PraxisgerechtesBestimmender...

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tm 52 Technisches Messen 71 (2004) 2 © Oldenbourg Verlag Praxisgerechtes Bestimmen der Messunsicherheit nach GUM Klaus-Dieter Sommer, Landesamt für Mess- und Eichwesen Thüringen, Ilmenau, Bernd R.L. Siebert, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig Manuskripteingang: 19. November 2003; zur Veröffentlichung angenommen: 24. November 2003; Der von der ISO im Auftrag mehrerer internationaler Organisationen herausgegebene „Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement“, kurz GUM genannt, ist in den letzten Jahren ein weltweit akzeptierter Standard für die Bewertung und Angabe der Messunsicherheit geworden. Die entscheidenden Aufgaben der Messunsicherheitsbewertung nach GUM sind die Beschreibung der Messaufgabe, die Einschätzung der beteiligten Größen mithilfe von Wahrscheinlichkeitsverteilungen und das Aufstellen der Modellgleichung. Alle weiteren Verfahrensschritte folgen festen mathemati- schen Regeln und lassen sich daher rechnergestützt ausführen. Das Hauptproblem für den Praktiker ist das Aufstellen der Modellgleichung. Dafür wird im Beitrag ein GUM-konsistentes Verfahren gezeigt, das leicht an konkrete Messaufgaben angepasst werden kann. Damit lässt sich das GUM-Verfahren durchgängig als praxisgerechte, schrittweise abarbeitbare Prozedur darstellen und anwenden. Schlagwörter: Messunsicherheit, Wahrscheinlichkeits-Dichteverteilung,Modellgleichung, Unsicherheitsfortpflanzung, GUM Practical Determination of the Measurement Uncertainty under GUM During the last ten years, the “Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement” (GUM) has been recognized worldwide as the standard for the evaluation and expression of measurement uncertainty. The key points of the GUM procedure are the knowledge based description of the measu- rement, the evaluation of the input quantities involved by means of probability distributions, and the modelling of the measurement. All subsequent steps of the procedure can be carried out in accordance with specific mathematical rules using computers. For practitioners the modelling of the measurement is the most difficult problem of uncertainty evaluation. This paper presents a practical and versatile modelling concept which easily is applicable to most measurements performed. Uncertainty evaluation can therefore be completely described and carried out as a practical step-by-step procedure. Keywords: Measurement uncertainty, probability density function, uncertainty propagation, GUM

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Praxisgerechtes Bestimmen derMessunsicherheit nach GUM

K laus-D ieter Som m er, Landesam t für M ess- und Eichw esen Thüringen, Ilm enau,Bernd R.L. Siebert, Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschw eig

Manuskripteingang: 19. November 2003; zur Veröffentlichung angenommen: 24. November 2003;

Der von der ISO im Auftrag mehrerer internationaler Organisationen herausgegebene „Guide tothe Expression of Uncertainty in Measurement“, kurz GUM genannt, ist in den letzten Jahren einweltweit akzeptierter Standard für die Bewertung und Angabe der Messunsicherheit geworden. Dieentscheidenden Aufgaben der Messunsicherheitsbewertung nach GUM sind die Beschreibung derMessaufgabe, die Einschätzung der beteiligten Größen mithilfe von Wahrscheinlichkeitsverteilungenund das Aufstellen der Modellgleichung. Alle weiteren Verfahrensschritte folgen festen mathemati-schen Regeln und lassen sich daher rechnergestützt ausführen. Das Hauptproblem für den Praktiker istdas Aufstellen der Modellgleichung. Dafür wird im Beitrag ein GUM-konsistentes Verfahren gezeigt,das leicht an konkrete Messaufgaben angepasst werden kann. Damit lässt sich das GUM-Verfahrendurchgängig als praxisgerechte, schrittweise abarbeitbare Prozedur darstellen und anwenden.

Schlagwörter: Messunsicherheit, Wahrscheinlichkeits-Dichteverteilung, Modellgleichung,Unsicherheitsfortpflanzung, GUM

Practical Determination of theMeasurement Uncertainty underGUMDuring the last ten years, the “Guide to the Expression of Uncertainty in Measurement” (GUM)has been recognized worldwide as the standard for the evaluation and expression of measurementuncertainty. The key points of the GUM procedure are the knowledge based description of the measu-rement, the evaluation of the input quantities involved by means of probability distributions, and themodelling of the measurement. All subsequent steps of the procedure can be carried out in accordancewith specific mathematical rules using computers. For practitioners the modelling of the measurementis the most difficult problem of uncertainty evaluation. This paper presents a practical and versatilemodelling concept which easily is applicable to most measurements performed. Uncertainty evaluationcan therefore be completely described and carried out as a practical step-by-step procedure.

Keywords: Measurement uncertainty, probability density function, uncertainty propagation, GUM

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1 EinführungDie Messunsicherheit charakterisiert die Güte vonMessergebnissen. Ihre Kenntnis ist Voraussetzungsowohl für die Vergleichbarkeit und Akzeptanz vonMessergebnissen als auch für Entscheidungen, dieauf der Grundlage von Messergebnissen zu treffensind [1; 2]. Mess- und Kalibrierergebnisse können dahernur dann als vollständig und akzeptabel angesehenwerden, wenn sie eine Angabe der Messunsicherheitenthalten.

Für die Bewertung und Angabe der Messunsi-cherheit hat sich in den letzten Jahren der von derinternationalen Standardisierungsorganisation ISO imAuftrag mehrerer internationaler Organisationen her-ausgegebene „Guide to the Expression of Uncertaintyin Measurement“, kurz GUM [3], als internationalakzeptierter Standard durchgesetzt. In deutscher Spracheist der GUM als Vornorm DIN V ENV 13005 „Leit-faden zur Angabe der Unsicherheit beim Messen“ [4]erschienen.

Aus der Sicht der klassischen Fehlerrechnungkommt das Verfahren der Messunsicherheitsbewertungnach GUM einem Paradigmenwechsel gleich: Die wich-tigsten Teilaufgaben der Messunsicherheitsberechnung,basierend auf den vorhandenen Kenntnissen über dieMessung, sind:• das Modellieren der Messung zum Aufstellen des

mathematischen Zusammenhangs zwischen derMessgröße und den relevanten Eingangsgrößen,sowie

• das Einschätzen dieser Eingangsgrößen mithilfe vonWahrscheinlichkeits-Dichteverteilungen.

Das sind aber auch die Teilaufgaben, die ohne weitereAufbereitung dem Praktiker gelegentlich Probleme be-reiten und damit einer breiteren Anwendung des GUMentgegenstehen. Insbesondere betrifft diese Feststellungdie Modellbildung, d.h. das Aufstellen des Modells derAuswertung.

Der vorliegende Beitrag geht zunächst auf die derMessunsicherheitsbewertung und -fortpflanzung zu-grunde liegenden mathematischen Zusammenhängeein und zeigt dann, dass sich das Verfahren der Mess-unsicherheitsbestimmung nach GUM vollständig undkonsistent, d.h. einschließlich der Modellbildung, alspraxisgerechte, schrittweise abarbeitbare Prozedurdarstellen und anwenden lässt.

2 Grundlegendemathematische undmesstechnischeZusammenhänge

2.1 Ursache und Wirkung bei einerMessung

Die Anzeige eines Messgerätes ist in der Regel nichtnur abhängig von der an seinem „Eingang“ wirkendenGröße, für deren Messung es konzipiert und gebautwurde, sondern auch von einer Reihe weiterer (äußerer)Einflussgrößen, z.B. der Umgebungstemperatur, und(innerer) Geräteparameter, z.B. dem Alterungszustand.

Bild 1 verdeutlicht an einem ursprünglich vonKessel [5] entwickelten (vereinfachten) Beispieleiner direkten Wägung diese Ursache-Wirkung-Betrachtungsweise: Die Anzeige wird sowohl vonder zu messenden GrößeWX als auch von derUnvollkommenheit ihrer „Einkopplung“ in dasMessgerät (symbolisiert durch die AbweichungδWCPL (H, ta, pa, . . .)) – z.B. infolge des Einflussesmagnetischer Felder oder des Luftauftriebes – sowie denrealen Messgeräteeigenschaften (symbolisiert durch dieMessabweichung des Messgerätes∆WINSTR) bestimmt.

Mathematisch kann der in den Bildern 1(a) und (b)dargestellte Ursache-Wirkung-Zusammenhang durchdie funktionale AbhängigkeitX1 = h (Y, X2, X3) aus-gedrückt werden. Invertieren dieser Gleichung führtzum ZusammenhangY = f (X1, X2, X3), der üblicher-weise als Modell der Auswertung bezeichnet wird. Inallgemeiner Form wird das Modell

Y = f (X1, X2, . . . , X N ) (1)

geschrieben. Es repräsentiert die Kenntnisse über dasMessverfahren und insbesondere das ,,Wirken“ derGrößenX1, X2, . . . , X N auf die MessgrößeY . Ausdieser Sicht heraus werden die GrößenX1, X2, . . . , X N

auch als Eingangsgrößen bezeichnet.Ziel der Messunsicherheitsbewertung ist es nun,

die (stets unvollständigen) Kenntnisse über die Ein-gangsgrößenXi in geeigneter Weise mathematischeinzuschätzen, um dann über den als Modell-gleichung (1) aufzustellenden Zusammenhang vonEingangsgrößen und Messgröße zu einer vernünftigenquantitativen Aussage über die Messgröße und die ihrbeizuordnende Messunsicherheit zu gelangen.

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Bild 1: (a) Vereinfachtes Beispiel einer direktenBestimmung eines unbekannten Wägewertes,(b)Darstellung des zugehörigen Ursache-Wirkung-Zusammenhangs als Graph,(c) Mathematischdargestellter Ursache-Wirkung-Zusammenhang.Symbole:WX – Messgröße (Wägewert des Ge-wichts);δWCPL – Abweichung aufgrund derunvollkommenen Kopplung der Messgröße mitdem Messgerät,WINDX – angezeigte Größe;∆WINSTR – Messabweichung der Waage;WS –Normalgewicht;H – magnetische Feldstärke;ta –Lufttemperatur;pa – Luftdruck.Figure 1: (a) Simplified example of a directdetermination of an unknown weighing value,(b) Graph of the respective cause-and-effect re-lationship,(c) Cause-and-effect relationship inmathematical terms. Symbols:WX – measurand(weighing value of the unknown weight);δWCPL

– deviation due to the incomplete coupling ofthe measurand with the scale;WINDX – indicatedquantity;∆WINSTR – instrumental error of thescale;WS – standard weight;H – magnetic fieldstrength;ta – air temperature;pa – air pressure.

2.2 Einschätzen derEingangsgrößen

Es ist eine jedem Messtechniker bekannte Tatsache, dassMessprozesse niemals vollkommen beherrscht werdenund dass die Parameter (Arbeitspunkte, Einflussgrö-ßen etc.) einer Messung niemals vollständig bekanntsind. Das ist sowohl in der physikalischen Natur derSache als auch in den unvollkommenen Mitteln zurBeobachtung und Beschreibung begründet.

Demzufolge kann eine messbare Größe niemals nurdurch einen einzigen Wert charakterisiert werden.

Gemäß dem GUM-Konzept [3; 4] werden die stetsunvollständigen Kenntnisse über die Verteilung derWerte einer EingangsgrößeXi mittels Zuweisung einer

Wahrscheinlichkeitsdichte-Verteilungsfunktion(PDF) gXi (ξi) beschrieben, wobeiξi die möglichenWerte sind, die die GrößeXi annehmen kann.

Der Erwartungswert der PDF wird als besterSchätzwert für den Wert der Größe verwendet (sieheGleichung (2)), und seine Standardabweichung ist diedem Erwartungswert beigeordnete Standardunsicherheituxi (siehe Gleichung (3)):

xi = E[Xi ] =+∞∫

−∞gXi(ξi)ξidξi (2)

uxi = {E[(Xi − xi)2]}1/2

=

+∞∫−∞

gXi (ξi) (ξi − xi)2 dξi

1/2

(3)

Anmerkung: Die hier gewählte Schreibweise weichtvon der des GUM ab, worin die dem Erwartungswertxi beigeordnete Messunsicherheit alsu (xi) geschriebenwird. Um nicht den Eindruck zu erwecken, es han-dele sich um eine funktionale Abhängigkeit, wird dieSchreibweiseuxi bevorzugt.

Mit dem o.g. Ansatz werden die PDFs zu Trägernder Information über die Eingangsgrößen.

Es erhebt sich nun die Frage, wie man die pas-senden PDFs auswählt, damit sie die vorhandenen(unvollständigen) Kenntnisse über die Größen vernünf-tig reflektieren. Die Antwort liegt in der Anwendungdes Prinzips der maximalen Informationsentropie(PME) [6; 7]. Dieses Prinzip führt zum Beispiel• zu einer rechteckförmigen PDF, wenn bekannt ist,

dass die Werteξi der GrößeXi in einem Intervallenthalten sind (Beispiele: vorgegebene Toleranzen,Fehlergrenzen, digitale Auflösung), oder

• zu einer Gauß’schen Normalverteilung, wenn einbester Schätzwertxj = E

[X j]

und eine beigeordneteStandardunsicherheitux j bekannt sind (Beispiele:Angabe eines Kalibrierergebnisses, Ergebnis einerstatistischen Analyse, ausgedrückt in Mittelwert undStandardabweichung).Wenn zu einer (meist vage) bekannten PDF über die

zu messende Größe zusätzliche oder neue Kenntnissezur Verfügung stehen, z. B. über die Häufigkeitsver-teilung der von einem Messgerät angezeigten Werte,so wird die sich daraus ergebende Änderung der ur-sprünglichen PDF (“Prior PDF”) durch das Bayes’scheTheorem [7; 8] beschrieben.

In der praktischen Anwendung des GUM reduzierensich die o. a. Zusammenhänge auf die Anwendungder Methoden Typ-A und Typ-B zur Einschätzung derEingangsgrößen bzw. auf die Berücksichtigung von(weiteren) Einflüssen über die Regeln der Unsicher-heitsfortpflanzung (siehe Abschnitte 2.3 und 3). Eine

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direkte Anwendung des Bayes’schen Theorems gibt esim GUM derzeit nicht.

2.3 Erwartungswert undzugeordnete Unsicherheit zurAusgangsgröße

Nach den gleichen Regeln wie für die Eingangsgrößenlassen sich aus der PDF der Ausgangsgröße, d.h. derMessgröße, der Erwartungswerty = E[Y ] und die ihmbeigeordnete Messunsicherheituy ableiten:

y =+∞∫

−∞gY (η) ηdη (4)

uy =

+∞∫−∞

gY (η) (η− y)2 dη

1/2

(5)

Dabei sindη die möglichen Werte, die dieAusgangsgrößeY annehmen kann.

Allerdings führt das bekannte Standard-GUM-Verfahren [3; 4] nicht zur Kenntnis der PDFgY (η) zurAusgangsgröße. Wie diese mithilfe der Monte-Carlo-Technik ermittelt werden kann, zeigt der Beitrag vonSiebert und Sommer in diesem Heft [9].

Das Standard-GUM-Verfahren [3; 4] geht einen an-deren, den klassischen Weg. Es verwendet die Methodeder Gauß’schen Messunsicherheitsfortpflanzung:

Die Modellgleichung (1) bildet die Grundlagefür die Berechnung des Erwartungswertes der Aus-gangsgrößey = E[Y ], indem die Erwartungswerte derEingangsgrößen in die Modellgleichung eingesetztwerden:

y = f (x1, x2, . . . , xN ) (6)

Bild 2: Konzept des Standard-GUM-Verfahrens auf der Basis der Gauß’schen Unsicherheitsfortpflanzung.Figure 2: Concept of the Standard-GUM procedure based on Gaussian uncertainty propagation.

mit x1 = E[X1] , x2 = E[X2] und xN = E[X N ].Die Messunsicherheitsfortpflanzung beruht auf den

Regeln der klassischen Gauß’schen Fehlerfortpflanzung.Dabei werden die Abhängigkeiten der Ausgangsgrößevon den Eingangsgrößen mittels einer linearen Taylor-Reihenentwicklung erfasst. Es wird vorausgesetzt, dasszumindest in schmalen Bereichen um die Erwartungs-werte der Größen, d.h. um ihre Arbeitspunkte, dieZusammenhänge von Ausgangs- und Eingangsgrößendurch ein lineares Modell beschrieben werden können.Diese Zusammenhänge entsprechen den ersten partiellenAbleitungen∂ f/∂xi = ∂ f/∂Xi |xi , die im GUM auch alsEmpfindlichkeitskoeffizientenci bezeichnet werden.

Die der Ausgangsgröße beizuordnende Standard-Messunsicherheit ergibt sich damit zu

uy =

N∑i=1

(∂ f

∂xi

)2

u2xi +2

N−1∑i=1

N∑j=i+1

∂ f

∂xi

∂ f

∂xjuxix j

1/2

=

N∑i=1

c2i u2

xi +2N−1∑i=1

N∑j=i+1

cicjuxix j

1/2

(7)

mit uxix j = uxi ·ux j · r(xi; xj

)als geschätzte Ko-

varianz der GrößenXi und X j undr(xi; xj

)als

Korrelationskoeffizient.Es ist aber stets zu beachten, dass aufgrund der

Beschränkung der Taylor-Reihenentwicklung auf dielinearen Glieder das Standard-GUM-Verfahren nurauf lineare oder quasi-lineare Modelle bzw. auf denjeweiligen Arbeitspunkt fokussierte Modelle anwendbarist. Im Falle nichtlinearer Zusammenhänge kann derWeg der Monte-Carlo-Integration beschritten werden(siehe dazu den Beitrag von Siebert und Sommer indiesem Heft [9]).

Bild 2 illustriert das Konzept des Standard-GUM-Verfahrens auf der Grundlage der Gauß’schen

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Unsicherheitsfortpflanzung. Dabei wird ein zweiterSchwachpunkt dieses Konzepts neben der Beschränkungauf weitgehend lineare Modellzusammenhänge deutlich:Die Berechnung der erweiterten MessunsicherheitUy(P) (siehe Abschnitt 3) setzt eigentlich die Kennt-nisse der PDF der AusgangsgrößegY (η) voraus. Dadiese beim Verfahren der Gauß’schen Unsicherheitsfort-pflanzung nicht ermittelt wird, behilft sich der GUMmit der Vermutung einer weitreichenden Anwendbarkeitdes zentralen Grenzwertsatzes und berücksichtigt dieAuswertung von Wiederholungsmessungen (Ermitt-lungsmethode Typ-A) mit niedrigen Freiheitsgradendurch Anwendung der Student-Verteilung [3; 4]. In derMehrzahl der Anwendungsfälle hat sich diese Vorge-hensweise als ausreichend praktikabel erwiesen. ImBeitrag von Siebert und Sommer in diesem Heft [9]wird gezeigt, wie mithilfe der Anwendung von Monte-Carlo-Techniken die o.g. Probleme besser angegangenwerden können.

Das Standard-GUM-Verfahren und seine Grundlagenwurden in der deutschsprachigen Fachliteratur bereitsmehrfach beschrieben. Besonders erwähnt seien hier dieBeiträge von Wöger [6; 7] und von Kessel [10; 11].

3 Standard-GUM-Verfahren

Für die Praxis zeichnet sich das Standard-GUM-Verfahren vor allem durch folgende Vorteileaus:

Bild 3: Messunsicherheitsbestimmung nach dem Standard-GUM-Verfahren.Figure 3: Uncertainty determination in accordance with the Standard-GUM procedure.

• Es liefert ein konsistentes, schrittweise abarbeit-bares Verfahren zur Bewertung und Angabe derMessunsicherheit.

• Das Verfahren schließt die systematische Be-handlung von nichtstatistischer Informationein.

• Es eröffnet die Möglichkeit zu einer relativeinfachen computergestützten Messunsicherheits-berechnung und -budgetierung.

Bild 3 zeigt das hier in sieben Teilaufgaben gegliederteVerfahren des GUM in einer Übersicht.

Die Teilaufgaben im Einzelnen:(1) Darlegen der Kenntnisse über die Messung unddie Eingangsgrößen

Ausgangspunkt sind die vorhandenen Kenntnisseüber den Messprozess und die beteiligten Eingangsgrö-ßen (siehe z.B. Bild 1). Als beteiligte Eingangsgrößenseien alle die Größen bezeichnet, die das Messergebnisund die beigeordnete Messunsicherheit beeinflussenkönnen.

Kenntnisse können unterschiedlichen Quellenentstammen, es können u.a. sein:• Ergebnisse direkter Messungen;• Erfahrungswerte, subjektive Bewertungen;• Ergebnisse vorangegangener Auswertungen;• Werte aus Kalibrier-/Prüfscheinen;• Herstellerangaben;• Tabellen- /Literaturwerte.Die in den Kenntnissen enthaltene nützliche Informa-tion ist zu verdichten und ihr quantitativ auswertbarerGehalt, z.B. Bereichsgrenzen, Schätzwerte, Stan-

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dardabweichungen, in Tabellen- oder Listenformfestzuhalten.

Zur Messung selbst sind mindestens darzulegen:• die Messaufgabe und die ursächliche und die zu

messende Größe, z.B. Bestimmung des Wägewerteseines Gewichtes;

• das Messprinzip und die Messmethode;• die konkrete Ausgestaltung des Messverfahrens, ggf.

mit einer Skizze.(2) Modellieren der Messung

Das Modellieren der Messung ist eine der entschei-denden Aufgaben des GUM-Verfahrens und zugleichdie wohl schwierigste. Ziel des Modellierens ist dasAufstellen des mathematischen Zusammenhangs vonMessgröße einerseits und relevanten Eingangsgrö-ßen andererseits, d.h. des so genannten Modells derAuswertung (siehe Gl. (1)).

Modellierungsverfahren für die Messunsicherheits-bewertung auf der Basis der Ursache-Wirkung-Analyseder betrachteten Messung sind bereits von Bach-mair [12], Kessel [11] und Kind [13] vorgeschlagenworden. Das hier in Kurzform dargestellte Verfahrenbaut darauf auf. Es ist ausführlich von Sommer etal. [14–16] beschrieben worden.

Das Modellierungsverfahren selbst besteht auswiederum fünf elementaren Teilaufgaben [14–16], dieals weitere Untergliederung des in Bild 3 dargestelltenGUM-Verfahrens zu sehen sind. Diese Teilaufgabensind:(a) Darlegen der Kenntnisse über die Messung, Identi-

fikation der für die Anzeige des/der Messgeräte(s)ursächlichen Größen und der Messgröße sowieIdentifikation des Messprinzips, der gewähltenMessmethode, z.B. Substitutionsmethode, und Be-schreibung des Messverfahrens.Die erste Teilaufgabe (a) der Modellbildung istdamit identisch mit der ersten Teilaufgabe (1) desStandard-GUM-Verfahrens.

Bild 4: Graphische Darstellung des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs einer fiktiven idealen,d.h. „ungestörten“ Messung. Symbole:Y0 –Messgröße;X∗

IND – angezeigte Größe.Figure 4: Graphical depiction of the cause-and-effect relationship of a fictitious ideal(unperturbed) measurement. Symbols:Y0 –measurand;X∗

IND – indicated quantity.

(b) Graphische Darstellung des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs der fiktiven idealen, d.h.„ungestörten“ Messung (siehe Beispiel in Bild 4).

(c) Einbeziehung aller Unvollkommenheiten, externenEinflüsse und Auswirkungen unvollständig bekannterParameter in die Ursache-Wirkung-Darstellung derfiktiven idealen Messung.Die Einbeziehung der Unvollkommenheiten erfolgtvorzugsweise in Form von Abweichungen von dero.g. fiktiven idealen Messung (Bild 4).Aus der graphischen Darstellung (siehe Bild 5)ist dann der mathematische Ursache-Wirkung-Zusammenhang der realen Messung abzuleiten,z.B.:

X IND = h (Y0, δZSRC, δZTP, δZ IP,∆ZINSTR, δX IND)

(d) Identifikation und Berücksichtigung von Korrelatio-nen:• Einbeziehung von funktionalen Abhängigkeiten,

z.B. von Temperaturabhängigkeiten unter-schiedlicher Baugruppen/Geräteeinheiten in den

Bild 5: Beispiel: Graphische Darstellung desUrsache-Wirkung-Zusammenhangs einer rea-len Messung. Symbole:Y0 – Größe, die voneiner Maßverkörperung norminal geliefert wird;δZSRC – Abweichung aufgrund der unvollstän-digen Kenntnisse über die Maßverkörperung;δZTP (P) – Abweichung aufgrund der unvollkom-menen Kopplung der Maßverkörperung SRC mitdem Messgerät, z.B. infolge äußerer EinflüsseP; ∆ZINSTR – Messabweichung des Messgerätes;δZ IP (P) – Abweichung aufgrund der Suszeptibi-lität des Anzeigegerätes auf äußere EinflussgrößenP; δXIND – Abweichung aufgrund der begrenztenAuflösung des Messgerätes.Figure 5: Example: Graphical depiction of thecause-and-effect relationship of a real measure-ment. Symbols:Y0 – quantity norminally providedby the material measure;δZSRC – deviation due tothe incomplete coupling of the material measureSRC with the measuring instrument, e.g. due toexternal influencesP; ∆ZINSTR – instrumentalerror of the measuring instrument;δZ IP (P) – de-viation due to the susceptibility of the instrumentto external influencesP; δXIND – deviation due tothe limited resolution of the instrument.

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Ursache-Wirkung-Zusammenhang der realenMessung (siehe Schritt c), oder

• Berücksichtigung von (geschätzten oder experi-mentell bestimmten) Korrelationskoeffizienten,z.B. den Korrelationskoeffizienten von zweigemeinsam kalibrierten Gewichten, bei derAusführung der Unsicherheitsfortpflanzung(siehe Gl. (7)).

(e) Invertieren des mathematischen Ursache-Wirkung-Zusammenhangs der realen Messungin die Modellgleichung, z.B. (siehe Schritt (c))Y0 = f (X IND, δX IND,∆ZINSTR, δZTP, δZ IP, δZSRC),oder allgemein formuliert:

Y = h−1 (X1, X2, . . . , X N ) = f (X1, X2, . . . , X N )

(8)

Es sei angemerkt, dass die letztgenannte Umformungzuweilen einige Probleme bereiten kann.

Wie aus den Bildern 4 und 5 bereits erkennbar ist,werden für die Modellierung der Ursache-Wirkung-Zusammenhänge nur drei Modellierungskomponentenverwendet [5; 14; 15]:• Parameterquellen SRC: Sie liefern oder re-

produzieren eine messbare Größe, z.B. dieMessgröße.

Bild 6: Illustration der beiden Methoden (Methode Typ-A und Methode Typ-B) zur quantitativen Einschätzungder relevanten Eingangsgrößen. Symbole:x = E[X] – Erwartungswert der GrößeX; ux – dem Erwartungswertx beigeordnete Standardunsicherheit;q1, q2, . . . , qN – Einzelbeobachtungen;s (qk) – Standardabweichung derEinzelbeobachtung.Figure 6: Illustration of the methods type-A and type-B for quantitative evaluation of the relevant input quanti-ties. Symbols:x = E[X] – expectation value of the quantityX; ux – uncertainty associated with the expectationvaluex; q1, q2, . . . , qN – single observations;s (qk) – standard deviation of the single observation.

• Transformationseinheiten TRANS: Sie repräsen-tieren alle Arten der Parameterverarbeitung und-beeinflussung, z.B. Verstärkung oder (ungewollte)Dämpfung.

• Anzeigeeinheiten: Sie zeigen ihre Eingangsgrößenan.

Fast alle Messungen und Kalibrierungen lassen sichauf nur wenige Grundstrukturen der Ursache-Wirkung-Zusammenhänge zurückführen. In Abschnitt 5 werdenwichtige Grundstrukturen vorgestellt.(3) Einschätzen der relevanten Eingangsgrößen

Die dritte Teilaufgabe des GUM-Verfahrens (sieheBild 3) erfordert wie der zweite Schritt die Anwendungvon Fachwissen und eine professionelle Beurteilung dervorliegenden Kenntnisse.

Ziel der quantitativen Einschätzung der am Mess-ergebnis beteiligten Größen ist die Zuweisung jeweilseines Erwartungswertesxi = E[Xi ] und einer diesemzugeordneten Standardunsicherheituxi zu jeder relevan-ten EingangsgrößeXi . Der GUM unterscheidet zweiMethoden zur Einschätzung der Eingangsgrößen:• Ermittlungsmethode Typ-A, die auf einer statis-

tischen Analyse von Beobachtungsreihen basiert,und

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Tabelle 1: Korrespondenz von Kenntnissen und zuzuordnender Verteilung (PDF) nach dem Prinzip der ma-ximalen Entropie(PME) sowie Berechnung von Erwartungswerten und Standardunsicherheiten für dieseVerteilungen.Table 1: Correspondence between given knowledge and probability distribution (PDF) to be assigned in ac-cordance with the principle of maximum information entropy(PME) and related calculations of the respectiveexpectation values and standard uncertainties.

• Ermittlungsmethode Typ-B, die alle weiteren Wegezur Einschätzung der Größen umfasst.

Beide Methoden benutzen Wahrscheinlichkeits-Dichteverteilungen (PDF), um die jeweils differenziertenKenntnisse über die GrößenXi quantitativ zubeschreiben (siehe Abschnitt 2).

Bild 6 illustriert die beiden Methoden zur Ermittlungder Erwartungswerte und Standardunsicherheiten.

Tabelle 1 gibt einen Überblick über wichtigeKorrespondenzen von Kenntnissen und Verteilungen(PDF) sowie die Berechnung des jeweils zuge-hörigen Erwartungswertes und der beigeordnetenStandardunsicherheit.

Alle weiteren Teilaufgaben des Standard-GUM-Verfahrens folgen festen mathematischen Regeln undkönnen daher rechnergestützt unter Verwendung einerentsprechend programmierten Software ausgeführt wer-den. Ein Beispiel für solche GUM-konforme Softwareist die GUM-Workbench [17].(4) Kombinieren der Erwartungswerte und derStandardunsicherheiten

Ziel der vierten Teilaufgabe (siehe Bild 3) ist es,den Erwartungswerty der MessgrößeY und die bei-

geordnete Standardunsicherheituy zu berechnen. DieBerechnung des Erwartungswertes der Ausgangsgrößeerfolgt gemäß Gleichung (6). Die Gauß’sche Unsicher-heitsfortpflanzung ist als Gleichung (7) im Abschnitt 2.3angegeben. Die Lösung beider Gleichungen setzt dieKenntnis der Modellgleichung (1) voraus.

Im Falle korrelierter Größen sind für den Kor-relationskoeffizienten entweder Erfahrungswerte zuverwenden oder er ist mittels statistischer Analyseaus Experimenten zu bestimmen [3; 4]. Korrelationenkönnen insbesondere dann vernachlässigt werden, wennbekannt ist, dass sie nur schwach ausgeprägt sind oderdie korrelierten Unsicherheitsbeiträge nur einen gerin-gen Einfluss auf die Gesamtmessunsicherheit besitzen.Sind die funktionalen Zusammenhänge der korreliertenGrößen bekannt, ist es oft möglich, sie in die Modell-gleichung „einzubauen“, womit ihre Berücksichtigungbei der Unsicherheitsfortpflanzung hinfällig wird.(5) Bestimmen der erweiterten Messunsicherheit

Die erweiterte Messunsicherheit ist definiert als dieHalbweite eines Intervalls

Iy = [y −Uy; y +Uy

], (9)

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das mit einer ÜberdeckungswahrscheinlichkeitP vonmindestens 95% den überwiegenden Anteil der Werteenthält, die aufgrund der vorhandenen Kenntnisse demMessergebnis vernünftigerweise zugeordnet werdenkönnen [3; 4]. Bild 7 illustriert das solchermaßenbeschriebene Intervall. Die erweiterte Messunsicher-heit Uy wird durch Multiplikation der zugehörigen(kombinierten) Standardmessunsicherheituy miteinem ErweiterungsfaktorkP berechnet. Dabei istunter Berücksichtigung der Art der Verteilung derWerte (Wahrscheinlichkeitsverteilung PDF), die derErgebnisgrößeY zugeordnet werden können, der Erwei-terungsfaktor so zu wählen, dass mit dem o.g. IntervallIY stets eine ÜberdeckungswahrscheinlichkeitP ≥ 95%assoziiert wird:

Uy(P) = uy · kP (10)

Zur Erinnerung: Der Werty wird als Erwartungswertder GrößeY bezeichnet und ist ihr bester Schätzwert.Auf die Diskussion der Berücksichtigung des sog.effektiven Freiheitsgrades, die sich insbesondere bei sta-tistischen Auswertungen von Wiederholungsmessungennach der Ermittlungsmethode Typ-A erforderlich macht,wird hier verzichtet, da sie in der Primärliteratur klarbeschrieben ist [3; 4].(6) Angeben des vollständigen Messergebnisses

Ein vollständiges Messergebnis sollte gemäß GUMin der Form

Y = y ±Uy (11)

angegeben werden [3; 4]. Zusätzlich ist in jedem Falldie Angabe des gewählten Erweiterungsfaktorskp

erforderlich, da nicht notwendigerweise von einer Nor-malverteilung ausgegangen werden kann.(7) Angeben und Bewerten des Unsicherheits-Budgets

Den o.a. sechs Teilaufgaben zum Bewerten undAngeben der Messunsicherheit sollte im Prüfmittelma-nagement und in der Prüfmittelüberwachung folgerichtigals siebente Teilaufgabe das Angeben und Bewerten desMessunsicherheits-Budgets folgen.

Bild 7: Erweiterte Messunsicherheit alsWerteintervall. Symbole siehe Text.Figure 7: Expanded measurement uncertaintyillustrated as an interval. Symbols: see text.

Aus der konsequenten Anwendung des Standard-GUM-Verfahrens erhält man zwangsläufig einMessunsicherheitsbudget, und dieses liefert alleerforderlichen Informationen zur Bewertung undVerbesserung des analysierten Messprozesses.

Das Messunsicherheitsbudget soll spaltenweisemindestens folgende Angaben enthalten:• die Bezeichnungen der GrößenXi , z.B.

Umgebungstemperatur;• wichtige verdichtete Kenntnisse über die Grö-

ßen, z.B. das Intervall der Werte, die eine Größeannehmen kann;

• die den Größen zugeordneten Verteilungen (PDF)• die Erwartungswerte der Größen,xi = E[Xi ];• die beigeordneten Standardunsicherheiten,uxi =√

Var[Xi ];• die Empfindlichkeitskoeffizienten,ci = ∂ f/∂xi ;• sowie als entscheidende Werte zur Bewertung der

Ursachen und Beiträge zur Gesamtmessunsicherheitdie Standard-Unsicherheitsbeiträge zu den relevantenEingangsgrößen,uiy = ci ·uxi

4 Messmethoden undModellstrukturen

Die Struktur und die Abfolge der Komponenten inder graphischen Darstellung eines Ursache-Wirkung-

Bild 8: Generische Struktur des stationärenUrsache-Wirkung-Zusammenhanges einer di-rekten Messung. Symbole:X SRC – Messgröße;ZT1, . . . , ZTm – zusätzliche Eingangsgrö-ßen der Transformationseinheiten TRANS1,. . . , TRANSn, z.B. Verstärkungsfaktoren;XINDX – angezeigte Größe;∆ZINSTR (PMess) –Messabweichung der Anzeigeeinheit bei denMessbedingungenPMess; Koppelbedingung:XTINn = XTOUTn−1.Figure 8: Generical structure of the cause-and-effect relationship of a direct measurement.Symbols:X SRC – measurand;ZT1, . . . , ZTm – ad-ditional input quantities of the transforming unitsTRANS1, . . . , TRANSn, e.g. amplification fac-tors; XINDX – indicated quantity;∆ZINSTR (PMess)

– instrumental error of the indicating unit at theoperating conditionsPMess; chaining condition:XTINn = XTOUTn−1.

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Bild 9: Generische Struktur des stationärenUrsache-Wirkung-Zusammenhangs einer Ka-librierung durch direkten Vergleich von zweianzeigenden Messgeräten. Symbole:X SRC –von der Parameterquelle SRC gelieferte Größe;TRANSX – Transformationseinheit desX-Pfades; TRANSS – Transformationseinheit desS-Pfades; INDX – zu kalibrierende(s) Messge-rät/Anzeigeeinheit; INDS – anzeigendes Normal;ZTX1, . . . , ZTXl und ZTS1, . . . , ZTSn – zusätzlicheEingangsgrößen der Transformationseinheiten,z.B. Übertragungsfaktoren;∆Z INSTRX(PC AL ) –Messabweichung des zu kalibrierenden Messge-rätes (Messgröße) bei den KalibrierbedingungenPC AL ; ∆Z INSTRS(PC AL ) – Messabweichung desverwendeten Normals;XINDX – Anzeige des zukalibrierenden Messgerätes;X INDS – Anzeige desNormalsFigure 9: Generical structure of the steady-statecause-and-effect relationship of calibrations bydirect comparison of two indicating instruments.Symbols:X SRC – quantity provided by the para-meter source SRC; TRANSX – transforming unitof the X-path; TRANSS – transforming unit ofthe S-path; INDX – instrument to be calibrated;INDS – indicating standard;ZTX1, . . . , ZTXl

andZTS1, . . . , ZTSn – additional input quantitiesof the transforming units, e.g. transformationfactors;∆Z INSTRX(PC AL) – instrumental errorof the instrument to be calibrated (measurand)at calibration conditionsPC AL ; ∆Z INSTRS(PC AL )

– instrumental error of the standard used;XINDX

– indication of the instrument to be calibrated;X INDS – indication of the standard used.

Zusammenhanges werden grundsätzlich von derverwendeten Messmethode [18] bestimmt [5; 14–16].

Die am häufigsten eingesetzten Messmethoden• direkte Messung (Beispiel: siehe Bild 1),• direkter Vergleich anzeigender Messgeräte (Beispiel:

siehe Bild 12),• Substitution von Maßverkörperungen (Beispiel: siehe

Illustration in Bild 11 [14]), lassen sich mit den inden Bildern 8 bis 10 gezeigten verallgemeinerten(generischen) Grundstrukturen darstellen.

Bild 10: Generische Struktur des stationärenUrsache-Wirkung-Zusammenhangs einer mittelsSubstitution durchgeführten Kalibrierung. Sym-bole: SRCX – zu kalibrierende Maßverkörperung;SRCS – als Normal verwendete Maßverkörperung;X X0 – Größe, die nominal von der zu kalibrieren-den Maßverkörperung geliefert wird;X S0 – Größe,die nominal vom Normal geliefert wird;X SRCX

– tatsächlich von der zu kalibrierenden Maßver-körperung gelieferte Größe,X SRCS – tatsächlichvom Normal gelieferte Größe;∆ZSRCX – Messab-weichung der zu kalibrierenden Maßverkörperung(Messgröße);PC AL – Kalibrierbedingungen;∆ZSRCS (PC AL ) – Messabweichung des verwende-ten Normals; IND – Anzeigeeinheit (Komparator);∆ZINSTR (PC AL ) – Messabweichung des Kom-parators;ZTX1, . . . , ZTXl und ZTS1, . . . , ZTSn

– zusätzliche Eingangsgrößen der Transforma-tionseinheiten wie z.B. Übertragungsfaktorenund Abweichungen;∆XIND = XINDX − X INDS –Anzeigedifferenz zwischen der zu kalibrierendenMaßverkörperung und dem Normal.Figure 10: Generical structure of the steady-statecause-and-effect relationship of a calibration bysubstitution. Symbols: SRCX – material mea-sure to be calibrated; SRCS – standard materialmeasure;X X0 – quantity provided nominallyby the material measure to be calibrated;X S0

– quantity provided nominally by the standard;X SRCX – quantity actually provided by the ma-terial measure to be calibrated;X SRCS – quantityactually provided by the standard;∆ZSRCX –instrumental error of the material measure tobe calibrated (measurand);PC AL – calibrationconditions;∆ZSRCS (PC AL ) – instrumental er-ror of the standard used; IND – indicating unit(comparator);∆ZINSTR (PC AL ) – instrumentalerror of the comparator;ZTX1, . . . , ZTXl andZTS1, . . . , ZTSn – additional input quantities ofthe transforming units, e.g. transformation factors;∆XIND = XINDX − X INDS – indication differencebetween the material measure to be calibrated andthe standard used.

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Bild 11: Beispiel: Illustration der Kalibrierungeines Gewichtes nach der Substitutionsmethodeunter Verwendung eines Massekomparators [14].Dabei wird aus der Differenz der Anzeigen fürPrüflinge und Normal∆WIND, aus dem bekann-ten Wägewert des Normals und allen weiterenrelevanten Kenntnissen über die Messung der Wä-gewert des Prüflings bestimmt. Die Anzeigedriftund der Einfluss der Nichtlinearität des Kompara-tors werden bei dieser Messmethode weitgehendeliminiert. Symbole:WS – (konventioneller)Wägewert des Normals;WX – (unbekannter)Wägewert des Prüflings (mögliche Messgröße).Figure 11: Example: Illustration of the calibrationof a weight according to the substitution methodusing a mass comparator [14]. It is the aim ofsubstitution to determine the weighing value ofthe material measure to be calibrated from theindication difference∆WIND, from the knownweighing value of the standard used and from allother relevant knowledge about the measurement.The drift of the comparator and its non-linearitymainly are being eliminated. Symbols:WS – weig-hing value of the standard used;WX – (unknown)weighing value of the instrument to be calibrated(possible measurand).

Die in den Bildern 8 bis 10 dargestellten generi-schen Strukturen bilden einen „Baukasten“. Die derangewendeten Messmethode zugeordnete Struktur lässtsich erfahrungsgemäß relativ einfach an die jeweiligekonkrete Mess- oder Kalibrieraufgabe anpassen.

5 Messunsicherheits-bewertung in der Praxisanhand eines Beispiels

Wie im Abschnitt 3 ausgeführt, sind die wichtigstenTeilaufgaben des Standard-GUM-Verfahrens das Darle-gen der Kenntnisse über die Messung und die relevanten

Eingangsgrößen, das Modellieren der Messung, welchesseinerseits in die fünf Teilaufgaben (a) bis (e) aufgeglie-dert werden kann, sowie das Einschätzen der relevantenEingangsgrößen unter Anwendung der Ermittlungsme-thoden Typ-A und Typ-B. Die weiteren Teilaufgaben(4) bis (6) können rechnergestützt ausgeführt werden,d.h. in der Praxis reduzieren sie sich auf die Eingabedes mathematischen Modells der Auswertung sowie derErwartungswerte und der beigeordneten Standardunsi-cherheiten (oder gleichwertiger Vorinformation, z.B.Verteilungstyp und -parameter) in den Computer.

Auf dieser Grundlage kann nun folgendes praxisori-entiertes, in Arbeitsschritte gegliedertes Verfahren zurErmittlung der Messunsicherheit angegeben werden:

1. Schritt: Darlegen der Kenntnisse über dieMessung und die relevanten Eingangsgrößen

Beispiel:• Messaufgabe: Kalibrieren eines Quecksilber-Glas-

Thermometers bei 20◦C• Messgröße: Messabweichung des zu kalibrierenden

Thermometers• Messmethode: Direkter Vergleich zweier anzeigender

Messgeräte

Bild 12: Beispiel: Kalibrierung eines Quecksilber-Glas-Thermometers (rechts) in einem WasserbadSymbole:tS – Temperatur am Normal;tX –Temperatur am zu kalibrierenden Thermometer,tINDS, tINDX – angezeigte Temperaturen.Figure 12: Example: Calibration of a mercury-in-glass thermometer in a water bath. Symbols:tS –temperature of the standard used;tX – temperatureof the thermometer to be calibrated;tINDS, tINDX –indicated temperatures.

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• Messverfahren: Vergleich zweier im Wasserbad ein-getauchter Quecksilber-Glas-Thermometer bei 20◦C(siehe vereinfachte Darstellung in Bild 12).

Bezüglich der relevanten Eingangsgrößen sei dasFolgende bekannt:• vom Normal angezeigte Temperatur; für diese

Größe liegen vier Beobachtungen mit folgendenWerten vor: 20,005◦C, 19,995◦C, 20,015◦C und20,010◦C.

• vom Prüfling angezeigte Temperatur: Für dieseGröße liegen vier Beobachtungen mit folgendenWerten vor: 19,85◦C, 19,86◦C, 19,87◦C und19,86◦C.

• Temperaturdifferenzen im Bad: Der Hersteller gibtmaximal mögliche radiale Temperaturdifferenzen imBad von±15·10−3 ◦C an.

• Messabweichung des Normals: Im Kalibrierscheinwird eine Messabweichung von−0,05◦C bei 20◦Cangegeben, der eine erweiterte Messunsicherheit von25·10−3 ◦C für einen Erweiterungsfaktorkp = 2beigeordnet wurde.

2. Schritt: Graphische Darstellung des Ursache-Wirkung-Zusammenhangs der fiktiven idealenMessung

Beispiel: Bild 13 zeigt die graphische Darstellungdes Ursache-Wirkung-Zusammenhangs der fiktivenidealen Messung für die in Bild 12 gezeigte Thermo-meterkalibrierung unter Verwendung der im Abschnitt 3angeführten Modellierungskomponenten.

3. Schritt: Einbeziehung aller Unvollkommenheitenin Form von Abweichungen in den fiktiven Ursache-Wirkung-Zusammenhang der idealen Messung.Ableiten des mathematischen Ursache-Wirkung-Zusammenhangs der realen Messung

Beispiel: Bild 14 zeigt den graphischenUrsache-Wirkung-Zusammenhang der realenThermometerkalibrierung. Einbezogen wurde dieTemperaturdifferenz zwischen Normal und Prüfling.

Aus der graphischen Darstellung (Bild 14)können folgende mathematische Ursache-Wirkung-Zusammenhänge abgeleitet werden:• für den X-Pfad:tINDX = tBad + δtBad +∆tX

• für denS-Pfad:tINDS = tBad +∆tS

4. Schritt: Identifikation und Berücksichtigung vonKorrelationen

Beispiel: Zur Vereinfachung des Kalibrier-Beispielssei angenommen, dass Korrelationen, z.B. aufgrund vonSchwankungen der Bad-Temperatur, vernachlässigbarsind.

5. Schritt: Invertieren des Ursache-Wirkung-Zusammenhanges der realen Messung zurModellgleichung

Ziel dieses Schrittes ist das Aufstellen des Modellsder Auswertung,Y = f (X1, X2, . . . , X N ).

Bild 13: Ursache-Wirkung-Zusammenhang derfiktiven idealen Messung für das Beispiel nachAbschnitt 5. Symbole:SRC – thermostatiertesWasserbad; TRANSX, TRANSS – Temperatur-gradienten im Bad; INDX – zu kalibrierendesThermometer; INDS – Normalthermometer;t∗INDX, t∗INDS – angezeigte Temperaturen;∆tX

– Messabweichung des zu kalibrierendenThermometers (Messgröße).Figure 13: Cause-and-effect relationship of thefictitious ideal measurement referring to the exam-ple of clause 5. Symbols:SRC – thermostattedwater bath; TRANSX, TRANSS – tempera-ture gradients in the above water bath; INDX –thermometer to be calibrated; INDS – standardthermometer;t∗INDX, t∗INDS – indicated temperatu-res;∆tX – instrumental error of the thermometerto be calibrated (measurand).

Bild 14: Ursache-Wirkung-Zusammenhang derrealen Messung für das Beispiel nach Abschnitt 5.Symbole: siehe Bild 13 und Text.Figure 14: Cause-and-effect relationship of thereal measurement referring to the example ofclause 5. Symbols: see Fig. 13 and text.

Beispiel: Zusammenfassen und Invertierender im 3. Schritt aufgegliederten mathematischenUrsache-Wirkung-Zusammenhänge führt zu folgen-dem Modell der Auswertung für das Beispiel derThermometerkalibrierung:

∆tX = tINDX − tINDS +∆tS − δtBad

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6. Schritt: Einschätzen der relevanten Eingangsgrö-ßen

Ziel des 6. Schrittes ist die Zuweisung einerWahrscheinlichkeitsverteilung (PDF) sowie – davonabgeleitet – von Erwartungswertxi und beigeordneterStandardunsicherheituxi zu jeder EingangsgrößeXi .

Beispiel: Die relevanten Eingangsgrößen sind dieauf der rechten Seite der Modellgleichung stehendenGrößentINDX , tINDS,∆tS undδtBad (Bedeutung sieheoben).

Aufgrund der im ersten Schritt angegebenen Kennt-nisse über die Größen kommt man zu folgendenquantitativen Einschätzungen:• vom Prüfling angezeigte TemperaturtINDX :

Ermittlungsmethode: Typ-A (4 Beobachtungen)PDF: gaußförmig (PME)

Erwartungswert:1nn∑

k=1tINDXk = 19,86000◦C

Standardunsicherheit:s/√

n = 4,08·10−3 ◦CFreiheitsgrad:n −1= 3

• vom Normal angezeigte TemperaturtINDS:Ermittlungsmethode: Typ-A (4 Beobachtungen)PDF: gaußförmig (PME)

Erwartungswert:1nn∑

k=1tINDSk = 20,00625◦C

Standardunsicherheit:s/√

n = 4,27·10−3 ◦CFreiheitsgrad:n −1= 3

• Temperaturabweichung des BadesδtBad :Ermittlungsmethode: Typ-B (nicht statistisch)PDF: rechteckförmig

Tabelle 2: Messunsicherheitsbudget zum dargestellten Kalibrierbeispiel (siehe Abschnitt 5).Table 2: Uncertainty budget referring to the presented example (see clause 5).

Erwartungswert: 0Standardunsicherheit:∆a/

√3 = 8,65·10−3 ◦C

Freiheitsgrad:∞• Messabweichung des Normals∆tS

Ermittlungsmethode: Typ-B (nicht statistisch)PDF: gaußförmig (PME)Erwartungswert:∆tS = −0,05◦CStandardunsicherheit:U/kP = 19,50·10−3 ◦CFreiheitsgrad:≥ 50

7. Schritt: Eingabe der Modellgleichung sowie derErwartungswerte und Standardunsicherheitenin den Computer. Rechnergestütztes Berech-nen des vollständigen Messergebnisses und desMessunsicherheits-Budgets

Die der computergestützten Berechnung zugrundeliegenden mathematischen Zusammenhänge sind in denAbschnitten 2.3 und 3 dargelegt.

Anstelle von Erwartungswerten und Standardunsi-cherheiten können auch Vorinformationen mit gleichemInformationsgehalt, z.B. Verteilungstyp und -parameter,in den Computer eingespeist werden.

Beispiel: Das aufgrund der o.a. Eingaben berech-nete vollständige und gerundete Messergebnis für dieThermometerkalibrierung wird (gerundet) wie folgtaussehen:

∆tX = −0,196◦C±0,033◦C (ErweiterungsfaktorkP = 2)

Das resultierende Messunsicherheitsbudget ist inTabelle 2 wiedergegeben.

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8. Schritt: Bewerten des Ergebnisses und desUnsicherheits-Budgets

Beispiel: Die erweiterte Messunsicherheit, diedem Ergebnis der Thermometer-Kalibrierung beige-ordnet werden kann, bewegt sich in einer realistischenGrößenordnung.

Die dominierenden Messunsicherheitsbeiträge rüh-ren vom verwendeten Normal und vom Bad her. Dasbietet bedarfsweise gute Ansätze zur Verringerung derKalibrierunsicherheit.

6 SchlussfolgerungDas Verfahren des GUM gestattet eine praxisgerechte,schrittweise durchführbare Bestimmung der Messun-sicherheit. Auch die vom Praktiker kritisch gesehene,erforderliche Modellierung der Messung lässt sich inVerfahrensschritte aufgliedern und formalisieren. Dafürwird ein GUM-konsistentes Verfahren angegeben.

Vorteilhaft ist weiterhin, dass sich gerade diemathematisch anspruchsvolleren Teilaufgaben desGUM-Verfahrens computergestützt ausführen lassen.Dies eröffnet auf der Basis einmal modellierter Mess-und Kalibrierverfahren die Möglichkeit, eine effektiveAnalyse sowie Anpassung und Fortentwicklung vonMess- und Kalibrierverfahren durchzuführen.

DanksagungViele der im vorliegenden Beitrag dargestellten Lö-sungsansätze und Konzepte entspringen der Arbeit desPTB/DIN-Arbeitskreises „Umsetzung des GUM“. DieAutoren möchten sich an dieser Stelle für die vielfälti-gen und fruchtbaren Diskussionen und Anregungen beiihren Kollegen Prof. Dr.-Ing. M. Dietzsch, Chemnitz,Reg.-Dir. a.D. Dr. W. Kessel, Braunschweig, und Prof.Dr.-Ing. A. Weckenmann, Erlangen, bedanken.

Literatur

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[2] Weckenmann, A. und Lorz, J.: Bedeutung der Mess-unsicherheit in der Fertigungsmesstechnik, tmTechnisches Messen 68 (2001) 1, S. 33–39.

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[4] DIN V ENV 13005: 1999,Leitfaden zur Angabeder Unsicherheit beim Messen (ENV 13005: 1999),Deutsches Institut für Normung e.V., Berlin, 1999.

[5] Kessel, W.: Messmethoden und Modellbildung in:Seminarunterlagen ,,Messunsicherheit nach GUMpraxisgerecht bestimmen“, Deutsches Institut für

Normung (DIN) und Physikalisch-TechnischeBundesanstalt (PTB), Berlin, 2000.

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[9] Siebert, B.R.L. und Sommer, K.-D.: Weiterentwick-lung des GUM und Monte-Carlo-Techniken, tmTechnisches Messen 71 (2004) 2, S. 67–80.

[10] Kessel, W.: Der ISO/BIPM – Leitfaden zur Ermitt-lung der Messunsicherheit, tm Technisches Messen68 (2001) 1, S. 5–13.

[11] Kessel, W.: Messunsicherheit – einige Begriffeund Folgerungen für die messtechnische Praxis,PTB-Mitt. 111 (2001) 3/4, Wirtschaftsverlag NW,Bremerhaven, S. 226–244.

[12] Bachmair, H.: A simplified method to calculate theuncertainty of measurement for electrical calibra-tion and test equipment, Proceedings of the gthINTERNATIONAL METROLOGY CONGRESS,Bordeaux, 18–21 October 1999, MouvementFrancais pour la Qualite, Nenterreledex 1999,S. 342–344.

[13] Kind, D.: Die Kettengestaltung als Modell zur Be-rechnung von Messunsicherheiten, PTB-Mitt. 111(2001) 3/4 Wirtschaftsverlag NW, Bremerhaven,S. 338–341.

[14] Sommer, K.-D., Kochsiek, M. und Siebert, B.R.L.:Modelling of Weighing Procedures for Uncer-tainty Evaluation, South Yorkshire InternationalConference 2003, Barnsley, Conference Procee-dings, South Yorkshire Trading Standards Unit,Chapeltown, Sheffield, 2003.

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[16] Sommer, K.-D. und Kochsiek, M.: Modelling andUncertainty Evaluation in Calibration and Con-formance Testing, NCSL International AnnualWorkshop and Symposium, Tampa, Florida, Confe-rence Proceedings 2003, SL International, Boulder,Colorado, 2003.

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[18] Internationales Wörterbuch der Grund- undAllgemeinbegriffe in der Metrologie (VIM), In-ternational Organization for Standardization (ISO),2. Ausgabe, Genf, 1993.

Dr.-Ing. Klaus-Dieter Sommerist Direktor des Landesamtes fürMess- und Eichwesen Thüringen(LMET) und derzeitiger Vorsitzen-der des GMA-Fachausschusses 1.10„Grundlagen der Messsysteme“.Hauptarbeitsgebiete: Leitung undEntwicklung des LMETs Messunsi-cherheit im gesetzlichen Messwesen

und Modellierung von Messungen und Kalibrierungen.Adresse: Landesamt für Mess- und Eichwesen Thürin-gen, Unterpörlitzer Straße 2, 98693 IlmenauE-Mail: [email protected]

Norbert Weichert / Michael WülkerMesstechnik und

MessdatenerfassungOldenbourg Lehrbücher für Ingenieure

2000. 286 Seiten€ 29,80

ISBN 3-486-25102-3

Die Grundlagen der Messtechnik und die modernenVerfahren der rechnergestützten Messdatenerfassungbilden für jeden Studierenden der ingenieurwissen-schaftlichen Fächer einen notwendigen Baustein seiner Ausbildung. Das vorliegende Lehrbuch stelltdas Gebiet in einer Übersicht dar, welche die Bedürf-nisse der Studierenden im Grund- und Hauptstudiumabdeckt. Die zusammenfassende Darstellung der Gebiete entspricht der Anforderung in der Praxis, daMesstechnik heute ohne die Mittel der Datenerfassung und -auswertung nichtmehr denkbar ist. Das Buch entstand aus den Erfahrungen der Autoren in Vorlesun-gen und Praktika mit Studierenden des Maschinenbaus an der Fachhochschule Offenburg.

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Oldenbourg Wissenschaftsverlag Rosenheimer Straße 145 D-81671 MünchenTelefon 089 / 450 51-0Fax 089 / 450 51-204Bestellungen: http://www.oldenbourg-verlag.de

Dr. Bernd R.L. Siebert ist Leiterdes Projekts Numerische Physik inder Physikalisch-Technischen Bun-desanstalt Braunschweig und Beraterdes Deutschen Kalibrierdienstes(DKD) in Fragen der Messunsicher-heit.Hauptarbeitsgebiete: Entwicklungund Anwendung von Monte-

Carlo-Techniken zur Ermittlung der Messunsicherheit,vornehmlich für nichtlineare und multivariante Modelle.Adresse: Physikalisch-Technische Bundesanstalt(PTB), Bundesallee 100, 38116 BraunschweigE-Mail: [email protected]