POLITIK UND LANDWIRTSCHAFT IN OSTPREUSSEN 1919 …978-3-663-07558-5/1.pdf · RKab RKom RKomOH RLB...
Transcript of POLITIK UND LANDWIRTSCHAFT IN OSTPREUSSEN 1919 …978-3-663-07558-5/1.pdf · RKab RKom RKomOH RLB...
POLITIK UND LANDWIRTSCHAFT IN OSTPREUSSEN 1919-1930
SCHRIFTEN DES INSTITUTS FOR POLITISCHE WISSENSCHAFT
HERAUSGEGEBEN YOM WISSENSCHAFTLICHEN LEITER PROF. DR. OTTO STAMMER, BERLIN
BAND 23
Politik und Landwirtschaft
in OstpreuBen 1919-1930
Untersuchung eines Strukturproblems
in der Weimarer Republik
Von Dieter Hertz-Eichenrode
Mit einer Einleitung von Hans Herzfeld
SPRINGER FACHMEDIEN WIESBADEN GMBH
ISBN 978-3-663-06645-3 ISBN 978-3-663-07558-5 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-07558-5
Verlags-Nr. 053023
@ 1969 b y Springer Fachmedien Wiesbaden UrsprUnglicherschienenbeiWestdeutscher Verlag GmbH, Kăln und Opladen 1969
Softcover reprint of tbe hardcover 1 st edition 1 9 6 9
INHALT
Erlautemngen ................... ; ................................. IX Einleitung. Von Hans Herzfeld ....................................... XIII Vorwort des Verfassers ............................................. XVI
Erster Teil
ZUR POLITISCHEN GESCHICHTE OSTPREUSSENS NACH DEM ERSTEN WEL TKRIEG .................................. .
I. Ostpreu£en und der Ausgang des Ersten Weltkrieges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 I. Der "Oststaat-Plan" (1919) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 2. Die Folgen des Friedensvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 13
a) Gebietsverandemngen und Volksabstimmung ................... 13 b) Der polnische Korridor .................................... 15
II. Ostpreu£ische Autonomiepliine wahrend der ersten Nachkriegsjahre ...... 23 1. Die wirtschaftspolitische Autonomie (1920) ...................... , 23 2. Der ostpreu£ische Provinzialwirtschaftsrat (1920-1922) ............. 31 3. Die politische Autonomie Ostpreu£ens (1921-1922) ............... , 34
III. Die besondere Behandlung Ostpreu£ens als Grenzgebiet ................. 40 I. Die bemfungslose Sonderlage Ostpreu£ens (1920-1930) ............. 40 2. Die Ostpreu£ische Vertretung in Berlin (1920-1930) ............... , 42 3. Die nationale Propaganda im Grenzgebiet .......... . . . . . . . . . . . . . .. 48
IV. Die politischen Krafte in Ostpreu£en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 51 1. Die Staatsbeamten .......................................... , 51
a) Die Oberprasidenten ...................................... 51 b) Regierungsprasidenten und Landrate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 61
2. Parteien und Verbande ........................................ 65 a) Die Parteien ............................................ , 65 b) Der Heimatbund Ostpreu£en . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 72 c) Der Landwirtschaftsverband ................................ 75
3. Agrarpolitische Institutionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 86 a) Die Landwirtschaftskammer ................................ 86 b) Die Ostpreu£ische Landschaft .............................. , 89
VI Inhalt
Zweiter Teil
BEVOLKERUNG UND WIRTSCHAFT IN OSTPREUSSEN . . . . . . . . . . . . . . . .. 99
I. Die Bevolkerungsverhaltnisse und das Abwanderungsproblem ............. 101
II. Die gewerbliche Wirtschaft ....................................... III 1. Die Verkehrsverhaltnisse und die Frage der Frachttarife .............. 111 2. Der Handel und Ostpreu£en als Brlicke nach Osteuropa .............. 116 3. Die Industrie und das Problem der Industrialisierung ................. 124 4. Die Kreditverhaltnisse ........................................ 130
III. Die Landwirtschaft ............................................. 133 1. Die Verteilung der Betriebsgro£en: Gro£grundbesitzer und Bauern ..... 133 2. Die natiirlichen Grundlagen: Boden und Klima ..................... 138 3. Die Produktion: Ackerbau und Viehzucht ......................... 140 4. Rentabilitat und Verschuldung der Landwirtschaft .................. 145
a) Die Rentabilitat .......................................... 145 b) Die Verschuldung ........................................ 148
Drifter Teil
DIE ST AATLICHE FORDERUNG OSTPREUSSENS VON 1891 BIS 1927 ............................................... 159
I. Die Anfange der staatlichen Forderung vor 1918 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 160 1. Die Ansatze fiir ein Ostpreu£enprogramm von 1891 bis 1908 ........ 160 2. Das Ostpreu£enproblem im Ersten Weltkrieg ................... 164
II. Die staatliche Hilfe von 1919 bis 1925 .............................. 170 1. Die Versuche von 1919bis 1922 ................................ 170 2. Das Ostpreu£enprogramm von 1922 ............................. 174
III. Die staatliche Hilfe flir die ostdeutschen Grenzgebiete in den lahren 1926 und 1927 ................................ 181 1. Die N otlage der ostlichen Grenzgebiete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 181 2. Der Deutsche Ostbund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 183 3. Preu£ens Antrag auf Reichshilfe fUr die Grenzgebiete ................ 185 4. Das Sofortprogramm von 1926 ................................. 188
a) Die Entstehung des Sofortprogramms ......................... 188 b) Ostpreu£en und das Sofortprogramm ......................... 193
Die steigende Aufmerksamkeit fUr Ostpreu£ens Lage ............. 193 Die Kredithilfe fUr die gewerbliche Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 195 Die Kredithilfe fUr die Landwirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 196
Die Umschuldungskredite flir Bauern ......................... 199 5. Die Grenzhilfe von 1927 ................................. 204
a) Der Umfang und Empfangerkreis der Grenzhilfe .............. 204 b) Ostpreu£en und die Grenzhilfe .......................... 209 c) Die Grenzhilfe und das Verhaltnis zwischen Preu£en
und dem Reich .................................... 211
Inhalt VII
Vierter Teil
DIE OSTPREUSSENHILFE VON 1928 UND 1929 217
I. Die Ostpreu~enhilfe und Grenzhilfe von 1928 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 218 1. Die Entstehung der Ostpreu~enhilfe ............................. 218
a) Die 6ffentliche Aufmerksamkeit flir Ostpreu~ens Lage ............ 218 b) Die ostpreu~ischen Vorschllige .............................. 221 c) Die RegierungsbeschlUsse Uber die Ostpreu~enhilfe ............... 224
2. Die Grenzhilfe von 1928 ...................................... 237
II. Die AusfUhrung der O.stpreu~enhilfe ................................ 240 1. Die finanzielle Sicherung der Umschuldungsaktion .................. 240
a) Die Ausgabe von Pfandbriefen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 240 b) Die Beschaffung zweitstelliger Umschuldungskredite .............. 242 c) Der Betriebserhaltungsfonds ................................ 245 d) Die Bauernkredite ........................................ 246
2. Die Organisation und Verteilung der Ostpreu~enhilfe ................ 247
III. Zur Problematik der Ostpreu~enhilfe ............................... 256 1. tiber die Konzeption der Ostpreu~enhilfe ......................... 257 2. tiber einige Mi~stlinde bei der Ostpreu~enhilfe ..................... 262 3. Organisatorische und politische Konflikte bei der Ostpreu~enhilfe ..... 267
a) Die Genossenschaften und die RUckbUrgschaft ............. ... 267 b) Die Preui,1,ische Zentralgenossenschaftskasse und die Ostpreui,1,enhilfe .269 c) Die Umschuldung und die ostpreui,1,ischen Bauern .............. 275 d) Das Gesetz Uber die Ostpreui,1,enhilfe vom 18. Mai 1929 .......... 278 e) Der Staatskommissar zur StUtzung des ostpreui,1,ischen GUtermarkts .. 285
Die Berufung des Staatskommissars ....................... 285 Die Tlitigkeit des Staatskommissars ....................... 289 Der Konflikt zwischen der Treuhandstelle und der Landschaft ..... 300
4. Ostpreui,1,enhilfe und Agrarreform ........................... 306
a) Tendenzen der Siedlungspolitik nach dem Ersten Weltkrieg ....... 307 b) Agrarkrise und Siedlung .............................. 315
IV. Auf dem Wege zur Osthilfe .................................. 329
Quellen- und Literaturverzeichnis ................................ 339 Personenregister ..... ...................................... 345 Sachregister .............................................. 350
ERLAUTERUNGEN
Zitierweise der Anmerkungen
1m Interesse einer schnellen Orientierung wird einer mehrfach zitierten Schrift in Klammern die Nummer der Anmerkung mit dem ersten, vollstiindigen Zitat beigefUgt. Dabei gibt die romische Ziffer den Teil, die arabische die Anmerkung selbst an. Die Abkiirzung a.a.O. wird nur verwendet, wenn sich die Angaben auf die gleiche Quelle wie in der unmittelbar vorhergehenden Anmerkung beziehen; ebda. bedeutet nicht nur die gleiche Quelle, sondern auch dieselbe Seitenzahl.
Wichtige Abkiirzungen
AA ADGB BAK BEF BVP ChrNatBuL VP DAZ DBP DDP DLV DNVP DOB DOK Drucks DVFrP DVP EnquA, I, II
EW GE GenDir GenLschDir GenLschPr GStA
Auswiirtiges Amt Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund Bundesarchiv Koblenz Betriebserhaltungsfonds Bayerische Volkspartei Christlich-nationale Bauern- und Landvolkpartei Deutsche Allgemeine Zeitung Deutsche Bauernpartei Deutsche Demokratische Partei Deutscher Landarbeiterverband Deutschnationale Volkspartei Deutscher Ostbund Deutsche Ostmesse Konigsberg Drucksache Deutsch-volkische Freiheitspartei Deutsche Volkspartei Enquele-Ausschu~. Ausschu~ zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft. Verhandlungen und Berichte des Unterausschusses fUr allgemeine Wirtschaftsstruktur (I. Unteraussc~lU~); Verhandlungen und Berichte des Unterausschusses fUr Landwirtschaft (II. Unterausschu~). Einheitswert Gesetzentwurf Generaldirektor Generallandschaftsdirektor bzw. -direktorium Generallandschaftspriisident Geheimes Staatsarchiv Berlin
x
HdA HK HptA HptVerw IHK Kbg KbgAllgZtg Kbg Hart Ztg KomOH KPD KrKredA LandwA LBank LFinA LHptm LNFI LRat Lsch LSt LVO
LWK MinDir MRat MSPD NatVers NDB NSDAP NSFrP OH OHL OPr OPrRat ORegRat Ostpr OstprH OstprLArbA OstprLGes OstprLsch OstprVertr Ostpr Ztg OStRK OstVerwSt Pr PreuL\FM PreuL\JustM PreuL\L T I, II, III PreuL\LVers PreuL\MdI PreuL\MdoA
Haus der Abgeordneten Handelskammer HauptausschuL\ Hauptverwaltung Industrie- und Handelskammer Konigsberg Konigsberger Allgemeine Zeitung Konigsberger Hartungsche Zeitung Kommissar fUr die Osthilfe Kommunistische Partei Deutschlands KreiskreditausschuL\ Land wirtschaftsausschuL\ Landesbank Landesfinanzamt Landeshauptmann Landwirtschaftliche Nutzffiiche Landrat Landschaft Landstelle
Erliiuterungen
Landwirtschaftsverband OstpreuL\en bzw. die gleichnamige Verbandszeitschrift Landwirtschaftskammer Ministerialdirektor Ministerialrat Mehrheits-Sozialdemokratische Partei Deutschlands Verfassunggebende N ationalversammlung Neue Deutsche Biographie Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Nationalsozialistische Freiheitspartei Osthilfe Oberste Heeresleitung Oberprasident bzw. -prasidium Oberprasidialrat )Oberregierungsrat OstpreuL\en, ostpreuL\isch OstpreuL\enhilfe OstpreuL\isches Landesarbeitsamt OstpreuL\ische Landgesellschaft OstpreuL\ische Landschaft OstpreuL\ische Vertretung Ostpreuflische Zeitung Oststelle bei der Reichskanzlei Ostverwaltungsstelle Prasident PreuL\ischer Finanzminister(ium) PreuL\ischer Justizminister PreuL\ischer Landtag, 1. - 3. Wahlperiode Verfassunggebende PreuL\ische Landesversammlung PreuL\ischer Minister(ium) des Innem PreuL\ischer Minister(ium) der Offentlichen Arbeiten
Erliiuterungen
Preuf.\MfHuG Preuf.\MfLDuF
Preul.\MfVW Preul.\MfWKu VB
Preul.\MPr Preul.\StBank Preul.\StKomOH Preul.\StKom VErn Preul.\StM Preul.\StRat Preul.\StReg Preul.\ZGK Prov ProvA ProvKredA ProvLT ProvVerb ProvVerw RArbM RBahn RBank RechH RegBez RegDir RegPr RegRat Rep. RGBI RHA RHPI RK RKab RKom RKomOH RLB RM RMdF RMdI RMfEuL RMin RPr RRat RReg RSchatzA RSG RT I, II, III, IV RVerkM RWehrM
XI
Preul.\ischer Minister(ium) fUr Handel und Gewerbe Preul.\ischer Minister(ium) fUr Landwirtschaft, Domiinen und Forsten Preul.\ischer Minister(ium) fUr Volkswohlfahrt Preul.\ischer Minister(ium) fUr Wissenschaft, Kunst und Volksbildung Preul.\ischer Ministerpriisident Preul.\ische Staatsbank Preul.\ischer Staatskommissar fUr die Osthilfe Preul.\ischer Staatskommissar fUr Volkserniihrung Preul.\isches Staatsministerium Preuruscher Staatsrat Preul.\ische Staatsregierung Preul.\ische Zentralgenossenschaftskasse Provinz Provinzialausschul.\ Provinzialkreditausschul.\ Provinziallandtag Provinzialverband Provinzialverwaltung Reichsarbeitsminister(ium) Reichsbahn Reichsbank Rechnungshof des Deutschen Reiches Regierungsbezirk Regierungsdirektor Regierungspriisident Regierungsrat Repositur Reichsgesetzblott Reichshaushaltsausschul.\ Reichshaushaltsplan Reichskanzler, Reichskanzlei Reichskabinett Reichskommissar Reich~kommissar fUr die Osthilfe Reichslandbund Reichsmark Reichsminister(ium) der Finanzen Reichsminister(ium) des Innern Reichsminister(ium) fUr Erniihrung und Landwirtschaft Reichsminister(ium) Reichspriisident Reichsrat Reichsregierung Reichsschatzamt Reichssiedlungsgesetz Reichstag, I. - 4. Wahlperiode Reichsverkehrsminister(ium) Reichswehrminister(ium)
XII
RWiM SA SPD StAL StKom StM StS TrhSt USPD UStS VdSt VertrOPr VizePr Vors WirtschA. d. ostpr. Ldw. WTB Z ZdL
Reichswirtschaftsminister(ium) Sturmabteilung Sozialdemokratische Partei Deutschlands Staatliches Archivlager Gottingen Staatskommissar Staatsminister Staatssekretar Treuhandstelle
Erliiuterungen
Unabhiingige Sozialdemokratische Partei Deutschlands Unterstaatssekretiir Verein deutscher Studenten Vertreter des Oberpriisidenten VizePriisident Vorsitzender Wirtschaftsausschuf.\ der ostpreuf.\ischen Landwirtschaft Wolffs Telegraphisches Bilro Zen trums-Partei Zentralverband der Landarbeiter
EINLEITUNG
Der Plan zu diesen Studien tiber "Politik und Landwirtschaft in Ostpreut\en" verdankt seine Entstehung Gerhard Schulz, dem auch die AusfUhrung des Vorhabens yom Institut fUr politische Wissenschaft an der Freien Universitat Berlin anvertraut worden war. Als er 1962 den Ruf auf seinen heutigen Lehrstuhl an der Universitat Ttibingen erhielt, plante er zunachst, diese Arbeit selbst weiterleitend zu vollenden. Er hat diese Absicht erst 1963, bedauernd aus Rticksicht auf die Verpflichtungen seines neuen Amtes, aufgegeben. Die Fortsetzung ist, seinem Rat entsprechend, seinem Assistenten und Mitarbeiter seit dem Jahre 1959, Herm Dr. Hertz-Eichenrode, tibertragen und von ihm in der jetzt vorliegenden Gestalt zu Ende gefUhrt worden. Durch diese Entstehungsgeschichte ist eine Begrenzung des ursprUnglichen Arbeitsplanes erzwungen worden, die fUr das Institut wie fUr den Verfasser einen bedauerlichen Verzicht bedeutet hat. Wahrend das Thema ursprUnglich bis zum Jahre 1933 verfolgt werden sollte, ergab sich, daB die Arbeitskraft des nun allein mit der FortfUhrung beauftragten Verfassers durch die Aufgabe tiberfordert wurde, das weitschichtige und verantwortungsreiche Thema bis zu seinem eigentlichen Abschlut\ durch die nationalsozialistische Machtergreifung in einem Zuge zu behandeln, so daB der vorliegende Band mit dem Sturz des Kabinetts Hermann Mtiller und dem Beginn der Regierung Bruning im Jahre 1930 abschliet\t. Das Institut fUr politische Wissenschaft betrachtet dies selbst als eine Notlosung und erwagt die Fortsetzung der Arbeit bis zu dem anfanglich gesteckten Ziele. Es solI aber auch an dieser Stelle ausdrticklich darauf verwiesen werden, dat\ aus der Feder von Gerhard Schulz eine knappe Skizze tiber das Ganze seiner Konzeption in der einem erweiterten Vortragstext folgenden Studie: "Die deutschen Ostgebiete. Zu ihrer historisch-politischen Lage" (Pfullingen 1967) vorliegt. Noch naher fUhrt an das Problem einer staat lichen Hilfe fUr die deutschen Ostprovinzen sein Aufsatz "Staatliche Sttitzungsmat\nahmen in den deutschen Ostgebieten. Zur Vorgeschichte der ,Osthilfe' der Regierung Bruning" heran, der in der Festschrift fUr Heinrich Bruning, "Staat, Wirtschaft und Politik in der Weimarer Republik" (Berlin 1967), erschienen ist und als kritischer tiberblick tiber die den Grenzgebieten gewidmete Sttitzungspolitik grundlegende Bedeutung besitzt. Ferner hat Schulz in seinem Buch: "Zwischen Demokratie und Diktatur. Verfassungspolitik und Reichsreform in der Weimarer Republik" (Berlin 1963) einen besonderen Abschnitt dem Problem des "ostpreuBischen Autonomismus" - vor allem fUr die Jahre von 1918 bis 1920 - gewidmet, der tiber seine Beurteilung des Verhaltnisses zwischen der 1919 isolierten Provinz Ostpreut\en, dem preut\ischen Staat und dem Reich der beginnenden Zwischenkriegszeit bedeutsame Auskunft zu geben geeignet ist. Das Institut fUr politische Wissenschaft hat sich entschlossen, den vorliegenden Band selbstandig zu verOffentlichen, weil er nach seiner tl'berzeugung durch seinen politikwissenschaftlichen und historischen Gehalt geeignet ist, eine wesentliche Bereicherung unserer Kenntnisse und eine dankenswerte kritische Vertiefung in der Beurteilung eines leidenschaftlich umstrittenen, aber bisher noch keineswegs abschliel.\end erforschten Problems in der Geschichte der Weimarer Republik herbeizufUhren. Gestiitzt auf
XIV Einleitung
die Durcharbeit eines sehr umfassenden, mit vorsichtiger, aber entschiedener Kritik bearbeiteten archivalischen Materials, hat sich der Verfasser nicht auf den engeren Rahmen der Zwischenkriegszeit beschriinkt, sondem setzt bereits 1890 mit der Vorgeschichte der 1930 ihren Hohepunkt erreichenden Ostpreu1\en-Krise ein, die in dieser Provinz neben dem typischen Entwicklungsgang der ostelbischen Provinzen Preu1\ens seit dem Friedensschluf.\ von 1919 durch die Trennung yom Hauptkorper des Reiches und Preu1\ens noch eine besondere Erschwerung erfahren hat. Erst auf dieser Grundlage ist es moglich gewesen, in geniigendem Umfange zu erkliiren, wie sich auf dem Boden Ostpreu1\ens die Generalkrise der ostlichen Provinzen mit den Folgen der Niederlage des Ersten Weltkrieges verbunden und sich daraus die ganze Dauer, Hartnackigkeit und Schiirfe der ostpreuf.\ischen Krise ergeben hat. Ein weiteres Verdienst der Arbeit scheint die Aufmerksamkeit zu sein, mit der hier die Gruppierung der politischen Krafte und die Aktivitat der landwirtschaftlichen Verbande betrachtet wird. Dadurch treten die Trager eines politischen Sonderlebens ins Licht, mit dessen autonomistischen Bestrebungen namentlich in den Anfangsjahren der Weimarer Republik sich die preuf.\ische Regierung wie die Reichsregierung auseinandersetzen muf.\ten. Obwohl letzten Endes gescheitert, hat doch der ostpreuf.\ische Autonomismus dazu beigetragen, der Provinz durch offizielle Zubilligung einer einmaligen Sonderlage den Anspruch auf bevorzugte Staatshilfe zu sichem. Die schrittweise Realisierung dieser Hilfe enthiillte dann nicht nur das Problem, den Wiinschen der ostpreuf.\ischen Interessenten gerecht zu werden, sondern legte auch die wechselnde Rivalitat zwischen der preuf.\ischen Regierung unter einem Otto Braun und den iiberwiegend biirgerlichen Kabinetten des Reiches blof.\. Auf dieSe Weise zeichnete sich bereits vor 1930 das Vorhandensein all jener Elemente ab, die in den lahren von 1930 bis 1933 die markante und oft erorterte, wenn auch noch nicht abschlie1\end gekliirte Rolle Ostpreu1\ens und der iibrigen Grenzprovinzen in der Katastrophe der Weimarer Demokratie bestimmt haben. Der Verfasser ist bemiiht gewesen, diesen inhaltreichen Prozef,l, mit streng sachlicher Kritik zu behandeln und eher mit niichtemer Selbstdisziplin auf zu weit gehende, ihm nicht beweisbar erscheinende generalisierende Werturteile zu verzichten, aIs sich von dem Strome eines der Vergangenheit nicht gerecht werden den "Revisionismus" fortrei1\en zu lassen. Diese Zuriickhaltung besitzt ihre politologisch wie historisch gleich wertvolle Seite in dem Umfang und der Energie des positiven Bestrebens, die den politischen Prozef.\ begleitenden oder bestimmenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Faktoren in vollem Umfang mit wacher Kritik und umfassender Konsequenz zur Geltung zu bringen. Der Verfasser bestitigt noch einmal den dominierenden Einfluf.\ des Grof.\grundbesitzes, der, gestiitzt auf die agrarischen Interessenorganisationen wie iiberwiegend auch die Institutionen der provinzialen Selbstverwaltung, oft im Gegensatz zu der preuf,l,ischen Regierung, angelehnt an die Politik des Reiches, seine politisch fiihrende Rolle in Ostpreuf,l,en bis zuletzt zu behaupten wuf,l,te. 1m einzelnen tritt aber durch diese Nachpriifung auch charakteristisch hervor, daf,l" ihnlich wie in Schleswig-Holstein, das besonders in den Randbezirken der Provinz iiberwiegende kleine und mittlere Bauemtum der Gefahr einer absoluten Radikalisierung durch seine dauemde wirtschaftliche Notlage in anderer Weise, aber noch stirker als der Grof.\grundbesitz ausgesetzt gewesen ist. Der masurische Siiden Ostpreu1\ens, der bei der Volksabstimmung des lahres 1920 nahezu geschlossen fiir Deutschland optiert hatte, ist der Anziehungskraft des Nationalsozialismus so stark erlegen, daf.\ die Partei Hitlers hier bei den Wahlen des lahres 1933 ihre im ganzen Reich hOchsten Erfolge erzielt hat.
Einleitung xv
Wie bei jeder Einzelforschung dieser Art, bleiben auch hier LUcken, die der Benutzer starker ausgeflillt und vielleicht scharfer akzentuiert sehen mochte. Es liegt auf der Hand, da~ die abschlie~nde Auswertung der geleisteten Arbeit nicht nur ihre FortfUhrung bis zur "Machtergreifung" des Jahres 1933 dringend erwiinscht erscheinen lii~t, sondern auch auf das BedUrfnis hinweist, da~ der gleiche, heute fUr Schleswig-Holstein und Ostpreu~n weitgehend erforschte Fragenkreis Gegenstand von ahnlich eingehender politikwissenschaftlicher und historischer Erforschung fUr die noch nicht behandelten Teile der ehemaligen deutschen Ostgebiete werden sollte. Das Institut fUr politische Wissenschaft hofft aber zuversichtlich, durch diese Veroffentlichung einen nUtzlichen Beitrag zu einem politikwissenschaftlich und geschichtlich gleicherma~en bedeutsamen Fragenkreis der modernen deutschen Entwicklung vorzulegen.
Berlin-Dahlem, im Juni 1968 Hans Herzfeld
VORWORT DES VERFASSERS
Auf die Vorgeschichte dieses Buches ist bereits an anderer Stelle hingewiesen worden, so da1.\ ich mich mit wenigen Bemerkungen begniigen kann. Wie erwahnt, ist die Ostpreu1.\enstudie aus den Pllinen flir eine weitangelegte Gemeinschaftsarbeit hervorgegangen und stellt insofern das Produkt einer notwendigen Selbstbescheidung dar. Geleitet von dem Wunsch, dem Zwang der au1.\eren Umstande nur in sachlich vertretbaren Formen nachzugeben, habe ich meine Aufgabe auf Ostpreu1.\en und die Jahre bis 1930 eingeschrlinkt, weil dadurch ein regional und zeitlich begrenztes Arbeitsfe1d gewonnen wurde. Solch ein Vorgehen lag urn so naher, als in Ostpreu1.\en die krisenhaften MOo mente der ostdeutschen Sozia1- und Wirtschaftsstruktur deutlich hervortraten und hier von 1928 bis 1930 der Auftakt fdr die anschlie1.\enden Osthilfeaktionen gegeben worden ist. Es lassen sich also an einem iiberschaubaren Objekt die Krisenursachen sowie die ersten Versuche einer staatlichen Krisenbekampfung beobachten und damit die Voraussetzungen und Anflinge der landwirtschaftlichen Subventionspolitik, die unter dem Stichwort "Osthilfe" bekannt geworden ist, untersuchen. 1m iibrigen geht die Darstellung der Agrarkrise einher mit ausflihrlichen Einblicken in die politischen und okonomischen Verhliltnisse Ostpreu1.\ens, die ein Bild von der Gesamtsituation der Provinz geben und durchvielseitige Betrachtung des Gegenstandes ersetzen sollen, was das Therna an urspriinglicher Weite eingebii1.\t hat. Professor Gerhard Schulz bin ich besonders dankbar daflir, da1.\ er mir dieses Thema zur selbstandigen Gestaltung iiberlassen und mich durch die Mitteilung von Materialien, die er im Bundesarchiv Kob1enz gesammelt hatte, unterstiitzt hat. Die vorliegende Studie zeigt zwar gegeniiber der anfanglichen Konzeption ein eigenes Aussehen, aber ohne Professor Schulz' Vorarbeiten im Institut flir politische Wissenschaft ware sie kaum entstanden. In diesem Zusammenhange findet es meine dankbare Anerkennung, da1.\ das Institut fUr politische Wissenschaft mir mit der Bearbeitung des Themas nicht nur eine interessante Aufgabe iibertragen, sondern auch aile Voraussetzungen flir eine befriedigende wissenschaftliche Tatigkeit geboten hat. Insbesondere danke ich den Professoren Hans Herzfeld, Otto Stammer und Karl C. Thalheim fUr die kritische Durchsicht und freundliche Forderung meiner Arbeit. Frliulein Ingeborg Korfer, Fraulein Christine Zuber und Herro Albrecht Schultz bin ich flir die Herstellung und redaktionelle tiberpriifung des Textes verbunden. Nicht zuletzt gilt mein Dank dem Geheimen Staatsarchiv in Berlin, dem Bundesarchiv in Koblenz und dem Staatlichen Archivlager in Gottingen, deren Aktenbestande die Behandlung des Themas erst ermoglicht haben.
Berlin, im Marz 1969 Dieter Hertz-Eichenrode