Prinzipielles zur Blutdruckmessung in den intraokularen Arterien

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(Aus der Universit~ts-Augenklinik zu Heidelberg. Direktor: Geh. Hofrat Prof. Dr. Wagenmann.) I)rinzipielles zur Blutdruekmessung in den intraokularen Arterien. Von Prof. Dr. Erich Seidel, Oberarzt der Klinik. Mit 5 Textabbildungen. In den letzten Jahren hat sich das Interesse yon verschiedenen Seiten der Messung des Blutdruckes in den intraokularen Gef~Ben, besonders in den Netzhautarterien, zugewendet. Das dabei allgemein in Anwendung gebraehte Prinzip besteht darin, den den Blutdruek in den Netzhautarterien ~quilibrierenden Gegendruek zu ermitteln, der eben imstande ist, die Blutzirkulation in ihren Xsten auf der Papille durch tempor~ren oder dauernden Verschlul~ des Gef~l~lumens zu unterbreehen. Die benutzten Kriterien zur Erkennung dieses Verhaltens der Gef~Be sind versehieden. W~hrend meist [yon Schult~nl), Bailliart~), Bliedungg)] auch beim mensehliehen Auge bei Beobachtung mit dem Augenspiegel und bewirkter sukzessiver Steigerung des Augendruekes der erforder- liehe Druekwert bestimmt wurde, der zum ersten tempordiren Verschlul3 des Gef~,l~lumensfiihrte, und darauf derjenige, der eben einen dauernden Verschlu$ hervorrief, suehten andere [0. Weiss 3) und seine Mitarbeiter4)] im Tierexperiment durch Beobachtung der Druckverh~ltnisse des Bul- businneren (aus der GrSf3e der Exkursionen eines mit dem GlaskSrper- raum verbundenen Manometers) auf das n~mliehe Verhalten der Ge- f~I~e zu schlief~en (oscillatorisehe Methode). Diese angewandten Methoden haben das wesentliche gemeinsame Merk- mal, dab als druckiibertragendes Medium auf die zu messenden intraoku- laren Gefiit~eder Bulbusinhalt benutzt wurde, in welchem man den Druck in verschiedener Weise ktinstlieh steigerte. Dabei wurde die Annahme

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(Aus der Universit~ts-Augenklinik zu Heidelberg. Direktor: Geh. Hofrat Prof. Dr. Wagenmann.)

I)rinzipielles zur Blutdruekmessung in den intraokularen Arterien.

Von

Prof. Dr. Erich Seidel, Oberarzt der Klinik.

Mit 5 Textabbildungen.

In den letzten Jahren hat sich das Interesse yon verschiedenen Seiten der Messung des Blutdruckes in den intraokularen Gef~Ben, besonders in den Netzhautarterien, zugewendet. Das dabei allgemein in Anwendung gebraehte Prinzip besteht darin, den den Blutdruek in den Netzhautarterien ~quilibrierenden Gegendruek zu ermitteln, der eben imstande ist, die Blutzirkulation in ihren Xsten auf der Papille durch tempor~ren oder dauernden Verschlul~ des Gef~l~lumens zu unterbreehen.

Die benutzten Kriterien zur Erkennung dieses Verhaltens der Gef~Be sind versehieden. W~hrend meist [yon Schult~nl), Bailliart~), Bliedungg)] auch beim mensehliehen Auge bei Beobachtung mit dem Augenspiegel und bewirkter sukzessiver Steigerung des Augendruekes der erforder- liehe Druekwert bestimmt wurde, der zum ersten tempordiren Verschlul 3 des Gef~,l~lumens fiihrte, und darauf derjenige, der eben einen dauernden Verschlu$ hervorrief, suehten andere [0. Weiss 3) und seine Mitarbeiter4)] im Tierexperiment durch Beobachtung der Druckverh~ltnisse des Bul- businneren (aus der GrSf3e der Exkursionen eines mit dem GlaskSrper- raum verbundenen Manometers) auf das n~mliehe Verhalten der Ge- f~I~e zu schlief~en (oscillatorisehe Methode).

Diese angewandten Methoden haben das wesentliche gemeinsame Merk- mal, dab als druckiibertragendes Medium auf die zu messenden intraoku- laren Gefiit~e der Bulbusinhalt benutzt wurde, in welchem man den Druck in verschiedener Weise ktinstlieh steigerte. Dabei wurde die Annahme

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gemacht, daft diejenige kiinstlich erzeugte Augendrnckh6he, die eben imstande war, das Gef~il~lumen voriibergehend zu verschliel~en, bzw. das Maximum der Manometerausschlgge bei der oszillatorischen Methode zu erzeugen, den in physiologischen Zeiten herrsehenden diastolischen Blut- druck in den Netzhautarterien und diejenige Augendruckh6he, die eben dazu ausreichte, einen dauernden Gefgftverschlul] zu bewirken, bzw. die Manometeroscillationen ganz aufzuheben, den normalen systolischen Druck in den Netzhaut~rterien darstellte. Diese Annahme ist ]edoch nicht zutre ]]end.

Bekanntlich muft jede brauchbare Messungsmethode des Blutdruckes die Aufgabe erffillen, den Druck zu messen, ohne daft die Kreislau/ver- Miltnisse in dem zu messenden Ge/~ifiabschnitt wesentlich gegndert werden. Man muft sich daher dariiber klar sein, dal] dann, wenn man durch irgend- eine Methode die Blutstr6mung in dem zu messenden Gefgl]e zum Still- stand bringt, wie das in gleicher Weise der Fall ist, wenn man (nach Unterbindung) eine endstdndige Manometerkanfile in sein Lumen ein- fiihrt, oder wenn man durch gut~eren Druek das Gefgl31umen an um- schriebener Stelle blutleer driiekt, hierdurch die Zirku]ationsverhgltnisse in diesem Ge]~i]3 wesentlich gegnder.t werden. Wir messen ngmlich dann den Druck, der in der angehaltenen stagnierenden Blutsgule vor- handen ist, nieht jedoch den physiologischen, der im Gefgft herrschte, als das Blur in Bewegung war. Der so gemessene Druek in diesem Gefgft ist stets h6her als der physiologische, weft durch teilweise oder vollst~ndige Abklemmung einer Arterie der Widerstand ffir den Blut- strom vergr6ftert wird und eine Reduktion der Blutgeschwindigkeit eintritt, was sieh in einem vermehr~en Seitendruck auf die Gef~ft- w~tnde ~ul~ert. Wie durch einfache Modellversuche leieht gezeigt werden kann [Priestley Smith 5) und andere], steigt bei Anwendung eines allm~hlieh anwachsenden ~ul~eren Druckes auf eine Arterie der Blutdruck in dieser, aufw~trts yon der Kompressionsstelle, mit zu- nehmender Verengerung des Gef~ftlumens mehr und mehr an bis zu einem Druekmaximum, das dann eintrit~, wenn nach Kollabieren der Gef~l~w~nde der Blutstrom zum Stillstand kommt. Wir erhalten durch ~ul]ere Kompression einer Arterie, die zum dauernden VersehluI~ ihres Lumens fiihrt, genau so wie dureh manometrische Messung mit end. 8t~indiger Kanfile nicht die physiologische BlutdruckhShe in diesem Ge- f~ft, sondern vielmehr einen gesteigerten Blutdruckwert. Letzterer ist selbst noch etwas h6her als der physiologiseherweise in dem ntichst- hdheren Ge/dflstam~n mit freier Zirkulation an der Stelle vorhandene, an der das betr. Gef~ft, in welchem wit die Blutzirkulation zum Stillstand gebracht haben, als Seitenast abgeht.

So messen wir mittels Einbinden einer endst~ndigen Manometer.

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kaniite in die A. carotis nieht den Druck in dieser, sondern den Blut- druek in der Aorta und dureh Einfiihren einer endst~ndigen Kanfile in die Vena ]ugularis den Blutdruek in der Ven~ cava G, 16).

Wenden wit diese, dureh physikalisehe und physiologisehe Messun- gen seit Jahren vollkommen gesicherte Erkenntnis der Hydro- und H~modynamik auf das Problem der intraokularen Blutdruckmessung an, so ergibt sich folgendes:

ErhOhen ~ durch irgendeine Methode kiinstlich den intraokularen Druck, bis die Netzhautarterien anf der Papille dauernd verschlossen

Abb. 1. Linker Bulbus mit arterieller Yersorgung you unten gesehen, tlorizontalschnitt dutch die Orbita~

werden, so ist, der hierzu n6tige Kompressionsdruck nicht gleich dem physiologischerweise in den Netzhautarterien herrschenden Blutdruck, sondern der n6tige Kompressionsdruck ist hSher als dieser. Er entspricht etwa dem Blutdruck in dem n~ehsthSheren Gef~Bstamm, d. i. dem in der Arteria ophthalmica (vgl. Abb. 1), bzw. in denjenigen ihrer Itauptaste an der Stelle herrschenden, wo die Arteria centralis retinae aus ihr entspringt, was sehon v. Schult~n im Gegensatz zu neueren Autoren richtig erkannte.

So schreibt v. Schult~n 1) bereits vor fiber 40 Jahren in seiner be- kannten Arbeit aus dem C. Ludwigsehen Laboratorium in Leipzig:

v. Graefes Archiv ftir Ophthalmologie. Bd. 116. 36

540 E. Seidel :

,,Wenn der Druek im Auge sukzessive gesteigert wird, ist die n~chste Folge, dal~ der Blutdruek in den kleineren Arterien, Capillaren und Venen der Retina und Uve~ gleiehfalls steigt bis zu dem in den Itauptstammen herrschenden Drucke und in diesen wieder bis zu demselben Grade, wie in den au•erhalb des Auges gelegenen Arterien, yon denen sie herstammen, d. h. den Art. ophthalmieae und ihren Zweigen."

,,Es ist ja bekannt, dM~, wenn der Abflu~ des Blutes aus einem KSrper- teil verhindert wird, der Druek in den abfiihrenden Gefal~en beinahe ebenso hoeh steigt wie in den zuffihrenden."

,,Wenn ein Druek gleiehzeitig auch auf die zufiihrenden Arterien wirkt, so steigt der Druck auch in diesen wenigstens bis zu dem oberhalb des n~chsten grSl~eren KollaterMzweiges herrschenden Drueke."

,,Wenn wir also den Druck beobaehten, bei welehem der Blutstrom in den Gef~l~en der Retina und Chorioidea abbrieht, so ist damit der maxi- male Blutdruck in der Arteria ophthalmica und deren grS~eren Zweigen gefunden."

Man zitiert daher yon Schultdn nicht richtig, wenn man seine aus- drficklich auf die Arteria ophthalmica und deren grSl~ere Zweige bezogenen Messungsresultate fiber die ttShe des Blutdruckes einfach auf die intra- okularen Arterien iibertr~gt, wie des neuerdings geschieht [0. Weiss 3) und andere].

Die wichtige Fr~ge naeh der GrSl~e des Druekunterschiedes zwischen dem zur dauernden Unterdriiekung der Blutzirkulation in einer Arterie nStigen Kompressionsdruck und dem in ihr normMerweise herrschenden Blutdruck, mit anderen Worten die GrS[3e des Fehlers, den man dureh Gleichsetzen yon Kompressionsdruek und physiologischem Arteriendruck begeht, h~ngt yon mehreren Faktoren ab : Vor ahem yon der Steile des nor- mMen Druckabfalles zwisehen komprimierter Arterie und ihrer n~ehst- hSheren KollaterMe, was bei engen Arterien in der absoluten GrSBe des Durehmessers des komprimierten Astes und der Stammarterie und im Verh~ltnis dieser beiden GrSBen zum Ausdruck kommt. Weiterhin ist yon EinfluB die L~nge der angehaltenen Bluts~ule, sowie die Frage, ob der unterdrfickte oder unterbundene Arterienast ein wesentliches AbflulL gebiet der Stammarterie darstellt. Je steiler der Verl~uf der physiolo- gischen Druekkurve zwisehen St~mmarterie und der Kompressionsstelle ihres zu messenden Seitenastes, je ]anger die angehaltene Bluts~ule, je grSl~er der relative Durehmesser des verschlossenen Astes zu der Summe der offenbleibenden Seiten~ste der Stammarterie, desto grSt~er der dutch Gleiehsetzen yon Kompressionsdruck und physiologischem Blutdruek begangene Fehler.

Bekanntlich wissen wir seit den Untersuchungen yon Poiseuille6), dal~ der Druek, mit dem des Blur aus dem tterzen dutch die Arterien

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getrieben wird, nahezu dieselbe Gr5Be behiilt' bis zu ihren diinnen Zwei- gen yon etwa 2 mm Durehmesser, und dM] der Druekabiall im Gef~G- system erst in Arterien stattfindet, die einen kleineren Durchmesser Ms 2 mm besitzen.

Ist der bis zur Blutleere komprimierte Arterienast daher im Gegensatz zur Stammarterie ein sehr enges Gefiil~, in dem schon physiologischer- wei~se ein erheblieher Druckabfall statt~indet, d. h. hat er einen wesent- lieh geringeren Durehmesser Ms 2 ram, und stellt dis n~ehsthShere Kotla- ~erale dagegen ein betr~eht]ich weiteres Gef/il~ dar yon 2 mm Dureh- messer oder mehr, in dem also noch kein nennenswerter Verlust des Aortendruekes s ta t tgdunden hat, so ~4rd der zur Unterdriickung der Blutzirkulation im Arterienast nStige Kompressionsdruck erheblich hSher sein Ms der in physiologisehen Zeiten in ihm herrschende Blut- druek. Der l~ehler, den man begeht durch Gleichsetzen yon Kompres- sionsdruck und physiologischem Arteriendruck ist also unter diesen Ver- h~ltnissen betr~chtlich. Diese Verh~iltnisse liegen nun vor bei der Kom- Tression der Netzhautarterien des menschlichen Auges: denn die Zweige der I~etzhautarterie aui der Papille haben nur einen Durchmesser yon etwa ~/~0 mmV), dig n~chsth6here KollaterMe, dis Arteria ophthMmiea, besitzt dagegen an der Abgangsstelle der Arteria centralis retinae*) einen Durchmesser yon 2 mms ) (vgl. Abb. 1). Wird nun dutch den Kompressions- druck gleiehsam als Nebenwirkang zur selben Zeit au[3er der 1Nletzhaut- zirkulation aueh die der Aderhaut ausgeschaltet, also der gesamte arterieIle Blutzu/lufi aus der Arteria ophthMmica zum Augeninneren, wie das bei allen Messungsmethoden gesehieht, bei denen man den BulbusinhMt Ms druckiibertragendes Medium benutzt, so wird hierdurch sin wesentliches AbfluBgebiet der Arteria ophthalmica blockiert. Hierdurch wird der ]~lutdruek in ihr erhSht werden, so dal~ der abgelesene Kompressions- druek fiir dis Netzhautarterien den physiologischen Btutdruek selbst in der Arteri~ ophthalmica noeh etwas iibertreffen wird.

Wit miissen somit sagen, dab Mle diejenigen Methoden, die zur Be- stimmung des intraolsularen Bluldrue/,ces den BuIbnsi~xhatt als druekiiber- tragendes Medium auf die Angengefi~Be benutzen, dig Anfordernngen, die an eine brauehbare Messungsmethode zn ste]ten sind, nicht erfiitlen. Denn dutch ErhShnng des GlaskSrperdruekes bis zur dauernden Bht leere der Netzhautgef~Be wird zu gteieher Zeit der ]31utstrom in sgmtlichen Zweigen aller intraokularen Arterien angehMten und diese aus der Blutzirkulation ausgeschMtet, wodureh die Kreislaufverhgltnisse im intra0kularen Ge- f~iBgebiet, deren physiologisehen Blutdruek ~%r messen wollen, /unda- mental gegndert werclen. Diese Methoden erhShen alle den Blutdruclc in

*) Die Arteria centrMis retln~e is~ am Ursprung 0,28 mm und bei Eintritt in den Sehnerven 0,23 mm st~rk ~' 1~).

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542 E. Seidel :

den intraokularen Ge/d[3en*), ehe sie ihn messen. Wir kSnnen daher mi t sotchen Me~hoden iiberhaupt nicht, ~de angenommen wurde, den physiologischen BluMruck in den intraokularen Arterien bes~immen. Sit wiirden h0chstens gecignet Skin, den Druck in der Arteria ophthal- mica, d. h. die allgemeine BlutdruckhShe, also den Aortendruck zu messen, falls ein exaktes, kliniseh verwendbares manometrisehes Ver- fahren zur Verfiigung st~nde, den kfinstlich im GlaskSrperraum er- zeugten ~drksa, men Kompressionsdruek auf die Gefa~e zu ermitteln. Dies is~ bis jetzt nut im Tierexperiment mittels t in ts mi t dem Augen- inneren verbundenen Manometers mSglieh und ha t hier Werte ergeben (von SchuItdn), die der HShe des allgemeinen Blutdruekes, d .h . des Aortendruckes, fast vollkommen entsprechen, wie das nach vorstehen- den Ausfiihrungen j~ ohne weiteres erkl~rlich ist.

Bei der kritisehen Bewertung yon Messungsresulta~en am mensch- lichen Auge, dig mittels Methoden erhalten wurden, die auf dem be- sprochenen Grundprinzip der Drucktibertragung auf dig intraokularen Gef~I~e dutch den Bulbusinhalt beruhen, rnu{~ demnach folgendes be- achtet werden :

1. dal~ diese Methoden, wit dargelegt, sieh auf sin ffir die Messung des physiologischen Blutdruckes in den intraokularen Gef~.I~en unge- eignetes Prinzip griinden,

2. dal~ bei ihnen allen der auf die intraokularen Gef~l~e ausgefib~e Kompressionsdruck nicht exakt bestimmt werden ]~ann, sondern hierffir ein kompliziertes Sch~tzungsverfahren dutch kombinierte Amvendung yon Tonometer und ~uBeren Druck in Anspruch genommen werden muB, das ernste Fehlerquellen**) einschliel~t [Priestley SmithS)l,

*) Das gilt na~tirlieh ffir sdmtlic/te intraokularen Get,Be, also aul~er ~fir die Arterien aueh ffir die Venen und Capillaren, ja fiir le~ztere Gef~if~arten noch in erh6htem Marie, insofern sieh aus hydrodynamisehen Grfinden eine Blutstauung infolge Abflui~behinderung dureh kfinstliehe Augendrueksteigerung zuerst in den Venen und Capillaren als Blutdruckerh6hung auswirken muB, ebe sie fiber die Arteriolen zu den Arterien fortsehreitet.

Derjenige Kompressionsdruek, der imstande ist, die Blutzirkulation in den intraokul~ren Venen und Capillaren zum Stfltstand zu bringen, zeig~ uns daher ~eines/alls, wie l~euerdings irrtfimlieh angenommen wird, den physiologischen Venen- und Capillardruck an, sondern vielmehr die maximale Blutdruc~hghe in den zu/i~hrenden Arterien.

**) So wurde z. B. in neuester geit nich~ genfigend beriicksiehtigt, dal~ d~s SehiStzsehe Tonometer seiner ganzen Xonstruktion naeh kein geeignetes instrument ist, ura den intraokularen Druek in einem ~i~nstlieh dutch Stempeldruck de/ormierten Bulbu8 zu reassert. Denn je nach dem Grade der dutch Stempeldruek (Dynamometer). erzeugten Deformierung der Bulbnsoberfl~ehe ~ die na.tiirtich bei einem weichen~ oder infoIge der Kompression erweiehenden Auge, z. B. Fis~ehmge, bei gleichem Stempetdruek erheblieh grSt~er is~, als an Augen mi~ normaler oder erhSb.ter Span- nung -- , werden infolge Verkleinerung der ttornhautkrfimmung aus bekannten

Prinzipielles zur Blutdruckraessung in den intraokularen Arterien. 543

3. dal~ durch einen mi t te l s I n s t r u m e n t e n [Bailliarta)] oder auch du rch L u f t d r u c k [Bliedungg)] ausget ib ten s t a r k e n , , G e ~ d c h t s d r u c k " auf den Bul- bus und den Orb i ta l inha l t , de r sich in t e tz te rem Fa] le his an /mehrere Hunderte von Gramm bel~uft, n icht nur der Augendruck s t a r k erhTht , sondern auch das h a r t e Auge in die Orbi ta zur i ickgedrf ickt ~ r d , wo- durch un / ibersehbare Zi rku la t ionss tSrungen im extrao/cularen Gef~B- gebie t hervorgerufen werden kTnnen, da der als Durch t r i t t sgeb ie t der zum Augen inneren ver laufenden Gef~Be so wicht ige retrobulbgre Orbi- taIraum h ie rdurch gle ichsam zwischen den b a r r e n Bulbus und die knS- cherne Orbi ta l sp i tze ein¢ek.Iemmt wird,

4. daB, was noch n ich t e rwghnt wnrde, ]e nach der Geschwindiglceit, m i t de r m a n den Augendruek ki inst l ich steiger t, sich an demselben Auge ganz verschiedene Druckwer te ergeben kSnnen, die zum Kol la - b ieren der in t r aoku la ren Gef~Be f/ihren:

]-fieraus erkl~rt sich die zun~chst schwer verst~ndlich erscheinende Tatsache, dab verschiedene Autoren mit derselben Messungsmethode stark di]/erierende l~Iessungsresultate erhalten haben, wie z. B. Baitliart 2) gegenfiber ~verger und BarrelS). Es ist nach den vorausgegangenen Ausfiihrungen natt~rlich ohne weJteres klar, daft n~ch bewirkter Abfluf~behinderung des Blutes aus dem Auge infolge kiinstlicher Augendrucksteigernng eine gewisse Zeit dazu nStig ist, bis der Blutdruck in den in~raokularen Gef~Ben sich vollkommen his auf die H5he der n~chst gr5Beren, extraokular gelegenen arteriellen Kollaterale, also der Arteria Abb. 2. ophthalmica, eingestell~ ha~. Daher vezsteht man, dab bei sehr schnellem Ansteigenlassen des Kompressionsdruckes, wie das mitte]s des Bailliartschen Dynamometers besonders beigeniigender ¢dbung leicht geschieht, die volle, bzw. die durch Stauung vermehrte HThe des Ophthal- micadruckes in den intraokularen Artcrien noch nicht erreicht zu sein braucht, und diese dcshalb bci eincm niedrigcrcn Komprcssionsdruck kollabiercn kSnnen, als wenn man den Xompressionsdruck langsam einschlcichen lgBt, wie das in der Rcgel bei manometrischer ErhThung des Augendruckes dcr Fall ist.

Im ersteren Falle handelt es sich jedoch nur scheinbar um eine dauernde filutleere. Denn 15B~ man denselben Kompressionsdruck unvergndert eine Zeif~- la~ng wirken, so beobachte~ m~n sehr bald, da~ die Blutzirkulation sich sponta, n wiederherste!lt, zweifellos deshalb, well sich inzwischea die dutch Blutstauung verursach~e Gef~druckerhShung wei~er ~usgewirkt h~f.

Ich habe attf diese Erscheinung bereits frtiher aufmerksam gemacht ge- legentlich meiner Blutdruckmessungen in den Vortexvenen (v. Graefes Arch. f. Opht.h. l l~, 255), ~,obei ich dieselbe expcrimentcll feststellte und el;klgrte,

Grtinden iv) zu kl~ine Tonometerausschl~ge erhalten, die zu hohe intraokulare Druckwerte vort~uschcn. Dutch einfache Versuche an herausgeschnittenen Schweinsaugen bei manometrischer Kontrolle des Innendruckes k~nn man sich leich~ yon dieser Tats~he iiberzeugen.

544 E. Seidel :

Bailliart z) hat sie gelegentlich seiner Druckmessungen in den Netzhautarterien beobachtet, jedoch nicht richtig gedeutet.

Es ergibt sich aus der einfachen physikalischen Erkl~rung die wichtigeErkenntnis, daft bei sehr schnellem Anstelgenlassen des Augendruckes durch Kompression des Bul-

Abb. 3.

bus der n i e d r i g s t e Druckwert, der zu einem tempor igren , :]edoch mehrere Puls- schIdge i~berdauernden Kollabieren des Ge/~fies /i~hrt, dem physiologischen Betrag de8 ~ystolischen JBlutdruclce8 am ~chsten kommt, )ian h~tte also bei der Ermittlung tier sys~olischen ]~lutdruckhShe ebenso wie bei tier Bestimmung der diastolischen nicht eine dauernde, sondera nur eine tem~ordre Blutleere zu beobachten, die

Prinzipielles zur Blutdruckmessung in den intraokularen Arterien. 545

sich yon der den dia~tolischen Blntdruck anzeigenden nut durch ihre etwas ~ngere Dauer unterschelde~.

Abet auch wenn es mOglich w/~re, die eriorderlichen Beobachtungen exakt vorzunehmen und die entsprechenden Kompressionsdrucke genau zu ermitteln, so wiirden dennoch die erhaltenen 1VIessungsresulta~e den Betrag des in physio- logischen Zeiten herrschend'en intraokula.ren Arteriendruckes stets i~bertre//en.

Wenn wir die physiologische HOhe des Blutdrucks in einer Arterie des Auges selbst erfahren wollen, so nfiissen wit folgende Richt]inien streng beachten:

1. Wir miissen einen mel~buren Kompressionsdruck nicht au] die zu messende Arterie selbst aus/iben, sondern isotiert auf einen Seitenas~ derselben.

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Abb. 4. Normale vordere Ciliararterien [nach Heerfard$151.

2. Wir miissen darauf Bedacht nehmen, dab der angewandte Kom- pressionsdruck nicht etwa als Nebenwirkung (z. B. durch Erh5hung des intraokularen I)ruckes) ein gr6Geres Gefaggebiet aus dem Bezirk der Stammarterie, d .h . der Arteri~ oph~halmica, ausschaltet.

3. Wir mfissen das Auftreten yon ZirkulationsstSrungen im extra- bulbaren OefaBgebiet vermeiden.

Diese allgemeinen Yorderungen ifir die Messung der lohysiologischen . BlutdruckhOhe kann bei allen den~enigen Methoden, die den Bulbusinhalt als druckiibertragendes Medium benutzen, nicht erfiillt werden.

Verwendet man dagegen zur Druckiibertragung ira Gegensatz z~t den bisherigen Methoden nicht das Bulbusinnere, sondern, wie ich das tat10), eine kleine durchsichtige, mit Fliissigkeit geffillte Pelotte mit

5z16 E. Seidel :

meBbarem Binnendruck (vgl. Abb. 2 und Abb. 3) und w&hlt zur Druek- messung das extraokulare Verzweigungsgebiet einer geeigneten perfo- rierenden vorderen Ciliararterie auf der Sclera Icurz vor ihrem Eintritt in das Bulbusinnere (vgl. Abb. 4), wo d~s direkt unter der Bindehaut liegende Arterienst~mmehen nur einen Durehmesser yon etwa 1/i 0 mm besitztn), so ]assen sieh die angeffihrten Forderungen ohne weiteres

kbb. 5.

erffillen. Denn es ist ein leiehtes, diese Pelotte mit ihrer ein dfinnes sehmiegsames H~utehen darstellenden Basis mit eng umschriebener Fl~che gleichsam ,,punktf6rmig" fiber einem Arterienseiten~stchen auf die Bulbuskapsel aufzusetzen (vgl. Abb. 5), so dab man einen Seitenast der zu messenden Arterie isoliert komprimieren und die Messung so be- werkstelligen kann, dab der Augendruek sieh dabei nieht fiber die i~orm erhebt.

Prinzipie]les zur Blutdruckmessunff in den intraokularen Arterien. 547

Da man dureh die durchsichtige Pelotte*) hindurch den Zeitpunkt des ersten tempor~iren Versehlusses der Arterie, sowie den des dauernden

)

Verschtusses bei steigendem bekannten Manometerdruck mit bloBem Auge oder Lupenbetraehtung leieht feststellen kann, so wird der ent- spreehende am Wassermanometer abgelesene hydrostatisehe Druckwert die physiologisehe HShe des diastolischen und systolischen Blutdruckes in derjenigen perforierenden Ciliararterie, deren Seitenast komprimiert wurde, nur wenig fibertreffen. Der physiologische Blutdruck in ihrem intraokularen Abschnitt muff notwendigerweise me@lich niedriger 8ein, als der extraokular gemessene. Es ist ni~mlieh dabei zu bedenken, dab beim Eintr i t t einer pefforierenden Ciliararterie in den Bulbus der intraokulare Druck auf ihreWand wie ein Kompressionsdruek wirkt, und dal] deshalb der oberhalb der Kompressionsstelle, d .h . in ihrem extrabulb~ren Ab- sehnitt herrschende Blutdruck nieht allm~ihlich, sondern stu]en/6rmig auf das in ihrem intraokularen Ver]auf vorhandene Druekniveau ab- fallen wird.

Wit erhalten also auf diese Weise selbstverst~ndlich nicht die HShe des intraokularen Blutdruckes selbst, jedoch gleichsam eine obere Begrenzung ffir seine physiologische HShe. Dies ist ffir eine Reihe physio- logischer Fragen von gro!~er Bedeutung, z. B. fiir die nach der I-IOhe des intraokularen Capillardruckes, der naeh oben durch den extraokular gemessenen diastolischen Arteriendruck und nach unten durch die HShe des physiologischen Augendruckes auf ein enges Gebiet besehr~nkt wirdl°), was praktisch seiner direkten )/Iessung fast gleiehkommt.**)

Die Tatsaehe, da$ selbst die Anwendung eines Pelot~endruckes yon etwa 100 cm H~O (75 mm Hg) auf die Bulbuskapsel, wie er oft zur Be- st immung des systolischen Blutdruckes ill den vorderen Ciliararterien an-

*) Instrumentarium und Technik sind beschrieben in v. Graefes Arch. f. Ophth. i1:¢, 252 sowie 114, 175; vgl. auch Heidelberger Kongre~bericht 1924, S. 79. Das Glasn~pfehen mit Deckglasehenbedeekung, das durch Aufbindcn eines Gold- schl~gerh~utchens aus sogenannter ,,Fischblase" zur Pelotte wird, fertigte die Glasblaserei Desaga, Heidelberg, Hauptstral~e, an.

**) Ein zweiter ganz anderer und ebenfalls sicherer Weg, die H6he des intra- okularen Capillardruckes zu erfahren, besteht in folgender ~berlegung: Wie i~berall im K6rper mu$ auch im Auge aus hamodynamischen Grfinden der Capillardruck dieht neben dem Venendruek liegen, d. h. er kann letzteren nut um wenige Milli- meter tIg fibertreffen. Nun wissen wir abet aus der Tatsache des physiologischen 2Vetzhautvenenpulses sowie aus der Tatsache, dab bei minimaler DruckerhShung des Bulbus durch leichteste Beriihrung sofort ein tempor~res Zusammenklappen der Ne~zhautvenen auf der Papille eintritt [Henderson19)], dal3 der Blutdruek in den intraokularen Venen beim Austritt aus dem Auge dicht fiber dem physio- logischen Augendruck liegt. Hieraus folgt, da$ der Capillardruck im Auge etwa 30 mm Hg betragen wird, eine Zahl, die sich auch aus den Messungsresultaten fiir den diastolischen Eintrittsdruek in den vorderen Ciliararterien ergibt.

548 E. Seidel :

gewendet werden muB, den Augendruck nicht fiber die Norm zu erheben vermag, erkl~rt sich daraus, dal~ die driickende Wassers~ule auf des Auge als Gewichtsdruek wirkt, dessen GrSf~e sich durch des Produkt aus der drtickenden Flgche und der HShe der Wassers~iule bereehnet. Da die drfiekende Flgche mSglichst klein gewghlt wird (,,punktfSrmige" Bertih- rung), so ist der sich ergebende Gewichtsdruck stets sehr gering und vermag deshalb aueh keine die Blutzirkulation in der Orbita stSrende Dislokation des Bulbus herbeizuffihren. Berfihrt man z. B. die Bulbuskapsel mit einer kreisfSrmigen Flaehe yon 2 ram Durehmesser, so wfirde selbst bei einem Wasserstande im Manometer yon 100 c m d e r auf das Auge wirkende Gewichtsdruck nur 3 g betragen, bei einem Berfihrungskreis yon 3 mm Durehmesser 7 g u n d bei einem solchen yon 4 ram Durchmesser 12,5 g. Derartige geringe Gewiehte vermSgen bei Verwendung eines sich der Bulbusoberfl~iche genau ansehmiegenden weiehen H~iutchegs den Augen- druek nicht fiber seinen physiologisehen Grenzwert zu erhShen, wie sieh leicht durch gleiehzeitige Tonometermessungen feststellen lg~t. So er- gab sich in zahlreiehen Versuehen, da~ an normalen mensehliehen Augen

mit physiologischer DruekhShe ( ~ 6 naehSchiStz) beieinemmitder

Pelotte auf die Bulbuswand ausgefibten Wasserdruck yon 100 em (75 mm Itg) der Tonometeraussehtag sieh nur um 1 / _ 11/~ Teilstriehe der Skala verringerte, d . h . Schwankungen des Augendruckes yon 3--7 mm Hg anzeigte, wie sie auch unter physiologischen Verh~iltnissen vorkommen.

Wir sehen somit, dait durch die beiden yon mir verwandten Ma~- nahmen, Anwendung einer Pelotte zur direkten Druckfibertragung auf die G e f ~ e mit manometrischer Kontrolle und Wahl des extraokutaren Verzweigungsgebietes einer perforierenden vorderen Ciliararterie die prin- zipiellen FehlerqueUen der ~ilteren Methode vermieden werden, so d~l~ es mSglieh ist, den arteriellen Blutdruek in den vorderen Cili~rarterien an der Eintrittsstelle in den Bulbus zu messen, ohne die Kreislaufverh~lt- nisse im Ahge sowie in der Orbita wesentlich zu ~ndern.

Zum Schluf~ noeh einige Worte fiber die oszillatorisehe Methode, in- soweit sie zur Messung des diastolisehen Blutdruekes in den intraoku- laren Arterien herangezogen wurde.

~ber die mit ihr erhaltenen Werte flit die systolische BlutdruckhShe gilt des eingangs Gesagte. Die Werte geben nicht die physiologische BlutdruckhShe in den intraokularen Arterien an, sondern vieltnehr den erhShten Druek in der Arteria ophtha, lmica bzw. ihren H~upt~sten.

M~n hat bei der Deutung der mit der oszitlatorisehen Me- rhode erhaltenen Ablesungsresultate, die man neuerdings photo- graphiseh registrierte, die Annahme gemacht (0. Weiss und seine

Prinzipielles zur Blutdruckmessung in den intraokularen Arterien. 549

Mitarbeiter), dab diejenige kiinstlich im Augeninneren erzeugte Druck- hShe, bei welcher die Fliissigkei~ssi~ule eines mi t dem GlaskSrperraum in Verbindung gebrachten Manometers die grgfiten pulsatorischen Exkur- sionen zeigt, der HShe des diastolischen Blutdruckes in den intraokularen Arterien entspriiche, d. h. dem Druck, bei dem bei Beobachtung mit dem Augenspiegel der erste temporgre Verschluft der Netzhautarterien bis zur Blutleere auf der Papille eintritt. Man hat welter angenommen, dal~ die Beobachtung der Manometerschwingungen ein sichereres Krite- rium zum Erkennen dieses Zustandes der Gefi~i~e darstelle, als ihre direkte Beobachtung mit dem Augenspiegel.

Diese Voraussetzungen und Annahmen tre//en abet nicht zu aus folgen- den Grfinden:

Die pulsatorische Schwankung des Augendruckes ist bekanntlich bedingt durch die bei jeder Systole des tterzens infolge Eintritts einer vermehrten Blutfiillung der intraokularen Arterien hervorgerufenen Volumenvermehrung des Bulbus. Die GrOIte der pulsatorischen Druck- schwankungen bei sukzessive gesteigertem Augendruck ist aber nicht, wie das mit obiger Annahme stillschweigend vorausgesetzt wird, allein eine Funktion der pulsatorischen Volumenzunahme des Bulbus, des soge- nannten Pulsvolumens, sondern hi~ngt gleichzeitig yon dem Spannungs- zustand der Bulbuskapsel ab. Jede Steigerung des Augendruckes verur- sacht einen st~rkeren Spannungszustand der Bulbuswand, wodurch diese weniger dehnbar wird.

Je geringer aber die Dehnbarkeit der Bulbuskapse], desto grSl~er ist der Betrag der Druckzunahme, die dutch die gleiche Inhaltsvermehrung hervorgerufen wird. Die gleiche Vermehrung des Bulbusinhaltes vermag also ganz verschiedene Zunahme des intraokularen Druckes zu erzeugen, wenn dutch st~rkere Spannung der Augenwand ihre Elastizit~tsverhi~lt- nisse sich ~ndern, wie das durch Einstellung verschiedener HOhen des intraokularen Druckes bewirkt wird. Ich verweise auf die hierauf be- ziiglichen Untersuchungen yon Koster 14) und yon Wessely15). Bei suk- zessive steigendem Augendruck hi~ngt daher die Zunahme der Gr(SBe der pulsatorischen Exkursionen eines mit dem Bulbusinneren in Verbindung gebrachten Manometers nicht allein yon der Zunahme der durch die pul- satorische Ausdehnung der intraokularen Arterien bewirkten Volumen- vermehrung des Bulbus, dem sogenannten Pulsvolumen der Gef~fe ab, sondern ebenfalls von der gleichzeitig eintretenden Abnahme der Dehn- barkeit der Augenkapsel.

Da wir nun die GrS$e des Einflusses beider Momente auf die Mano- meterexkursionen und ihr gegenseitiges Verh~ltnis bei verschiedenen Werten des intraokularen Druckes nicht kennen, ja nicht einmal zu sch~tzen vermOgen, so ist klar, dai3 wir keinerlei sichere Schliisse

550 E. Seidel :

aus der Gr6Be der Manometerausschl/~ge auf die Gr6Be des 1)uls - volumens der Gefi~Be ziehen kSnnen, wie diejenigen Autoren irrtiimlich annchmen, die mit Hilfe der oszillatorischen Methode die diastolische BlutdruckhShe in den intraokularen Arterien bestimmen wollen.

DaB das Anwachsen der Manometerausschli~ge bei sukzessive an- steigendem Augendruck yon ganz verschiedenen Faktoren abh~ngig ist, geht weiterhin mit groBer Deutliehkeit aus experimentellenVersuchsergeb- nissen am Kaninchenauge hervor, die kfirzlich aus dem Weissschen La- boratorium mitgeteilt wurden4), aber nach der angegebenen 1%iehtung bin keine Verwertung fanden.

So wird yon einem Versuch (III) folgendes Protokoll wiedergegeben: Wir erfahren aus nebenstehendem Pro-

Versuch I lL

Augendruck in m m

Wasser "l~g

280 21,5 480 37 680 52 880 68

1000 77 1200 92,5

Pulsamplitude in mm tt20

0,5--1 2 --2,5 2 2,5 2 0

tokoll, dab bei einem Augendruck yon 37 mm Hg der pulsatorische Manometer- ausschlag 2--2,5 mm II~O betrug, und dab bei weiterer Steigerung des Augendruckes auf 52 mm Hg die Oszillationen wieder kleiner wurden und auf 2 mm I-I~O zuri~ck- gingen, um bei einer weiteren Erh6hung des Augendruckes auf 68 mm Hg pl6tzlich wieder zuzunehmen, his au] die vorher bei

einem tie/eren Augendruck bereits schon einmal beobachtete und verzeichnete Gr@e yon 2,5 mm H20, worauf dann die Oszillationen bei weiter gestei- gertem Augendruck allm~hlich bis auf 0 sanken.

Es ergab sich also in diesem Versuche, dab bei stetig eHolgender kfinstlicher Steigerung des Augendruckes gleichsam zwei voneinander- getrennte gleichgro[3e Maxima der Manometerausschl~ge vorhanden waren, n~mlich das erste Maximum bei einem Augendruck yon 37 mm Hg, das zweite Maximum bei einem solchen yon 68 mm Hg, d. h. bei einem Druckwert, der um 31 mm Hg hSher war als der erste, also somit fast doppelt so groB war wie dieser. Die betr. Autoren w~hlten nun zu ihren Schlfissen auf die diastolische Blutdruckh6he ohne wciteres den zweiten h6heren Wert yon 68 mm Hg, was willki~rlich ist.

Du tch diese Versuchsergebnisse finden die vorausgeschickten theo- retischen Einw/inde gegen die oszil]atorische Methode eine direkte ex- perimentelle Best~tigung, denn es geht aus ihnen hervor, dab das angeb- lich die H6he des diastolischen Druckes anzeigende Maximum der Mano- meterschwankungen bei zwei i~ber 80% di//erierenden Druclcwerten auf- trat. Hieraus geht klar hervor, dab sich die Leistungen der oszillatorischen Methode bez/iglich der Bestimmung des diastolischen Gef/iBdruckes im Auge gar nicht fibersehen lassen, was die Methode ftir diesen Zweck un- geeignet macht.

Prinzipielles zur Blutdruckmessung in den intraokularcn Arterien. 551

Wir gelangen somit durch Betrachtung der speziellen Verh~ltnisse am Auge zu demselben Urteil fiber den Wert der oszillatorisehen Me- rhode, wie es der Mfinehener Physiologe O. Frank 16) bereits vor Jahren im allgemeinen aussprach, indem er die Prinzipien der oszillatorisehen Messungsmethoden als durchaus unklar bezeiehnete und man nicht be- stimmt sagen k6nne, ob das Maximum der Oszillation das Maximum oder das Minimum oder den sogenannten mittleren Gefi~Bdruck anzeige.

Auf Grund der vorausgeschickten Ausffihrungen bin ich der Ansieht, dab wir zur Zeit fiber Messungsmethoden, mit denen wir den physio- logischen Betrag des intraokularen Blutdruekes direlct messen kSnnen, nicht ver]i~gen. Die einzelnen im vorstehenden besproehenen Methoden, mit denen einige Autoren die physiologische ttShe des intraokularen Blut- druckes direkt gemessen zu haben glauben, sind ffir diesen Zweck un- geeignet wegen der ihnen anhaftenden sehwerwiegenden prinzipiellen Fehler.

Au] richtigen Prinzipien der Blutdruc~messung beruht die Pelotten- methode. Diese miBt daher zuverl~ssig die ttShe des physiologischen Blutdruckes in den zum Augeninneren verlaufenden Arterien bei Ein- tritt in den Bulbus. Die auf diese Weise gemessenen extrao]~ularen Blutdruekwerte stellen eine obere Begrenzung dar ffir die ~IShe des intra- ol~ularen Blutdruckes, was ffir eine Reihe wichtiger physiologischer Fragen yon groBer Bedeutung ist, da bekanntlich die untere Begrenzung der intraokularen Blutdruekwerte dureh die HShe des physiologisehen Augendruckes gegeben ist.

Die Vorzfige der Pel0ttenmethode gegenfiber den anderen liegen aui]er in dem bereits erw~hnten Umstand, daI~ in ihr die H~uptprin- zipien der Blutdruekmessung streng durehgeffihrt werden, in ihrer schonenden Anwendungsweise, was ffir klinische Zwecke wichtig ist, so- wie in der MSgliehkeit, den ausgefibten Kompressionsdruck auf die Ge- f~l]e direlct durch manometrische Ablesung zu bestimmen.

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