrt der Fortbildungs veranstaltungder DVPB Mecklenburg-Vorpom -mern. Am 03. und 4. Septemberwird in der Europäischen Aka -demie in Waren/Müritz die Fort -bildung für Lehre r/in nen sowieMultiplika to r/innen der politi -schen Bil dung unter dem Titel

„Wozu politische Bildung“ statt -fin den. Im Rahmen dieser Ver an -staltung ist auch die diesjährigeMitgliederver samm lung des Ver -bandes mit der tur nusgemäß an -stehenden Vor stands wahl vorgese-hen. Sie wird am Samstag abendab 20 Uhr stattfinden, eine geson-derte Ein ladung an alle Mitgliedererfolgt selbst verständ lich nochrecht zeitig.

Im Mittepunkt der Tagungwird die Frage der Urteilsbildungstehen. Für den zentralen Vortrag

am Freitag- Nachmittag konntenwir Prof. Dr. Massing aus Berlingewinnen. Im Rahmen der Fort -bildungsveranstaltung werdenLehrer/innen sowie außerschu li -sche politische BildnerInnen ei -gene Konzepte vorstellen, in de -nen die Urteilsbildung eine zen -trale Rolle einnimmt. Für denSams tagvormittag ist ein Vortragvon Dr. Heyl von der Mahn- undGedenkstätte Ravensbrück ge -plant. Ausklingen soll die Veran -staltung am Samstagnachmittagmit einer Diskussionsrunde mitPolitikern aus Mecklenburg-Vorpommern zu einem aktuellenThema.

An dieser Stelle sei bereits aufden „Jahreskongress PolitischeBildung 2010“ hingewiesen, derwieder in Kooperation der Lan -des zentrale für politischeBildung mit der DVPB am30.10.2010 in Pasewalk stattfin-den wird. Thema ist in diesemJahr das Nach bar landMecklenburg-Vorpommerns:Polen.

Nähere Informationen undHinweise erhalten Sie gernedirekt vom Landesverband derDVPB. Sie erreichen uns permail: [email protected]

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Verband

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Hessen Rheinland-Pfalz

Mainz, den 17. Juni 2010

Geplante Reform dergymnasialen Oberstufe inRheinland-Pfalzdurch das Ministerium fürBildung, Weiterbildung,Jugend und Kultur zum Schuljahr 2011/12

Stellungnahme der DVPB,Landesverband Rheinland-Pfalz

Die geplanten Änderungen dergymnasialen Oberstufe im FachSozialkunde sieht der Landesver -band kritisch. Durch eine Misch -fachkonstellation „GK Sozial -kunde/Erdkunde“ in denGrund kursen Gemeinschafts -kunde (ab 12/1 bis Jgst. 13),kombiniert mit der flexiblerenRegelung der Einrichtung derKurse „nach personeller Aus stat -tung“ der Schulen, droht ausSicht des Landesverbands zu -künftig eine Situation, in der So -zialkundeunterricht in hohemMa ße von fachfremden Kollegin -nen und Kollegen unterrichtetwerden müsste. Aus dem Ermes -sensspielraum der Schulleitungenheraus sänke zudem das Bedürf -nis, vollausgebildete Fachkolle -ginnen und -kollegen mit derLehr befähigung Sozialkunde an-zufordern.

Der Vorstand des LandesverbandsRLP ist der Meinung, dass diewichtige Aufgabe der PolitischenBildung in der Schule in ersterLinie durch Sozialkundeleh re rin -nen und Sozialkundelehrer getra-gen werden muss. Der in Politik,Wirtschaft und Gesellschaft häu-fig beklagten unzureichenden po-litisch-ökonomischen Bildungvieler Abiturientinnen und Abitu -rienten kann nur durch einen zeit-gemäßen, problem- wie auchhandlungsorientierten Sozialkun -de unterrichtbegegnet werden, dervon fachlich qualifizierten So -zial kundelehrerinnen und -leh -rern gestaltet wird. Solide poli -tisch-ökonomische Bildung in derSekundarstufe II darf sich nichtauf die verhältnismäßig kleineAnzahl der Teilnehmerinnen undTeilnehmer von Leistungskursenim Fach Sozialkunde beschrän -ken. Wird die Übernahme vonPolitikunterricht in der Sekundar -stufe II durch fachfremde Kolle -ginnen und Kollegen zur Regel,

verschließt man – aus Sicht desLandesverbands – dem qualifi -zierten Lehrernachwuchs im FachSozialkunde an den Universitätenund Studienseminaren die beruf-liche Perspektive als Unterrich -tende an den Schulen.

Der DVPB LandesverbandRhein land-Pfalz fordert seit Jah -ren eine Ausweitung des Politik -unterrichts. Vergleicht man dieStundentafeln der gemeinschafts-kundlichen Fächer, so fällt einUngleichgewicht deutlich insAuge. Das Fach Sozialkunde istbeispielsweise in der Stunden -tafel für Gymnasien der Sekun -dar stufe I nur mit 3 (!) Stundenvertreten: 2-stündig in Klasse 9und 1-stündig in Klasse 10. Diessteht in deutlichem Gegensatz zuden Stundentafeln für Erdkundeund Geschichte, die von Klasse5-10 mit 9 Stunden (Erdkunde)bzw. 7 Stunden (Geschichte) ver-treten sind. Durch strukturellenUnterrichtsaufall und die grund -sätzlich höheren Ausfallrisikenbei 1-stündigen Fächern befürch-tet der Landesverband – sollte dieReform unverändert realisiertwerden – zunehmend Schüler bio -grafien, in denen Schülerinnenund Schüler in ihrer gesamtenSchulzeit fast keinen vollwer ti -gen durchgängigen Politikunter -richt erhielten.

Der DVPB-Landesvorstand RLPappelliert an die Verantwortli - chen, organisatorischen Argu -men ten – beispielsweise vonSeiten der Schulleitungen – nichtden Vorrang zu geben vor einersoliden politisch-ökonomischenBildung in der Sekundarstufe II.Sozialkunde als Zentrierfach fürpolitisch-ökonomische Bildungs -inhalte darf durch die Reformnicht noch weiter beschnittenwerden. In diesem Sinne plädiertder DVPB-Landesvorstand RLPauch für eine Beibehaltung dergemeinschaftskundlichen Fächerim Abiturprüfungsprofil.

Der Landesverband Rheinland-Pfalz hat sich bereits an FrauMinisterin Ahnen gewandt undhofft auf eine positive Entwick -lung in dieser Sache.

Bettina Anslinger-WeissDVPB, Landesverband

Rheinland-Pfalz, Vorsitzende desVorstands

Deutsch – polnischesSeminar

Politik in der deutsch-polnischen Grenzregion –Projekte und Probleme amBeispiel des Unteren Odertals

Bielin, 29.09.2010 –3.10.2010

Programm des Seminars:

Mittwoch, 29.09.2010bis 18.00 Uhr: Anreise 20.00Uhr: Begrüßung, Vorstel lung derTeilnehmer und des Pro gramms

Donnerstag, 30.09.20109.00 – 9.45 Uhr: Einführungs -referat „Stand der grenzüber -schreitenden Zusammenarbeitentlang der Oder“ Przemyslaw Konopka (Journalist,Dolmetscher – Chojna)9.45 – 10.30 Uhr: Gespräch

10.30 – 12.00 Uhr: „Was ist unsgelungen, was funktioniertnicht?“ – ein Streitgespräch derJournalisten aus Deutschland undPolen (Dietrich Schröder –„Märkische Oderzeitung“ undBogdan Twardochleb – „KurierSzczecinski“)12.00 – 13.00 Uhr: Diskussion

14.30 – 18.30 Uhr: Zusammen -arbeit im Bereich Ökologie undTourismus: das Projekt „Tal derLiebe“ in Zaton Dolna (Polen) und„Hugenottenpark“ in Schwedt/Oder. Besuch beider Orte, Führungdurch die Objekte und Gesprächmit den Projekt leitern. 20.00 – 21.30 Uhr: Gespräch derTeilnehmer über bisherige Er -fahrungen

Freitag, 1.10.20109.00 – 12.00 Uhr: Fahrt nachChojna und Schwedt/Oder:„Grenzüberschreitendedeutsch-polnische Schul pro -jekte“. Beispiel: „TalsandschuleSchwedt/Oder und Allg. Bilden -des Lyzeum in Gryfino; Sonder -pädagogische Schule „AmSchloß park“ (Schwedt/Oder) undSonderpädagogisches Zentrum inChojna. Vorstellung der Projekte,Gespräch mit den Schulleiternund Lehrern in den Schulen.Information über die Schul pro -jekte: Magdalena Zietkiewicz,Lehrerin in der Talsandschule.

14.00 – 16.00 Uhr: Stettin – dieRolle einer Metropole bei dergrenzüberschreitenden Zusam -menarbeit. Gespräch mit demHonorarkonsul der Bundes -republik Deutschland in Stettin,Bartłomiej Sochański und mitdem Historiker Prof. Jan M.Piskorski (Universität Stettin.16.30 – 18.30 Uhr: Stadtrundgang18.30 – 19.30 Uhr: Rückfahrtnach Bielin20.30 – 22.00Uhr: Diskussion derSeminarteilnehmer, Auswer tungder bisherigen Programm punkte

Samstag, 2.10.20109.00 – 10.30 Uhr: Zusammen -arbeit der Kommunen. Vorstel -lung der Projekte zwischen denStädten und Kommunen im Rah -men des Programms INTERREGIVA, Gespräch mit den Bürger -meistern von Joachimsthal,Schwedt/Oder, Chojna undMoryń. Beispiele: „Geopark ander Oder“ (Joachimsthal undMoryń), geplantes Deutsch-Polni -sches Zentrum in Krajnik Górny(Chojna und Lazarus-Werk). 11.00 – 12.30 Uhr: Gespräch mitden Bürgermeistern

14.00 – 16.00 Uhr:„Deutsch-pol-nisches Grenzland – TerraIncognita?“ – Treffen mit denVertretern der Gesellschaft „TerraIncognita“ aus Chojna. Debatteüber die Geschichte und dieZukunft der Region UnteresOdertal. Gast: Dr. PawelMigdalski, Vorsitzender derGesellschaft „Terra Incognita“.

16.30 – 18.00 Uhr: VortragGespräch und Gespräch: Dr.Marek Prawda, Botschafter derRepublik Polen in Deutschland(Berlin)

Sonntag, 3.10.20108.00 Uhr: Fahrt nach Frankfurt/Oder9.30 – 11.30 Uhr: „Grenze?Welche Grenze?“. Slubfurt –das Projekt einer grenzüber -schreitenden Metropole.Gespräch mit dem Künstler und„Erfinder“ von Slubfurt, MichaelKurzwelly. Stadtrundgang inFrankfurt/Oder und Słubice.

12.30 Uhr: Ende des Seminars

Stand: 15.2.2010Dr. Kraschewski

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Verband

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Fortsetzung Rheinland-Pfalz

Vorankündigung der „11. Tage der PolitischenBildung Rheinland-Pfalz“

Die „11. Tage der PolitischenBildung Rheinland-Pfalz“, diesich mittlerweile als wichtigeFortbildungsveranstaltung fürSozialkundelehrerinnen und -leh-rer in Rheinland-Pfalz einen Na -men gemacht hat, finden in die -sem Jahr am 4. und 5. Okto ber2010 am EFWI in Landau/ Pfalzstatt.

In Kooperation mit dem Er -ziehungswissenschaftlichen Fort-und Weiterbildungsinstitut derevangelischen Kirchen in Rhein -land-Pfalz (EFWI), dem Institutfür Politikwissenschaft der Uni -ver sität Koblenz-Landau (Cam -pus Landau) und der Landes -zentrale für politische BildungRheinland-Pfalz, organisiert derLandesverband RLP der DVPBeine Tagung zum Themenfeld„Werte und Wertevermittlung inder Politischen Bildung“.

Im Blickpunkt der Tagungwerden politisch brisante Wer te -konflikte stehen, die sich geradein den letzten Jahren im Span -nungs feld von Religionsfreiheitund weltanschaulicher Neutra li tätdes Staates entzündet haben undimmer wieder präsent sind.Verschiedene Fachreferentenwer den das Thema aus philoso -phischer, soziologischer und poli-tikwissenschaftlicher Perspek tivebeleuchten. Neben Fach vor trägenmit anschließender Dis kussionsind verschiedene Work shops mitunterrichtspraktischenThemenstellungen sowie einePodiumsdiskussion mit Teil neh -mern aus Politik, Wissenschaft,Wirtschaft und Gesellschaft zumHandlungsfeld „Migration undIntegration“ geplant. Im Rahmeneiner didaktisch-methodischenWerkstatt wird zudem ein inno -vatives Medienprojekt eines So -zialkunde Leistungskurses prä -sen tiert, welches in Kooperationmit dem Offenen Kanal Speyerrealisiert wurde.

Bettina Anslinger-WeissDVPB, LV RLP

Vorsitzende des Vorstands

Neuer Landesvorstandder DVPB-Thüringengewählt

Im Anschluss an die Jenaer Ge -spräche zur Politischen Bildungfand am 20.4.2010 eine Mit glie -derversammlung unseres Landes -verbandes statt, an der gut 1/4 derMitglieder der DVPB-Thüringenteilnahmen.

Die Versammlung begann miteinem Tätigkeitsbericht des Lan -desvorsitzenden Anselm Cypion -ka über den Zeitraum November2007 bis April 2010. Er stellteAktivitäten sowie die Entwick -lung des Verbandes kurz dar.

Zu den regelmäßigen Aktivi -täten zählen die Jenaer Ge sprä -che: Zweimal jährlich werdenhier interessante Gesprächspart -ner aus Politikdidaktik, Politikoder Gesellschaft in Kooperationmit der Landeszentrale Thürin -gen, dem Thillm (Thüringer Ins -titut für Lehrerfortbildung, Lehr -plan entwicklung und Medien)und der Professur für Politik di -dak tik, gefunden.

Ebenfalls regelmäßig wurdenStammtische zumeist mit den Ko -operationspartnern veranstaltet. DieVerlegung dieser Gespräche vonErfurt nach Jena hat sich bewährt,da ein Großteil der Besu cher derStammtische Studenten sind.

Als Gäste hatten wir z. B. denKultusminister Bernward Müller,der auch Mitglied unseres Ver -ban des wurde. Auch der MDRLandesfunkhausdirektor WernerDieste war unser Gast sowieFranz-Josef Schlichting , der Lei -ter der Landeszentrale für politi-sche Bildung Thüringen mit derReferatsleiterin Fr. Dittmar sowieHerr Volker Emde (MdL CDU),Mitglied im Bildungsausschussdes Thüringer Landtages. Ein Ge -sprächsforum wurde im Dezem -ber 2009 mit der der Geschäfts -führerin des Zentrums für Leh rer -bildung und Didaktikforschungder FSU Jena, Dr. Karin Kleine -spel, in Kooperation mit der Pro -fessur für Politikdidaktik derFSU und dem Thillm (ThüringerInstitut für Lehrerfortbildung,Lehr planentwicklung und Me -dien) veranstaltet. Hier diskutier-ten Beteiligte des PraxissemestersPerspektiven dieser Reform derLehrerausbildung in Thüringen.

Die Besucherzahl bei denStammtischgesprächen, die einegute Gelegenheit darstellen, mit-

einander oder mit bildungspoliti-schen Entscheidungsträgern insGespräch zu kommen, konnte soerhöht werden. Als Gäste hattenwir z. B. den Staatssekretär KjellEberhardt, den damaligen Oppo -sitionsführer im Thüringer Land -tag, Christoph Matschie, die Bil -dungspolitikerin der PDS imThü ringer Landtag, Frau Rei -mann oder die Vizepräsidentindes Deutschen Bundestages undLandessprecherin von „Bündnis90/Die Grünen“ Thüringen,Katrin Göring-Eckardt sowie denDirektor des Thillm, Dr. Bernd-Uwe Althaus.

Darüber hinaus haben wir ver-schiedene Weiterbildungen auchin Kooperation mit der Professurfür Politikdidaktik und demThillm (Thüringer Institut fürLehrerfortbildung, Lehrplanent -wicklung und Medien) unter demThema „Wie Sozialkunde in derOberstufe unterrichten“ angebo-ten, um Kolleginnen und Kol le -gen bei der Einführung des Fa -ches Sozialkunde als Fach mit er-höhtem Anforderungsniveau zuunterstützen.

Damit konnte der Stand desFaches Sozialkunde in der gymn-asialen Oberstufe ausgebaut wer-den: Gab es vor der Einführung 7Leistungskurse in Sozialkunde anThüringer Gymnasium, so gibt es2010 23 Kurse mit erhöhtem An -forderungsniveau.

Dem neuen erweiterten Vor -stand gehören wieder zwölf Ver -treter aus einem breiten Spektrumvon Bereichen der politischenBildung in Thüringen an:

Die Studenten Tilman Stephanund Enrico Hinz, die Doktoran -den und Lehrbeauftragten amIns titut für Politikwissenschaftder Friederich-Schiller-UniveritätMark Partetzke, ChristianSchmie der und Dennis Hauk so-wie der Professurinhaber Pro -fessor Dr. Carl Deichmann. Als inder Schulpraxis stehende gehörenwieder die Fachberaterin MonikaDetzner, der wissenschaftlicheMitarbeiter Christian Tischner,der Lehrbeauftragte und Dokto -rand Toralf Schenk sowie derFach leiter Anselm Cypionka, diebeiden letztgenannten als Vorsit -zende, dem Vorstand an. Ebensowurden die Fachreferentin fürSozialkunde Dr. Sigrid Biskupekals Schatzmeisterin sowie derFachreferent i.R. Dr. Hans-PeterEhrentraut-Daut als Vorständewiedergewählt.

Als Kassenprüfer wurden dieLehrer Matthias Werner undThomas Thieme gewählt.

Durch diese breite Palette vonExperten aus unterschiedlichen

Bereichen der (schulischen) poli-tischen Bildung ist gewährleistet,dass unterschiedliche Interessenund vielfältige Impulse in dieVor standsarbeit einfließen kön -nen und die in Thüringen ange -strebte stärkere Verknüpfung allerdrei Lehrerbildungsphasen ausge-baut werden kann.

Anselm Cypionka,Landesvorsitzender

DVPB-Thüringen

„Was ist und wie entstehtBürgerbewusstsein“

Ein Bericht zum Vortrag vonProf. Dr. Dirk Lange bei den„Jenaer Gesprächen zur politischen Bildung“

Bei den „Jenaer Gesprächen zurPolitischen Bildung“ war am23.04.2010 Prof. Dr. Dirk Langevon der Leibniz Universität Han -nover zu Gast. Nach einigen ein-leitenden Worten von Prof. Dr.Carl Deichmann referierte derprominente Gastredner zum The -ma „Was ist und wie entstehtBürgerbewusstsein?“.

Zunächst wurde der relativjunge Begriff des „Bürgerbe -wusst seins“ erläutert, indem Prof.Lange auf den älteren und bereitsfest in der Politikdidaktik veran-kerten Terminus des „PolitischenBewusstseins“ rekurrierte. Das„Bürgerbewusstsein“ passe je -doch besser zum Schulfach undder akademischen Profession, daes im Gegensatz zum „Poli ti -schen Bewusstsein“ dem diffe -ren zierten Charakter des Facheseher entspräche. Der gebräuchli-che Begriff des „Politischen Be -wusstseins“ sei hingegen zu starknur auf den Gegenstand der Po -litik bzw. die Politikwissenschaftbezogen. Das Bürgerbewusstseinzeichne sich dem gegenüber da -durch aus, dass unter diesem Ter -minus das Insgesamt der men ta -len Vorstellungen über Politik,Ge sellschaft und Wirtschaft zusubsumieren sei. Jene mentalenModelle seien es schließlich, dieindividuelle Orientierungs- undHandlungssicherheit böten. EineGrundlegung des Bürgerbewusst -seins als zentraler Kategorie derpolitischen Bildung hätte zudemden Vorteil, eine Kompetenz-statt einer Defizitorientierung zugewährleisten.

Ein derart definiertes Bürger -bewusstsein, so die Hauptthesevon Prof. Lange, stelle eineSchlüs selkategorie der politi -schen Bildung dar. Als Grund -kategorie fungiere es als

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Verband

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Anfangs- und Endpunkt politikdi-daktischer Handlungen. Fernersollten die Basiskonzepte zurBeschreibung und Analyse vonFachlichkeit aus dem spezifischenBürgerbewusst sein der Lernendenentwickelt werden. DerPolitikdidaktik als empirischerWissenschaft käme hierbei dieAufgabe zu, die mentalenModellierungen, die als Vor -stellungen über Staat, Wirt schaftund Gesellschaft innerhalb desSubjektes vorhanden seien, zu er-forschen. Somit solle die Poli tik -didaktik als eine Wissenschaftkonzeptualisiert werden, die diesubjektiven politischen Sinnwel -ten zum Gegenstand habe.

Das Bürgerbewusstsein seidurch die zentralen SinnbilderVergesellschaftung, Wertbe grün -dung, Bedürfnisbefriedigung,Gesellschaftswandel und Herr -schaftslegitimation greifbar.Innerhalb dieser Sinnbilder seiendie zentralen Forschungsfragen„Wie integrieren sich Individuenin die Gesellschaft?“, „Welcheallgemein gültigen Prinzipien lei-ten das Zusammenleben?“, „Wiewerden Bedürfnisse durch Güterbefriedigt?“, „Wie vollzieht sichsozialer Wandel?“ und „Wie wer-den partielle Interessen allgemeinverbindlich?“ erkenntnisleitend.Den Sinnbildern könnten wieder-um Lernformen innerhalb derpolitischen Bildung zugeordnetwer den. So korreliere das Sinn -bild der Vergesellschaftung mitdem Gesellschaftlichen Lernen,die Wertbegründung mit demPolitisch-Moralischen Lernen, dieBedürfnisbefriedigung mit demÖkonomischen Lernen, derGesellschaftswandel mit demHistorisch-Politischen Lernenund schließlich das Sinnbild derHerrschaftslegitimation mit demPolitischen Lernen.

Die Begründung des lerntheo-retischen Modells erfolgte in An -lehnung an die Forschungen vonJean Piaget, nach denen das Sub -jekt in seinem Verhältnis zur Um -welt einen Äquilibriumszustandanstrebt. Somit könne eine auchpädagogisch angestrebte Ände -rung des Bewusstseins durch eineUmwelterfahrung herbeigeführtwerden. Diese Umwelterfahrungwürde anschließend auf vier Re -flexionsebenen der Beteiligung,Aneignung, Vermittlung und Er -schließung verarbeitet. Festzu hal -ten bleibe, dass Lernen in der po-litischen Bildung als Prozess zureflektieren sei, an dem Lernendebeteiligt seien und sich durch Er -fahrungsverarbeitung Lernge gen -stände aneignen könnten. Die Re -flexionsebene der Vermittlung

würde bei Begriffen und Konzep -ten einsetzen. Schließlich sei Ler -nen in der politischen Bildung einProzess, der Sinnbildungskom pe -tenzen erschließe.

Für die politische Bildungsieht Prof. Lange vier Aufgaben,die zueinander in Beziehung ste -hen. An erster Stelle sei hierbeidie empirische Aufgabe genannt,in deren Mittelpunkt die Analysedes vorhandenen Bürgerbewusst -seins stehen soll. Die Legiti ma -tion des erwünschten Bürgerbe -wusstseins sei hingegen die nor -mative Aufgabe der politischenBildung. Reflexive Aufgabe sei es,das mögliche Bürgerbewusstseinzu explorieren, während dieStruk turierung von Lernchancendes Bürgerbewusstseins die an -wendungsbezogene Aufgabe desBürgerbewusstseins darstelle.

Als Koreferent referierte derehemalige Jenaer Student EnricoHinz Teile seiner Examensarbeitzu den Bewusstseinslagen vonSchülerinnen und Schülern. Zielseiner Arbeit war es, grundlegendeOrdnungsvorstellungen bei Schü -le rinnen und Schülern zu analysie-ren und jene zu kategorisieren.Hierzu wurden ca. 120 Schüle rin -nen und Schüler an 3 Gymnasienin die Untersuchung eingebunden.Um die Ordnungs vorstellungenherausfiltern zu können, verarbei-tete Enrico Hinz in seiner Exa -mens arbeit grafische Darstel lun -gen der Schüler und mit diesen ge-führten, qualitative In terviews.Ergebnis seiner Arbeit war dieTypisierung der Schüler in vier de-mokratische Sinnbil dungs typen(altliberal, linksli be ral, plura lis -tisch-integrativ, egali tär).

In der sich anschließenden Dis -kussion zeigte sich das Ple num be-eindruckt durch den Vor trag desHannoveraner Professors, aller -dings wurden auch kritische Nach -fragen zum Verhältnis zwi schenPolitikwissenschaft und Politik di -daktik gestellt. Erklärtes Ziel vonProf. Lange sei es, die Politikdi -dak tik aus der Abhängig keit derPolitikwissenschaft hin sichtlich ih-res Kategoriesystems zu lösen undmit der Etablierung des Bürger be -wusst seins als einer zentralen Ka -te gorie neu zu kon zeptualisieren.Weiterhin wurde nachgefragt, in -wiefern Prof. Lan ges Modell alsindividual-kon struktivistischerEntwurf zu werten sei. Hierbeiwurde zunächst von Prof. Deich -mann und anschließend durch denRedner selbst auf die Verbindungzur politi schen Kulturforschungverwiesen, sodass das Bürgerbe -wusstsein, das als das Insgesamtder mentalen Vorstellungen hin -sichtlich Gesellschaft, Politik und

Wirt schaft zu verstehen sei, inner-halb der politischen Kultur ent -stün de. Bei der Frage nach erstenErgeb nissen zum Charakter desBürger bewusstseins musste Prof.Lange allerdings auf laufende For -schungen verweisen.

Christian Schmieder(Lehrbeauftragter am Institut für

Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena,

Professur Didaktik der Politik;Mitglied des erweitertenVorstands des Thüringer

Landesverbandes der DVPB)

Bericht zum 10. „Jenaer Tag derPolitikwissenschaft“

Am 10. Juni 2010 jährte sich zumzehnten Mal der „Jenaer Tag derPolitikwissenschaft“. Anlässlichdieses Jubiläums dankte der Di rek -tor des Jenaer Instituts für Po litik -wissenschaft der Friedrich-Schil -ler-Universität, Prof. Dr. ManuelFröhlich, gleich zu Be ginn allen ander Planung und Durchführung desTages beteiligten Institutionen undPersonen. Neben dem Institut fürPolitik wis senschaft (vertretendurch eine Vielzahl seiner Mitar -beiter und Studierenden), der Thü -ringer Lan deszentrale für politi -sche Bildung (LZT, vertretendurch Frau Beate Dittmar) unddem Thüringer Ins titut für Lehrer -fortbildung, Lehr planentwicklungund Medien (ThILLM, vertretendurch Frau Dr. Sigrid Biskupek)wurde insbesondere die Professurfür die Di daktik der Politik deshie sigen Instituts erwähnt. So seidas ebenfalls im Rahmen des „Je -naer Ta ges der Politikwis sen -schaft“ stattfindende „Politikdi -dak tische Sym posium“, das immerden ers ten Teil der Veranstaltungbildet, auf die Initiative CarlDeich manns, Professor für Didak -tik der Politik, zurückzuführen,wofür ihm die entsprechende An -er ken nung gezollt wurde.

In bewährter Tradition begannsodann das „PolitikdidaktischeSym posium“. Vor einem gut ge -füllten Saal hielt Dr. Andreas Eis,Lehrstuhlvertreter am Institut fürPolitikwissenschaft, SchwerpunktPolitische Bildung an der Johann-Wolfgang-Goethe-UniversitätFrankfurt a.M., seinen politik di -daktischen Fachvortrag zum The -ma Transformation von Staatlich -keit in Europa: Urteils- und Hand -lungs kompetenzen für eine euro -päische Bürgerschaft (vgl. denBei trag von Dennis Hauk). Nacheiner kurzen Diskussions runde lie-ferte Prof. Dr. Andreas Petrik, Pro -

fessur Didaktik der So zialkunde ander Martin-Luther-Universität Hal -le-Wittenberg, mit seinem Fach -vortrag Der Weg ist das Ziel: DieMethode als (didaktisch ver nach -lässigte) Brücke zwischen Gegen -stand und politischer Kompetenz -entwicklung weitere interessantepolitikdidaktische Ge sichtspunktezum Thema des Politikdidak ti -schen Symposiums „Entwicklungpolitischer Kompe tenzen im Poli -tik unterricht“ (vgl. den Beitragvon Philipp Kärst). Beide Vorträgeließen deutlich erkennen, in welch’intensiver Dis kussion sich die Po -litikdidaktik derzeit bezüglich die-ser Thematik befindet.

Nach einer kurzen Pause be -gann der zweite und damit po li tik -wissenschaftliche Teil des Ta ges.In seinem Vortrag Geschich te,Politik, Geschichtspolitik, dem dasPublikum aufmerksam gefolgt ist,stellte PD Dr. Torsten Oppel land,Akademischer Oberrat am Institutfür Politikwissenschaft der FSUJena, die Zusammen hän ge zwi -schen den verschiedenen Ko n zep -ten durch einen systema tisch ge -wählten Ansatz dar (vgl. den Bei -trag von Christian Schmie der).

Danach setzten die Berichteehemaliger Studierender des Ins -tituts, die heute in Schule, Wirt -schaft und Politik tätig sind, dendritten Teil des „Jenaer Tages derPolitikwissenschaft“ fort. Daranschloss sich die Verleihung derdiesjährigen Examenspreise an, dievom Förderverein des Instituts fürPolitikwissenschaft e.V. all jährlichgestiftet werden. In seiner neuenFunktion als Vorsitzender des För -dervereins nahm der stellvertreten-de Ministerpräsident des Freistaa -tes Thüringen, Christoph Mat -schie, die Verleihung der Exa -mens preise vor. Diese gingen anKsenia Chepikova (Einiges Russ -land – Aspekte der Identitätskon -struk tion einer Partei der Macht),Cornelia Seidel (Die EuropäischeKommission als politischer Un ter -nehmer. Strategisches Vorge henund kontextuelle Faktoren in denVerhandlungen um eine Ener gie -po litik der Europäischen Union),Benjamin Bock (Die bedrohte De -mokratie. Heinrich Ströbels Ver -hältnis zur jungen Weimarer Re -publik) und Dennis Hauk (Zur Ak -tualität des Kri sen begriffs: Po li tik -didaktische und unterrichts prak ti -sche Aspekte der Bedeutung politi-scher Krisen). Im Anschluss daranwurde der festliche Teil des Tagesdurch ein Gruß wort des Rek torsder Fried rich-Schiller-Uni versitätJena, Prof. Dr. Klaus Dicke, fort -gesetzt, der seine besondere Ver -bun den heit mit dem Ins titut – daselbst Politikwissen schaft ler – zum

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Aus druck brachte. Regelrecht er -grif fen war das Pub likum, als derRek tor Herrn PD Dr. Torsten Op -pelland – für nahezu alle An we -sen den völlig überra schend – zumaußerplanmäßigen Profes sor er -nannte. Ihren Höhe punkt fand dieVeranstaltung im Fol genden mitdem Festvortrag der Minister prä -sidentin des Frei staates Thüringen,Christine Lie berknecht, zum The -ma Thüringen 2020.

Mit dem Empfang im Kol le gi -enhof der FSU Jena, bei dem inentspannter und feierlicher At mo -sphäre viele interessante Ge sprä -che geführt, wissenschaftlicheInhalte ausgetauscht oder einfachnur alte Freundschaften gepflegtwurden, klang der diesjährige „Je -naer Tag der Politikwissen schaft/Lehrerpolitiktag“, der wieder alsein voller Erfolg zu be zeichnen ist,am späten Abend aus.

Marc Partetzke (Doktorandund Lehrbeauftragter am Institut

für Politikwissenschaft derFriedrich-Schiller-Universität

Jena, Professur Didaktik derPolitik; Mitglied des erweiterten

Vorstands des ThüringerLandesverbandes der DVPB)

Andreas Petrik – „Der Wegist das Ziel“

Als zweiter Gastredner sprachProf. Dr. Andreas Petrik von derMartin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zu dem Thema „DerWeg ist das Ziel. Die Methode als(didaktisch vernachlässigte) Brü -cke zwischen Gegenstand und po-litischer Kompetenzentwicklung“.

Im Mittelpunkt seiner Ausfüh -run gen stand die Frage, wie Leh -rende kompetenzorientierten Un -terricht gestalten können. Diesstel le sich, so Petrik, v.a. deshalbals sehr schwierig dar, weil die an-haltenden politikdidaktischen Dis -kussionen um den Kompe tenz -begriff bisher zu keinem konsensu-ellen Ergebnis geführt hät ten. Sei -ne Ausführungen verstünden sichvor diesem Hintergrund als Hil fe -stellung für Lehrende, mithilfe derKonzentration auf die methodischeGestaltung des Un terrichts po li -tische Inhalte zu gäng lich zu ma -chen und damit einen Kompetenz -erwerb zu ermöglichen.

Der bisher bekannteste Vor -schlag eines Kompetenzmodellsstammt von der GPJE und be -nennt die Urteilsfähigkeit, dieHandlungsfähigkeit und die Me -thodenkompetenz. Jedoch betontePetrik, dass dieser Ansatz immermehr an Zuspruch verliere, da er

als zu wenig domänenspezifischempfunden würde. Er persönlichsehe sich vielmehr als Vertreterdes Kompetenzansatzes, der vomFachrat Integrierte Sozialwissen -schaften/Politikwissenschaft/So -ziologie entwickelt wurde. DieserAnsatz geht von insgesamt fünfKompetenzbereichen aus. Bezo -gen auf den Politikzyklus benöti-gen die Schüler nach Petrik dieFähigkeiten der Perspektiven über -nahme (1) und der Analyse (2),um sich ein vorliegendes Problemzu erschließen. Durch die Kon -flikt lösekompetenz (3) ist es demLernenden möglich, das Problemzu beurteilen. Mithilfe der Be fä -higung zur Partizipation (4) undUrteilsbildung (5) soll es demSchül er gelingen, zu entscheiden,wie das Problem zu lösen ist.

Petrik ist der Meinung, dassvor allem handlungsorientierte Un -terrichtsmethoden zur Heraus bil -dung und Schulung dieser Kom -petenzen führen. Hierbei ordnet erdie Methoden drei gro ßen Berei -chen zu, die sich gegenseitig er -gän zen und beeinflussen. Rollen -spiele sowie Fall- und Le bens welt -analysen bezeichnet er als „Metho -den, die von der Le benswelt aus -ge hen“. Der Metho denbereich„Ins ti tutionelles Wis sen und Fälleentscheiden“ be in haltet zum Bei -spiel die Fallstudie und die Kon -fliktanalyse. In den dritten Bereich„Sozialwissen schaftliches Wissenund Probleme lösen“ zählt er unteranderem die Szenariotechnik.

Im weiteren Verlauf seines Vor -trages stellte Petrik anhand vonunterrichtspraktischen Bei spielennoch einmal dar, dass die gewähl-ten Methoden die Inhalte des Un -terrichts konstruieren. Die metho-dische Gestaltung der Lern situa tio -nen gäbe ebenfalls vor, wel cheKom petenzen in der Un terrichts -situation geschult werden können.Hierbei fasste er ab schlie ßendnoch einmal zusam men, dass dermethodische Um gang mit Wissenin konkreten Situationen dazu füh-re, dass der Ler nende gewünschteKompe ten zen entwickeln könnte.

Philipp Kärst (studentischeHilfskraft am Institut für

Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena,

Professur Didaktik der Politik;Mitglied des Thüringer

Landesverbandes der DVPB)

Torsten Oppelland –„Geschichte, Politik,Geschichtspolitik“

Im politikwissenschaftlichenFach vortrag des diesjährigen „Je -naer Tages der Politikwissen -schaft/Lehrerpolitiktages“ refe -rierte PD Dr. Torsten Oppellandzum Thema Geschichte, Politik,Geschichtspolitik.

Zunächst wurde eine Klärungdes Begriffes „Geschichtspolitik“angestrebt. Hierbei rekurrierte derReferent auf den Geschichts be -griff der Antike, die bereits dieGeschichte als „Lehrmeisterin derGegenwart“ ansah. Auch Fried -rich Nietzsches „Vom Nutzen undNachteil der Historie für das Le -ben“ wurde als Beispiel ange -führt, wie Geschichte zum „Nut -zen“ gegenwärtigen Daseins fun-gieren könnte. Weitere Grund bau -steine zur Klärung des Begriffesseien weiterhin die Überlegungenvon Maurice Halbwachs und An -tonio Gramsci zum „kollektivenGedächtnis“, bzw. zur „kultu rel -len Hegemonie“. Beide letzt ge -nannten Autoren stellten Über le -gungen zur historischen Selbst -deu tung einer Gesellschaft an.Diese Selbstdeutung spiegelt sichauch im Begriff der Deutungs -kultur wider, die für Karl RohesKonzept politischer Kultur einenintegralen Bestandteil darstellt.Abschließend kann man somit mitEdgar Wolfrum die „Geschichts -politik“ als strategisch angelegtespolitisches Handeln begreifen, daseine Änderung oder Verstärkungder Deutungskultur einer sozialenGruppe durch unmittelbarenRück griff auf die Vergangenheitzum Ziel habe. Dies müsse nichtunbedingt immer die Gesamtge -sellschaft betreffen, wie an derDiskussion um Straßennamenoder Museumsprojekte ersichtlichist. Ein weiterer Aspekt, der beieiner grundsätzlichen Klärung desBegriffes „Geschichtspolitik“nicht zu vernachlässigen ist, seider Umstand, dass geschichtspoli-tischem Handeln nicht das Zielzugrunde läge, historische Wahr -heit zu generieren.

Demgegenüber stellt bspw. die„Erinnerungspolitik“ nur eine Un -terkategorie der Geschichtspolitikdar, oder mit anderen Worten, be-wegt sich die „Erinnerungskultur“innerhalb des Gesamtrahmens derDeutungskultur der Gesellschaft.Beispiele hierfür sind die so ge -nannten „Stolpersteine“, die andas Schicksal jüdischer Bürgerzur Zeit des Holocaust erinnern.„Vergangenheitspolitik“ stellt hin-gegen nach Prof. Dr. Norbert Freider rechtliche und administrative

Übergang von einem Unrechts -staat in rechtsstaatliche Verhält -nisse dar. Der Umgang mit denTätern der Zeit der nationalsozia-listischen Herrschaft kann als Be -leg hierfür dienen.

Im dritten Teil seines Vortra -ges zeigte der Referent Beispielefür geschichtspolitische Initia ti -ven auf. Ein erstes Exemplumfand PD Dr. Oppelland in derRede Gustav Heinemanns anläss-lich des 100jährigen Jubiläumsder Reichsgründung von 1871.Ein weiteres, jüngeres Beispielstellt hingegen die Neubewertungder Weimarer Republik dar. Be -reits seit einigen Jahren ist inner-halb der Geschichtswissenschafteine deutliche Verlagerung derAnalyseperspektive hinsichtlichder Jahre 1919 bis 1933 feststell-bar. So wird die Weimarer Re pu -blik nicht länger lediglich als„Vor geschichte des National sozia -lismus“ beschrieben, sondern vorallem jüngere Forschungsarbeitenbasieren auf einer eigenständigenBetrachtung des nach 1848 zwei-ten deutschen Demokratie projek -tes. Gegenüber dieser wissen -schaftlichen Betrachtungsweiseist der Versuch der Friedrich-Ebert-Stiftung, die WeimarerRepublik als positive Gegenfoliezur Gegenwart darzustellen alsklarer Versuch zu werten, ge -schichts politisch Einfluss auf dieDeutungskultur der Gesellschaftzu nehmen.

In der Diskussion wurde derBezug zur Politikdidaktik her -gestellt. Der wissenschaftlicheBegriff der „Geschichtspolitik“könnte, so Prof. Dr. Carl Deich -mann, eine sinnvolle Ergänzungdes historischen Ansatzes darstel-len.

Christian Schmieder(Lehrbeauftragter am Institut für

Politikwissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena,

Professur Didaktik der Politik;Mitglied des erweitertenVorstands des Thüringer

Landesverbandes der DVPB)

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Engagierte und involvierteProjektevaluation

Michael Marker: Die Schuleals Staat. Demokratie kom -petenz durch lernendesHandeln. Schwal bach/TS.:Wochenschau Verlag, 2009;319 S.; 29,80 EURO

Den Ausgangspunkt der vorlie gen -den Untersuchung bildet die zu -neh mende Demokratieskepsis inder deutschen Bevölkerung sowiedie, auch im internationalen Ver -gleich, geringen Erfolge des deut-schen Schulsystems bei der Ver -mittlung demokratischer Hand -lungskompetenzen.

Um Antworten zu der sich dar-aus ergebenden Frage, wie die Er -ziehung zur Demokratie in derSchu le gestärkt werden kann, zufinden, hat der Autor, MichaelMar ker, sich intensiv mit den Wir -kungen des demokratiepäda go -gisch inspirierten Projekts „Schuleals Staat“ auseinander gesetzt.

Er untersuchte dazu, in wel cherWeise das Projekt demokratischeHandlungskompetenz bei Ju gend -lichen fördert und inwieweit„Schule als Staat“ einen Beitragzur Reduzierung der Distanz vonJugendlichen gegenüber dem poli-tischen Bereich leisten kann.Darüber hinaus unternimmt Mar -ker den Versuch, mit seiner Arbeiteinen Beitrag zur Klärung des

Rich tungsstreits in der Politik di -daktik um „Politik“ oder „Demo -kratie“, indem er der Frage nach -geht, inwiefern der demokratie -pädagogische Ansatz politik di dak -tische Relevanz entwickeln kann.

Der Autor selbst ist Lehrereines baden-württembergischenGymnasiums, an dem im Sommer2007 eine Projektwoche zu demProgramm „Schule als Staat“durchgeführt wurde, und die da mitden Forschungsrahmen bildet fürdie Studie, welche 2009 an derUniversität Heidelberg als Disser -tation angenommen wurde.

Die Methodik der empirischenArbeit besteht aus einem umfang -reichen Sample quantitativer undqualitativer Herangehensweisen.Neben einer dem eigentlichenPro jekt vorangehenden Befragungvon Schülern der Klassen 8 bis 12des Gymnasiums setzt Marker da-bei während der Durchführungvon „Schule als Staat“ zunächstauf teil nehmende Beobachtungund Interviews, danach auf einestan dardisierte Befragung zu denEr fahrungen und Wirkungen desPro jekts sowie, ein halbes Jahrspäter, auf qualitative Interviewszu den Hintergründen und Ursa -chen von Prozessen des Demokra -tie-Ler nens.

Aufbau und VorgehensweiseDas Buch beginnt mit einer Ein -führung in die Themenstellung so-wie einer Präsentation des Un ter -

suchungsdesigns.Im zweiten Ka pitelwerden die Ergeb -nisse der Vorstudiedargestellt, nach de-nen das Verhältnisder Schüler zu Po -litik dem Durch -schnitt der Be völ -kerung und damitder aus ge mach tenProblematik ent -spricht, weshalbMar ker die Not wen -digkeit betont, De -mokratie-Lernendurch neue Erfah -rungs felder und ei -genes Han deln zuerweitern. In Ka pi -tel drei diskutiertder Autor dieTheorie der De mo -kratie pä dagogik undbetont, dass sich derhier verwendeteDemo kratie begriff

nicht nur auf das politi sche Systembezieht, sondern ebenfalls die ge -sell schaftlichen Bedingun gensowie das individuelle Verhaltenumfasst, also die Vorstellung von„De mokratie als Lebens form“.Zudem behandelt er den bildungs-politischen Para dig men wechselvon einem wissensbasierten zu ei-nem kompetenzorientierten Lern -erständnis, welches er für die ZielePolitischer Bildung und besondersfür demokratische Handlungs be -reitschaft als sehr positiv ein -schätzt. Er vertritt in diesem Zu -sammenhang die Auf fassung, dassDemokratie an hand handlungsori-entierter Maß nah men gelernt wer-den müsse, wobei der Erwerbdemokratischer Hand lungs kom -petenz als Aufgabe der gesamtenSchule zu begreifen wäre undnicht nur des Fach unter richts. DieTeilkompetenzen de mokratischerHandlungs kompe tenz orientiertMarker an den 2005 von derOECD veröffent lichten Schlüssel -kompetenzen.

Kapitel vier wiederum portrai-tiert die an der Forschungsstätteherrschenden schulischen Rah men - bedingungen sowie das Kon zept„Schule als Staat“. Darunter ist einbekanntes Planspiel zu verstehen,in dem sich die ganze Schu le füreinen bestimmten Zeit raum ineinen von den Schü lern organisier-ten Staat ver wan delt, wobei alle imSinne der Sys tem funktionalität be -nötigten Auf gaben unter den Schü -lern auf ge teilt werden.

Die Ergebnisse der Projektun -ter suchung werden im folgendenKapitel behandelt. Demnach konn-te „Schule als Staat“ die für Schü -ler abstrakten politischen, gesell -schaftlichen und ökono mi schenVorgänge eines richtigen Staatesanschaulicher und nach voll zieh -barer machen. Zudem sei die de -mo kratische Hand lungs kompetenzdurch die Teilnahme tatsächlichgefördert und die Dis tanz gegenü-ber der Politik redu ziert worden. Inder Nachfolge untersuchung stellteMarker einen nicht umfassendennachhaltigen Lerneffekt fest, waser im wesentlichen auf eine nichtausreichende Reflexion des Pro -jekts zurück führt. Darüber hinaussieht er den Erfolg des Projektseng an die Anschlussfähigkeit andie gesamte Schule als pädago gi -sche Hand lungseinheit gekoppeltund plä diert entsprechend für dieEnt wicklung einer das Demo kra -tie-Lernen fördernden Schulkultur.

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RezensionenNeue Literatur – kurz vorgestellt

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Magazin

polis 2/2010

Dieser Gedanke, der auf dieDemokratiepädagogik als zentraleAufgabe der Schule verweist, wirdin Kapitel sechs weiter ausformu-liert. Basierend auf diesen Überle-gungen sieht Marker das Demo -kra tiekonzept als didak ti schesZentrum der Politischen Bildung.Demgemäß spricht er sich dafüraus, dass sich Politik unterricht imKern am zentralen Begriff der De -mokratie orien tie ren sollte, zumaldieser aufgrund eines höherenGrads an norma ti ver und konkretgesellschaftlich bezogener Iden ti -tät eine größere Legitimationskraftbesäße als der Politikbegriff.

Im siebten Kapitel werden dieQualität der Evaluation von „Schu -le als Staat“ überprüft und Emp -fehlungen zur Entwicklung vonDiagnose- und Testverfahren be -züglich der Messung demokrati -scher Handlungskompetenz gege-ben, bevor im Schlusskapitel nocheinmal die Relevanz neuerer de -mokratiepädagogischer Ansätzefür die Zukunft der PolitischenBildung hervorgehoben wird.

Kritische EinschätzungDie insgesamt überzeugende Un -tersuchung von Marker lässt lei deran manchen Stellen die not wendi -ge kritische Distanz zum Unter su -chungsgegenstand ver missen, wassich aber zum Teil mit der persön-lichen Involviert heit des Autors er-klären lässt, die andererseits aberauch Voraus set zung für die Durch -führung der Studie war. Allerdingswäre eine tiefergehende Ausein -andersetzung mit dem Kompe tenz -

begriff wünschenswert gewesen.So bleibt zum Beispiel unklar, wa -rum vor dem Hintergrund zahlrei-cher Kom petenzmodelle gerade ei-ne Orientierung an den Kompe -tenz kategorien der OECD vorge -nommen wurde. Auch fehlt eineDar stellung des Ringens innerhalbder Fachdidaktik um die Mess bar -keit von Kompetenzen in der Po -litischen Bildung. Entsprechendbleiben auch die eigenen Vor schlä -ge zur Kompetenzmessung eheroberflächlich. Gerade Hand lungs -kompetenz, die erst im politischenAlltag erkennbar wird, ist in ihrenzwangsläufig normativen Aus prä -gungen bislang nicht zu fassen,weshalb die gewählten Methoden,auch wegen des er wähnten Man -gels an Distanz, zu hinterfragensind. Folglich muss die Aussage,eine Förderung de mokratischerHand lungskompe tenzen im Pro -jekt „Schule als Staat“ wäre durchdie Studie nach gewiesen worden,angezweifelt werden.

Trotz dieser Schwächen be -sticht das Buch, infolge des Ver -zichts auf einen in vielen Disser -tationen vorzufindenden übertrie-benen Wissenschaftsjargon, durcheine sehr gute Lesbarkeit. Für denRichtliniendiskurs in der Politi -schen Bildung werden wertvolleHinweise gegeben. Zudem findensich äußerst hilfreiche Erkennt -nisse bezüglich der Umsetzung de-mokratiepädagogischer Ansätze inder schulischen Praxis.

Tammo Grabbert

POLIS 3/2010Inter kulturelle politischeBildung (erscheint am 1.10.2010)

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POLIS 3/2011Politische Bildung untererschwerten Bedingungen(erscheint am 1.10.2011)

POLIS 4/2011Was hält die Gesellschaft nochzusammen?(erscheint am 22.12.2011)

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POLISReport der Deutschen Vereinigung für Politische BildungHerausgegeben von der Deutschen Vereinigung für Politische Bildung durch den Bundesvorsitzenden Prof. Dr. Dirk Lange(www.dvpb.de) 14. Jahrgang 2010

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