Prof. Dr. Ernst Wilhelm Nathan - klinikum-nuernberg.de

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„Prof. Dr. Ernst Wilhelm Nathan war der prominenteste jüdische Arzt in Nürnberg. Sein Lebensweg ist in vielen Publikationen über das Schicksal Nürnberger Juden erwähnt und steht für den gnadenlosen Ausschluss jüdischer Bürger unabhängig von ihren Verdiensten.Bernd Höffken [1] Ernst Nathan wurde am 23.5.1889 in Darmstadt geboren, seine Eltern waren der Kaufmann Siegfried Nathan und Mathilde Nathan, geb. Katz. Er besuchte in Darmstadt das humanistische „Neue Gymnasium“. Anschließend studierte er in Gießen, München und Berlin. Mitarbeiter von Paul Ehrlich und Karl Herxheimer Nach dem Staatsexamen 1912 und der Promotion wurde er 1913/14 Assistent an der experimentell-biologischen Abteilung des Instituts für experimentelle Therapie in Frankfurt am Main unter der Leitung von Paul Ehrlich (1854- 1915), der 1910 das Salvarsan und 1912 das Neosalvarsan entwickelt und damit die erste gezielte Therapie der Syphilis eingeführt hatte. Anschließend absolvierte Nathan die klinische Ausbildung als Assistent und Oberarzt an der ab 1914 universitären Hautklinik in Frankfurt-Sachsenhausen als Schüler von Karl Herxheimer (1861-1942), der die Klinik bereits seit 1894 leitete und 1907 aufgrund seiner herausragenden fachlichen Verdienste zum Professor ernannt worden war [2,3]. Während des Krieges wurde Nathan als Assistent am Reserve-Lazarett in Frankfurt eingesetzt. Wissenschaftliche und publikatorische Produktivität Nathan wurde 1918 in Frankfurt habilitiert und 1922 zum außerordentlichen Professor ernannt. Bevor er 1923 die Leitung der Nürnberger Klinik übernahm, hatte er an die 50 Publikationen verfasst, etliche gemeinsam mit Herxheimer, die sich vor allem mit Nachweisverfahren der Syphilis wie der Wassermannschen Reaktion, anderen Komplement- phänomenen, Nebenwirkungen und Weiterentwicklungen des Salvarsan sowie dermatophysiologischen und dermato- therapeutischen Themen beschäftigten. Chefarzt der Nürnberger Hautklinik Zum 1.9.1923 wurde Nathan als neuer Chefarzt der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten berufen. Außer der Klinikleitung übernahm Nathan von seinem Vorgänger Dr. Ernst Epstein (1860 –  1922) auch die Tätigkeit in der Beratungsstelle für Geschlechtskrankheiten der Landesversicherungsanstalt Mittelfranken und wurde zugleich Leiter der neu geschaffenen Poliklinik für Geschlechtskranke. Zusätzlich war Nathan auch für die Untersuchung der Prostituierten zuständig, nachdem diese Aufgabe 1923, nach der Verstaatlichung der Polizei und dem Wegfall der gesundheitspolizeilichen Überwachung der Prostituierten, dem städtischen Gesundheitsamt übertragen worden war [4]. Klinischer Schwerpunkt Venerologie Die Zahl der Beratungen und Behandlungen nahm stetig zu, sodass die Zusatzfunktionen von Nathan nicht mehr nebenamtlich zu leisten waren. Daher stellte die Stadt Nürnberg 1929 einen hauptamtlichen Geschlechts- krankenfürsorgearzt ein, Dr. Anton Munk. Dieser war auch für die Untersuchung der Prostituierten und die Anordnung von Zwangsmaßnahmen zuständig und kooperierte eng mit Nathan und dem Städtischen Krankenhaus. Auch die stationäre Belegung mit Geschlechtskranken nahm weiter zu, sodass 1929 die venerologische Abteilung von 100 auf 142 Betten ausgebaut wurde. „Auch hier profilierte er sich mit zahlreichen Arbeiten auf den Gebieten der experimentellen Biologie, Serodiagnostik, Syphilis, Pathologie und Therapie von Hauterkrankungen, besonders unter immunbiologischen und chemisch- biochemischen Aspekten. Neben seinen Pflichten im Städtischen Krankenhaus nahm er auch einen Lehrauftrag an der Universität Erlangen wahr.Gerhard Jochem [5] 1929 wurde Nathan zum Stadtobermedizinalrat ernannt. Sozialmedizinisches Engagement Auf Antrag von Nathan wurde im gleichen Jahr eine eigene Krankenhausfürsorgerin für die weiblichen Geschlechts- kranken eingestellt, zu deren Aufgaben die wirtschaftliche und gesundheitliche Fürsorge, Fragen der Berufs- umschulung, der Wohnung nach der Entlassung und die Beschäftigung der Kranken während des Kranken- hausaufenthaltes zählten. „In den Stunden der Bettruhe am Vormittage liest die Schwester den Mädchen aus guten Volksschriften vor. An den Samstagnachmittagen werden Singstunden veranstaltet“ [6]. 1932/33 wurden 121 Prostituierte zur stationären Behandlung von Munk in die städtische Hautklinik eingewiesen [4]. „Als Klinikleiter gelang es ihm, Grundlagenforschung, klinische Versorgung und soziale Fürsorge in vorbildlicher Weise miteinander zu verbinden.“[1] In einem späteren Schreiben vom 1.7.1974 äußert Nathan sich über die Jahre, „in denen die Hautklinik wuchs und zu einem weithin wissenschaftlich bekannten Institut wurde. Ungefähr 70 klinische und wissenschaftliche Arbeiten wurden [] in diesen 10 Jahren veröffentlicht.“[1] Im Juni 1964 erinnert er sich, „dass die Jahre unvergessen sind, während derer ich im Krankenhaus als Vorstand der Hautklinik ärztlich und wissenschaftlich gearbeitet habe, und die zu den glücklichsten Jahren meines Lebens gehört haben, bis alles, was ich dort klinisch und wissenschaftlich aufgebaut hatte, jäh unterbrochen und zerstört wurde.“[1] „Fegt alle hinweg“[7] Bereits im Oktober 1923 hatte der spätere Gauleiter der NSDAP für Mittelfranken Julius Streicher in seinem „Stürmer“ [8] gedroht, die „schandbare Verknoblauchungund Verjudung des Krankenhauses“ zu beseitigen: „Einen Trost haben wir noch: Die Herren Dr. Veithe und Dr. Nathane werden an dem Tag aus ihrem neuen Amtsbereich herausgeholt, an welchem die Hakenkreuzfahne auf dem Luppe-Rathaus weht“. Streicher sollte Recht behalten, denn Ende März 1933 wurde Nathan als Chefarzt der Hautklinik, ungeachtet seines menschlichen und fachlichen Renommees, wie alle jüdischen Deutschen in städtischen oder staatlichen Positionen, suspendiert und kraft „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ im September 1933 ohne Ruhegehalt entlassen. Der damalige Krankenhausdirektor Prof. Dr. Erwin Kreuter schrieb an den Stadtrat: „Herr Prof. Nathan ist bereit, sofort seinen Urlaub anzutreten. Ich erlaube mir, darauf aufmerksam zu machen, dass im Augenblick kein Vertreter vorhanden ist, der die Verantwortung für die Klinik übernehmen kann“ [9]. Praxis in eigener Wohnung Zunächst konnte Nathan in seiner Wohnung im Wetzendorfer Weg 1 (heutige Rückertstraße, Ecke Friedrich-Ebert-Platz) weiter praktizieren. Hier lebte er mit seiner Frau Lotte (geb. Berlin), welche er am 5.3.1926 in Fürth geheiratet hatte, und dem gemeinsamen Sohn Robert, geb. am 26.8.1928. Emigration nach New York Nach dem Approbationsentzug jüdischer Ärzte durch die Nationalsozialisten vom 30.9.1938 war jedoch auch dies nicht mehr möglich. Nathan konnte am 29.3.1939 nach New York emigrieren. Nach Bestehen des amerikanischen Staatsexamens Ende 1940 konnte Nathan wieder als Dermatologe arbeiten, u.a. am Mount Sinai Hospital und am Stuyvesant Square Hospital, dem früheren New York Skin and Cancer Hospital, er hatte eine Lehrtätigkeit an der New York University Post- Graduate Medical School (unter der Leitung von Marion Baldur Sulzberger, u.a. gemeinsam mit Max Jessner) und hielt darüber hinaus Fachvorträge. Am 31.1.1945 erwarb er die amerikanische Staatsbürgerschaft. Ankündigung eines Vortrags von Prof. Nathan v. 31.10.1947 im AUFBAU (New York) Weitere Schicksalsschläge Erst nach Kriegsende erfuhr Nathan vom Tod seiner Mutter Mathilde, geb. Katz, im KZ Theresienstadt im Jahre 1943. Am 19.8.1946 starb Nathans Sohn Robert im Alter von nur 17 Jahren durch einen Unfall. Am 21.8.1948 starb seine Frau Lotte „nach 4 ½ Jahren schwerstem Leiden“.[10] Todesanzeigen der Familie im AUFBAU Dr. Ernst Nathan Funds Ernst Nathan starb nach jahrzehntelanger ärztlicher Tätigkeit in New York am 1.11.1981. [11]. Seine Witwe Betty Nathan, welche er am 14.9.1949 geheiratet hatte, richtete den „Dr . Ernst Nathan Fund of Dermatological Research“ und den „Dr . Ernst Nathan Fund of Biomedical Research“ ein. Sie starb am 18.1.1983 ebenfalls in New York. [12] Gedenken in Nürnberg Am 23.5.1995 wurde auf Initiative des damaligen Gesund- heitsreferenten Klaus-Peter Murawski eine Gedenktafel für Nathan im Innenhof der Hautklinik aufgestellt, die sich mittlerweile vor dem neuen Eingang der Hautklinik vor Haus 16 befindet. Am 30.9.1998, zum 60-jährigen Gedenken des Approbationsentzugs, wurde auf Initiative der Nürnberger Regionalgruppe der IPPNW ein Teilabschnitt der Flurstraße, und somit die Adresse des Klinikum Nord, in Prof.-Ernst- Nathan-Straße umbenannt. Die Straßenbezeichnung erinnert seitdem an den Approbationsentzug jüdischer Ärzte und stellvertretend an alle Opfer des unmenschlichen NS- Regimes. [12] http://bioinformatics.oxfordjournals.org/content/14/8/656.full.pdf Prof. Dr. Ernst Wilhelm Nathan (23.5.1889 -1.11.1981) Dirk Debus, Nürnberg¹ Literatur: [1] Höffken B. Schicksale jüdischer Ärzte aus Nürnberg nach 1933. Berlin: Metropol-Verlag 2013; [2] Riecke E. Deutscher Dermatologenkalender. Leipzig: Barth, 1929; [3] Löser C, Plewig G. Pantheon der Dermatologie. Herausragende historische Persönlichkeiten. Heidelberg: Springer, 2008; [4] Windsheimer B. 100 Jahre Klinikum Nürnberg. Die Geschichte des Nürnberger Gesundheitswesens im späten 19. und 20. Jahrhundert. Nürnberg: Tümmels, 1997; [5] Gerhard Jochem, Susanne Rieger http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/DE_NU_JU_nathan.pdf; [6] Rothmann HL. Geschlechtskrankheiten und Prostitution in Nürn- berg 1870–1930. Eine medizinhistorische Quellenstudie [Dissertation]. Erlangen: Universität Erlangen, 1952; [7] „Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen!“ Zitat von Dr. Gerhard Wagner, dem Vorsitzenden des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes, im März 1933; [8] Streicher J. Verjudung des Krankenhauses. Der Stürmer, Nürnberger Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit. Oktober 1923, Nr. 16: 3; [9] Vasold M. Das Städtische Krankenhaus Nürnberg während des Dritten Reiches. Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 1998; 61: 763-826; [10] Todesanzeigen im AUFBAU vom 16. November 1945, 30. August 1946 und 27. August 1948; [11] Landes E. Charakterköpfe der Frankfurter Medizinischen Fakultät. Ein Beitrag zur Dermatologie in Frankfurt am Main. Hessisches Ärzteblatt 1991; 10: 516; [12] Debus D. Abteilung Haut und Liebe Die Geschichte der Hautklinik am Klinikum Nürnberg. Akt Dermatol 2010;36: 268-277 Abb. Kopfzeile v. li nach re: Publikationen Herxheimer und Nathan; Porträt Ernst Nathan Stadtarchiv Nürnberg; Jahresausgaben der New York University; College of Medicine 1950 54; Brief v. Lotte Nathan an die ehemalige Haushälterin in Nürnberg 06.12.1947 Gedenktafel vor der Hautklinik des Klinikums Nürnberg ¹Hautklinik, Klinikum Nürnberg, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1, 90419 Nürnberg, Tel. 0911-398-2044, [email protected]

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„Prof. Dr. Ernst Wilhelm Nathan war der

prominenteste jüdische Arzt in Nürnberg. Sein

Lebensweg ist in vielen Publikationen über

das Schicksal Nürnberger Juden erwähnt und

steht für den gnadenlosen Ausschluss

jüdischer Bürger unabhängig von ihren

Verdiensten.“

Bernd Höffken [1]

Ernst Nathan wurde am 23.5.1889 in Darmstadt geboren,

seine Eltern waren der Kaufmann Siegfried Nathan und

Mathilde Nathan, geb. Katz. Er besuchte in Darmstadt das

humanistische „Neue Gymnasium“. Anschließend studierte er

in Gießen, München und Berlin.

Mitarbeiter von Paul Ehrlich und Karl Herxheimer

Nach dem Staatsexamen 1912 und der Promotion wurde er

1913/14 Assistent an der experimentell-biologischen

Abteilung des Instituts für experimentelle Therapie in

Frankfurt am Main unter der Leitung von Paul Ehrlich (1854-

1915), der 1910 das Salvarsan und 1912 das Neosalvarsan

entwickelt und damit die erste gezielte Therapie der Syphilis

eingeführt hatte.

Anschließend absolvierte Nathan die klinische Ausbildung als

Assistent und Oberarzt an der ab 1914 universitären

Hautklinik in Frankfurt-Sachsenhausen als Schüler von Karl

Herxheimer (1861-1942), der die Klinik bereits seit 1894

leitete und 1907 aufgrund seiner herausragenden fachlichen

Verdienste zum Professor ernannt worden war [2,3].

Während des Krieges wurde Nathan als Assistent am

Reserve-Lazarett in Frankfurt eingesetzt.

Wissenschaftliche und publikatorische Produktivität

Nathan wurde 1918 in Frankfurt habilitiert und 1922 zum

außerordentlichen Professor ernannt. Bevor er 1923 die

Leitung der Nürnberger Klinik übernahm, hatte er an die 50

Publikationen verfasst, etliche gemeinsam mit Herxheimer,

die sich vor allem mit Nachweisverfahren der Syphilis wie der

Wassermannschen Reaktion, anderen Komplement-

phänomenen, Nebenwirkungen und Weiterentwicklungen des

Salvarsan sowie dermatophysiologischen und dermato-

therapeutischen Themen beschäftigten.

Chefarzt der Nürnberger Hautklinik

Zum 1.9.1923 wurde Nathan als neuer Chefarzt der Abteilung

für Haut- und Geschlechtskrankheiten berufen.

Außer der Klinikleitung übernahm Nathan von seinem

Vorgänger Dr. Ernst Epstein (1860 – 1922) auch die Tätigkeit

in der Beratungsstelle für Geschlechtskrankheiten der

Landesversicherungsanstalt Mittelfranken und wurde

zugleich Leiter der neu geschaffenen Poliklinik für

Geschlechtskranke. Zusätzlich war Nathan auch für die

Untersuchung der Prostituierten zuständig, nachdem diese

Aufgabe 1923, nach der Verstaatlichung der Polizei und dem

Wegfall der gesundheitspolizeilichen Überwachung der

Prostituierten, dem städtischen Gesundheitsamt übertragen

worden war [4].

Klinischer Schwerpunkt Venerologie

Die Zahl der Beratungen und Behandlungen nahm stetig zu,

sodass die Zusatzfunktionen von Nathan nicht mehr

nebenamtlich zu leisten waren. Daher stellte die Stadt

Nürnberg 1929 einen hauptamtlichen Geschlechts-

krankenfürsorgearzt ein, Dr. Anton Munk. Dieser war auch für

die Untersuchung der Prostituierten und die Anordnung von

Zwangsmaßnahmen zuständig und kooperierte eng mit

Nathan und dem Städtischen Krankenhaus. Auch die

stationäre Belegung mit Geschlechtskranken nahm weiter zu,

sodass 1929 die venerologische Abteilung von 100 auf 142

Betten ausgebaut wurde.

„Auch hier profilierte er sich mit zahlreichen Arbeiten auf den

Gebieten der experimentellen Biologie, Serodiagnostik,

Syphilis, Pathologie und Therapie von Hauterkrankungen,

besonders unter immunbiologischen und chemisch-

biochemischen Aspekten. Neben seinen Pflichten im

Städtischen Krankenhaus nahm er auch einen Lehrauftrag an

der Universität Erlangen wahr.“ Gerhard Jochem [5]

1929 wurde Nathan zum Stadtobermedizinalrat ernannt.

Sozialmedizinisches Engagement

Auf Antrag von Nathan wurde im gleichen Jahr eine eigene

Krankenhausfürsorgerin für die weiblichen Geschlechts-

kranken eingestellt, zu deren Aufgaben die wirtschaftliche

und gesundheitliche Fürsorge, Fragen der Berufs-

umschulung, der Wohnung nach der Entlassung und die

Beschäftigung der Kranken während des Kranken-

hausaufenthaltes zählten. „In den Stunden der Bettruhe am

Vormittage liest die Schwester den Mädchen aus guten

Volksschriften vor. An den Samstagnachmittagen werden

Singstunden veranstaltet“ [6]. 1932/33 wurden 121

Prostituierte zur stationären Behandlung von Munk in die

städtische Hautklinik eingewiesen [4].

„Als Klinikleiter gelang es ihm, Grundlagenforschung,

klinische Versorgung und soziale Fürsorge in vorbildlicher

Weise miteinander zu verbinden.“[1]

In einem späteren Schreiben vom 1.7.1974 äußert Nathan

sich über die Jahre, „in denen die Hautklinik wuchs und zu

einem weithin wissenschaftlich bekannten Institut wurde.

Ungefähr 70 klinische und wissenschaftliche Arbeiten wurden

[…] in diesen 10 Jahren veröffentlicht.“[1]

Im Juni 1964 erinnert er sich, „dass die Jahre unvergessen

sind, während derer ich im Krankenhaus als Vorstand der

Hautklinik ärztlich und wissenschaftlich gearbeitet habe, und

die zu den glücklichsten Jahren meines Lebens gehört

haben, bis alles, was ich dort klinisch und wissenschaftlich

aufgebaut hatte, jäh unterbrochen und zerstört wurde.“[1]

„Fegt alle hinweg“[7]

Bereits im Oktober 1923 hatte der spätere Gauleiter der

NSDAP für Mittelfranken Julius Streicher in seinem „Stürmer“

[8] gedroht, die „schandbare Verknoblauchung“ und

„Verjudung des Krankenhauses“ zu beseitigen: „Einen Trost

haben wir noch: Die Herren Dr. Veithe und Dr. Nathane

werden an dem Tag aus ihrem neuen Amtsbereich

herausgeholt, an welchem die Hakenkreuzfahne auf dem

Luppe-Rathaus weht“.

Streicher sollte Recht behalten, denn Ende März 1933 wurde

Nathan als Chefarzt der Hautklinik, ungeachtet seines

menschlichen und fachlichen Renommees, wie alle jüdischen

Deutschen in städtischen oder staatlichen Positionen,

suspendiert und kraft „Gesetzes zur Wiederherstellung des

Berufsbeamtentums“ im September 1933 ohne Ruhegehalt

entlassen. Der damalige Krankenhausdirektor Prof. Dr. Erwin

Kreuter schrieb an den Stadtrat: „Herr Prof. Nathan ist bereit,

sofort seinen Urlaub anzutreten. Ich erlaube mir, darauf

aufmerksam zu machen, dass im Augenblick kein Vertreter

vorhanden ist, der die Verantwortung für die Klinik

übernehmen kann“ [9].

Praxis in eigener Wohnung

Zunächst konnte Nathan in seiner Wohnung im Wetzendorfer

Weg 1 (heutige Rückertstraße, Ecke Friedrich-Ebert-Platz)

weiter praktizieren. Hier lebte er mit seiner Frau Lotte (geb.

Berlin), welche er am 5.3.1926 in Fürth geheiratet hatte, und

dem gemeinsamen Sohn Robert, geb. am 26.8.1928.

Emigration nach New York

Nach dem Approbationsentzug jüdischer Ärzte durch die

Nationalsozialisten vom 30.9.1938 war jedoch auch dies nicht

mehr möglich. Nathan konnte am 29.3.1939 nach New York

emigrieren.

Nach Bestehen des amerikanischen Staatsexamens Ende

1940 konnte Nathan wieder als Dermatologe arbeiten, u.a.

am Mount Sinai Hospital und am Stuyvesant Square

Hospital, dem früheren New York Skin and Cancer Hospital,

er hatte eine Lehrtätigkeit an der New York University Post-

Graduate Medical School (unter der Leitung von Marion

Baldur Sulzberger, u.a. gemeinsam mit Max Jessner) und

hielt darüber hinaus Fachvorträge. Am 31.1.1945 erwarb er

die amerikanische Staatsbürgerschaft.

Ankündigung eines Vortrags von

Prof. Nathan v. 31.10.1947 im

AUFBAU (New York)

Weitere Schicksalsschläge

Erst nach Kriegsende erfuhr Nathan vom Tod seiner Mutter

Mathilde, geb. Katz, im KZ Theresienstadt im Jahre 1943. Am

19.8.1946 starb Nathans Sohn Robert im Alter von nur 17

Jahren durch einen Unfall. Am 21.8.1948 starb seine Frau

Lotte „nach 4 ½ Jahren schwerstem Leiden“.[10]

Todesanzeigen

der Familie

im AUFBAU

Dr. Ernst Nathan Funds

Ernst Nathan starb nach jahrzehntelanger ärztlicher Tätigkeit

in New York am 1.11.1981. [11]. Seine Witwe Betty Nathan,

welche er am 14.9.1949 geheiratet hatte, richtete den „Dr.

Ernst Nathan Fund of Dermatological Research“ und den „Dr.

Ernst Nathan Fund of Biomedical Research“ ein. Sie starb

am 18.1.1983 ebenfalls in New York. [12]

Gedenken in Nürnberg

Am 23.5.1995 wurde auf Initiative des damaligen Gesund-

heitsreferenten Klaus-Peter Murawski eine Gedenktafel für

Nathan im Innenhof der Hautklinik aufgestellt, die sich

mittlerweile vor dem neuen Eingang der Hautklinik vor Haus

16 befindet.

Am 30.9.1998, zum 60-jährigen Gedenken des

Approbationsentzugs, wurde auf Initiative der Nürnberger

Regionalgruppe der IPPNW ein Teilabschnitt der Flurstraße,

und somit die Adresse des Klinikum Nord, in Prof.-Ernst-

Nathan-Straße umbenannt. Die Straßenbezeichnung erinnert

seitdem an den Approbationsentzug jüdischer Ärzte und

stellvertretend an alle Opfer des unmenschlichen NS-

Regimes. [12]

http://bioinformatics.oxfordjournals.org/content/14/8/656.full.pdf

Prof. Dr. Ernst Wilhelm Nathan (23.5.1889 -1.11.1981)

Dirk Debus, Nürnberg¹

Literatur:

[1] Höffken B. Schicksale jüdischer Ärzte aus Nürnberg nach 1933. Berlin: Metropol-Verlag 2013; [2] Riecke E. Deutscher Dermatologenkalender. Leipzig: Barth, 1929; [3] Löser C, Plewig G. Pantheon der Dermatologie. Herausragende historische Persönlichkeiten. Heidelberg: Springer, 2008; [4] Windsheimer B. 100

Jahre Klinikum Nürnberg. Die Geschichte des Nürnberger Gesundheitswesens im späten 19. und 20. Jahrhundert. Nürnberg: Tümmels, 1997; [5] Gerhard Jochem, Susanne Rieger http://www.rijo.homepage.t-online.de/pdf/DE_NU_JU_nathan.pdf; [6] Rothmann HL. Geschlechtskrankheiten und Prostitution in Nürn-

berg 1870–1930. Eine medizinhistorische Quellenstudie [Dissertation]. Erlangen: Universität Erlangen, 1952; [7] „Fegt alle hinweg, die die Zeichen der Zeit nicht verstehen wollen!“ Zitat von Dr. Gerhard Wagner, dem Vorsitzenden des Nationalsozialistischen Deutschen Ärztebundes, im März 1933; [8] Streicher J.

Verjudung des Krankenhauses. Der Stürmer, Nürnberger Wochenblatt zum Kampf um die Wahrheit. Oktober 1923, Nr. 16: 3; [9] Vasold M. Das Städtische Krankenhaus Nürnberg während des Dritten Reiches. Zeitschrift für Bayerische Landesgeschichte 1998; 61: 763-826; [10] Todesanzeigen im AUFBAU vom 16.

November 1945, 30. August 1946 und 27. August 1948; [11] Landes E. Charakterköpfe der Frankfurter Medizinischen Fakultät. Ein Beitrag zur Dermatologie in Frankfurt am Main. Hessisches Ärzteblatt 1991; 10: 516; [12] Debus D. Abteilung Haut und Liebe – Die Geschichte der Hautklinik am Klinikum Nürnberg. Akt

Dermatol 2010;36: 268-277

Abb. Kopfzeile v. li nach re: Publikationen Herxheimer und Nathan; Porträt Ernst Nathan Stadtarchiv Nürnberg; Jahresausgaben der New York University; College of Medicine 1950 – 54; Brief v. Lotte Nathan an die ehemalige Haushälterin in Nürnberg 06.12.1947

Gedenktafel vor der Hautklinik

des Klinikums Nürnberg

¹Hautklinik, Klinikum Nürnberg, Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Prof.-Ernst-Nathan-Str. 1, 90419 Nürnberg, Tel. 0911-398-2044, [email protected]