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Falk Gastro-Kolleg Leber und Gallenwege Fragebeantwortung unter www.falkfoundation.de Falk Gastro-Kolleg 1 Titelbild: Primär biliäre Zirrhose, Gallengangsdestruktion Prof. Dr. U. Leuschner Interdisziplinäres Facharztzentrum Stresemannallee 3 60596 Frankfurt Primär biliäre Zirrhose (PBC), AMA-negative PBC und PBC/Autoimmunhepatitis- Überlappungssyndrom – Update Zusammenfassung Bei der primär biliären Zirrhose (PBC) handelt es sich um eine autoimmune, nicht-eitrig destruierende, chronische Cholangitis. Sie befällt zu 90% Frauen und endet unbehandelt in der kompletten Zirrhose. Die Cholestaseparameter steigen signifikant, die Transamina- sen weniger stark an. Typisch sind erhöhte Konzentrationen des Immunglobulin M (IgM) und das Auftreten von antimitochondrialen Antikörpern (AMA). Histologisch wird die Krankheit in 4 Stadien, vom entzündlich-progressiven bis zum zirrhotischen Stadium eingeteilt. Die wichtigsten Symptome sind Müdigkeit, Pruritus und die autoimmuner Begleitkrankheiten. Die Therapie besteht in der Verabreichung von Ursodeoxycholsäure (UDC: 13–15 mg/kg KG/Tag); die Behandlung wird so früh und so lange wie möglich durchgeführt. Spricht die Behandlung auf UDC nur unvollständig an, kann eine Kombi- nation mit Prednison versucht werden. Die letzte Therapieoption stellt die Lebertrans- plantation dar. Die Behandlung der Symptome und Befunde wie Pruritus, Müdigkeit und Osteoporose gestaltet sich schwierig. Bei der AMA-negativen PBC handelt es sich histologisch um das Bild der PBC, AMA lassen sich bei diesem Krankheitsbild aber nicht nachweisen. Die Variante wird auch als Auto- immuncholangitis bezeichnet. Wie bei der PBC besteht auch hier die Behandlung in der Verabreichung von UDC, in manchen Fällen kann eine Kombination mit Prednison weiterhelfen.

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Falk Gastro-Kolleg

Leber und Gallenwege

Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

1

Titelbild: Primär biliäre Zirrhose, Gallengangsdestruktion

Prof. Dr. U. LeuschnerInterdisziplinäres Facharzt zentrumStresemannallee 360596 Frankfurt

Primär biliäre Zirrhose (PBC), AMA-negative PBC und PBC/Autoimmunhepatitis-Überlappungssyndrom – UpdateZusammenfassung

Bei der primär biliären Zirrhose (PBC) handelt es sich um eine autoimmune, nicht-eitrig destruierende, chronische Cholangitis. Sie befällt zu 90% Frauen und endet unbehandelt in der kompletten Zirrhose. Die Cholestaseparameter steigen signifikant, die Transamina-sen weniger stark an. Typisch sind erhöhte Konzentrationen des Immunglobulin M (IgM) und das Auftreten von antimitochondrialen Antikörpern (AMA). Histologisch wird die Krankheit in 4 Stadien, vom entzündlich-progressiven bis zum zirrhotischen Stadium eingeteilt. Die wichtigsten Symptome sind Müdigkeit, Pruritus und die autoimmuner Begleitkrankheiten. Die Therapie besteht in der Verabreichung von Ursodeoxycholsäure (UDC: 13–15 mg/kg KG/Tag); die Behandlung wird so früh und so lange wie möglich durchgeführt. Spricht die Behandlung auf UDC nur unvollständig an, kann eine Kombi-nation mit Prednison versucht werden. Die letzte Therapieoption stellt die Lebertrans-plantation dar. Die Behandlung der Symptome und Befunde wie Pruritus, Müdigkeit und Osteoporose gestaltet sich schwierig.Bei der AMA-negativen PBC handelt es sich histologisch um das Bild der PBC, AMA lassen sich bei diesem Krankheitsbild aber nicht nachweisen. Die Variante wird auch als Auto-immuncholangitis bezeichnet. Wie bei der PBC besteht auch hier die Behandlung in der Verabreichung von UDC, in manchen Fällen kann eine Kombination mit Prednison weiterhelfen.

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Das Überlappungssyndrom von PBC mit Autoimmunhepatitis (AIH) wird durch das Vorliegen einer AMA-positiven PBC mit Charakteristika einer AIH beschrieben. Die Therapie besteht wiederum in der Gabe von UDC, häufig ist eine Kombination mit Prednison überlegen.

Schlüsselwörter

Primär biliäre Zirrhose | AMA-negative PBC | Überlappungssyndrom | Therapie der PBC und des Überlappungssyndroms

Primär biliäre Zirrhose (PBC), AMA-negative PBC und PBC/Autoimmunhepatitis-Überlappungssyndrom – Update

A. Primär biliäre Zirrhose (PBC)

1. Definition

Die PBC ist eine chronische, nicht-eitrig destruierende Cholangitis. Sie beginnt an den interlobulären und proximal-septalen Gallengängen. Die Entzündung dehnt sich über das ganze Portalfeld aus und kann auf das Läppchenparenchym übergreifen. Die Krankheit führt zur Verödung der Gallengänge und endet in der kompletten Leberzir-rhose. Die PBC gehört somit zu den „Vanishing bile duct syndromes“ und ist eine klas-sische Autoimmunkrankheit der Leber.

2. Epidemiologie

Die PBC befällt zu 90% Frauen im Alter von 25–50 Jahren. In der letzten Zeit wurden aber auch einige Kinder mit PBC beobachtet. Die PBC galt vor 50 Jahren als eine sel-tene Krankheit. Ihre Inzidenz wurde mit 2 pro 100.000 Einwohner, ihre Prävalenz mit 14 pro 100.000 Einwohner angegeben. Aufgrund von Untersuchungen aus Groß-britannien und den Vereinigten Staaten rechnet man heute mit einer Inzidenz von 3,2 pro 100.000 Einwohner und einer Prävalenz von 25 pro 100.000 Einwohner. Be-rücksichtigt man, dass die PBC zu 90% Frauen befällt, dann liegt die Prävalenz in England bei 94 pro 100.000 Frauen im Alter über 40 Jahre (Tab. 1). Für Bewohner der nördlichen Halbkugel kann man wohl mit einer durchschnittlichen Prävalenz von 25–40 pro 100.000 Einwohner und 70–90 pro 100.000 Frauen rechnen. Die Zunahme von Inzidenz und Prävalenz der PBC ist wahrscheinlich nur auf die einfachere Diagnos-tik zurückzuführen. Es ist unbekannt, ob die Krankheit an sich zunimmt.

P Die primär biliäre Zirrhose (PBC) ist eine chronische, nicht-eitrig destruierende Cholangitis und klassische Autoimmunkrankheit der Leber.

P Die Prävalenz der PBC beträgt bei Europäern wahrscheinlich 25–40/100.000 Einwohner.

Tab. 1Mittlere jährliche Inzidenz und Prävalenz für vermutete und gesicherte Fälle mit PBC in Nordengland

Gesamtpopulation Erwachsene ≥ 20 Jahre Frauen ≥ 40 Jahre

Inzidenz

1987 2,3 1994 3,2

3,1 4,3

9,1 10,0

Prävalenz

1987 14,9 1994 25,0

20,1 33,5

54,1 94,0

James OFW, Hepatology 1999; 30: 390-394

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Die PBC findet sich weltweit und bei allen Völkern, allerdings mit unterschiedlicher Inzidenz und Prävalenz. Wie alle anderen Autoimmunkrankheiten tritt sie aber am häufigsten auf der nördlichen Erdhalbkugel auf.

3. Ätiologie

Wie von allen Autoimmunkrankheiten ist die Ätiologie der PBC unbekannt, eine gene-tische Suszeptibilität gilt aber als gesichert. Eine genetische Assoziation besteht mit dem Chromosom 6p 21.3. Immungenetische Untersuchungen haben gezeigt, dass offenbar eine besondere, wenn auch nur schwache Assoziation mit HLA-DR8 vor-kommt; eine Erbkrankheit ist die PBC aber nicht.

Besteht eine genetische Suszeptibilität, dann können exogene oder endogene Fakto-ren die Krankheit auslösen. Derartige Faktoren sind bei der PBC nicht gesichert, disku-tiert werden Bakterien, Viren, toxische Gallensäuren und Umwelteinflüsse (Tab. 2). So hat sich z. B. gezeigt, dass Frauen mit PBC häufiger Harnwegsinfekte entwickeln als lebergesunde. Lebergesunde Frauen mit rezidivierenden Harnwegsinfekten hatten leicht erhöhte AMA-Konzentrationen im Serum. Mithilfe der Polymerase-Kettenreak-tion ließen sich Propionibakterien in der Nähe von epitheloidzelligen Granulomen und in der Nachbarschaft destruierter Gallengänge nachweisen. Eine pathogeneti-sche Bedeutung könnten sie vielleicht für die Entwicklung von Granulomen haben, für die Ätiologie der PBC spielen sie wohl keine Rolle.

Auch für eine Virusätiologie finden sich keine eindeutigen Hinweise, doch können Viren als Auslöser der PBC nicht ausgeschlossen werden. Neuere Untersuchungen halten endogene Retroviren, die man früher mit der Ätiologie der PBC in Verbindung gebracht hatte, eher wieder für unwahrscheinlich. Auch Mikrochimärismus kommt offenbar ursächlich nicht infrage. Unter Mikrochimärismus versteht man den Übertritt fötaler Zellen des Cytotrophoblasten während der Schwangerschaft in das mütter-liche Blut, die Haut, die Lymphknoten, Milz und Leber. Man nahm an, dass die kindli-che DNA einen Autoimmunprozess initiieren kann. Diese Hypothese wird heute nicht mehr vertreten.

4. Krankheitsverlauf

Die Krankheit kann über viele Jahre, sogar Dekaden, verlaufen. Vom ersten Auftreten von AMA, charakteristisch für die PBC, bis zum Anstieg der Leberwerte, vergehen 6–8 Jahre (1–19 Jahre). Nach 4–5 Jahren sind nur noch 30% der Patienten im Früh-stadium der Krankheit, bis zur kompletten Zirrhose und zum Tod können weitere 10 Jahre vergehen, sodass der Gesamtverlauf 20 Jahre betragen kann, wobei die indi-viduellen Schwankungen ganz erheblich sind (Abb. 1). 15–30% der Patienten können innerhalb von 5 Jahren Ösophagusvarizenblutungen, Aszites und eine Enzephalopa-thie entwickeln, die 3-Jahres-Überlebensrate beträgt nach der ersten Varizenblutung rund 46%. Bei nur 20% soll die PBC im präzirrhotischen Stadium spontan zum Still-stand kommen. Die 10-Jahres-Überlebensrate asymptomatischer Patienten beträgt 50–70%, die symptomatischer Patienten nur 5–8 Jahre. Die Lebenserwartung ist ge-genüber einer Normalpopulation also deutlich verkürzt.

P Wie bei allen Autoimmunkrankheiten ist die Ätiologie unbekannt. Bei geneti-scher Suszeptibilität werden als Trigger Bakterien, Viren, Toxine und Umwelt-faktoren diskutiert.

Tab. 2Ätiologie der primär biliären Zirrhose (PBC)

Hypothetische FaktorenBakterielle Ätiologie Virale Ätiologie Andere Ursachen

• Mycobakterien • Escherichia coli • Salmonella Typhimurium

• Enteroviren • Epstein-Barr-Viren • Zytomegalieviren • Hepatitisviren

• Pilze • Toxische Gallensäuren • Harnwegsinfekte • Hormontherapie • Nagellack • Zigaretten • Umwelt (Müll?)

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5. Klinik

a) Symptome und Befunde

Bei der Diagnosestellung sind etwa 60% der Patienten asymptomatisch, rund 10 Jahre später nur noch 15%, nach 15–20 Jahren nur noch 5%. Andere Studien sagen, dass in einer Zeit von 4–18 Jahren 36–90% symptomatisch werden.

Ein häufiges Symptom ist die Müdigkeit. 5 Jahre nach Diagnosestellung geben 60–80% der Patienten Müdigkeit an. Diese besser mit dem Terminus Lethargie (engl. Fatigue: Müdigkeit, Schwächegefühl, Leistungsknick) bezeichnete Müdigkeit beeinflusst bei mehr als der Hälfte der Patienten das Familien- und Berufsleben. Das Symptom korre-liert weder mit den Laborwerten noch mit dem histologischen Befund. Häufig ist die Lethargie mit depressiven Verstimmungen assoziiert. Ihre Ätiologie ist unbekannt.

Ein weiteres richtungsweisendes und typischeres Symptom ist der Pruritus, der als das Bedürfnis des Patienten sich zu kratzen definiert ist. Der Pruritus tritt hauptsächlich nachts auf, unstillbarer Pruritus kann eine Indikation zur Lebertransplantation sein (Tab. 3). Ist der Pruritus stark, dann findet man Kratzmale auf dem Rücken und an den Armen. Wichtig ist die Beobachtung, dass Pruritus zum ersten Mal während einer Schwangerschaftscholestase auftreten kann, post partum verschwindet und nach einiger Zeit als Symptom einer wahrscheinlich neu entstandenen PBC rezidiviert.

Abb. 1

P Charakteristische Symptome sind Müdigkeit (Lethargie) und Pruritus.

P An Befunden finden sich Kratzspuren, Xanthelasmen, Osteoporose und solche extrahepatischer Auto-immunkrankheiten.

Tab. 3Pruritus bei primär biliärer Zirrhose (PBC)

• Beginnt schleichend: 20–70% der Patienten entwickeln Pruritus

• Kann zu jedem Zeitpunkt der Krankheit auftreten

• Kann bei fortschreitender Krankheit spontan abnehmen

• Häufig perianal und perigenital

• Auch an Handflächen und Fußsohlen

• Verstärkt bei Wärme

• Bei Kontakt mit Wolle und anderen Textilien

• Nimmt im Winter zu (assoziiert mit trockener Haut)

• Verstärkt in Schwangerschaft und während Hormontherapie

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Xanthome an den inneren Augenlidern werden als Xanthelasmen bezeichnet. Xan-thome findet man auch an den Fersen, am Gesäß und auf den Handflächen. Sie wer-den bei 10–20% der PBC-Patienten beschrieben, sind also selten. Sie können spontan wieder verschwinden. Xanthome korrelieren nicht mit den Cholesterin- oder den Tri-glyzeridkonzentrationen im Serum.

Die PBC-bezogene postmenopausal bereinigte Häufigkeit der Osteoporose beträgt 35%, das Risiko soll 4,4-fach höher sein als bei einer gesunden Population. Die Osteo-porose ist asymptomatisch und zeigt keine Laborveränderungen. Der Vitamin-D-Stoffwechsel ist regelrecht. Begünstigt wird die Osteoporose durch die Immobilität des Leberpatienten, verringerte Muskelmasse, durch falsche Ernährung und Störun-gen des Hormonstoffwechsels. Frakturen, die man heute nur noch selten sieht, finden sich hauptsächlich an der Wirbelsäule und den Rippen, während die Röhrenknochen und das Becken seltener betroffen sind. Eine Abnahme der Körpergröße um mindes-tens 4 cm nach dem 25. Lebensjahr ist ein Hinweis auf eine Wirbelkörperfraktur.

Die Diagnose der Osteoporose wird heute mithilfe der Osteodensitometrie (DEXA) häufig vor der Diagnose der PBC gestellt und führt den Patienten daher nicht selten primär zum Orthopäden.

Beim Sicca-Syndrom kommt es zum Versiegen der Drüsensekrete mit Trockenheits- und Reibegefühl an den Augen (Xerophthalmie), mit Schluckstörungen durch einen trockenen Ösophagus, und wegen verringerter Speichelsekretion zu Karies. Die Ver-ringerung des Pankreassekrets kann im Extremfall zu einer exokrinen Pankreasinsuffi-zienz führen. Hierdurch und durch die PBC-bedingte Cholestase kann es zur Malab-sorption von Fetten und fettlöslichen Vitaminen (A, D, E, K) kommen, was Steatorrhö, Nachtblindheit, neurologische und Gerinnungsstörungen zur Folge haben kann. Diese Veränderungen sind aber sehr selten, eigentlich nur bei stark ikterischen Patien-ten anzutreffen. Störungen der Fettresorption und der Vitaminmangel können auch auf eine die PBC gelegentlich begleitende Sprue hinweisen, was bei 15–20% der Pati-enten vorkommt.

Das hepatozelluläre Karzinom (HCC) findet sich wie bei den meisten anderen Leber-krankheiten erst im Zirrhosestadium. Es ist nicht gesichert, ob es bei der PBC häufiger vorkommt. Risikofaktoren sind höheres Alter und männliches Geschlecht. Das kumu-lative Risiko des HCC beeinflusst die Lebenserwartung der PBC-Patienten nicht, da es sich spät entwickelt und nur wenig progredient ist.

Wie alle Autoimmunkrankheiten ist auch die PBC von Autoimmunsyndromen beglei-tet (Tab. 4). Etwa 30% aller PBC-Patienten weisen eine oder mehrere dieser Begleit-krankheiten auf, die aber oft wenig symptomatisch sind. Am häufigsten ist die Hashimoto-Thyreoiditis, häufig findet man ein solitäres Raynaud-Syndrom, seltener dagegen rheumatoide Arthritiden. Im Gegensatz zur primär sklerosierenden Cholan-gitis (PSC) ist die PBC wesentlich seltener mit chronisch entzündlichen Darmkrank-heiten assoziiert. Wenn das der Fall ist, dann hauptsächlich mit der Colitis ulcerosa, seltener mit dem Morbus Crohn.

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b) Labordiagnostik

Bei der PBC als einer cholestatischen Leberkrankheit kann die alkalische Phosphatase (AP) 10–15-fach, die Gammaglutamyltranspeptidase (GGT) 20–25-fach erhöht sein, während die Transaminasen GOT und GPT nur geringgradig ansteigen. Typisch, aber nicht bei allen Patienten gesehen, sind erhöhte Konzentrationen des Immunglobulin M (IgM).

Bei Nicht-Zirrhotikern ist die AP mit der Gallengangsentzündung, die GOT, GPT und IgG mit der periportalen und lobulären Entzündung, und Bilirubin mit einer Ductope-nie assoziiert. Für die Zirrhose sind die Hyperbilirubinämie, Hypergammaglobulinä-mie bei gleichzeitigem Abfall von Albumin, Thrombozyten und der Blutgerinnungs-werte typisch.

AMA sind typisch für die PBC und finden sich bei 90% der Patienten, bei 10–15% feh-len sie oder sind nur niedrigtitrig (≤ 1:80) nachweisbar. AMA sind hochgradig krank-heitsspezifisch und stellen einen sehr frühen Marker der PBC dar, der Jahre vor der ersten Diagnose auftreten kann. Typisch für die PBC sind AMA-M2, während die Sub-typen M1, 3, 5 oder 6 z. B. auch bei der Syphilis, dem Pseudolupus, bei Kollagenosen oder medikamentösen Leberschäden vorkommen. Zielantigene sind eine Gruppe von Enzymen (2-Oxo-Acid-Dehydrogenase-Komplex), das Zielantigen für AMA-M2 bei der PBC liegt auf der inneren Mitochondrienmembran und ist die E2-Untereinheit des Pyruvatdehydrogenasekomplexes (PDC-E2).

Ob AMA bei der Pathogenese der PBC eine Rolle spielen, ist unklar. So fand man näm-lich die E2-Untereinheit des PDC in hoher Konzentration auf Gallengangsepithelzellen von PBC-Patienten exprimiert und als Ausdruck einer Immunreaktion T-Zell-reiche Entzündungsinfiltrate in der Umgebung (CD4-E2-spezifisch 100–150-fach; CD8-E2-spezifisch 10–15-fach). Natürlich kann es sich dabei auch um ein Sekundärphänomen handeln.

PBC-typisch sind auch spezielle antinukleäre Antikörper (ANA). Hier kann man soge-nannte Multiple Nuclear-Dot (MND)-Antikörper (sp100, pg 210) von Ring-Staining-ANA unterscheiden. Beide Subtypen sind beweisend für eine PBC, besonders wenn AMA fehlen. MND-ANA sollen besonders bei Patienten mit Xerophthalmie vorkom-men. Andere Autoantikörper, wie z. B. p-ANCA, Schilddrüsenantikörper, Antikörper gegen Thrombozyten, Histon- und Ribonukleoprotein-Autoantikörper spielen eine untergeordnete Rolle. Sie sind Ausdruck einer unspezifischen Reaktion des Immun-systems.

Tab. 4PBC-assoziierte Krankheiten

• Arthropathie

• Arthritis

• Sjögren-Syndrom

• Raynaud-Syndrom

• Sklerodermie

• CREST-Syndrom (oder einzelne Komponenten*)

• Sicca-Syndrom

• System. Lupus erythematodes

• Glomerulonephritis

• Hashimoto-Thyreoiditis

• Osteoporose

• Keratoconjunctivitis sicca

• Hautveränderungen – Lichen planus – Pemphigoid – Dermatomyositis

• Zöliakie

• Colitis ulcerosa

• Lungenfibrose

• Cholelithiasis

• Leberzellkarzinom

* Calcinosis cutis, Raynaud-Syndrom, Dysmotilität des Ösophagus, Sklerodaktylie, Teleangiektasien

P Charakteristische Laborbefunde: Erhöhung der Cholestaseparameter (AP, GGT), Nachweis von AMA-M2, ANA-MND, erhöhte IgM-Konzentration im Serum

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c) Histologie

Histologisch wird die PBC in die Stadien I–IV unterteilt:

Stadium I ist das portale Stadium, bei dem sich lockere lymphoplasmazelluläre In-filtrate in den Portalfeldern finden. CD4-Lymphozyten dominieren CD8-Zellen im Ver hältnis 4:1 bis 10:1.

Das Stadium II wird als periportales Stadium bezeichnet. Das Gallengangsepithel, als eigentliche Zielstruktur, wird von Lymphozyten segmental, später zirkulär destruiert. Es können sich histiozytäre oder epitheloidzellige Granulome entwickeln. Als Kom-pensation für die destruierten Gallengänge kommt es zur Gallengangsproliferation. Entzündungszellen greifen auf das periportale Läppchenparenchym über und es ent-wickelt sich eine sogenannte Interface-Hepatitis. Hier unterscheidet man 2 Formen: Lympho-histiozytäre Infiltrate führen zu Hepatozytennekrose und Apoptose (= Piece-mealnekrosen wie bei AIH) und biliären Piecemealnekrosen mit massiver Gallen-gangsdestruktion, Ödem, nekrotischen Hepatozyten und Fibrose.

Das Stadium III bezeichnet man als septales Stadium. Hier sind zahlreiche Gallengän-ge eines Portalfeldes zerstört, neue proliferiert. Die entzündlichen Infiltrate greifen weiter auf das Leberparenchym über und im Portalfeld nimmt der Bindegewebs-gehalt allmählich zu. Bindegewebsstränge nehmen Kontakt zu benachbarten Portal-feldern auf, d. h. es entwickelt sich eine progressive Fibrose.

Im Stadium IV, das als Zirrhosestadium bezeichnet wird, handelt es sich um die kom-plette Leberzirrhose mit fast vollständiger Rarefizierung kleinerer Gallengänge. Rege-nerative Zirrhoseknoten werden heute von der nodulär regenerativen Hyperplasie abgegrenzt (Tab. 5).

Die beschriebenen morphologischen Befunde sind für die PBC nicht spezifisch, aber typisch; sie können auch bei anderen Autoimmunkrankheiten der Leber auftreten, besonders charakteristisch sind aber die Gallengangsveränderungen. Da sich bei einem einzigen Patienten mehrere histologische Stadien in einer Leber gleichzeitig nachweisen lassen – man spricht bei der PBC von einer fokalen Krankheit – kann die histologische Diagnose, besonders aber das Grading und Staging schwer sein. In den meisten Fällen genügt es, wenn der Pathologe bei charakteristischen Labor-befunden den mikroskopischen Befund als mit einer PBC vereinbar beschreibt. Eine Zuordnung von Symptomen und Laborwerten zu den histologischen Stadien findet sich in Tabelle 6.

P Stadium I: portale Entzündung mit Gallengangsdestruktion

P Stadium II: periportale Entzündung plus Proliferation der Gallengänge, Entzündung greift auf Lebergewebe über.

P Stadium III: septales Stadium mit zunehmender Fibrose

P Stadium IV: Zirrhosestadium mit totalem Umbau des Lebergewebes

Tab. 5Histologie und Staging der PBC und der AMA-negativen PBC

Stadium I: Portales StadiumPortale Hepatitis, floride Gallengangsdestruktion, nur geringe entzündliche Veränderungen im Leberläppchen

Stadium II: Periportales StadiumPeriportale Hepatitis, Interface-Hepatitis auf Läppchen übergreifend (s. Text), floride Gallengangsdestruktion, Gallengangsproliferation, Granulome

Stadium III: Septales StadiumBrückenfibrose, Veränderungen wie in Stadium II, Ductopenie, Cholestase, Galletröpfchen in den Hepatozyten

Stadium IV: ZirrhosestadiumBild wie im Stadium III. Regenerative Zirrhoseknoten und noduläre regenerative Hyperplasie. Umbau der Gefäßarchitektur, zunehmende Ductopenie, Gallen-gangsproliferation

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d) Bildgebende Verfahren

Bildgebende Verfahren spielen in der Diagnostik der PBC eine untergeordnete Rolle. Sonografie, ERC, CT und MNR dienen lediglich dem Ausschluss anderer, hauptsächlich tumoröser Leberveränderungen, nicht aber der Diagnose der PBC.Die Bedeutung der Elastografie (Fibroscan) ist noch unklar.

e) Diagnose, Differenzialdiagnose

Sind die Cholestaseparameter erhöht, lassen sich AMA und eine erhöhte IgM-Konzen-tration nachweisen, kann die Diagnose als gesichert gelten. Für die Erstdiagnose ist die Leberbiopsie sinnvoll, histologische Verlaufskontrollen sind nur bei Verdacht auf ein Malignom, ein Überlappungssyndrom oder eine AMA-negative PBC angezeigt. Differenzialdiagnostisch müssen hauptsächlich die AIH und die PSC abgegrenzt wer-den, aber auch die meisten anderen chronischen Krankheiten müssen bei weniger PBC-typischen Befunden ausgeschlossen werden (Tab. 7).

6. Therapie der PBC und extrahepatischer Manifestationen

a) Therapie der PBC

Da die Ätiologie der PBC unbekannt ist, gibt es keine kausale Therapie. Auch die Le-bertransplantation ist nicht in der Lage, die Krankheit in jedem Fall zu heilen, da es bei etwa 20–25% der Transplantierten zu Rezidiven im Transplantat kommt.

Tab. 6Symptome, Labor und Histologie bei PBC

Symptome Labor Histologie

Lethargie, Pruritus AP, GGT, (IgM), AMA (GOT, GPT)

Stadium I: Port. Entzündung Gallengangsdestruktion

Lethargie, Pruritus AP, GGT, (IgM), AMA Stadium II: dto.

Lethargie, Pruritus, abdom. Beschwerden

AP, GGT, (IgM), AMA (GOT, GPT, Bilirubin)

Stadium III: dto. und Fibrose

Lethargie, Pruritus, Befunde der Zirrhose und Komplikationen

AP, GGT, IgM, AMA GOT, GPT, Abfall der Syntheseparameter

Stadium IV: Zirrhose

Tab. 7Differenzialdiagnosen der primär biliären Zirrhose (PBC)

• Autoimmunhepatitis (AIH)

• Überlappungssyndrom PBC/AIH

• Frühform der primär sklerosierenden Cholangitis (PSC)

• Fettleberhepatitis, nicht-alkoholisch (NASH), alkoholisch (ASH)

• Arzneimittelschäden

• Sarkoidose

• Chronische Virushepatitiden

• Morbus Wilson

P Differenzialdiagnostisch kommen die Autoimmunhepatitis, die primär sklerosierende Cholangitis und die Autoimmuncholangitis infrage.

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Die Monotherapie mit D-Penicillamin, Methotrexat, Glukokortikoiden, Azathioprin, Ciclosporin, Kolchizin, Mycophenolat-Mofetil und Thalidomid hat sich nicht bewährt. 1985 haben wir Ursodeoxycholsäure (UDC) in die Behandlung der PBC eingeführt. UDC ist heute das einzige Medikament, für das eindeutig positive Effekte nachgewie-sen wurden und das weltweit zur Therapie der PBC zugelassen ist. UDC ist eine phy-siologische, beim Menschen vorkommende Gallensäure. Als dihydroxylierte Gallen-säure ist sie gut wasserlöslich und so gut wie untoxisch. Eine Dosisadaptation ist weder an Leber- noch an Nierenkrankheiten erforderlich. Die besten Aussichten auf Therapieerfolg hat man in den entzündlich-progressiven Stadien, den Stadien I und II der PBC. In den Spätstadien sind die Ergebnisse schlechter (s. Abb. 1).

Die Indikation zur UDC-Therapie ist vom Tag der Diagnosestellung an gegeben. Früh-stadien sprechen zwar besser an als Spätstadien, doch kann UDC in allen Stadien ver-abreicht werden. Unter der Dosis von 13–15 mg/kg KG/Tag, verabreicht in 2 Dosen, verbessern sich bei 90% der Patienten die Leberwerte innerhalb der ersten 8–9 Mona-te, am besten erkennbar am Abfall der AP. Patienten, die mit Gallensalzbindern (z. B. Cholestyramin, Colestipol) behandelt werden, sollten UDC im Abstand von 2–4 Stun-den einnehmen.

Bei 30% der Patienten in den Stadien I und II kommt es nach 3 bis 5 Jahren zur völligen Normalisierung der Laborwerte. Die Progression der Krankheit in das nächst höhere Stadium wird verzögert oder sogar verhindert, AMA bleiben aber bestehen. Bei 70% der Patienten kommt es zu einer signifikanten Verbesserung der Laborwerte, aber nicht zur Normalisierung.

Gegenüber Plazebo führte UDC zu einer signifikanten Verringerung der Cholestase-anzeigenden Laborparameter und von Bilirubin; Aszites und Ösophagusvarizen ent-wickeln sich seltener. Der positive Einfluss von UDC auf die Leberhistologie gilt heute für die Stadien I und II der Krankheit als gesichert. Wird die UDC-Therapie frühzeitig begonnen, kommt es zur signifikanten Lebensverlängerung. Die Mortalität bei Patien-ten unter 65 Jahren nimmt ab, desgleichen die Zeit der Hospitalisierung und die Be-handlungskosten (Tab. 8). Die PBC-bedingte Indikation zur Lebertransplantation ging um 30% zurück, das transplantationsfreie Intervall hat sich signifikant verlängert. Die Behandlung mit UDC ist nebenwirkungsfrei. Selten wurden weiche Stühle oder ein geringer Anstieg des Körpergewichts beschrieben. Bei Therapieunterbrechung kommt es sofort zum Rezidiv. Die Behandlung muss daher kontinuierlich, lebenslang oder bis zur Lebertransplantation durchgeführt werden.

P Die Standardtherapie erfolgt mit Ursodeoxycholsäure (UDC) 13–15 mg/kg KG/Tag. Eine Kombination mit niedrigen Dosen Prednison ist möglich.

P Bei 30% kommt es zur Normalisie-rung der Laborwerte, bei 70% zu signifikanten Verbesserungen.

P Die Therapie verlängert das trans-plantationsfreie Intervall und führt offenbar zur Lebensverlängerung.

Tab. 8Therapieeffekte mit Ursodeoxycholsäure (UDC) bei primär biliärer Zirrhose (PBC)

• Verbessert die Transaminasen und alkalische Phosphatase signifikant in 6–9 Monaten

• Normalisiert bei 30% der Patienten mit niedrigen Ausgangswerten die Laborwerte (außer AMA), bei 70% keine Normalisierung, aber signifikanter Abfall

• Verbessert signifikant die Leberhistologie

• Verzögert die Entwicklung von Ikterus, Ösophagusvarizen und Aszites

• Verlängert das transplantationsfreie Intervall

• Verringert die Zahl notwendiger Transplantationen

• Verlängert bei frühzeitigem Therapiebeginn die Lebenserwartung (in wenigen Studien beschrieben)

• Verbessert bei Rezidiv nach Transplantation die Laborwerte

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Bei 70% der Patienten führt die Therapie zwar zur Verbesserung, aber nicht zur Norma-lisierung der Laborparameter, d. h. die Krankheit wird nicht geheilt. Da es sich bei der PBC um eine Autoimmunkrankheit und um eine cholestatische Leberkrankheit han-delt, wurden Kombinationstherapien eingesetzt: UDC und Prednison (z. B. 10–15 mg/Tag), UDC plus Prednison plus Azathioprin (z. B. 100 mg/Tag) und UDC plus Budesonid (3 x 3 mg/Tag). In allen Studien war die Kombinationstherapie der Monotherapie mit UDC überlegen. Wegen der noch nicht gesicherten Nebenwirkungen ist die Kombi-nationstherapie mit Budesonid generell noch nicht zu empfehlen, obgleich die Wir-kung von UDC plus Budesonid bei Frühstadien der PBC heute am besten belegt ist. Zurzeit ist Budesonid zur Therapie der PBC vom Gesetzgeber noch nicht zugelassen.

b) Therapie der extrahepatischen Manifestationen

Gegen die Müdigkeit oder Lethargie gibt es keine spezifische Therapie. Weder On-dansetron, ein Serotoninrezeptorantagonist, noch Fluoxetin, ein Serotoninwiederauf-nahmehemmer oder Modafinil (Narkoleptikum) sind zu empfehlen. Ruhepausen im Wechsel mit dosierter körperlicher Aktivität können hilfreich sein. Vor jedem Behand-lungsversuch müssen eine Anämie, eine Schilddrüsenunterfunktion, eine Neben-niereninsuffizienz und eine endogene Depression ausgeschlossen, ggf. einer spezi-fischen Therapie zugeführt werden.

Zur Behandlung des Pruritus wurden Medikamente eingesetzt, die in den Gallensäu-renstoffwechsel eingreifen, sowie Steroide, Antihistaminika und Opioidrezeptoranta-gonisten (Tab. 9). An erster Stelle stehen Cholestyramin bzw. Colestipol, die bei bis zu 90% der Patienten mit leichtem oder mittelschwerem Pruritus erfolgreich sind. Die beiden ersten Dosen sollen vor und nach dem Frühstück verabreicht werden. Colesti-pol wirkt weniger obstipierend als Cholestyramin. Die Opioidrezeptorantagonisten Naloxon und Naltrexon sind bei 50–60% der Patienten erfolgreich. Nachteile sind ihr hoher Preis, ihre Lebertoxizität und gelegentlich Symptome des Opiatentzugs (erhöh-ter Blutdruck, Tachykardie, Angstträume u. a.). Weiterhin wurden Anorexie, Nausea und Koliken beschrieben. Auch der Enzyminduktor Rifampicin wurde erfolgreich ein-gesetzt, gelegentlich wirkt er hepatotoxisch und führt zu hämolytischer Anämie. An-tihistaminika machen nur müde, sind aber unwirksam.

P Die Therapie extrahepatischer Manifestationen kann Probleme bereiten.

P Schwer ist besonders die Behandlung des Pruritus, für die chronische Müdigkeit (Lethargie) gibt es keine Behandlung.

Tab. 9Therapiemöglichkeiten bei Pruritus

Nicht-resorbierbare Kunstharze

• Cholestyramin: 4–16 g (–24)/Tag, 2–4 Stunden vor/nach UDC• Colestipol: 5–30 g/Tag, 2–4 Stunden vor/nach UDC

Opioidantagonisten

• Naloxon: 0,002 μg/kg, steigern auf 0,2 μg/kg/min. i.v. oder 2–3 x 0,4 mg/Tag i.v.

• Naltrexon: 12,5 mg, steigern auf 50 mg/Tag oral• Nalmefen: 10 mg, steigern auf 120 mg/Tag oral

Serotoninantagonist

• Ondansetron: 4–8 mg i.v. oder 3–8 mg/Tag oral

Enzyminduktor

• Rifampicin: 150 mg/Tag (wenn Bilirubin < 3 mg%) 2 x 150 mg/Tag (wenn Bilirubin > 3 mg%)

Antihistaminika

Wirkung nicht erwiesen, machen müde

Plasmapherese, Albumindialyse

In Erprobung, in Einzelfällen positive Effekte

Bei manchen Patienten hilft nur die Kombination einzelner Schritte.

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In der Frühphase der Osteoporose genügen eine regelmäßige gemischte Kost und körperliche Aktivität im Freien. Aktiviertes Vitamin D und Kalzium sind nur als Kombi-nationstherapie hilfreich (1000–1500 mg Kalzium + 1000 IU Vitamin D täglich). Auch die Behandlung mit dem Bisphosphonat Alendronat (70 mg/Woche) war hilfreich, wogegen andere Bisphosphonate entweder nicht untersucht worden oder unwirk-sam waren. Östrogene werden aus Sicherheitsgründen nur selten eingesetzt. Wichtig ist, dass die antiosteoporotische Therapie frühzeitig beginnt (Osteopenie), eine mani-feste Osteoporose ist schwer zu beheben.

Die Therapie der seltenen Steatorrhö besteht hauptsächlich in der Reduktion des Nahrungsfetts und bei deutlicher Symptomatik in der Gabe von mittelkettigen Trigly-zeriden (Ceres-Margarine). Bei gleichzeitiger Therapie eines Pruritus mit Cholestyra-min muss die Cholestyramin-Dosis reduziert oder aber auf ein anderes Präparat über-gegangen werden, da Cholestyramin Gallensäuren bindet und Gallensäuren für eine suffiziente Fettresorption verantwortlich sind. Liegt eine ausgeprägte Pankreasinsuffi-zienz vor, so gibt man Pankreasenzyme in ausreichend hoher Dosierung.

Vitaminmangelzustände sind selten und bedürfen meist keiner Therapie. Das Sicca-Syndrom kann mit falschen Tränen und Vaginalgelen behandelt werden, reguläre Zahn- und Mundhygiene sowie die Einnahme von Medikamenten in aufrechter Posi-tion mit reichlich Flüssigkeit sind angezeigt. Hilfreich kann bei schwerem Sicca- Syndrom auch die Gabe von Salagen sein (Pilocarpin-Präparat), das aber zu starkem Schwitzen führen kann und noch zahlreiche andere Nebenwirkungen hat.

c) Lebertransplantation

Eine Indikation zur Lebertransplantation ist immer dann gegeben, wenn das Bilirubin über 6 mg (102 µmol/l), aber noch unter 9 mg% (153 µmol/l) liegt. Auch der Abfall des Quick-Werts unter 60% der Norm und die nachlassende Syntheseleistung für Albumin stellen gute Indikatoren für die Notwendigkeit einer Transplantation dar. In seltenen Fällen kann auch ein unstillbarer Pruritus eine Indikation zur Operation sein. Wichtiger als sich auf bestimmte Werte festzulegen ist aber die Beobachtung des Krankheitsver-laufs.

Die Lebertransplantation ist die letzte therapeutische Option bei kompletter Zirrhose. Mit 16% liegt die Häufigkeit der Lebertransplantation bei PBC mit deutlichem Ab-stand hinter der Transplantationsrate der Virushepatitis C und der Alkoholzirrhose. Die Transplantationsergebnisse sind sehr gut. Die Überlebensrate beträgt nach 1 Jahr 81%, nach 5 Jahren 76% und nach 8 Jahren 71%. Neuere Zahlen geben sogar eine 1-Jahres-Überlebensrate von 93% an.

Bei etwa 20–25% der transplantierten Patienten rezidiviert die PBC im Transplantat. Laborwerte sind nur ein schwacher Hinweis auf ein Rezidiv. Eine erhöhte AP findet sich z. B. nur bei 46% der Patienten, geringe Transaminasen- und Bilirubinerhöhungen bei jeweils 20%. AMA können persistieren oder sie werden wenige Wochen nach der Transplantation erneut nachweisbar. Histologisch ist das PBC-Rezidiv nur schwer von einer Abstoßungsreaktion, von postoperativen biliären Komplikationen und von einer chronischen Hepatitis-C-Infektion abzugrenzen. Die Therapie mit UDC verbessert Laborparameter und verzögert wohl auch die Progression der Krankheit, der Einfluss auf den Gesamtverlauf ist aber unbekannt.

P Die Indikation zur Lebertransplanta-tion ist bei nachlassender Leberfunktion gegeben. Die Ergebnisse sind sehr gut.

P Die 1-Jahres-Überlebensrate beträgt 93%, die 8-Jahres-Überlebensjahre 71%.

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B. Besondere Krankheitsformen

1. AMA-negative PBC

Bei der AMA-negativen PBC handelt es sich um eine Krankheit, die klinisch und histo-logisch einer PBC entspricht, bei der aber AMA fehlen. Bei den meisten Patienten finden sich dagegen ANA oder Antikörper gegen glatte Muskelfasern (SMA) und die HLA-Risikofaktoren DR3 und DR4, wie sie für die AIH typisch sind. Synonyme für die AMA-negative PBC sind Immuncholangitis, Autoimmuncholangitis und auch Über-lappungssyndrom zwischen PBC und AIH.

Die Definition der AMA-negativen PBC ist also nicht eindeutig, da unklar ist, ob es sich hier um ein Überlappungssyndrom, eine selbstständige Krankheit, eine Variante der AIH oder um eine Sonderform der PBC handelt, wie heute angenommen wird.

Die AMA-negative PBC findet sich bei 5–16% aller Patienten mit PBC, bei denen die AMA-Testung mit molekular definierten Testsystemen (ELISA, Western-Blotting) durch-geführt wurde, obwohl sich bei ihr wie bei der PBC der PDC-E2 im apikalen Bereich des Gallengangsepithels nachweisen lässt. Die bei der AMA-negativen PBC beobach-teten ANA unterscheiden sich von den ANA der PBC häufig dadurch, dass sie bei Spe-zialfärbung keine MND und kein Ring-Staining aufweisen.

Die AMA-negative PBC wird hauptsächlich durch die Leberbiopsie diagnostiziert. His-tologisch entspricht sie vollständig einer PBC. Beweisend ist die nicht-eitrig destruie-rende Cholangitis und der Nachweis von Granulomen. Auch die Art der Symptome ist mit denen der PBC identisch, doch scheinen die Patienten weniger unter Pruritus und mehr unter rheumatoider Arthritis und Sklerodermie zu leiden.

Differenzialdiagnostisch muss die AMA-negative PBC von der PBC, der PSC und der Typ-1-AIH abgegrenzt werden. Von der PBC unterscheidet sie sich durch das Fehlen von AMA bei häufigem Vorkommen von ANA und SMA, von der PSC durch den chol-angiografischen und histologischen Befund und von der AIH durch die für die PBC typischen Gallengangsdestruktionen und die Gallengangsproliferation bei fehlender Hypergammaglobulinämie.

Die Therapie besteht wie bei der PBC in der Verabreichung von UDC in einer Dosis von 13–15 mg/kg KG/Tag. Sollte die Behandlung nach 6–9 Monaten nicht zu einem Abfall der Laborparameter um 70–80% geführt haben, kann UDC mit Glukokortikoiden und/oder Azathioprin in der üblichen Dosierung kombiniert werden.

2. AIH/PBC-Überlappungssyndrom

Es gibt noch immer keine eindeutige Definition von Überlappungssyndromen (Over-lap Syndrome = OLS). Von einem AIH/PBC-OLS spricht man dann, wenn eine AMA-positive PBC gleichzeitig Kriterien einer AIH aufweist. Als charakteristisch für das OLS werden beschrieben: GPT und IgG 2-fach über der Norm, SMA und histologische Zeichen der AIH, sowie eine AP 2-fach und eine GGT 5-fach über der Norm, AMA-M2 und die histologischen Kriterien der PBC. Als HLA-Risikofaktoren finden sich wie bei der AIH häufig DR3 und DR4. Über die Prävalenz des AIH/PBC-OLS ist wenig bekannt, serologische Überlappungen zwischen beiden Krankheiten finden sich in etwa 8%.

Da alle zum AIH/PBC-OLS publizierten Studien sehr kleine Patientenzahlen aufwiesen, ist über den Krankheitsverlauf nur wenig bekannt. Bisher hat sich gezeigt, dass es beim OLS häufiger als bei der klassischen PBC zur Entwicklung von Komplikationen kommt (Pfortaderhochdruck, Notwendigkeit zur Lebertransplantation, Tod).

Die Therapie besteht in der Verabreichung von UDC (13–15 mg/kg KG/Tag), die Kom-binationsbehandlung von UDC mit Prednison (10–15 mg/Tag) scheint der Monothe-rapie überlegen zu sein.

P Bei der Autoimmuncholangitis handelt es sich um eine AMA-negative PBC.

P Die Histologie entspricht der der PBC, AMA fehlen. Dafür lassen sich häufig ANA und SMA nachweisen.

P Wie bei der klassischen PBC wird UDC in einer Dosierung von 13–15 mg/kg KG/Tag verabreicht, bei unvollständigem Therapieergebnis ist eine Kombination mit Prednison möglich.

P Unter einem Überlappungssyndrom versteht man das gleichzeitige Vorkommen einer AMA-positiven PBC mit einer Autoimmunhepatitis.

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Zu empfehlende Literatur

1 Lindor KD, Gershwin ME, Poupon R, Kaplan M, Bergasa NV, Heathcote EJ; American Association for Study of Liver Diseases. Primary biliary cirrhosis. Hepatology 2009; 50: 291–308.

2 Leuschner U. Autoimmunkrankheiten der Leber und Overlapsyndrome. 2. vollständig aktualisierte Auflage. UNI-MED Verlag AG, Bremen, ISBN 3-89599-883-4, 172 Seiten, 2005.

3 Parés A, Caballería L, Rodés J.Excellent long-term survival in patients with primary biliary cirrhosis and biochemical response to ursodeoxycholic acid. Gastroenterology 2006; 130: 715–720.

4 Leuschner U, Manns MP, Eisebitt R.Ursodeoxycholsäure zur Therapie der primär biliären Zirrhose – Ihr Einfluss auf Krankheitsverlauf und Prognose. Z Gastroenterol 2005; 43: 1051–1059.

Literatur

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Leber und Gallenwege

Bitte beachten Sie:Bei der Beantwortung der Fragen ist immer nur 1 Antwort möglich.

Die Beantwortung der Fragen und Erlangung des Fortbildungszertifikats ist nur online möglich. Bitte gehen Sie dazu auf unsere Homepage www.falkfoundation.de. Unter dem Menüpunkt Falk Gastro-Kolleg können Sie sich anmelden und die Fragen beantworten. Bitte diesen Fragebogen nicht per Post oder Fax schicken!

Wichtig:Fragebeantwortung unter

www.falkfoundation.de

Falk Gastro-Kolleg

Fragen zu primär biliärer Zirrhose (PBC), AMA-negativer PBC und PBC/Autoimmunhepatitis-Überlappungs-syndrom

Frage 1:Ein Patient legt Ihnen folgende Laborkonstellationen vor: AP erhöht, GGT erhöht, Gammaglobuline und IgG normal, SMA negativ, AMA positiv, LKM negativ, pANCA positiv. Woran denken Sie?

EE AutoimmunhepatitisEE Primär sklerosierende Cholangitis (PSC)EE Primär biliäre Zirrhose (PBC)EE Sarkoidose der LeberEE Frühform eines Morbus Wilson

Frage 2:Welche Antwort ist richtig?

EE Die PBC ist sehr selten, ihre Prävalenz beträgt 5/100.000 EinwohnerEE Die Häufigkeit der PBC hat in den letzten Jahren zugenommenEE Die PBC ist eine typische Erkrankung des MittelmeerraumsEE Die PBC ist eine typische MännerkrankheitEE Bei Kindern und Jugendlichen wurde die PBC noch nicht beobachtet

Frage 3:Welche Laborkonstellation spricht für eine PBC?

EE AMA-M4, AP erhöht, Gammaglobuline grenzwertig erhöhtEE ANA-MND (Multiple Nuclear Dots) erhöht, AP, GGT erhöht, IgM normalEE Bilirubin erhöht, pANCA nachweisbar, LKM-Antikörper positivEE AP und GLDH stark erhöht, IgA deutlich erhöht, LeukozytoseEE GPT, Gammaglobuline, SMA deutlich erhöht, AMA soeben nachweisbar

Frage 4:Welcher der folgenden histologischen Befunde ist für die PBC typisch?

EE Gallengangssklerosierung, BrückennekroseEE Mallory-Denk-Körperchen, SchaumzellenEE Gallengangsproliferation, portale RundzelleninfiltrateEE Lobuläre entzündliche Infiltrate, Portalfelder unauffälligEE Fibrose in Zone 3 des Leberläppchens, lobuläre Infiltrate

Frage 5:Sie therapieren einen Patienten mit PBC mit 13–15 mg UDC/kg KG/Tag, aber die sehr hohen Laborwerte bessern sich nach 6–8 Monaten nicht weiter. Was machen Sie?

EE Diagnose überprüfenEE UDC-Dosis auf 20–25 mg/kg KG/Tag erhöhenEE UDC mit einem niedrig dosierten Immunsuppressivum kombinieren (z. B. Prednison)EE UDC-Dosis verringern, da UDC hier möglicherweise toxisch wirktEE Therapieversuch mit Methotrexat einleiten

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Leber und Gallenwege

Frage 6: Wie ist die Prognose der unbehandelten PBC?

EE Sehr gut, Todesfälle nicht bekanntEE Geht in 10–20 Jahren in eine komplette Zirrhose überEE Entwickelt in 18% der Fälle ein hepatozelluläres KarzinomEE Geht in 10–20 Jahren in eine Leberfibrose über EE Bei fulminantem Verlauf beträgt die Letalität 60%

Frage 7:In welchem Krankheitsstadium ist die PBC konservativ am besten zu therapieren?

EE Wenn außer AMA alle anderen Laborparameter noch normal sindEE Im Stadium III, hier kann UDC den Übergang in die Zirrhose verhindernEE In den entzündlich-progressiven Stadien I und IIEE Im Rezidiv nach LebertransplantationEE In allen Stadien gleich gute Erfolgsaussichten

Frage 8:Ein Patient legt Ihnen folgende Laborkonstellation vor: AP und GGT erhöht, Bilirubin normal, AMA negativ, SMA und ANA positiv. Wie gelangen Sie am schnellsten zur richtigen Diagnose?

EE ERC und GallekulturEE Bestimmung der HLA-RisikofaktorenEE LeberpunktionEE MRCPEE Sonografie

Frage 9:Ein Patient legt Ihnen folgende Laborkonstellation vor: GPT 230 U/l, SMA 1:320, ANA 1:160, AMA 1:160, AP 530 U/l, Gammaglobuline 23%. Woran denken Sie?

EE AutoimmunhepatitisEE AutoimmuncholangitisEE Autoimmunhepatitis/PBC-ÜberlappungssyndromEE Autoimmunhepatitis nach LebertransplantationEE Autoimmuncholangitis nach Lebertransplantation

Frage 10:Der quälende Pruritus der PBC lässt sich am besten behandeln mit:

EE der Gallensäure Ursodeoxycholsäure EE SerotoninantagonistenEE Gallensalz-bindenden KunstharzenEE OpiatantagonistenEE Antihistaminika