Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. Norddeutsches Insolvenzforum 8.9.2014 Die Anleihe in der...
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Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm.
Norddeutsches Insolvenzforum 8.9.2014
Die Anleihe in der Insolvenz
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 2 - © 2014 Universität Tübingen
Überblick
I. Anwendungsbereich des Schuldverschreibungsrechts und
rechtliche Grundlagen
II. Verfahren nach dem SchVG 1899
III. Verfahren nach dem SchVG 2009
IV. Besonderheiten bei Anleihen im Insolvenzverfahren
Anleihen in der Insolvenz
Rechtliche Grundlagen
• SchVG 1899: Gesetz betreffend die gemeinsamen
Rechte der Besitzer von Schuldverschreibungen vom
4.12.1899
• SchVG 2009: Gesetz zur Neuregelung der
Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus
Gesamtemissionen vom 4.8.2009, in Kraft seit dem
5.8.2009
• Insolvenzordnung
• §§ 793 ff. BGB
• Ggf. wertpapierrechtliche und kapitalmarktrechtliche
Vorgaben zu beachten, zB nach WpPG beim Debt-Equity-
Swap
I. Anwendungsbereich des Schuldverschreibungsrechts und rechtliche Grundlagen
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 3 - © 2014 Universität Tübingen
Was sind Anleihen und andere Schuldverschreibungen?
• Verbriefte Darlehensforderungen/Wertpapiere
→ Mehrzahl von Wertpapieren, die als Gegenleistung für die
Überlassung von Kapital in Serie zu gleichen Bedingungen ausgeben
werden und in denen der Emittent den Gläubigern Rückzahlung und
Verzinsung zu den festgelegten Bedingungen verspricht
• § 1 SchVG: „inhaltsgleiche Schuldverschreibungen“
• Leitbild des SchVG ist die Inhaberschuldverschreibung (§§ 793
ff. BGB)
• Fremdkapital, kein Eigenkapital wie bei Aktien
• Börsennotiert oder nicht börsennotiert (private placements,
retail bonds, grauer Markt)
• Ausgestaltung der Bedingungen und Stückelung vielfältig
I. Anwendungsbereich des Schuldverschreibungsrechts und rechtliche Grundlagen
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 4 - © 2014 Universität Tübingen
Was sind Anleihen und andere Schuldverschreibungen?
• Inhaberschuldverschreibungen (einzeln verbriefte
Schuldverschreibung ohne Gesamtemission aber nicht vom
SchVG erfasst)
• Namens- und Orderschuldverschreibungen (sofern fungibel)
• Optionsanleihe, Zertifikate, ggf. auch Derivate
• Wandelschuldverschreibungen
• Asset-backed-securities (nach Tranchen zu unterscheiden)
• Genussrechte
• Nicht: Pfandbriefe, öffentl. Schuldverschreibungen (§ 1 II
SchVG)Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 5 - © 2014 Universität Tübingen
I. Anwendungsbereich des Schuldverschreibungsrechts und rechtliche Grundlagen
Grundstrukturen des SchVG 1899
• Anwendungsbereich: Schuldverschreibungen mit im Voraus
bestimmten Nennwerten, die den Gläubiger gleiche Rechte
gewähren; Gesamtnennbetrag mind. 300.000 DM, mind. 300
Stücke
• Emittent muss im Inland ansässig sein!
• Außerhalb des Insolvenzverfahrens ≠ im Insolvenzverfahren
• Bestellung eines Gläubigervertreters mit Mehrheitsbeschluss
möglich, § 14 SchVG 1899
• Beschlussfassung setzt Hinterlegung der
Schuldverschreibungen voraus: umständlich
II. Verfahren nach dem SchVG 1899
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 6 - © 2014 Universität Tübingen
Grundstrukturen des SchVG 1899• Änderungen der Anleihebedingungen nur eingeschränkt:
Ermäßigung Zinsen und Stundung für die Dauer von drei Jahren, § 11 I SchVG
1899 mit ¾ Mehrheit
Nur zur Abwendung der Zahlungseinstellung oder des Insolvenzverfahrens
Quorum: Mehrheit muss mind. Hälfte des Nennwerts betragen, ggf. sogar 2/3
(näher § 11 II SchVG 1899)
Keine Reduktion des Nennwerts (§ 12 III SchVG) durch Mehrheitsbeschluss
• Nur bei Einstimmigkeit wegen § 12 III (z.B.):
Kapitalverzicht und sonstige Kapitalmaßnahmen
Debt-Equity-Swap
II. Verfahren nach dem SchVG 1899
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 7 - © 2014 Universität Tübingen
Grundstrukturen des SchVG 1899
• Im Insolvenzfall § 18 SchVG 1899:
Vorrang des Insolvenzrechts
„Unverzügliche“ Einberufung einer Versammlung der Anleihegläubiger durch
das Insolvenzgericht
Leitung durch das Gericht
Alleiniger Zweck: Bestellung eines gemeinsamen Vertreters
Gemeinsamer Vertreter übernimmt die Forderungsanmeldung nach § 19
SchVG 1899:
Schuldverschreibungsurkunde muss nicht beigefügt werden
Vorlegung aber bei der Verteilung erforderlich
Str., ob daneben noch Anmeldung durch Gl. möglich (Ausschluss wohl nur
mit ¾ Mehrheit nach §§ 14 II, 11 II SchVG 1899)
II. Verfahren nach dem SchVG 1899
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 8 - © 2014 Universität Tübingen
Grundstrukturen des SchVG 2009• Flexibilisierung der Änderungsmöglichkeiten und Steigerung der
Attraktivität des SchVG
• Sachlicher Anwendungsbereich: „inhaltsgleiche“ Schuldverschreibungen
aus Gesamtemission; keine Bagatellgrenzen
• keine Aggregation (Aggregationsklauseln in Anleihebedingungen nach h.M.
unzulässig), gemeinsame Versammlung aber zulässig (nicht
Beschlussfassung!)
• Räumlich-persönlich: Entscheidend ist allein die Begebung nach
deutschem Recht, nicht mehr der Sitz des Emittenten! (fraglich, ob hier ein
Reinheitsgebot gilt, also deutsches Recht vollständig gewählt sein muss, so
LG Frankfurt, 27.10.2011, 3-05 O 60/11, NZG 2012, 23.)
III. Verfahren nach dem SchVG 2009
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 9 - © 2014 Universität Tübingen
Grundstrukturen des SchVG 2009
• Bei Auslandsanleihen deutscher Emittenten gilt nicht SchVG, wohl
aber kann die Anleihe im deutschen Insolvenzplanverfahren
restrukturiert werden!
Dann stellen sich lediglich Fragen der verfahrensrechtlichen Anerkennung im
Ausland
• Zeitlicher Anwendungsbereich nach § 24 SchVG:
Stichtag: 5.8.2009
Möglichkeit eines Opt-In von Alt-Schuldverschreibungen nach § 24 Abs. 2
SchVG 2009
III. Verfahren nach dem SchVG 2009
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 10 - © 2014 Universität Tübingen
Opt-In (§ 24 II SchVG)
• Opt-In von Gläubigern vor dem 5.8.2009 ausgegebener
Schuldverschreibungen mit Zustimmung des Schuldners
möglich, qualifizierte Mehrheit
• Vorteil:
Außerhalb des Insolvenzverfahrens: Erweiterung der
Restrukturierungsmöglichkeiten
Im Insolvenzverfahren: Klarheit über die Rechte des gemeinsamen Vertreters
– Exklusivität der Forderungsanmeldung, nur Gesamtanmeldung
• Gilt das auch, wenn die Schuldverschreibungen bisher nicht
vom SchVG 1899 erfasst waren?
III. Verfahren nach dem SchVG 2009
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 11 - © 2014 Universität Tübingen
Opt-In
OLG Frankfurt ZIP 2012, 725 (Pfleiderer) und LG Frankfurt ZIP 2011, 2306: nein,
§ 24 Abs. 2 SchVG will nur für solche Fälle erweitern, in denen schon bisher
Mehrheitsentscheidungen nach dem SchVG möglich waren → keine Möglichkeit
bei Anleihen ausländischer Emittenten (wenn nicht in den Anleihebedingungen
Mehrheitsbeschluss vorgesehen, so LG Frankfurt ZIP 2012, 474 – Q-Cells.)
OLG Schleswig ZIP 2014, 221: auch dann möglich, wenn deutsches Recht schon
bisher gewählt war und Anwendbarkeit des SchVG 1899 lediglich zweifelhaft ist
(in casu: wegen gewinnabhängiger Rückzahlungsverpflichtung bei einem
Genussschein)
Schrifttum: stets möglich, wenn deutsches Recht auf die Alt-
Schuldverschreibung anwendbar war
• Opt-In und Wahl des gemeinsamen Vertreters oder Änderung
der Anleihebedingungen können in einer Versammlung
erfolgen
III. Verfahren nach dem SchVG 2009
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Restrukturierung nach dem SchVG 2009 außerhalb der Insolvenz
• Bindung der unterlegenen Gläubiger
• Anleihebedingungen können verbindliche Änderung durch
Mehrheitsbeschluss der Gläubiger vorsehen
• Dazu gehören u.a. auch (§ 5 Abs. 3 SchVG 2009, mit ¾ Mehrheit):
Veränderung und Ausschluss Zinsen
Veränderung Hauptforderung und deren Fälligkeit
Debt-Equity-Swap
Verzicht auf Kündigungsrechte
Schuldnerersetzung
III. Verfahren nach dem SchVG 2009
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 13 - © 2014 Universität Tübingen
Restrukturierung nach dem SchVG 2009 außerhalb der Insolvenz
• Gemeinsamer Vertreter wählbar, auch schon in den
Anleihebedingungen
• Einberufung einer Gläubigerversammlung, auch auf
Minderheitsverlangen
• § 10 SchVG: keine Hinterlegung mehr erforderlich, § 10 III
SchVG
• Novum: Abstimmung ohne Versammlung, § 18 SchVG (zu den
Problemen Bertelmann/Schönen, ZIP 2014, 353)
III. Verfahren nach dem SchVG 2009
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 14 - © 2014 Universität Tübingen
Restrukturierung nach dem SchVG 2009 außerhalb der Insolvenz
• Rechtsschutz nach § 20 SchVG durch Anfechtungsklage:
Partiell aktienrechtlichen Vorbilder nachgebildet
hier manches ungeklärt (Gestaltungswirkung analog § 248
AktG, Nichtigkeitsgründe, Möglichkeit der
Nichtigkeits-/Feststellungsklageklage, u.a.m.)
Bea. § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG: Grundsätzlich aufschiebende
Wirkung, aber Freigabeantrag möglich
III. Verfahren nach dem SchVG 2009
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 15 - © 2014 Universität Tübingen
Können SV-Gläubiger vor dem Insolvenzverfahren kündigen?
• Vorrang der Regelungen in den Anleihebedingungen,
bea. auch § 5 Abs. 5 SchVG
• Fraglich, ob gesetzliche Rechte auch anfänglich
ausgeschlossen oder beschränkt sein können
• das Kündigungsrecht aus wichtigem Grund wohl über § 5 Abs. 5 SchVG
hinaus nicht: dazu LG Bonn ZIP 2014, 1073)
• LG Köln, Urteile vom 26.1.2012, 30 O 13/11, 30 O 14/11 – juris, LG
Köln, 30 O 63/11, BB 2012, 1821 mit Anm. Trautrims; kritisch Paulus,
WM 2012, 1109:
→ Fristlose Kündigung bei unmittelbar drohender Insolvenz des
Emittenten nach § 314 BGB möglich
III. Verfahren nach dem SchVG 2009
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 16 - © 2014 Universität Tübingen
Können Anleihegläubiger vor dem Insolvenzverfahren kündigen?
• Kritik im Schrifttum:
Vorrang § 490 BGB (Trautrims, BB 2012, 1821)
Ggf. aber auch § 490 und § 314 BGB nicht erfüllt – keine
Unzumutbarkeit für den Gläubiger
Bindungswirkung von Mehrheitsbeschlüssen nach SchVG
laufe dann leer (fraglich, inwieweit das wirklich so ist)
III. Verfahren nach dem SchVG 2009
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 17 - © 2014 Universität Tübingen
SchVG 2009 und Insolvenzverfahren
§ 19 SchVG:
(1) 1Ist über das Vermögen des Schuldners im Inland das Insolvenzverfahren
eröffnet worden, so unterliegen die Beschlüsse der Gläubiger den
Bestimmungen der Insolvenzordnung, soweit in den folgenden Absätzen
nichts anderes bestimmt ist. 2§ 340 der Insolvenzordnung bleibt unberührt.
(2) 1Die Gläubiger können durch Mehrheitsbeschluss zur Wahrnehmung ihrer
Rechte im Insolvenzverfahren einen gemeinsamen Vertreter für alle
Gläubiger bestellen. 2Das Insolvenzgericht hat zu diesem Zweck eine
Gläubigerversammlung nach den Vorschriften dieses Gesetzes
einzuberufen, wenn ein gemeinsamer Vertreter für alle Gläubiger noch nicht
bestellt worden ist.
(3)-(5) ……
IV. Besonderheiten bei Anleihen im Insolvenzverfahren
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 18 - © 2014 Universität Tübingen
SchVG 2009 und Insolvenzverfahren
• Grundsatz: umfassender Vorrang der InsO (auch bei
Eigenverwaltung) – Einpassung der Anleihegläubiger in die
Gesamtgläubigerschaft - aber teilweise Ansicht: auch § 5
SchVG bleibt unberührt! (s.a. Folie 30)
• Erst ab Eröffnung, vorher gelten allgemeine Regeln, d.h. keine
Sonderregeln für Anleihegläubiger
• Ausnahme sodann: § 19 Abs. 2 SchVG: Einberufung einer
Versammlung der Schuldverschreibungsgläubiger
• Amtspflicht des Insolvenzgerichts! (Ausnahme bei Nachrang
der gesamten Anleihe, dazu sogleich); deshalb insoweit auch
kein Minderheitsverlangen gemäß § 9 Abs. 1 S. 2 SchVG
IV. Besonderheiten bei Anleihen im Insolvenzverfahren
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 19 - © 2014 Universität Tübingen
SchVG 2009 und Insolvenzverfahren
• Fraglich, ob erneute Versammlung auf Minderheitsverlangen
nach § 9 Abs. 1 S. 2, wenn kein Vertreter gewählt worden war
(so wohl OLG Zweibrücken ZInsO 2013, 2119, 2120).
• Für Beschlussfassung und -fähigkeit gilt dann InsO (§ 76 InsO
analog)
• Ggf. auch insoweit Ausschluss Stimmrecht (wie in der
gewöhnlichen Gläubigerversammlung, vgl. AG Itzehoe ZIP 2014,
1545)
• Gemeinsamer Vertreter nimmt im Insolvenzverfahren die
Rechte der Schuldverschreibungsgläubiger exklusiv wahr (auch
dann, wenn Mehrheitsbeschluss der Gläubiger nach § 7 Abs. 2 S.
3 anderes vorsähe) (aber nicht Feststellungsklage für den
einzelnen Gläubiger nach Bestreiten der Forderung) – bei
Beschlüssen g. Vertreter = vertretene Köpfe
IV. Besonderheiten bei Anleihen im Insolvenzverfahren
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 20 - © 2014 Universität Tübingen
Gemeinsamer Vertreter
• Bestellung nach §§ 7, 8 SchVG
Wahlvertreter
Vertragsvertreter (Anleihebedingungen)
• Bei § 7 SchVG reicht Mehrheitsbeschluss aus
Vertragsbeziehungen unklar
Vertrag mit Emittent
Vertrag mit Gläubigerorganisation?
Vertrag mit einzelnen Gläubigern
Wenn bereits bestellt, dann im Insolvenzverfahren fortdauernd, § 19 II SchVG
fraglich dann, ob Vertrag beendet werden kann (§ 7 IV SchVG: nur durch Gläubiger?)
• Angemessene Vergütung vom Schuldner zu tragen! im Insolvenzverfahren
Masseverbindlichkeit?
IV. Besonderheiten bei Anleihen im Insolvenzverfahren
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 21 - © 2014 Universität Tübingen
Vergütung des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren – Masseverbindlichkeit?
• Ausgangspunkt § 7 Abs. 6 SchVG: Schuldner trägt die
Kosten
• Bei fortdauerndem Amt (§ 19 II 2, Hs. 2 SchVG)
Masseverbindlichkeit nach § 55 I Nr. 2 Alt. 2 InsO
(gegenseitiger Vertrag)
• Bei erstmaliger Bestellung in der Versammlung nach §
19 SchVG ungeklärt (Thole ZIP 2014, 293 ff.)
IV. Besonderheiten bei Anleihen im Insolvenzverfahren
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 22 - © 2014 Universität Tübingen
Vergütung des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren – Masseverbindlichkeit?
Einerseits: Sollen alle Gläubiger den Vertreter der
Anleihegläubiger finanzieren?
Andererseits:
• Gerichtliche Einberufung und Leitung (anders als zB
bei einem Pool-Vertreter)
• gesetzgeberischer Wunsch nach Bestellung des
Vertreters zwecks Förderung des Insolvenzverfahrens
• Vergleich mit vorher bestelltem gemeinsamen
Vertreter
IV. Besonderheiten bei Anleihen im Insolvenzverfahren
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 23 - © 2014 Universität Tübingen
Vergütung des gemeinsamen Vertreters im Insolvenzverfahren – Masseverbindlichkeit?
IV. Besonderheiten bei Anleihen im Insolvenzverfahren
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 24 - © 2014 Universität Tübingen
Alternative nicht praktikabel: Vergütungsforderung des Vertreters
wäre entweder Neuverbindlichkeit gegenüber Schuldner (da nach
Eröffnung entstanden iSd § 38 InsO) oder Vertreter müsste sich
von Anleihegläubiger vergüten lassen, die dann bezogen auf ihre
einzelnen Forderungen anteilig Rechtsverfolgungskosten geltend
machen könnten (aber BGH IX ZB 57/12, ZIP 2014, 480?)
Denkbar wäre allenfalls, dass gemeinsame Vertreter bei Auskehr
der Verteilung Anteil einbehält
Kosten der Versammlung selbst trägt zunächst das Gericht
(Problem auch hier: kein Auslagen und Gebührentatbestand;
fraglich, ob und wie auf Masse/Emittenten nach § 9 Abs. 4 SchVG
abgewälzt werden kann)
Einzelfragen des § 19 SchVG
• Stimmgewicht bei der Bestellung des gemeinsamen Vertreters:
§ 19 Abs. 1 SchVG iVm § 76 II InsO: Summenmehrheit (Beschlussfähigkeit
bereits bei Anwesenheit eines Gläubigers)
Bei § 19 II SchVG reicht einfache Mehrheit
Problem: Was ist Summenmehrheit? Entsprechend § 76 II käme es auf die
„Forderungsbeträge“ an – das meint die angemeldete Forderung (einschließlich
Zinsforderungen) - dies soll aber ja erst der gemeinsame Vertreter machen
Lösung: wohl § 6 SchVG: Berechnung nach Nennwert
• Rechtsschutz gegen die Bestellung nach § 20 SchVG oder § 78
InsO?
M.E. § 78 InsO, da § 20 AktG nicht passt (aufschiebende Wirkung) und
Insolvenzrecht bei der Beschlussfassung Vorrang hat
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 25 - © 2014 Universität Tübingen
Einzelfragen des § 19 SchVG
• Weitere Versammlungen möglich?
ja, aber nur im Innenverhältnis Weisungen an gemeinsamen
Vertreter möglich, aber kein unmittelbarer Einfluss auf das
Insolvenzverfahren
Aber keine Pflicht des gemeinsamen Vertreters, sich im
Innenverhältnis Zustimmung zu einem Plan etc. absegnen lassen zu
müssen
Kosten für weitere Versammlungen im Innenverhältnis muss
gleichwohl der Schuldner tragen (weil i.d.R., soweit nicht § 9 SchVG
greift, von ihm einberufen wird) – hM: dann aber nur
Insolvenzforderung (unklar)
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 26 - © 2014 Universität Tübingen
Schuldverschreibungsgläubiger im Insolvenz(plan)verfahren
• Restrukturierung im Insolvenzplan möglich – SV-Gläubiger können
eine Gruppe bilden, Obstruktionsverbot gilt auch für sie
• Aggregation von Anleihen im Plan möglich
• Rechtsschutz nach § 253 InsO: Vergleichsmaßstab Regelinsolvenz
• Debt-Equity-Swap möglich für alle SV-Gläubiger trotz
§§ 225a Abs. 2 S. 2, 230 Abs. 2 InsO?
• Siehe nächste Folie
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 27 - © 2014 Universität Tübingen
Debt-Equity-Swap nach SchVG und nach InsO
• SV-Gläubiger können sich durch internen Beschluss für Debt-
Equity-Swap aussprechen dann Bindung auch der unterlegenen
Gläubiger trotz
§§ 225a Abs. 2 S. 2, 230 Abs. 2 InsO
• Mehrheitsbeschluss wird im Planverfahren vorgelegt (so auch
ESUG-Begr. RegE), d.h. eigentlicher Debt-Equity-Swap findet im
Plan nach den Regeln der InsO statt
• Kann man darüber hinaus Debt-Equity-Swap nach SchVG
außerhalb des Plans machen und damit Anleihengläubiger aus
dem Plan raushalten? (bejahend Kessler/Rühle BB 2014, 907)
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 28 - © 2014 Universität Tübingen
Debt-Equity-Swap nach SchVG und nach InsO
• Vorbild Solarworld
• SV-Gläubiger tauschen durch Beschluss Forderungen in
Erwerbsrechte
• Damit Forderungen bei Abwicklungsstelle
• Kapitalerhöhung im Plan mit Bezugsrechtsausschluss und
Zeichnung und Übernahme durch eine Bank als Abwicklungsstelle
gegen Einbringung Forderung
• Angebot an SV-Gläubiger, Erwerbsrechte in Aktien zu tauschen
• Bei Nichtannahme: Verwertung der Aktien durch anderweitige
Vergabe und ggf. Barausgleich an SV-Gläubiger
• Verzahnung mit Plan über § 249 InsO
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 29 - © 2014 Universität Tübingen
Solarworld reloaded im Insolvenzplan?
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 30 - © 2014 Universität Tübingen
SV-GläubigerAbwicklungs-stelle (Bank)
Insolvenzschuldner
Anleihen-forderung
Beschluss nach § 5
SchVGAußerhalb
Plan
Abtretung der Anleihenforderung
Dritter Erwerber
Aktien oder BargeldVerkauf nicht
gewollter Aktien
Zeichnung und Übernahme von neuen
Anteilen/Aktien (Kapitalerhöhung im
Insolvenzplan)
Erwerbsrechte
Einbringung der z
edierten
Anleihenforderung
Debt-Equity-Swap nach SchVG und nach InsO
• Vorteil soll sein:
• kein Schlechterstellungsverbot (Minderheitenschutz) bei SV-Gläubiger (Barausgleich
geringer als Quote, bezieht sich nur auf Verwertungserlös Anteil)
• Schutz nur nach § 20 SchVG
• Prämissen
• § 5 SchVG gilt auch im Insolvenzverfahren trotz § 19 Abs. 1 SchVG ? M.E. ja, aber
nur für das Innenverhältnis: Vorrang Planverfahren muss durch Planbedingung
gewährt werden (sonst könnten SV-Gläubiger der Gesamtgläubigerschaft eine
Restrukturierungsoption aufzwingen)
• Bei Planbedingung greift § 251 für die SV-Gläubiger nicht, weil diese mangels
Forderung nicht mehr am Plan teilnehmen – wohl richtig
• Problem: § 245 Abs. 2 Nr. 3? Gleichbehandlung der Insolvenzgläubiger
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 31 - © 2014 Universität Tübingen
Nachranganleihen
• Teleologische Reduktion der Einberufungspflicht, wenn
es sich um eine Nachranganleihe (iSd § 39 II InsO)
handelt?
M.E. keine Einberufungspflicht, wenn und weil mit Befriedigung
ohnehin nicht zu rechnen ist (zuletzt LG Bonn ZIP 2014, 983)
Gegenausnahme: wenn ausnahmsweise mit teilweiser Befriedigung
zu rechnen ist, bei Einbeziehung in einen Insolvenzplan oder ggf.
auch dann, wenn der Nachrang möglicherweise unwirksam ist
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 32 - © 2014 Universität Tübingen
Nachranganleihen und Eröffnungsgründe
• (Einfacher) Nachrang bei Zahlungsunfähigkeit zu
berücksichtigen?
• BGHZ 173, 286 v. 19.7.2007: „Forderungen, deren Gläubiger
sich für die Zeit vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens mit
einer späteren oder nachrangigen Befriedigung einverstanden
erklärt haben, sind bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit
nicht zu berücksichtigen.“
• Obiter dictum BGH ZIP 2010, 2055 v. 23.9.2010: „Nachrangige
Forderungen i. S. des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sind – wenn keine
weitergehende Nachrangvereinbarung getroffen (§ 39 Abs. 2
InsO) wurde –… bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit (§ 17
InsO) in die Liquiditätsprognose einzubeziehen.“
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 33 - © 2014 Universität Tübingen
Nachranganleihen und Eröffnungsgründe
• Zeitliche Komponente, da Entkräftung zur grundsätzlich
nach
§ 271 BGB zu bemessenden Fälligkeit
→ ein einfacher, auf die Zeit nach der Eröffnung
konditionierter Rangrücktritt als solcher genügt nicht
→ es muss deutlich werden, dass sich der Gläubiger auch
schon vor dem Verfahren damit zufrieden gibt, dass er
zumindest vorübergehend nicht befriedigt wird.
→ Auslegung der Anleihebedingungen!
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 34 - © 2014 Universität Tübingen
Nachrang einzelner Gläubiger iSd § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO
• Zwei Fragen:
1. Sind Anleiheforderungen von Gesellschaftern Forderungen iSd §
39 Abs. 1 Nr. 5 InsO?
→ ja
2. Zessionsfälle: Gilt die Rechtsprechung des BGH vom 21.2.2013
(ZIP 2013, 582 - Karibik-Entscheidung) auch hier Nachrang
nach § 404 BGB analog auch gegenüber dem Zessionar (der
Nicht-Gesellschafter ist)?
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 35 - © 2014 Universität Tübingen
Nachrang iSd § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO
• D‘Avoine, NZI 2013, 321: wegen § 796 BGB nicht, Einwendung
aus Urkunde nicht ersichtlich
• § 796 BGB gilt aber nicht bei bloßer Forderungsabtretung (nur
bei heute unüblicher Übertragung der Urkunde durch Einigung
und Übergabe)
• dennoch: zweifelhaft, ob § 404 BGB gerechtfertigt, wenn
Zessionar (selbständig agierender) Nicht-Gesellschafter ist
(Thole, ZIP 2014, 293, 300; ZInsO 2012, 661, 662)
• Nachrang (+), wenn der Zessionar ein Gesellschafter ist
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 36 - © 2014 Universität Tübingen
SV-Gläubiger im Insolvenzverfahren
• Prüfung und Anmeldung der Forderung nach §§ 174 ff. InsO
unterschiedlich, je nachdem, ob ein gemeinsamer Vertreter
bestellt ist (§ 19 Abs. 3, 2. Hs. SchVG)
• Gemeinsamer Vertreter meldet namenslos an (Vorteil: keine ständige
Berichtigung des Tabelleneintrags)
• Einzelner Gläubiger muss eigentlich Urkunde vorlegen, aber
ggf. Abwicklung über Wertpapiersammelbank/Clearstream?,
vgl. Kuder/Obermüller ZInsO 2009, 2025, 2029)
• Damit verbunden sind zwei Problembereiche:
Feststellung der Forderung
Verteilung der Quote
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 37 - © 2014 Universität Tübingen
SV-Gläubiger im Insolvenzverfahren
• Prüfung der Forderung schwierig, wenn noch handelbar und
dadurch ggf. mehr Anmeldungen als Emissionsvolumen? (siehe
auch Problem des Nachrangs)
letztlich allgemeine Regeln (Stichtag Prüfungstermin)
u.a. Titelumschreibung nach § 727 ZPO
ggf. § 767 ZPO (schwierig, wenn Abtretung vor Prüfungstermin)
M.E.: ggf. Hinterlegung durch Verwalter entsprechend der Lösung
bei BGH NJW 2001, 231, dann Prätendentenstreit entsprechend § 372
S. 2 BGB außerhalb des Insolvenzverfahrens, vgl. a. OLG
Brandenburg NZI 2009, 479)
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 38 - © 2014 Universität Tübingen
SV-Gläubiger im Insolvenzverfahren
• Verteilung über Clearstream denkbar (aber auch ohne
Titelumschreibung nach § 727 ZPO?)
• funktioniert naturgemäß nicht bei „altmodischen“
Schuldverschreibungen, ggf. Sperrfristen
(P: nach BGH kann man auch ohne Urkunde übertragen –
Problem
bei § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO)
• Oder Übertragung auf ein Depot des Verwalters (Penzlin/Klerx
ZInsO 2004, 311, 313)
• Darf Börsenhandel mit Anleihen vom Insolvenzverwalter
eingestellt werden? M.E. grundsätzlich ja
V. Offene Fragen und Probleme
Prof. Dr. iur. Christoph Thole, Dipl.-Kfm. - 39 - © 2014 Universität Tübingen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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