Prof. Dr. K. Mann - unimedizin-mainz.de · Prof. Dr. K. Mann Universitätsmedizin Mainz ......

27
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Risikomanagement im psychiatrischen Alltag Prof. Dr. K. Mann Universitätsmedizin Mainz Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie - Notwendigkeit und Vermeidung von Zwangsmaßnahmen -

Transcript of Prof. Dr. K. Mann - unimedizin-mainz.de · Prof. Dr. K. Mann Universitätsmedizin Mainz ......

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Risikomanagementim psychiatrischen Alltag

Prof. Dr. K. MannUniversitätsmedizin Mainz

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

- Notwendigkeit und Vermeidungvon Zwangsmaßnahmen -

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Risikomanagement

Präventive Maßnahmen zur Vermeidung von Zwang

(Falls Zwangsnahmen notwendig sind, Anwendung derwirksamsten, sichersten und am wenigsten eingreifendstenMethode)

Optimale Entscheidung über die Indikation zur Anwendungvon Zwangsmaßnahmen

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Weitgehend angepasstes Verhalten auf Station,Gefährdung ist durch stationäre Aufnahme beseitigt

Ver

halte

nzu

nehm

ende

Gef

ährd

ung

Risikokonstellationen auf Station

Patient wurde wegen akuter Eigen- oder Fremdgefährdungstationär aufgenommen und untergebracht

Fortbestehende erhebliche Gefährdungauch nach der stationären Aufnahme

„Problematisches“ Verhalten auf Station,belastend für Mitpatienten und Mitarbeiter,Risiko für manifestes gefährdendes Verhalten

I.

II.

III

Patient lehnt krankheitsbedingt die Behandlung ab

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Konstellation III – fortbestehende Gefährdung

Akuter Handlungsbedarf – kein Entscheidungsproblem

Klare rechtliche Regelungen (PsychKG, §34 StGB)

Optimale Anwendung von Zwangsmaßnahmen(Fixierung, Isolierung, Zwangsmedikation)

Gefährdungdurch Verhalten

Risiko derMaßnahme

Eingriff in dasSelbstbestimmungsrecht

ManifesteGefährdung

KeineGefährdung

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Konstellation I – keine Gefährdung

Kein akuter Handlungsbedarf

Frühere Rechtsauffassung (bis 2011)

- Unterbringung umfasst alle notwendigen med. Maßnahmeneinschließlich der Behandlung der Grunderkrankung

- Unterbringung als Auftrag zur Behandlung der Grunderkrankung(„sonst macht die Unterbringung keinen Sinn“)

Entscheidungsproblem

Durch die Rechtsauffassungnahegelegter Behandlungsauftrag

Eingriff in dasSelbstbestimmungsrecht

Gefährdungdurch Verhalten

ManifesteGefährdung

KeineGefährdung

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Konstellation I – keine Gefährdung

Aktuelle Rechtsauffassung

Negative Konsequenzen

- Keine klare rechtliche Grundlage für die Durchführung einer Zwangsbeh.

- „Wir dürfen keine Zwangsbehandlung durchführen“

Kein Entscheidungsproblem

- Zwangsbehandlung wird nicht durchgeführt

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Konstellation I – keine Gefährdung

Ethische Probleme

- Eine effektive Behandlung der Erkrankung unterbleibt

- Weitergehender Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht durchVerlängerung des Freiheitsentzugs

obwohl effektive Behandlungsmethoden zur Verfügung stehenobwohl der Patient „Anspruch auf die notwendige Behandlung“ hat (§20 PsychKG)obwohl der Patient zur „Heilbehandlung“ untergebracht worden ist (§1906 BGB)

Ökonomische Probleme

Unverständnis der Angehörigen

- Benachteiligung von anderen behandlungswilligen Patienten,da stationäre Behandlungsplätze blockiert sind

Klärung der Rechtsgrundlage für die Durchführungeiner Zwangsbehandlung dringend notwendig

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Konstellation II – potenzielle Gefährdung

Klinische Situation

Rechtlich sind Zwangsmaßnahmen nur möglichbei akuter erheblicher Gefährdung

Gefährdungdurch Verhalten

ManifesteGefährdung

KeineGefährdung

- Problematisches, v.a. aggressives VerhaltenRisiko der Eskalation mit Übergang in manifeste Gefährdung

- Zustandsbesserung nach Anwendung von ZwangsmaßnahmenEntscheidung über Beendigung der Zwangsmaßnahme

Leitlinien/Empfehlungen: Zwangsmaßnahmen sind nuranzuwenden, wenn alle anderen Deeskalationsversuchefehlgeschlagen sind. Die Dauer der Zwangsmaßnahmemuss so kurz wie möglich gehalten werden.

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Konstellation II – potenzielle Gefährdung

Deeskalationsmaßnahmen

Gefährdungdurch Verhalten

ManifesteGefährdung

KeineGefährdung

Abschätzung der Gefährdung

Entscheidung

- Anwendung von Zwangsmaßnahmen

- Art und Umfang der Maßnahmen

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Aggressives Verhalten

Aggressives Verhalten entsteht aus dem Zusammenwirken vonperson- u. krankheitsbezogenen Variablen und situativen Faktoren

Patient

Psychopathologie VerhaltenWahrnehmungund Bewertungder Situation

SituativeFaktoren

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Aggressives Verhalten

Wahrnehmungund Bewertungder Situation

InteraktionMitarbeiter

PatientPsychopathologie

Umgebung

Verhalten

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Aggressives Verhalten

AggressionWahrnehmungund Bewertungder Situation

InteraktionMitarbeiter

Unangemessenes Verhaltender Mitarbeiter

PatientPsychopathologie

UmgebungUngünstige Umgebungs-bedingungen

Erleben von Bedrohung,Frustration und Provokation

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Eskalation aggressiven Verhaltens

AggressionWahrnehmungund Bewertungder Situation

InteraktionMitarbeiter

Gewalt

Unangemessenes Verhaltender Mitarbeiter

PatientPsychopathologie

UmgebungUngünstige Umgebungs-bedingungen

Drohende Körperhaltung und GestikVerbale Bedrohungen, BeschimpfungenGeringe Körperdistanz zu MitarbeiternGesteigerte LautstärkeSachbeschädigungen

Frühwarnzeichen

Erleben von Bedrohung,Frustration und Provokation

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Deeskalation aggressiven Verhaltens

PatientPsychopathologie

AggressionWahrnehmungund Bewertungder Situation

Umgebung

InteraktionMitarbeiter

-

Deeskalierendes Verhaltender Mitarbeiter

Gewalt

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Professionelles Deeskalationsmanagement

In der Akutsituation ist die Deeskalation durch die Mitarbeiterdie entscheidende Maßnahme zur Reduktion von Aggressionund damit zur Vermeidung von Zwangsmaßnahmen

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Umgebungsvariablen

AggressionWahrnehmungund Bewertungder Situation

InteraktionMitarbeiter

PatientPsychopathologie

Umgebung

Atmosphäre auf StationAnzahl und Verhalten der MitpatientenPersonalausstattung, QualifikationStruktur der Klinik (offen/geschlossen)BelegungskonzeptBehandlungsstrategien

Gewalt

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Umgebungsvariablen

Defizit an empirischen Daten zum Einfluss von Umgebungs-variablen auf aggressives Verhalten bzw. Zwangsmaßnahmen

Zusammenhang zwischen Umgebungsvariablen und demAuftreten von aggressivem Verhalten ist nicht klar

Forschungsbedarf

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

BMBF-Projekt zu Zwangsmaßnahmen

„Evaluation of treatment strategies in connection w ithcoercive measures in German psychiatric hospitals p ursuingdifferent approaches of inpatient care“

Vier teilnehmende Kliniken

Kooperation mit ZI Mannheim

- Universitätsmedizin Mainz

- Krankenhaus zum Guten Hirten in Ludwigshafen

- Städtisches Krankenhaus in Pirmasens

- Pfalzklinikum Klingenmünster

- Arbeitsgruppe Versorgungsforschung

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Studiendesign

Systematische Erfassung aller stationären Patienten, bei denenZwangsmaßnahmen zum Einsatz kommen (Fixierung, Isolierung,Zwangsmedikation)

Charakterisierung des Behandlungsprozesses

- Indikation für Zwangsmaßnahme, auslösende Situation

- Art, Umfang und Dauer der Zwangsmaßnahme

- Medikamentöse Therapie und andere Behandlungsmaßnahmen

- Medizinische Komplikationen und andere relevante Ereignisse

Charakterisierung der Umgebungsvariablen

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Fragestellungen

- Institutionelle Parameter

- Akute situative Faktoren

Prädiktion von Zwangsmaßnahmen

Offene/geschlossene Stationen, bauliche Infrastruktur und Ausrüstung,Ärztliche und pflegerische Personalausstattung, Qualifikation, Deeskalationstraining,Durchschnittliche Patientenbelegung und -durchsatz

Aktuelle Personalbesetzung, aktuelle Belegungssituation,Indikation für Zwangsmaßnahme und auslösende Faktoren

Weitere FragenZusammenhang zwischen Zwangsmaßnahmen und Komplikationen, pharmakologischen und anderenBehandlungsmaßnahmen, subjektivem Erleben der Patienten, Ressourcenverbrauch

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Entscheidung über Zwangsmaßnahmen

Loewenstein et al., Psychol Bull 2001;127:267

Wenn Deeskalationsmaßnahmen nicht erfolgreich sind, dannEntscheidung über die Anwendung von Zwangsmaßnahmen

Alle verfügbarenInformationen

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Entscheidung über Zwangsmaßnahmen

Gefährdungdurch Verhalten

Risiko derMaßnahme

Eingriff in dasSelbstbestimmungsrecht

ManifesteGefährdung

KeineGefährdung

Gefährdungdurch Verhalten

Liegt eine erhebliche Gefährdung vor, die die Anwendungvon Zwangsmaßnahmen rechtfertigt?

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Entscheidungsprozess im Team

Unterschiedlicher Informationsstand

Gefährdung

Schwelle,ab der ZM möglich

GefährdungKrankenschwester ist über aktuellenZustand des Pat. besser informiertals der Arzt (z.B. Frühwarnzeichen)

Arzt

Schwester

Unterschiedliche Präferenzen

- Risikobereitschaft

- Einstellung zu Patientenautonomie

- Verantwortlichkeit (Rechtfertigung der Zwangsmaßnahme, Komplikationen)

- Unmittelbare Betroffenheit

Diskrepanzen in der Einschätzungen der Gefährdung

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Rationale Entscheidungen

Loewenstein et al., Psychol Bull 2001;127:267

PerfekteInformation

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Nicht-rationale Entscheidungen

Loewenstein et al., Psychol Bull 2001;127:267

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

„Dual Process“ -Theorie

System 2

- Langsam, seriell, kontrolliert- Regelbasiert- „Rationales“ Denken

Optimierung des EntscheidungsprozessesKognitive Verzerrungen, Irrationalitäten

System 1

- Schnell, parallel, automatisch- Assoziativ- Gesamteindruck, Heuristiken, Emotionen, Intuition, Bauchentscheidungen

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie

Risikomanagement -Notwendigkeit und Vermeidung von Zwangsmaßnahmen

Optimierung der Entscheidungsprozesse

- Effiziente Risikoeinschätzung

- Entscheidungsprozesse transparent machen

- Konsens im Team herbeiführen, dabei individuelle Unterschiede akzeptieren

Prävention

- Professionelles Deeskalationsmanagement

- Optimierung der Umgebungsvariablen

- Kommunikation aller Beteiligten