Primaten der Art Macaca - fabianvonposer.com · Primaten der Art Macaca fascicularis tauchen nach...

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114 115 An Thailands Traumstränden machen nicht nur Menschen Urlaub. Im bekannten Touristenort Hua Hin springen Tag für Tag Langschwanzmakaken vergnügt ins Meer, toben, tauchen – und knacken mit Steinwerkzeugen Muscheln. Wie sind sie denn darauf gekommen? Text: Fabian von Poser Fotos: Cyril Ruoso Achtung, jetzt kommen wir! Primaten der Art Macaca fascicularis tauchen nach Essbarem, das Menschen ins Meer geworfen haben

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An Thailands Traumstränden machen nicht nur Menschen Urlaub. Im bekannten Touristenort Hua Hin springen Tag für Tag Langschwanzmakaken vergnügt ins Meer, toben, tauchen – und knacken mit Steinwerkzeugen Muscheln. Wie sind sie denn darauf gekommen?

Text: Fabian von Poser Fotos: Cyri l Ruoso

Achtung,jetzt

kommenwir!

Primaten der Art Macaca

fascicularis tauchen nach

Essbarem, das Menschen

ins Meer geworfen haben

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W i s s e n s c h a f t

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in Hua Hin beobachten, einem bekannten Badeort am Golf von Thailand. Auf der einen Seite breiten Menschen ihre Hand-tücher aus. Auf der anderen nehmen Pri-maten der Art Macaca fascicularis, besser bekannt als Javaneraffen oder Lang-schwanzmakaken, ein Bad im Meer. Ein-fach so. Zum Vergnügen.

Sie springen von den Felsen, stoßen ihre Artgenossen ins Wasser, tauchen die Köpfe der anderen unter und, ja, einige lassen auch für alle gut sichtbar ihren Urin von den Felsen ins Meer plätschern.

Erstaunlich ist auch ihr Geschick. Hua Hins Langschwanzmakaken benutzen Steinwerkzeuge, um Schalen- und Krus-tentiere zu knacken – kleine Hämmer für Felsenaustern, größere für Schnecken, Muscheln, Seemandeln und Krebse. Wie kommen sie darauf ?

Tatsächlich ist die Verwendung von Steinwerkzeugen in der Welt der Primaten nicht einzigartig. Der Werkzeuggebrauch von Schimpansen in Afrika ist seit Jane Goodall legendär. Auch Kapuzineraffen in Brasilien setzen Werkzeug ein. Im Gegen-satz zu Makaken verwenden beide Arten es vor allem zum Öffnen von Nüssen, nicht aber für Meerestiere. „Makaken sind die Generalisten unter den Primaten und extrem anpassungsfähig“, sagt James R. Anderson, Psychologe und Primatologe an der Kyoto University in Japan.

Bekannt für den Werkzeuggebrauch sind vor allem zwei Unterarten: Macaca fascicularis und Macaca fascicularis aurea. Auf den 400 Kilometer südlich von Hua Hin gelegenen Inseln Pia Nam Yai und Thao an der Küste der Andamanensee hört man das Klopfen und Hämmern schon von Weitem. Obwohl ihr natürlicher Lebens-raum die Wälder sind, knacken die Maka-ken hier seit Jahrtausenden Muscheln, wie archäologische Funde be legen. Den Tieren verhilft der Werk zeug gebrauch zu einer nährstoffreicheren Ernährung – ein wichtiger evolutionärer Vorteil.

Doch das ist längst nicht alles. Wissen-schaftler sehen im Verhalten der Tiere auch mögliche Hinweise auf die Mensch-

IE EVOLUTION hat Menschen und Affen ähnliche Vor- lieben in die Wiege gelegt. Eine lässt sich besonders gut am Takiab-Strand

D

Oben Ihr Revier sind die

Felsen am Strand

Linke Seite Die Tiere fühlen

sich auf Bäumen ebenso

wohl wie im Wasser

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werdung. Ähnlich wie Langschwanzma-kaken nutzten auch prähistorische Men-schen Steine zur Verarbeitung von Mu- scheln. Bis heute sucht der Homo sapiens in den Küstengebieten der Welt nach Scha-lentieren, indem er kleine Handwerkzeuge wie Messer, Klingen und Steine verwen-det, um die Schalen vom Substrat zu tren-nen und zu öffnen.

Oben Makaken können

unter Wasser klar sehen

Rechte Seite oben Ein

Exemplar der Art Macaca

fascicularis aurea mit

Werkzeug in der Hand

Rechte Seite unten Eine

Krabbe als Mahlzeit

E

inige Forscher sind überzeugt: Die An- passung an das Meer war ein wich-tiger Meilenstein für die geografische Expan sion des Men-

schen. Im „New Scientist“ schrieb US-Evo-lutionsbiologe Nathaniel Dominy, dass die Tiere helfen könnten zu verstehen, warum der Mensch vor mehr als 70 000 Jahren Afrika verlassen hat. Seine These: Unsere Vorfahren seien nicht über Land nach Asien gelangt, sondern entlang der Küste, wo sie immer neue Erntegründe für Mee-resfrüchte fanden.

Andere Forscher glauben, dass die Tiere für etwas noch Größeres stehen. Der Mensch habe nicht in der Savanne auf-recht gehen gelernt, sondern im Meer. Begründet wurde die „Wasseraffentheorie“ (siehe mare No. 116) 1923 durch den Ber-liner Pathologen Max Westenhöfer, einen damals höchst angesehenen Mann.

Doch die Theorie ist stark umstritten. „Der frühe Mensch hat gelernt, den Lebensraum Meer für Futtersuche zu nut-zen“, sagt Primatologe Anderson. „Aber an die These, dass unsere Vorfahren speziell an das Leben im Wasser statt an Land angepasst waren, glaube ich nicht.“

Fest steht zumindest: Die Wege der Menschen und Langschwanzmakaken trennten sich vor über 25 Millionen Jah-ren. Aber beide Arten eint bis heute die Liebe zum Meer. b

Fabian von Poser, Jahrgang 1969, Journalist in

München, schrieb über Gorillas in Ruanda und Bono-

bos im Kongo. Doch die Fähigkeiten der Makaken

versetzten selbst ihn als Kenner ins Staunen.

Cyril Ruoso, geboren 1970, Wildlifefotograf im franzö-

sischen Burgund, musste für diese Bilder ins Wasser

steigen, obwohl er es hasst, im Meer zu baden. Doch

die Langschwanzmakaken waren es ihm wert.