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2 ARZT & WIRTSCHAFT / PRAXIS K ennen Sie den Spruch? „Ich wollte Mitarbeiter und es kamen Men- schen.“ Für eine gelingende Teamarbeit ist die Arbeit mit dem Einzel- nen unerlässlich. Dazu dienen informelle und formelle Rückmeldungen, letztere im Rahmen sogenannter Mitarbeitergesprä- che. Mindestens einmal pro Jahr werden in diesem Rahmen Erwartungen kommu- niziert, die persönliche und fachliche Ent- wicklung gefördert, Ziele gesteckt und überprüft. Diese institutionalisierte Kom- munikationsform ist für die strategische Entwicklung des Personals und der Praxis unerlässlich (Mentzel et al. 2003). Den Rest des Jahres spielt allerdings vor allem die zeitnahe, direkte Kommunikation die wesentliche Rolle für den Praxisablauf. Deshalb soll hier zunächst auf sie einge- 1. Teil CME: Erfolgreiche Mitarbeitergespräche Feedback, das auch wirklich ankommt Eine gute Kommunikationskultur ist nicht nur wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg einer Arztpraxis. Je weniger Sand im Getriebe, desto besser funktioniert auch die Patientenversorgung. Bild: ©fizkes - stock.adobe.com gangen werden. Wesentlich für einen rei- bungsarmen Ablauf ist eine vertrauens- volle Beziehungsebene zwischen Chef und Mitarbeitern sowie unter den Mitarbei- tern selbst. Nehmen wir an, einer MFA unterläuft ein Fehler. Wird sie versuchen, ihn aus Angst zu vertuschen? Oder kann sie sich darauf verlassen, dass sie gleich sachliche Unterstützung bei der Lösung des Problems erfährt, wenn sie es meldet? Um einen Fehler schnellstmöglich zu kor- rigieren und erneuten Fehlern bestmög- lich vorzubeugen, braucht es eine offene Kommunikationskultur. Begleiten Sie die MFA in einem solchen Fall bei der eigenen Ursachenerforschung und unterstützen Sie sie bei der Suche nach einer Lösung. Das kostet nur im ersten Moment mehr Zeit. Langfristig kann sie sich so zu einer rundum verantwortungsvollen und um- sichtigen Mitarbeiterin mit Weitblick ent- wickeln, die Ihnen viele weitere Störungen im Praxisablauf erspart. Handelt es sich allerdings um ein komplexes Problem wie mangelnde Patientenorientierung, ist ein strukturiertes Vorgehen von Vorteil. Dazu dienen eigens anberaumte Kritikgesprä- che, deren Aufbau Thema des zweiten Teils dieser Fortbildung sein wird. Mehr Erfolg durch bessere Beziehungen Ein mitarbeiterorientierter Führungsstil gilt Arbeitspsychologen als wichtiges Ele- ment eines gesunden Unternehmens. Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA), gefördert durch das Bundesmi- nisterium für Arbeit und Soziales, betont Vom gefürchteten Pflicht- termin zum Glanzstück einer guten Praxiskultur: In Mitarbeitergesprächen können Sie mehr erfahren und lenken, wenn Sie im Dialog an Lösungen und an der Entwicklung des Mitarbeiters arbeiten.

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Praxis

Kennen Sie den Spruch? „Ich wollte Mitarbeiter und es kamen Men-schen.“ Für eine gelingende

Teamarbeit ist die Arbeit mit dem Einzel-nen unerlässlich. Dazu dienen informelle und formelle Rückmeldungen, letztere im Rahmen sogenannter Mitarbeitergesprä-che. Mindestens einmal pro Jahr werden in diesem Rahmen Erwartungen kommu-niziert, die persönliche und fachliche Ent-wicklung gefördert, Ziele gesteckt und überprüft. Diese institutionalisierte Kom-munikationsform ist für die strategische Entwicklung des Personals und der Praxis unerlässlich (Mentzel et al. 2003). Den Rest des Jahres spielt allerdings vor allem die zeitnahe, direkte Kommunikation die wesentliche Rolle für den Praxisablauf. Deshalb soll hier zunächst auf sie einge-

1. Teil CME: Erfolgreiche Mitarbeitergespräche

Feedback, das auch wirklich ankommtEine gute Kommunikationskultur ist nicht nur wichtig für den wirtschaftlichen Erfolg einer Arztpraxis. Je weniger Sand im Getriebe, desto besser funktioniert auch die Patientenversorgung.

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gangen werden. Wesentlich für einen rei-bungsarmen Ablauf ist eine vertrauens-volle Beziehungsebene zwischen Chef und Mitarbeitern sowie unter den Mitarbei-tern selbst. Nehmen wir an, einer MFA unterläuft ein Fehler. Wird sie versuchen, ihn aus Angst zu vertuschen? Oder kann sie sich darauf verlassen, dass sie gleich sachliche Unterstützung bei der Lösung des Problems erfährt, wenn sie es meldet? Um einen Fehler schnellstmöglich zu kor-rigieren und erneuten Fehlern bestmög-lich vorzubeugen, braucht es eine offene Kommunikationskultur. Begleiten Sie die MFA in einem solchen Fall bei der eigenen Ursachenerforschung und unterstützen Sie sie bei der Suche nach einer Lösung. Das kostet nur im ersten Moment mehr Zeit. Langfristig kann sie sich so zu einer

rundum verantwortungsvollen und um-sichtigen Mitarbeiterin mit Weitblick ent-wickeln, die Ihnen viele weitere Störungen im Praxisablauf erspart. Handelt es sich allerdings um ein komplexes Problem wie mangelnde Patientenorientierung, ist ein strukturiertes Vorgehen von Vorteil. Dazu dienen eigens anberaumte Kritikgesprä-che, deren Aufbau Thema des zweiten Teils dieser Fortbildung sein wird.

Mehr Erfolg durch bessere Beziehungen

Ein mitarbeiterorientierter Führungsstil gilt Arbeitspsychologen als wichtiges Ele-ment eines gesunden Unternehmens. Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA), gefördert durch das Bundesmi-nisterium für Arbeit und Soziales, betont

Vom gefürchteten Pflicht-termin zum Glanzstück einer guten Praxiskultur: in Mitarbeitergesprächen können sie mehr erfahren und lenken, wenn sie im Dialog an Lösungen und an der Entwicklung des Mitarbeiters arbeiten.

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Praxis

munikation: Ein Mensch kann überhaupt nur etwas annehmen, wenn er sich wert-geschätzt und ernstgenommen fühlt. Ist dies nicht der Fall, fahren sofort psycholo-gische Abwehrmechanismen hoch, etwa trotzige Reaktanz oder eben die innere Distanzierung. Ein echtes Durch-dringen ist dann kaum noch möglich.

rückmeldungen in beide richtungen

Feedback vom Vorgesetzten ist durchaus gewünscht! Eine Umfrage der Personal-dienstleistungen Amadeus Fire (2015)zeigt, dass mehr als 50 Prozent der Ange-stellten bedauerten, zu selten Rückmel-dungen vom Chef und von den Kollegen zu erhalten. Insbesondere zur Arbeitsmo-tivation, zur eigenen Person, zum Verhal-ten und zur Leistung wurde mehr Feed-back gewünscht. Mehr als 50 Prozent der Befragten schätzten das Feedback ihres Vorgesetzten, empfanden es als nützlich und als Unterstützung zur Weiterentwick-lung. Besonders gut kamen bei den Mitar-beitern Gespräche an, bei denen auch sie dem Chef Rückmeldung geben. Diese tru-gen zu einer hohen Zufriedenheit bei. Das bedeutet für die zeitgemäße Personalfüh-rung, dass Mitarbeitergespräche keine rei-ne Top down-Qualität haben. Vielmehr geht es um Austausch. Wissen die Mitar-beiter im Vorfeld um eine solche Chance, können sie ihre Ideen und konstruktive Kritik vorbereiten, die Chefs sonst auf-

die Vorteile: Die Mitarbeiter denken mehr mit, bringen bessere Leistung, sind weni-ger gestresst und seltener krank. Dahinter liegt die Erkenntnis, dass die Beziehungs-ebene stets auch bei vermeintlich reinen Sachinformationen mitschwingt (Schulz von Thun 1981), und sei es unbewusst durch Tonfall, Mimik und Gestik. Eine freundliche Kommunikationskultur prägt die Atmosphäre der Praxis und sorgt dafür, dass auch Patienten sich spontan wohl fühlen und eher Vertrauen fassen als bei einer angespannten Stimmung.

Konfliktfähigkeit ist ein Balanceakt

Grundsätzlich gibt es zwei Arten der Kommunikation, die das Verhältnis zwi-schen Chef und Angestellten belasten. Zum einen ein ausgesprochen autoritärer Führungsstil, der über Angst zu einem Stocken des Informationsflusses von den Mitarbeitern zum Praxisinhaber führen kann. Insbesondere lautes Schreien führt beim Adressaten leicht zu einer inneren Distanzierung. Das kann darin münden, dass die MFA nur noch Dienst nach Vor-schrift leistet, vielleicht sogar innerlich be-reits kündigt. Ihre volle Leistung steht der Praxis dann nicht mehr zur Verfügung, und schon gar kein Quäntchen mehr. Zwar gibt es im Alltag Situationen, die Direktive verlangen. Die eigene Position in der Hierarchie muss dabei aber nicht lautstark betont werden. Schließlich sind

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CME-Fortbildung onlineArzt & WirtschAft bie-tet für sie gemeinsam mit MedLearning kostenfreie fortbildun-gen, die wichtige themen rund um die Praxisführung abdecken. Die fortbildung „Erfolgreiche Mitar-beitergespräche“ ist mit zwei cME-Punkten zertifiziert.

Und so funktioniert’s:• Teil 2 der Fortbildung finden Sie in Arzt & WirtschAft Ausgabe November 2019.• Sie können die ganze Fortbildung auch schon jetzt im internet unter cme.medlearning.de/aw.htm einse-hen und dort online absolvieren.

• …finde ich wenig aussagekräftig.

Aber: 23% der Führungskräfte finden, dass zu wenig Feedback von Mitarbeitern kommt.

• Ich weiß, wie gut ich die Aufgabe erledigt habe.

Das Feedback meines Vorgesetzten…

• …schätze ich.• …nützt mir.

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• …hilft mir bei der Weiterentwicklung.

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studie der Personaldienstleistungen Amadeus fire zur feedbackkultur und zufriedenheit der Mitarbeiter (2015). Ein Großteil wünscht und schätzt die rückmeldungen ihres chefs.

Das Feedback meines vorgesetzten ...

die Kompetenz und Entscheidungshoheit des Arztes und Arbeitgebers unbestritten.

Am anderen Ende des Spektrums liegt die Konfliktscheuheit. Sie kann dazu füh-ren, dass Dinge vornehmlich zwischen Tür und Angel angesprochen werden. Da-bei bleiben allerdings wichtige Aspekte der Botschaft oft ungesagt, eine umfassen-de Klärung der Situation ist so oft nicht möglich, die Wahrscheinlichkeit erneuter Fehler steigt. Konfliktscheuheit kann auch dazu führen, dass Unangenehmes aufgeschoben wird bis zur Eskalation – also bis zu dem Moment, wo das Fass überläuft und die sich schon länger är-gernde Person kaum noch anders kann, als zu explodieren. Das führt unter Um-ständen wieder zur selben Problemstel-lung wie beim extrem autoritären Stil. Zeitnahe, konstruktive Konfliktgespräche sind nur scheinbar aufwendig. Unterm Strich sparen sie viel Zeit und Ärger. Grundsätzlich gilt für jede Art der Kom-

Aktive Teilnahme

Gerade die jungen Generationen X und Y sind hochflexibel und wechseln

häufig den Job. ihre sicht anzuhören, hilft, sie

länger zu binden

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Praxis

grund ihrer Unsicherheit vielleicht entge-hen könnten. Sprechen Sie deshalb einen solchen Hinweis bei der Terminvereinba-rung für ein Mitarbeitergespräch aus. Ge-hen Sie dann selbst in die Vorbereitung. Machen Sie sich einige Notizen: Wie neh-me ich zum Beispiel diese Mitarbeiterin wahr? Was erwarte ich von ihr? Wie zu-frieden bin ich mit ihrer aktuellen Leis-tung und wie läuft die Zusammenarbeit mit den Kollegen? Wie kann ich ihre Ent-wicklung fachlich und persönlich unter-stützen? Welche Schwächen hat sie und wie könnten wir sie abbauen? Wie viel Führung braucht sie? Planen Sie das Ge-spräch bedürfnisorientiert. Analysieren Sie dazu im Vorfeld: Was ist das wichtigste Ziel dieses Gesprächs? Dieses sollte wie ein Leuchtturm über dem gesamten Ver-lauf stehen, um ein übermäßiges Aufhal-ten mit weniger Wichtigem zu vermeiden. Geht es primär darum, Stärken weiterzu-entwickeln? Oder bedarf es hauptsächlich eines Motivationsgesprächs, um einem Leistungsabfall entgegenzuwirken?

Blicken sie bilanziert zurück

Es geht um Leistung und Entwicklung; jedoch auch darum, Stolpersteine und Sand im Getriebe des Praxisablaufs zu erkennen, um am Ende eine optimale Ver-sorgung für Patienten zu gewährleisten. Allerdings ist dieser Gesprächsanlass nicht die „Stunde der Abrechnung“ für die gesammelte Kritik des letzten Jahres. Für diese beraumen Sie jeweils zeitnah ei-gene Kritikgespräche ein. Ebenso handelt

Mitarbeitergespräche sollten nie zwischen Tür und Angel geführt werden. Planen Sie dafür einen festen Termin ein und sorgen Sie für eine ruhige Atmosphäre.

Demotivierend wirken Über- oder Unterforderung. Wägen Sie ab, wo Sie fordern und wo fördern können. Mitarbeiter wollen sich gebraucht fühlen. Dazu gehört auch, Leistungen anzuerkennen.

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es sich nicht um eine Applausstunde, son-dern um ein ernsthaftes Bemühen um Weiterentwicklung. Defizite und Leistun-gen werden also ausgewogen bilanziert. Eröffnen Sie das Gespräch positiv, um die Offenheit Ihrer Mitarbeiterin zu sichern. So haben Sie mehr Möglichkeit, Einblicke in die Vorgänge beim Personal zu erlan-gen, als es Ihnen bei mentaler Abschot-tung der MFA möglich wäre. Blicken Sie gemeinsam auf die Aufgaben, Ziele und Ergebnisse des letzten Jahres zurück. Zei-gen Sie auf, welchen Anteil Ihre Mitarbei-terin am Praxiserfolg hat – das motiviert. Geben Sie dem Informationsfluss von unten nach oben Raum: Wie nimmt Ihre Mitarbeiterin den Praxisablauf wahr, sieht sie irgendwo Verbesserungspotenti-

a&W-KoMPaKtDas Lob ist ein starker anreiz

•studien, etwa von Gallup und Stepstone (2011) zeigen, dass Lob unter den Dingen rangiert, die sich Mitarbeiter am meisten wünschen – neben mehr information.

• Während Bonuszahlungen oft nur zeitlich begrenzt wirken, entfaltet das Lob nachhaltigere Wirkung.

•Loben sie im Alltag möglichst min-destens ebenso häufig, wie sie kri-tisieren. Loben sie zeitnah, kurz und knackig, und nennen sie den konkreten Grund: „super, wie sie den Patienten beruhigt haben!“

al? Wie fühlt sie sich im Team? Lenken Sie sie mit Fragen. So signalisieren Sie, dass Ihnen an ihrer Sichtweise gelegen ist und erfahren mehr über ihren Alltag, Denk-weise und Verhalten. Bitten Sie Ihre Mit-arbeiterin um Selbsteinschätzung. Wo sieht sie ihre Stärken, wo ihre Schwächen? Begegnen Sie dieser Einschätzung mit Ih-rer Wahrnehmung, um Selbst- und Fremd-bild anzunähern. Je größer die Abwei-chung, desto wichtiger ist dieser Teil des Gesprächs.

Erforschen Sie, ob es bisher ungeahnte Potentiale gibt. Was motiviert Ihre Mitar-beiterin? Gibt es Fähigkeiten, die sie gerne einbringen würde, die aber gerade nicht abgerufen werden? Wie möchte sie sich fachlich entwickeln? Gibt es einen neuen Aufgabenbereich, den sie gern unterstüt-zen würde? Diese Frage ist wichtig, um Monotonie vorzubeugen. Selbstverständ-lich müssen gegebenenfalls die Zuständig-keiten der MFA genau mit allen geklärt werden, um Konflikten vorzubeugen. Überlegen Sie gemeinsam mit der Mitar-beiterin, wie Sie ihre Entwicklung unter-stützen können. Das fördert die Loyalität. Machen Sie einen Plan: Vereinbaren Sie passende Fort- und Weiterbildungsmaß-nahmen und definieren Sie gemeinsam die Aufgaben und Ziele für das kommende Jahr. Die Ergebnisse dieses Gesprächs werden in einem vertraulichen Protokoll festgehalten, das die Mitarbeiterin unter-schreibt und somit die Verbindlichkeit ih-rer Vereinbarungen anerkennt. n

Deborah WeinbuchKommunikationswissenschaftlerin

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Praxis

K aum etwas ist so sensibel wie ein Kritikgespräch. Gleichwohl bleibt es uns in keiner zwischenmensch-

lichen Beziehung erspart, schon gar nicht in der Arztpraxis, wo Fehler oder Fehlver-halten teilweise schwerwiegende Folgen haben können. Dennoch wird das Kritik-gespräch oft gescheut, denn es wird ein Bruch mit allen Konsequenzen befürchtet: schlechte Laune, noch schlechtere Arbeit, möglicherweise eine Kündigung und dann die leidige Suche nach dem ewig knappen Personal. Die gute Nachricht lautet: Kon-struktive Kritik zur rechten Zeit kann die Motivation und die Leistung Ihrer Mitar-beiter sogar erhöhen und das Praxisklima verbessern! Denn Sie klären damit Ihre Erwartungen an die Mitarbeiter. Gemein-sam wird nach Ursachen für Fehler und Verbesserungsmöglichkeiten gesucht. Das beugt künftigen Problemen vor und stärkt

2. Teil CME: Erfolgreiche Mitarbeitergespräche

Wann Kritik das Praxisklima sogar verbessertAuch Kritik kann die Motivation und Bindung der Mitarbeiter an die Praxis stärken – vorausgesetzt Ton und Inhalte werden angemessen geäußert. Welche Fettnäpfchen Ärzte aber besser vermeiden sollten.

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das Wir-Gefühl sowie das Vertrauen. Kri-tik sollte zeitnah und konkret ausgespro-chen werden. Sie ist aber nicht dazu da, um sich abzureagieren. Explosive, harsche Worte führen oft zu einer inneren Distan-zierung des Rezipienten, mit negativen Auswirkungen auf seine Performance – und möglicherweise auf die des gesamten Teams. Insbesondere lautstarke Kritik vor anderen, womöglich garniert mit einem persönlichen Angriff, führt zu einem Ge-sichtsverlust der kritisierten Person.

sprechen sie Fehler sachlich an

Beinahe unwillkürlich wird die Person versuchen, dies zu kompensieren, indem sie Sympathisanten für sich gewinnt. Die Mobilisierung unter den Mitarbeitern führt unter Umständen zu Auf- und Ab-lehnung, zur Gruppenbildung und Spal-

tung. Entsprechend leidet die Zusammen-arbeit. Eine Variante des persönlichen An-griffs sind sarkastische Kommentare, die allgemein nicht in den professionellen Kontext gehören. Denn durch ihre abwer-tende Qualität wirken sie sich kaum weni-ger verheerend aus („Das haben Sie ja wieder suuuper gemacht, nur weiter so!“).

Wenn es etwas zu kritisieren gibt, schie-ben Sie das Gespräch nicht auf die lange Bank. Das würde die Beziehung zur Mit-arbeiterin mehr belasten als ein zeitnahes Ansprechen. Konflikte haben die Ten-denz, sich im Laufe der Zeit immer mehr von der Sach- auf die Beziehungsebene zu verlagern (Kock et al. 2019). Ohne recht-zeitige Intervention verhärten die Fron-ten. Beinahe wird egal, was der ursprüng-liche Auslöser war. Eine einvernehmliche Lösung ist dann sehr erschwert. Im frühen Stadium hingegen lässt sich ein Konflikt

stoppen sie fehlverhalten, bevor es das ganze Praxisklima vergiftet. Bleiben sie aber beim konkreten, aktuellen Kritikanlass. Ein Auflisten sämtlicher Verfehlungen seit Einstellung kann ebenso vernichtend wirken wie ein explosiver Wutausbruch.

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Obwohl unterschiedliche Charaktere verschieden kritikfähig sind, gibt es doch einige Möglichkeiten, Kritik annehmba-rer zu gestalten. Dazu gehört zunächst die Selbstreflektion. Zum Vermitteln des eige-nen Eindrucks hilft es, im Vorfeld zu eva-luieren, was man eigentlich wie genau weiß und was ein situativ geprägter, sub-jektiver Eindruck sein könnte. Reflektie-ren Sie: Was ist passiert, wer hat dazu in welchem Umfang beigetragen? Sind Ihnen alle erdenklichen Verknüpfungen und Akteure bekannt? Ist diese Situation erst-malig aufgetreten oder bereits häufiger? Falls letzteres: Woran könnte das liegen? Waren der Mitarbeiterin Ihre Erwartun-gen vollumfänglich und detailliert bekannt? Hat sie die nötigen Informatio-nen, Fähigkeiten und Ressourcen, um Ihre Ansprüche zu erfüllen? Bekommt sie regelmäßig Feedback zu ihren Leistun-gen? Ist sie sich ihres Verhaltens bewusst?

Kritisches Feedback kann Mitarbeiter auf ihren blinden Fleck aufmerksam machen. Das sogenannte Johari-Fenster bewusster und unbewusster Persönlich-keitsanteile wurde in den 1950er Jahren von den Sozialpsychologen Joseph Luft und Harry Ingham entwickelt. Es ver-deutlicht die Unterschiede zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung. Das Jo-hari-Fenster ist in vier Bereiche gegliedert: öffentlich, geheim, blinder Fleck und un-bekannt. Öffentlich ist alles, was der Mensch bewusst von sich zeigt, etwa seine

oft rasch, sachlich, effektiv und zur allseiti-gen Zufriedenheit zu lösen. Bei langem Zö-gern häufen sich unter Umständen die Fehltage, mitunter auch eine Nachlässig-keit – eine zähe Phase für alle in der Praxis.

Um dem vorzubeugen, laden Sie die Mitarbeiterin zeitnah zum Gespräch ein. Eine sehr umfangreiche und dezidierte Anleitung zu dessen Verlauf finden Sie in dem Werk „Wir müssen reden. Mitarbei-tergespräche in der Arzt- und Zahnarzt-praxis“ von Stephan F. Kock und ande-ren. Hier einige wichtige Punkte: Benen-nen Sie konkret einen zeitnahen Termin mit Datum, Uhrzeit und Treffpunkt. Sor-gen Sie für eine ungestörte Atmosphäre. Steigen Sie trotz Ihres Ärgers positiv in das Gespräch ein, um eine kooperative Ebene zu schaffen, kommen Sie aber ohne große Umschweife zur Sache: „Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, ich möchte mit Ihnen über XY sprechen.“ Handelt es sich um eine selbst-bewusste Mitarbeiterin, können Sie gleich mit den Tatsachen fortfahren. Eine unsi-chere Person stabilisieren Sie für das Ge-spräch, indem Sie zunächst eine Anerken-nung aussprechen für das, was gut läuft. Benennen Sie dann aber zügig das Fehl-verhalten. Weisen Sie auf die Subjektivität Ihrer Wahrnehmung hin, indem Sie in der Ich-Form sprechen. Benennen Sie im ruhi-gen Ton ihre subjektive Reaktion auf das Geschehen, etwa „Darüber bin ich ent-täuscht.“ Geben Sie gleich danach der

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CME-Fortbildung onlineArzt & WirtschAft bie-tet für sie gemeinsam mit MedLearning kostenfreie fortbildun-gen, die wichtige themen rund um die Praxisführung abdecken. Die fortbildung „Erfolgreiche Mitar-beitergespräche“ ist mit zwei cME-Punkten zertifiziert.

Und so funktioniert’s:• Teil 1 der Fortbildung finden Sie in der Arzt & WirtschAft Ausgabe Oktober 2019.• Sie können die ganze Fortbildung im internet unter cme.medlearning.de/aw.htm einsehen und dort online absolvieren.

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Das Johari-Fenster

Öffentlich: alles, was eine Person von sich preis gibt.

Geheim: alles, was eine Person vor anderen verbirgt.

Blinder Fleck: alles, was eine Person aussendet, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Unbekannt: alles, was weder der Person noch anderen bekannt ist.

Quelle: Luft/Ingham, 1955

Öffentlich: alles, was eine Person von sich preis gibt.

Blinder Fleck: alles, was eine Person aussendet, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Geheim: alles, was eine Person vor anderen verbirgt.

Unbekannt: alles, was weder der Person noch anderen bekannt ist.

Mitarbeiterin Raum, um ihre Sicht der Dinge darzustellen. Hören Sie dabei aktiv zu: „Verstehe ich Sie folgendermaßen richtig? Sie haben XY gemacht, weil Ih-nen für Z die Ressourcen fehlten?“ Stellen Sie sicher, dass sich Ihre Mitarbeiterin über die Folgen ihres Verhaltens im Kla-ren ist. Vereinbaren Sie Maßnahmen zur Korrektur oder Schadensbegrenzung. Überlegen Sie gemeinsam, wie sich künf-tig ähnliche Ereignisse vermeiden lassen.

involvieren sie die kritisierte Person

Eine aktive Involvierung bleibt länger hängen als eine bloße Ansage und erhöht die Bereitschaft, das angemessenere Ver-halten umzusetzen. Visualisieren Sie des-sen positive Auswirkungen auf den Pra-xisablauf und auf den gemeinsamen Er-folg. Vereinbaren Sie ein Folgegespräch, um die Verbesserung zu kontrollieren und gegebenenfalls weitere Anpassungen vor-zunehmen. Signalisiert Ihre Mitarbeiterin Kooperationsbereitschaft, schließen Sie mit Zuspruch ab: „Ich glaube, wir haben hier gemeinsam einen guten Weg gefun-den. Vielen Dank.“ Ein wichtiges Ge-sprächsergebnis halten Sie in einer Notiz mit Datum und Unterschriften beider Ge-sprächspartner fest, um eine Gedanken-stütze – und falls bei weiterer Eskalation notwendig – eine rechtliche Basis zu ha-ben. Ihre Mitarbeiterin erhält die Kopie (Fleischer 2012).

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Praxis

Umgangsformen oder Eigenschaften wie Ehrgeiz. Als „geheim“ wird alles bezeich-net, was eine Person wissentlich vor ande-ren verbirgt, etwa eine herausfordernde private Situation. Zum „blinden Fleck“ gehören Verhaltensweisen und Merkmale, die der aussendenden Person nicht be-wusst sind, die andere jedoch bemerken. „Unbekannt“ sind Anteile, die weder der Person noch ihrem Umfeld bewusst sind. Mittels wertschätzendem Feedback be-kommen Einzelne im Team mehr Kennt-nis ihrer bisherigen blinden Flecken. Das trägt zur persönlichen Entwicklung sowie zu einer positiven Gruppendynamik bei.

Korrigieren sie die Beziehungsebene

Leider begegnet nicht jeder einer Kritik aufgeschlossen. Für den Fall, dass Ihre Mitarbeiterin einen Vorfall bestreitet, soll-ten Sie bereits vorher möglichst viele Fak-ten zusammentragen. Verschanzt sie sich hinter Rechtfertigungen, weisen Sie auf ihre Verantwortung hin (Kohfink 2015) und setzen sie den Fokus auf das positive Ziel dieses Gesprächs. Betonen Sie die gemeinschaftliche Linie, die Sie verfolgen möchten. Machen Sie ihr dennoch die Ernsthaftigkeit der Lage anhand der Fol-gen für die Praxis klar. Möglicherweise haben Sie auch den Eindruck, Sie stoßen auf taube Ohren, die Mitarbeiterin schal-tet auf „Durchzug“. Eine Variation dessen ist die sofortige, totale Unterwerfung, ohne dass die Mitarbeiterin ihre Sicht der Dinge schildern möchte: „Ja, Sie haben total Recht, kommt nie wieder vor“. Bei-

Eine MFA, die ungepflegt wirkt und stark nach Rauch riecht? Ma-chen Sie ihr die Wirkung auf die Patienten klar und schildern Sie, welche Auswirkungen dieses Verhalten auch auf Patienten hat.

Wer Konflikt- und Kritikgespräche auf die lange Bank schiebt, riskiert, dass sie eskalieren und Mitarbeiter innerlich oder auch wirklich kündigen.

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des kann auf eine Störung auf der Bezie-hungsebene hinweisen, möglicherweise auf mangelndes Vertrauen oder eine feh-lende Identifikation mit Ihrer Praxis. For-dern Sie Ihre Mitarbeiterin in diesem Fall erneut auf, ihre Sicht auf die Ereignisse zu schildern, um ins gemeinsame Arbeiten zu kommen. Vielleicht besteht auch ein Pro-blem innerhalb der Kolleginnen. Ist eine unzufrieden mit ihrer Rolle oder fühlt sich von anderen ausgebremst? Unter Umstän-den können Sie dann ein Treffen mit den anderen Angestellten moderieren, um den Austausch und die gemeinsame Suche nach Lösungen zu katalysieren.

vermeiden sie unnötige verunsicherung

Jemand, der kritisiert, befindet sich kom-munikativ in einer überlegenen Position. Das verleiht Macht – im Guten wie im Schlechten. Auch enttäuschtes Schweigen ist eine Form der Kommunikation. Es hat zur Folge, dass die Mitarbeiterin verun-sichert wird. Das auslösende Fehlverhal-ten wird von ihr vielleicht nicht als

Ursache für die Verstimmung identifiziert, sodass sie es weiter fortsetzt – und den Ablauf sowie die Stimmung zunehmend belastet. Wird eine Person hingegen „fer-tiggemacht“, führt dies ebenfalls zu Unsi-cherheit. Unter Umständen arbeitet sie danach weniger zuverlässig und langsa-mer als zuvor. Bleiben Sie mit Ihrer Kritik beim aktuellen Vorfall. Die geballten Unzufriedenheiten der letzten Monate würden überfordern und könnten der Mitarbeiterin das Gefühl vermitteln, „nichts richtig machen zu können“. Was bereits besprochen und verbessert wurde, wird nicht mehr aufgewärmt. Wer vieles nachträgt, kommt schlecht weiter. Erst wenn die Mitarbeiterin trotz wiederholter Entwicklungs- und Kritikgespräche be-reits angesprochenes Fehlverhalten wei-terhin zeigt, wird es schließlich Zeit, auf mögliche Konsequenzen hinzuweisen.

signalisieren sie Zuversicht

Fokussieren Sie bei Ihren Mitarbeiterge-sprächen, auch beim Kritikgespräch, die positive Entwicklung Ihrer Mitarbeiterin. Das stärkt die Beziehungsebene, fördert die Motivation, die Bindung und die Iden-tifikation der Mitarbeiterin mit der Pra-xis. Signalisieren Sie, dass Sie ihr bei ihren Bemühungen den Rücken stärken und dass Sie ihr die Verbesserung zutrauen. Sie wird Ihnen mit hoher Wahrscheinlichkeit offener und vertrauensvoller begegnen und größeren Einsatz zeigen. n

Deborah WeinbuchKommunikationswissenschaftlerin

Konflikten vorbeugen

Eine lohnenswerte führungsaufgabe ist die Konfliktprophylaxe. Klare zuständigkeiten und Kon-

takt zum team lassen sie rechtzeitig die Weichen stellen.