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Meinung · Wissen · Nachrichten Das Magazin des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten e.V. Euro 9,80 · www.bvvp.de Wie kein anderes Verfahren konnte sie für ihre Effekte Punkte sammeln und gute Noten einstreichen. In einem immer differenzierteren Bewusstsein psychischer Störungen muss sich das Verfahren aber erneut bewähren Plastik mit Nebenwirkung Was kommt mit der Gesundheitskarte auf Praxisinhaber zu? Der Schlüssel zum Geld Mit den Kodierrichtlinien wird die Praxis zur Arena Projekt Psychotherapie 01/2011 Verhaltenstherapie

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Meinung · Wissen · Nachrichten

Das Magazin des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten e.V.

Euro 9,80 · www.bvvp.de

Wie kein anderes Verfahren konnte sie für ihre Effekte Punkte sammeln und gute Noten einstreichen. In einem immer differenzierteren Bewusstsein psychischer Störungen muss sich das Verfahren aber erneut bewähren

Plastik mit Nebenwirkung Was kommt mit der Gesundheitskarte auf Praxisinhaber zu?

Der Schlüssel zum GeldMit den Kodierrichtlinien wird die Praxis zur Arena

ProjektPsychotherapie01/2011

Verhaltenstherapie

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ProjektPsychotherapie

03

V O R W O R T

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

den Schwerpunkt dieser Ausgabe haben wir der Verhaltenstherapie gewidmet. WirPsychotherapeuten können uns glücklich schätzen, auf sehr unterschiedlich konzi-pierte Behandlungsverfahren zugreifen und uns auf ein breit gefächertes Behand-lungsinstrumentarium stützen zu können – ein reich gedeckter Tisch, wenn nichtdas Verhältnis der Protagonisten zueinander und zu den jeweils anderen Verfahrenauch immer wieder sehr konfliktbeladen wäre. Ob es besser wäre, die Speisekartegemeinsam und einträchtig weiterzuentwickeln, oder ob man lieber versucht, sichgegenseitig in die Suppe zu spucken – das ist ein weites Spannungsfeld, das jedemPsychotherapeuten hinlänglich bekannt ist. Miteinander oder Gegeneinander – derbvvp hat sich seit jeher für integrative Lösungen stark gemacht.

In diesem Heft wollen wir namhafte Protagonisten der Verhaltenstherapie zu Wortkommen, ihr Verfahren darstellen und die Stärken dieser Arbeitsweise herausarbei-ten lassen.

Ich bin sicher, dass die Artikel für Sie interessant sind und Ihnen viel Neues ver-mitteln können; zugleich werden sie aber hier und da auch zu Widerspruch und Aus-einandersetzung anregen. Das liegt in der Natur der Sache. Kontrovers besetzte The-men kann man nicht anpacken, ohne einen Diskurs anzustoßen.

Wahrscheinlich dürfte es auch konträre Auffassungen bezüglich der Historie ge-ben. Herr Professor Rief schreibt, dass „das Vorliegen von anerkannten und belast-baren Therapiestudien aus dem Bereich der kognitiven Verhaltenstherapie (KVT)dazu geführt (habe), dass Psychotherapie auch von Nicht-Psychotherapeuten imGesundheitswesen anerkannt wird und eine Leistung der Solidargemeinschaft wurde,die eine relevante Rolle in der Versorgung spielt. Die aktuelle Verankerung derPsychotherapie im deutschen Gesundheitswesen wäre ohne die Therapiestudien derKVT nicht denkbar gewesen.“ Sicher werden dagegen andere Kollegen in diesem Kon-text zuallererst die bahnbrechenden Untersuchungen von A. Dührssen und E. Jors-wieck („Nervenarzt“, Jahrgang 36, Heft 4) über die Langzeit-Therapieerfolge vonpsychoanalytischen Behandlungen als den entscheidenden Schrittmacher ansehen,der zur Aufnahme der Psychotherapie als solidarisch finanzierte Kassenleistung indie gesetzliche Krankenversicherung geführt hat.

Wir hoffen, dass es uns mit diesem Heft wieder einmal gelingt, lebhaftes Nach-denken auszulösen, und danken an dieser Stelle unseren Autoren ganz herzlich fürdie Bereitschaft, ihre Beiträge für unsere Leser zur Verfügung zu stellen.

Und noch ein Wort zur Berufspolitik: Die KV-Wahlen sind abgeschlossen. Im Na-men des bvvp möchte ich mich sehr herzlich bei allen Kolleginnen und Kollegen be-danken, die unseren Kandidaten auf Landesebene ihr Vertrauen geschenkt haben.Wir werden uns weiterhin für die Belange unserer Mitglieder und für den Erhalt undAusbau der psychotherapeutischen Versorgung einsetzen. Mit sechs PsychologischenPsychotherapeuten und zwölf Ärztlichen Psychotherapeuten als Delegierte in denVertreterversammlungen der Landes-KVen, zuzüglich der Kollegen, die in den be-ratenden Fachausschüssen und weiteren Gremien mitwirken, verfügen wir über eineerhebliche Man- beziehungsweise Woman-Power. Wir gehen damit sehr gut aufge-stellt in die nächste Wahlperiode 2011 bis 2016 und sind zuversichtlich, weiterhinan den entscheidenden Stellen Einfluss nehmen und gestalten zu können.

Mit kollegialen Grüßen, Ihre Birgit Clever,1. Vorsitzende des bvvp

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ProjektPsychotherapie

04

I N H A LT

Wissen

05 Plastik mit NebenwirkungMit der elektronischen Gesundheitskarte kommen auf Praxisinhaber einige Kosten zu

Meinung

07 Ungelegte EierBis April muss der Bewertungsausschussein Vergütungskonzept vorlegen, das Versorgung und Honorare gut und bundesweit vergleichbar macht

09 Der Schlüssel zum GeldMit den Kodierrichtlinien wird die Praxis zum Schauplatz honorarpolitischer Kämpfe

Schwerpunkt Verhaltenstherapie

13 Von den Anfängen bis heuteDie Entwicklung der Verhaltenstherapie ist längst nicht am Ende

15 In der Kürze liegt die WürzeIn der Versorgung werden längere Behandlungen zunehmend wichtig

16 Die Lehre dehnt sich ausImmer komplexer werdende Behandlungskonzepte machen sich in den Ausbildungsplänen bemerkbar

18 Zwischen Speerspitze und gut gepflegten VorurteilenMit guten Noten für ihre Effektivität sollte sich die Verhaltenstherapie nicht begnügen

22 „Der liebe Gott hat die Welt nicht in Therapieschulen eingeteilt“Im Interview plädiert Franz Caspar für einen integrativen Pragmatismus

26 Ursachenforschung ist kein MussEin Querschnitt zum Leitbild und Störungsverständnis der Verhaltenstherapie

Vertraulich

29 WintertraumDie grippehysterischen Schlagzeilen bleiben aus.Will die Pharmaindustrie nichts mehr verdienen?

Rubriken

30 Literatur

33 Veranstaltungen

34 Marktplatz, Impressum

34 Ausblick auf Heft 02/2011

ProjektPsychotherapie01/2011Das Magazin des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) e.V.

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ProjektPsychotherapie

05

W I S S E N

Plastik mit Nebenwirkung Mit der elektronischen Gesundheitskarte soll vieles einfacher und schneller werden. Hier ist Skepsis angebracht. Fest steht aber, dass auf Praxisinhaber einige Kosten zukommen

Von Helga Planz, 2. Vorsitzende im hessischen bvvp Regionalverband vhvp

___ Wer dachte, das lange Schweigen derMedien zur elektronischen Gesundheits-karte (eGK) bedeute, dass sie nicht kommt,wird nun enttäuscht. Denn seitens der Re-gierung soll die Gesundheitskarte nun überden Druck auf die gesetzlichen Kranken-kassen beschleunigt eingeführt werden,nachdem die rechtlichen Grundlagen be-reits Anfang 2004 über das Gesetz zur Mo-dernisierung der gesetzlichen Krankenver-sicherung (GMG) geregelt wurden, die ei-gentliche Kartenausgabe sich aber immerwieder verzögerte. Kassen, die bis Ende 2011die neue Karte nicht an mindestens zehnProzent ihrer Mitglieder ausgegeben ha-ben, sollen mit einer Kürzung der Verwal-tungsausgaben um zwei Prozent bestraftwerden. Gibt es seitens der Kassen ledig-lich organisatorische Probleme bei der Kar-tenausgabe, oder ist man skeptisch, was denErfolg der Karte bei den Behandlern undVersicherten angeht?

Was ist neu an der eGK? Auf der Kartewird ein Foto des Versicherten eingefügt.Die Stammdaten sowie die Notfalldatenwerden auf einem speziellen Chip gespei-chert. Weitere Anwendungen sollen zu einem späteren Zeitpunkt folgen, wie eRezept, eArztbrief, elektronische Patien-tenakte, ein Patientenfach für vom Versi-cherten selbst oder für ihn zur Verfügunggestellte Daten sowie eine Übersicht überdie in Anspruch genommenen Leistungenund deren vorläufige Kosten für die Versi-

cherten. Neuerdings gibt es die Idee, überdie Karte die Praxisgebühr automatischeinziehen zu können. Vorrangig und wohlauch verpflichtend soll allerdings der eArzt-brief kommen, der etwa dem Reha-Kurz-brief entsprechen soll. Vorteile werden inder Möglichkeit gesehen, Arzneimittel-Unverträglichkeiten zu vermeiden, und imUmstieg vom Papierrezept auf das elektro-nische Rezept (eRezept). Bei einem Arzt-wechsel oder im Notfall wären wichtigeGesundheitsdaten leichter verfügbar, was„in vielen Fällen eine qualitativ bessere Be-handlung“ ermöglichen würde. Die Mög-lichkeit der Patienten, die über sie gespei-cherten Daten zu ihrer gesundheitlichenSituation auf der Karte einsehen zu kön-nen, würde die Eigenverantwortung stär-ken und eine aktivere Mitwirkung bei derBehandlung ermöglichen.

Wie steht es mit den Vorteilen für die Ärz-te und Psychotherapeuten? Hier wird aufdie schnelle Verfügbarkeit von Notfalldatenund die bessere Kommunikation zwischenBehandlern beziehungsweise Klinikenuntereinander sowie die Verringerung vonDokumentation und Bürokratie verwiesen.Brauchen wir das, werden sich insbeson-

dere die Psychotherapeuten fragen. Tat-sächlich wird möglichen Erwartungen sei-tens der Niedergelassenen vorgebaut: „Zu-nächst hat die Karte vor allem für die Pa-tienten und die Versicherer Vorteile“, meintdazu der Erste Vorsitzende der Kassenärzt-lichen Bundesvereinigung (KBV) AndreasKöhler. Er sieht erst in der Einführung derelektronischen Patientenakte und demelektronischen Arztbrief spürbare Mög-lichkeiten für die Praxen, von der eGK zuprofitieren. Sollten Niedergelassene auf dieIdee kommen, sich der Einführung in denPraxen zu verweigern, wird eine Warnungnachgeschoben: „Wer sich als Leistungser-bringer dieser Entwicklung verwehrt, kata-pultiert sich mittelfristig selbst aus dem Sys-tem heraus. Es ist nur eine Frage der Zeit,bis die überwiegende Zahl der Patienten dieGesundheitskarte nutzt. Zudem handelt essich um gesetzliche Vorgaben, denen sichniemand einfach entziehen kann.“

Der Roll-out der eGK wurde eigentlichin Staffeln geplant, das heißt die einzelnenBundesländer sollten zeitversetzt hinzu-treten. Ob dies angesichts der sich wieder-holenden Verzögerungen tatsächlich ge-staffelt erfolgen wird, ist unwahrschein-lich. Sobald die ersten Versicherten mit derGesundheitskarte ausgestattet worden sind,können Ärzte und Psychotherapeuten mitderen Vorlage in den Praxen rechnen. Daaber nur zehn Prozent der Versicherten mitden neuen Karten ausgestattet werden

Wer sich sträubt,katapultiert sich selbstaus dem System

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W I S S E N

ProjektPsychotherapie

06

müssen, wird es in den Praxen eine Phasedes Übergangs geben, in der von Patientendie bisher gültige alte Karte oder die neuevorgelegt wird. Die neu zu beschaffendeGeneration von Kartenlesegeräten wird des-halb in der Lage sein, den Parallelbetriebmit alter und neuer Karte zu gewährleisten.Mit den Spitzenverbänden der gesetzlichenKrankenversicherung (GKV) wurden sei-tens der KBV für die Praxen Pauschalen zurAnschaffung neuer Geräte ausgehandelt.So soll für ein stationäres, von der gema-tik zugelassenes und zertifiziertes Health-BCS-Kartenterminal eine Pauschale von355 Euro gezahlt werden. Eine weitere Pau-schale von 215 Euro wird es für die Instal-lation in den Praxen geben. Ärzte, die Not-dienst, Haus- oder Heimbesuche oder Ein-sätze in Fremdpraxen machen, sollen fürdie Anschaffung eines mobilen Lesegeräts280 Euro erhalten.

Die bisherige Möglichkeit, ausschließlichmit einem mobilen Lesegerät arbeiten zukönnen, entfällt allerdings, da der Online-Abgleich obligatorisch wird. Die ursprüng-liche Ankündigung zur Freiwilligkeit derOnline-Anbindung ist damit hinfällig. Hierhat wohl die IT-Industrie erfolgreich aufden Gesetzgeber eingewirkt, da man Sicher-heit haben wollte, angesichts der Ärztepro-teste nicht auf den Entwicklungskosten fürOnline-Projekte und dafür notwendigerHard- und Software sitzen zu bleiben. Daeine Vergütung für die notwendige Inter-netanbindung nirgendwo erwähnt wird,kommen auf die Praxen weitere Kosten zu.Einige Kassenärztliche Vereinigungen (KV)bieten bereits jetzt D2D und KV-Safenetan, was monatliche Kosten verursacht. DenAusführungen der gematik kann man nochnicht entnehmen, ob diese Lösungen not-wendig für die Arbeit mit der eGK sind.Wir empfehlen hier, abzuwarten. Auch diePraxissoftware hat sich mit Blick auf dieeGK bereits verteuert, sodass von einer kos-tenneutralen Einführung keine Rede mehrsein kann. Abgesehen davon werden beiden meisten Psychotherapeuten weitere In-

Von einer kostenneutralenEinführung kann keine Rede sein

tenleitungen, wie zum Beispiel UMTS,unterstützt werden, ist zu vermuten, da ineinigen Regionen noch keine Breitband-verbindung zur Verfügung steht. Für denRegelbetrieb mit der eGK wird der HBA(Heilberufsausweis, auch HPC genannt =Health Professional Card) notwendig wer-den, der über eine elektronische Signaturverfügt. Diese Heilberufsausweise werdenvermutlich noch in diesem Jahr von denKammern ausgegeben, die Sie automatischüber das Prozedere der Beantragung infor-mieren. Auch hier werden zusätzliche Kos-ten anfallen.

Bereits jetzt werden von Praxissoftware-häusern und anderen Anbietern neue Kar-tenlesegeräte angeboten. Anzuraten ist aber,den Hinweis der regionalen KV auf diePauschalen für die Anschaffung abzuwar-ten und darauf zu achten, dass die Geräteeine KBV- beziehungsweise gematik-Zer-tifizierung besitzen. ___

vestitionen, zum Beispiel für PC-Sicher-heit, Wartungskosten und Schulungen, not-wendig sein. Vertragsärzte und -Psycho-therapeuten müssen die Gültigkeit der Ge-sundheitskarte und die Aktualität derdarauf gespeicherten Daten einmal imQuartal online abgleichen, am besten je-weils beim ersten Termin mit dem Patien-ten, um sicherzugehen, dass die Daten fürdie Abrechnung verwendet werden kön-nen, wenn es keinen weiteren Termin ge-ben sollte.

Dabei erfolgt der Datenabgleich nicht wiebeim E-Mail-Abruf über das herkömmli-che Internet, sondern mithilfe eines zu-sätzlichen Geräts, des Konnektors, und ei-ner VPN-Datenverbindung (VPN = VirtualPrivate Network) zum eGK-Server, welchedie Internet-Datenleitung benutzt. Der Be-nutzer benötigt die Zugangsberechtigung,die über die KBV zur Verfügung gestelltwird. Ob neben DSL auch langsamere Da-

Cui bono? Die wahren Nutznießer der Karte stehen auf einem anderen Blatt. Ein Kommentar

Die wiederholt vorgetragene Skepsis nie-dergelassener Ärzte und Psychotherapeu-ten wird von den Verfechtern der eGK inPolitik, bei den Kassen und der Industrieals vorgeschoben, rückständig und irratio-nal bezeichnet. Zwar weiß man, dass mangenau diese Gruppe gewinnen muss, solldas Projekt nicht scheitern. Den Nutzenwerden aber vor allem die Krankenkassensowie die IT-Industrie haben. Bei nähererBetrachtung wird deutlich: Nicht etwa diereguläre Arztpraxis – schon gar nicht dieeines Psychotherapeuten – wird profitierenvon der mit der eGK verbundenen Tele-matik-Infrastruktur. Für den Brief einesPsychotherapeuten an den Hausarzt wäreein solches System deutlich überdimensio-niert, und Berichte an den Gutachter unddie Krankenkassen müssen ohnehin wei-ter per Post geschickt werden.

Mit Bürokratieabbau und Kostenein-sparungen ist nicht etwa gemeint, dassÄrzte und Psychotherapeuten einen zeit-lichen oder finanziellen Gewinn durch denBetrieb der eGK in ihren Praxen habenwerden. Das Gegenteil ist der Fall, denn die

Pauschalen werden bei Weitem nicht ausrei-chen, den laufenden Betrieb zu decken. DerZeitbedarf in den Praxen im Umgang mitder eGK wird zunehmen, ebenso wie bei denAmbulanten Kodierrichtlinien. Die Behand-ler werden durch erhöhten Zeitaufwand, Pra-xis-EDV und Wartungskosten das Projektmitfinanzieren müssen. Auch der für die spä-teren Online-Funktionen erforderliche Heil-berufsausweis wird den Praxen über dieKammern in Rechnung gestellt werden.

Wo sehen wir die Gefahren? Nachdem dieKBV jahrelang auf die Gefahren der Verbin-dung von Praxis-Computer mit dem Inter-net hingewiesen hat, soll es nun die Ver-pflichtung zur Vernetzung geben. Der Schutzintimer Patientendaten wird aufgeweicht beigleichzeitiger zunehmender Abwälzung derHaftung auf die Ärzte und Psychotherapeu-ten, sollte es zum unbeabsichtigten Daten-GAU bei den Gesundheitsdaten kommen.Wie immer bei solch ambitionierten Projek-ten wird Datensicherheit versprochen. Zu-letzt hat WikiLeaks gezeigt, wie schnell ver-trauliche Daten von sicher geglaubten Servernan die Öffentlichkeit gelangen können.

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pektive will Rösler auf Regelungen hinaus,die in den Bundesländern sowohl eine ver-gleichbar gute Versorgung der Patientenmit Behandlung wie auch der Ärzte mitHonorar herbeiführen. Zu diesem Zweckhat die Regierung in das GKV-Finanzie-rungsgesetz gleich eine definierte Haus-aufgabe für die Selbstverwaltung aus Kran-kenkassen und Ärzten hineingeschrieben.Bis zum 30. April 2011 muss der Bewer-tungsausschuss ein Konzept für die Vergü-tung vorlegen, das dann von der Regierungweiterverarbeitet werden soll: Referenten-entwurf, Kabinettsentwurf, Anhörungen inden Ausschüssen und so weiter. Im Laufedes Jahres 2012 soll es verabschiedet wer-den und spätestens bis zum 1. Januar 2013in Kraft treten.

Dieser Auftrag hat zu hektischer Aktivitätin der Kassenärztlichen Bundesvereinigung(KBV) geführt. Nach der Logik „Nur werwas vorschlägt, kann Einfluss nehmen“wurde mit Feuereifer an einem Konzeptunter dem Namen „Gute Versorgung“ ge-

arbeitet. Tatsächlich geht es darin darum,dass den Patienten bundesweit eine ver-gleichbar gute Versorgung zur Verfügungstehen soll und den Ärzten ein vergleichbargutes Honorar. Denn nach wie vor gibt esgroße Unterschiede. Da sich die Honorar-höhe der Ärzte immer über das zur Ab-rechnung zur Verfügung stehende Leis-tungsvolumen in Punkten multipliziert mitdem Orientierungs-Punktwert definiert,muss versucht werden, bundesweit ähnlicheFallwerte pro Patient zu erreichen. Da zumBeispiel die Arztdichte auch Unterschiedein den Kosten pro Patient herbeiführt,steckt bei diesem Vorgehen der Teufel imDetail. Es gibt noch ein paar weitere Fak-toren, die berücksichtigt werden müssten,was einen KV-Vorstand zu der Äußerungveranlasste, dass hier einmal mehr die Welt-formel gesucht werde. Politisch heikel wäreein solches Vorgehen, wenn es wieder zugroßer Umverteilung zwischen den KVenführen würde. Gleichzeitig hat sich seit derletzten großen Reform von 2008 herausge-stellt, dass bundesweite Normen zu großenUmsetzungsproblemen in den KVen führen,weil gewachsene Strukturen aufgrund derZentralisierung unberücksichtigt bleiben.Daher gibt es einen großen Schwenk zumehr regionalem Einfluss der KVen und

Ungelegte EierBis April muss der Bewertungsausschuss ein Vergütungskonzept vorlegen, das Versorgung und Honorare gut und bundesweit vergleichbar macht.Zur Debatte stehen wieder mehr regionale Ansätze.Für Psychotherapeuten muss eine eigene Regelung gefunden werdenVon Jürgen Doebert, kooptiertes Vorstandsmitglied bvvp

In der Honorar-Angleichung sind wir die Vorreiter

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___ Schon im letzten Jahr wurde im Finan-zierungsgesetz für die gesetzliche Kranken-versicherung (GKV-FinG) eine Regelungausgesetzt, die alle sehr beunruhigte: Zu-schläge bei Unterversorgung, Abschläge beiÜberversorgung. Angesichts nominellerÜberversorgung nicht nur bei den Psycho-therapeuten sahen die Krankenkassen schonein riesiges Sparpotenzial. Viele der Rege-lungen wären aber nicht oder nur mit wie-der neuen Verrenkungen umzusetzen ge-wesen, ohne den erwünschten Effekt her-beizuführen, nämlich dass Ärzte undPsychotherapeuten sich in unterversorgtenGebieten niederlassen. Aber – die Regelungist noch in der Welt. Sie ist nur ausgesetzt.

Der FDP-Minister Philipp Rösler gehtmit ungebremstem Schwung an die nächsteReform des Gesundheitswesens, nachdemer für 2011 und 2012 erst mal Ruhe in denKarton gebracht hatte, indem er die Bei-tragssätze erhöhte und eben auch die Arzt-honorare. Es entbehrt nicht ganz der Ko-mik, dass dieses Gesetz als Spargesetz derBundesregierung verkauft wurde. Gemes-sen daran, wie viel Geld man aber noch imGesundheitswesen hätte ausgeben können,ist es schon recht sparsam.

Das schafft Luft für ein neues Jahrhun-dertwerk. Als Minister mit Bundes-Pers-

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ein Zurückschrauben der Regelungskom-petenz des Bewertungsausschusses.

Für die Psychotherapeuten sind beideEntwicklungen kritisch; die bisherige Er-fahrung zeigt, dass regionale Festsetzungder Honorarverteilung eher zum Nachteilder Psychotherapeuten war und eben dieKorrekturen durch die Rechtsprechung desBundessozialgerichts (BSG) erforderlich ge-macht hatte. Zentrale Regelungen durchden Bewertungsausschuss, zum Teil unterEinschaltung des erweiterten Bewertungs-ausschusses, haben sich als tragfähiger er-wiesen. In Bezug auf die Angleichung derHonorare sind wir Psychotherapeuten dieVorreiter. Wir haben einen bundesweit glei-chen Stundenlohn. Psychotherapeuten, diegleich viele Sitzungen pro Woche durch-führen, erzielen bundesweit das gleiche Ho-norar. Diese von den Psychotherapeutenals richtig und gerecht empfundene Er-rungenschaft spricht dafür, die Psychothe-rapeuten aus der geplanten Systematik weit-gehend herauszunehmen.

Ein Dauerthema bleibt allerdings, mit wel-cher Systematik eine regelmäßige Erhö-hung der Vergütung pro Zeiteinheit er-reicht werden kann, wenn alles Geld – wiejetzt in 2011 (siehe Kasten) – in einen ge-steigerten Leistungsbedarf fließt. Nachdemin der Politik immer wieder beschworenwurde, dass der gesamte Bereich der spre-chenden Medizin gestärkt werden soll,müssen hierfür gesetzliche Regelungen ge-funden werden. Dabei ist immer wiederdaran zu erinnern, dass die durch die BSG-Rechtsprechung definierte „angemesseneVergütung“ nur ein Mindestmaß festlegt.Mit vollem Einsatz muss ein Psychothera-peut den durchschnittlichen Ertrag ver-

gleichbarer Ärzte erreichen können – mehrals die Erfüllung dieses Mindestmaßeskonnte in der Selbstverwaltung bishernicht durchgesetzt werden. Hier stehtebenso die Notwendigkeit einer Weiter-entwicklung an wie bei der Tatsache, dassAnpassungen bei den Psychotherapeuten-honoraren bisher immer erst mit einerVerzögerung von Jahren erfolgt sind.

Eine gute Versorgung bedeutet zugleicheine vernünftige Sicherstellung der Versor-gung. Zu dem ehrgeizigen Vorhaben desMinisters Rösler gehört auch, die Bedarfs-planung zu reformieren. Die grundlegendeSchwierigkeit nicht nur bei den Psycho-therapeuten liegt darin, dass die über Jahr-zehnte fortgeschriebenen offiziellen Be-darfszahlen einfach nicht den Bedarf anÄrzten und Psychotherapeuten widerspie-geln. Auch bei einem sogenannten Gradder Überversorgung von zum Beispiel 280 Prozent findet man oft keinen Psycho-therapeuten, wenn man ihn braucht, odermuss beim Röntgenarzt ein paar WochenWartezeit in Kauf nehmen. Im Bereich derPsychotherapie wird durch die Bedarfs-zahlen überhaupt nicht erfasst, welchenZuwachs an psychischen Krankheiten undan begrüßenswerter Bereitschaft der be-troffenen Personen, sich auch mit psychi-schen Mitteln behandeln zu lassen, es inden letzten 20 Jahren gegeben hat. Dem-entsprechend hat sowohl bei Patienten alsauch bei Ärzten ein Bewusstseinswandelstattgefunden, der sowohl zum besserenErkennen psychischer Erkrankungen ge-führt hat als auch zu einem offeneren Um-gang damit. Ein Hausarzt muss heute kaum

Wie erreichen wir eine regelmäßige Erhöhungder Vergütung pro Zeiteinheit?

Die offiziellen Bedarfszahlen spiegelnnicht den Bedarfan Ärzten und Psychotherapeuten wider

Vergütung 2011Der Orientierungs-Punktwert bleibt gleich.Damit bleibt auch das Honorar proPsychotherapie-Sitzung gleich. Als Gruppebekommen die Psychotherapeuten abermehr Geld. Sie haben also Honorar fürmehr Leistungen zur Verfügung. DieseSteigerung ergibt sich aus der allgemeinenErhöhung der Gesamtvergütungen derKassenärztlichen Vereinigung (KV) für alleÄrzte und Psychotherapeuten. Allerdingswird dieses Geld asymmetrisch verteilt,das heißt nach einem bestimmten Schlüs-sel fließt das Honorar in unterschiedlicherHöhe in die KVen. Dazu kommen nochbundesweit 40 Millionen Euro für die zu-sätzlichen halben Versorgungsaufträge unddie Quote der Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten (KJP). Diese 40 Mil-lionen fließen direkt in den Vorwegabzugfür Psychotherapie.

noch befürchten, seinen Patienten zu ver-lieren, wenn er eine Psychotherapie vor-schlägt. Wie aber solche Prozesse in einevernünftige Bedarfsplanung umgesetztwerden können, ist noch nicht geklärt. Sollman nicht einfach die Bedarfsplanungabschaffen? Zumindest ist die Bedarfs-planung Folge des sozialpolitischen An-spruchs, eine möglichst gleich gute Ver-sorgung herbeizuführen. Ob hier der Marktwirklich alles regeln oder nur zu neuenUngerechtigkeiten führen würde, wird ge-rade heftig diskutiert. Auch im bvvp.

Eines ist gewiss: Bis diese Eier alle gelegtsind, werden viele Kämpfe ausgefochtenwerden. Ob angesichts dieser Großbau-stellen Raum für eine Reform des Psycho-therapeutengesetzes (PTG) bleibt, die dieKammern sehr beschäftigt, ist zu bezwei-feln. Insbesondere für die Psychothera-peuten in Ausbildung, die sich von einerNovellierung des PTG eine Regelung fürdie Bezahlung im Psychiatrischen Jahr er-warten, wäre das ein herber Schlag.

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___ Dr. Bürokratius freut sich über neueFachliteratur. In guter Gesellschaft vonEBM, Psychotherapie-Richtlinie, ICD-10,verschiedenen Leitlinien und anderen Ge-setzestexten, direkt neben dem Handbuchfür Qualitätsmanagement, steht das neueWerk: Ambulante Kodierrichtlinien, Ver-sion 2011, 177 Seiten. Der wesentliche In-halt ist trotz des beträchtlichen Umfangsschnell zusammengefasst. Neu ist die De-finition der Behandlungsdiagnose, die dannvorliegt, wenn im abzurechnenden Quartaldiagnostische oder therapeutische Leistun-gen erbracht worden sind. Zusätzlich gilt dieMaßgabe, dass eben nur diese Behand-lungsdiagnosen bei jeder neuen Abrech-nung zu überprüfen und zu übermittelnsind. Begründet wird die Notwendigkeitnicht nur mit der gesetzlichen Vorgabe imSozialgesetzbuch, sondern inhaltlich damit,dass die Umsetzung der neu festgelegtenmorbiditätsbedingten Gesamtvergütungeine so umfassende Datensammlung qua-litätsgesicherter Diagnosen verlange.

Gegen diese Kodierrichtlinien wird bun-desweit aus verschiedenen Lagern Protestlaut. Dabei bezieht sich die Kritik häufigvorrangig und pragmatisch auf den er-höhten Zeitaufwand und die damit ver-bundene Belastung, ohne dass im Gegen-zug irgendeine Erleichterung oder direkteVergütung zu verzeichnen wäre. Dieses Ar-gument ist speziell für somatisch tätigeÄrzte mit großen Praxen, einem breiten Be-handlungsspektrum und multimorbidenPatienten – also besonders auch für Haus-ärzte – nicht von der Hand zu weisen. Fürdie meisten Psychotherapeuten bliebe diese

Büroarbeit überschaubar. Ein weiteresThema in der breiteren Diskussion ist derDatenschutz. Dieses Konfliktfeld ist deut-lich komplexer. Auch wenn die Daten zurBerechnung der morbiditätsbedingten Ge-samtvergütung pseudonymisiert werden,gelangen sie zunächst mit den anderen In-formationen der Abrechnung zu den Kran-kenkassen. Fraglich ist dabei unter ande-rem, ob diese Erhebung nicht gegen § 3ades Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG)zur Datenvermeidung und Datensparsam-keit verstößt. Das Argument der Kassen-ärztlichen Bundesvereinigung (KBV), dassdurch einen Wegfall vieler Dauerdiagnosenein Datenmissbrauch begrenzt werde, trifftnicht wirklich den Kern.

In der Fortführung des Datenschutzge-dankens wird dann noch die Sorge geäu-ßert, dass sich die Stigmatisierung psy-chisch Kranker noch gravierender auswir-ken könnte, wenn es um den Abschlussanderer Versicherungsverträge geht, die dieÜberprüfung eines Gesundheitsrisikos er-fordern. An dieser Stelle lässt es die KBVan einer klaren Position fehlen: Auf dieFrage, ob Leistungserbringer denn ge-zwungen seien, Diagnosen anzugeben, diesich möglicherweise nachteilig auswirkenkönnten, antwortet sie auf ihrer Home-page mit „Nein“. Die Entscheidung, wel-che Diagnosen weitergeleitet werden, liegenach wie vor in den Händen der Behand-ler. Vielleicht sei die Diagnose ja noch rechtdiffus oder könne noch gar nicht genaubestimmt werden. Die Kodierrichtlinienschreiben im Gegensatz dazu vor, voll-ständig und spezifisch zu verschlüsseln. Als

Begründung wird die Einführung der mor-biditätsbedingten Gesamtvergütung ge-nannt, die seit Langem von der Ärzteschaft– natürlich auch zu Recht – gefordert unddaher kaum infrage gestellt wurde. Wasaber bringt sie überhaupt in einem Ge-sundheitssystem, das wohl nie mehr ohneirgendeine Form der Budgetierung aus-kommen wird? Die aktuelle Situation hatgezeigt, dass die letzte prozentuale Erhö-hung der Gesamtvergütung das Ergebnispolitischer Verhandlungen war und dieKopplung an die Morbidität für zwei Jahreausgesetzt werden kann.

Was nutzt also eine morbiditätsbedingteGesamtvergütung, wenn sie letztlich dochwieder durch die Politik korrigiert wird?Dabei sollte man zudem festhalten, dassdie Behandlungsdiagnosen nicht dieKrankheitshäufigkeit der Bevölkerungwiedergeben. Der kranke Patient, der sichnicht oder privat – vielleicht zur Vermei-dung persönlicher Nachteile – behandelnlässt, wird ebenso wenig erfasst wie derpsychisch Kranke, der trotz vieler Bemü-hungen keinen Therapieplatz gefunden hat.Aber im Grunde ist ja auch nicht wirklichdie Morbidität gefragt, sondern der Be-handlungsaufwand, der durch die Ge-samtvergütung abgedeckt werden soll. Wasaber stellt diesen Leistungsumfang besserdar als die Häufigkeit der abgerechneten

Wo bleibt die Transparenz von Politik und Krankenkassen?

Der Schlüssel zum GeldMit der Einführung der Kodierrichtlinien wird die Praxis zum Schauplatz honorarpolitischer Kämpfe

Von Martin Kremser, Vorstandsmitglied im bvvpFoto

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Ziffern des Einheitlichen Bewertungsmaß-stabes (EBM) und die abgerufenen Punkt-zahlen? Diagnosen allein reichen ja wohlnicht. Zu verschieden sind die Menschenund Behandlungsverläufe hinter diesenKodes. Aber vermutlich ist das Vertrauender Politik in das Abrechnungsverhaltender Ärzteschaft nach Erfahrungen der Leis-tungsmengenausweitung und der Hams-terradeffekte erschüttert. Warum sollte dieKodierung nach Richtlinie an diesemGrundproblem etwas ändern?

Vielleicht, weil dadurch eine neue Da-ten-Trias entsteht, die eine neue Form derÜberprüfung ermöglicht: qualitätsgesi-cherte Diagnose – Behandlung/Verordnung– Abrechnungsziffern. Zusammen mit einerimmer größeren Orientierung an Leitlinienund manualisierten Behandlungsprozedu-ren ergibt diese Dreiheit ein optimiertesKontrollraster. Während die KBV als einenguten Grund für die Richtlinie eine Ver-ringerung der Kassenanfragen aufführt, er-möglicht diese Datengrundlage den Kas-sen erst recht in jedem einzelnen Behand-lungsfall eine differenzierte Kontrolle:Warum wird bei dieser Diagnose das Me-dikament verordnet und jene Ziffer abge-rechnet? Wir Psychotherapeuten kennendas Gutachterverfahren, in dem wir aus-führlich über Diagnose, Behandlungsplanund voraussichtlichen Umfang berichtenmüssen. Durch die Weiterleitung der Be-handlungsdiagnosen können die Kranken-kassen jetzt besonders bei den somatischtätigen Ärzten eine Art kleines Gutachter-verfahren installieren. Denn die Einfüh-rung der morbiditätsbedingten Gesamt-vergütung führt zu einem grundlegendenWechsel der Honorarpolitik. Wurde die Ge-samtvergütung bisher überwiegend zwi-schen der Kassenärztlichen Vereinigung undden Krankenkassen verhandelt, verlagertsich jetzt ein Teil des Einflusses auf die Fi-nanzströme in die Praxis hinein. Die Pra-xis wird zum Schauplatz honorarpolitischer

Kämpfe. Der Praxisinhaber wird nun vonzwei Seiten kritisch beäugt und gegebe-nenfalls unter Druck gesetzt. Die DiseaseManagement Programme (DMP), die aucheinen Einfluss auf den Risikostrukturaus-gleich und damit die Finanzausstattungder Krankenkassen haben, führten in derVergangenheit dazu, dass teilweise Versi-cherte zu Hause von Mitarbeitern der Kran-kenkassen aufgesucht wurden ebenso wieÄrzte in ihren Praxen, um eine möglichsthohe Einschreibungsrate zu erreichen.

In Zukunft werden auf der einen SeiteKrankenkassen verstärkt Diagnosen undBehandlungsabläufe überprüfen und dieKassenärztlichen Vereinigungen auf der an-deren Seite eine konsequente Umsetzungder Richtlinien einfordern, um die Ge-samtvergütung zu erhöhen. Verbunden mitder steigenden Bedeutung der Diagnosefür den Patienten wird sich daher das neueKodierungsverhalten letztlich auch auf dieBehandler-Patienten-Beziehung auswir-ken. Die zunehmende Normierung undIndustrialisierung medizinischer Behand-lungsabläufe und die Reduzierung auf un-wesentliche Indikatoren entwertet ärztlich-somatische beziehungsweise psychothera-peutische Kompetenz und Verantwortungund degradiert den Behandler zum Voll-strecker vorgegebener Prozeduren. Sie wirdder individuellen Gesamtsituation des Pa-tienten und dem individuellen Erfah-rungshintergrund des Arztes beziehungs-weise Psychotherapeuten nicht gerecht. DerBehandler wird von der Norm abweichen-des Verhalten immer häufiger und diffe-

renzierter erklären müssen. Nicht, weilgrundsätzlich ein fachlich begründetesMisstrauen besteht, sondern weil die Fi-nanzinteressen der beteiligten Akteure ihreökonomische Sichtweise vorgeben. AberKontrolle und Schematisierung ohne Ver-ständnis münden in einer Entmenschli-chung der Medizin.

Die besondere Qualität einer Beziehungzwischen somatisch tätigem Arzt oderPsychotherapeuten und Patient basiert aufgegenseitigem Vertrauen und Respekt. Dasgemeinsame Arbeitsbündnis beinhalteteine Begleitung durch schwere Krank-heitsphasen und eine Unterstützung beichronischem Leiden, vielleicht bis in denTod. Diese zutiefst menschliche Beziehungbraucht einen Schutzraum, der von poli-tischem und finanziellem Kalkül verschontbleiben muss. Transparenz von Behand-lungsabläufen, die dem Patienten dient, istwillkommen.

Aber wo bleibt die Transparenz aufsei-ten der Politik und der Krankenkassen?Welche wirklichen Motive und Verstri-ckungen – zum Beispiel mit der Industrie– stehen hinter den immer neuen büro-kratischen Forderungen der Kontrolleure?Zusammenfassend kann man sagen, diemorbiditätsbedingte Gesamtvergütungmuss ihren Wert im Rahmen der Hono-rarpolitik noch unter Beweis stellen, die inden Kodierrichtlinien definierten Behand-lungsdiagnosen stellen keinen geeignetenIndikator für die Morbidität dar und eb-nen stattdessen den Weg in eine Standar-disierung und Industrialisierung medizi-nischer Behandlungen und Versorgungs-abläufe, die die Qualität der Beziehung zumPatienten beeinträchtigen. Die Politik selbstbleibt eine größere Transparenz ihrer Mo-tive und Entscheidungen schuldig. Die Am-bulanten Kodierrichtlinien sind in dieserForm weder im Interesse der Patientennoch in dem der Ärzte und Psychothera-peuten. ___

Durch die Weiterleitung der Diagnosen haben die Krankenkassen ein optimiertes Kontrollraster

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S C H W E R P U N K T

Verhaltenstherapie

Wie kein anderes Verfahren konnte sie ihre Behandlungseffekte wissenschaftlich fundiert belegenund gute Noten verbuchen. Stillstand ist aber nichtangezeigt; im Zuge einer immer differenzierterenWahrnehmung psychischer Störungen werden ihreTherapietheorien und Behandlungskonzepte weiterentwickelt. Eine Bewährungsprobe zwischenTradition und Moderne

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Z W I S C H E N T R A D I T I O N U N D M O D E R N E

___ Ähnlich wie die Psychoanalyse hat dieVerhaltenstherapie (VT) eine Reihe vonEntwicklungsstadien durchlaufen undunterschiedliche Schulrichtungen entwi-ckelt. Sie zeichnet sich vor allem durch eineOrientierung an den wissenschaftlichenGrundlagen der Psychologie aus, die zurdynamischen Weiterentwicklung von ef-fektiven Methoden führte. Zunächst ver-nachlässigte Themen wie die therapeuti-sche Beziehung und philosophische Aspektewurden erst in letzter Zeit verstärkt aufge-griffen.

Der Begriff „Verhaltenstherapie“ wurdein den frühen 50er-Jahren erstmalig aufeine Gruppe von heterogenen Methodenangewandt, die Prinzipien der Lernpsy-chologie zur Veränderung unangemesse-nen Verhaltens einsetzten. Vermutlich wares 1953 Ogden Lindsley, ein Schüler Burr-hus Skinners, der den Begriff erstmalsprägte, um die Anwendung von operanterKonditionierung durch systematische Ver-stärkung mit Münzsystemen bei schwerhospitalisierten Patienten in psychiatrischenKliniken zu beschreiben. Es war jedoch vorallem das Verdienst des Südafrikaners Jo-seph Wolpe, der, geprägt durch den me-thodischen Behaviorismus von Skinner undJohn B. Watson, mit der systematischen De-sensibilisierung den Bereich der Angstbe-handlung für die VT besetzte. Diese Me-thode entwickelten Stanley Jack Rachmanund Isaac Marks wenig später in Londonzur Exposition weiter und erprobten sie beiZwangsstörungen, die als äußerst schwerbehandelbar galten. Bis heute gilt die Ex-position als wichtigste und erfolgreichsteMethode der klassischen VT.

Aus der behavioristischen Tradition he-raus verstand sich die VT als Gegenpol zur

allseits dominierenden Psychoanalyse. Inder Selbstdarstellung konzentrierte sich dieVT daher allzu sehr auf effektive Techno-logien zur Veränderung beobachtbarenVerhaltens. Das verdeckte Erleben des Pa-tienten war für klassische Verhaltensthe-rapeuten eine Blackbox und wurde in deroffiziellen Darstellung der VT ebenso we-nig berücksichtigt wie die Therapeut-Pa-tient-Beziehung. VT galt deshalb als me-chanistisch und manipulativ und wurdeoft mit Gehirnwäsche und Aversionsthe-rapie assoziiert. Viele Verhaltenstherapeu-ten der ersten Stunde weisen aber daraufhin, dass sie sehr wohl auf das Erleben desPatienten eingingen und auf eine gute the-rapeutische Beziehung Wert legten.

Bis heute profitiert die VT von der Be-zugnahme auf konkrete Situationen undden sozialen Kontext psychischer Proble-me. Darüber hinaus begründete die Orien-tierung an den wissenschaftlichen Er-kenntnissen der rasch sich weiterentwi-ckelnden experimentellen Psychologie denweiteren Erfolg der vergleichsweise jungentherapeutischen Schule.

Zu Beginn der 60er-Jahre wuchs die Un-zufriedenheit mit den einseitigen Dogmendes Behaviorismus und der Psychoanalyse.Die Psychologie erbrachte neue Erkennt-nisse über Wahrnehmung, Gedächtnis undDenken, Einstellungen und Attributionen.Aaron Beck war der wichtigste der Pio-niere, die diese neuen Erkenntnisse in diePraxis integrierten. Ursprünglich als Psy-choanalytiker tätig, konnte er in der Ana-lyse von Träumen depressiver Patienten dieAutoaggressions-Hypothese nicht bestäti-gen. Vielmehr fand er in Träumen wie auchin sogenannten automatischen Gedankeneinen typischen Denkstil und logische Ver-

zerrungen. Beck entwickelte den Sokrati-schen Dialog und andere kognitive Tech-niken, die zwar ähnlich wie in der Psy-choanalyse den Fokus auf intrapsychischeProzesse legten, sich jedoch nicht auf zu-grunde liegende unbewusste Konflikte, son-dern auf die Veränderung aktueller Denk-muster konzentrierten. Er nutzte aber auchbehaviorale Prinzipien (aktive Therapeu-tenrolle, Zielorientierung) und Techniken(Aktivitätsaufbau, soziales Kompetenz-training). Diese Kombination von kogni-tiven und behavioralen Techniken wurde inAbgrenzung von der klassischen VT als„kognitive Verhaltenstherapie“ (cognitive-behavioral therapy, CBT) bezeichnet. Beckund Kollegen übertrugen diese Prinzipienauch auf Angst- und Persönlichkeitsstö-rungen und stimulierten die Forschung.Zwischen 1967 und 2003 wurden alleineüber 300 methodisch gut kontrollierte Stu-dien durchgeführt, die die Effektivität vonCBT belegen. Die intensive Evaluation undgute Anwendbarkeit in der Praxis trugendazu bei, dass sich CBT rasch ausbreitete.

„Vielleicht ist die Realität positiver, als ich denke“

Mitte der 90er-Jahre wurde jedoch deutlich,dass CBT nicht mit den Fortschritten derklinisch-psychologischen Grundlagenfor-schung Schritt hielt. Erkenntnisse zu im-pliziten Informationsverarbeitungsprozes-sen veränderten die ätiologischen Konzepte zu psychischen Störungen. So bewirken selektive Aufmerksamkeit, fehlerhafte Ge-dächtnisprozesse und verzerrte Vorstel-lungen, dass Personen mit psychischen Stö-rungen ihre dysfunktionalen Überzeugun-gen als evident und wahr erleben. Dies

Von den Anfängen bis heuteStimuliert durch die Orientierung an den wissenschaftlichen Erkenntnissen der Psychologie hat die Verhaltenstherapie eine dynamische Entwicklung genommen, die längst nicht am Ende ist

Von Ulrich Stangier

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erklärt, warum verbale, auf explizite Kog-nitionen fokussierte Methoden sich auchals weniger wirkungsvoll erweisen.

In der Konsequenz setzten insbesonderebritische Arbeitsgruppen um David Clark,Adrian Wells und John Teasdale stärker pro-zessbezogene Verfahren ein, zum BeispielAufmerksamkeitstrainings und Imagina-tionsverfahren. Behaviorale Techniken wiedie Exposition wurden im Sinne von Ver-haltensexperimenten, die auf Erfahrungs-lernen und nicht auf Habituation abzielen,integriert. Aufgrund der strikt kognitivenSichtweise wird daher oftmals der Begriff„kognitive Therapie“ verwendet. Mit diesenWeiterentwicklungen konnte die Wirk-samkeit weiter verbessert werden.

Ebenfalls seit den 90er-Jahren verbandeneine Reihe von klinisch orientierten For-schern die kognitive und behaviorale The-rapie mit Elementen, die nicht aus der kli-nischen Psychologie stammten: Akzeptanz,Achtsamkeit, Werteorientierung. Diese An-sätze werden häufig als „dritte Welle derVerhaltenstherapie“ bezeichnet. Hierzu zäh-len unter anderem die dialektisch-beha-viorale Therapie, die achtsamkeitsbasiertekognitive Therapie sowie die Akzeptanz-und Commitment-Therapie. Diese Ansät-ze erweitern bewährte behaviorale und kog-nitive Verfahren durch Techniken der Emo-tionsregulation und Meditation. Anders je-doch als in früheren kognitiven Ansätzen istdas Ziel nicht mehr die explizite Überprü-fung und Veränderung von Kognitionen,sondern eher die Abschwächung der im-pliziten Funktion von Kognitionen durcheine nichtwertende Wahrnehmung.

Bis heute hält die Debatte um die Bei-träge der dritten Welle zur Weiterentwick-lung der VT an. Einige Prinzipien sind inden bisherigen behavioralen und kogniti-ven Ansätzen bereits implizit enthalten. Sobeschreibt Beck bereits 1979 in seinem Ma-

nual zur kognitiven Therapie von Depres-sion Distanzierung von den Inhalten eigener Kognitionen („decentering“) alsVoraussetzung für deren Veränderung.Umgekehrt könnten akzeptanz- und acht-samkeitsbasierte Interventionen implizitauch die Inhalte von Kognitionen durchneue Informationen verändern. Dass Bot-schaften wie Kognitionen und Emotionennur innere Ereignisse und nicht die Realitätselbst sind, konnte in folgender Weise inter-pretiert werden: „Vielleicht ist die Realitätpositiver, als ich denke.“ Ein entscheiden-der Unterschied bleibt jedoch, dass dieneueren Ansätze eine explizite Verände-rung der Inhalte von Kognitionen nichtfür notwendig halten.

Der Therapeut wurde zum informationsverarbeitenden Subjekt

Die VT wurde erst 1987 als Richtlinien-verfahren in der gesetzlichen Krankenver-sicherung (GKV) anerkannt. Trotz der kur-zen Zeit hat sie eine dynamische Entwik-klung genommen, die vor allem auf dieImpulse praktisch tätiger Wissenschaftlerzurückgeht. Das Beispiel der Achtsamkeitzeigt, wie Praxis und Forschung derPsychotherapie sowie experimentelleGrundlagenforschung sich gegenseitig sti-mulieren. Wichtige Anregungen für dieWeiterentwicklung von Psychotherapiekönnten in den nächsten Jahren auch vonder Gedächtnisforschung ausgehen. DieBerücksichtigung impliziter (unbewusster)Verarbeitungsprozesse, die Betonung von Erfahrungs- statt Einsichtslernen, die Öff-nung für Emotionen, Bewusstsein undphilosophische Themen lassen jedoch denBegriff „Verhaltenstherapie“ nicht mehrangemessen erscheinen. Für viele Vertreterist die VT auf dem Weg zu einer Allge-

Prof. Dr. Ulrich Stangier studiertePsychologie und promovierte an der Uni-versität Marburg. Von 1993 bis 2003 warer Hochschulassistent und Hochschuldo-zent an der Goethe-Universität Frankfurt.Er organisierte als Geschäftsführer dasAusbildungsprogramm PsychologischePsychotherapie und leitete bis 2004 dieVerhaltenstherapieambulanz. Von 2004bis 2008 war er Professor für Klinisch-Psychologische Intervention an der Fried-rich-Schiller-Universität Jena. Seit 2008ist er Professor für Klinische Psychologieund Psychotherapie an der Goethe-Uni-versität Frankfurt. Seine Forschungs-schwerpunkte sind Kognitive Therapie beiSozialen Phobien und rezidivierender De-pression, Therapeutische Kompetenzen,Körperdysmorphe Störung.

Nehmen Sie teil an der BMBF-geförderten Studie zur Behandlung sozialer Phobien

Für eine Studie zur patientenorientierten und manualisierten verhaltenstherapeutischen Behandlung von sozialen Phobien in der Praxis(sophoPrax) in Frankfurt/Südhessen werden interessierte niedergelassene Verhaltenstherapeuten gesucht. Neben Fragebögen werden auchqualitative Interviews zu den subjektiven Therapieerfahrungen der Patienten sowie der Zielsetzungen und Perspektiven der beteiligtenTherapeuten erhoben. Die Ergebnisse sollen Auskunft darüber geben, welche Verarbeitungsprozesse den Therapieverlauf bei Therapeut undPatient beeinflussen. Eine finanzielle Aufwandsentschädigung ist vorgesehen.

Informationen bei Frau Dipl.-Psych. Ginzburg, Tel.: 069/7982 3992, E-Mail: [email protected] oder über:www.psychologie.uni-frankfurt.de/abteilungen_und_bereiche/klinische_psychologie_und_psychotherapie/Forschung/sophopraxis/index.html

meinen Psychotherapie, deren Grundlagedie empirische Überprüfung ihrer wissen-schaftlichen Theorien und Methoden ist.

Die Weiterentwicklung von Methodenist jedoch auch mit höheren Anforderun-gen an die Therapeuten verbunden. Wiekann der Therapeut besser die komplexenInformationen verarbeiten, eine gute Be-ziehung zum Patienten aufnehmen, ihn zuVeränderungen motivieren, und wie steu-ert er mit kompetent durchgeführten In-terventionen den Veränderungsprozess?Manuale können hierbei nur eine Orien-tierungshilfe geben. Die Forschung ist he-rausgefordert, sich nicht nur einseitig mitder Entwicklung und Evaluation neuer Me-thoden zu befassen, sondern auch mitzu-helfen, die an der Umsetzung in die Praxisbeteiligten Prozesse zu erforschen und zuverbessern. ___

Literatur kann bei dem Verfasser angefragt werden

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Verhaltenstherapie vertritt einen ganz-heitlichen Ansatz mit Einbeziehung vonVerhalten, Gedanken, Gefühlen, des Kör-pers, des Interaktionsstils, des Sozialver-haltens und sie bezieht in ihre Behand-lungskonzepte auch Umweltbedingungenmit ein.

Die Komplexitäten psychischerStörungen werden differenzierterwahrgenommen

Über die Kriterien für eine evidenzbasiertePsychotherapie soll dem Aspekt der Qua-litätssicherung in der Psychotherapie Rech-nung getragen werden. Die Verhaltens-therapie ist nachgewiesenermaßen hoch-wirksam. Die wissenschaftlichen Ergebnissezur Verhaltenstherapie basieren im We-sentlichen auf randomisierten kontrollier-ten Studien (RCT-Studien), die Therapienmit geringer Behandlungsdauer zumUntersuchungsgegenstand hatten. Ein Behandlungsgeschehen in der Verhaltens-therapie in der ambulanten Praxis ist vielkomplexer als das, was in repräsentativenDoppelblind-Zufallsstudien abgebildetwerden kann. Die Streubreite und damitder Interpretationsspielraum von Thera-pieergebnissen würde noch weiter wachsen,wenn man vermehrt längere Behand-lungsverläufe untersuchen würde. Weil dieKomplexitäten psychischer Störungen im-mer differenzierter wahrgenommen wer-den, wendet sich die Verhaltenstherapiezum Nutzen der Patienten Behandlungs-ansätzen zu, die strukturelle Störungen be-rücksichtigen. Kritisch hinterfragt werdenmuss, ob an Symptomen ausgerichtetePsychotherapien dem Patienten einen

nachhaltig stabilen Therapieerfolg verhei-ßen, auch wenn die betriebswirtschaftlichorientierte Theorie des optimierten Grenz-nutzens der hochintensiven Kurzzeitbe-handlung die Varianz eines Therapieerfolgszu 80 Prozent aufzuklären verspricht.Die ausschließlich numerisch-quantitativeGewichtung von Erfolgsfaktoren bietetwahrscheinlich keinen abschließendenNachweis für die qualitativ-inhaltlichenBestandteile eines Therapieerfolgs. Selbst-verständlich stellt sich die Verhaltensthe-rapie über eine Vielfalt von Untersuchungs-designs kontinuierlich der empirischenÜberprüfbarkeit. Wünschenswert wäre es,wenn mehr empirische Untersuchungenunter Versorgungsbedingungen im nieder-gelassenen Bereich durchgeführt werdenkönnten.

Die gegenwärtigen Bewilligungsschritteund Behandlungskontingente in der Ver-haltenstherapie werden insbesondere beikomplexen Störungsbildern immer weni-ger den Anforderungen an eine angemes-sene Behandlung psychischen Leidens ge-recht. Im berufspolitischen Kontext ist derbvvp seit über zehn Jahren mit der Ver-kürzung der Bewilligungsschritte und derAngleichung der Behandlungskontingen-te an die der tiefenpsychologisch fundier-ten Psychotherapie aktiv, jedoch sind die-se Bemühungen seitens der Berufs- undFachverbände der Psychotherapeuten bis-her am Rotstift der Krankenversicherun-gen gescheitert. Dies wird den bvvp imKonzert mit den anderen Berufs- undFachverbänden nicht davon abhalten, sichweiter für die Verbesserung der Arbeits-bedingungen für Verhaltenstherapeuteneinzusetzen. ___

In der Kürze liegt die WürzeDie Verhaltenstherapie ist hochwirksam.In der Versorgung werden längere Behandlungen zunehmend wichtigVon Tilo Silwedel, Vorstandsmitglied des bvvpFo

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___ Die Verhaltenstherapie hat sich schonimmer offen gezeigt für ihre Weiterentwick-lung. Erst streng behavioristisch, dann kog-nitive Wende, heute verschiedene, sehr dif-ferenzierte Ansätze: achtsamkeitsbasiert,störungsspezifisch und philosophisch. Siehat sich in ihrem früheren Selbstverständ-nis von isoliert zu betrachtenden psychi-schen Funktionen und von ihrem atomis-tischen Menschenbild seit dem Beginn ih-rer wissenschaftlichen Fundierung gelöstund sich zudem fundamental gewandelt,um den vielfältigen Versorgungsinteressenpsychotherapeutischer Patienten individuellentsprechen zu können. Ob die Verhal-tenstherapie dabei in einer „AllgemeinenPsychotherapie“ aufgehen könnte, ist mitSicherheit eine hochinteressante Fragestel-lung für den freundschaftlich-dialektischenDiskurs sowohl innerhalb der verhaltens-therapeutischen Zunft als auch im Hinblickauf andere wissenschaftlich anerkanntePsychotherapieverfahren.

Die Verhaltenstherapie wird im Dialogauf gleicher Augenhöhe und von Angesichtzu Angesicht mit dem Patienten durchge-führt. Sie zeichnet sich durch Transparenzdes Vorgehens und ein ressourcenorien-tiertes Menschenbild aus, das auf die Selbst-bestimmung des Patienten großen Wertlegt. Ihre große Stärke ist, breiteren Bevöl-kerungsschichten den Zugang zur Psycho-therapie zu erleichtern, mit dem Ziel, Men-schen zu ermuntern, ihr Leben selbst in dieHand zu nehmen und lösungsorientiertindividuelle Schwierigkeiten anzugehen.Dabei gilt die individuelle Analyse der Stö-rungen des Patienten in der Verhaltens- be-ziehungsweise Problemanalyse als Voraus-setzung, um dieses Ziel zu erreichen. Die

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Die Lehre dehnt sich ausDie Verhaltenstherapie entwickelt sich zu einem immer komplexeren Behandlungskonzept.Dieser Trend macht sich auch in den Ausbildungsplänen bemerkbarVon Ariadne Sartorius, Vorstandsmitglied und Nachwuchsbeauftragte des bvvp

___ Verhaltenstherapeuten tragen in derRegel mit einer einstündigen Sitzungsfre-quenz pro Woche und höheren Fallzahlenzu einem relativ hohen Versorgungsgradvon Patienten mit psychischen Erkrankun-gen bei. Die berufsrechtliche und sozial-rechtliche Anerkennung und damit der Ein-zug der Verhaltenstherapie (VT) in die Be-handlung psychisch erkrankter Menschenüber die gesetzliche Krankenversicherungwar ein wichtiger Schritt nicht nur für dieVerhaltenstherapie, sondern auch für dieVersorgung unserer Patienten.

War die VT früher eher an lernpsycho-logischen und kognitiven Konzepten orien-tiert und behandelte vorrangig vereinzelteStörungsbilder oft im Rahmen von Kurz-zeittherapie, so entwickeln sich zunehmendKonzepte auch zur Behandlung von kom-plexen Störungen, die eher eine langfris-tige Arbeit mit den Patienten induzieren.Bekannt ist das Behandlungskonzept derDialektisch-Behavioralen Therapie (DBT)zur Behandlung von Borderline-Persön-

lichkeitsstörungen, inzwischen liegen auchManuale zur Behandlung von Jugendlichenmit DBT vor. Aber nicht nur mithilfe vonManualen wird in der Verhaltenstherapiegearbeitet. Fragt man den Praktiker, wirdman vermutlich die Antwort erhalten, dassmit Manualen nur flankierend innerhalbeines umfassenden, auf die individuellenStörungen zugeschnittenen Behandlungs-konzeptes gearbeitet wird.

Praktiker setzen Manuale nur flankierend ein

Ein Blick in die Lehrpläne der Ausbil-dungsinstitute verrät uns, was die Verhal-tenstherapeuten von morgen lernen. Ver-haltenstherapeutische, tiefenpsychologi-sche, humanistische, familiensystemischeund biologische Konzepte über die Ent-stehung und Aufrechterhaltung psychischerStörungen gehören in Anlehnung an dasbio-psycho-soziale Störungsmodell zumStandard der Krankheitslehre in den Aus-

bildungsinstituten, und das nicht nur inden verhaltenstherapeutischen Instituten.Es befassen sich alle Psychotherapeuten inAusbildung umfangreich mit den Konzep-ten der anderen Verfahren. Im Hinblickauf die Diskussionen zu Weiterbildungenin anderen Verfahren sollte diese Tatsachenicht aus den Augen verloren werden.

Auf der Homepage der Akademie für Ver-haltenstherapie (AVT) Köln findet man bei-spielsweise Hinweise zu den drei Themen-blöcken der verhaltenstherapeutischen Aus-bildung: Grundlagen, Störungsbilder undTechniken. Zu Letzteren werden „kognitiveUmstrukturierung, Imaginationsverfahren,tiefenpsychologische und analytische Ver-fahren, Biofeedback, euthyme Behand-lungsstrategien, Paartherapie und Kom-munikationstraining, verhaltenstherapeu-tisches Rollenspiel, Entspannungsverfahren,provokative Strategien, Focussing, hypno-therapeutische Techniken, Verhaltensthera-pie in Gruppen (und) Techniken der Ge-sprächsführung“ aufgeführt.

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Im Institut für Fort- und Weiterbildung fürklinische Verhaltenstherapie (IFKV) BadDürkheim lernen die angehenden Psycho-logischen Psychotherapeuten neben denklassisch verhaltenstherapeutischen The-menblöcken in den Theorieveranstaltungendie „Methoden und differenziellen Indika-tionsstellungen aller wissenschaftlich aner-kannten psychotherapeutischen Verfahren“kennen, inzwischen auch die Gesprächs-psychotherapie und die Systemische Thera-pie. Mehrstündige Seminare zur Schema-therapie, aus der sogenannten dritten Wellein der Verhaltenstherapie, gehören dort zumPflichtprogramm.

Im KJP-Curriculum des Ausbildungsin-stituts für Kinder- und Jugendlichen-Psycho-therapie am Klinikum der Universität zuKöln (AKIP) finden sich, wie auch bei denanderen Instituten, bei den Behandlungs-konzepten und -techniken in der Anwen-dung von Kinder- und Jugendlichen-Psycho-therapie Seminare über die Behandlungdurch das Medium Spiel, verhaltenstherapeu-tisch orientierte Familientherapie, grund-legende Methoden, Stressbewältigungspro-gramme und kognitive Methoden.

Die Verhaltenstherapeuten werden in derRegel in getrennten Kolloquien für Psycho-logische Psychotherapeuten (PP) und Kin-der- und Jugendlichen-Psychotherapeuten(KJP) in den Instituten ausgebildet. Solltesich das von der Bundespsychotherapeuten-kammer (BPtK) vorgeschlagene „Ein-Beruf-Modell“, in welchem die Ausbildung einespsychotherapeutischen Berufes mit Schwer-punktsetzung Erwachsene oder Kinder/Ju-gendliche favorisiert wird, durchsetzen, wirddie Zukunft Neuerungen mit sich bringen.Die Lehrpläne zeigen dabei Überschneidun-gen, jedoch auch Unterschiede. Lernen dieVerhaltenstherapeuten im Bereich Psycho-logische Psychotherapie zum Beispiel auchgerontopsychologische und psychothera-peutische Grundlagen und Techniken, wer-den die KJP verstärkt auch über systemischeFragen informiert, insbesondere im Hinblickauf die Arbeit mit den Bezugspersonen, diein der Kindertherapie sehr vielfältig seinkann. Neben den Eltern ist der KJP häufigauch in Kontakt mit Schulen, Kindergärten,Jugendämtern, Lerntherapeuten, Ergothera-peuten etc. Rechtliche Rahmenbedingungensind zudem in der Kindertherapie häufig an-ders als in der Arbeit mit Erwachsenen, so-

dass hier – in allen Verfahren – weitläufigerausgebildet werden muss.

Was die Kindertherapie noch von der Er-wachsenentherapie unterscheidet, ist die Viel-zahl der Medien, mit der gearbeitet werdenmuss. Das Spiel ist im Einsatz mit insbeson-dere jüngeren Kindern unerlässlich. In einerKinderpraxis wird man schon an der Aus-stattung schnell bemerken, mit wem und wiehier gearbeitet wird. Hier findet man Pup-penhäuser, Schleichtiere und Bauernhöfe,Arztkoffer, Handpuppen, Kaufmannsläden,Malkisten, Knete, Babyspielzeug, Spiel-schränke und vieles andere mehr. Das zeigtdas breit gefächerte Altersspektrum der Kin-der- und Jugendlichen-Psychotherapeuten.Selbst die Behandlung frühkindlicher Regu-lationsstörungen ist längst kein alleiniges Betätigungsfeld der psychodynamischen Verfahren mehr. Die Kinderverhaltens-therapeuten finden inzwischen auch Semi-nare zur Säuglingsbeobachtung und zur El-tern-Kind-Interaktion von Säuglingen undKleinkindern auf ihren Lehrplänen.

Das Erfolgskriterium bleibt die Beziehung zwischen Therapeut und Patient

Manual gestützte Verhaltenstherapie wurdeursprünglich zur Standardisierung für ran-domisierte kontrollierte Studien (RCT)entwickelt, um ihre wissenschaftliche Fun-dierung zu gewährleisten. Die Fokussie-rung auf Kernelemente von Verhaltens-therapien, die sich methodisch zudem gra-duell und exakt abbilden lassen, erleichtertdie wissenschaftlich begründete Kontrollevon Therapiestudien, weshalb die solcher-maßen organisierten Studien im Sinne derstatistischen Gütekriterien der Validität,der Objektivität und der Reliabilität hoheEvidenzstärken ausweisen. In der Erwach-senentherapie liegen diverse Manuale vor:kognitive Verhaltenstherapie nach chroni-scher Traumatisierung, kognitiv-psycho-edukative Therapie bei bipolaren Störun-gen, kognitiv-psychoedukative Therapiezur Bewältigung von Depressionen, kog-nitive Verhaltenstherapie bei Zwangsstö-rungen, Manuale zu Panikstörung undAgoraphobie, zu Alpträumen und vielenanderen Störungen findet der interessierteTherapeut im Angebot, wenn er auf derWebsite des Hogrefe-Verlags den Suchbe-

griff „Therapiemanual“ eingibt. Auch fürdie Therapie mit Kindern und Jugend-lichen ist das nicht anders; am bekannte-sten dürfte hier das unter der Federfüh-rung von Manfred Döpfner entwickelte„Therapieprogramm für Kinder mit hyper-kinetischem und oppositionellem Pro-blemverhalten“ (THOP) sein. Das Argu-ment, dass ein Nachweis ihrer Wirksamkeitin Bezug auf bestimmte Störungen er-bracht worden ist, ist nicht von der Handzu weisen, dennoch scheint eine Divergenzin Bezug auf die Inanspruchnahme vonManualen zwischen Forschung und Pra-xis vorzuliegen.

Die Verhaltenstherapie weist verschie-dene differenzierte Konzepte für die Grup-pentherapie auf, zum Beispiel störungs-spezifische Gruppen, problemorientierteGruppen, zieloffene Gruppen, Elterngrup-pen, psychoedukative Gruppen oder Krank-heitsbewältigungsgruppen. Auch die Ein-zelarbeit in einer Gruppe ist bei vielengängige Praxis im Rahmen von verhal-tenstherapeutischen Gruppensitzungen.Gruppendynamische Prozesse, wie sie auchaus den anderen Verfahren bekannt sind,werden auch in den verhaltenstherapeuti-schen Gruppen genutzt. Auch das Erpro-ben und Einüben neuer Verhaltensweisenim Rahmen eines geschützten therapeuti-schen Settings unter Einbezug aller Grup-penmitglieder ist für viele Patienten einwichtiger Baustein im Rahmen eines Ge-samtkonzeptes einer Therapie, immer je-doch in Kombination mit Einzeltherapie.

Supervisionen und Intervisionen sindweit verbreitet in der Verhaltenstherapie.Diese können entweder verfahrensspezi-fisch sein oder auch verfahrensübergreifend.Meine tiefenpsychologisch fundiert arbei-tende Kollegin antwortete auf meine Nach-frage, was sie mit VT assoziierte: „ehersymptomorientiert, Lernmodelle, Desensi-bilisierung, Verstärkerprogramme, Erlernender Symptombewältigung“. Und es kam na-türlich ihre Gegenfrage, ob ich meine Arbeitin diesen Beschreibungen wiederfindenwürde. Unser Konsens ist jedoch, was alleStudien zu dem Thema belegen und allelängst wissen: Ausschlaggebend für den The-rapieerfolg sind in erster Linie die thera-peutische Arbeitsbeziehung und das Ver-trauen in den Erfolg der Behandlung zwi-schen unseren Patienten und uns. ___

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___ Will man die aktuelle Situation ver-stehen und auch einen Blick in die Zukunftwagen, geht dies nicht ohne einen Blickzurück. Verhaltenstherapie entstand alsProtestbewegung gegen eine monopoli-sierte psychoanalytische Herangehensweisein der Psychotherapie (Birbaumer, 1991).Ähnlich wie in anderen Teilgebieten derPsychologie wurde die Forderung nachwissenschaftlicher Fundierung auch derPsychotherapie laut, die Motor für einekaum mehr überschaubare Anzahl empi-rischer Psychotherapie-Studien wurde. Fastunverändert stammen seit etwa 30 Jahrencirca 80 Prozent aller Psychotherapie-Stu-dien aus dem Bereich der kognitiven Ver-haltenstherapie (KVT), sodass wir überkeine andere Therapieform ähnlich um-fangreiches empirisch gestütztes Wissenhaben als über diese. Bereits damals – wieauch zum Teil heute noch – als Werk desTeufels diffamiert, hat das Vorliegen vonanerkannten und belastbaren Therapie-studien aus dem Bereich KVT doch dazugeführt, dass Psychotherapie auch vonNicht-Psychotherapeuten im Gesundheits-wesen anerkannt wird und eine Leistungder Solidargemeinschaft wurde, die einerelevante Rolle in der Versorgung spielt.Die aktuelle Verankerung der Psychothe-

rapie im deutschen Gesundheitswesen wäreohne die Therapiestudien der KVT nichtdenkbar gewesen. Aus dieser sicheren Po-sition der wissenschaftlichen Fundierungheraus kann und muss man sich aber auchmit den bestehenden und vermutetenSchattenseiten der wissenschaftlichen Fun-dierung beschäftigen.

Das Besondere an der wissenschaftlichenFundierung der Verhaltenstherapie liegtnicht nur in der Menge der Therapiestu-dien, sondern auch in der Qualität, zumBeispiel Orientierung an CONSORT-Kri-terien, Registrierung von klinischen Stu-dien etc. Die Wirkung der KVT ist über-proportional über die zurzeit in derPsychotherapeuten-Szene emotional dis-kutierten randomisiert-kontrollierten Stu-dien (RCT) belegt. Kaum eine Störungs-gruppe aus dem Katalog Diagnostic andStatistical Manual of Mental Disorders(DSM) IV wurde ausgelassen, bei der dieKVT nicht durch Studien ihre Wirksam-keit belegt hätte. Dies gilt nicht nur für die Klassiker Depression und Angststö-rungen, Posttraumatische Belastungsstö-rung (PTSD) oder Zwangsstörung (Ehlerset al., 2003; Hollon et al., 2006), sondernauch für Indikationsbereiche, aus denenvon anderen Therapierichtungen kaum

Die Forschung dient noch

zu stark der Selbstbestätigung

Zwischen Speerspitze und gut gepflegten VorurteilenMit guten Noten für ihre Effektivität sollte sich die Verhaltenstherapie nicht begnügen.Sonst läuft ihr die Konkurrenz aus der Solidargemeinschaft den Rang abVon Winfried Rief

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oder gar keine Therapiestudien vorliegen.Die KVT hat zum Wiedereinzug derPsychotherapie in die Schizophreniebe-handlung geführt und gezeigt, dass hier-durch sogar eine Verbesserung der Posi-tivsymptomatik möglich ist (Lincoln &Rief, 2007). Es wurden Konzepte zur Kom-bination von KVT mit neuropsychologi-schen Interventionen für Personen mitschweren neurologischen Schäden entwi-ckelt, die zurzeit evaluiert werden (Exneret al., 2010). Kontrollierte Therapiestudienzu Indikationsgebieten wie Tinnitus (Weiseet al., 2008) oder chronischen Schmerz-syndromen (Glombiewski et al., 2010a)wurden vorgelegt. Dies wurde auch inzahlreichen Meta-Analysen belegt, sodassvon einem Evidenzgrad 1A ausgegangenwerden kann (Butler et al., 2006; Glom-biewski et al., 2010c).

Zusätzlich hat kein anderes Psychothe-rapieverfahren in diesem Umfang belegt,dass die Therapieeffekte auch langfristigwirksam sind. Mit Katamnesen über fürwissenschaftliche Verhältnisse unglaublichlange Perioden, zum Beispiel sechs Jahre(Fava et al., 2004) oder gar über zehn Jahre(Iver Hand), wurde belegt, dass die durchKVT erreichten Therapieerfolge stabil blei-ben und es auch nicht zu Symptomver-schiebungen oder Ähnlichem kommt. ImGegenteil: Auch die komorbide Sympto-matik, die nicht im Zentrum der Behand-lung steht, verbessert sich durch KVT deut-lich, zum Beispiel Depressionsverbesse-rung bei Expositionsbehandlung einerprimären Angststörung (Ruhmland &Margraf, 2001).

Gerade vor dieser Dominanz der KVT inden Psychotherapie-Studien wurde immerwieder die Kritik laut, dass KVT nur beiden stark selegierten Patienten einer künst-lichen Therapiestudie wirke, jedoch dieklinische Praxis ganz anders sei. Der Pa-tient mit „richtig schweren Erkrankun-gen“, mit Komorbiditätsproblemen, derPatient mit Rentenbegehren oder der Pa-tient aus schwierigen sozialen Verhältnis-sen kämen doch in den Therapiestudiennicht vor. Ist dem so?

KVT wirkt auch bei Schwerkranken: Wiebereits dargestellt, wirkt KVT auch bei Pa-

tienten mit Schizophrenie, Schädel-Hirn-Trauma, Zwangsstörungen etc. Eigentlichmuss diese Aussage umgedreht werden:Welche Psychotherapie außer KVT wirktbei Patienten mit schweren psychischenoder neuropsychiatrischen Störungen?

KVT wirkt auch bei Komorbidität: Esist völlig richtig, dass in den meisten Stu-dien aus Interpretationsgründen die Stich-proben homogenisiert wurden. Dies mussjedoch als Übergangsphase gesehen wer-den. Wenn belegt ist, dass Expositions-verfahren bei Ängsten wirken, kann alsnächster wissenschaftlicher Schritt dieFrage angegangen werden, ob Expositionauch wirkt, wenn zur Angsterkrankungeine komorbide Depression vorliegt. Auchdies wurde ausreichend belegt (Brown &Barlow, 1992).

KVT wirkt auch in der Routineversorgung:Auch hierzu gibt es ausreichend Belege,jedoch soll ein eigener Erfahrungsberichtaufgeführt werden. Als ich Anfang der90er-Jahre für neue Expositionsansätze be-geistert wurde, hatte ich diese in der psycho-somatischen Klinik eingeführt, in der ichdamals tätig war. Aber es wurde bald deut-lich: So einfach ist das nicht, und wir er-reichten bei Weitem nicht die Erfolge ausden Therapiestudien. Manches musstekonsequent überarbeitet und verbessertwerden. Aber nach mehreren Weiterent-wicklungsjahren waren wir so weit, dasswir auch in der Einrichtung der Routine-versorgung die zu erwartenden hohen Ef-fektstärken erreichten (Rief et al., 2003),und auch hier nicht nur bei reinen Angst-patienten, sondern auch bei Komorbiditätund komplexer Problematik. Aber es mussauch festgestellt werden, dass die meistenauch verhaltenstherapeutischen Klinikenoffensichtlich diese Effektstärken nicht er-

Die Gefahr der Willkür ist in Meta-Analysen größer als in Originalstudien

reichen (Schulz et al., 2008). KVT ist ebennicht gleich KVT, und allein dadurch, dassman ein Therapiemanual in der Hand hat,ist die Therapie noch nicht erfolgreich. Umdie Erfolgsraten aus den Studien zu errei-chen, bedarf es noch einiges an zusätzlicherKompetenz und Engagement.

KVT wirkt bei Patienten aller sozialenSchichten und auch bei Rentenbegehrern:Zurzeit haben etwa 80 Prozent der Perso-nen, die eine psychoanalytische Behand-lung erfahren, Abitur oder einen noch hö-heren Bildungsabschluss (Kächele, per-sönliche Mitteilung). In solchen Fällen giltdie Kritik, dass die Personen, die Psycho-therapie besonders benötigen, sie nicht be-kommen, während Personengruppen mitgünstigen Prognosen und hohen Versor-gungsangeboten auch bezüglich der Psy-chotherapie bevorteilt werden. Demge-genüber sind in den KVT-Studien allesozialen Schichten vertreten. In unsererRückenschmerz-Studie hatten 85 Prozentder 128 Teilnehmer Bildungsabschlüsse un-ter Abitur, fast die Hälfte hatte bereits er-folglose Wirbelsäulen-Operationen hintersich, und die Therapie war auch erfolg-reich bei Personen mit laufenden Renten-verfahren (Glombiewski et al., 2010b; Trappet al., 2009).

KVT macht Patienten auch zufrieden:Durch die manchmal spröde schriftlicheDarstellung in den Studien zur KVT könnteman meinen, dass KVT nur auf unemo-tionaler Ebene erfolgreich wäre. Aber demstehen Befunde gegenüber, dass über 90 Prozent der Patienten KVT-Interven-tionen, zum Beispiel Biofeedback (Rief &Birbaumer, 2010), positiv und als ausge-sprochen hilfreich bewerten und dieseIntervention damit besser abschnitt als zumBeispiel Kunsttherapie, physikalische The-rapie, Bewegungstherapie und anderepsychotherapeutisch orientierte Therapie-verfahren.

Trotz dieser Erfolge der Psychotherapie-Forschung gerade am Beispiel der Verhal-tenstherapie muss auch darauf hingewiesenwerden, dass eine Weiterentwicklung derMethoden notwendig ist. Hauptproblemder Psychotherapie-Forschung zurzeit ist,dass sie immer noch zu stark der Selbstbe-

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Prof. Dr. Dipl.-Psych. Winfried Riefist Professor für Klinische Psychologieund Psychotherapie und Leiter derPsychotherapie-Ambulanz in Marburg.1987 promovierte er an der UniversitätKonstanz über Schizophrenieforschung.An der Universität Salzburg habili-tierte er zum Thema Multiple somato-forme Symptome und Hypochondrie.Nach langjähriger Tätigkeit in psycho-somatischen und psychiatrischen Kli-niken wechselte er 2001 an die Univer-sität Marburg. Von 2001 bis 2005 warer Präsident der Deutschen Gesellschaftfür Verhaltensmedizin DGVM und derDeutschen Gesellschaft für Biofeed-back. Von 2005 bis 2008 war er Spre-cher der deutschsprachigen Hochschul-lehrer für Klinische Psychologie undPsychotherapie. Er ist Mitglied der Ex-pertenkommission der APA zur Vorbe-reitung von DSM-V, Sektion „SomaticSymptoms“, und Repräsentant derInternationalen SchmerzgesellschaftIASP für die Entwicklung vonSchmerzdiagnosen in ICD-11.

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stätigung dient anstatt der kritischen Prü-fung. An Einzelstudien, aber noch mehran Meta-Analysen ist diese Konfirmations-Bias deutlich zu erkennen. Wir in derPsychotherapie-Forschung haben die glei-chen Interessenskonflikte wie in der phar-makologischen Forschung. Viele Psycho-therapie-Forscher wurden in ihren Aus-bildungen auf einen Ansatz eingeschworen,für den sie viel Zeit und oftmals auch Geldinvestiert haben. Diese Einstellung fließtein in die durchgeführten Originalstudien,aber auch Meta-Analysen. Meta-Analysengelten zurzeit fälschlicherweise als neueWahrheitsdefinition, obwohl sie de factonoch mehr willkürliche Festsetzungen zu-lassen als eine gute Originalstudie. Damitsind Meta-Analysen also doppelt gebiast.Hier brauchen wir einen deutlichenSchwenk zu Psychotherapie-Studien, dievon neutralen Forschern geleitet odernachbewertet werden beziehungsweise al-ternativ auch von Vertretern anderer Rich-tungen methodisch evaluiert werden. DieVerhaltenstherapie hat bisher als einzigeTherapieform zwar auch schon einzelnesolcher Studien nachzuweisen, bei denenzum Beispiel Pharmaforscher als PrincipalInvestigators Verhaltenstherapie als eineVergleichsbedingung eingesetzt haben,aber auch hier muss die Entwicklungweitergehen, wenn Psychotherapie imKonkurrenzfeld der durch die Solidarge-meinschaft getragenen Behandlungsange-bote bestehen will.

Demgegenüber gibt es zu den RCTgerade für die Kausalaussagen „Verbes-serungen beim Patienten sind auf dieTherapieform XY zurückzuführen“ keine Alternative, auch wenn so mancher in-ternational wenig bekannter, dafür selbsternannter deutschsprachiger Psychothe-rapie-Forscher dies so behauptet. Aber andieser Stelle – also der sogenannten Pha-se 3 der Psychotherapie-Forschung – darfdie Forschung natürlich nicht haltmachen,sondern es muss auch die Anwendbarkeitder Intervention in der Routineversor-gung belegt werden (Phase-4-Forschung).Aber auch hier gilt mehr denn je: Diesdarf nicht gebiaste Selbstbestätigungsfor-schung sein.

Hat sich die Verhaltenstherapie zu Todegesiegt, wie Klaus Grawe antizipierte? DieFrage ist berechtigt, ob sich die VT durch diepermanente selbstkritische Auseinanderset-zung und Erweiterung des Methodenspek-trums in gewissem Sinne selbst überholthat. Die ursprünglichen Definitionsmerk-male „Orientierung an den Lerngesetzen“und „direkte Veränderung von Verhalten“stellen nur noch in seltenen Fällen Haupt-inhalt der VT-orientierten Therapie dar.Neue Trends und Entwicklungen werden inkaum einem Umfeld so begeistert aufge-nommen wie in der Verhaltenstherapie.Die Integration der Erkenntnisse zur Re-levanz erst kognitiver, nun emotionalerProzesse bei psychischen Störungen läuftweiter. Neue Ansätze wie die Akzeptanz-und Commitment-Therapie (ACT) undMindfulness-basierte Psychotherapie wer-den von manchen als Weiterentwicklung,von anderen als Alternative zur KVT gese-hen. Mit dem Cognitive Behavioral Ana-lysis System of Psychotherapy (CBASP)werden VT-Prinzipien mit einer syste-matisierten Übertragungsarbeit im psy-chodynamischen Sinne kombiniert. Selbstspirituelle Aspekte, die offensichtlich einGrundbedürfnis vieler unserer Patientenrepräsentieren, werden integriert, unddurch das Herangehen an dieses Themamit wissenschaftlichen Methoden ist dienächste Veränderung eingeleitet.

Es ist ein Therapie-Kompendium entstan-den, für das es kaum mehr einen engerenTitel geben kann als „empirisch-fundiertePsychotherapie“, der jedoch ausgesprochenhölzern wirkt. Man erinnert sich an dasBonmot, das Johannes Brengelmann(1 nach-gesagt wird. Auf die Frage: „Herr Brengel-mann, Sie sagen, das Hauptmerkmal derVerhaltenstherapie ist die wissenschaftli-che Fundierung. Was aber, wenn irgend-wann auch die Psychoanalyse wissen-schaftlich fundiert sein sollte?“, antwortete

Hat sich die Verhaltenstherapie zu Tode gesiegt?

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Brengelmann: „Dann ist auch die Psycho-analyse Verhaltenstherapie.“

Damit stehen wir an der Schwelle derVerabschiedung von der klassischen VT.Wie bei vielen anderen Abschieden vonklassischen Psychotherapie-Schulen bestehtauch hier die Gefahr, dass das Kind mitdem Bade ausgeschüttet wird. Dies ge-schieht auch zum Teil unter Missachtungder Therapieforschung. Es gibt kaum di-rekte Vergleichsstudien der Neuentwick-lungen versus KVT, und wenn doch, dannschneidet die klassische KVT mindestensgleich gut ab. Aber: „The grass is alwaysgreener on the other side“, sagen die Ame-rikaner, und so hofft mancher, mit neuenMethoden wäre alles besser. Man verab-schiedet sich also nicht nur von veraltetenVorstellungen, sondern auch echte Errun-genschaften sind in Gefahr, als unmodernabgestempelt und ausgesondert zu werden.Das ist nicht zum Wohle unserer Patienten.

Es wird eine Welle von therapeutischenNeuentwicklungen kommen, die sich stär-ker an Problemkonstellationen anstatt anDiagnosen orientieren, also Interventionenzur Emotionsregulation, zur Veränderungemotional-kognitiver, oftmals früh veran-kerter Schemata, oder Interventionen zumAufbau von Lebenssinn. Diese Suche nachspezifischen psychologisch beforschten Pro-blemkonstellationen, wann welche Thera-pie indiziert ist, könnte noch besser für The-rapieentscheidungen herangezogen werden,vor allem in Ergänzung zu diagnoseabhän-gigen Überlegungen. Bei kritischer Ausein-andersetzung werden viele dieser Ideen wie-der eingestampft werden, aber einige werdensich auch bewähren. Dieser Prüfung musssich die Psychotherapie-Forschung stellen.

Und dann sollte man jetzt wohl einenPreis ausschreiben für einen neuen Namenfür diese hochwirksame Familie psycho-therapeutischer Interventionen, die auf diegesamte empirisch-fundierte Psychologieund Neurowissenschaften aufbaut und dieeiner strengen wissenschaftlich-empirischenÜberprüfung unterzogen wurden. ___

1)Johannes Brengelmann gilt als die Person,die die Verhaltenstherapie in Deutschlandeingeführt hat.

Quellen:

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„Der liebe Gotthat die Welt nicht in Therapieschuleneingeteilt“Franz Caspar plädiert für einen integrativen Pragmatismus.Für den Präsidenten der InternationalFederation for Psychotherapy wird die Bedeutung der Verfahren überbetont

Das Interview führte Tilo Silwedel, Vorstandsmitglied des bvvp

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Wie ist Ihr Bild von der Verhaltens-therapie? Wo sehen Sie die Unterschiedezu anderen Verfahren, wo gibt es Berührungspunkte? Franz Caspar: Für mich ist vor allem derPragmatismus wichtig. Dazu gehört die Be-reitschaft, die Ärmel hochzukrempeln. Auchdie empirische Absicherung gehört dazu.Dann die integrative Kraft. Die Unter-schiede zu anderen Verfahren sind wichtig,werden aber oft überbetont. Die meistenuntersuchten Verfahren haben einen ge-meinsamen Kern, „common factors“, zudem namentlich die Therapiebeziehung ge-hört. Im Zuge der Entwicklung störungs-spezifischer Verfahren wurden andererseitseine Menge spezifischer Elemente entwi-ckelt, die heute zu einer guten Therapiegehören, zum Beispiel für Depressionen,Angst-, Zwangs- und Essstörungen.

Die Wirksamkeit und die spezifischen Indikationen der verschiedenen Psycho-therapieverfahren werden kontrovers diskutiert. Das Bundessozialgericht hatunlängst in einem Urteil zu den Sonder-bedarfszulassungen gesonderte Versor-gungsbereiche für PsychoanalytischePsychotherapie – einschließlich tiefen-psychologisch fundierter Psychotherapie –und Verhaltenstherapie identifiziert.Es hat sein Urteil unter anderem damitbegründet, dass die verschiedenen Richtlinienverfahren differenzierte Therapieangebote bereithalten, aufdie Versicherte einen Anspruch hättenund die innerhalb einer zumutbaren Entfernung zeitnah erreichbar sein müssen. Wie stehen Sie dazu? Gibt es dazu wissenschaftlich begründete Aussagen?Hier geht es um Politik. Auch wenn man da-zu die eine oder andere Studie finden undzitieren mag, bleibt das willkürlich. Aus derempirischen Befundlage kann oft nicht klarabgeleitet werden, welches Verfahren diebesten Ergebnisse verspricht. Nur für einenTeil der Störungen liegen ganz klare Wirk-samkeitsunterschiede vor. Patientenpräfe-renzen beruhen oft auf unzureichender In-

formation. Die wenigsten Therapeutennehmen die Pflicht zur neutralen Aufklä-rung über zu erwartende Wirkungen undNebenwirkungen auch alternativer Vor-gehensweisen genügend ernst. Von einem„informed consent“ kann meist nicht dieRede sein. Empirisch ist belegt, dass Pa-tienten eher abbrechen, wenn ihre Erwar-tungen nicht mit dem Angebot überein-stimmen. Die Zusammenhänge zwischenPatientenpräferenz und Ergebnis vonPsychotherapien sind überraschenderweisenicht eindeutig. Bei der Entscheidung me-dikamentöse versus psychotherapeutischeBehandlung scheint die Präferenz dagegeneine größere Rolle zu spielen.

Im Gesundheitswesen geht es immer wieder um die Finanzierbarkeit von Leistungen. In diesem Zusammenhang istauch die Priorisierungsdebatte zu sehen.Nun gibt es unterschiedliche Konzepteder drei sozialrechtlich anerkannten Verfahren (Psa, TP, VT) für vergleichbareStörungsbilder, die auch eine unter-schiedliche maximal mögliche Anzahl an Sitzungen sowie unterschiedliche Behandlungsintensitäten zur Folge haben. Das bringt Sparfüchse immerwieder auf die Idee, die Verfahren in dieser Hinsicht anzugleichen. Was spricht aus Ihrer Sicht dagegen? Führt Konkurrenz zu einer Leistungs-mengenausweitung psychotherapeuti-scher Leistungen, dient diese der Verbesserung der Versorgung oder ist sie hier eher kontraproduktiv? Wenn ja, warum?Therapien, die auf recht unterschiedlichenWirkweisen beruhen, auf die gleiche Längezu bringen, scheint mir ebenso unsinnig,wie eine Standarddauer von Therapienüber alle Patienten festzulegen. In meinenAugen hat die Gesellschaft, haben die Prä-mienzahler aber ein Recht darauf, dass auchdas Kosten-Nutzen-Verhältnis bei derKrankenkassenfinanzierung einer Thera-pie berücksichtigt wird, und das hängt mitDauer und Intensität einer Therapie zu-sammen. Länger dauernde Therapien ha-

„Die wenigsten Therapeuten nehmen die Pflicht zur neutralen Aufklärung auch alternativer Vorgehensweisen genügend ernst“

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ben nicht a priori stabilere Effekte, manhat aber in Untersuchungen auch Thera-pien gefunden, die ganz einfach zu kurzwaren für dauerhafte Effekte. Bei einerVerknappung der Mittel bei gleicher Lang-zeitwirkung die schneller wirksamerenTherapien zu bevorzugen halte ich für le-gitim. Es gibt aber extrem unterschiedli-che Fälle. Manche Patienten, denen nachdem aktuellen Stand des Wissens relativschnell geholfen werden könnte, werdenlange mit nicht oder unnötig langsam wir-kenden Methoden behandelt. Es gibt aberauch schwer traumatisierte Menschen,denen, wenn überhaupt, nur mit längerdauernden, intensiven, unter Umständenmehrere zusammenarbeitende Behandlereinschließenden Therapien geholfen wer-den kann.

Zur Konkurrenz und Leistungsmen-genausweitung: Wenn man ein Einheits-angebot hat, kommt man sicher auch mitweniger Anbietern aus. Ein ausreichendesund pluralistisches Angebot impliziertwohl ein gewisses Überangebot, das soll-te in beschränktem Rahmen aber tolerier-bar sein.

Gibt es wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, welches Therapieverfahrenvon Patienten in Abhängigkeit von ihrenErwartungen bezüglich Setting,Vorgehen und Dauer der Behandlung sowie von ihren subjektiven Krankheits-theorien, ihren Grundüberzeugungen und ihrem seelischen Leidensdruck bevorzugt nachgefragt wird? Gibt es Erkenntnisse, welches Verfahren oderwelche Therapeutenmerkmale wem am besten helfen?Die Frage kann ich nicht so kurz und trotz-dem richtig beantworten, das ist ja ein The-ma für ganze Bücher. Die Nachfrage wirdstark von subjektiven Theorien, Stereoty-pen und Vorurteilen bestimmt, die für je-des Verfahren vor- und nachteilig sein kön-nen. Ich habe einmal in Toronto in einembunten Völkermix gearbeitet. Wir hatten

im Notfall immer wieder ältere Angehö-rige etwas exotischerer Bevölkerungsgrup-pen, die meinten, Würmer im Kopf zu ha-ben und eine entsprechende Behandlungerwarteten. Das ist sicher extrem, aber Prä-ferenzen beruhen auch bei uns oft mehr aufVorurteilen als auf angemessener Infor-mation. Patienten informieren sich aller-dings immer mehr auch über das Internet.Die Informationen dort sind meist etwasmedikamentenlastig und bei einzelnen Stö-rungen wie Borderline oder Anorexie teilsauch haarsträubend, insgesamt aber garnicht so schlecht. Zudem haben Institu-tionen und Therapeuten oft einen gutenRuf. Patienten kümmert dann weniger, wiesie genau behandelt werden, wenn es nurin der nützlichen Frist hilft. Tatsächlichzeigen Untersuchungen enorme Unter-schiede zwischen Therapeuten auf. In Ver-gleichsstudien bleibt das oft unbeachtet.

Außerdem denken Patienten oft rechtpragmatisch: Für wie viele Wochen mussich Kinderbetreuung organisieren, bis ichmit der Therapie fertig bin, wie lange brau-che ich mit öffentlichen Verkehrsmittelnfür die 25 Kilometer aus dem Urteil desBundessozialgerichts und so weiter. DieFrage nach dem wirksamsten Verfahrenkann man in einem Satz wohl nur so be-antworten: Im Durchschnitt unterschie-den sich die untersuchten Verfahren nichtdramatisch, insgesamt sind aber verhal-tenstherapeutische Verfahren am bestenuntersucht. Therapeuten sollten ihr Ver-fahren gut kennen und beherrschen. Daslösen oft auch schon vergleichsweise junge,aber gut ausgebildete Therapeuten ein. Siesollten engagiert, an ihren Patienten echtinteressiert und sozial kompetent sein. Siesollten sich auf einzelne Patienten in re-flektierter Weise individuell einstellen kön-nen. Aber was genau für einen einzelnenPatienten in einer aktuellen Therapiesi-tuation am besten ist, kann man aus die-sen allgemeinen Ergebnissen kaum ablei-ten, da muss man sich vertieft mit diesenFragen befassen.

„Therapeuten sollten aufgrund des

Nachweises einer guten Arbeit einen

Vertrauenskredit mit gelegentlicher Überprüfung bekommen“

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Gibt es wissenschaftliche Erkenntnissedarüber, welches Verfahrenssetting,welche Beziehungsgestaltung welchen Patienten am besten hilft? Zum Beispielhinter der Couch sitzen versus im Gegen-über den Dialog führen? Einzel- und/oder Gruppentherapie? Psychoedukation? Auch hier gilt, dass eine differenzierte Ant-wort auf engem Raum kaum möglich ist.Eine allgemeine Antwort wäre, dass The-rapeuten sich auf ihre Patienten einstellensollten. Das erfordert klares Denken, klareFallkonzeptionen, Kompetenz und einigesan interaktioneller Flexibilität. Sie sind da-bei keine Fahne im Wind, sondern fassenauf der Basis einer stabilen Beziehung auchheiße Eisen an.

In den Psychotherapie-Richtlinien ist verankert, dass die psychoanalytischeTherapie einschließlich der tiefenpsycho-logisch fundierten Psychotherapie und dieVerhaltenstherapie in der Behandlungvon Psychotherapie-Patienten nicht miteinander kombinierbar sind.Inwieweit sehen Sie für eine Psycho-therapie Erfolg versprechende verfahrens-übergreifende Behandlungsansätze? Lassen sich bei bestimmten Störungen,wie zum Beispiel der posttraumatischenBelastungsstörung oder der Borderline-Persönlichkeitsstörung, integrative Therapieansätze zum Nutzen der Patienten umsetzen? Kein Therapieansatz hat alle Weisheit undalle wirksamen Vorgehensweisen für sichgepachtet, der liebe Gott hat die Welt nichtin Therapieschulen eingeteilt. Ich vertreteim Sinne von Grawes Allgemeiner Psycho-therapie – als Prozess, nicht als festgeschrie-bener Ansatz zu verstehen – eine integrativeHaltung auf der Basis klarer Konzepte. Dasvermitteln wir auch unseren Ausbildungs-kandidaten. Sie sind dadurch nicht verwirrt,zumindest nicht dauerhaft, und erzielenausgezeichnete Ergebnisse. Das deutscheSystem der Richtlinienverfahren hatte seinehistorische Begründung, aber für das Maß-

schneidern eines Vorgehens auf einen ein-zelnen Patienten ist es ebenso ein Unglückwie für die Weiterentwicklung von Psycho-therapie überhaupt.

Wie lautet Ihr dringlichster Änderungs-wunsch an die Adresse der Psycho-therapeuten bezüglich der gemeinsam getragenen Versorgung?Dass nicht mehr so viel auf die Verfahrengeschaut wird. „Das richtige Verfahren“ zuwählen ist auch wichtig, trägt aber imDurchschnitt nicht mehr zum Gesamter-gebnis bei als die Therapeutenperson unddie Therapiebeziehung. Das müsste manmehr beachten. Therapeuten sollten auf-grund des Nachweises einer guten Arbeitin den vergangenen Jahren einen Vertrau-enskredit mit gelegentlicher Überprüfungbekommen. Dabei müsste man die Schwie-rigkeit ihrer Patienten berücksichtigen. Aufdem Verfahren, das sie wirklich oder an-geblich verwenden, lastet ein viel zu gro-ßes Gewicht. Das ist durch den Stand derForschung nicht gedeckt.

Was ist Ihre Vision vom zukünftigen Zusammenspiel der Richtlinienverfahrenin der ambulanten und stationären Versorgung?Die Richtlinienverfahren im heutigen Sinnegehören hoffentlich bald der Vergangen-heit an. Ich sollte empirisch vertretbareKonzepte unabhängig von ihrer Herkunftverwenden dürfen, wenn mir das beim Ent-wickeln eines wirkungsvollen Vorgehenshilft. Ich sollte ebenfalls, wohl beachtend,dass man nicht einfach Techniken aus ih-rem Kontext lösen kann, empirisch fun-dierte Vorgehensweisen unterschiedlicherHerkunft verwenden können. Die gewon-nene Freiheit verpflichtet mich aber zu ei-ner seriösen Buchführung, was die tat-sächliche Wirkung meiner Therapien be-trifft. Das dient nicht nur der Legitimation;nur so können Therapeuten lebenslang ler-nen und sich zu wirklichen Könnern ent-wickeln. ___

Franz Caspar ist seit 2007 Ordinariusfür Klinische Psychologie und Psychothe-rapie an der Universität Bern und leitetdort eine Psychotherapeutische Ambulanzsowie ein postgraduales Psychotherapie-ausbildungs-Programm. In Bern arbeiteteer von 1979 bis 1999 am damals neugeschaffenen Lehrstuhl für KlinischePsychologie. Von 1999 bis 2005 war erOrdinarius an der Universität Freiburgim Breisgau, wo er wie zuvor in Bernauch eine Ambulanz und ein Psychothe-rapie-Ausbildungsinstitut mit aufbaute.Unter anderem war er in dieser Zeit Mit-glied des QS-Ausschusses der Baden-Württembergischen Psychotherapeuten-kammer. Von 2005 bis 2007 war er Pro-fesseur pour la psychologie clinique etpsychothérapie de l’adulte in Genf. Nebenseiner anhaltenden ambulanten psycho-therapeutischen Tätigkeit war er unteranderem als Leitender Psychologe an derPsychiatrischen Klinik Sanatorium Kilch-berg bei Zürich stationär tätig. Er ist Prä-sident der International Federation forPsychotherapy (IFP), Mitherausgeber undBeirat bei mehreren Journals, Past Presi-dent der Society for Psychotherapy Re-search (SPR) und Mitglied des SteeringCommittees der Society for the Explora-tion of Psychotherapy Integration (SEPI).

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2. Multifaktorielles Bedingungsgefüge:Menschliches Erleben und Verhalten ent-wickelt sich in seiner Individualität aus ei-ner komplexen Interaktion zwischen ge-netisch gegebenen oder in der individuel-len Entwicklung erworbenen biologischenFaktoren einerseits und sozialen Einflüssenund Bedingungen andererseits. Bedeutsamsind dabei pränatale Entwicklungsbedin-gungen ebenso wie physische und psychi-sche Faktoren der familiären und gesell-schaftlichen Umwelt über die gesamte Le-bensspanne hinweg sowie das individuelleErleben und Verarbeiten dieser Faktoren.3. Vier-Ebenen-Modell: Gesundes wie auchpathologisches menschliches Verhalten undErleben lässt sich anhand von vier Moda-litäten beschreiben: (a) biologisch-physio-logische Funktionen, (b) verbales und mo-torisches Verhalten, (c) Gedanken und (d)Emotionen. Diese vier Modalitäten kön-nen sich gegenseitig bedingen und sindgleichzeitig die Variablen, die sowohl diewesentlichen Punkte der diagnostischenExploration im Sinne einer Problem- undVerhaltensanalyse umfassen als auch Ziel-variablen der verhaltenstherapeutischenIntervention darstellen. Verhaltenstherapiekann daher an allen vier der genannten Mo-dalitäten ansetzen, und die Veränderung ineiner Modalität führt in der Regel auch zuVeränderungen in den anderen Bereichen.

4. Aufrechterhaltende Faktoren als zentraleVariable der Verhaltenstherapie: Hinsicht-lich der Beschreibung, Diagnostik und Be-handlung psychischer Störungen ist be-sonders bedeutsam, wie die problemati-schen Erlebens- und Verhaltensweisenaufrechterhalten werden. Die Explorationaufrechterhaltender Mechanismen wird inder Verhaltenstherapie mittels funktionel-ler Bedingungsanalyse als Problem- undVerhaltensanalyse vorgenommen. Im Rah-men dieser Form von Diagnostik wird kon-kretes Erleben und Handeln im Zusam-menhang mit antezedenten situativen undkonsequenten Bedingungen der Symptome beziehungsweise des problematischen Ver-haltens und Erlebens betrachtet. Grund-lage der funktionellen Bedingungsanalysesind vor allem die lerntheoretischen Mo-delle des respondenten und operanten Ler-nens. Dabei sind lerntheoretische Modellezentrale Heuristiken zum Verständnis desErlebens und Verhaltens von Patientinnenund Patienten.5. Individuelle Verarbeitungs- und Bewer-tungsprozesse: Zur Erklärung individuellenErlebens und Verhaltens ist es neben derKenntnis äußerer antezedenter und derkonsequenten Bedingungen meist uner-lässlich, zusätzlich kognitive Prozesse zuberücksichtigen. Bestimmtes Erleben undVerhalten kann oft nur durch die indivi-duelle Interpretation von Situationen durchPatienten beziehungsweise durch die Er-wartung bestimmter Konsequenzen erklärtwerden. So steht das extrem häufige

Ursachenforschung ist kein MussSie löst Probleme im Jetzt und für die Zukunft und setzt dem Teufelskreis die Tat entgegen.Ein Querschnitt zum Leitbild und Störungsverständnis in der Verhaltenstherapie Von Thomas Fydrich

___ Wie gewagt ist es, wenn ich als ein ein-zelner Vertreter eines psychotherapeuti-schen Verfahrens im Folgenden 15 Aussa-gen in Form von grundlegenden Thesenüber die Verhaltenstherapie mache? Wiegewagt ist es, dies in einer sehr kompri-mierten und zusammenfassenden Form zuversuchen? Ich habe es versucht und würdemich über eine Diskussion freuen.

1. Grundbedürfnisse: Neben den primä-ren Existenzbedürfnissen wie Nahrung,Schlaf und Wohnraum umfassen wesent-liche Grundbedürfnisse des Menschen (a) Lustempfinden und Unlustvermeidung,(b) Orientierung, Kontrolle und Sicher-heit, (c) verlässliche positive persönlicheBindungen und Nähe sowie (d) die posi-tive Einschätzung des Werts der eigenenPerson, also der Selbstwert beziehungs-weise die Selbstwerterhöhung oder dieSelbstverwirklichung. Das schließt diegrundsätzlich positive und als sinnhaft be-urteilte Bewertung der eigenen Person inihrem sozialen Kontext mit ein. Für einegesunde Entwicklung des Menschen ist dieSicherung zentraler biologischer und öko-nomischer Grundbedürfnisse ebenso wich-tig wie die Selbstverwirklichung in den fürdie Person bedeutsamen Lebensbereichen,vor allem Ausbildung und Beruf, persön-liche Beziehungen und Familie.

Eine einzige Verhaltensänderung löstWandlungen in anderen Bereichen aus

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Händewaschen einer Person mit einemWaschzwang meist im Zusammenhang miteiner Kontaminationsangst. Die ängstlicheErwartung einer gefährlichen Verunreini-gung oder Ansteckung wird durch das Wa-schen kurzfristig reduziert.6. Aufrechterhaltung von Problemen durchsich selbst verstärkende Prozesse: Problemeentstehen oder bestehen oft aus sich selbstaufrechterhaltenden Teufelskreisen, die oftkeinen oder nur einen geringen Bezug zuihrer Entstehung mehr haben müssen. Soführt beispielsweise die ängstliche Beobach-tung der eigenen Herz-Kreislauf-Reaktio-nen bei einer Person mit einer Panikstö-rung dazu, dass bereits die Wahrnehmunggeringer Änderungen des Herzschlags, derAtmung oder anderer Körperempfindun-gen von der Person als Zeichen einer dro-henden Panikattacke oder eines Ohn-machtsanfalls (über-)interpretiert wird, wasdann psychologischerweise zu erhöhterphysiologischer Erregung und gegebenen-falls auch zu Vermeidungs- oder Flucht-verhalten oder zu einer erneuten Panikat-tacke führt.7. Kenntnis der Ursachen ist hilfreich, abernicht notwendig für Veränderung: Für dasVerständnis von Patientinnen und Pa-tienten ist die Berücksichtigung der indi-viduellen Lebens- und Problemgeschichtesehr wichtig. Die Problematik kann jedochnur im Hier und Jetzt und für die Zukunftgelöst werden. Auch eine genaue Explora-tion der Genese eines Problems oder einerpsychischen Störung führt nur in seltenen

Fällen zu einem eindeutigen Ergebnis. DerWunsch von Betroffenen, die Entstehungder Problematik möglichst genau zu ver-stehen, ist nachvollziehbar und zu res-pektieren. Für eine erfolgreiche Behand-lung ist die Kenntnis über die Entstehungeiner Problematik hilfreich, jedoch nichtimmer möglich und auch nicht unbedingtnotwendig. Diesbezüglich ist es ein hilf-reiches Teilziel der Behandlung, gegebe-nenfalls auf der Grundlage eines Vulnera-bilitäts-Belastungsmodells gemeinsam mitPatienten ein Verständnis für die Entste-hung der Problematik zu entwickeln. Pa-rallel dazu sollte jedoch aufseiten der Pa-tienten die Toleranz gegenüber Ungewiss-heit hinsichtlich der Ätiologie der Störungerweitert werden.8. Beziehungserfahrungen als weitere Ein-flussvariable: In Hinblick auf die Entwick-lung kognitiver Wahrnehmungs- und In-terpretationsmuster und eng damit inVerbindung stehender Gefühle ist es vonBedeutung, welche Erfahrungen die Men-schen in ihrer Lebensgeschichte gemachthaben. Aktuelle Erlebensweisen und Ver-haltenstendenzen können oft nur auf demHintergrund fürsorglicher beziehungsweisebelastender Erfahrungen im interperso-nellen Erleben mit wichtigen Bezugsper-sonen oder Peers verstanden werden. Ausdiesen Erfahrungen heraus können sich

Interpretations-, Erlebens- und Verhal-tensweisen entwickeln, die zwar unmittel-bar für die betroffenen Individuen als not-wendig und unausweichlich erscheinen, oftaber wegen ausgeprägter Unflexibilität undder ungünstigen interpersonellen Wirkungmaladaptiv und dysfunktional sind unddabei oft sogar den Kern eines Problemsdarstellen.9. Kultureller Hintergrund: Über die kon-krete Analyse problematischen Erlebensund Verhaltens auf Mikroebene hinaus istes für das Verständnis von Patientinnenund Patienten notwendig, deren kultu-rellen, ethnischen, sozialen und gesell-schaftlichen Hintergrund und damit zu-sammenhängende Neigungen, Werte undspirituell-religiöse Eingebundenheit zukennen.10. Ausprobieren und Üben statt nur da-rüber sprechen: Das Besondere der Ver-haltenstherapie liegt weiterhin darin, dassdie verschiedenen Facetten problemati-schen Erlebens und Verhaltens primär überAusprobieren, also in Verhaltensexperi-menten und Einüben neuer Verhaltens-weisen, umfassend geändert werden kön-nen. Über handlungsorientierte Interven-tionen und neue Verhaltensweisen werdenneue Erfahrungen, veränderte Emotionenund weniger maladaptive Kognitionen er-möglicht.

Der Teufelskreis hat oft keinen Bezug mehr zu seiner Entstehung

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11. Ressourcenaufbau als zentrales Behand-lungsziel: Bei der Behandlungsplanung istes wichtig, nicht nur die Reduktion leid-bringenden Erlebens und Verhaltens alsTherapieziel im Auge zu haben. Von be-sonderer Bedeutung ist die auf individuel-len Ressourcen aufbauende Förderungpositiven Erlebens und Verhaltens, die dieAktivierung und Weiterentwicklung vonFähigkeiten umfasst, Krisen durch Rück-griff auf persönliche und sozial vermittelteRessourcen zu meistern und als Anlass fürEntwicklungen zu nutzen.12. Wertschätzung als grundsätzliche The-rapeutenhaltung: Therapeutinnen und The-rapeuten haben für Patienten und derenBedürfnisse und Ziele die Rolle eines pro-fessionellen Advokaten. Basisvariablen destherapeutischen Handelns sind dabei dieWertschätzung der Patienten und das Ein-fühlungsvermögen in deren Lebenssitua-tion und Probleme. Als Kriterium für hin-reichendes einfühlendes Verständnis gilt,dass der Therapeut die Erlebens- und Ver-haltensweisen seines Patienten im Kontextder aufrechterhaltenden Bedingungen alspsychologisch – und damit nicht primärals pathologisch – nachvollziehen kann.13. Transparenz: Verhaltenstherapie res-pektiert und fördert die Autonomie vonPatienten. Dies wird vor allem über einedurch und durch transparente Gestaltungdes diagnostischen und therapeutischenProzesses erreicht. Patienten haben ein un-eingeschränktes Recht darauf, die wissen-schaftlich begründeten Störungsmodelleund das konkrete Vorgehen für Diagnostikund die Intervention erläutert zu bekom-men, und sollten angeregt werden, diesevor dem Hintergrund der eigenen Lebens-situation und Problematik zu prüfen, zuvalidieren und gegebenenfalls anzupassen.Diese Form von Transparenz fördert dasVerständnis des Patienten für seine Proble-matik und ist damit zusätzlich eine guteRahmenbedingung für die Förderung deraktiven Mitarbeit. Zudem unterstützt die-ser Dialog die kritische Auseinandersetzungdes Therapeuten mit seiner eigenen Arbeit.

14. Verhaltenstherapie als empirisch ge-stützte Therapieform: Verhaltenstherapieorientiert sich an Befunden der empiri-schen, vor allem psychologischen For-schung. Dabei sind folgende Forschungs-bereiche besonders wichtig: (a) Störungs-wissen als grundlegendes Wissen überpsychische Störungen sowie Modelle ihrerEntstehung und Aufrechterhaltung, (b) da-raus abgeleitetes störungsspezifisches Inter-ventionswissen über therapeutische Be-handlungen und deren Evaluation und (c) Interaktionswissen als Kenntnisse überdie Besonderheiten der Beziehungsgestal-tung im therapeutischen Kontext. Zur Si-cherung der Ergebnisqualität stellt sich dieVerhaltenstherapie der systematischenÜberprüfung des Therapieerfolgs auch imEinzelfall.15. Problem- und Handlungsorientierung:Kernmerkmale der Verhaltenstherapie sinddarüber hinaus (a) die Problem- und Ziel-orientierung, (b) die Handlungsorientie-rung, was beinhaltet, dass bloße Einsichtallein nicht ausreicht, um Probleme zu lö-sen, und (c) die Aufhebung der Limitationtherapeutischen Handelns auf das thera-peutische Setting im engeren Sinne. Inter-ventionen werden oft in relevanten Umge-bungen durchgeführt. Darüber hinaus istdas Übertragen von in der Therapie Ge-lerntem in den persönlichen Alltag wichtig,und therapeutische (Haus-)Aufgaben sindein zentraler Bestandteil verhaltensthera-peutischer Intervention. ___

Quellen:

Grawe, K. (1998). Psychologische Therapie. Göttingen: HogrefeMargraf, J. (2009). Hintergründe und Entwicklung. In J. Margraf & S. Schneider(Hrsg.), Lehrbuch der Verhaltenstherapie,Band 1 (3. Auflage). S. 3-45.Parfy, E. & Lenz, G. (2009). Menschen-bild. In: J. Margraf & S. Schneider, Lehr-buch der Verhaltenstherapie, Band 1 (3.Auflage). S. 63-82. Heidelberg: Springer

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Prof. Dr. rer. nat. Thomas Fydrich ist Professor für Psychotherapie und Somatopsychologie am Institut fürPsychologie der Humboldt-Universitätzu Berlin sowie Ko-Leiter derHochschulambulanz für Psychotherapieund Psychodiagnostik. Er promovierte1986 in Marburg. Von 1987 bis 1990absolvierte er Forschungsaufenthalte inPittsburgh und Philadelphia. 1996habilitierte er an der Universität Heidel-berg. Er leitete das ZPHU – Zentrum für Psychotherapie am Institut fürPsychologie der Humboldt-Universitätzu Berlin –, staatlich anerkannterpostgraduierter Studiengang für Psycho-logische Psychotherapie. Er ist Mitglieddes Wissenschaftlichen Beirats Psycho-therapie und verfügt über Erfahrungenin der Arbeit in den Psychotherapeuten-kammern als Mitglied des Gründungs-vorstands der Kammer Baden-Württem-berg und Vorsitzender des Ausschusses„Wissenschaft, Forschung, Qualitätssi-cherung“ der Berliner Psychotherapeu-tenkammer. Seine Forschungsbereichesind Panikstörung und Agoraphobie,Soziale Phobie, Persönlichkeitsstörungen,Psychotherapieforschung, Qualitätssiche-rung in der Psychotherapie, SozialeUnterstützung.

Die Kenntnis der Problemursache ist keine Voraussetzung für den Behandlungserfolg

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___ Dieser Winter ist märchenhaft. Es istkalt. Gut, dafür ist der Winter bekannt. Eshat viel geschneit. Ja, das soll im Wintervorkommen. Flugzeuge müssen enteist wer-den, der geräumte Schnee türmt sich aufden Flughäfen zum Sondermüll. Bahn-strecken sind zugeschneit, Weichen einge-froren: Verspätungen und Zugausfälle. Imdichten Schneetreiben blockieren quer ste-hende Lastkraftwagen die Autobahnen. Je-des Jahr das gleiche Verkehrschaos. Aberwas ist anders als sonst? Etwas fehlt.

Es fehlen die üblichen Schlagzeilen. KeineVogelgrippe, ein wenig Schweinegrippe,überhaupt keine Grippehysterie. Keinegeschlossenen Schulen und Kindergärten,keine Warnungen vor dem Händeschüttelnund einem Begrüßungskuss, nur die üb-lichen Aufrufe zum Impfen. Erste Schwei-negrippe-Todesfälle in Deutschland, ausGroßbritannien werden schon 27 gemel-det, aus Ägypten gar 56! Was ist los, will die Pharmaindustrie kein Geld mehr ver-dienen? Haben unsere Landesregierungennicht letztes Jahr um diese Zeit einigehundert Millionen Euro für „Grippe-medikamente“ ausgegeben? Müssen dienicht unters Volk? Die Lager sind überfüllt!

Etwas muss dazwischengekommen sein.Gerade noch rechtzeitig zum Beginn derGrippesaison stellte ein Wissenschaftler-team um Tom Jefferson von der unabhän-gigen Cochrane Collaboration fest, dassdie einzige wissenschaftliche Arbeit, auf

die man sich bei den „Grippemitteln“ bis-lang verlassen hatte, auf unvollständigenoder geschönten Daten beruhte. Verfasserwaren nämlich vier Angestellte und ein Be-rater der Herstellerfirma. Nur zwei vonzehn Studien waren veröffentlicht worden.Jefferson forderte deswegen die vollstän-digen Unterlagen beim PharmakonzernRoche an, der wollte die Protokolle abernicht herausrücken. Da überprüfte Jef-ferson die wenigen vorliegenden, veröf-fentlichten Studien noch einmal und kamzu dem Schluss, dass „Grippemittel“ keinebessere Wirkung haben als Placebos. Mitanderen Worten: „Grippemittel“ bewirkengar nichts, allenfalls immer wieder ge-fährliche Nebenwirkungen, besonders beiKindern. Noch anders gesagt: Es gibt garkeine „Grippemittel“. Wohin aber jetzt mitso viel Tonnen unnützer Medikamente? Da wird doch die Idee des britischen La-bour-Parlamentariers Paul Flynn vomDezember 2009 wieder aktuell, unsere ver-eisten Straßen mit den „Grippemitteln“ zustreuen, denn als Medikamente taugen sieja nichts. Dann wären die Lagerhallen ge-räumt, kein Patient würde Nebenwir-kungen erleiden, und das große Streusalz-problem unserer Kommunen wäre mit ei-nem Schlag gelöst. Win-win nennt mandas. ___

Mit freundlicher Genehmigung von FR-online.de 2011

WintertraumEigentlich ist alles wie immer.

Es fehlen nur die grippehysterischen Schlagzeilen. Will die Pharmaindustrie

kein Geld mehr verdienen?Von Bernd Hontschik

Bernd Hontschikarbeitet seit 30 Jahren als Chirurg. Bis1991 war er stationär tätig, zuletzt alsOberarzt der Chirurgischen Klinik imStädtischen Krankenhaus Frankfurt-Höchst. Seit 1991 ist er in ChirurgischerPraxis in Frankfurt am Main nieder-gelassen. Die Praxis versorgt mit „JobSharing“ – Partner und 13 Angestelltenknapp 2000 Patienten im Quartal.Schwerpunkt ist ambulantes Operieren.Seit 1986 nimmt er zunehmend publi-zistische Tätigkeiten wahr mit regel-mäßigen Kolumnen in der „FrankfurterRundschau“, Herausgabe der inzwi-schen zwölfbändigen Taschenbuchreihe„medizinHuman“ im Suhrkamp Verlagund als Mitherausgeber einer Schriften-reihe im Schattauer Verlag. Der Verfas-ser ist zudem Mitglied im wissenschaft-lichen Beirat der Zeitschrift „Chirur-gische Praxis“. Er gibt die von Thurevon Uexküll gegründete „Uexküll-Akademie“ als das Zentrum seiner me-dizinischen Denkwelt an. Kontakt:www.medizinHuman.de. 33 der ersten50 seiner in der „Frankfurter Rund-schau“ veröffentlichten Kolumnen unterdem Titel „Diagnose“ sind im Büchlein„Herzenssachen“ im Weissbooks-Verlagerhältlich: www.weissbooks.com

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Mit Selbsterkenntnis wirken Die Wechselwirkung der subjektiven Welten verändert Patient und Therapeut.Chris Jaenicke fordert den Analytiker auf,seine Überzeugungen permanent zu hinterfragen

Von Frank Horzetzky, Mitglied im bvvp, Berlin

muss, um eine kritische Zuspitzung im the-rapeutischen Prozess zu überwinden und zueiner Fortführung des Prozesses zu kom-men. Im vierten Kapitel geht es um die ödi-pale Phase und das postödipale Objekt.

Jaenicke belegt, dass die Asymmetrie desanalytischen Settings nichts an der Wech-selseitigkeit des Einflusses zwischen Analy-tiker und Patient ändert. Wenn wir davonausgehen, dass wir den Anderen lediglichdurch die Linse unserer eigenen Subjekti-vität wahrnehmen, dann müssen wir, umihn zu verstehen, versuchen zu ergründen,wie wir wahrnehmen. Das erfordert dieSchulung der Introspektion des Analytikersund seine Sensibilisierung für die eigenenkonfliktrelevanten Themen. Anhand klini-scher Beispiele zeigt er, wie wir systematischauf die Rolle fokussieren müssen, die unse-re Subjektivität beim Verstehen unserer Pa-tienten spielt, um zu verstehen, wie subjek-tiv unsere Interventionen sind, und zu ver-deutlichen, wie tief die Subjektivität desTherapeuten in die Behandlung und ihrenFortschritt oder ihre Behinderung verstricktist. Es ist Chris Jaenicke wieder gelungen,ein klinisch sehr relevantes, anregendes undanschauliches Buch vorzulegen, mit dem eruns hilft, unsere Patienten und uns selbstgerade in den schwierigen Momenten bes-ser zu verstehen, und von dem ich mir wün-sche, dass es viele Kollegen erreicht. ___

*2006, Stuttgart, Klett-Cotta; Besprechung im bvvp-Magazin 2/2007

___ Vor vier Jahren hatte uns Chris Jaeni-cke mit der stark behandlungspraktischenBezogenheit seines ersten Buches „Das Ri-siko der Verbundenheit“* schon in einerWeise positiv überrascht, wie man es sonstvon Büchern, die sich mit den neuestenEntwicklungen in der Psychoanalyse be-schäftigen, kaum kennt. Dass es ihm ge-lungen ist, das mit seinem zweiten Buch zuübertreffen, ist umso erstaunlicher, da ergleichzeitig auf hohem theoretischen Ni-veau die metapsychologischen Essentialsder Intersubjektivitätstheorie diskutiert.Dabei geht er in jedem Kapitel von der sichimmer neu zu stellenden Frage aus: Wie ar-beitet man mit der eigenen Subjektivität inder klinischen Anwendung der Intersub-jektivitätstheorie?

Ein Therapeut muss ständigseinen Einfluss auf das therapeutische Geschehen reflektieren

Im ersten Kapitel „Neue Perspektiven derPsychoanalyse“ geht es Jaenicke darum zuvermitteln, wie der auch bisher schon zen-trale Prozess der Selbstreflexion des Analy-tikers in der Sitzung mit seinem Patientendurch die Intersubjektivitätstheorie nocheinmal eine veränderte Bedeutung erhält. Erzeigt an klinischen Fallbeispielen, wie dieWahrnehmung des bisher durch Übertra-gung und Gegenübertragung dargestelltenBeziehungsprozesses und der Prozess selbstdurch eine vertiefte Reflektion der eigenenSubjektivität des Analytikers, dessen Gegen-übertragung in der Intersubjektivitätstheo-rie im Wesentlichen als die Übertragung desAnalytikers konzeptualisiert ist, beeinflusstwird. Ausgangspunkt des behandlungstech-nisch orientierten Buches bilden die The-sen vom Primat der wechselseitigen Beein-flussung und der Subjektivität. Die dritteThese vom Primat der Ko-Determinierungbehauptet, dass in kritischen Augenblickender Behandlung, die uns als Therapeuten inBereiche von Grenzerfahrungen bringen, diewechselseitige psychotherapeutische Beein-flussung zu Veränderungen beider Beteilig-ter führen muss, wenn sich der Prozess pro-gressiv weiterentwickeln soll.

In einem zweiten Kapitel wird der Umgangmit Aggressionen in der analytischen Be-handlung dargestellt. Jaenicke macht sichhier die für uns sehr erhellende Arbeit, ver-schiedene Konzepte zur Aggression unddaraus folgende behandlungstechnischeUmgangsweisen mit ihr aus Sicht verschie-dener theoretischer Perspektiven darzu-stellen und zu vergleichen: freudianisch,kleinianisch, selbstpsychologisch, relatio-nal und intersubjektiv.

Im dritten Kapitel geht es um die Theseder Ko-Determinierung und der „kollidie-renden Welten“ von Patient und Therapeut,wie sie sich in kritischen Zuspitzungen ma-nifestieren können. Die Subjektivität desTherapeuten und seine Reaktionen auf denPatienten können zu Entgleisungen des the-rapeutischen Prozesses und damit in Sack-gassen der Behandlung führen. Dabei ist esJaenicke wichtig, das im Rahmen der wech-selseitigen Beeinflussung vorhandene Ver-änderungspotenzial zu unterstreichen, dasin beiden Beteiligten mobilisiert werden

Chris Jaenicke:Veränderung in derPsychoanalyse

Klett-Cotta (Stuttgart),180 Seiten,ISBN 978-3-608-94671-0,Preis: 26,95 Euro

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___ Das vorliegende Buch untersucht inneun Kapiteln den Zusammenhang zwi-schen Essstörungen und Persönlichkeit. Be-reits in der Einführung wird auf einen bio-logisch fundierten Ansatz zur Entwicklungvon Essstörungen hingewiesen, der besagt,dass Menschen mit anlagebedingten Be-sonderheiten der Informationsverarbeitungdurch neu entstandene Bedingungen derUmgangs- und Kommunikationsformen,des Schulsystems und im sozialen Umfeldin eine physische und psychische Überfor-derung geraten. Im zweiten Kapitel führtdie Autorin unter der Überschrift „Die Be-deutung von Veranlagung, Erziehung undsozialem Umfeld“ für das Essverhalten wei-ter aus, dass negativer Dauerstress zu Se-rotoninmangel mit depressiver Sympto-matik führt. Es werden die physiologischenGrundlagen eines durch erhöhten Blut-zuckerspiegels und daraus resultierendenHungergefühls beschrieben, aus denen sichHeißhungerattacken entwickeln können.

Nach ausführlicher Darstellung in denKapiteln drei, vier und fünf von Mager-sucht, Bulimie und Essanfällen, Esssuchtund Übergewicht mit sehr anschaulichenFallbeispielen betont die Verfasserin immerwieder die neurologisch begründete undnachweisbar gestörte Informationsverar-beitung bei den Betroffenen. Bei bestehen-der Anorexia nervosa werden verschiedenePersönlichkeitsmerkmale aufgeführt, diehäufig in Kombination mit Zwängen undMagersucht vorkommen. Diese sind eine

angeborene Überempfindlichkeit, ein Man-gel an Selbstvertrauen, ein hoher Selbstan-spruch, die Angst vor Veränderung, Per-fektionismus und Vergesslichkeit, innereUnruhe und Getriebenheit sowie introver-tiertes Verhalten.

Im sechsten Kapitel wird das Aufmerk-samkeitsdefizitsyndrom (AD(H)S) als einehäufige Ursache vieler Essstörungen be-schrieben. Demzufolge entwickeln sich Ess-störungen erst als Folge von AD(H)S, sindsomit nicht als Primärstörung anzusehen.Auch hier wird wieder auf den genetischenAspekt eingegangen, da viele Jugendlicheund Erwachsene mit Essstörungen in Fa-milien aufwachsen, die auch von AD(H)Sbetroffen sind. In Kapitel sieben werdenAD(H)S-bedingte Therapiestrategien be-schrieben und gefordert, die zunächst ander dualen Behandlung mit Psychotherapieund Medikamentengabe, sofern Medika-tion notwendig und sinnvoll erscheint, desAD(H)S ansetzen, um den Betroffenen zueinem verbesserten Selbstbewusstsein undvermehrten sozialen Kompetenzen nachentsprechendem Training zu verhelfen. Erstanschließend soll die Essstörung mehr inden Mittelpunkt der Therapie rücken. Hier-bei wird explizit die Verhaltenstherapie alsentscheidende Therapieform gefordert undbenannt.

In den letzten Kapiteln werden Selbst-hilfegruppen als unterstützende therapeu-tische Maßnahme erwähnt und Wege einerwirkungsvollen Prävention von Essstörun-

gen beschrieben. Im Anhang wird eine Be-findlichkeitsskala mit insgesamt 38 Itemsaufgeführt, bei der die Betroffenen durchAnkreuzen in jeweils sechs Schritten von„überhaupt nicht“ über „sehr wenig“, „we-nig“, „deutlich“ bis zu „stark“ und „sehrstark“ Auskunft zu ihrer Befindlichkeit ge-ben können. Ebenso findet sich eine modi-fizierte ANIS-Scala (nach Fichter, M.M. &Keeser, W. 1980: Das Anorexia-nervosa-In-ventar zur Selbstbeurteilung) zur Diagnostikund Verlaufskontrolle einer Magersucht.

Die Autorin bezieht sich in ihrem Buchauf die genetisch bedingten Persönlich-keitsvarianten, die letztendlich die Grund-lage von vielen Essstörungen sind. Dies istsicherlich ein neuerer Ansatz bei der Diag-nostik und Therapie von Essstörungen.Letztendlich bleibt es dem Leser überlassen,sich dieser Theorie anzuschließen oder aberdoch einen mehr psychodynamisch-psycho-analytischen oder ausschließlich lerntheo-retisch bedingten Ansatz zu vertreten.

Eine informationsreiche Lektüre,auch für Andersdenkende

Auf jeden Fall ist es ein Buch mit hohem In-formationsgehalt, das durchaus hilfreichsein kann bei der Arbeit mit Betroffenen.Etwas unangenehm empfand ich die fürmeinen Geschmack zu rigide Forderungder Autorin nach Verhaltenstherapie. Ins-gesamt haben die psychoanalytisch orien-tierten Kollegen bei ihr wenig Berechtigungzur Intervention.

Alles in allem ist es ein lesenswertesBuch, auch – oder gerade – wenn man an-dere Ursachen für die Entstehung von Ess-störungen verantwortlich macht als dieAutorin. ___

Helga Simchen schlägt in der Erforschungkrankhaften Essverhaltens einen neuen Kursein. Nicht Beziehungsstörungen, sondern vererbte Persönlichkeitsvarianten verursachendas zwanghafte Suchtverhalten

Die Genetik derHeißhungerattackeVon Heike Dittmar, Frankfurt

Helga Simchen:Essstörungen und Persönlichkeit

Verlag W. Kohlhammer,2010,189 Seiten,ISBN: 978-3-17-020848-3,Preis: 24,00 Euro

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L I T E R AT U R

Deborah Blum:Die Entdeckung derMutterliebe.Die legendären Affenexperimente desHarry HarlowBelz-Verlag,1. Auflage 2010,352 Seiten,ISBN 978-3-407-85888-7,Preis: 24,95 Euro

Die Studien des Harry HarlowMit grausamen Affenexperimenten revolutionierte er die Kinderpsychologie. Deborah Blum beleuchtet die umstrittene Forscherpersönlichkeit im historischen Kontext Von Ariadne Sartorius, Vorstandsmitglied und Nachwuchsbeauftragte des bvvp

___ 2010 erschien im Belz-Verlag „Die Ent-deckung der Mutterliebe“ von DeborahBlum. Das Vorwort zu dem 352 Seiten star-ken Buch verfasste Wolfgang Bergmann. DieAutorin beschäftigt sich mit den StudienHarry Harlows, allgemein bekannt gewordenmit seinen umstrittenen Affenexperimentenaus den 60er- und 70er-Jahren. Wen habensie nicht berührt, die Bilder der einsamenAffen, die von Drahtmüttern großgezogenwurden, die Bilder der isolierten Affen, dieHospitalismus-Symptome ausbildeten? DieBilder der Affenkinder, die von den soge-nannten Monstermüttern betreut und zumTeil von diesen getötet wurden?

Lesenswert an diesem Buch ist der um-fassende historische Hintergrund. Blum be-ginnt ihr Buch mit einer detaillierten Be-schreibung der medizinischen und psycho-logischen Theorien im Umgang mit Nähe,Distanz, Bindung im Rahmen einer Ge-sellschaft, die noch keine Antibiotikakannte, in der Bolbys Bindungstheoriennoch nicht entwickelt waren. Sie beschreibtHarlows damals nicht konformen Ambi-tionen, zu beweisen, dass der Mensch nichtohne Mutterliebe existieren kann. Die viel-fältigen Experimente, die Harlow hierzugemacht hat, werden detailliert dargestellt.

Dabei bedient sich Blum einer chronologi-schen Darstellung der Biografie und Ar-beiten Harlows. Diese bezieht sie nicht al-lein auf seine wissenschaftlichen Arbeiten,sondern beschreibt auch immer die per-sönliche Lebenssituation des Forschers.

Blum beschreibt auch weitere Entwicklungen der Bindungsforschung nach Harlows Tod

Harlows Hauptarbeiten bezogen sich aufStudien mit Ersatzaffenmüttern, Ge-schlechtsunterschiede, Erlernen von Fä-higkeiten, Neugierde, Umgang mit Säug-lingen, Mutterliebe, Berührung, sozialeNetzwerke, Einsamkeit, Stress, Vernachläs-sigung und Gewalt. Harlow, in den späten60er-Jahren selbst an schwerer Depressionerkrankt, wollte zudem seine Krankheit ver-stehen und heilen lernen. „Wenn man zurLiebe forscht, muss man all ihre Aspekte

erforschen“, sagte Harlow. Dabei unter-suchte er sowohl wohltuend enge Fami-lienstrukturen als auch zerrissene und zer-störerische. Er untersuchte nicht nur denemotionalen Schaden, sondern auch dieemotionale Heilung. Harlow beschrieb da-bei den Bogen dieser Studien als „Liebe er-schaffen, Liebe zerstören, Liebe zurück-erobern“.

So umstritten diese Forschungen warenund bis heute noch zu betrachten sind, soumstritten werden sie von Blum auch be-schrieben und erläutert. Dabei bezieht dieAutorin die jeweiligen historischen Theo-rien mit in ihr Buch ein, lässt auch politi-sche Zusammenhänge wie die aufkom-mende Frauenbewegung in der 70er-Jah-ren mit anklingen.

So endet das Buch auch nicht mit Har-lows Tod, sondern beschreibt weitere Ent-wicklungen der Bindungsforschung, diesich auf Harlows Arbeiten beziehen.

Wer sich kritisch und umfassend mit demLeben und den Studien Harlows ausein-andersetzen will und Bindungstheoriennoch einmal im historischen Zusammen-hang nachlesen mag, findet hier ein wirk-lich lesenswertes Buch, sowohl für denFachmann als auch für den psychologischenLaien interessant und nachvollziehbar gestaltet. ___

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V E R A N S TA LT U N G E N

___ Erneut trafen sich vom 2. bis zum 6. Ja-nuar Ski-begeisterte Kollegen und Kolle-ginnen mit und ohne Familie oder Freundeauf dem Berghof Golm im Montafon. Nacheinem trüben Ankunftstag wurden uns dreiwunderbare Skitage geschenkt mit über-wiegend strahlend blauem Himmel undSonnenschein bis zum Abschied hinterprächtigem Alpenpanorama mit rotem Gip-felleuchten. Besonderer Genuss war das Ski-fahren vor dem Frühstück auf frisch prä-parierten, leeren Pisten. Das Rennteamnutzte die Gelegenheit, „es laufen zu las-sen“, und stellte einen neuen Rekord auf:1400 Höhenmeter Abfahrt in sieben Mi-nuten. Das entsprach einem Durchschnittvon 80 (!) Stundenkilometern. MancheMutter oder Tante war froh, ihre abenteuer-lustigen Jugendlichen und auch Kollegenwieder wohlbehalten vorzufinden.

Beim abendlichen Mäxchen, Räuber-Rommee oder Anno Domini konnte mansich auf ungefährlichere Weise austoben;zwei Gitarren und Skihasenlieder sorgtenfür die musikalische Note. Fantastisch dersternenübersäte Nachthimmel, in dem so-gar Sternschnuppen entdeckt werden konn-ten, die Lichterspuren weit unten im Talund leuchtende Pistenraupen, die die halbeNacht die Pisten präparierten. Das mitge-brachte Schwedenfeuer hatte allerdingsMühe, die umstehenden Menschen zu wär-men – bei minus 15 Grad. Die Unterbrin-gung war dieses Mal entzerrter, da wir für20 Leute 32 Betten in fünf verschiedenen

Zimmern hatten. Gemütliche Mittags- undNachmittagspausen mit Schlafen und Lesenkamen nicht zu kurz. In Ruhe konnten langeauf der Warteliste stehende Fachbücher ge-lesen und gedanklich ausgetauscht werden.So entstand die Zukunftsidee, das Skifah-ren mit fachlichem Input zu verbinden.

In Zukunft steht ein Mix ausSkifahren und fachlichem Inputauf dem Programm

Da viele sich zudem mehr Komfort undkleinere Zimmer wünschen und neben derAbfahrtsmöglichkeit gern Möglichkeit zumSkilanglauf hätten, begannen wir, Ideen fürandere Formen gemeinsamer Winter-Frei-zeit-und-Fortbildungs-Tage zu überden-ken. Birgit Leibold zieht sich von der Golm-

Organisation zurück und möchte zusam-men mit Kollegen ein neues Angebot ent-wickeln.

Für die Golm-Fahrten braucht es des-halb neue Aktive. Wer bei der Organisationhelfen kann, meldet sich bitte bei Birgit Lei-bold zwecks Unterstützung. Hier möchteich allen bisherigen Teilnehmern und Teil-nehmerinnen danken für ihre Beiträgedazu, dass die Skifreizeiten wohltuend ge-lingend, gemeinschaftlich fröhlich, ernst-haft und fürsorglich verbracht werdenkonnten. Ich denke hier an viele Kleinig-keiten, die solch ein Zusammensein er-möglichen und bereichern: die Weitergabevon Skifahrtipps, die Massage einer nacheinem Sturz gezerrten Schulter, das Schauennach und spielerisch Beschäftigen mit Kin-dern aus der Gruppe, das gemeinsame Su-chen nach einem verlorenen Schlüssel, diemitgebrachten Snacks und Weine für dieGruppenabende, die Gitarren und Skiha-senlieder, die bayerischen Gute-Nacht-Lie-der mit Übersetzung, das sich Einlassen aufunterschiedliche Begegnungen. Die Stärkedieser Gruppenfreizeiten sehe ich in demintegrativen, respektvollen und wohlwol-lenden Umgang miteinander, sodass Ge-meinschaft aus unterschiedlichen Menschenunterschiedlichen Alters von 9 bis 67 Jah-ren, unterschiedlicher Berufe und thera-peutischer Fachrichtungen auch mit allen,die neu dabei sind, entstehen kann undauch Platz für Rückzug und Eigenständig-keit bleibt. ___

Skihasen stellen neuen Rekord aufAbfahrten mit 80 Stundenkilometern,Sternschnuppen und abendlicher Fachaustausch begeisterten die Genießer der diesjährigen Golm-Fahrt

Von Birgit Leibold

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AUSBLICK AUF DAS NÄCHSTE HEFTDie Psychotherapie ist in der Medizin einerecht junge Disziplin. Welche gesellschaft-lichen und fachlichen Konstellationen undHintergründe haben zu dieser späten Ge-burt geführt? Und da es davor auch schonEntwicklungen gab, die von der neu ent-standenen Disziplin aufgegriffen undweiterentwickelt wurden – sei es in derPhilosophie, in der Pädagogik, in verschie-denen Richtungen der ärztlichen Heilkunde–, macht es Sinn, sich mit den historischenKontexten, Wurzeln, Grundlagen heutigenPsychotherapie-Verständnisses und heuti-ger Psychotherapie-Praxis zu befassen.

Dieser große Bogen kann nicht in einerschmalen Magazinausgabe befriedigend ab-gegriffen werden: Deshalb soll im kom-menden Heft ein erster Einstieg in diesesweite Feld versucht werden. Hintergründeund Kontexte können helfen, die gegen-wärtige Pragmatik unter diesen besonde-ren Gesichtswinkeln zu betrachten und da-bei Verkürzungen im Selbstverständnis undim täglichen Tun zu hinterfragen, aber auchSinnzusammenhänge für die eigene Veror-tung zu finden.

Meinung · Wissen · Nachrichten

Das Magazin des Bundesverbandes der Vertragspsychotherapeuten e.V.

ProjektPsychotherapie02/2011

M A R K T P L AT Z

Praxisabgabe in Heidelberg (PP/TP/Erw.)Halber Praxisanteil von gut eingeführterPraxis abzugeben, KV-Teilzulassung möglich.Email: [email protected]

Praxisabgabe, südl. Rhein-Main-Gebiet,gut eingeführte Praxis(Erw., TP), ggf. mit Räumen, abzugeben.Tel.: 0176-45386408;Email: [email protected]

Großraum Freiburg:Psychologischer Psychotherapeut (VT)sucht Stelle,angestellt oder Mitarbeit in Praxis.Details zum beruflichen Hintergrund siehe bitte:http://www.psychotherapie-schlafer.de/[email protected],089/57088061 (AB)

Ihre Kleinanzeige auf dem Marktplatzin Projekt Psychotherapie Bis 250 Zeichen 40,- Euro

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oder per Fax an: 030/398 351 88-5

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ProjektPsychotherapie

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V E R A N S TA LT U N G E N

Autoren: Franz Caspar, Birgit Clever, Heike Dittmar,Jürgen Doebert, Thomas Fydrich, Bernd Hontschik,Frank Horzetzky, Martin Kremser, Birgit Leibold,Helga Planz, Winfried Rief, Ariadne Sartorius,Tilo Silwedel, Ulrich Stangier

Verlag: Medienanker Marketing & Kommunikation e.K.

Linienstraße 106, 10115 BerlinFon: 030.39 835 188-0 · Fax: 030.39 835 188-5

Textchef: Britta PeperkornProjektleitung: Nicole SuchierArtdirektion: Le Sprenger, Stefanie Herrmann

Anzeigen: [email protected] gilt die Anzeigenpreisliste vom 01.01.2008

ISSN: 1683-5328Einzelverkaufspreis/Schutzgebühr 9,80 Euro

Periodizität: Quartal

Copyright: Alle Reche vorbehalten.Zitate nur mit Quellenangabe. Nachdruck nur mit Genehmigung der Redaktion.Namentlich gekennzeichnete Artikel gebennicht unbedingt die Meinung des Herausge-bers oder der Redaktion wieder. Bei Einsen-dungen von Manuskripten wird, sofern nichtanders vermerkt, das Einverständnis zur Veröffentlichung vorausgesetzt.

I M P R E S S U M

Projekt Psychotherapie, das bvvp-Magazin

Herausgeber: Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten (bvvp) e.V.Schwimmbadstr. 22 · 79100 Freiburg Tel.: 0761/79 102 45 · Fax: 0761/79 102 [email protected] · www.bvvp.de

Redaktionsleitung: Martin Klett (ViSdP)

Redaktion: Birgit Clever, Rüdiger Hagelberg

Verantwortlich für den Schwerpunkt:Ariadne Sartorius und Tilo Silwedel

VERANSTALTUNGEN 2011

27.-29. Mai Psyche und Körper – Konzepte in Ost und WestEin Kongress der Deutsch-ChinesischenAkademie für Psychotherapie e.V.www.dcap.deOrt: Pädagogische Hochschule Heidelberg

2.-3. September Bodenseedialoge 2011: Vom Umgang mitTragödien in der SchwangerschaftDie interdisziplinäre 4-Länder-Fach-tagung für einen fachübergreifendenAustausch. www.bodenseedialoge.li Ort: Festspielhaus Bregenz (Ö)

10.-14. September BedürfnisnischenErfurter Psychotherapiewoche mit methodisch-fachbezogenen Vorlesungen,Seminaren und Kursen, zugeschnitten aufÄrzte, Psychologen und klinisch tätigeTherapeuten. Weitere Informationen unter www.psychotherapie-woche.deOrt: Erfurt

25.-26. November jeweils 15-21 UhrQualitätsmanagementsystem QEP fürPsychotherapeutenVeranstaltung mit Peter Baumgartnerund Martin Klett. www.bvvp.de/vvps/Ort: KV Baden-Württemberg,Sundgauallee 27, 79114 Freiburg

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DIE WEBSITE ZUM BUCH: WWW.PSYCHOTHERAPEUT-JETZT.DEDeutscher Psychologen Verlag GmbH · Am Köllnischen Park 2 · 10179 Berlin · Tel. 030 - 209 166 410 · Fax 030 - 209 166 413 · [email protected]

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Wissenswertes zu Approbation und Berufspraxis

NEU

„Jetzt bin ich Psychotherapeut“ bezieht sich im Wesentlichen auf die Zeit nach erfolgreichem

Abschluss der staatlichen Prüfung zum Psychologischen Psychotherapeuten. Das Buch liefert

neben Informationen zum rechtlichen Hintergrund der beruflichen Tätigkeit zahlreiche Tipps und

Hinweise zu ganz konkreten Aufgaben, welche vor Ihnen liegen, wenn Sie Ihr Abschlusszeugnis

in den Händen halten und beabsichtigen, Ihre Tätigkeit als Psychotherapeut aufzunehmen.

Damit unterstützt das Buch vor allem Neu-Approbierte bei ihrem Berufsanfang. Antworten in

Bezug auf rechtliche und materielle Sicherheit liefert es aber auch dem bereits erfahrenen Psycho-

therapeuten. Und auch Psychologiestudierende, die sich einen Überblick über die Berufspraxis

als Psychotherapeut verschaffen möchten, werden das Buch mit Gewinn lesen.

Aus dem Inhalt: VPP im BDP e.V. (Hrsg.) Marcus Rautenberg

Jetzt bin ich PsychotherapeutWissenswertes zu Approbationund Berufspraxis2011, 126 Seiten, Broschur, mit Zusatzmaterial zum Download, ISBN 978-3-942761-01-7, 19,80 EUR,

Die Approbation: Wie bekomme ich sie – was • bedeutet sie?Konsequenzen, die sich aus der Approbation ergeben • Die Mitgliedschaft in der Psychotherapeutenkammer • Die Rahmenbedingungen der berufl ichen Tätigkeit • Die vertragsärztliche Versorgung•

Spezielle Kostenträger und • LeistungsartenDie Tätigkeit in einer eigenen Praxis• Arbeitsabläufe strukturieren – die • Praxis organisierenu.v.m.•

Zu beziehen über den Buchhandel oder direkt beim Verlag:

Zielgruppengenau werben in Projekt Psychotherapie

Fordern Sie Mediadaten an:[email protected]

oder rufen Sie uns an:030/398 351 88-0

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