Poser: Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten von Veranstaltern und...

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K Veranstaltungsrecht K2 Recht der Veranstaltungssicherheit 56 Kultur & Recht Januar 2012 K 2.5 S. 1 Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrs- sicherungs- und Betreiberpflichten von Veranstaltern und Betreibern Ulrich Poser Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Hamburg Inhalt Seite 1. Einleitung 2 2. Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters von Fußballspielen 3 3. Gefährliches Werfen von Schokoladenriegeln 4 4. Zur Verkehrssicherungspflicht eines Diskothekenbetreibers: Rutschgefahr 6 5. Die Fronleichnamsprozession: Hörschaden nach Salutschuss 8 6. Verkehrssicherungspflicht bei lautstarkem Popkonzert 12 7. Zur Verkehrssicherungspflicht eines Gaststättenbetreibers 13 8. Hörschaden durch abgefeuerte Weinbergkanonen bei einem Karnevalsumzug 14 9. Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Verlegung von Parkettboden in öffentlichen Veranstaltungsräumen 14 10. Haftung eines Stadthallenbetreibers bei Sturz eines Besuchers wegen nassen Herbstlaubs 15 11. Fazit 15

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K Veranstaltungsrecht

K2 Recht der Veranstaltungssicherheit

56 Kultur & Recht Januar 2012

K 2.5 S. 1

Rechtsprechungsübersicht zu Verkehrs- sicherungs- und Betreiberpflichten von Veranstaltern und Betreibern

Ulrich Poser Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, Hamburg

Inhalt Seite

1. Einleitung 2 2. Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters von

Fußballspielen 3 3. Gefährliches Werfen von Schokoladenriegeln 4 4. Zur Verkehrssicherungspflicht eines Diskothekenbetreibers:

Rutschgefahr 6 5. Die Fronleichnamsprozession: Hörschaden nach Salutschuss 8 6. Verkehrssicherungspflicht bei lautstarkem Popkonzert 12 7. Zur Verkehrssicherungspflicht eines Gaststättenbetreibers 13 8. Hörschaden durch abgefeuerte Weinbergkanonen bei einem

Karnevalsumzug 14 9. Verkehrssicherungspflichtverletzung durch die Verlegung

von Parkettboden in öffentlichen Veranstaltungsräumen 14 10. Haftung eines Stadthallenbetreibers bei Sturz eines

Besuchers wegen nassen Herbstlaubs 15 11. Fazit 15

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1. Einleitung

Veranstalter ist derjenige, der eine Darbietung in Ausübung einer gewerblichen oder beruflichen selbständigen Tätigkeit veranstaltet und die wirtschaftliche und organisatorische Verantwortung der Veranstaltung innehat.1 Betreiber ist diejenige natürliche oder juristische Person, die rechtlich befugt und tatsächlich imstande ist, bestimmten Einfluss auf eine Anlage, z. B. eine Stadthal-le auszuüben.2 In Betracht kommen insoweit u.a. Eigentümer, Pächter und Dau-ermieter. Veranstaltern und Betreibern obliegen im Hinblick auf die Durchführung von Kultur- und Sportveranstaltungen eine Vielzahl von Pflichten; ein Verstoß gegen sogenannte Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten kann gravierende Folgen haben.

Die Rheinische Post vom 11.07.20113 hat unter dem Titel „Loveparade war rechtswidrig“ berichtet, dass die Staatsanwaltschaft Duisburg im Falle der Love-parade-Tragödie in Duisburg vom 24.7.2010 gegen einige Beamte und Beschäf-tigte der Duisburger Stadtverwaltung ermittelt wird. Sollten einzelne Beschuldig-te strafrechtlich belangt werden, ist im zweiten Schritt möglicherweise mit der Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen in enormer Höhe zu rechnen.

Was sagt uns dieses Beispiel? Es können im Falle der Verletzung von Verkehrssi-cherungs- und Betreiberpflichten nicht nur – eher abstrakte – Rechtsgebilde wie „die Stadt“ oder „der Landkreis“ herangezogen werden. Vielmehr kann die zivil-rechtliche Haftung (und insbesondere die strafrechtliche Verantwortung) natürli-che Personen, d.h. den einzelnen Menschen persönlich treffen.

Jeder Veranstalter und Betreiber und alle insoweit tätigen Mitarbeiter sind somit im eigenen Interesse gehalten sich ständig zu fragen, welche Verkehrssicherungs- und Betreiberpflichten ihnen obliegen und wie dieses einzuhalten sind. Während sich die Betreiberpflichten u.a. aus den Versammlungsstätten-Verordnungen der Länder ergeben, existiert kein Gesetz über Verkehrssicherungspflichten. In einem ist sich die Rechtsprechung aber einig: Es besteht kein allgemeines Gebot, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren und auch kein Verbot, sie zu gefährden oder zur Selbstgefährdung zu veranlassen.4 Allerdings hat derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage gleich welcher Art für Dritte schafft oder andauern lässt, z. B. durch Eröffnung eines Verkehrs oder Durchführung einer Veranstaltung, Errichtung einer Anlage oder Übernahme einer Tätigkeit, die mit Gefahren für Rechtsgüter Dritter ver-bunden ist, Rücksicht auf diese Gefährdung zu nehmen und deshalb die allgemei-ne Rechtspflicht nach § 823 BGBG (Verkehrssicherungspflicht), diejenigen Vor-kehrungen zu treffen, die erforderlich und ihm zumutbar sind, um die Schädigung Dritter möglichst zu verhindern.5

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Verpflichtet ist immer derjenige, der für den Bereich der Gefahrenquelle verant-wortlich und in der Lage ist, die zur Gefahrenabwehr erforderlichen Maßnahmen zu treffen.6 Dies sind im Regelfall der Veranstalter und der Betreiber.

Nachfolgend einige Beispiele aus der umfangreichen Rechtsprechung:

2. Verkehrssicherungspflichten des Veranstalters von Fußballspielen

Mit einem aktuellen Urteil vom 24.02.20117 hat das OLG Frankfurt zu den Ver-kehrssicherungspflichten des Veranstalters eines Fußballspiels Stellung genom-men. In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall, veranstaltete die Beklagte im Jahre 2008 ein Bundesliga-Fußballspiel in ihrem Stadion. Der Kläger war bei diesem Spiel als Rasenpfleger für den Stadionbetreiber eingesetzt und hatte sich bei der Zündung mehrerer Feuerwerkskörper verletzt. Wie schon das erstinstanz-liche Landgericht, hat auch das zweitinstanzliche Oberlandesgericht entschieden, dass die Veranstalterin des Bundesliga-Fußballspiels keine Verkehrssicherungs-pflicht verletzt hat. U. a. wird hier wie folgt ausgeführt:

„(…) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der der Senat folgt, ist derjenige, der eine Gefahrenlage – gleich welcher Art – schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. (…) Die recht-lich gebotene Verkehrssicherung umfasst diejenigen Maßnahmen, die ein um-sichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren. Sie kann sich auch auf Gefahren erstrecken, die erst durch den unerlaubten und schuldhaften Eingriff eines Dritten entstehen. (…)

Eine solche Verkehrssicherungspflicht trifft auch den Veranstalter einer Sportveranstaltung gegenüber den Zuschauern. Für deren Verletzungen muss er einstehen; denn der Veranstalter eines solchen planmäßig durchgeführten sportlichen Wettkampfs mit öffentlichem Interesse, zu dem Zuschauer gegen Entgelt eingeladen werden, schafft die Gefahr, in dem er den Zustand, von dem für die Zuschauer eine Gefährdung ausgehen kann, herbei führt oder an-dauern lässt. (…)

Zu berücksichtigen ist jedoch, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Ein allgemeines Verbot, andere nicht zu gefährden wäre utopisch. Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. (…) Deshalb muss nicht für alle denk-baren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden (…). Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt ist

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genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält (…). Daher reicht es anerkanntermaßen aus, diejenigen Sicherheitsvor-kehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise – hier: Zuschauer und andere im Stadion anwesende Personen – vor Schäden zu bewahren, und die ihnen den Umständen nach zuzumuten sind (…).“

Im weiteren Verlauf des Urteils stellte das erkennende Gericht fest, dass die Be-klagte zwar bedenken musste, dass zu den verbreiteten Risiken von Bundesliga-Fußballspielen auch das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände wie z. B. Ben-galische Fackeln, Rauchpulver, Feuerwerks- und Knallkörper gehören. Abgewie-sen wurde die Klage letztlich mit der Begründung, dass die Beklagte allen Ge-fährdungen ein Sicherheitskonzept entgegengesetzt hat, das genau Schäden der später eingetretenen Art verhindern sollte. Alle Zuschauer wurden vor dem Betre-ten des Stadions einer Kontrolle – insbesondere auf das Verbotene Mitführen von Feuerwerkskörpern – unterzogen. Alle Fans des Gegners wurden sogar ein zwei-tes Mal vor Einlass in den Stadionblock kontrolliert. Die Beklagte hat sich somit – so das entscheidende Oberlandesgericht – mit den von ihr durchgeführten Kon-trolle im Rahmen dessen gehalten, was bei anderen nationalen und internationa-len Fußballspielen üblich ist und eine Verkehrssicherungspflicht damit nicht verletzt.

3. Gefährliches Werfen von Schokoladenriegeln

Das Amtsgericht Köln8 hat die Klage einer Besucherin eines Rosenmontagsum-zugs wegen Schadensersatz aufgrund Verletzung durch einen geworfenen Scho-koladenriegel abgewiesen. In dem vom Amtsgericht Köln entschiedenen Fall hatte die Klägerin behauptet, auf Grund der durch den Wurf erlittenen Verletzun-gen habe sie einen zweimaligen stationären Krankenhausaufenthalt absolvieren sowie zwei Operationen unter Narkose durchführen lassen müssen. Sie war der Auffassung, ihr stünde ein Schmerzensgeldanspruch sowohl aus Gefährdungshaf-tung als auch wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht zu. Das „brutale“ Werfen der Schokoladenriegel bei einem Rosenmontagsumzug sei nicht sozial üblich gewesen, da es rücksichtslos mit zu großer Kraft und mehreren Riegeln in Richtung von Personen erfolgt sei.