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en steuern; ihrem Studium sind bedeutendeBereiche der Hydrodynamik, der Hydro-geologie, der Fluidmechanik, der Festkörper-physik, verschiedener Ingenieurwissenschaft-en und der Petroleumgeologie gewidmet. DieWissenschaft, die sich mit der Interaktion vonPorenraum, Gestein und Flüssigkeit beschäf-tigt, ist die Petrophysik.

In Gesprächen mit Familie und Bekanntenhöre ich gelegentlich, dass diese von einem„neuen Fund einer Ölblase“ im Mittleren Os-ten berichten oder die „Flüsse unter dem Sah-arasand“ erwähnen. Diese und ähnlicheVorstellungen sind falsch und bauen auf einemsimplistischen, stark vereinfachten Bild desUntergrunds auf, welches menschliche Dimen-sionen und Vorstellungen von Oberflächen-formen vergrößert in den Untergrund zuprojizieren versucht.

Porosität und Permeabilität innatürlichen Gesteinen

Christoph Heubeck

Institut für Geologische WissenschaftenFachrichtung GeologieProf. Dr. Christoph HeubeckMalteserstr. 74-100, Haus B12249 BerlinTel: +49/30/838 [email protected]

Das reibungslose Funktionieren dermenschlichen Zivilisation ist entschei-

dend von der Verfügbarkeit von und Zugangzu Flüssigkeiten abhängig. Trinkwasser istschon seit Beginn der schriftlichen Überliefer-ung umkämpft; im Fall von Erdöl rückte des-sen begrenzte Verfügbarkeit erst vor etwa 70Jahren in den Mittelpunkt der militärischenAufmerksamkeit. Dabei gibt es, oft übersehen,von beiden Flüssigkeiten reichlich, und innahezu allen Regionen der Erde. Die entschei-dende Eigenschaft ist jedoch die wirtschaft-liche Förderbarkeit von Wasser, Öl und Gas inausreichenden Volumen und Raten. Abgesehenvon der nötigen technischen Infrastruktur istdie Förderbarkeit abhängig von zwei funda-mentalen Eigenschaften natürlicher Gesteine:Porosität und Permeabilität.

Porosität ist der luft- oder flüssigkeitsgefüllteAnteil am Gesamtgesteinsvolumen und wirddeswegen in Prozent angegeben. Permeabilitätist eine Kennzahl, die das Maß der Verbunden-heit der einzelnen Poren miteinander misstund deswegen auch als „Durchlässigkeitsbei-wert“ bekannt ist. Porosität und Permeabilitätsind zwei der Eigenschaften, die das Fließver-mögen von Flüssigkeiten durch poröse Medi-

Abb. 1:

Diagrammatische Darstellung von Porosität zwischen Körnern(„intergranulare Porosität“), z.B. in einem Sandstein. Die Größeund Form der Hohlräume wird beeinflußt durch Größe, Sortie-rung, und Form der Körner. Diese sind vereinfacht ausschließlichals Ellipsoide dargestellt. Typische Porengröße in unzementiertenSandsteinen sind 20 – 100 Mikron. Zementation ist nicht darge-stellt.

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Gestein, Porenraum und Flüssigkeiten

Flüssigkeiten im Untergrund sind nahezu aus-nahmslos in Porenräumen gespeichert. Diesesind Hohlräume, generell Bruchteile von Milli-metern im Durchmesser (also mit dem Augeoft gerade noch sichtbar), die sich in den Zwik-keln zwischen Körnern oder ähnlichen Hohl-räumen in Sedimentgesteinen befinden (Abb.1).

Klastische Sedimentgesteine entstehen ausSedimenten, also aus Mischungen von Körnernverschiedener Größe, Form und mineralogi-scher Zusammensetzung, die wiederum auserodierten Gesteinsbruchstücken hervorgehenund dann meist durch Flüssigkeiten oder Windsolange transportiert werden, bis sie in einemAblagerungsraum zur Ruhe kommen. Diese Ab-lagerungsräume können sich unmittelbar ne-ben dem Erosionsgebiet befinden, z.B. alsalluvialer Fächer am Ausgang eines Bergtals,oder Tausende von Kilometern von diesementfernt sein, z.B. in einer Küstenebene oderauf dem Kontinentalabhang. Die Gesteins-zusammensetzung der Herkunftsregion, dieTransportart des erodierten Sediments, dieDauer, und Weite des Transports sind einigeder zahlreichen Faktoren, die auf die Zusam-mensetzung des abgelagerten Sediments unddamit seine primären Eigenschaften wie Korn-

größe, Rundung und SortierungEinfluß nehmen. Deswegen ist z.B. einam Bergfuß durch episodische Murenabgelagertes Sediment gröber und sehr vielschlechter sortiert als Sand am Strand oderSchlick, der in mehreren hundert oder garmehreren tausend Meter Tiefe am Kontinental-rand abgelagert wurde. Sedimentäre Geologenstudieren systematisch die Prozesse, die inAblagerungsräumen ablaufen, und vergleichensie quantitativ mit den wenigen und oftindirekten Daten aus Sedimentgesteinen desUntergrunds, um Vorhersagen über die Eigen-schaften und die räumliche Ausdehnung die-ser Sedimentkörper zu erhalten (Abb.2).

Wie bildet sich Porosität? Wie wird siezerstört und erhalten?

Porenraum und Permeabilität ist nach Ab-lagerung eines Sediments erst einmal imÜberfluß vorhanden. Das ist all denen gegen-wärtig, die sich den letzten Strandaufenthaltin Erinnerung rufen und sich erinnern, wieschnell Wasser am Strand im losen Sand ver-schwindet oder wie leicht das eigene Körper-gewicht Fußeindrücke durch Kompaktion desSandes hinterläßt. Rechnerisch lässt sich leichtzeigen, dass ( je nach Lagerung der Körner inAbb. 1) bis zu 48% des Gesamtvolumen aus

Abb.2:

Geologen beim Studium von Sedimentgesteinen im Gelände. VonInteresse ist nicht nur die mineralogische Zusammensetzung undKorngröße, sondern auch Eigenschaften auf größerem Maßstab,wie interne sedimentäre Strukturen, Art der Schichtung undFossilgehalt. Kombiniert geben diese Hinweise auf den ehemali-gen Ablagerungsraum und damit die seitliche räumliche Aus-dehnung und Geometrie des untersuchten Gesteinskörpers.

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Porenraum bestehen kann; d.h. nahezu dieHälfte des Sediment kann theoretisch mit Ga-sen oder Flüssigkeiten gefüllt sein (Abb. 3). Je-doch zeigt das Beispiel vom Strand auch, dassschon die Belastung durch das Körpergewicht,äquivalent zum Druck in weniger als 1 m Tiefe,diesen Porenraum durch Verschiebung undEinregelung einzelner Körner bereits signifi-kant reduzieren kann. Fahren wir in einem ge-danklichen Fahrstuhl neben unserem körnigenSediment her in größere Tiefen, sehen wir, dassdie Verbiegung von plastischen Komponenten(z.B. von Glimmern und Tonklasten) und dasZerbrechen von spröden Mineralen (z.B. Gips,Kalk) bereits in wenigen Zehner von Meternauftritt. Beide Prozesse tragen zu einer Verrin-gerung des Porenraums bei und verdichten dasSediment durch Kompaktion.

In den meisten Regionen der Welt gerät Se-diment, welches auf dem Land abgelagert wur-de, nach wenigen Metern Versenkung in denBereich des Grundwassers. Dieser Bereich,auch phreatische Zone genannt, ist der Bereich,in denen die Porenräume durch Flüssigkeit ge-füllt sind. Dieser ist nach unten unbegrenzt.Nur in erster Näherung handelt es sich bei die-ser Flüssigkeit um Wasser! Vielmehr bestehendie porenfüllenden Flüssigkeiten des Unter-grunds aus Flüssigkeiten „auf wässriger Basis“.In größeren Tiefen sind diese selbst bei Tem-peraturen weit über 100° C wegen des hohenDruckes noch im flüssigen Zustand und füh-ren deswegen große Mengen an gelösten Mi-

neralen in ionischer Form mit sich, oft bis andie Sättigungsgrenze. So sind z.B. viele Wässerunter der Nordsee bei ca. 150°C vollständig mitNaCl, also dem gewöhnlichen „Tafelsalz“ gesät-tigt.

Schon ab wenigen Zehnern von Metern Tie-fe beeinflußt der erste chemische Prozeß diePorositätsverteilung: die Drucklösung. Dieserberuht auf dem vom Schlittschuhlaufen be-kannten Effekt, dass eine Erhöhung des Dru-ckes für viele Materialien auch eine Erhöhungder Löslichkeit verursacht, so dass im besag-ten Beispiel Eis zu Wasser schmilzt und durchden gebildeten Wasserfilm der Reibungswider-stand des Schlittschuhs auf dem Eis entschei-dend herabgesetzt wird. Ganz analogfunktioniert die Drucklösung in körnigem Se-diment: An Punkten und Linien, an welchensich Körner berühren, geht Material in Lösung,wandert (oft nur wenige Mikrometer) seitlichaus, und fällt dort wegen des dort erniedrigtenDruckes wieder als Festkörper aus. Die so ge-bildeten Festkörper bezeichnet man als Zemen-te. Deren Gegenwart unterscheidet Sedimentevon Sedimentgesteinen (Abb.4).

Sedimente und –gesteine bedecken etwa dreiViertel der Erdoberfläche. Insbesondere anKontinentalrändern und neben Gebirgen er-reichen sie in Sedimentbecken viele Kilome-ter Mächtigkeiten. Die größten Mächtigkeitenwerden erreicht, wo kräftiger Sedimentnach-schub von einem Kontinent auf der dünnerenund dichteren ozeanischen Kruste abgelagertwird und diese zum Nachgeben zwingt. Diesist z.B. im Gebiet der Wolgamündung der Fall;auch im Golf von Mexiko werden vor derMississippimündung ca. 18 – 20 km Sediment-mächtigkeit, ähnlich einem schrägen Karten-stapel und dachziegelartig nebeneinanderliegend Sedimenten erreicht. In diesem enor-men Labyrinth aus Porenräumen, Mineralenund Flüssigkeiten wird Porosität und Permea-bilität fortwährend, wenn auch langsam, mo-difiziert.

In mehreren Kilometern Tiefe sindschließlich alle Prozesse potentiell gleichzei-tig am Werk: Die enorme Auflast hat das Po-tential, Sediment irreversibel zu kompaktierenund weiche Körner wie Knetgummi in dieZwickel von Porenräumen zu quetschen, wennes nicht, ähnlich wie bei einem Wasserbett,

Abb.3:

Kubische Packung. Dies ist die maximale erreichbare Porositätin Lockersedimenten. Die rechnerische Porosität ergibt sich ausder Differenz zwischen dem Quadratvolumen und dem Kugel-volumen und beträgt fast 48%.

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durch die im Porenraum enthaltene, nahezuinkompressibel Flüssigkeit daran gehindertwird. Temperaturen von 150 bis 200°C zwischen5 und 7 km Tiefe haben die Porenflüssigkeit ineine aggressive Lauge verwandelt, die aus demZerfall von eingebettetem organischen Mate-rial große Menge an korrosivem CO

2 aufge-

nommen hat und damit ans Werk geht, vorallem Kalke und Feldspäte aufzulösen. DieDrucklösung arbeitet diesem Prozeß wiederumentgegen und schliesst Porenräume durchAuflösung benachbarter Körner an ihren Korn-größen. Letztendlich gewinnt die Drucklösungdie Oberhand, und in Tiefen ab etwa 6 km,entsprechend etwa 160 – 230°C, ist die chemi-sche Reaktionsgeschwindigkeit so hoch, dassetwaige Hohlräume innerhalb kurzer Zeit ze-mentiert und geschlossen werden.

Der Porenraum als chemisches Labor

Aus dem bisher beschriebenen wird klar, dasses sich bei der Vorhersage der Porositäts-verteilung im Untergrund um einen extremkomplexen Sachverhalt handelt. Die ungezähl-ten Hohlräume zwischen gleichfalls ungezähl-ten Körnern unterschiedlicher mineralogischerZusammensetzung und Reaktivität werden von

heißen, langsam fließenden Flüssigkei-ten wechselnder Temperatur und Che-mie über immense Zeiträume hinwegdurchspült. Zahlreiche Reaktionen spielen sichzwischen Gestein und Flüssigkeit ab, denn jedePore hat das Potential, eine einzigartige Kom-bination von mineralogischer Oberflächen-zusammensetzung zu bieten. Zieht mandarüber hinaus in Betracht, dass z.B. Tonmi-nerale, die zu katalytischen Reaktionen dienenkönnen, und Kohlenwasserstoffe, die aus derUmwandlung organischen Materials hervorge-hen, zusätzlich zu diesen Reaktionen beitra-gen können, entsteht der Eindruck vonchemischen Laboren, zillionenfach wiederholt.Die Laborbedingungen ändern sich mit derDynamik des Sedimentbeckens, also seinerlangsamen Faltung durch Gebirgsbildung, sei-ner Heraushebung oder Versenkung, oder Zer-stückelung durch Verwerfungen. Geologenwiederum sehen von alledem immer nur dieletzte Phase dieser Laborexperimente, oft nachHeraushebung von Gesteinen an die Oberflä-che, nach Arrestierung und gelegentlicherUmkehrung der bereits abgelaufenen Prozes-se.

Die Pore als Kathedrale

Ist nicht all das irrelevant, weil es sich nur umwenige und zudem mikroskopische Reaktorenhandelt? Keineswegs! Jedes Korn hat ja statis-tisch einen benachbarten Porenraum. Die Zahlder Porenräume in einem Sedimentbeckenkommt also der Zahl der Körner zumindesttheoretisch nahe. Sind die Porenräume fürmenschliche Dimensionen zwar meist klein(mehrere Zehner Mikrometer Durchmesser; z.B.50 x 10-6 m), so sind sie es für die Flüssigkeits-moleküle (wenige Nanometer Durchmesser, z.B.5 x 10-9 m) nicht. Die Porenräume sind somitum drei bis vier Größenordnungen größer alsdie an den Reaktionen beteiligten Moleküle.Rein von den beteiligten Größenordnungenaus betrachtet, verhält sich eine Pore zu einemButanmolekül (einem häufigen Bestandteil vonRohöl) also etwa wie ein Sperling (5 x 10-2 m) zueiner Kathedrale (5 x 102 m).

Der Vergleich des typischen Porenraums miteiner mittelalterlichen Kathedrale mag nichtso weit hergeholt sein (Abb. 5). Die Begrenzun-gen des Porenraums sind, ähnlich wie dieGebäudeteile einer Kathedrale, unregelmäßig

Abb.4:Drucklösung in einem quarzreichen Sandstein. Dieses Photo zeigtTeil eines Dünnschliffs eines Sandsteins. Die horizontale Breitedes Bildausschnitts beträgt etwas weniger als einen Millimeter.Zwei Quarzkörner (hell) scheinen sich gegenseitig zu durchdrin-gen. Drucklösung hat jedoch hier einen Teil des kleineren Kornsentfernt. Der gelöste Quarz wanderte seitlich aus und kann alsQuarzzement, von einem Anwachssaum vom ursprünglichen Korngetrennt, links unten neben dem kleineren Korn erkannt werden.Drucklösung ist ein bedeutender Prozess der Porositäts-verringerung und irreversibel.

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in ihrer Geometrie und Oberfläche. Versuchenwir, diesen Vergleich weiter zu spinnen: EinePore in einem typischen Sandstein mag durchmehrere Quarzkörner, ein Kalkfragment undein Stück Feldspat begrenzt sein. Die Quarz-körner sind die härtesten und damit mecha-nisch widerstandsfähigsten dieser dreiMinerale; Quarz lässt sich nur schlecht spal-ten und ist auch chemisch recht stabil. SeineOberfläche ist deswegen oft glatt und von we-nigen Flächen definiert; möglicherweise wuch-sen auf und zwischen den ursprünglichgerundeten Quarzkörnern bereits Anwachs-säume aus dem gleichen Material auf. Die glat-ten, großen Fenster- und Wandflächen einerKirche bieten sich als Vergleich an.

Das Kalkkorn mag, wie die meisten Kalkstei-ne, biogenen Ursprungs sein, d.h. z.B. verkrus-tete Zellstrukturen (Algen, Mikrofossilien)abbilden. Das Korn ist deshalb mikroporös undwirkt unter dem Rasterelektronenmikroskopschwammartig. Kalk wird durch Säuren gelöst,hat nur eine geringe Härte und ist spröde. Esist deswegen möglich, daß das Kalkkorn, wel-ches die ausgewählte Pore begrenzt, intern viel-fach zerbrochen ist und zahlreiche kleineHohlräume aufweist, in welchen Kalzitkristallezu wachsen begannen. In unserer Kathedralen-analogie bieten sich hier die Räumlichkeitendes benachbarten Klosters zum Vergleich an.

Der Feldspat schließlich ist ein Gittersilikat.Manche Feldspatvarietäten, insbesondere die

kalziumreichen Plagioklase, sind Säuren ge-genüber empfindlich. Diese greifen Feldspätebevorzugt entlang ihrer Kristallflächen an undlassen gelegentlich nur noch ausgehöhlte Ge-rippe oder gespinstartige Feldspatleisten ineinem ansonsten völlig entleerten Hohlraumzurück (Abb. 6). Wenn Sedimentbecken vonCO

2-reichen Lösungen durchspült werden, die

z.B. in Tiefen zwischen 5 und 15 km bei derGesteinsmetamorphose oder der Umwandlungvon organischem Material frei werden, entwi-ckelt sich oft diese so genannte „sekundäre“Porosität. Um wieder unsere Kathedralen-analogie zu bemühen: Der teilzersetzte Feld-spat mag am ehesten mit dem an die Kathedraleangrenzenden Klosterkreuzgang zu verglei-chen sein.

Was geschieht mit all dem weggelöstem Ma-terial? Es fällt letztlich als Zement oderMineralneubildung wieder als Lösung aus.Dabei bilden sich, oft im gleichen Porenraum,aber manchmal auch Hunderte von Kilome-tern in einem anderen Teil des Sediment-beckens, mikroskopisch kleine Minerale(Tonminerale wie Illit, Chlorit oder Kaolinit;Calcit, Dolomit, Quarz und viele andere), oftdurch schöne Kristallflächen begrenzt, die angeeigneten Stellen der Porenwände ansetzenund von dort Richtung Poreninnenraumwachsen. Unsere Klosteranlage wandelt sichalso zur Ruine; in ihren Innenräumen wach-sen Wälder.

Abb.5:Eine mittelalterliche Kathedrale (Klosterruine Chorin) als Ana-log zum Porenraum. Zu einem zentralen, komplex geformtenRaum bieten zahlreiche, unregelmäßig angebrachte Öffnungenunterschiedlicher Form und Größe Zugang.

Abb. 6:Dünnschliff eines Sandsteins aus dem Untergrund Norddeutsch-lands. Das einbettende Kunstharz des Dünnschliffs ist künstlichblau gefärbt. Die Bildbreite ist etwa 1 mm. In der Mitte desBildes ist deutlich sichtbar ein Korn (wahrscheinlich ein Plagio-klas-Feldspat) fast vollständig herausgelöst worden; lediglich feineRippen und ein querschlagender Gang blieben erhalten.

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Die Frage, wo wann in welchem Bereich desSedimentbeckens diese Reaktionen geschehen,beschäftigt die Forschung von sedimentärenGeologen und Geochemikern. Die quantitati-ve Vorhersage von Porosität und deren Ver-nichtung in Abhängigkeit von Druck,Temperatur, und migrierenden Flüssigkeitenunterschiedlicher Eigenschaften in einem un-regelmäßigen, seine Geometrie über lange Zeit-räume hinweg ändernden dreidimensionalenModell heterogener Mineralogie ist erst amAnfang. Wegen seiner offensichtlichen An-wendbarkeit in der Kohlenwasserstoffexplo-ration ist dieses Feld auch im übertragenenSinn ein „heißes“ Thema.

Die „Kathedralen“ der Porenräume sindmiteinander durch die „Türen“ und „Fenster“der Porenhohlkehlen verbunden, die nor-malerweise nur wenige Mikrometer Durchmes-ser aufweisen. Diese bestimmen den Grad, zuwelchem Flüssigkeiten von einer Pore zurnächsten migrieren können und schließlich ihrZiel in Form eines Bohrlochs, einer Kluftspalte,oder eines Quellenmundlochs erreichen.Durch die Charakterisierung dieser „Verbin-dungstunnel“ kommt also ein zweiter wesent-licher Parameter ins Spiel: die Permeabilität.

Was ist der Zusammenhang zwischenPorosität und Permeabilität?

Bestünde die Welt des sedimentären Geologennur aus unlöslichen, kugelförmigen Körnerngleicher Größe in einer rhomboedrischen Pa-ckung, wäre die Antwort einfach: Die Verbin-dung zwischen zwei Porenräumen bestünde auszwei durch konvexe Wände begrenzte,aufeinander zulaufende Trichter. Modell-rechnungen, die die diese einfache Geometrieund die Viskosität der Flüssigkeit (in Abhän-gigkeit von Zusammensetzung, Druck undTemperatur) berücksichtigen, geben für die-sen Fall auch eine eindeutige Antwort auf dieFrage nach dem Flüssigkeitsdurchsatz. ZumGlück für die Beschäftigungsaussichten vonHydrogeologen und Petroleumingenieuren istdie Welt jedoch alles andere als so beschrieben.

In klastischen Gesteinen (die aus Körnernbestehen) wird Permeabilität hauptsächlichdurch die Korngrößenverteilung beeinflusst,denn kleine Körner (besonders die blatt-, haar-oder tafelförmigen Tonminerale) können leicht

die Porenräume – und wichtiger! – denZugang zu den sich verengenden Poren-hälsen füllen. Sedimente einheitlichgleichmäßiger Korngrößenverteilung, d.h. mitausgezeichneter „Sortierung“, und einemmöglichst geringen Anteil an Tonmineralenhaben also ein hohes Potential, ein ausgezeich-netes Speicher- und Leitungsgestein abzuge-ben. Hier kommen also wieder die regionalarbeitenden Sedimentologen ins Geschäft, dieaus spärlichen Daten im Untergrund Ab-lagerungsräume suchen, in denen dieSedimenttransportbedingungen besondersgleichförmig und von mittlerer Energie waren.(Dies sind z.B. Sandwüsten, in denen der Ab-rieb so hoch ist, dass normalerweise nur wind-transportierter Quarzsand übrig bleibt, oderStrände, an denen Sande ohne Unterlaß imZickzack kumulativ über Hunderte von Kilo-metern bewegt werden, ohne sich signifikantvon der Stelle zu bewegen.) Letztendlich ist derZusammenhang zwischen linear aufgetragenerPorosität und logarithmisch aufgetragener Per-meabilität in vielen klastischen Gesteinen an-nähernd eine Gerade. Permeabilität kanndeshalb mit relativ hoher Genauigkeit aus ei-nigen repräsentativen Porositätswerten abge-

Abb. 7:Zusammenhang zwischen Porosität und Permeabilität. In vielenklastischen Gesteinen, wie z.B. Sandsteinen, ist der Zusammen-hang annähernd linear: Große Poren werden durch große Poren-hälse verbunden. Aber in vielen anderen Gesteinen, darunterviele Kalke, gibt es Ausnahmen: Große, nahezu nicht miteinanderverbundene Poren oder große Kanäle ohne signifikanten Poren-raum !

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a b

leitet werden. Der Ingenieur erstellt aus die-sen Werten ein Fördermodell, aus welchem dietägliche Förderleistung und damit die Wirt-schaftlichkeit eines Öl- oder Gasfeldes odereines Aquifers hervorgeht (Abb. 7).

In Kalksteinen und anderen Karbonaten, dieja durch oder nahe bei Lebewesen gebildetwurden oder gar ganz aus deren Kalkschalen-überresten bestehen, ist jedoch der Zusammen-hang zwischen Porosität und Permeabilität sehrviel komplexer, weil er durch die Größe, Häu-figkeit und Form der beteiligten Organismenbestimmt wird. Porenräume bestehen in sol-chen Gesteinen häufig aus den Negativformenherausgelöster Schalen, und die Verbindungenzwischen diesen Großräumen können durchdie Anzahl und Form von Algenmatten, Grab-oder Bohrgänge oder die Verteilung von Mikro-fossilien definiert sein (Abb. 8). Hier wäre esalso nicht zielführend, mit einem sedimentä-ren Modell, das allein auf der Hydrodynamik(Strömungsgeschwindigkeit, Wassertiefe) vonKörnern beruht, die Porosität und Permeabili-tät vorhersagen zu wollen! Vielmehr ist hier ein/e Paläontologe/in gefragt, der/die damaligenUmweltfaktoren wie Nährstoffverfügbarkeit,Wassertiefe, Temperatur, Durchlichtung etc. imUntersuchungsgebiet abschätzen kann, umdaraus die Geometrie der Lebensräume derporositätsbildenden Organismen abzuschät-zen. Abgesehen von dieser Komplexität sindKarbonate auch reaktiver gegenüber den Flüs-sigkeiten des Untergrundes; ihre Kompaktion

und chemische Reaktionen unterliegen beson-deren Gesetzen.

Obwohl die gerade geschilderten Zusam-menhänge für den Laien wegen der notwendi-gen Verallgemeinerungen gewagt und vielleichtauch geradezu abenteuerlich kühn erscheinenmögen, beruhen sie auf großen Mengen vonAufschlußdaten und Geländestudien, zahlrei-chen experimentellen Studien, Vergleichenzwischen rezenten und fossilen Ablagerungs-räumen, und nicht zuletzt auf den publizier-ten Fallstudien von Tausenden produzierenderÖl- und Gasfelder, von denen Bohrkerne undandere Informationen vorliegen.

Das Hindernisrennen

Welche Hindernisse muß ein Kohlenwasser-stoffmolekül überwinden, um vom Porenraumin das künstliche Leitungssystem zu gelangen,welches an der Steigkammer der Bohrung be-ginnt und oft in unserem Benzintank endet?

Wie oben beschrieben, ist das richtige Ver-hältnis von Porosität zu Permeabilität anfäng-lich der entscheidende Faktor. Liegen gewaltigePorenräume vor, die aber nur ungenügendmiteinander verbunden sind (als Extrem-beispiel: blasiger Bimsstein, ein vulkanischesGestein), ist die Situation ebenso unbefriedi-gend wie im umgekehrten Fall: hohe Permea-bilität ohne dazugehörige Porosität(Extrembeispiel: ein dichtes, porenraumfreies

Abb. 8:Beispiel von biogen-chemisch verursachter Porosität. Durch ei-nen Sturm zusammen geschwemmte und über geologische Zei-ten verfestigte Muschelschalen werden durch wässrige Lösungenweggelöst. Die entstehenden Hohlräume sind (im Vergleich zuPoren in Sandsteinen) extrem groß, jedoch schlecht miteinanderverbunden.

Abb. 9:Schematische Darstellung der häufigsten Porositäts- undPermeabilitätstypen in Reservoirgesteinen. Die anfänglich hoheFörderleistung in einem Gestein mit offenen Spalten (links oben)nimmt wegen des unzureichenden Nachflusses aus den wenigenPoren rasch ab. Ebenso sind große, schlecht verbundene Porenunbefriedigend (rechts unten). Wünschenswert ist eine geeigneteKombination von porositäts- und permeabilitätsfördernden Ei-genschaften (rechts oben).

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Gestein mit zahlreichen offenen Klüften). Erstein ausgewogenes Verhältnis von Porosität undPermeabilität sichert einen gleichmäßigen Flußüber einen langen Zeitraum hin zur Bohrung(Abb. 9). Prinzipiell ähnliche Überlegungenhegen Raumplaner (Wohnflächen : Transport-bedarfsflächen), Architekten öffentlicher Ge-bäude (Aufenthaltskapizitäten : Fluchtwege)und Heizungs-/Lüftungsingenieure (Raum-größe : Durchsatz). (Abb. 10).

Während der Förderung von Wasser oderKohlenwasserstoffen ist es wichtig, die Offen-heit der Porenhälse unter allen Umständen zugewährleisten. Versucht ein auf schnellenKostenausgleich bedachtes Management, hoheFördervolumen durch hohen Saugdruck zuerreichen, können durch die starke Strömungdie empfindlichen blättrigen oder haarigen,neu gewachsenen Tonminerale, die allseitig inden Porenraum hineinragen, durch die Scher-kraft der Strömung mitgerissen werden unddie Porenhälse verstopfen. Einmal abgerissene

Tone sind nicht mehr zu befestigen; ein Re-servoir wird dadurch unwiderruflich ruiniert.

Auch die Injektion von ungenügend ange-wärmtem oder unzureichend angesalzenemWasser kann das chemische Gleichgewichtzwischen Porenflüssigkeit und Porenwändenstören und zu unerwünschten Ausfällungenführen, die (ähnlich wie in den Abwasserlei-tungen unserer Wohnungen) zumindest lästigsind, aber bisweilen auch katastrophale Aus-wirkungen hervorrufen können.

Wir haben bisher nur den Fall einer einzi-gen beteiligten Flüssigkeit betrachtet. Dies istder Normalfall für Hydrogeologen, aber dieAusnahme für Petroleumgeologen, denn in vie-len Lagerstätten überlagert im porösen Gesteineine Gaskappe das Rohöl, welches wiederumauf Wasser schwimmt (Abb. 11). Während derFörderung drängen alle drei Flüssigkeiten mitihren unterschiedlichen Viskositäten zumBohrloch oder werden vom dort angelegtenUnterdruck dorthin gesogen. Was passiert nunam Porenhals, wenn die drei Phasen im Wett-bewerb liegen? Es tritt das ein, was beim Ab-saugen eines fast leeren Joghurtbechers miteinem Strohhalm zu beobachten ist: Die Phaseder niedrigsten Viskosität tunnelt sich durchdie anderen hindurch und gewinnt das Ren-nen zum Förderstrang. Die viskosere Substanzgelangt nach dem Durchbruch der niedrig-viskoseren Flüssigkeit nur gelegentlich und inkleinen Mengen dorthin. Was den Fall des Pe-

Abb. 10:Menschenmengen im Berliner Hauptbahnhof anlässlich seinerEröffnung am 28.5.2006. Zum zweckmäßigen Funktionieren die-se Raumes müssen Zu- und Abgangskapazitäten in einem güns-tigen Verhältnis zu den Aufenthaltskapazitäten stehen. Ist derVergleich zu einem von Flüssigkeitsmolekülen durchflossenenPorenraum zu weit hergeholt?

Abb. 11:Wettbewerb von unterschiedlichen Flüssigkeiten unterschiedli-cher Viskosität in einem homogenen Reservoir. Die Bohrung linksist zu tief angesetzt. Das niedrigviskose Wasser wird das höher-viskose Öl bei der Annäherung an die Bohrung verdrängen. DieBohrung rechts ist zu hoch angesetzt. Das niedrigviskose Gaswird einen Trichter zur Einlasskammer der Bohrung hin bilden,entgegen seines Auftriebs abwärts fließen und dadurch den Zuflußvon Öl einschränken.

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troleums nun besonders interessant macht, ist,das große Mengen Gas im Rohöl selbst gelöstsein können. Bei Druckverringerung, die beiAnnäherung an die Förderkammer eintritt,wird das gelöste Gas aus der Flüssigkeit aus-treten und zum Bohrloch streben. Der gleicheEffekt kann jederzeit beim Öffnen einer Spru-del- oder Limoflasche beobachtet werden: ImReservoir existieren 99 % Flüssigkeit, aber ge-fördert wird zu 80% ein Gas!

Diese vier Beispiele zeigen, dass zwischender Pore und dem Förderstrang des Bohrlochseine ganze Reihe von potentiellen Hindernis-sen lauert, die der produktiven Förderungentgegenstehen. Es wird damit auch offensicht-lich, dass nur eine genaue Kenntnis der Weg-samkeiten im Untergrund, also eine statistischgültige Erfassung des Speichergesteins auf sei-nem mikroskopischen Maßstab, zusammen miteinem Verständnis der chemischen und physi-kalischen Eigenschaften der beteiligten Flüs-sigen und Gasphasen diese Hindernissevorhersehen und ausräumen können. Dazubenötigt es vielseitig ausgebildete Ingenieureund Geowissenschaftler.

Ausblick

Kohlenwasserstoffvorräte sind endlich, undWasser bedarf einer sorgfältigen Bewirtschaf-tung. Unsere Kinder und Enkel verlangen zuRecht unseren verantwortungsvollen Umgangmit diesen flüssigen Ressourcen des Unter-grunds. Zu deren nachhaltigen Bewirt-schaftung gehört deswegen die sorgfältigeCharakterisierung von Speicher- und Leiterge-steinen, die in eine angemessene Manage-mentstrategie (Investitionen, Fördervolumen,rechtzeitige Wartung etc.) umgesetzt werden.Einer der Datenströme, die auf der Manage-mentebene zusammenfließen, liefert Kenntnisvon Speicherhohlräumen und deren Vernet-zung, also Porosität und Permeabilität. Dieseletztendlich geometrische Beschreibung wirdumgesetzt in mathematische Kennziffern, diein der Regel dreidimensional dargestellt unddamit visualisiert werden. Selbst vierdimensi-onale Beschreibungen werden inzwischen zu-nehmend Routine, denn Reservoirs verändernihre Charakteristika über Zeit, z.B. mit zuneh-mender Entleerung des Reservoirs und Ersatzdes Rohöls durch Wasser oder Gas und müs-sen neu beschrieben werden. Die Charakteri-sierung des Gesteins und die Vorhersage seiner

Eigenschaften in die Regionen des Reservoirsohne primäre Daten ist die Aufgabe vonGeolog/innen. Zusammen mit den Daten ausdem Labor des Chemikers und den Compu-tern des Ingenieurs werden diese Daten einge-passt in das Dreieck Gestein – Porenraum –Flüssigkeiten und als zusammenhängendes,sich gegenseitig beeinflussendes System be-trachtet. In der Kenntnis dieses Systems ha-ben die Ingenieur- und Geowissenschaften,zunehmend enger miteinander arbeitend, inden letzten Jahrzehnten große Fortschritte ge-macht. Unsere Fähigkeit, chemische Reaktio-nen in Sedimentbecken und Fließbewegungenin Öl- und Gasfeldern sowie die Ausbreitungvon Schadstoffen in Grundwasserleitern kor-rekt vorherzusagen, ist jedoch noch deutlichbegrenzt. Von einem endgültigen Verständnissind wir noch weit entfernt.

Porosität und Permeabilität in natürlichen Gesteinen

Literatur

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