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Gesundes Arbeiten in der Wissensökonomie Analysen – Konzepte – Standpunkte „schnell und schlank“ præview – Eine neue Zeitschrift stellt sich vor Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention 10,- Euro | ISSN 2190-0485 Nr.1 | 2010

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Gesundes Arbeiten in der WissensökonomieAnalysen – Konzepte – Standpunkte

„schnell und schlank“ præview – Eine neue Zeitschrift stellt sich vor

Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention 10,- Euro | ISSN 2190-0485 Nr.1 | 2010

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5. Kurze Beiträge: Die Arti-kel sollen schnell zum Punktkommen und Ergebnisse oderIdeen pointieren. Nicht diekomplizierte Analyse, sonderndie Botschaft an die Commu-nity und an die Praxis stehtim Vordergrund.

6. Schwerpunkthefte sollen als Plattform für Projekttransferdienen. Das heißt, Verbundprojekte und Fokusgruppen könnenganze Ausgaben schwerpunktmäßig gestalten und für den Pro-jekttransfer nutzen.

7. Kolumnen schaffen Raum für Beiträge vielfältiger Art: For-schungsergebnisse und Forschungsbedarfe, Trends, Kurzberichte,Praxisbeispiele, Kommentare und „Provokationen“.

8. „Schnell und schlank“ soll die Zeitschrift sein. Deshalb wirdauf ein langwieriges formales Review verzichtet. Das Risiko von„Fehlgriffen“ tragen wir als Redaktion gern, wenn wir die Diskus-sion um innovative Arbeitsgestaltung und Prävention beschleu-nigen können!

Die neue Zeitschrift præview: Zeitschrift für innovative Arbeits-gestaltung und Prävention versteht sich als nachhaltige Umset-zung eines Transferkonzeptes, das der Projektträger Arbeitsge-staltung und Dienstleistungen und das BMBF seit längerem vonVerbundprojekten, Fokusgruppen und Förderschwerpunkten for-dert. Sie zielt nicht auf den kommerziellen Erfolg, sondern bieteteinzelnen Autoren und praxisorientierten Forschungsprojektenim Bereich der präventiven und gesundheitsförderlichen Arbeits-gestaltung eine Plattform, die es bislang so nicht gab.

Dabei ist der Titel præview Programm: Es geht um den Blick nachvorn, um Zukunftskonzepte und Innovation!

Dortmund, im März 2010

Rüdiger Klatt Herausgeber

3præview Nr.1 | 20102

editorial

præview, die neue Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltungund Prävention soll diese Zielstellung des Projektträgers nunprofessionell, innovativ und vor allem dauerhaft verfolgen. DieZeitschrift wendet sich auf der einen Seite an das Netzwerk derArbeitsforscher und auf der anderen Seite an Praktiker im erwei-terten Themenfeld des präventiven Arbeits- und Gesundheits-schutzes.

Durch schnelle Veröffentlichung auch von Zwischenergebnissen,Ideen und Meinungen soll der Austausch zwischen den Wissen-schaftlern, aber auch zwischen Wissenschaft und Praxis geför-dert werden. Die Forschungscommunity erhält so die oft ge-forderte Plattform zur Vernetzung. Die Zeitschrift soll aber ebennicht nur akademischen Austausch unterstützen, sondern durchInhalte und Aufmachung interessierte Praktiker ansprechen.Wichtig bei der Konzeption dieser neuen Zeitschrift waren füruns vor allem folgende Unterscheidungsmerkmale zu anderenPublikationen:

1. Zukunftsorientierung: Die Beiträge sollen möglichst innova-tive Ideen bringen (die durchaus noch nicht wissenschaftlich aus-gereift sein müssen) und Probleme der Zukunft beschreiben.

2. Schnelligkeit: Die Zeitschrift soll ermöglichen, Zwischener-gebnisse, Konzepte und Ideen zu veröffentlichen, bevor sie „kalt“geworden sind. Damit wollen wir erreichen, dass gute oder kon-troverse Ideen mit allen Risiken des Irrtums Forschung und Praxisschnell erreichen.

3. Kontroversität: Die Zeitschrift soll bewusst nicht nur die Mei-nung des Herausgebers vertreten, sondern Diskussionen anregen.Sie ist daher offen für Vielfalt von Standpunkten und Ideen –„provokante“ Beiträge werden nicht nur zugelassen, sondernsind erwünscht.

4. Mittleres Sprachniveau: Nicht nur die Forschungscommunity,sondern auch die Praxis sollen die Artikel unmittelbar verstehenkönnen.

Wir, die Arbeitsforscher aus dem Kontext des BMBF-Förder-schwerpunktes „Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz“,die in der Fokusgruppe „Innovationsstrategie und Gesundheit“organisiert sind, hatten eigentlich nur vor, eine praxisorientierteBroschüre zu unseren Forschungsergebnissen herauszugeben.Im Redaktionsteam dieser Broschüre kam irgendwann die Frageauf: „Warum machen wir denn nicht gleich eine neue Zeitschriftzum Thema?“ Nach einer gewissen Phase des Nachdenkens wardie Meinung aller Beteiligten: „Ja, warum eigentlich nicht?“

Denn in der Tat, innovative Ansätze modernerArbeitsgestaltung und Prävention zu publizieren

und dies „schnell und schlank“, eben das, was dieursprünglich geplante Broschüre in einem singulären

Akt leisten sollte, dazu fehlte in der „Szene“ ein ent-sprechendes Organ, das unseren Vorstellungen entsprach.

Es gibt im Bereich Prävention und Arbeitsgestaltung natürlichwissenschaftlich orientierte Fachzeitschriften, journalistischeZeitschriften für den Massenmarkt und dazwischen die Publi-kationen von Krankenkassen und Berufsgenossenschaften, dieaber stark „rezept“- und handlungsorientiert sind. Eine populäreZeitschrift für praxisorientierte Forscher und forschungsorien-tierte Praktiker gab es – aus unserer Sicht – bislang nicht.

Diese Lücke kennen auch Projektträger und BMBF. In allen För-derschwerpunkten wird deshalb versucht, diese Lücke mit derHerausgabe von „Broschüren mit mittlerem Sprachniveau“ zuschließen. Und so geben die meisten Förderschwerpunkte eigeneBroschüren heraus und die Projekte und Fokusgruppen werdengebeten, ihre Ergebnisse auch in Broschürenform zu erstellen.

„Schnell und schlank“præview – Eine neue Zeitschrift stellt sich vor

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inhalt

præview Nr.1 | 2010

02 editorial

06 præview

07 einleitung

08 itg

10 präwin

12 gemnet

14 präkonet

16 pragdis

18 mantra

20 dælphi

22 prævokation

23 impressum

„Schnell und schlank“præview – Eine neue Zeitschrift stellt sich vor

Rüdiger Klatt

GrußwortIlona Kopp, Projektträger im DLR

Arbeitsgestaltung und Dienstleistungen

Prävention – Motor für Innovationen in der WissensökonomieDie Fokusgruppe „Innovationsstrategie und Gesundheit“

Guido Becke, Rüdiger Klatt, Burkhard Schmidt, Brigitte Stieler-Lorenz, Hans Uske

Immer „Erste Liga“ – Welche Leistung ist eigentlich „normal“?Hans Uske, Ursula Kreft, Elisabeth Meyer

Gesundheitsrisiko und InnovationsbremseLeistungskulturen in der Wissensökonomie

Guido Becke, Peter Bleses, Miriam Behrens, Sandra Schmidt

Ganzheitliches strategisches betriebliches GesundheitsmanagementInnovative Instrumente zur zielgerichteten Steuerung sind gefordert

Burkhard Schmidt, Anja Höcke, Anja Borowczak, Michael Kastner

Balance verloren? Disbalancen zwischen Belastung und Beanspruchung

behindern die Innovationskraft von Wissensarbeitern – Wege zur Wiederherstellung einer Balance

Brigitte Stieler-Lorenz, Carolina Lautenbach

Burnout in der WissensökonomieDie IT-Branche verliert ihre Leistungsträger

Dagmar Siebecke

Innovationen werden von Menschen gemachtDie Bedeutung des präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutzes

für den High-Tech-Standort DeutschlandArno Georg

Mit einer Stimme: Der Aachener ImpulsUrsula Bach

Die vernachlässigte KlientelPräventionsstrategien für den Mainstream von morgen

Kurt-Georg Ciesinger

Gesundes Arbeiten in der WissensökonomieAnalysen – Konzepte – Standpunkte

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einleitung

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zentrale Treiber für die Innovationsfähigkeit amStandort Deutschland insgesamt – erhalten undgefördert werden kann. Die hier versammeltenBeiträge dokumentieren die Zwischenergebnis-se der Verbundprojekte unter der Fragestellung:Was können die kleinen und mittelständischenUnternehmen tun, um die Gesundheit ihrer Mit-arbeiter/innen und damit die Innovationsfähig-keit ihrer Unternehmen nachhaltig zu erhaltenund zu fördern?In der IT-basierten Wissensökonomie wurden inder Vergangenheit gesundheitliche Gefährdun-gen von Beschäftigten und Alleinselbstständi-gen weitgehend ausgeblendet, stand doch eineausreichende Anzahl junger, leistungsfähigerund offenbar belastungsresistenter hoch quali-fizierter Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt zurVerfügung. Inzwischen macht der demografi-sche Wandel auch vor der Wissensökonomienicht halt. In der IT-Branche ist bereits teilweiseein Fachkräftemangel zu verzeichnen. Der Be-darf an hoch qualifizierten Mitarbeitenden kannzukünftig kaum noch über den ständigen Zu-gang genügend neuer junger Mitarbeiter/innenabgedeckt werden. Vielmehr kommt es darauf an,durch präventive gesundheitsförderliche Maß-nahmen die Innovationskraft von IT-Beschäf-tigten und Freelancern in einer langfristigenLebenslaufperspektive zu erhalten. Vor diesemHintergrund wird gesundheitliche Präventioneinerseits zu einem strategisch bedeutsamenSchlüsselfaktor für den längerfristigen Erhalt derInnovationsfähigkeit von IT-Unternehmen. An-dererseits sind Präventionsmaßnahmen unver-zichtbar, um das kreative Arbeitsvermögen imEigeninteresse von Beschäftigten und Allein-selbständigen möglichst langfristig zu erhalten. Kleine und mittlere Unternehmen der Wissens-ökonomie befinden sich oft in einem durch kurz-fristige ökonomische Renditeerwägungen ge-prägten, hart umkämpften Wettbewerbsmarkt.Prävention verlangt dagegen, ihre Zukunfts-fähigkeit durch eine längerfristige strategischePerspektive zu sichern. Die Verbundvorhabender Fokusgruppe „Innovationsstrategie undGesundheit“ stellen sich der Herausforderung,empiriegestützte Gestaltungskonzepte zur Prä-vention in der Wissensökonomie zu entwickeln,in Unternehmen und auf Branchenebene zuerproben und zu transferieren. Hierzu werden in den folgenden Beiträgen die-ses Schwerpunktheftes wichtige vorläufige Be-funde und darauf bezogene präventionsorien-

Die IT- und Softwarebranche gilt als Leitbran-che für die Arbeitswelt der Zukunft. Mit etwa400.000 Beschäftigten in vorwiegend kleinenund mittleren Unternehmen ist sie auch eineder Schlüsselbranchen für die Innovationskraftdes Wirtschaftsstandortes Deutschland. DieInnovations- und Wettbewerbsfähigkeit der IT-Branche droht durch Stress, erhöhte Arbeits-anforderungen, Entgrenzungs- und Individua-lisierungstendenzen sowie durch zunehmendeUnsicherheit Schaden zu erleiden. WirksameStrategien zur Gestaltung präventiver, innova-tionsförderlicher Arbeit in der IT-Branche sindderzeit noch Mangelware.Innovationen bezeichnen die Eröffnung neuerHandlungsräume durch Neuerungen in techni-scher, ökonomischer und sozial-organisatori-scher Hinsicht. Im Zentrum der IT-basiertenWissensökonomie stehen die Entwicklung undder Verkauf informationstechnologischer Inno-vationen bzw. IT-Dienstleistungen. Die Fähig-keit Innovationen in schneller Folge entwickelnund betrieblich wie auch am Markt umsetzenzu können, ist gerade in IT-Unternehmen einewichtige Voraussetzung für ihre Wettbewerbs-fähigkeit. Unabhängig von ihrem Typ setzen In-novationen leistungsfähige, leistungsbereite,kreative und hoch qualifizierte Mitarbeitendevoraus. Eine wesentliche Gefährdung der Inno-vationsfähigkeit von Unternehmen stellen des-halb anhaltende gesundheitliche Belastungender Mitarbeitenden dar: Sie mindern die Leis-tungsfähigkeit, Leistungsbereitschaft und Krea-tivität der Mitarbeitenden und können sich des-halb als eine „Innovationsbremse“ auswirken.Jüngere Studien von Krankenkassen und Berufs-verbänden belegen, dass die gesundheitlichenBelastungen in der IT-basierten Wissensarbeitausgesprochen hoch sind. Insbesondere psychi-sche Belastungen durch anhaltenden Stressaufgrund problematischer Arbeitssituationenführen demnach zu einem starken Anstiegphysischer und psychischer Folgeerkrankungen.Das Bundesministerium für Bildung und For-schung hat deshalb im Rahmen des Förder-schwerpunktes „Innovationsstrategien jenseitstraditionellen Managements“ die Fokusgruppe„Innovationsstrategie und Gesundheit“ einge-richtet, die sich mit der Erforschung der Auswir-kungen gesundheitlicher Belastungen auf dieInnovationsfähigkeit der IT-Branche beschäf-tigt. Fünf Forschungsverbünde fragen danach,wie die Innovationskraft der Branche – auch als

tierte Gestaltungsansätze aus den Verbundvor-haben der Fokusgruppe skizziert.Um es vorweg zu nehmen: Die Projekte der Fo-kusgruppe „Innovationsstrategie und Gesund-heit“ konstatieren den Verlust an Innovations-kraft einer Schlüsselbranche der Wissensökonomiedurch individualisierte, flexible Wissensarbeit. Zentrales Ergebnis ist, dass in der modernenWissensarbeit psychische Erschöpfung bis hinzum Burnout bei den Leistungsträgern zu einerzentralen Innovationsbremse geworden sind.Die Form der Arbeit führt dabei zu psychischenBelastungen bei Festangestellten wie bei Free-lancern. Sie geht einher mit der Individualisie-rung und Normalisierung von Gesundheitspro-blemen. Folge ist ein schleichender Verlust anInnovationskraft der „Digitalen Bohème“, dersich in Zukunft durch den demografischenWandel dramatisiert. Mit dem Risikoanstieg imBereich psychischer Gesundheit von Wissens-arbeitern korrespondiert ein fast vollständigesFehlen adäquater, sozial und ökonomisch trag-fähiger Strukturen zur betrieblichen oder be-triebsunabhängigen Prävention und Gesund-heitsförderung.Erforderlich ist deshalb eine präventive Arbeits-gestaltung in der Wissensökonomie, die mitBlick auf die Vielfalt der Arbeitsformen und-verhältnisse in der Wissensökonomie diffe-renzierte Präventionsansätze für Freelancer,kleinere, mittlere und große Unternehmensowie betriebsunabhängige Strukturen undNetzwerke vorsehen muss. Dazu sind in denProjekten der Fokusgruppe bereits konkreteund in betrieblicher Erprobung stehende Mo-delle und Instrumente entwickelt worden, diein den folgenden Beiträgen vorgestellt werden.

Projekte der Fokusgruppe „Innovationsstrategie und Gesundheit“GemNet – Vernetzung und strategischeSteuerung des betrieblichen Gesundheits-managements (www.gemnet.de)ITG – Präventiver Gesundheitsschutz in derIT-Branche (www.it-gesundheit.de)PräKoNeT – Entwicklung von Präventions-kompetenz in ITK-Unternehmen durch gezielteVernetzung der Akteure (www.praekonet.de)PRÄWIN – Prävention in der Wissens-ökonomie (www.praewin.de)pragdis – Präventiver Arbeits- und Gesund-heitsschutz in diskontinuierlichen Erwerbs-verläufen (www.pragdis.de)

Prävention – Motor für Innovationen in der WissensökonomieDie Fokusgruppe „Innovationsstrategie und Gesundheit“Guido Becke, Rüdiger Klatt, Burkhard Schmidt, Brigitte Stieler-Lorenz, Hans Uske

Grußwort

Der Fokusgruppe „Innovationsstrategie undGesundheit“ ist es mit der hier vorgelegtenersten Ausgabe einer neuen Zeitschrift für in-novative Arbeitsgestaltung und Prävention:præview darüber hinaus gelungen, in demwichtigen Themenfeld gemeinsam einen nach-haltigen Beitrag für den Transfer wissenschaft-licher Erkenntnisse in die Praxis zu leisten, demhoffentlich noch viele Ausgaben folgen werden.Besonders freut uns, dass wir mit Mitteln der For-schungsförderung einen wesentlichen Beitragzum Anstoß dieses Projektes geben konnten.Nicht zuletzt mit diesem Zeitschriften-Projekthat die Fokusgruppe die Intentionen des BMBFzur Bündelung und Vernetzung von Verbund-projekten und zur Ausschöpfung von Syner-gien zwischen einzelnen Forschungsprojektenmehr als erfüllt. Den „Machern“ dieser Zeitschriftaus der Fokusgruppe „Innovationsstrategie undGesundheit“ gebührt auch deshalb unser Dank.

Ilona KoppProjektträger im DLRArbeitsgestaltung und Dienstleistungen

Die vielfältigen, häufig beschriebenen, struktu-rellen Veränderungen in Wirtschaft und Ge-sellschaft prägen die moderne Arbeitsweltheute und in Zukunft. Der Schlüssel zur Be-wältigung der immensen Herausforderungenliegt in der Entwicklung von Innovationsfähig-keit – sowohl für Individuen wie für Organisa-tionen. Deshalb stellt das Bundesministeriumfür Bildung und Forschung die Entwicklung vonInnovationsfähigkeit in den Mittelpunkt sei-nes Forschungs- und Entwicklungsprogramms„Arbeiten – Lernen – Kompetenzen entwickeln.Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeits-welt“. Dieses Programm untersucht Innovati-onsprozesse aus der Perspektive der Personal-,Organisations- und Kompetenzentwicklungund will Modelle erarbeiten, erproben und in diebetriebliche Praxis transferieren. Die immenseBedeutung, die einem präventiven Arbeits-und Gesundheitsschutz bei der Stärkung derWettbewerbsfähigkeit und der Erhöhung derInnovationsfähigkeit heute zukommt, findetihren Ausdruck darin, dass das BMBF in demneuen FuE-Programm einen eigenen Förder-schwerpunkt „Präventiver Arbeits- und Gesund-heitsschutz“ eingerichtet hat. Damit möchtedas BMBF dazu beitragen, neue Impulse für dieEntwicklung guter Arbeitsbedingungen zu set-zen, die die Innovations- und Wettbewerbsfä-higkeit in den Unternehmen steigert. Beson-ders in den wissensintensiven Unternehmender IT-Branche – als einer Leitbranche nicht nurfür die High-Tech-Unternehmen – kommt derPrävention im Arbeits- und Gesundheitsschutzund der betrieblichen Gesundheitsförderungeine besondere Bedeutung zu. Darum haben sich die fünf vom BMBF geför-derten und mit Mitteln des ESF kofinanziertenVerbundprojekte, die in der Fokusgruppe „In-novationsstrategie und Gesundheit“ gebündeltwurden, besonders verdient gemacht. Ausdruckdessen sind die hier präsentierten hoch relevan-ten Forschungsergebnisse über neuartige Belas-tungen und Beanspruchungen von Beschäftig-ten in der IT-Branche sowie die in der betrieb-lichen Praxis erprobten neuen Instrumente derPrävention und Gesundheitsförderung.

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Im betrieblichen Kontext besteht allerdingsimmer die Gefahr, dass Prävention primär alsInstrument zur internen Regulation wahrge-nommen wird. Abweichungen von der betrieb-lichen Normalität stehen dann im Fokus: „Aus-ufernde“ Mehrarbeit in der Abteilung X, hoheWerte bei „Schlafstörungen“ und „Erschöpfung“im Team Y gelten als mögliche Felder für prä-ventive Maßnahmen. Das Team Z mit „durch-schnittlichen“ Werten bleibt unbeachtet. DerVersuch, eine salutogenetische Sichtweise imBereich des „psychischen Wohlbefindens“ zuvermitteln, stößt an Grenzen. Die Fixierung aufpathogene Faktoren, auf die Reparatur laten-ter oder manifester Schädigungen ist in denGesundheitsdiskurs ebenso fest eingeschriebenwie die Tendenz, psychische Belastung zu pri-vatisieren und Prävention an die Individuen zudelegieren. Das Angebot von Stressbewälti-gungstrainings allein darf aber keine Strategiebetrieblichen Gesundheitsschutzes werden.

KontaktDr. Hans Uske, Ursula KreftRhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung (RISP) e.V. an derUniversität [email protected]@uni-duisburg-essen.deElisabeth MeyerBerufsfortbildungswerk des DGB (bfw) [email protected]

Das Projekt „ITG – Präventiver Gesundheits-schutz in der IT-Branche“ (Förderkennzeichen01FM07001-02) entwickelt in Zusammenarbeitmit Partnern aus Unternehmen, Verbänden,Gewerkschaften und WeiterbildungsträgernInterventionsstrategien für einen präventivenGesundheitsschutz in der IT-Branche.www.it-gesundheit.de

9præview Nr.1 | 20108

itg

oder gar festgelegt: Was gestern Rekord odersehr gut war, kann heute Durchschnitt sein –und den Abstieg in die Amateurliga einleiten. Im modernen Leistungsdiskurs sind alle Posi-tionen auf der Leistungsskala – die Spitzenleis-tungen ebenso wie der Durchschnitt – einemständigen Floating unterworfen. Was in einerProfession als „Spitze“ oder „Mittelmaß“ gilt,muss ständig neu austariert werden, über Be-richte und Debatten in den Medien, im informel-len betrieblichen Austausch, im Alltag. Kannsich einer, der drei Projekte parallel bearbeitet,noch als „Leistungsträger“ verorten, wenn derKollege fünf bewältigt? Wo beginnt die Min-derleistung? Welche Leistung ist „normal“? Im modernen Leistungsdiskurs muss sich dasSubjekt immer wieder selbst bewerten undsich fragen: Leiste ich genug? Wo stehe ichjetzt auf der Leistungsskala? Wie im Sport giltauch in der Wissensarbeit statt fixer Leistungs-normen ein flexibles Leistungskontinuum, dastendenziell nach oben offen ist. Mit ausgefeil-ten Methoden (Equipment, Training, Dopingetc.) ist es anscheinend jederzeit möglich, frü-her erreichte Leistungsgrenzen immer wiederzu überschreiten. Das Subjekt in der Wissens-arbeit registriert zwar, wenn eine menschlicheBelastungsgrenze (körperlich und psychisch) er-reicht ist, aber diese Grenze ist nicht identischmit der im Diskurs vermittelten, gänzlich flexi-blen Leistungsgrenze. Die Kluft zwischen die-sen Grenzen konstruiert einen Raum des po-tenziellen Versagens vor sich selbst. Das Subjektim Leistungsdiskurs fürchtet daher weniger dieBewertung der anderen (Ausgrenzung aus derGruppe) als vielmehr die Selbst-Bewertung

und sucht daher nach Methoden zur Überwin-dung der Leistungskluft. Aus der regelmäßigen Selbst-Bewertung dereigenen Leistung ergibt sich die Aufforderungzur Selbst-Adjustierung. Wenn das Maß der„Spitzenleistung“ immer wieder neu im Diskursgefunden werden muss, fällt dem Subjekt dieAufgabe zu, sich fortlaufend selbst zu regulie-ren, sich an das neue Maß anzupassen, auseigenem Antrieb und in eigener Verantwor-tung. Eine Verschlechterung konkreter betrieb-licher Rahmenbedingungen wird daher nichtbekämpft, sondern als „Floating“ der Leistungs-grenze interpretiert und vom Subjekt aufge-fangen: Es geht immer noch was. Merkmaleder Wissensarbeit wie Selbstbestimmung undSelbstorganisation begründen in dieser Perspek-tive keinen individuellen Handlungsspielraum,sondern erscheinen als zentrale Elemente desmodernen Leistungsdiskurses, der Subjekte pro-duziert, die in hohem Maße zur Selbststeue-rung fähig sind.Der Diskurs setzt keine Leistungsnormen, son-dern bietet eine flexible Skala der beruflichenNormalität an, die das Subjekt nutzt, um seinenaktuellen Standort zu bestimmen und sich wennnötig immer wieder selbst zu regulieren, seineLeistung zu normalisieren. Aus der Perspektivedes Leistungsdiskurses sind die Verlängerungdes Arbeitstages oder Wochenendarbeit keineZumutungen, sondern im Gegenteil Geschenkean das Subjekt, besondere Formen frei verfüg-barer Zeit, die zum Ausgleich der persönlichenLeistungsbilanz genutzt werden. Der Betriebs-rat, der mit dem Tarifvertrag winkt, ist daherkein Befreier, sondern ein Räuber, der demWissensarbeiter ein Stück Freiheit nehmen will.

Wenn Innovationsfähigkeit als Schlüsselfaktorfür den künftigen wirtschaftlichen Erfolg be-griffen wird, kommt der IT-Branche als „Leit-branche“ eine besondere Bedeutung zu. Erhaltund Ausbau der Innovationsfähigkeit sind ge-bunden an Strategien der Bewältigung verän-derter Anforderungen an die Arbeit. Gerade inder IT-Branche sind neue Arbeitsformen mitneuen Anforderungen an einen präventivenGesundheitsschutz weit ausgeprägt. Die fol-genden Thesen beleuchten aus einer dis-kursanalytischen Perspektive die Schwierigkei-ten, bei den Akteuren eine Sensibilität für Prä-vention zu schaffen.

1. Leistungsdiskurs und Selbstregulationbilden die Grundlagen der Subjektivitätin der WissensarbeitMaßnahmen zur Gesundheitsprävention tref-fen in der Wissensarbeit auf ein ganzes Bündelvon Diskursen, die das Selbstbild der beteilig-ten Menschen, ihre Subjektivität beeinflussen.Besonders prägend sind Elemente aus dem ge-sellschaftlich stark akzeptierten „Leistungs-diskurs“, der z.B. in Medienberichten vermitteltwird, aber auch Unternehmenskulturen be-stimmt. Elemente dieses Diskurses liefern Vor-gaben für die Haltung der Individuen in vielenBereichen des Lebens, unter anderem im Sportund in der Arbeitswelt, aber auch für den Um-gang mit Gesundheit und Krankheit.Der Leistungsdiskurs fordert das Subjekt einer-seits dazu auf, sich immer wieder an „Spitzen-leistungen“ seiner Lebenswelt zu orientieren,also stets die „Erste Liga“, den „Rekord“ anzu-streben. The winner takes it all. Andererseits istder Pol der Spitzenleistung in diesem ständigenBenchmarking keineswegs eindeutig definiert

Immer „Erste Liga“ – Welche Leistung ist eigentlich „normal“?Hans Uske, Ursula Kreft, Elisabeth Meyer

2. Das Verhältnis von Leistungsdiskursund Gesundheitsdiskurs prägt denUmgang mit psychischer Belastung imBetriebAuf diese diskursive Formierung des Subjektstrifft aktuell eine über die Medien vermittelteDebatte zum wachsenden Anstieg psychischerund „psychosomatischer“ Erkrankungen bei Be-schäftigten. Die Debatte ist Teil eines anderen,ebenfalls breit akzeptierten Diskurses, des „Ge-sundheitsdiskurses“, der in den vergangenenJahrzehnten einige Wandlungen durchlaufenhat. Wichtige Stationen der Wandlung warendie Auflösung des strikten Entweder-Oder „ge-sund versus krank“ und die Etablierung der Kate-gorie „psychisches Wohlbefinden“. Beim Gesund-sein gibt es nun zahlreiche Abstufungen undVarianten („dem Alter und den Umständen ent-sprechend gesund“). Zwischen den Polen „mani-fest klinisch krank“ und „topfit“ erstreckt sich nunein breites Kontinuum gesundheitlicher Norma-lität, in dem sich das Subjekt verorten muss. In Bezug auf den Körper bietet der Diskurs eineReihe von Instrumenten und Praktiken an, mitdenen man seinen gesundheitlichen Status mes-sen und sich bei Bedarf selbständig regulierenkann. Dazu gehören z.B. die Berechnung desBody Mass Index, Ernährungsratschläge undRichtlinien zu Bewegung und Sport. Das Element der „Vorbeugung“ ist in Bezug aufden körperlichen Status zumindest so weitverbreitet, dass Beschäftigte meinen sich ent-schuldigen zu müssen, weil sie zurzeit keinenSport treiben. Maßnahmen zur individuellenkörperbezogenen Prävention erscheinen imDiskurs als Schutzschild gegen Krankheiten,

aber auch als Methode, um eine höhere Po-sition auf der Gesundheitsskala zu erreichen:„Früher habe ich 15 Kilometer geschafft, jetztlaufe ich schon 30.“ Beim „psychischen Wohlbefinden“ bewegtman sich in einem noch nicht hinreichend ge-klärten Feld. Zwar signalisiert der Diskurs auchhier ein fließendes Kontinuum psychischer Ge-sundheit, aber es gibt wenig Anhaltspunkte,mit deren Hilfe das Subjekt sein psychischesBefinden verorten und notfalls normalisierenkann. Dass der Amokläufer die Spannbreite desNoch-Normalen eindeutig verlassen hat, istKonsens. Welche psychische und psychosozia-le Belastung ein Beschäftigter normalerweisetolerieren muss, ohne dass seine Leistung sinkt,ist dagegen offen. Die Belastungsgrenzen derPsyche scheinen stark zu floaten, und die obli-gatorische Selbstbefragung des Subjekts – Binich noch normal, wenn ich mich jetzt überlas-tet fühle? – bleibt ohne klare Antwort. Gesuchtwird ein Äquivalent des Body Mass Index imBereich der Psyche.

3. „Burnout“ kann als Eintrittskarte indie Debatte zur Prävention dienenEbenso wichtig für die Produktion der „Psycheim Betrieb“ ist der aktuelle Boom des „Burnout“in den Medien. Anders als die „Depression“(assoziiert mit dunklen Bildern von Passivitätund Schwäche) verbindet sich „Burnout“ as-soziativ mit dem Leistungsdiskurs: „Nur werbrennt, kann ausbrennen.“ Die Metaphorik derhell leuchtenden Flamme verweist auf „Spitzen-leistungen“, auf die Leuchttürme der Leistungs-skala. Im Diskurs ist Burnout das Umkippeneiner Höchstleistung in einen klinischen Bereichaußerhalb der Leistungsskala. Die Konstruktionso genannter „Vorstufen des Burnout“ erlaubtes, die Abweichung von der Normalität zumessen und regulierend einzugreifen, bevorder Umkipp-Punkt erreicht ist. Burnout hatdamit gute Aussichten, zu einer Art Body MassIndex der Psyche zu werden. Damit steigt auchdie Chance, psychische Belastung im Betrieb zuthematisieren und Präventionsstrategien ak-zeptabel zu machen.

Dr. Hans Uske, Ursula Kreft, Elisabeth Meyer

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präwin

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deutet auch für KMU der Wissensökonomie,dass diese als zentrale Innovationsträger aus-fallen können. 4. Innovationsblockaden können in KMU ent-stehen, wenn von Seiten der Unternehmens-leitung die durch neue Lebensphasen geprägteVeränderung von Ansprüchen hoch qualifizier-ter Beschäftigter an eine stärkere Vereinbarkeitvon Erwerbsarbeit und privater Lebenssphärenicht anerkannt werden. Beschäftigte könnenauf eine solche Missachtung mit Rückzug undZurückhaltung ihrer kreativen und innovativenPotenziale reagieren. 5. Die Bereitschaft von Beschäftigten, sich mitihren subjektiven Leistungs- und Innovations-potenzialen in Unternehmen einzubringen,setzt voraus, dass sie von einem tendenziellenGleichgewicht des Gebens und Nehmens zwi-schen Unternehmensleitung und Beschäftig-ten ausgehen. Die verstärkte interne Markt-steuerung in Unternehmen der Wissensöko-nomie und Prozesse des Personalabbaus habendieses Reziprozitätsgleichgewicht in der Wahr-nehmung von Beschäftigten oft zugunsten desUnternehmens verschoben. Eine einseitig ge-störte Reziprozitätsbalance liegt in der Per-spektive von Beschäftigten beispielsweise vor,wenn die betrieblichen Bleibeperspektiven vonBeschäftigten durch Personalabbau, auch ananderer Stelle, verunsichert werden. Auch aninnerbetrieblichen Aufstieg gebundene Karriere-erwartungen von Beschäftigten werden im Fal-le einer indirekten Marktsteuerung und flachenHierarchien eher enttäuscht. Solche als gestörterlebten Reziprozitätsbalancen können aufSeiten von Beschäftigten in berufliche Gratifi-kationskrisen münden, welche die Gesundheitvon Beschäftigten und ihre Leistungs- bzw. In-novationsfähigkeit schädigen.6. In KMU der Wissensökonomie sind nebenhoch qualifizierten Angestellten auch angelern-te Beschäftigte tätig, die oft besonders belas-tende Standardaufgaben, z.B. im Bereich derÜberwachung von Website-Inhalten, wahr-nehmen. Zwischen diesen unterschiedlichenQualifikationsgruppen können sich in Betrie-ben gravierende Diskrepanzen in Bezug auf so-ziale Anerkennungsverhältnisse herausbilden,die intern die Entstehung von Anerkennungs-konflikten begünstigen. Solche Konflikte absor-bieren Handlungskapazitäten in Innovations-prozessen.

1. Erste Zwischenergebnisse des Projekts zei-gen, dass die Vorannahme großer gesundheit-licher, insbesondere psychischer Belastung derMitarbeitenden zutrifft. Insbesondere die Or-ganisation der Arbeit und Kooperationsbe-ziehungen sind Quellen großer Belastungen. Inkleinen und mittleren Unternehmen der Wis-sensökonomie existieren unterschiedliche Pro-fessionskulturen, die das Arbeitshandeln unddie Arbeitsorientierung von Beschäftigten inspezifischer Weise prägen. Die Interaktion un-terschiedlicher Professionen etwa im Rahmender Projektarbeit ist oft mit ausgeprägtem In-teraktionsstress verbunden, der zu einem früh-zeitigen Verschleiß gesundheitlicher Ressourcenbeitragen kann und sich sehr häufig in Koope-rationsblockaden und Problemen der Bewälti-gung von Arbeitsaufgaben auswirkt. Das ist be-sonders der Fall, wenn die Notwendigkeit derInteraktionsarbeit in Unternehmen in den Pla-nungen nicht berücksichtigt und daher nichtanerkannt wird. Kooperations- und Koordina-tionsprobleme erschweren kreatives Handeln,da durch sie Innovationspotenziale von Beschäf-tigten und Freelancern absorbiert werden. 2. In expandierenden bzw. volatilen KMU derWissensökonomie, in denen Arbeitsprozesse und-strukturen sowie Zuständigkeiten kaum ver-bindlich oder unzureichend geregelt sind, er-weisen sich solche Regelungslücken als psy-chische Belastungsquelle für Beschäftigte. Sieerschweren zudem die organisationsinterneHandlungskoordination und Transparenz zuLasten der betrieblichen Innovationsfähigkeit.3. Auch in KMU der Wissensökonomie sindFührungskräfte von zentraler Bedeutung fürden Innovationsprozess und arbeitsbezogenesGesundheitshandeln: Ihr Arbeitshandeln isthochgradig bedeutsam für die Koordinationvon Innovationsprozessen. Vor allem prägen sieVerhaltensstandards im Umgang mit gesund-heitlichen Belastungen im Arbeitsprozess undkönnen Belastungen von Beschäftigten undFreelancern an der Schnittstelle zu Kunden ab-puffern. Mittlere Führungskräfte sind in be-sonders hohem Maße psychischer Belastungausgesetzt, die oftmals gerade daraus resul-tiert, dass sie selbst die Mitarbeitenden vor zuhohen Belastungen abzuschirmen suchen.Entlastung der Einen wird hier durch eine Be-lastung der Anderen erkauft. Die gesundheit-liche Schädigung mittlerer Führungskräfte be-

Gesundheitsrisiko und InnovationsbremseLeistungskulturen in der WissensökonomieGuido Becke, Peter Bleses, Miriam Behrens, Sandra Schmidt

Die neuen betrieblichen Leistungskulturen las-sen es kaum zu, dass sich die Mitarbeitendengesundheitliche Gefährdungen und Einschrän-kungen selbst eingestehen und diese öffentlichmachen können; gesundheitliche Belastungenwerden vom Management, aber auch von Be-schäftigten oft normalisiert, tabuisiert und ge-leugnet. Unter diesen kulturellen Bedingungenwird befürchtet, dass sich eine betriebsöffent-liche Thematisierung negativ auf die eigeneberufliche Karriere auswirken könnte. Neuebetriebliche Leistungskulturen begünstigensolcherweise im Verein mit der internen Markt-steuerung von Unternehmen einen permanenthohen Grad psychischer Belastung, der einpsycho-physisches Ausbrennen von Mitarbei-tenden als Innovationsträger fördern kann.

Im Rahmen des Verbundprojektes PRÄWIN er-folgt eine partizipations- und dialogorientierteAnalyse neuer betrieblicher Leistungskulturenin drei intensiven Betriebsfallstudien der IT-basierten Wissensökonomie mit Blick auf ihregesundheitlichen Gefährdungen und saluto-genetischen Potenziale. Entgegen bisherigenBranchenbeschreibungen, denen zufolge ge-sundheitliche Prävention generell noch einFremdwort ist, zeigen die vorläufigen empiri-schen Befunde des Projektes erste verschiedeneAnsätze für organisatorische Aufmerksamkeitbis hin zu einem bewussten Umgang mit ge-sundheitlichen Belastungen. Gleichwohl lassensich folgende präventionsrelevante Problem-felder als „Innovationsbremsen“ identifizieren:

Neue betriebliche Leistungskulturen werden in der Wissensökonomie

oft als Rückgrat für Innovationsfähigkeit betrachtet. Sie können jedoch

auch als eine zentrale Innovationsbremse wirken. Das eigene Selbstbild

wie die Erwartungen des Managements setzen die Mitarbeitenden hoher,

insbesondere psychischer Belastung aus.

Das Projekt PRÄWIN verfolgt bei der Um-setzung der Gesundheitsförderung erstenseine „Huckepack-Strategie“: Da die KMU derWissensökonomie ohnehin mehr oder wenigerelaborierte Instrumente zur Steuerung der Ar-beit einsetzen, soll die Gesundheitsförderung –wenn sich ausreichend Ansatzpunkte bieten – indie bereits praktizierten Instrumente eingepasstwerden (z.B. Mitarbeitergespräche, Projekt-Reviews, Projekt- oder Abteilungsbesprechun-gen). Der dadurch ermöglichte vergleichsweisegeringere personelle und finanzielle Aufwandfür die Gesundheitsförderung in den KMU derWissensökonomie soll zugleich deren Akzep-tanz in den Unternehmen steigern und auchsolchen Unternehmen einen leichten und stufen-förmigen Einstieg bieten, die bislang vor Präven-tionsmaßnahmen zurückschreckten. Zweitenskann die Bildung innerbetrieblicher Dialogräu-me dazu beitragen, belastungsbedingte Innova-tionsblockaden zu reflektieren und Maßnahmengesundheitsförderlicher Arbeitsgestaltung zuentwickeln und umzusetzen.

KontaktPD Dr. Guido Becke artec I Forschungszentrum NachhaltigkeitUniversität [email protected]

Im Zentrum des Verbundprojekts „PRÄWIN –Prävention in Unternehmen der Wissensöko-nomie“ (Förderkennzeichen 01FM07010-13)steht die Entwicklung von Maßnahmen derGesundheitsförderung und nachhaltigerArbeitsqualität, die auf kleine und mittlereUnternehmen der IT- und Medienbranchezugeschnitten sind. www.praewin-projekt.de

Guido Becke, Sandra Schmidt,Peter Bleses, Miriam Behrens

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gemnet

angepasste Führungsstile, lebenslanges Lernenund Gesundheit zielgerichtet fördern, da sichAltersunterschiede hier bemerkbar machen.Auch die Inhalte des BGM sollten altersge-rechter auf die Fähigkeiten, Fertigkeiten undLebensbedingungen der Mitarbeiter im Unter-nehmen ausgerichtet sein, denn nur so lassensich nachhaltige Wirkungen zum Nutzen jedesEinzelnen und des gesamten Unternehmenserzielen. Hinzu kommt gerade für junge Leutedie Herausforderung, bis zum 67. Lebensjahrhöchst leistungsfähig zu bleiben. Das hierfürnotwendige Präventionswissen muss frühzei-tig vermittelt und aufrecht erhalten werden. Gerade im Bereich der Wissensarbeit zeigt sichimmer häufiger das Phänomen des „Downshif-ting“, d.h. junge, gut ausgebildete Mitarbeiter,die aufgrund ihrer Ausbildung und ihres her-vorragenden Wissenstandes Leistungsträgerihrer Unternehmen sind, fahren ihre Leistungenbewusst zurück und entziehen sich so bewusstden immer dynaxischer werdenden Arbeitsan-forderungen zugunsten ihrer persönlichenWork-Life-Balance und Gesundheit. Besonders problematisch ist der sog. „BrainDrain“, sprich dass gut ausgebildete, wertvolleWissensarbeiter ins Ausland abwandern auf-grund besserer Bedingungen. Die organisato-rischen Rahmenbedingungen erlangen hiermittlerweile mehr Bedeutung (Unternehmens-kultur Beispiel Google) als die (monetäre) Ent-lohnung. Personalpflege ist einer der zentralenFaktoren im „War for Talents“ geworden, ins-besondere in der Wissensarbeit.Solchen Herausforderungen muss sich ein in-novatives betriebliches Gesundheitsmanage-ment stellen, wenn es als strategischer Partnerder Unternehmensleitung fungieren möchte.Nur so kann gesundheitlichen Belastungen alsInnovationsbremse in Unternehmen nachhaltigentgegengewirkt werden. Bisher sind inner-betriebliche Gesundheitsinterventionen oft zupauschal („Gießkannenprinzip“) und zu wenignachhaltig angelegt. Zudem werden oft nurInsellösungen punktuell in engen Organisati-onsgrenzen umgesetzt, ohne die zahlreichenVernetzungen innerhalb der Organisation undmit anderen relevanten wichtigen Schnittstel-len zu berücksichtigen. Das Projekt GemNet ist bestrebt, mit seinenPraxispartnern aus verschiedensten Unterneh-mensbranchen ein ganzheitliches, strategisch

gemnet

platz verbraucht zunehmend stärker schützen-de Ressourcen und Puffer von Mitarbeitern.Um dem entgegen zu wirken, müssen im Rah-men des Betrieblichen Gesundheitsmanage-ments (BGM) Maßnahmen ergriffen werden,die die Resilienz, d.h. die psychische Wider-standsfähigkeit der Mitarbeiter, fördern sowieArbeitsbedingungen und Unternehmenskulturso verändern, dass der einzelne Mitarbeiter dendynaxischen Herausforderungen der heutigenArbeitswelt gewachsen ist. Die Organisationhat massiven Einfluss auf diese Prozesse durchorganisationale Puffer und Ressourcen (Füh-rungsverhalten, Handlungsspielräume, Gratifi-kation etc.), die diese Effekte abmildern können,aber das Umsetzungswissen ist meist nicht vor-handen. Für Unternehmen sind dies zentraleökonomische Faktoren, nicht nur aufgrund derKostenersparnisse durch Fehlzeitensenkung,sondern vor allem durch die Absicherung desLeistungspotenzials bzw. des Humankapitals. Gleiches gilt für den demografischen Wandel.Durch eine Erhöhung des Renteneintrittsalterseinerseits und einen massiven Rückgang neuerjunger Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt an-dererseits, auch im Bereich der Wissensarbeit,ergeben sich neue, spezifischere Herausforde-rungen für die Unternehmen der Zukunft. Die-se sollten weg von einer Politik des Ersetzens„Alt durch Jung“ hin zu einem produktivenMiteinander, bei dem ältere und jüngere Mit-arbeiter voneinander lernen und profitierenzum Nutzen aller. Durch gezielte Maßnahmenam Arbeitsplatz, die auf die Bedürfnisse ältererMitarbeiter eingehen, können diese dauerhaftgesund, motiviert und leistungsfähig bleiben. Um der Defizithypothese Älterer entgegenzu-wirken, muss das Age-Management besondersFaktoren wie adäquate Handlungsspielräume,

Ganzheitliches strategisches betriebliches GesundheitsmanagementInnovative Instrumente zur zielgerichteten Steuerung sind gefordertBurkhard Schmidt, Anja Höcke, Anja Borowczak, Michael Kastner

orientiertes BGM anhand des Instrumentseiner Gesundheits-Balanced-Scorecard umzu-setzen und zu evaluieren. In diesem Kontextsetzt das Projekt zusätzlich auf den strategi-schen Fokus der Vernetzung relevanter Akteuredes Gesundheitswesens, sowohl unterneh-mensintern als auch extern. Besonderes Au-genmerk liegt dabei auf einer synergetischenund ökonomisch sinnvollen Kooperation zwi-schen den Unternehmen und Kranken- undRentenversicherern. Dabei werden zunächst durch qualitative Ver-fahren (Interviews, Inhaltsanalysen) Stärkenund Schwächen der jeweiligen Unternehmens-kultur und -organisation, der Arbeitsplatzsitu-ation sowie der Personenfaktoren des Individu-ums, der Führungskräfte und der vorhandenenTeams erfragt. Ziel ist die Entwicklung einesgemeinsamen Ideals. Auf Grundlage der sichdaraus ergebenden Stärken-Schwächen-Pro-file erfolgt eine Gesamt-Mitarbeiterbefragungzum Ist-Zustand von gesundheitsförderlichenFaktoren auf den Ebenen der Person, der Situ-ation und der Organisation. Quantitative Me-thoden wie multifaktorielle Varianzanalysenund pfadanalytische Verfahren überprüfen imFolgenden Zusammenhänge und Ausprägun-gen und liefern empirisch überprüfte Ursache-Wirkungsmodelle zwischen Gesundheit undwirtschaftlichem Nutzen und Erfolg der Un-ternehmung. Benchmarks der Valuepartnerermöglichen Best-Practice Betrachtungen. Die sich ergebenden Diskrepanzen zwischenIdeal und Real werden in anschließenden Work-shops gemeinsam mit der Geschäftsleitungund den BGM-Verantwortlichen diskutiert, dieErgebnisse in eine Gesundheitsstrategie über-führt und darauf aufbauend Interventions-maßnahmen implementiert. Die Gesundheits-Balanced-Scorecard überprüft die Strategie-umsetzung und den Interventionserfolg. Nacheiner einjährigen Interventionsphase wird derErfolg dieser Maßnahmen durch eine erneuteBefragung aller Mitarbeiter evaluiert (Längs-schnittstudie).Das Projekt GemNet versucht mit seinem ge-nannten methodischen Vorgehen ein ganz-heitliches und nachhaltig wirksames betriebli-ches BGM in Unternehmen zu implementierenund dessen Wirksamkeit und Einfluss sowohlauf den einzelnen Mitarbeiter als auch auf denUnternehmenserfolg sichtbar zu machen. Da-

durch soll gezeigt werden, dass ein ganzheitli-ches betriebliches Gesundheitsmanagementals Bestandteil der Personalpflege keine Sozial-romantik, sondern ernste ökonomische Not-wendigkeit geworden ist. Viele große Unter-nehmen haben dies bereits verstanden und ar-beiten an der erfolgreichen Umsetzung. Damitdiese letztlich auch von nachhaltigem Erfolggekrönt wird, ist eine strategische Betrachtungder Thematik unerlässlich geworden.

KontaktBurkhard SchmidtTechnische Universität [email protected]

Diplom-Kaufmann Burkhard Schmidt istKoordinator des Projektes „GemNet – Vernet-zung und Steuerung des betrieblichen Gesund-heitsmanagements“ (Förderkennzeichen01FM07090-92) am Lehrstuhl für Organisa-tionspsychologie von Prof. Dr. Dr. MichaelKastner. Ein interdisziplinäres Team aus Arbeits-und Organisationspsychologen, Wirtschafts-und Sportwissenschaftlern entwickelt imRahmen dieses Projektes ein Gesamtkonzeptfür ein betriebliches Gesundheitsmanage-ment, dessen Ziel es ist, die Balance zwischenGesundheit und Leistung am Arbeitsplatz zuermöglichen und deren Auswirkungen aufunternehmerischen Erfolg zu zeigen.www.gemnet.de

Dabei kommt es nicht selten zu einem Ver-schwimmen der Grenzen zwischen Arbeits- undPrivatleben. Biologisch und neurologisch ist derMensch für diese Herausforderungen nicht „ge-baut“. Dadurch kann es bei fehlenden Bewälti-gungsstrategien und persönlichen Ressourcenzu psychischen Fehlbeanspruchungen kommen.Trotz zunehmender Freiheiten in Bezug auf Ar-beitszeitgestaltung und mehr Handlungsspiel-räumen kommt es immer häufiger vor, dass einstabiles Gleichgewicht zwischen Arbeits- undPrivatleben nicht mehr gegeben ist. Der Mangelan adäquater Work-Life-Balance und komplexeArbeitsanforderungen können zu vermehrtemDisstress und in der Folge zu Krankheit und einererhöhten Anzahl von AU-Tagen führen, wenndie psychische Widerstandskraft (Resilienz)fehlt.Wie verschiedene Studien und Berichte derKrankenkassen belegen, hat gerade die Anzahlpsychischer Erkrankungen in den letzten Jah-ren stark zugenommen. Vor allem psychoso-matische Erkrankungen, Angstzustände undBurnout sind Krankheiten, die im Arbeitsalltagmehr und mehr Einzug halten und nicht mehrnur Randerscheinungen in Form einiger „labi-ler“ Menschen im Arbeitsumfeld darstellen. Gesunde, leistungsfähige Mitarbeiter in gesun-den und leistungsstarken Organisationen müs-sen das Ziel von Personal- und Organisations-entwicklung in einem ganzheitlichen Konzeptsein. Die Zunahme der Dynaxität am Arbeits-

Vor dem Hintergrund einer globalisierten Welt werden

auch die Arbeitsbedingungen zunehmend dynaxischer, d.h.

die Komplexität der Aufgaben nimmt immer mehr zu und

gleichzeitig werden die Arbeitszyklen immer dynamischer.

Burkhard Schmidt

Prof. Dr. Dr. Michael Kastner

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damit in einem gesundheitsförderlichen Re-organisationsprozess der Unternehmen. Dieswird verbunden mit der Entwicklung und Ein-führung von neuen, auf die Wissensarbeit ab-gestimmten Maßnahmen und Instrumentender präventiven betrieblichen Gesundheitsför-derung, wie z.B. Gesundheitsinnovationsteamsoder BGF-Barometer.Die Wirksamkeit der Interventionen wird mitHilfe einer Vorher-Nachher-Messung ökono-misch bewertet. In einem – etwa drei Monatenach Abschluss der Intervention stattfinden-den – Nachhaltigkeitsworkshop wird die Veran-kerung der im Interventionsprozess entwickeltenMaßnahmen in der Unternehmensstrategieund im Alltag des Unternehmens erneut be-wertet. Das wird verbunden mit einer weiterenErhebung der ökonomischen Daten zur Wirk-samkeit der eingeführten Lösungen.Mit diesem Vorgehen wird die Erhaltung derBalance zwischen Belastung und Beanspruchungbei der Wissensarbeit ein fester Bestandteil derBGF in wissensbasierten Unternehmen.

KontaktProf. Dr. Brigitte Stieler-LorenzDipl.-Sozw. Carolina I. LautenbachCore Business Development GmbH – Institut für Produkt- und [email protected]

Zielstellung des BMBF-Projektes „PräKoNeT –Vorsprung durch gesunde Arbeit“ (Förder-kennzeichen 01FM07006-08) ist es, einen Bei-trag zur Aufdeckung der Ursachen und Zusam-menhänge der Entstehung von Disbalancenzwischen Belastung und Beanspruchung zuleisten. Darauf aufbauend werden, zusammenmit den in das Projekt einbezogenen ITK-Unternehmen, praktikable Vorgehensweisenzur Verhinderung und/oder Beseitigung dieserDisbalancen entwickelt und eingesetzt und inihrer Wirksamkeit bewertet.www.praekonet.de

1 Schnauffer, H.G., Stieler-Lorenz, B. & Peters, S. (Hrsg., 2004). Wissen vernetzen. Berlin: Springer.Keindl, K. & Stieler-Lorenz, B. (2005). Vom Erfahrungs-wissen zum Handeln: Die Kommunikationsmethode„Wissen durch Erfahrungsgeschichten“. In Reinmann, G. (Hrsg): Erfahrungswissen erzählbarmachen. Lengerich: Pabst Science Publishers.

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präkonet

præview Nr.1 | 201014

präkonet

Der Wandel der Arbeit beim Übergang zur Wissens-arbeit hat zu einer wesentlichen Veränderung derBelastungs-Beanspruchungssituation von Arbeit-nehmern wie Führungskräften geführt. Digitalisie-rung, Globalisierung und zunehmend leistungsori-entierte Ökonomisierung aller Prozesse in Wirtschaftund Gesellschaft determinieren diese Disbalancevon psychischer Belastung und Beanspruchung.Die Folgen dieser Disbalance zeigen sich u.a. ineiner Zunahme physio-psychischer Beeinträchti-gungen und Erkrankungen, verbunden mit einernachlassenden Leistungs-, Lern- und letztlich In-novationsfähigkeit der Wissensarbeiter. Im Extrem-fall führt dies zu einem „Ausbrennen“ bzw. „Burn-out“ der Betroffenen. Damit verlieren die Unter-nehmen Erfahrungswissen und somit Innovations-potenzial. Die Prozesse und Einflussfaktoren, die zu dieserwachsenden Disbalance zwischen Belastung undBeanspruchung in der Wissensarbeit führen, sindbisher zu wenig erforscht. Demzufolge sind dieentwickelten Maßnahmen für die Prävention die-ser Disbalancen für die Mitarbeiter in den Unter-nehmen der Wissensökonomie unzureichend. Dasist verbunden mit dem Fehlen einer der Wissens-ökonomie adäquaten betrieblichen Gesundheits-förderung. Somit können derzeit die negativen Wirkungendieser Disbalancen, insbesondere auch auf die In-novations- und Wettbewerbsfähigkeit der Unter-nehmen, nicht bzw. nur unzureichend verhindertwerden. Kern der Zielstellung des Projektes „Prä-KoNeT – Vorsprung durch gesunde Arbeit“ ist es,einen Beitrag zur Aufdeckung der Ursachen undZusammenhänge dieser Balance-Verschiebung zuleisten. Darauf aufbauend werden, zusammen mitden in das Projekt einbezogenen ITK-Unternehmen,praktikable Vorgehensweisen zur Verhinderung und/oder Beseitigung dieser Disbalancen entwickelt.

Thesen zu den Ursachen von DisbalancenIn den untersuchten Unternehmensprozessen derITK-Branche wird belegt, dass Disbalancen in denBelastungs-Beanspruchungssituationen folgendeUrsachen und negative Folgen für die Leistungs-fähigkeit der Wissensarbeiter und damit auf dieInnovationsprozesse der Unternehmen haben:

1. Der Widerspruch zwischen der wachsenden Kom-plexität der Arbeitsaufgaben und den begrenztenzeitlichen und materiellen Ausführungsbedingun-gen führt zu Überforderungssignalen, verbunden

mit psychischer Sättigung und psychischer Über-müdung bis hin zum Burnout. Die Reaktionen derMitarbeiter darauf reichen von der selbstorganisier-ten Ausdehnung der Arbeitszeit bis zur Resignation.Reduzierte Innovationsbereitschaft und sinkendesInteresse an der Übernahme neuer Aufgaben sinddie Folge.2. Das Spannungsverhältnis zwischen flexiblenKundenwünschen und eng fakturierten Leistungs-vorgaben der Führung haben Konflikte zur Folge –extern mit Kunden und intern mit der Führung –aber auch zwischen den Kollegen. Der Wunsch nachProfessionalität der Aufgabenerfüllung und hohenQualitätsansprüchen an die Arbeit kollidieren mitden begrenzten zeitlichen Budgets der Kalkulatio-nen.3. Das Missverhältnis zwischen den steigenden An-sprüchen der Arbeitgeber an das selbstständigeunternehmerische Handeln der Arbeitnehmereinerseits und deren begrenzten Entscheidungsbe-fugnissen und Ressourcen andererseits führen zueiner spezifischen Form der psychischen Überbe-anspruchung in der Wissensarbeit. Dafür wurde imVerlauf der Forschungsarbeit des Projektes „PräKo-NeT“ von den beteiligten Forschern der Begriff„Optionsstress“ gewählt. 4. Optionsstress entsteht, wenn Belastungen vor-liegen, denen der Mensch mit seinen persönlichenwie organisationalen und sozialen Ressourcennicht entsprechen kann. Folgende Belastungenführen daher zu Überbeanspruchungen:æ Mangelnde Transparenz im Wissen um die

Folgen der Prioritätensetzung bei der Realisie-rung von Arbeitsaufgaben bzw. den damit ver-bundenen Entscheidungen und/oder

æ wenn diese Entscheidungen unter hohem Zeit-druck erfolgen müssen und/oder

æ wenn die Entscheidungsbefugnisse für die Aus-wahl von Optionen in Verbindung mit denFolgen der Prioritätensetzung dafür nicht aus-reichen und/oder

æ wenn die Komplexität der Optionen zu groß ist.Die Folgen von Optionsstress sind Unsicherheiten,Verzögerungen und Fehler bei Entscheidungspro-zessen und im Arbeitshandeln überhaupt, die Kre-ativität und Innovationsbereitschaft behindern.5. Das System der permanenten Bewährung, demdie Arbeitnehmer in der hohen Dynamik der Ver-änderungen und im hohen Wettbewerbs-/Kosten-druck ausgesetzt sind, gerät in Widerspruch zu denzur Verfügung stehenden Lernzeiten innerhalb undaußerhalb der Arbeitszeit.

6. Dieser Widerspruch begrenzt die Aneignungund den Austausch neuen Wissens, was nega-tiven Einfluss für den Erhalt der Innovations-fähigkeit der Unternehmen hat. Die Folge istsinkender Know-how-Bestand durch zu gerin-gen Input von außen. Wissen wird nicht ge-teilt, dadurch wird die kollektive Intelligenz derTeams beeinträchtigt. Es besteht die Gefahrder Selbstreferenzialität, was die Innovations-fähigkeit der Unternehmen begrenzt.7. Arbeitsverdichtung und Ausdehnung derArbeitszeit widersprechen den Bedürfnissenund Erfordernissen der Mitarbeiter im Leben„außerhalb der betrieblichen Arbeit“. Damitverbunden sind zu geringe Erholungszeitenmit einer Abnahme der Erholungskompetenz.Zunehmende Erschöpfung und Konflikte in derBewältigung nicht unternehmensbezogenerAufgaben in der Familie und der Gesellschaftinsgesamt sind die Folgen. Überforderungser-leben und Stresssymptome führen zu sinkenderLeistungs- und Innovationsbereitschaft, auchin anderen gesellschaftlichen Bereichen (z.B.ehrenamtliche Tätigkeiten).

Nur wenn zwischen Belastungen und Ressour-cen – persönlichen wie externen – immer wie-der neu eine Balance hergestellt wird, kann derMensch ohne gesundheitlichen Schaden seineArbeits- und Innovationsfähigkeit unter dyna-mischen Bedingungen auf Dauer erhalten undweiter entwickeln. Der Mensch ist mit seinen derzeitigen biologi-schen, konstitutionellen, aber auch mit seinenqualifikatorischen und sozialen Voraussetzun-gen dem Tempo der hohen Dynamik der Verän-derungen in einer globalisierten, digitalisiertenWirtschaft und Gesellschaft (noch) nicht ge-wachsen. Zum anderen arbeiten und leben dieMenschen noch unter Bedingungen und Re-gularien, aber auch Erwartungen und Werte-systemen, wie sie weitgehend noch nicht derWissensgesellschaft entsprechen, sondern ausder Industriegesellschaft manifestiert sind. Diedamit verbundenen Disbalancen können indivi-duell nur sehr begrenzt bewältigt werden, auchwenn das gegenwärtig durch die vielfältigen„Selbst“-Anforderungen von den Arbeitnehmernverlangt wird. Das Ungleichgewicht zwischenBelastung und Beanspruchung muss auf allenEbenen, d.h. gesellschaftlich, betrieblich undindividuell nachhaltig überwunden werden.

Empirische Ergebnisse aus der Projekt-arbeit von „PräKoNeT“Auf der Ebene Unternehmen hat das Projekt„PräKoNeT“ innovative, erfolgreiche Gestal-tungsverfahren im Sinne einer gesundheits-förderlichen Reorganisation entwickelt. Sieermöglichen es, die Balance von Belastung undBeanspruchung im Arbeitsprozess als eineGrundvoraussetzung gesundheitsförderlicherArbeit nachhaltig zu realisieren. Diese Gestal-tungsergebnisse wurden durch die Entwick-lung und den Einsatz neuer Methoden für denUmgang mit Wissen erzielt. Es ist unabdingbar erforderlich, das subjektbe-zogene Erleben – also die Wahrnehmung derArbeitsbelastungen – zu erheben. Nur so kanndie inter- und intraindividuelle Beanspruchungder Mitarbeiter erhoben werden. Dazu sindpraktikable Vorgehensweisen zur Explizierungdes Erfahrungswissens im Umgang mit den Be-lastungen der Wissensarbeit sehr gut geeignet.Dafür hat sich die Entwicklung und der Einsatzvon Methoden der Wissenskommunikation1

bewährt, die in Teams der Interventionsunter-nehmen lösungsorientiert eingesetzt wurdenund werden. Die mit diesem methodischenVorgehen erfolgte Herausarbeitung des Erle-bens der Wahrnehmungen von Belastungs-Beanspruchungssituationen durch die Arbeit-nehmer ermöglicht die Überwindung vongemeinsam identifizierten Disbalancen vonBelastung und Beanspruchung und damit dieReduzierung psychischer Belastung. Das erfolgt in den Unternehmen in einem ziel-orientiert gestalteten Prozess eines Health-Factory-Zyklus über einen Zeitraum von neunMonaten. In den Health-Factory-Prozess sindauch die Führungskräfte durch einen feedback-orientierten Kommunikationsprozess einbezo-gen. Diese der Wissensarbeit entsprechendeneue Qualität der Intervention führt zugleichzur gemeinsamen Entwicklung von konkretenund sofort umsetzbaren Lösungswegen, umein gesundheitsförderliches Gleichgewicht vonBelastung und Beanspruchung in den Arbeits-prozessen der Teams/Unternehmen dauerhaftzu realisieren.Die Ergebnisse aus diesen Health Factorieswurden und werden in die Führungsarbeit in-tegriert und finden ihren Niederschlag in derGestaltung von gesundheitsförderlicher Kom-petenz- und Organisationsentwicklung und

Balance verloren? Disbalancen zwischen Belastung und Beanspruchung behindern die Innovations-kraft von Wissensarbeitern – Wege zur Wiederherstellung einer BalanceBrigitte Stieler-Lorenz, Carolina Lautenbach

Prof. Dr. Brigitte Stieler-Lorenz, Carolina I. Lautenbach

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pragdis

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pragdis

Burnout in der WissensökonomieDie IT-Branche verliert ihre LeistungsträgerDagmar Siebecke

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist „Wissens-arbeit“ zur vorherrschenden Gestalt modernerÖkonomien geworden. Die Dominanz von Wis-sensarbeit gilt branchenübergreifend und (na-hezu) unabhängig vom Qualifikationsniveau derBeschäftigten. Tätigkeitsmerkmale dieses mo-dernen Arbeitstypus sind æ die weitgehende Entlastung von körperlicher

Arbeit, æ die Umstellung von Fremdbestimmung auf

Selbstorganisation in der Arbeit,æ die nachhaltige Mobilisierung und Flexibi-

lisierung der Beschäftigten.Mit diesen neuen Arbeitsformen sind neue Be-lastungen und neue Gefährdungspotenziale ver-bunden, die die Innovationsfähigkeit der Beschäf-tigten, Unternehmen und schließlich der wis-sensintensiven Branchen insgesamt gefährden.Im Mittelpunkt des Projektes pragdis steht da-her die praktische Umsetzung neuer Konzepteund Instrumente betrieblicher und überbetrieb-licher Prävention in und für Unternehmen imIT-Bereich – als Vorreiterbranche der Wissens-ökonomie. Am Beispiel dieser Branche zeigt sich, dassmoderne Formen der Wissensarbeit prinzipiellgeeignet sind, die Anforderungen an „gute Ar-beit“ umfassend zu realisieren, weil sie z.B. inden Dimensionen Handlungsspielräume, Auf-gabenvielfalt, Selbstbestimmung, lebenslangesLernen schon heute eine vergleichsweise hoheQualität aufweisen. Mit den verschiedenen For-men flexibler, diskontinuierlicher und prekärerBeschäftigung gehen aber auch zunehmend Ge-sundheitsrisiken einher, die sich æ aus einem kaum messbaren Umschlag von

engagierter Arbeitsfreude in negative Stress-belastung,

æ aus sich jeder Messung entziehenden kumu-lativen Risiken des Erwerbsverlaufes,

æ aus der Gleichzeitigkeit verschiedener Tätig-keiten bzw. nebenberuflicher Selbständig-keit oder

æ aus dem zunehmenden Verlust an Arbeits-platzsicherheit ergeben.

Die neuen Arbeitsformen führen insbesonderezu einem neuen Typus psychischer Belastung,der die Innovationsfähigkeit in der Wissensar-beit nachhaltig zu beeinträchtigen droht. Denngerade die Innovationsträger der Wissensöko-nomie sind, so ist festzustellen, in erheblichemUmfang von psychischer Erschöpfung betrof-

fen und damit die Hochrisikogruppe für Burn-out. Es sind nicht mehr (wie in klassischen in-dustriellen Produktionsbetrieben) die jungenMitarbeiter, die aufgrund ihrer Unerfahrenheithäufiger verunfallen, es sind nicht mehr dieälteren Mitarbeiter, die aufgrund körperlichenVerschleißes erkranken, es sind nicht mehr die„Schwachen“, die die Belastungen nicht verkraf-ten können. Es trifft in der IT-Branche offenbarvielmehr die Leistungsträger: in mittlerem Alter,berufserfahren, (ehemals) hoch motiviert, leis-tungsorientiert und (ehemals) leistungsfähig. Die arbeitsbedingten psychischen Erkrankungenin der IT-Branche haben dabei – so zeigt dieBurnout-Forschung – eine neue Pathogenese.Lag den Entstehungsmodellen arbeitsbedingterkörperlicher Erkrankungen immer das Ver-schleißmodell zugrunde, so geht die Burnout-Forschung davon aus, dass die Ursache psychi-scher Erkrankungen ein Misfit zwischen denBedürfnissen und Fähigkeiten des Individuumseinerseits und den betrieblichen Bedingungenandererseits ist. Wird der Misfit zwischen Leis-tungsorientierung und Leistungsbedingungennicht behoben, so kommt es zu emotionalen,mentalen und physischen Erschöpfungszustän-den, die sich schleichend aufbauen, sich in derRegel aber plötzlich – und für die Umwelt uner-wartet – manifestieren.

Präventions-, Interventions- und Therapie-strategien dürfen daher nicht – wie diesheute noch oftmals die Regel ist – nur amIndividuum oder nur am Betrieb ansetzen,sondern müssen den „Fit“ zwischen indivi-duellen Ansprüchen und betrieblichen Be-dingungen wieder herstellen.

Der Betrieb als Präventionsort wird zudemaufgrund diskontinuierlicher Erwerbsverläufeund oftmals sehr schnell wechselnder Einsatz-orte von abhängig Beschäftigten in der IT-Branche zunehmend obsolet. So werden auchdie gängigen Präventionsansätze, in denen derBetrieb der Ort ist, an dem Gesundheitspräven-tion greifen soll, für diese Arbeitnehmergruppeentwertet.Damit kann der Betrieb für viele Beschäftigtenicht mehr primärer Ort der Prävention unddas Unternehmen nicht mehr alleiniger, nichteinmal zentraler Verantwortlicher für betrieb-liche Prävention sein, weil vereinzelte, autono-

mieorientierte und betrieblich entkoppelte Mit-arbeiter‚ Mobile Worker oder Freelancer vomBetrieb gar nicht mehr erreicht werden. Hinzu kommt, dass komplexe Modelle betriebli-chen Arbeits- und Gesundheitsschutzes in klei-neren und mittleren Unternehmen und bei Free-lancern kaum umzusetzen sind. Maßnahmenmüssen sich hier kurzfristig amortisieren undder finanzielle wie auch personelle Aufwandmuss extrem überschaubar sein.Vor allem im Bereich der Langfristpräventionsind daher realistischerweise kaum eigenstän-dige Beiträge der KMU in der IT-Branche zumpräventiven Arbeits- und Gesundheitsschutz zuerwarten. Das größte Hemmnis für die Institu-tionalisierung wirksamer Präventionsaktivitä-ten in der Wissensarbeit liegt daher aus derSicht der Praxis im fehlenden (ökonomischen)Interesse und der fehlenden Wertschätzungder KMU für Präventionsmaßnahmen. Die bisher beschriebene Situation der Gesund-heitsbelastungs- und Präventionsbedingungenführt zu einem Dilemma: Wenn æ seitens der kleineren Unternehmen kaum

originäres Interesse an umfassenden Prä-ventionsangeboten besteht

æ und die Unternehmen ohnehin nicht mehrprimärer Ort der Prävention sein können,

æ andererseits aber massiver Bedarf nach Prä-ventionsstrategien besteht, die der Zunah-me psychischer Belastung und psychischerErkrankungen begegnen,

æ aber nach dem Burnout-Modell die Konzen-tration auf die Stärkung der individuellenRessourcen nicht ausreicht,

so entsteht in der Wissensökonomie ein Vaku-um des präventiven Arbeits- und Gesundheits-schutzes, das durch betriebsunabhängige Struk-turen aufgefüllt werden muss.

Ohne Prävention ist die Innovationsfähigkeitder Wissensökonomie gefährdet – und dieskurzfristig: Gelingt es nicht, die Ressourcen zurVermeidung psychischer Erschöpfung zu stei-gern und die Zunahme psychischer Erkrankun-gen aufzuhalten und driften die Arbeitsbedin-gungen und die Ansprüche der Beschäftigtenweiter auseinander, so droht die Innovations-fähigkeit der deutschen Wirtschaft nachhaltigSchaden zu nehmen, weil eine „Burnout-Wel-le“ auf die Unternehmen zurollt und ihnen dieLeistungsträger und Innovatoren entzieht.

sowie um Beratungs- und Interventionskon-zepte zur Realisierung einer Organisation, dieein erwerbsverlaufsgerechtes Fitting zwischenindividueller Leistungsorientierung und indivi-duellen Leistungsbedingungen in der Wissens-arbeit ermöglicht. Das Präventionszentrum integriert damit ver-schiedenste Dienstleistungen wie z.B. Berufs-orientierungsberatung, psychologische Beratung,Entspannung, gesundheitspsychologische Prä-vention, Unternehmensanalyse, Unternehmens-beratung, Coaching, Führungskräfteschulungetc. Dieses Leistungsangebot wird durch spezi-alisierte Dienstleister vor Ort realisiert, die imRahmen einer stabilen Koopera-tionsbeziehung zusammenarbei-ten und deren Leistungen dasPräventions-Zentrum koordiniert.Das entsprechende Konzept wirdin den kommenden Monaten anverschiedenen Standorten in NRWprototypisch realisiert.

KontaktDr. Dagmar SiebeckeTechnische Universität Dortmund(Forschungsbereich Arbeitssoziologie)[email protected]

Das Projekt „pragdis – Präventiver Arbeits-und Gesundheitsschutz in diskontinuierlichenErwerbsverläufen“ (Förderkennzeichen01FM07003-05) beschäftigt sich mit Präven-tionsstrategien für schwer erreichbare Ziel-gruppen (Freelancer, Intelligent Mobile Workerund diskontinuierlich Beschäftigte), diezukünftig durch das Raster des betrieblichenArbeits- und Gesundheitsschutzes zu fallendrohen. Im Verbund der technischen Universi-tät Dortmund mit der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Team Gesund-heit GmbH werden Ansatzpunkte innovativerPrävention auf den Ebenen Individuum, Unter-nehmen und Netzwerke erarbeitet.www.pragdis.de

Die IT-Branche hat einen aktuellen Altersdurch-schnitt von 36 Jahren, die Gruppe der Gefähr-deten beginnt in diesem Alter. Die Leitbrancheder Wissensökonomie droht also ihre Leistungs-träger und ihre innovativen Köpfe zu verlieren.

Das Projekt pragdis hat deshalb ein systemischesKonzept einer Beratungs- und Koordinationsstelle(Präventions-Zentrum) entwickelt und wird das An-gebot im Projektverlauf erproben. Die Lösung liegtaus der Sicht von pragdis also im Aufbau inter-disziplinärer Präventions-Zentren. Dieses Konzept basiert auf dem multidisziplinärenAnsatz einer salutogenetisch fundierten Präven-tion psychischer Erschöpfung bis hin zum Burnout,der Organisations- und Arbeitswissenschaft, Ar-beitspsychologie, BWL, Arbeitsrecht und Gesund-heitspsychologie umfasst.Die Interventionen richten sich einerseits auf dieSteigerung der individuellen Ressourcen der Stress-bewältigung und Burnoutvermeidung sowie aufdie Vermittlung von Kompetenzen, die erforderlichsind, um adäquate Arbeitsbedingungen autonom zugestalten. Diese Interventionsschiene soll betriebs-unabhängig institutionalisiert werden. Anderer-seits geht es auf der betrieblichen Ebene um dieAnalyse der Ressourcen und Rahmenbedingungen

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mantra

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mantra

Die Bedeutung des präventiven Arbeits- und Gesundheitsschutzesfür den High-Tech-Standort DeutschlandArno Georg

Innovation bzw. Innovationsfähigkeit gilt alsSchlüsselfaktor für den WirtschaftsstandortDeutschland. Wie aber können Innovationenheranreifen, wie können hieraus Produkte undDienstleistungen geschaffen werden, die zumwirtschaftlichen Erfolg beitragen? Innovationenkönnen nur gelingen, wenn das Zusammen-spiel von Mensch, Technik und Markt richtigaufeinander eingepasst ist. Technische An-forderungen, Kompetenzen der Akteure undUnternehmen, die das Lernen und die Mitar-beitenden fördern und fordern, sind integraleBestandteile um Innovationsfähigkeit zu er-möglichen und zu stabilisieren. Vor dem Hintergrund gravierender Verände-rungen der Unternehmensstrukturen, Organi-sationsformen, Kooperationsbeziehungen imInnovationsprozess und der demografischensowie technologischen Entwicklung gewinnenErhalt und Ausbau der Innovationsfähigkeit anBedeutung für die Sicherung von Wettbe-werbsfähigkeit und Beschäftigung. Notwendigist eine Neubestimmung der Art und Weise, wieInnovationsstrategien gestaltet werden können,wo traditionelle Managementstrategien im In-novationsprozess nicht (mehr) greifen.

Der Förderschwerpunkt „Innovationsstrategienjenseits traditionellen Managements“ ist Teildes vom Bundesministerium für Bildung undForschung (BMBF) initiierten Förderprogramms„Arbeiten – Lernen – Kompetenzen entwickeln.Innovationsfähigkeit in einer modernen Arbeits-welt“. Er greift die skizzierten Fragestellungenauf und zielt besonders auf die Erforschung derBedingungen, die es ermöglichen, dassæ Menschen ihre Kompetenzen weiter entwi-

ckeln können und ihre Kreativität, Motiva-tion und Fähigkeiten einbringen können,

æ Unternehmen ihre Innovationsfähigkeitentwickeln und nutzen können, um amMarkt erfolgreich zu sein und Arbeitsplätzesichern und ausbauen können,

æ Netzwerke entstehen können, um neueMarktchancen und Beschäftigungsmög-lichkeiten auszubauen.

„Innovationen werden von Menschen ge-macht“. Dieses Zitat, das auf die Arbeiten vonErich Staudt, einem der ersten und führendenInnovationsforscher Deutschlands, zurückgeht,sagt eigentlich alles zum Zusammenhang von

Gesundheit und Innovation. Innovationenhängen davon ab, ob Menschen Ideen haben,kreativ sind, Wissensbestände aufbauen undneu zusammenführen, etwas wagen und er-schaffen. Menschen sind dabei die Basis auchfür die oben genannten Innovationsebenen derUnternehmen und Netzwerke. Vor diesem Hintergrund hat das Bundesminis-terium für Bildung und Forschung der Frage-stellung „Welche Zusammenhänge bestehenzwischen Innovation und Gesundheit und wiekönnen Prävention und Gesundheitsförderungzum integralen Bestandteil von Innovations-strategien werden?“ einen Schwerpunkt ge-widmet. Hier stehen Forschungs- und Umsetzungsfra-gen eines präventiven Gesundheitsmanage-ments im Rahmen eines ganzheitlichen Ma-nagementprozesses unter Berücksichtigungder verschiedensten Wirkungs- und Beteili-gungsebenen im Mittelpunkt. Zu integrierensind dabei die Aspekte branchenspezifischerAnforderungen an Präventionsmaßnahmen,die Ausgestaltung überbetrieblicher und regio-naler Akteursallianzen aus Unternehmen,Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinstitutionen,Sozialversicherungsträgern, Berufsverbändenund Beratungsdienstleistern als innovativePräventionsstrategie sowie die Befähigung desIndividuums als kompetenter Akteur im Ar-beits- und Gesundheitsschutz. Explizit werdendiese Fragestellungen im Kontext von Wett-bewerbsfähigkeit und strategischer Entwick-lung von Unternehmen diskutiert und in pra-xisgerechte Konzepte übersetzt, die zugleichdie Basis für zielgruppenspezifische Bera-tungsangebote bilden können.

Die Gesundheit der Beschäftigten als zentraleInnovationsträger ist eine wesentliche Voraus-setzung für die wirtschaftliche Entwicklungam High-Tech-Standort Deutschland. Forschungzu innovativen Formen des betrieblichen undüberbetrieblichen Arbeits- und Gesundheits-schutzes und zur Förderung von individuellenwie auch betrieblichen Gesundheitsressourcenträgt dazu bei, dass die Beschäftigten nichtnur zufrieden und gesund, nicht nur leistungs-fähig und motiviert, sondern – aus Sicht derInnovationsstrategie jenseits oder diesseitstraditionellen Managements – vor allem kreativund innovativ sind, werden und bleiben.

KontaktArno GeorgSozialforschungsstelle DortmundForschungsbereich Arbeitspolitik und [email protected]

Das Metaprojekt „MANTRA – Innovationsfä-higkeit als Managementaufgabe“ unterstütztden BMBF-Förderschwerpunkt „Innovations-strategien jenseits traditionellen Manage-ments“, fasst die Ergebnisse für den Außen-raum zusammen und hilft bei der Verbreitungder Ergebnisse der Forschungsverbünde. DieProjekte des Förderschwerpunkts sind in sechsFokusgruppen gruppiert, deren Austauschuntereinander MANTRA unterstützt.

„Innovationen werden von Menschen gemacht.“

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dælphi

21præview Nr.1 | 2010

Von der dritten Jahrestagung des Förderschwer-punktes „Präventiver Arbeits- und Gesundheits-schutz“ geht ein Impuls aus: Rund 150 Akteureaus Wissenschaft, unternehmerischer Praxis,Interessensvertretungen und Verbänden sowieder Politik kamen am 22. und 23. Oktober 2009in Aachen zusammen, um eine gemeinsameErklärung des Förderschwerpunktes zu entwi-ckeln und zu diskutieren. Im Aachener Impuls„Präventionsforschung neu ausrichten – Inno-vationsfähigkeit stärken“ wurden die Ergebnissedes Förderschwerpunktes zu einem forschungs-politischen Perspektivpapier zur Zukunft vonPrävention in der modernen Arbeitswelt kon-densiert und die weiteren Forschungsbedarfedefiniert. Die Idee, einen gemeinsamen „Impuls“ des ge-samten Förderschwerpunktes zu diskutierenund auf der Tagung zu verabschieden, prägtealle Überlegung bezüglich der Konzeption der3. Jahrestagung. Möglichkeiten zum Dialog ü-ber den Aachener Impuls standen so im Mittel-punkt der Veranstaltung. Der erste Tagungstagstand unter dem Motto „Mission Prävention“und initiierte einen intensiven Dialog zu derFrage: „Was haben wir erreicht?“. Am zweitenTag wurde die „Vision Prävention“ entwickelt:„Was möchten wir als interdisziplinäre For-schungscommunity erreichen?“. Als innovativeKommunikationsformate wurden interaktive,themenzentrierte Dialogforen eingesetzt, derenArbeitsergebnisse in einem gemeinsamen Ple-num nicht nur diskutiert, sondern inhaltlich be-wertet, gegebenenfalls modifiziert und schließ-lich konsensual verabschiedet wurden.

KontaktUrsula Bach Zentrum für Lern- und Wissensmanagementund Lehrstuhl Informationsmanagement imMaschinenbau (ZLW/IMA) der RWTH [email protected]

Das Metaprojekt StArG „Strategischer Transferim Arbeits- und Gesundheitsschutz“ übernahmim Förderschwerpunkt „Präventiver Arbeits-und Gesundheitsschutz“ u.a. die Analyse undzielgruppengerechte, systematische Gestal-tung des Transfers von Forschungsergebnissenund arbeitete hier eng mit dem Projektträgersowie den Projektbeteiligten der Einzel- undVerbundprojekte des Förderschwerpunkts zu-sammen. Mit der Entwicklung eines gesicher-ten Verfahrens zum zielgerichteten und er-folgreichen Breiten- und Tiefentransfer vonForschungsergebnissen unterstützte StArG dieArbeit der Fokusgruppen.

Mit einer Stimme: Der Aachener ImpulsUrsula Bach

Der Aachener Impuls bündelt die Ergebnisse derdurch das Bundesministerium für Bildung undForschung im Förderschwerpunkt geförderten18 Verbundprojekte mit insgesamt 52 Teilvor-haben. Die Akteure aus Wissenschaft, Unter-nehmen und Präventionsdienstleister bilanzie-ren nach drei Jahren gemeinsamer Arbeit: For-schung zur betrieblichen Prävention stärkt dieInnovationsfähigkeit, fördert Beteiligung undKreativität sowie Potenziale in der modernenArbeitswelt, unterstützt innovative Arbeitsge-staltung und erfordert dienstleistungsorientier-te und kooperationsfähige Akteure.Die Ergebnisse der Projekte belegen die Mög-lichkeiten und Notwendigkeiten betrieblicherPräventionsforschung und zeigen in der „VisionPrävention“ zukünftige Forschungsbedarfe auf.Weitere Informationen zur 3. Jahrestagung undzum Förderschwerpunkt erhalten Sie unterwww.starg-online.de.

Klaus Pelster übergibt im Namen des Förder-schwerpunktes den „Aachener Impuls“ an dieBMBF Referatsleiterin Ursula Zahn-Elliott.

Dælphi – Blick in die Zukunft der Arbeitsforschung

Die Aufgabe der Arbeitsgestaltungs- und Präventionsforschung ist es, heute Konzepte zu

entwickeln, um der Wirtschaft und Gesellschaft die Mittel zur Verfügung zu stellen,

rechtzeitig den Entwicklungstendenzen der Zukunft zu begegnen. In dieser Kolumne

werfen Experten einen Blick nach vorn und skizzieren aktuelle Trends und zukünftige

Forschungsbedarfe.

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prævokation

Die vernachlässigte KlientelPräventionsstrategien für den Mainstream von morgen

Impressum

præview – Zeitschrift für innovative Arbeitsgestaltung und Prävention1. Jahrgang 2010 – ISSN 2190-0485 – Erscheinungsort Dortmund

Herausgeber: Dr. Rüdiger Klatt, Dortmund

Verantwortlicher Redakteur: Kurt-Georg Ciesinger, Dortmund

Druck: Druckerei Schmidt GmbH & Co. KG, An der Wethmarheide 36, 44536 Lünen

Layout: Q3 design gbr, Blenkerweg 33, 44265 Dortmundfon 0231. 222 35 -91, fax -93, [email protected], www.Q3design.de

Abbildungen: ©gornist - Fotolia.com, Titel; ©PictureArt - Fotolia.com, S. 2, Rücktitel;©Kirsty Pargeter - Fotolia.com, S. 4; ©Kaarsten - Fotolia.com, S. 6; ©Roman Milert -Fotolia.com, S. 8; ©Mellimage - Fotolia.com, S. 10; ©TM-Design - Fotolia.com, S. 12;©Dream-Emotion - Fotolia.com, S. 12; ©Joachim Wendler - Fotolia.com, S. 14; ©OlgaLyubkina - Fotolia.com, S. 17; ©nachbelichtet - Fotolia.com, S. 18; ©tom - Fotolia.com, S. 20; ©Csaba Peterdi - Fotolia.com, S. 22. Porträts: Petra Böttcher, S. 13; FotostudioHengesbach, S. 13; Dagmar Siebecke, S. 3, 22; Debbie Siebecke, S. 17.

Die beschriebenen Szenarien mit ihren neuenZielgruppen und Rahmenbedingungen liegengerade noch weit genug in der Zukunft, um –wenn Forschung heute beginnt – nicht wiederneue, innovative Lösungen für den Mainstreamvon gestern zu entwickeln.

Kurt-Georg CiesingerRedakteur der Zeitschrift præview

tigen Realität in der Arbeitswelt. Aber Erfah-rung ist der natürliche Feind der Innovation!Innovation entwertet Wissen und Erfahrung,ja altes Wissen und erworbene Routine störtbei Veränderungen, vor dem Lernprozess zumErwerb neuen Wissens muss vielfach ein „Ent-lernprozess“ des alten Wissens stattfinden. Da-mit sind ältere und erfahrene Mitarbeiter dieVerlierer von Innovationsprozessen – und sol-len diese nun selbst anstoßen?

Wenn zukünftig ältere Mitarbeiter kreative In-novationsmotoren der Wirtschaft sein müssen,dann sind die Zusammenhänge zwischen Kre-ativität, Innovationsfähigkeit und körperlicherund psychischer Gesundheit bzw. psychischerErschöpfung und Ausbrennen unter dieser neu-en Perspektive zu erforschen. Hier sind Präven-tionsstrategien zu entwickeln, die nicht nurGesundheit und Leistungsfähigkeit erhalten,sondern auch Motivation, „Lust auf Verände-rung“ und lebenslange Kreativität.

Der demografische Wandel führt dazu, dasssich das Durchschnittsalter in den Unterneh-men in den nächsten Jahren erheblich erhöhenund die mitarbeiterstärksten Alterskohorten inden Bereich zwischen 45 und 60 Jahren ver-schieben werden. Waren es früher die jüngerenBeschäftigten, von denen Innovationsimpulseausgingen, weil sie neue technologische Ent-wicklungen aufnahmen und in Produktideenumsetzten (so ist die Entwicklung des IT-Be-reichs geprägt durch fast jugendliche Inno-vatoren), so werden es in Zukunft die mittlerenund höheren Altersgruppen sein müssen, diediese Aufgabe übernehmen. Kreativität und In-novation werden damit eine „Altersaufgabe“.Derzeit wird Altersarbeit aber selten mit Krea-tivität und Innovativität, vielmehr mit Routini-sierung, Erfahrung und Veränderungswider-stand in Verbindung gebracht. Das verbreiteteBild des älteren Mitarbeiters, der unmotiviertund leistungsmüde seiner Rente entgegenfie-bert, entspricht sicherlich nicht mehr der heu-

Gute Präventionsansätze sind wissenschaftlichfundiert und erfahrungsbasiert. Damit sind sieaber auch „von gestern“, denn der Time-Lagzwischen empirischer Forschung, Entwicklung,Erprobung, Evaluierung, Transfer und der spä-teren flächendeckenden Umsetzung ist enorm.Bis Konzepte aus der Forschung Bedeutung inder Praxis gewinnen, vergehen Jahre – mit derGefahr, dass sich die Arbeitsbedingungen soverändern, dass die Konzepte obsolet sind. Un-sere aus dem – zweifellos immer noch bedeu-tenden – Mainstream des industriellen Produk-tionsbereiches entwickelten Konzepte passennicht mehr auf den möglichen informatisiertenund virtualisierten Mainstream der Arbeitswelt

Die Projekte der Fokusgruppe „Innovationsstrategie und Gesundheit“ werdengefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und dieEuropäische Union (Europäischer Sozialfonds). Die Forschungsschwerpunkte„Präventiver Arbeits- und Gesundheitsschutz“ und „Innovationsstrategienjenseits traditionellen Managements“ werden betreut durch den ProjektträgerArbeitsgestaltung und Dienstleistungen im DLR.

Bezugsadresse /Kontakt: Redaktion præviewgaus gmbh – medien bildung politikberatungBenno-Jacob-Straße 2, 44139 Dortmundfon 0231 /47 73 79-30, fax -55, [email protected]

von morgen. Neue Arbeits- und Lebensbedin-gungen zukünftiger Generationen und neuewichtige Zielgruppen stellen vollkommen ver-änderte Anforderungen an die Präventionsfor-schung. Die heutige Generation wächst beispielsweisein zunehmend virtualisierten Strukturen auf,sie „lebt“ und pflegt soziale Kontakte in virtu-ellen Communities. Die Folge für neue Belas-tungs- und Beanspruchungssituationen sindfür diese Generation nur rudimentär beschrie-ben, Konzepte für die Nutzung dieser neuenInteraktions- und Lebensformen im Rahmender Prävention fehlen völlig bzw. sind naiv ausder Sicht einer älteren Generation entwickelt.Die Integration von Präventionsstrategien indie neuen virtuellen Lebenswelten ist eine zen-trale Herausforderung für die Zukunft.Die Arbeit in der Wissensökonomie gibt bereitseinen Blick auf die Arbeitswelten der Zukunft.Körperlich belastungsarm, projektförmig, auto-nom, mobil, räumlich und zeitlich entkoppelt,selbstgesteuert und selbstverantwortlich sinddiese Arbeitsstrukturen die Erfüllung der ar-beitswissenschaftlichen Träume seit den sieb-ziger Jahren. Dennoch finden sich hier neueGefährdungen, die gerade aus der Belas-tungsarmut und Verantwortlichkeit, geradeaus den Flexibilitäten und Freiheitsgraden inder Arbeit erwachsen. Die psychischen Erkran-kungen in der Wissensökonomie bis hin zumBurnout wachsen in den letzten Jahren expo-nenziell an. Hier sind neue Modelle der Präven-tion zu entwickeln, die den entgrenzten

Arbeitsformen wieder Stabilität vermittelnund die Beschäftigten in die Lageversetzen, die neuen Freiheitsgradezu beherrschen.

Die fruchtbarsten Diskussionen entstehen

durch den Austausch kontroverser Ansichten.

Die Kolumne prævokation ist ein Forum

für die Formulierung von pointierten

Standpunkten abseits der

„herrschenden Meinung“.

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