Projekt „Biodiversität und Schalenwild-...

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ÖKOJAGD 1 – 2016 16 Standortsfaktor Schalenwild Berlin/Bonn, 7. Dezember 2015 – Heute startet das Projekt „Biodiversität und Schalenwildmanagement“ im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Viel- falt des Bundesumweltministeriums. Mit einem veränderten Management des Reh- und Rotwildbestands soll gezeigt werden, wie die Wilddichte angepasst und in der Folge die natürliche Ver- jüngung von Wäldern erreicht werden kann. Ziel ist es, die typische biologi- sche Vielfalt im Wald zu erhalten und zu steigern. Das neue Projekt wird vom Bundesumweltministerium mit 1,9 Milli- onen Euro gefördert. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) begleitet das Projekt fachlich. Überhöhte Wildbestände – vor allem von Reh- und Rotwild – führen nicht nur zu wirtschaftlichen Schäden für die Waldbesitzer, sondern beeinträch- tigen die biologische Vielfalt im Wald erheblich. Denn bei hohen Wilddichten werden vor allem die Jungpflanzen von Laubbäumen und beispielsweise Tan- nen, unabhängig von den jeweiligen Waldstrukturen, stark verbissen. Die Fol- ge ist eine Entmischung und Verarmung der Pflanzengesellschaften. Um eine natürliche Verjüngung und eine langfristig naturnahe Bewirtschaf- tung stabiler Wälder zu ermöglichen, müssen Schalenwilddichten entspre- chend angepasst und daher vielerorts verringert werden. Die aktuelle Bundes- waldinventur aus dem Jahr 2014 zeigt, dass ein Drittel aller jungen Laubbäume verbissen ist. „Eine solche Größenord- nung gefährdet nicht nur die biologi- sche Vielfalt und den ökonomischen Wert unserer Wälder, sondern beein- trächtigt vielfach auch deren Funktion als Schutzwald, Wasser- oder Kohlen- stoffspeicher“, erläuterte Prof. Beate Jes- sel, Präsidentin des BfN. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Gerade mit Blick auf den Klimawandel sind die Erhaltung und der flächenmäßige Aus- bau naturnaher Wälder sehr wichtig“, so Jessel. Projekt „Biodiversität und Schalenwild- management“ Neues Projekt fördert biologische Vielfalt in Wäldern Koordiniert wird das Projekt mit sechs- jähriger Laufzeit von der Arbeitsgemein- schaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) Deutschland. Verbundpartner sind die Georg-August-Universität Göt- tingen, die Technische Universität Dres- den und die Technische Universität München. Vorgesehen ist unter anderem, soge- nannte Weiserzäune auf ausgewählten, repräsentativen Flächen einzurichten. Das ermöglicht den Vergleich von ein- gezäunten und nicht eingezäunten Flächen und verdeutlicht damit den Einfluss des Wildes auf die Vegetation. Zudem sollen moderne Jagdstrategien entwickelt und erprobt werden. Das Wildtiermanagement ist dabei an den Biodiversitätszielen ausgerichtet und soll prüfen, ob es auch den ökonomischen Zielen der Waldnutzung entspricht. Nicht zuletzt soll das Projekt zur Weiter- entwicklung eines modernen Jagdrechts beitragen, das sowohl der Wildbiologie als auch der ökologischen Intaktheit der Wälder dient. Weitere Informationen zum Projekt unter: www.biologischevielfalt.de/23663.html Hintergrund: Das Bundespro- gramm Biologische Vielfalt Die Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) wird seit 2011 durch das Bundesprogramm Bio- logische Vielfalt unterstützt. Gefördert werden Vorhaben, denen im Rahmen der NBS eine gesamtstaatlich repräsen- tative Bedeutung zukommt oder die die- se Strategie in besonders beispielhafter Weise umsetzen. Die geförderten Maß- nahmen tragen dazu bei, den Rückgang der biologischen Vielfalt in Deutschland zu stoppen und mittel- bis langfristig in einen positiven Trend umzukehren. Sie dienen dem Schutz und der nachhalti- gen Nutzung sowie der Entwicklung der biologischen Vielfalt und gehen über die rechtlich geforderten Standards hi- naus. Akzeptanzbildende Maßnahmen der Informationen und Kommunikation tragen dazu bei, das gesellschaftliche Bewusstsein für die biologische Vielfalt zu stärken. Weitere Informationen zum Bundes- programm: www.biologischevielfalt.de/ bundesprogramm.html Überhöhte Schalenwildbestände – ein Hindernis auf dem Weg zum klimastabilen Mischwald Schmallenberg, den 7. Dezember 2015 Der Klimawandel führt schleichend, manchmal durch besonders heftige Stürme auch ganz plötzlich, zu einer Destabilisierung des deutschen Waldes – Buchenkomplexkrankheit, Eichenster- ben, Eschentriebsterben, Douglasien- schütte sind nur einige Indizien. Dieser Risikosteigerung des Waldver- lustes kann man nur begegnen durch den Aufbau von Mischwäldern. Dieses Ziel wird von der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) seit Jahrzehnten propagiert und in der Praxis verfolgt. Es wird jedoch auf der

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ÖKOJAGD 1 – 201616 Standortsfaktor Schalenwild

Berlin/Bonn, 7. Dezember 2015 – Heute startet das Projekt „Biodiversität und Schalenwildmanagement“ im Rahmen des Bundesprogramms Biologische Viel-falt des Bundesumweltministeriums. Mit einem veränderten Management des Reh- und Rotwildbestands soll gezeigt werden, wie die Wilddichte angepasst und in der Folge die natürliche Ver-jüngung von Wäldern erreicht werden kann. Ziel ist es, die typische biologi-sche Vielfalt im Wald zu erhalten und zu steigern. Das neue Projekt wird vom Bundesumweltministerium mit 1,9 Milli-onen Euro gefördert. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) begleitet das Projekt fachlich.

Überhöhte Wildbestände – vor allem von Reh- und Rotwild – führen nicht nur zu wirtschaftlichen Schäden für die Waldbesitzer, sondern beeinträch-tigen die biologische Vielfalt im Wald erheblich. Denn bei hohen Wilddichten werden vor allem die Jungpflanzen von Laubbäumen und beispielsweise Tan-nen, unabhängig von den jeweiligen Waldstrukturen, stark verbissen. Die Fol-ge ist eine Entmischung und Verarmung der Pflanzengesellschaften.

Um eine natürliche Verjüngung und eine langfristig naturnahe Bewirtschaf-tung stabiler Wälder zu ermöglichen, müssen Schalenwilddichten entspre-chend angepasst und daher vielerorts verringert werden. Die aktuelle Bundes-waldinventur aus dem Jahr 2014 zeigt, dass ein Drittel aller jungen Laubbäume verbissen ist. „Eine solche Größenord-nung gefährdet nicht nur die biologi-sche Vielfalt und den ökonomischen Wert unserer Wälder, sondern beein-trächtigt vielfach auch deren Funktion als Schutzwald, Wasser- oder Kohlen-stoffspeicher“, erläuterte Prof. Beate Jes-sel, Präsidentin des BfN. „Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Gerade mit Blick auf den Klimawandel sind die Erhaltung und der flächenmäßige Aus-bau naturnaher Wälder sehr wichtig“, so Jessel.

Projekt „Biodiversität und Schalenwild-management“

Neues Projekt fördert biologische Vielfalt in Wäldern

Koordiniert wird das Projekt mit sechs-jähriger Laufzeit von der Arbeitsgemein-schaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) Deutschland. Verbundpartner sind die Georg-August-Universität Göt-tingen, die Technische Universität Dres-den und die Technische Universität München.

Vorgesehen ist unter anderem, soge-nannte Weiserzäune auf ausgewählten, repräsentativen Flächen einzurichten. Das ermöglicht den Vergleich von ein-gezäunten und nicht eingezäunten Flächen und verdeutlicht damit den Einfluss des Wildes auf die Vegetation. Zudem sollen moderne Jagdstrategien entwickelt und erprobt werden. Das Wildtiermanagement ist dabei an den Biodiversitätszielen ausgerichtet und soll prüfen, ob es auch den ökonomischen Zielen der Waldnutzung entspricht. Nicht zuletzt soll das Projekt zur Weiter-entwicklung eines modernen Jagdrechts beitragen, das sowohl der Wildbiologie als auch der ökologischen Intaktheit der Wälder dient.

Weitere Informationen zum Projekt unter: www.biologischevielfalt.de/23663.html

Hintergrund: Das Bundespro-gramm Biologische VielfaltDie Umsetzung der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) wird seit 2011 durch das Bundesprogramm Bio-logische Vielfalt unterstützt. Gefördert werden Vorhaben, denen im Rahmen der NBS eine gesamtstaatlich repräsen-tative Bedeutung zukommt oder die die-se Strategie in besonders beispielhafter Weise umsetzen. Die geförderten Maß-nahmen tragen dazu bei, den Rückgang der biologischen Vielfalt in Deutschland zu stoppen und mittel- bis langfristig in einen positiven Trend umzukehren. Sie dienen dem Schutz und der nachhalti-gen Nutzung sowie der Entwicklung der biologischen Vielfalt und gehen über die rechtlich geforderten Standards hi-naus. Akzeptanzbildende Maßnahmen der Informationen und Kommunikation tragen dazu bei, das gesellschaftliche Bewusstsein für die biologische Vielfalt zu stärken.Weitere Informationen zum Bundes-programm: www.biologischevielfalt.de/bundesprogramm.html

Überhöhte Schalenwildbestände – ein Hindernis auf dem Weg zum klimastabilen Mischwald

Schmallenberg, den 7. Dezember 2015 – Der Klimawandel führt schleichend, manchmal durch besonders heftige Stürme auch ganz plötzlich, zu einer Destabilisierung des deutschen Waldes

– Buchenkomplexkrankheit, Eichenster-ben, Eschentriebsterben, Douglasien-schütte sind nur einige Indizien.

Dieser Risikosteigerung des Waldver-lustes kann man nur begegnen durch

den Aufbau von Mischwäldern. Dieses Ziel wird von der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft (ANW) seit Jahrzehnten propagiert und in der Praxis verfolgt. Es wird jedoch auf der

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ÖKOJAGD 1 – 2016 17Standortsfaktor Schalenwild

überwiegenden Waldfläche Deutsch-lands zunichte gemacht durch über-höhte Schalenwildbestände. Sie fressen große Teile der natürlich möglichen oder vom Menschen gepflanzten Mi-schungen wieder auf. Das Ergebnis sind dann mehr oder weniger homogene Monokulturen.

„Wenn wir verantwortlich und nach-haltig zukunftsfähigen Wald entwickeln wollen, kann das so nicht weitergehen!“ So der Bundesvorsitzende der ANW, Hans von der Goltz. Wir brauchen ob-jektive Maßstäbe zur Beurteilung der Frage: „Ist Wald und Wild in einer aus-gewogenen Balance oder nicht?“

Um diese Frage zu klären, hat die ANW mit ihren wissenschaftlichen Partnern der Universitäten München, Dresden und Göttingen das Forschungsprojekt „Bio-diversität und Schalenwildmanagement in Wirtschaftswäldern“ auf den Weg ge-bracht. Der Förderantrag hat ein Volumen von 2,6 Mio. €. Hiervon stellt das Bundes-amt für Naturschutz (BfN) knapp 2 Mio. € Fördermittel aus dem Bundesprogramm „Biologische Vielfalt“ zur Verfügung.

In 5 Pilotregionen mit einer Gesamt-fläche von ca. 25.000 ha in Baden-Würt-temberg, dem Saarland, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Nordrhein-Westfalen werden wir in den nächsten 6 Jahren anhand des Zustandes der Vegetation

versuchen, Kriterien für die Beantwortung der Ba-lancefrage zu entwickeln, ökologische und ökono-mische Konsequenzen der jeweiligen Situation be-werten und Tipps zur Pro-blemlösung erarbeiten. Der Erfolg hängt maßgeblich von einer Entwicklung des Bewusstseins der verant-wortlichen Akteure „Wald-besitzer“ und „Jäger“ ab. Daher werden die Pilotre-gionen mit ihren wissen-schaftlichen Daten intensiv als Anschauungsobjekte für Interessierte angeboten.Abschließend der Bundes-vorsitzende der ANW: „Wir wollen keinen Schuldigen für ggf. vorhandene Miss-stände suchen, sondern Bewusstsein entwickeln für gemeinsam wahrzu-nehmende Verantwor-tung, Verantwortung für zukunftsfähigen nachhalti-gen Mischwald mit Wild!“

Hans von der Goltz, Bundesvorsitzender der ANW und Projektleiter

Das WaldWild-Projekt im ÜberblickHans von der Goltz

Als passionierter Förster und Waldbauer mit dem Ziel stabile Mischwälder auf-zubauen stand ich vor Jahren vor der Entscheidung: Resignation oder Wald-Wild-Thema anpacken! Meinem Na-turell entsprechend habe ich mich für „anpacken“ entschieden.

Entstanden ist nach einigen erfah-rungsreichen Jahren das Projekt „Biodi-versität und Schalenwildmanagement in Wirtschaftswäldern“. Es ist auf 6 Jahre angelegt und hat ein Finanzvolumen von 2,6 Mio. Euro. Hiervon werden knapp 2 Mio. Euro Fördermittel Dank des persön-lichen Einsatzes von Frau Professor Dr. Beate Jessel aus dem Bundesprogramm Biologische Vielfalt beigesteuert. In den Bundesländern Thüringen, Sachsen-An-halt, Baden-Württemberg, Saarland und Nordrhein-Westfalen werden insgesamt 5 Pilotregionen mit einer Gesamtfläche von ca. 25.000 ha eingerichtet.

Ziele des Projektes sind:- Objektive Erfassung einer örtlichen

Wald-Wild-Situation anhand des Zu-standes der Vegetation.

Auftaktveranstaltung Biodiversität und Schalenwildmanagement in Wirtschaftswäldern, Arnsberg, 7. Dezember 2015

- Der Waldeigentümer als Inhaber des Jagdrechtes definiert sein waldbauli-ches Ziel.

- Der Waldeigentümer und der Jäger sollen das definierte Ziel möglichst gemeinsam erreichen, d. h. sie müs-sen miteinander reden.

- Bewertung unterschiedlicher Biodi-versität bei sich ändernden Schalen-wilddichten; der Waldbesitzer soll

schon wissen, welche ökologischen und ökonomischen Konsequenzen seine jeweilige Entscheidung hat.

- Anpassung jagdrechtlicher Regelun-gen, damit der, der etwas ändern will auch darf.

- Zeigen und erklären der Ergebnisse der Untersuchungen als Beitrag zur Bewusstseinsbildung.

Partner im Projekt:Die ReferentInnen der Tagung, v.l. Prof. Christian Ammer, Prof. Beate Jessel, Prof. Thomas Knoke, Prof. Friedrich Reimoser, Prof. Michael Müller, Forstdirektor Hans

von der Goltz.

Der Aufbau von Mischwäldern wird auf der über-wiegenden Waldfläche Deutschlands durch über-

höhte Schalenwildbestände zunichte gemacht. Auch hier wird neben der Fichte kaum eine Dougla-

sie überleben. (Archivfoto © ÖJV Rheinland-Pfalz)

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ÖKOJAGD 1 – 201618 Standortsfaktor Schalenwild

- Die Uni München, Professor Dr. Tho-mas Knoke kümmert sich um Statistik und Auswertung.

- Die Uni Göttingen, Professor Dr. Christian Ammer und Dr. Torsten Vor übernehmen die Vegetationsaufnah-men.

- Die Uni Dresden, Professor Dr. Micha-el Müller begleitet die Themenberei-che „Jagdregime“ und „Wildmanage-ment“.

- Die ANW, Hans von der Goltz leitet zusammen mit dem Projektkoordi-nator Forstassessor Stefan Schneider, und mit Unterstützung der Verwal-tungskraft Cornelia Lingemann das gesamte Projekt, organisiert die In-fo-Veranstaltungen, die Medienarbeit, das Berichtswesen und den Bau der Weisergatter.

Das Projekt „Biodiversität und Schalenwild“ aus Sicht des BfNProf. Dr. Beate Jessel, Bundesamt für Naturschutz

Das Thema „Wald-Wild“ wird schon länger intensiv und z. T. sehr emotio-nal diskutiert. Nach dem bereits im Jahr 2010 veröffentlichten „Wald-Wild-Gut-achten“, das maßgeblich von den am Schalenwildprojekt beteiligten Universi-täten Göttingen und München im Auf-trag des BfN, des Deutschen Forstwirt-schaftsrates, der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft und der Hatzfeldt-Wildenburg´schen Verwaltung erarbeitet wurde, sind die Schalenwild-dichten bundesweit in vielen Gebieten immer noch zu hoch, während die da-mit verbundenen Risiken und Gefähr-dungen unterschätzt werden. Eine na-

türliche und damit standortangepasste Verjüngung unserer Wälder sowie der Aufbau gemischter Waldbestände, dem insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels eine besondere Bedeu-tung zukommt, wird jedoch nur bei an-gepassten Schalenwildbeständen mög-lich sein.

Die nationale Strategie zur biologi-schen Vielfalt (NBS) der Bundesregie-rung gibt verschiedene Ziele vor, um den Erhalt der für Wälder typischen Biodiversität sicher zu stellen. Ange-strebt wird nicht zuletzt, dass sich Bäu-me und Sträucher unserer natürlichen Waldgesellschaften von selbst verjün-gen können. Ein wichtiges Element für die Umsetzung der NBS ist das Bundes-programm Biologische Vielfalt, das seit 2011 mit einem finanziellen Volumen von 15 Millionen Euro pro Jahr heraus-ragende Projekte von bundesweiter Be-deutung fördert.

Hinsichtlich der „Wald-Wild-Frage“ sind die relevanten gesetzlichen Grundlagen, v. a. das Bundesjagdgesetz und die zu-gehörigen Landesjagdgesetze, in ihren Formulierungen eindeutig. Die Schalen-wildbejagung hat demnach so zu erfol-gen, dass eine natürliche Waldverjün-gung möglich ist. Was fehlt, ist jedoch eine konsequente und an die jeweiligen regionalen Gegebenheiten angepasste Umsetzung.

Am Beispiel der Streckenentwick-lung des Rehwilds in den letzten mehr als dreißig Jahren und den Zahlen aus der aktuellen Bundeswaldinventur wird deutlich, dass ein Wald-Wild-Ausgleich nach wie vor dringend erforderlich ist. Dabei müssen nicht angepasste Scha-lenwildbestände effektiv reduziert wer-

den. Möglich sein wird dies aber nur mit einer deutlichen Steigerung des Be-wusstseins für eine waldgerechte Jagd in den Reihen der Jägerschaft und bei den Waldbesitzern.

Aus Sicht des BfN ist das „Schalen-wildprojekt“ hier beispielhaft und weg-weisend. Mit seiner übergreifenden Konzeption, die sich großflächig auf fünf Pilotregionen in verschiedenen Bundesländern (Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sach-sen-Anhalt, Saarland) und verschiedene repräsentative Waldgesellschaften er-streckt, stellt es einen innovativen An-satz dar, der deutlich über bisherige Vor-haben zu dieser Thematik hinausgeht. Bislang wurden der Einfluss verschie-dener Jagdstrategien und die Entwick-lung der Waldvegetation mit und ohne Weisergatter sowie mittels einheitlicher Verjüngungs- und Verbissinventuren noch nie so umfassend und langfristig dokumentiert wie es hier der Fall ist. Das Projekt soll damit maßgeblich zur Ver-sachlichung der oft emotional geführten Diskussion um die Balance Wald/Wild beitragen und vorbildlich aufzeigen, wie die biologische Vielfalt im bewirtschafte-ten Wald gefördert werden kann!

Nachhaltige Waldwirtschaft – Verantwortung für eine Balance von Wild und VegetationUniv.Prof.i.R. DI Dr. Friedrich Reimoser, Universität für Bodenkultur Wien & Veterinärmedizinische Universität Wien

Ausgangslage schwierigWildverbiss ist eine natürliche Begleiter-scheinung der Jungwaldentwicklung. Wildtiere sind ein Teil des Ökosystems Wald. Doch es braucht eine Balance von Pflanzenfressern und Vegetation, damit eine nachhaltige Waldbewirtschaftung möglich ist, die Biodiversität des Waldes erhalten bleibt und die Funktionen des Waldes nicht beeinträchtigt werden. Wie die Praxis zeigt, ist diese Balance in unse-rer Kulturlandschaft nicht leicht herstell-bar. Vielerorts ist starker Verbiss junger Waldbäume durch Huftierarten wie Reh und Hirsch („Schalenwildarten“) schon über Jahrzehnte ein forstliches Problem. Ansteigende Schalenwildbestände konn-ten in vielen Gebieten aus verschiedenen Gründen nicht ausreichend reguliert werden. Die konkreten Auswirkungen des Wildverbisses auf die Vegetation und die Unterscheidung von anderen, gleichzeitig wirksamen Einflussfaktoren sind meist nur schwierig erfassbar, weil bei natürlicher Mischwaldverjüngung ein sehr komplexes, dynamisches Wir-kungsgeflecht zahlreicher Faktoren be-steht. Aus dieser Unsicherheit ergibt sich Konfliktpotenzial für Jagd, Forst und Na-turschutz.

Die nationale Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) hat zum Ziel, den Erhalt der für Wälder typischen Biodiversität zu sichern. Bäume und Sträucher unserer natürli-chen Waldgesellschaften sollen sich natürlich verjüngen. (Archivfoto © E. Emmert)

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Projekt soll Entscheidungs- und Hand-lungsgrundlagen verbessernDurch das richtungweisend konzipier-te Projekt „BIOWILD“ sollen nun neue Wege für eine Maßnahmenoptimie-rung zur Herstellung einer Wild-Vegeta-tion-Balance in verschiedenen Pilotregi-onen Deutschlands aufgezeigt werden. Es geht vor allem um regional ange-passte Formen des Wildmanagements und ein objektives Wirkungsmonito-ring. Zur Erfolgskontrolle kommt dem geplanten Vergleichsflächenverfahren mit der Errichtung von sogenannten Weisergattern eine besondere Bedeu-tung zu.

Objektivität und Überzeugungskraft durch WeisergatterDie Beobachtung der Jungwaldentwick-lung über mehrere Jahre in kleinen ein-gezäunten Weisergattern bei völligem

Praxis hoffen. Alles Gute für das interes-sante Projekt!

Auswirkungen angepasster Wild-beständeProf. Dr. Thomas Knoke, Fachgebiet für Waldinventur und nachhaltige Nutzung, Technische Universität München

Die Waldstruktur bestimmt viele wichti-ge Eigenschaften unserer Waldbestände. Dabei haben beispielsweise die Baumar-tenmischung und die Ungleichaltrigkeit besondere Auswirkungen auf die Leis-tungsfähigkeit des Waldes. Dies wird an mehreren Beispielen erläutert. So zeigt eine Laubholzbeimischung zur Fichte insbesondere bei einem sich ändernden Klima deutliche Stabilisierungseffekte

Weiserzäune sind ein probates Mittel, um den Wildeinfluss zu dokumentieren. (Foto © T. Vor)

Zu erfolgversprechenden Jagdregimen auf Schalenwild gehört notwendigerweise die Bewegungsjagd mit Hun-den. (Archivfoto © T. Stephan)

Schalenwildausschluss (Zaun wirkt als „Filter“ gegen Schalenwildeinfluss) und der Vergleich mit der Waldentwick-lung in der standörtlich vergleichbaren Umgebung des Gatters ist die einzige seriöse Möglichkeit, die konkreten Aus-wirkungen des Schalenwildes auf die Artendiversität der Pflanzen und Struk-tur des Waldes aus der Fülle der mög-lichen Einflussfaktoren heraus zu filtern. Erst der wiederholte Vergleich der Jung-waldstruktur in den Weisergattern mit der Struktur und Entwicklung in den ungezäunten Vergleichsflächen lässt die Auswirkungen des Schalenwildes in der Waldverjüngungsdynamik erken-nen. Ob diese Auswirkungen dann als Schaden oder Nutzen zu bewerten sind, hängt von der Erreichung eines definier-ten Waldverjüngungszieles für den be-treffenden Waldstandort ab (abhängig z.B. von Waldgesellschaft, Waldfunkti-on), oder von der Auswirkung auf die

Biodiversität (vermin-dernd oder erhöhend), die mit verschiedenen Biodiversitätsindices gemessen werden kann.

Damit kann also objek-tiv überprüft werden, wie sich die im Projekt erprobten jagdlichen und forstlichen Maß-nahmen auf die Balan-ce von Schalenwild und Vegetation im Ökosys-tem Wald tatsächlich auswirken. Man darf auf die Ergebnisse ge-spannt sein und auf eine breite Umsetzung der Erkenntnisse in der

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zu Auswirkungen auf die Biodiversität.- Klärung des Zusammenhangs zwi-

schen Vegetationsentwicklung und Änderung des Jagdregimes sowie wildbiologischen Kenngrößen.

Erfolgversprechende Jagdregime im Einklang mit der WildbiologieProf. Dr. Michael Müller, Technische Universität Dresden, Fakultät Umweltwissenschaften Institut für Waldbau und Waldschutz Professur für Waldschutz

Ziele in der Waldbewirtschaftung und Waldbetreuung sind in den letzten Jahrzehnten sehr vielfältig geworden – reichen von der Betreuung von Total-reservaten über verschiedene Formen naturnaher oder traditioneller Waldbe-wirtschaftung bis hin zu Biomasseplan-tagen.

In Abhängigkeit von diesen vielfälti-gen Zielen in der Waldbewirtschaftung und Waldbetreuung sind die Wildein-flüsse durch die Regulation der Wildbe-stände im Form der Jagd, ausgehend von den vorhandenen an die gewünsch-ten Wälder und damit an deren Wildle-bensräume anzupassen.

Der Zielvielfalt in der Waldbewirt-schaftung und Waldbetreuung entspre-chend ist dafür auch eine große Vielfalt von Jagdregimen erforderlich. Deshalb besteht die Lösung darin, weite Rahmen zu schaffen, die nur durch Maßgaben der menschlichen Ethik und des Tier-schutzes begrenzt sind. In diesen Rah-men sollen die Inhaber des Jagdrechtes (Grundeigentümer/Grundbesitzer) zu-sammen mit den von ihnen beauftrag-ten Jägern wegen ihres Rechtes aber vor allem ihrer fachlichen Kompetenz die konkreten Jagdregime eigenständig ent-wickeln und vollziehen.

Kernstück der Jagdregime sind die Jagd- und Erlegungszeiten, im Idealfall deren weitgehende Synchronisation, sowie die Beschränkung begrenzender Abschussplanungen auf die aus wildbio-logischer Sicht wirklich machbaren und sinnvollen Fälle. Ziel derartiger Jagdre-gime ist es, jede weidgerecht und wild-biologisch akzeptable Erlegungsmög-lichkeit nutzen zu dürfen. Das gewährt im Gegenzug Zeiten der Aufzucht von Jungtieren im Frühjahr/Sommer und Zeiten mit Ruhebedürfnissen im Winter jagdlich stark zu beruhigen oder sogar als vollständige Jagdruhezeiten auszu-weisen.

Die Effekte der verschiedenen Jagdregi-me sollen im Projekt u. a. durch die Auf-nahme und Auswertung von Parame-tern der Jagdregime, der Jagdstrecken und der Wildlebensräume nachgewie-sen werden.

Standortsfaktor Schalenwild

für die anfällige Fichte. Dies schlägt sich auch finanziell in einem gesenkten Risi-ko nieder.

Ein Vergleich macht in diesem Zu-sammenhang jedoch deutlich, dass die Kosten für notwendige Pflanzmaßnah-men die negativen finanziellen Auswir-kungen des Klimawandels (zumindest diejenigen, die wir bisher abschätzen können) bei weitem übersteigen. Die Mischung hat zudem positiven Einfluss auf die Produktivität der Waldbestände, wenn passende Baumarten gemischt werden. Die Konsequenzen ungleichalt-riger Waldbestände liegen insbesondere in einem stark gedämpften Risiko.

Bisher ist es allerdings nur unzurei-chend möglich, den Einfluss der Wild-bestände auf Zusammensetzung und Struktur unserer Wälder zu modellieren. Auch bestehen in der Bewertung und Optimierung multipler Waldfunktionen noch erhebliche Wissenslücken.

Die Ziele des Teilprojektes „Inventur und Bewertung: Ökonomische Evalua-tion, Inventurverfahren, Risikoanalysen“ sind daher:- Eine verbesserte Quantifizierung des

Wildeinflusses mit Hilfe statistischer Funktionen zu erreichen.

- Eine Ableitung von Konsequenzen des Wildeinflusses für die Ertragsfunktion und für regulierende Ökosytemleis-tungen (Kohlenstoff, Wasser) sowie die Biodiversität.

- Eine Bewertung/Optimierung ver-schieden strukturierter Waldbestände unter multiplen Zielsetzungen zu er-reichen.

Auswirkungen angepasster Wild-beständeProf. Dr. Christian Ammer, Dr. Torsten Vor, Abteilung Waldbau und Waldökolo-gie der gemäßigten Zonen, Georg-August-Universität Göttingen

Insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels und der möglichen Ge-fährdung bestimmter Baumarten durch die damit zusammenhängenden Ver-änderungen ist der Aufbau gemischter Bestände mit hoher Resistenz und Resili-enz ein Kernanliegen einer vorausschau-enden forstlichen Planung. Dieses Ziel kann durch überhöhte Schalenwildbe-stände auf großen Flächen nicht oder nur durch Zaunschutz erreicht werden (nach der BWI3 betrug die in Deutsch-land gezäunte Waldfläche im Jahr 2012 273.310 ha, das entspricht etwa Kosten von 1 Mrd. €, d.h. durchschnittlichen Aufwendungen von 100 Mio. € pro Jahr). Die Ursache hierfür ist selektiver Verbiss, der vor allem seltenere Baumar-ten trifft und zu einem unerwünschten Verlust von Mischbaumarten führt. Ne-ben dem Verbiss von Bäumen ist auch die Biodiversität insgesamt, besonders die der krautigen Vegetation vom Scha-lenwildeinfluss betroffen. Entsprechen-de Effekte sind in der Literatur vielfach beschrieben.

Die vielerorts gewonnene praktische Erfahrung lehrt, dass durch eine Ände-rung des jagdlichen Regimes, insbeson-dere einer Erhöhung der Abschüsse, der Aufbau von Mischbeständen deutlich erleichtert wird. Es fehlt bislang jedoch

ein quantitativer Nach-weis dieses Zusam-menhangs, der über einzelne Vergleichspaa-re hinausgeht und zu-sätzliche Faktoren wie die naturräumlichen Gegebenheiten erfasst bzw. die Ergebnisse in Beziehung zu wildbio-logischen Kennwerten und ökonomischen Kal-kulationen setzt.

Die Ziele des Teilpro- jektes „Einfluss unter-schiedlicher Wildbe-stände auf die Vegeta-tion und den Aufbau klimastabiler Wälder“ sind daher:- Analyse des Verjün-gungspotentials.- Monitoring der Vege-tationsentwicklung un-ter Schalenwildeinfluss als Basis für Betrach-tungen zu Ökosystem-dienstleistungen und

Die flächige Eichen-Naturverjüngung kann nur bei ange-passten Wildbeständen hochwachsen. (Foto © R. Schlude)

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ÖKOJAGD 1 – 2016 23Standortsfaktor Schalenwild

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