Prof in Dr. Iris Füssenich, PH Ludwigsburg · 1 1 Vom Sprechen zur Schrift und von der Schrift zum...

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1 1 Vom Sprechen zur Schrift und von der Schrift zum Sprechen Fachvortrag bei der BiSS – Initiative Bayern Fachtagung in Nürnberg am 21. April 2015 23.04.15 Profin Dr. Iris Füssenich, PH Ludwigsburg 2 Gliederung 1. Kinder und ihre sprachliche Bildung 2. Wann beginnt der Schriftspracherwerb? 3. Ein Blick auch in die Geschichte 4. Schriftspracherwerb ist Teil der sprachlichen Bildung 4.1 Funktion von Schrift 4.2 Kenntnis von Begriffen 4.3 Einsicht in den Aufbau der (Schrift-)Sprache 4.4 Schriftkonventionen 5. Konsequenzen für die Kooperation Kita - Schule Anstelle einer Schlussbemerkung Zum Weiterlesen...

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Vom Sprechen zur Schrift und von der Schrift zum Sprechen

Fachvortrag bei der BiSS – Initiative Bayern

Fachtagung in Nürnberg am 21. April 2015

23.04.15

Prof‘in Dr. Iris Füssenich, PH Ludwigsburg

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Gliederung

1. Kinder und ihre sprachliche Bildung

2. Wann beginnt der Schriftspracherwerb?

3. Ein Blick auch in die Geschichte

4. Schriftspracherwerb ist Teil der sprachlichen Bildung 4.1 Funktion von Schrift 4.2 Kenntnis von Begriffen 4.3 Einsicht in den Aufbau der (Schrift-)Sprache 4.4 Schriftkonventionen 5. Konsequenzen für die Kooperation Kita - Schule

Anstelle einer Schlussbemerkung

Zum Weiterlesen...

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Kinder im Elementarbereich nehmen gesprochene Sprache wahr: wirgehenheutezufußindenkindi mustafakannstdumirmalbittedengrünenbechergeben Wie schaffen es Kinder... ... die mündliche Sprache zu erwerben und Regeln zu entdecken? ... die Schriftsprache zu erwerben?

1. Kinder und ihre sprachliche Bildung

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Julian (5;4 Jahre) schreibt an seine kleine Schwester:

LINdABiTENICHTENMA iNEBÜCHAMALE Linda, bitte nicht in meine Bücher malen.

1. Kinder und ihre sprachliche Bildung

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1. Kinder und ihre sprachliche Bildung

Kinder: vom Sprechen zur Schrift ... von den Lauten zu den Buchstaben: Laute: au-t-o h-u-n-t sch-a-f ... erkennen zunächst keine Wortgrenzen: E: Ich muss habilitieren. K: Ich kenne die Tieren nicht. ... entdecken sprachliche Einheiten: Autokennzeichen von Mannheim: K: Ein Heim für Papas.

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1. Kinder und ihre sprachliche Bildung

... von den Buchstaben zu den Lauten:

A-u-t-o H-u-n-d S-c-h-a-f

....verwenden große/ kleine Buchstaben; Druck- u. Schreibschrift:

A, a, A, a für den Laut [a]

.. .. vom Satz zur Äußerung:

E: Sprich im (ganzen) Satz.

Sprachunterstützend ist....

,..wenn Erwachsene den Blick der Kinder einnehmen.

Erwachsene: von der Schrift zum Sprechen

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2. Wann beginnt der Schriftspracherwerb?

Peter ist seit 3 Monaten in der Schule. Der Lehrerin fällt auf, dass er das Lesebuch nicht von der richtigen Seite aufschlagen kann. Sabrina (25 Mon.) blättert ein Bilderbuch Seite für Seite um und kommentiert diese: „Wauwau“, „Muh“.... Dialog mit einem Mädchen (K) der 1. Klasse: E: Habt ihr gerade in der Fibel gelesen? K: Ja, ich kann die Sätze schon auswendig, ohne Buch lesen.

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2. Wann beginnt der Schriftspracherwerb?

Julian (22 Monate) sieht, wie seine Mutter im Restaurant die Speisekarte liest. Er sagt: „Auch lesen“ und blättert die Speisekarte langsam von vorne nach hinten durch und schaut auf die einzelnen Seiten. Dabei hält er die Speisekarte verkehrt herum. Erol (5 Jahre) fragt beim Umblättern: Ist das das nächste Level? Adim kann vor der Einschulung das *ABC... aufsagen. * Buchstabennamen

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2. Wann beginnt der Schriftspracherwerb?

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Was heißt:

S Sebastian läuft.

2. Wann beginnt der Schriftspracherwerb?

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2. Wann beginnt der Schriftspracherwerb?

K: Da steht ja ANNA.

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2. Wann beginnt der Schriftspracherwerb?

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3. Ein Blick auch in die Geschichte

Vom funktionsorientierten Ansatz (bis 1970)...

- Kita bereitet auf die Schule vor. - Trainingsprogramme; Vorschulmappen

... zum situationsorientierten Ansatz -  Der Elementarbereich ist eine eigene Bildungsstufe. -  Kita hat einen eigenen Bildungsauftrag. -  Schrift ist Thema der Schule und nicht der Kita.

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3. Ein Blick auch in die Geschichte

Heutige Bildungspläne von Kindertageseinrichtungen greifen das Interesse von Kindern an Schrift auf. Literacy oder Literalität oder Literarische Bildung 70er Jahre „emergent literacy“ (wachsende, frühe literarische Bildung) Literacy: Verhalten kleiner Kinder im Umgang mit Büchern und Schrift Kindliche Erfahrungen rund um Buch-, Erzähl-, Reim- und Schriftkultur (Ulich 2003) . .

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4. Schriftspracherwerb ist Teil der sprachliche Bildung

Durch die Auseinandersetzung mit Schrift lernen Kinder…. … die Funktion von Schrift und Konventionen. .... Begriffe um über Sprache zu sprechen (z.B. lesen, Zahl,

Buchstabe). …. vom Bedeutungsaspekt der Sprache zu abstrahieren und sich

auf die Form von Sprache einzulassen.

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4. Schriftspracherwerb ist Teil der sprachliche Bildung

Kinder erwerben mit dem Bedeutungserwerb die Fähigkeit über Sprache nachzudenken und sich auf die Form von Sprache einzulassen. Sie fragen nach und bilden Neuschöpfungen. Dabei entdecken Kinder sprachliche Einheiten:

Wortbausteine: Schwitzkasten für ‚Sauna‘ Silben: Mama, Papa – Papagei – Mamagei Laute: Willi – Pilli

Dies sind keine Vorläuferfähigkeiten. Was wären dann die eigentlichen Fähigkeiten?

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4.1 Funktion von Schrift: z.B. förderdiagnostische Beobachtungsaufgabe: Embleme

Orfeas, 12 Richtige MC Donalds: ü Mercedes: Auto Langnese: ü RTL: ü Verkehrszeichen: Schild, dass kein Auto

kommt Post: ü Apotheke: Arzt Coca-Cola: ü Nutella: ü Rotes Kreuz: Krankenhaus WC: Toilette LEGO: ü

Johannes, 4 Richtige MC Donalds: - Mercedes: Auto kaufen Langnese: da Eis essen RTL: - Verkehrszeichen: - Post: - Apotheke: bei Deutschland Coca-Cola: - Nutella: Schokolade Rotes Kreuz: Krankenhaus WC: - LEGO: bei Deutschland

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4.1 Funktion von Schrift: z.B. förderdiagnostische Beobachtungsaufgabe: Gezinktes Memory

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•  4.1 Funktion von Schrift: z.B. förderdiagnostische Beobachtungsaufgabe: Gezinktes Memory

Beobachtungen: Orientieren sich Kinder an der Schrift: Ja/ Nein Bei Ja: „Sag mal, wie hast du das gemacht?“ „Buchstaben sind gleich... Wenn‘s gleich ist, dann nehm ich‘s.“

„Weil ich das immer les.“

„Ich habe die Zahlen angeguckt.“ ........

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4.1 Funktion von Schrift

Es gibt auch diese Kinder....

Denise, 6 Jahre alt

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4.2 Kenntnis von Begriffen

Noch einmal Julian (22 Monate): „Auch lesen.“ Er verfügt bereits über den Begriff ‚lesen‘. Viele Kinder verhalten sich ähnlich.

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4.2 Kenntnis von Begriffen

Es gibt jedoch auch diese Kinder... Sveda (5;11 Jahre) benennt Tätigkeiten

malen „Der malt was!“

schreiben „Der malt was!“

rechnen „Der malt was!“

lesen „Der tut Buch, schreibt was hier.“

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4.3 Einsicht in den Aufbau der (Schrift-)Sprache: z.B. förderdiagnostische Beobachtungsaufgabe Reimen

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4.3 Einsicht in den Aufbau der (Schrift-)Sprache: z.B. förderdiagnostische Beobachtungsaufgabe Reimen

Kinder ein Jahr vor der Einschulung

Orfeas: alle richtig Johannes: 6 von 10

Füße -Topf (Ratestrategie) Ohr - Hund (Ratestrategie)

Sveda: 6 von 8

Löffel - Suppe (semantisch) Ohr - Mund (semantisch)

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4.3 Einsicht in den Aufbau der (Schrift-)Sprache: z.B. förderdiagnostische Beobachtungsaufgabe Reimen

Es gibt auch diese Kinder .... Cem ist begeistert von diesem Spiel. Er findet Reimpaare, die es in der dt. Sprache nicht gibt: z.B.: „Frosch“ – „Brosch“, „Kaulquappe“ – „Paulquappe“, Weitere Reimwörter haben zwar eine Bedeutung, die Cem aber nicht kennt: „Flöte“ – „Röte“. Michel findet keine Reimwörter. Ihr sind viele abgebildeten Begriffe unbekannt: Zur Abbildung vom „Eimer“ sagt sie „Topf“ und die „Tasse“ benennt sie mit „Glas“.

Das Bilderbuch ist enthalten in: Füssenich, Iris/ Geisel, Carolin (2008): Literacy im Kindergarten. Vom Sprechen zur Schrift. München/Basel

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4. Schriftkonventionen

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Erste Seite....

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4.4 Schriftkonventionen

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Vorletzte Seiten....

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4.4 Schriftkonventionen

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Letzte Seiten....

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4.4 Schriftkonventionen .

„Marina wünscht sich Schuhe, ein Armband, einen Schlafanzug, eine Jacke, einen Stuhl, einen Schreibtisch, eine Tafel und eine Kreide (von oben nach unten gelesen)“

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4.4 Schriftkonventionen

Elisabeth wünscht sich eine Barbie, ein Buch, einen Schulranzen, einen Hasen und ein Kleid.

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4.4 Schriftkonventionen

Johannes wünscht „sich rote und blaue Spielsachen“.

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5. Konsequenzen für die Koop Kita - Schule

Kinder … … lesen und schreiben nicht erst in der Schule, sondern die Schrift hat bei vielen Kindern bereits vor der Einschulung ihre Bedeutung. … erwerben die Schrift in Stufen und entdecken eigenständig Regeln. … erweitern durch den Schriftspracherwerb ihre mündlichen Fähigkeiten.

Es gibt auch andere Kinder.....

Auf den Anfang kommt es an. Doch was ist der Anfang?

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Anstelle einer Schlussbemerkung

FEUERWEHRMANNSCHAFTSWAGEN

Wie geht’s dir Herr Menz? Wann machen wir wieder des mit dem Griechisch?

Nikos Orfeas

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Zum Weiterlesen....

Füssenich, Iris/ Menz, Mathias (2014): Sprachliche Bildung. Sprachförderung. Sprach-therapie. Grundlagen und Praxisanregungen für Fachkräfte in Kitas. Berlin: Cornelsen Füssenich, Iris/ Geisel, Carolin (2008): Literacy im Kindergarten. Vom Sprechen zur Schrift. München/Basel [mit Bilderbuch ‚Toni feiert Geburtstag’ und Spiel ‚Rategarten’]: München/Basel: Reinhardt Füssenich, Iris/ Löffler, Cordula (2009): Materialheft Schriftspracherwerb 2. überarbeitete Auflage. München/Basel: Reinhardt Füssenich, Iris/ Löffler, Cordula (2008): Schriftspracherwerb. Einschulung, erstes und zweites Schuljahr. Zweite durchgesehene Auflage. München/Basel: Reinhardt Wie Kinder zur Schrift kommen. Sprachförderfilm 2. Ein Film von Kurt Gerwig. Fachliche Begleitung von Prof. Dr. Iris Füssenich: Link: www-paedagogikfilme.de