Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine...

91
Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse

Transcript of Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine...

Page 1: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse

Page 2: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse
Page 3: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

Teil 1

Das BEM-Verfahren – eine betriebliche BestandsaufnahmeZusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse im Projekt RE-BEM

Christine Zumbeck

Teil 2

Ergebnisse der Sekundärstudie

Dr. Christiane Stegmann

Unterstützende Ressourcen für das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)Abschlussbericht zur begleitenden Online-Umfrage 2016

Teil 3

ipeco – Hamburg

Vorwort

Das Projekt „Unterstützende Ressourcen für das Betriebliche Eingliederungs-

management“ hat nach einjähriger Arbeit seine Forschungsphase abgeschlossen.

Wir möchten uns bei allen bedanken, die uns in dieser Zeit bei der Arbeit unter-

stützt haben, ob als Teilnehmende an der Befragung, als Multiplikator_in oder

Interviewpartner_in. Ein besonderer Dank geht an unseren Beirat, der uns stets

mit Rat und Tat zur Seite stand.

Wir freuen uns, Ihnen mit dieser Dokumentation unsere umfangreichen Ergeb-

nisse zur Verfügung stellen zu können. Es erwartet Sie eine Fülle von Informatio-

nen und Anregungen. Wir hoffen, dass das BEM von diesen Erkenntnissen profi-

tieren kann.

Das Team RE-BEM und Dr. Regina Richter von ipeco

Gliederung des Dokumentation

Teil 1Das BEM-Verfahren – eine betriebliche BestandsaufnahmeZusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse im Projekt RE-BEM

Teil 2Ergebnisse der Sekundärstudie

Teil 3Unterstützende Ressourcen für das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)Abschlussbericht zur begleitenden Online-Umfrage 2016

Page 4: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

Teil 1

Das BEM-Verfahren – eine betriebliche BestandsaufnahmeZusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse im Projekt RE-BEM

Christine Zumbeck

Page 5: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

3Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

Teil 1 – Inhaltsverzeichnis1. Kurzgefasst ............................................................................................................... 5

2. Der Projektauftrag .................................................................................................. 6

3. Die zwei Studien ...................................................................................................... 8 3.1 Die Sekundäranalyse ................................................................................................... 83.2 Die Online-Befragung .................................................................................................. 9

4. Rechtsentwicklungen, die durch die Projektergebnisse nicht erfasst wurden ............................................................................................... 104.1 Präventive Arbeitsgestaltung ...................................................................................... 104.2 Teilhabe von Menschen mit Behinderung ................................................................... 114.3 Flexibilisierung der Rentenübergänge ......................................................................... 124.4 Aktuelle Rechtsdiskussion zum Gesundheitsschutz .................................................... 124.5 Mitbestimmung beim BEM ......................................................................................... 13

5. Ergebnisse ................................................................................................................ 135.1 Ergebnisse, die sich auf beide Studien stützen ............................................................ 14 5.1.1 „Nicht über uns ohne uns“ – Die Beschäftigten im Mittelpunkt des BEM ........ 14 5.1.1.1 betriebsinterne Öffentlichkeitsarbeit ...................................................... 14 5.1.1.2 Datenschutz ........................................................................................... 14 5.1.1.3 Leitungsziele .......................................................................................... 15 5.1.1.4 BEM-Praxis fördert die Vertrauensbasis ................................................. 15 5.1.2 Interne Aufbauhelfer: Die Interessenvertretungen als Unterstützer und „Kümmerer“ .............................................................................................. 16 5.1.3 Betriebliche Strukturen bestimmen die Stabilität des BEM ............................... 18 5.1.3.1 Betriebliche Steuerungsinstrumente ....................................................... 18 5.1.3.2 Qualifizierung zum BEM ......................................................................... 19 5.1.3.3 Interne Kooperationen............................................................................ 19 5.1.4 Externe Unterstützung – nur teilweise nachgefragt .......................................... 205.2 Ergebnisse aus der Sekundäranalyse ohne Stütze aus der Befragung .......................... 21 5.2.1 Dezentrale Strukturen als Herausforderung ...................................................... 21 5.2.2 Folgen gesetzlicher Regelungen ........................................................................ 215.3 Ergebnisse, die sich nur auf die Befragung stützen ..................................................... 22 5.3.1 Gemeinsame Zielsetzung fördert die Zusammenarbeit der Akteure ................. 22 5.3.2 Einfluss auf personenbedingte Kündigungen .................................................... 22 5.3.3 Beschäftigungssicherung kein hemmender Faktor ............................................ 23

6. Gesamtschau ............................................................................................................... 246.1 Zusammenfassende Ergebnisbetrachtung ................................................................... 246.2 Schlussfolgerungen für die Zukunft des BEM in den Betrieben ................................... 26 6.2.1 Betriebliche Handlungsoptionen ....................................................................... 26 6.2.2 Überbetriebliche Veränderungsvorschläge ........................................................ 26

Page 6: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

5Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

1. Kurzgefasst • Der wissenschaftliche Teil des Projekts RE-BEM hat das Ziel, Steuerungsinstrumente für die Entwicklung des BEM in den Betrieben zu eruieren, die das BEM passgenauer und effizienter als bisher steuern.

• Diese Steuerungsinstrumente wurden mithilfe einer Sekundärstudie und einer bundes- weiten Online-Befragung ermittelt und die Ergebnisse zusammengeführt.

• Ein entscheidender Faktor für das Gelingen des BEM ist das Vertrauen der Beschäftigten in die Zielrichtung des Verfahrens. Die Vermittlung des Reha-Anliegens des BEM ist in der Aufklärungsarbeit noch nicht in breitem Umfang präsent, sodass zusätzliche Vertrauens-bildungsmaßnahmen empfohlen werden.

• Das Projekt hat für die Vertrauensbildung verschiedene ausbaufähige Maßnahmen er- mittelt, u.a. verbesserte Öffentlichkeitsarbeit, Sicherstellung des Datenschutzes, Bereit-stellung von Ressourcen durch Ausbau der Zusammenarbeit mit den Reha-Trägern.

• Wichtig für die Existenz des BEM ist, dass es „Kümmerer“ und „Anschieber“ gibt. Diese finden sich auf verschiedenen Ebenen in der Betriebshierarchie, sie sind jedoch eher zu- fällig anzutreffen. Wo es keine „Kümmerer“ gibt, läuft ein Anspruch von Beschäftigten auf ein ordnungsgemäßes BEM immer noch in einer Reihe von Betrieben ins Leere.

• In der Vergangenheit gewonnene Erfahrungen im Strukturaufbau z.B. eines Gesundheits- oder Qualitätsmanagements unterstützen den Aufbau einer funktionierenden BEM-Struk-tur. Kleinere Betriebe ohne diese Erfahrungen können sich einzelne Angebote der Sozial-leistungsträger zunutze machen.

• Eine Betriebs-/Dienstvereinbarung stützt die BEM-Struktur. Dies gilt insbesondere dann, wenn darin Essentials, wie beschäftigtengerechte Zielsetzung, Zuständigkeitenregelung und Ressourcen auch Platz finden.

• Durch die Zuordnung des BEM in das Schwerbehindertenrecht des SGB IX tritt hinsicht-lich des Aufbaus einer BEM-Struktur in den Betrieben eine Zuständigkeitslücke bei den Sozialversicherungsträgern auf, die es zu schließen gilt. Nach den Ergebnissen der Studien bietet sich an, die BEM-Struktur in die Arbeitsschutzregularien einzureihen. Die hierauf bezogene betriebliche Mitbestimmung könnte dann ihre strukturstützende Rolle besser ausfüllen als bisher.

• Auch Tarifvereinbarungen, z.B. zur Demografie, könnten die Qualität des BEM stärken, indem sie BEM-Maßnahmen, die noch finanziell von den Beschäftigten abgefedert werden müssen, in ihren Leistungskatalog aufnehmen.

Page 7: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

7Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND6 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

2. Der ProjektauftragDas im § 84 SGB IX verortete Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist nach zwölf-jähriger Laufzeit in den Betrieben noch nicht so etabliert, wie es der Gesetzgeber intendiert hatte. Während die Eingliederung der Beschäftigten in Großbetrieben relativ stabil organi-siert wird, hängen die Klein- und Mittelbetriebe mit der formellen Einführung eines BEM noch zurück. Die Etablierung eines verlässlichen Präventions- und Nachsorgesystems, wie es das BEM darstellt, ist jedoch für Menschen mit Schwerbehinderung von besonderer Bedeutung. Dieses aktuelle Manko lässt sich durch verschiedene Barrieren erklären, aber auch durch noch nicht ausreichend in die Betriebspraxis eingeführte Unterstützungswege.

Das Projekt „Unterstützende Ressourcen für das Betriebliche Eingliederungsmanagement“ – kurz RE-BEM – hat sich zum Ziel gesetzt, die Entwicklung des BEM in den Betrieben passge-nauer und damit effizienter als es in der Vergangenheit möglich war, zu steuern und damit den Betrieben mehr Sicherheit bei der Umsetzung des gesetzlichen Auftrags zu geben. Dahinter steht die Absicht, sowohl den gesetzlich verankerten Gedanken des Arbeitsplatzer-halts bei Krankheit wie auch übergreifend den Inklusionsgedanken der UN-Behinderten-rechtskonvention zu stärken.

Für eine Nachjustierung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements zugunsten einer verlässlichen Präventionskultur insbesondere für Menschen mit Behinderung war es sinnvoll, zunächst eine Bestandsaufnahme der Integration des BEM in das betriebliche Geschehen vorzunehmen. Die Umsetzungserfahrungen aus Projekten und Studien der vergangenen Jahre sollten dabei in diese Bestandsaufnahme einfließen.

Die Ermittlung der Steuerungsmaßnahmen sollte deshalb im Rahmen einer quantitativen, bundesweiten und branchenübergreifenden Online-Befragung und zeitlich parallel dazu einer Auswertung von bereits gewonnenen Ergebnissen aus bisherigen Studien und Projekten erfolgen (Bausteine 1 und 2).

Handlungsleitend für die Bearbeitung beider Bausteine sollte aufgrund der bisherigen Umsetzungserfahrungen folgendes Erkenntnisinteresse sein:

1. Welches Wissen ist in den Betrieben zum BEM vorhanden? In welcher Einführungs-/Umsetzungsphase befinden sich die Betriebe?

2. Welche Korrelationen der Akteure im Betrieb bzw. welche gegensätzlichen Interessen befördern oder behindern eine Entwicklung hin zu einer guten BEM-Qualität? Gibt es hier charakteristische Einwirkungen der Schwerbehindertenvertretung und der anderen betrieblichen Interessenvertretungsorgane, die regelhafte Wirkungen auf Einrichtung und Durchführung eines BEM haben?

3. Welchen Einfluss haben Betriebsalter, Größe und Branche der Betriebe sowie das Belegschaftsalter auf Entstehung und Entwicklung des BEM? Lassen sich hier, auch gesetzlich verankerte, förderliche oder hemmende Faktoren ausmachen?

4. Gibt es unabhängig von der Größe der Betriebe Unternehmensstrukturen mit entsprechenden Interessenvertretungsformen, die hemmend oder förderlich sind, z.B. durch die Zersplitterung der Betriebe oder -im Gegensatz- in Unternehmen mit paritätischen Aufsichtsräten?

5. Wie wirkt die Ausbreitung besonderer Beschäftigungsformen (Leiharbeit, Befristung, Werkvertrag) in den Betrieben auf die Entwicklung von BEM?

6. Gibt es konkrete Faktoren, wie z.B. ein bestehendes Gesundheitsmanagement, eine demografieorientierte Personalplanung, langjährige Betriebszugehörigkeiten oder die bei Beschäftigten mit Schwerbehinderung über den gesetzlichen Kündigungsschutz hinausgehende Beschäftigungssicherung, die ein wirksames BEM befördern oder eher hindern, z.B. Widerstand seitens der Beschäftigten in Betrieben mit einem hohen Altersdurchschnitt?

7. Tragen bestimmte Ausgestaltungsmerkmale eines BEM, wie z.B. eine klare Prozess-struktur mit Betriebsvereinbarung und Datenschutzregelungen oder eine ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit zum Thema, zur Akzeptanz in der Belegschaft bei? Spielen bestehende Inklusionsvereinbarungen eine Rolle und wenn ja welche?

8. Konnten zunächst für unvermeidbar gehaltene krankheitsbedingte Kündigungen durch die Durchführung eines BEM tatsächlich abgewendet werden? Welche Faktoren spielten in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle?

9. Gibt es Personengruppen, mit denen ein BEM besser gelingt als bei anderen? Was wären dann die förderlichen Aspekte? Spielt hier die Schwerbehinderung eine beachtliche Rolle?

10. Wie wirken die Sozialversicherungsträger und der Markt rund um das BEM auf die Entstehung und Qualität des BEM in den Betrieben ein, wie und mit welchem Erfolg tragen die verschiedenen Träger aktiv zur Verbreitung bei?

Welche Qualitätskriterien am Markt haben tatsächlich positiven Einfluss auf das BEM im Betrieb?

Baustein 1: Online-Befragung

Auswertung der Ergebnisse und Überführung in mögliche Handlungsoptionen

Baustein 3: Praxisphase Konkretisierung der Handlungsoptionen in Zusammenarbeit

mit Unternehmen

Baustein 2: Sekundärforschung

Page 8: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

9Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND8 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

Mit der Befragung (Baustein 1) wurde unmittelbar nach Projektbeginn das Institut für Per- sonalentwicklung und Coaching, ipeco, beauftragt. Der Baustein 2, die Sekundärforschung, wurde projektintern durchgeführt und durch eine Interviewphase bisheriger Studien-/Projekt-forscher erweitert. Ein Projektbeirat stand dem Projekt im Verlauf der Durchführung beider Bausteine fachlich zur Seite. Die Ergebnisse der Projektbausteine wurden bis Ende 2016 fertiggestellt. Nachfolgend wird eine Zusammenfassung der Einzelergebnisse eine Gesamt-schau des aktuellen BEM-Geschehens in den Betrieben liefern und Handlungsoptionen aufzeigen.

3. Die zwei Studien

3.1 Die SekundäranalyseBereits vor Beginn des Projekts RE-BEM hat es eine Reihe von Studien und Projekten zum Thema BEM gegeben, die – auf die Projektfragestellungen bezogen – umfangreiche Erkennt- nisse erbracht hatten. Dieses Wissen sollte in einer Studie zusammengefasst werden, um den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand und mögliche Entwicklungen seit Beginn des BEM zu erfassen.

In die Sekundärstudie eingegangen sind vier empirische Studien aus den Jahren 2008 - 2014, die sowohl eine Online-Befragung, eine umfangreiche Telefonbefragung und verschie-dene Expert_inneninterviews unterschiedlicher Akteur_innen des BEM umfassten (vgl. Sek., S. 07 f). Die Mehrheit der Studien bezog sich auf kleinere und mittlere Unternehmen. Neben den Studien wurden ausgewählte, für die Fragestellungen des Projekts RE-BEM relevante, Praxisprojekte, Fallstudien und verschriftlichte Praxisfälle aus den Jahren 2007 - 2014 her- angezogen, die die Ergebnisse aus den Studien auf eine breitere Basis stellen und um Zusatz-informationen ergänzen sollten.

Im Nachgang der ersten Ergebniszusammenstellung wurden mit einzelnen Autor_innen der untersuchten Studien und Projekte Expert_inneninterviews geführt, um das bereits gewonnene Bild, bezogen auf die Projektfragestellungen, ergänzen und abrunden zu können.

Die Sekundärstudie wurde im ersten Projektjahr, parallel zur Online-Befragung, erstellt. Sie konnte Ende 2016 abgeschlossen werden. Die Ergebnisse (siehe Teil 2) sind Bestandteil dieser Zusammenfassung.

3.2 Die Online-BefragungDie Online-Befragung stellt, neben der auf die Erkenntnisse der Vergangenheit bezogenen Sekundärstudie, die zweite Säule der wissenschaftlichen Erkenntnisse dar. Sie beleuchtet den aktuellen Stand des BEM in den Betrieben - bezogen auf die Projektfragestellungen.

Der Fragebogen wurde speziell für diese Befragung erstellt. Er enthielt, je nach Stand des BEM im Betrieb, zwischen 18 und 58 Fragen, die durchgängig oder mit einer Wiederauf- nahmeoption versehen, beantwortet werden konnten. Die Befragung war so strukturiert, dass sich drei Auswertungsgruppen ergaben:

• Befragte, die das BEM nicht anwenden, • Befragte, die sich in der Planung des BEM befinden (Planer), • Befragte, die das BEM anwenden (Praktiker).

Die Online-Befragung wurde in der Zeit vom 1.2.2016 - 31.7.2016 partiell-öffentlich durch-geführt, das heißt, jeder, der die Einstiegsseite bem.zensus.de kannte, konnte teilnehmen. Die Befragung ist aus dem Projekt auf unterschiedlichen Wegen (u.a. Mailing, Newsletter, Pressearbeit, direkte Ansprache von Multiplikator_innen) beworben worden. Es wurde darauf Wert gelegt, dass möglichst ein breites Spektrum der betrieblichen Akteure im BEM erreicht wird. Dies gilt für die Betriebsgröße, die Funktion im Betrieb, die Branche und auch das Bundesland des Betriebs. Dennoch konnte das Spektrum an Befragten nicht in der gewünschten Pluralität erreicht werden. Insbesondere in den Bereichen Betriebsgröße und Funktionsbereiche blieben die Gruppen recht homogen. Es überwiegen bei den Teilnehmen-den sowohl die Betriebe größer 500, wie auch die Interessenvertretungen deutlich. Dies ist bei den gewonnenen Ergebnissen zu berücksichtigen, wenngleich durch Einzelauswertun-gen auch unterschiedliche Parameter berücksichtigt wurden.

Eine weitere Einschränkung ergibt sich aus den Fragestellungen, die teilweise eine Einschät-zung der Befragten über Einstellungen von Dritten abfragten. Die Antworten auf diese Fragen stellen dann lediglich eine subjektive Sichtweise der Befragten dar.

Insgesamt wurden von 2.151 Teilnehmenden verwertbare Antworten in die Auswertung einbezogen. Die Auswertung wurde am 31.12.2016 abgeschlossen (siehe Teil 3). Sie ist Bestandteil der vorliegenden Zusammenfassung der Ergebnisse.

Page 9: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

11Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND10 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

4. Rechtsentwicklungen, die durch die Projektergebnisse nicht erfasst wurdenSeit Projektbeginn gab es vielfältige Rechtsänderungen und Initiativen mit indirekten Auswirkungen auf das BEM-Geschehen in den Betrieben, die wegen ihrer Aktualität nicht oder nur marginal in die Studienergebnisse einfließen konnten. Diese neuen Einfluss-faktoren sollen an dieser Stelle im Rahmen eines Überblicks dargestellt werden.

Zunächst sei das unmittelbar vor Projektbeginn am 25.7.2015 in Kraft getretene, richtungs-weisende Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsförderung und der Prävention (PrävG) genannt, welches mit verschiedenen nachfolgenden Gesetzes- und Verordnungsinitiativen aus dem Themenspektrum „präventive Arbeitsgestaltung“, „Teilhabe von Menschen mit Behinderung“ und „Flexibilisierung des Rentenübergangs“ in Verbindung steht oder diese angeschoben hat.

4.1 Präventive ArbeitsgestaltungDas PrävG fördert die zielgerichtete Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure in Fragen der Gesundheitsförderung und Prävention. Am 19.2.2016 hat die Nationale Präventionskon-ferenz (NPK) erstmals bundeseinheitliche, trägerübergreifende Bundesrahmenempfehlungen zur Gesundheitsförderung in Lebenswelten und Betrieben verabschiedet, in der „gesund aufwachsen“, „gesund leben und arbeiten“ und „gesund im Alter“ als gemeinsame Ziele definiert und entsprechende Handlungsfelder, jeweilige Beiträge der Sozialversicherungs- träger und konkrete Maßnahmen vereinbart wurden. Die Krankenkassen werden künftig deutlich mehr Mittel für Prävention und Gesundheitsförderung in den Betrieben aufwenden.

Inzwischen haben die Deutsche Rentenversicherung Bund und Deutsche Gesetzliche Un- fallversicherung eine konkrete Zusammenarbeit bei der Unterstützung der Betriebe zum BEM vereinbart, die auch auf die Bereiche Prävention und Gesundheitsförderung erweitert werden kann.

Gemäß dem PrävG ist außerdem vorgesehen, bei Gesundheitsuntersuchungen stärker die individuellen Belastungen und Risikofaktoren in Augenschein zu nehmen und den Ärzt_innen die Möglichkeit zu geben, auch Präventionsempfehlungen auszustellen.

An die Regelungen des PrävG knüpft das Flexirentengesetz mit seinen Neuregelungen zur Stärkung von Prävention und Rehabilitation im Erwerbsleben an, die auch Bestandteil der nationalen Präventionsstrategie sind. Die im SGB VI verankerten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben werden danach um Präventions- und Nachsorgeleistungen erweitert. Präventionsleistungen sind zu erbringen, wenn Versicherte erste gesundheitliche Beeinträch- tigungen aufweisen, die die ausgeübte Beschäftigung gefährden. Nachsorgeleistungen werden erbracht, wenn sie erforderlich sind, um den Erfolg der vorangegangenen Leistung zur Teilhabe abzusichern. Die Leistungen sind als gesetzliche Pflichtleistungen ausgestaltet, die bei Vorliegen der Voraussetzungen unabhängig von der Haushaltslage zwingend zu erbringen sind.

Geändert wurde Ende 2016 auch die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV). Künftig müs- sen danach auch psychische Belastungen bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden. Dies wurde zwar bereits im Jahr 2013 grundsätzlich im Arbeitsschutzgesetz und auch der nachgelagerten DGUV Vorschrift 1 vorgeschrieben. Für Arbeitsstätten wird es jetzt mit der ArbStättV konkretisiert und betrifft z.B. Belastungen und Beeinträchtigungen der Beschäftigten durch störende Geräusche oder Lärm, ungeeignete Beleuchtung oder ergonomische Mängel am Arbeitsplatz.

Hinsichtlich des Präventionsgedankens unterstützend kann die mit dem GKV-Versorgungs-stärkungsgesetz neu in das SGB V eingefügte Regelung des § 44 Abs. 4 SGB V wirken. Danach haben Versicherte Anspruch auf individuelle Beratung und Hilfestellung durch die Krankenkasse, wenn Leistungen und unterstützende Angebote zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit erforderlich sind. Die Inanspruchnahme ist freiwillig und eine Ablehnung hat keine leistungsrechtlichen Konsequenzen.

4.2 Teilhabe von Menschen mit BehinderungRegelungen zur Teilhabe von Menschen mit Behinderung haben direkten Einfluss auf die Wiedereingliederung von BEM-Berechtigten, die aus diesem Personenkreis kommen oder infolge ihrer Krankheit hineinwachsen.

Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) verpflichtet die Träger von Reha-Maßnahmen, frühzeitig drohende Behinderungen zu erkennen, gezielt Prävention noch vor Eintritt der Rehabilita-tion zu ermöglichen und die Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Zur Unterstützung dieser gesetz- lichen Pflicht wird der Bund auf fünf Jahre befristete Modellvorhaben mit den Jobcentern und der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von rund 200 Mio. Euro fördern.

Ein weiterer wichtiger Bestandteil des BTHG sind die Änderungen bei der Regelung zur Inklusionsvereinbarung aus § 83 SGB IX. Bei Differenzen zwischen den Betriebsparteien hinsichtlich bestimmter Inklusionsziele erhält das Integrationsamt – und damit eine externe Instanz – die Aufgabe, als Moderator vermittelnd tätig zu werden und auf eine Einigung hinzuwirken. Es gibt also zwischen Interessenvertretungen und Arbeitgeber nach wie vor keinen Einigungszwang wie er in der Mitbestimmung des Betriebsrats vorgesehen ist, den-noch bleibt die Differenz nicht mehr wie bisher ohne jede Konsequenz. Zudem „ist die gleichberechtigte Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben bei der Gestatung von Arbeitsprozessen und Rahmenbedingungen von Anfang an zu berücksich- tigen.“ In einer ergänzenden Reglung wurde klargestellt, dass zukünftig Kündigungen von Schwerbehinderten und Gleichgestellten ohne Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung unwirksam sind. Die Verletzung des bestehenden Unterrichtungs- und Anhörungsrechts der Schwerbehindertenvertretung ist für den Arbeitgeber nun nicht mehr ohne rechtliche Folgen. Nicht zuletzt verbessert das BTHG auch die Arbeitsfähigkeit der Schwerbehinderten-vertretungen durch günstigere Vertretungs-, Freistellungs- und Schulungsregelungen.

Page 10: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

13Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND12 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

Die novellierte ArbStättV greift die in § 3a Abs. 2 der alten Fassung bereits festgeschriebene Gestaltung der Arbeitsstätte im Hinblick auf die besonderen Belange der Beschäftigten mit Behinderungen auf. Sie ergänzt die Regelung auf die barrierefreie Gestaltung von Arbeits-plätzen, Sanitär-, Pausen- und Bereitschaftsräumen, Kantinen, Erste-Hilfe-Räumen und Unterkünften sowie den zugehörigen Türen, Verkehrswegen, Fluchtwegen, Notausgängen, Treppen und Orientierungssystemen, die von den Beschäftigten mit Behinderungen benutzt werden.

4.3 Flexibilisierung der RentenübergängeLetztlich beeinflussen auch die Regelungen aus dem Flexirentengesetz den Hintergrund der BEM-Aktivitäten. Denn eine schwerwiegende, chronische Erkrankung kann in die Erwerbs-minderung führen oder bei entsprechendem Alter Beschäftigte in die vorgezogene Rente treiben. Ein Szenario, welches mit der Durchführung des BEM möglichst vermieden werden soll. Dennoch mag man in den BEM-Gesprächen dazu kommen, dass in Einzelfällen eine gute ausgestaltete Teilrente mit Hinzuverdienstmöglichkeit eine akzeptable oder zumindest bessere Lösung ist als ein Übergang in eine vorgezogene Vollrente, die mit erheblichen Abschlägen behaftet ist.

Die neue Flexirente verbessert die bisher sehr starre Kombination von Teilrente und Hinzu-verdienstmöglichkeit, die in der Vergangenheit nur für Wenige eine Übergangslösung dar- stellte. Sie ist mit einem abgewandelten Berechnungsmodus auch bei Bezug einer Erwerbs-minderungsrente möglich und ergänzt die aus dem Rentenpaket von 2014 neu geregelten und verbesserten Zurechnungszeiten.

4.4 Aktuelle Rechtsdiskussion zum GesundheitsschutzIm Rahmen des Dialogprozesses Arbeiten 4.0 sind in einem Weißbuch die daraus resultie-renden Schlussfolgerungen zu verschiedenen Gestaltungsfeldern der Arbeit vorwiegend, aber nicht ausschließlich, zum Schwerpunkt der „digitalen Agenda“ zusammengetragen worden. Beschrieben werden in einem gesonderten Kapitel auch Ansätze für den Arbeits-schutz 4.0. Hier werden insbesondere die Verschiebung der physischen zu den überwiegend psychischen Belastungen und das Erfordernis einer nachhaltigen Präventionspolitik auf allen Ebenen des Gesundheitsschutzes hervorgehoben. Da dem Erhalt der individuellen Beschäf- tigungsfähigkeit eine herausragende Bedeutung zukomme, sei es ein möglicher Ansatz, Anreize für Betriebe zu entwickeln, die in den Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit und Gesundheit investieren. Denn diese Betriebe investierten nicht nur in ihre eigene Wettbe-werbsfähigkeit, sondern entlasteten auch die sozialen Sicherungssysteme und damit auch andere Arbeitgeber.

4.5 Mitbestimmung beim BEMMit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 13.3.2012 war festgestellt worden, dass es für einzelne Teile einer BEM-Betriebsvereinbarung ein Mitbestimmungs-recht gibt und zwar bei allgemeinen Verfahrensfragen, in Bezug auf die Nutzung und Verar-beitung von Gesundheitsdaten und hinsichtlich der Ausgestaltung des Gesundheitsschutzes (§ 87 Abs.1 Nrn. 1,6,7 BetrVG). Diesen Grundsatz hat das BAG mit seiner Entscheidung vom 22.3.2016 für bestimmte, in einer vorgelegten Betriebsvereinbarung verankerten Regelungen, konkretisiert. Nachfolgende Sachverhalte sind nicht mitbestimmungspflichtig:

• Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, sämtliche betriebsangehörige Arbeitnehmer_innen über das BEM zu informieren,

• Die Bildung eines Integrationsteams mit der Aufgabe der abschließenden „Klärung von Möglichkeiten“ und weiteren, in der streitigen Betriebsvereinbarung aufgelisteten Aufgaben,

• Bestimmungen, die die Umsetzung des Verfahrens betreffen, • Ein Anwesenheitsrecht eines Vertreters des Betriebsrats beim Erstgespräch, • Eine Unterrichtung des/der BEM-Berechtigten, dass von der Beteiligung des Betriebsrats abgesehen werden kann.

Diese aktuelle Entscheidung bedeutet jedoch nicht, dass bestehende Vereinbarungen mit entsprechenden Regelungen rechtswidrig wären oder in dieser Form nicht hätten abge-schlossen werden dürfen. Die Möglichkeit, freiwillige Vereinbarungen mit den genannten Inhalten abzuschließen, bestand und besteht nach wie vor.

5. Ergebnisse Beide Studien enthalten eine Fülle von Erkenntnissen zum BEM in den Betrieben. Viele dieser Ergebnisse können als Anhaltspunkte dienen, wenn die Frage im Raum steht, wie es andere machen. In diese Zusammenfassung sind nur diejenigen Ergebnisse eingegangen, die das BEM qualitativ oder in seiner Verbreitung markant beeinflussen. Weitere Ergebnisse, z.B. zu Anzahl und Zusammensetzung der Mitglieder im BEM-Team, Durchschnittsalter der Beschäf- tigten oder Boni und Prämien sind den einzelnen Studien zu entnehmen.

Nachfolgend wird hinsichtlich der Befragungsergebnisse auf die Aussagen der BEM-Praktiker abgestellt, es sei denn, das besondere Verhältnis von Planung und Praxis wird thematisiert. Hierbei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Befragung um eine Querschnitts-analyse handelt, die Praktiker also nicht aus der Gruppe der Planer hervorgegangen sind. Die Zuordnung der Teilnehmenden zu einer dieser Gruppen spielt in verschiedenen Auswer-tungsvarianten eine Rolle. Als Funktionsgruppen waren abgefragt: Schwerbehinderten- vertrauensperson, Personalverantwortliche_r, Mitglied des Betriebs-/Personalrats bzw. der Mitarbeitervertretung, Geschäfts-/Unternehmensleitung, Führungskraft, Betriebsarzt/-ärztin, BEM-Koordinator/-Koordinatorin.

Page 11: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

15Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND14 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

5.1 Ergebnisse, die sich auf beide Studien stützen

5.1.1 „Nicht über uns ohne uns“ – Die Beschäftigten im Mittelpunkt des BEM

Dreh- und Angelpunkt des BEM-Verfahrens sind die BEM-Berechtigten. Grundlegend ist da- her deren Bereitschaft, in ein ergebnisoffenes BEM-Verfahren einzusteigen. In den bisherigen Studien und Projekten wurde betriebsgrößenübergreifend das Vertrauen der Beschäftigten, dass ihnen im BEM-Verfahren geholfen werden soll, als ein Schlüsselfaktor für ein gelingen-des BEM genannt. „Grundsätzlich kann BEM nicht ohne einen vertrauensvollen und wert-schätzenden Umgang funktionieren“ (Friemelt im Interview, vgl. Sek., S. 20).

Die Befragungsteilnehmenden konstatierten jedoch, dass in der Planungsphase die Beschäftig-ten dem BEM im Verhältnis zu anderen Funktionsgruppen relativ kritisch gegenüberstanden. Hier vermerkten diejenigen, bei denen bereits ein BEM existiert, ein deutlich größeres Anfangs- misstrauen, als es bei den heutigen Planern vorzufinden ist (37,9 % Praktiker, vgl. Befr., S. 50, versus 27,6% Planer, vgl. Befr., S. 20). Diese Differenz mag an der in den vergangenen Jahren gestiegenen Etablierung des BEM in den Betrieben liegen. Hinzu kommt, dass das BEM inzwi-schen auch in der allgemeinen Presse als positives Instrument bekannt gemacht wurde und die heutigen Planer im Gegensatz zu den Planern aus den früheren Jahren zumindest in Teilen der Belegschaft auf ein Grundwissen zum BEM aufbauen können.

5.1.1.1 betriebsinterne ÖffentlichkeitsarbeitAber wie sieht es mit der betriebsinternen Öffentlichkeitsarbeit zum BEM aus? Die Informa-tionsvermittlung an die Beschäftigten ist gemäß der Sekundärstudie ein deutlicher Erfolgs-faktor, der mit dem Abschluss eines leistungsgerechten Einsatzes nach dem BEM-Verfahren korrespondiert (vgl. Sek., S. 10). Unsere Befragung hat ergeben, dass in der Teilnehmenden- Gruppe, die aktuell die Einführung des BEM planen, überwiegend in Betriebs-/Belegschafts-versammlungen über die Planungen informiert wurde (44,7%). Allerdings gaben auch immer-hin 22,3% an, dass keinerlei Information der Belegschaft vorgesehen sei (Befr.1). Dies wird ein nicht zu vernachlässigender Grund sein, auf dem die oben beschriebene Zurückhaltung einer Teilbelegschaft bei der BEM-Einführung fußt.

5.1.1.2 DatenschutzAls weiterer wichtiger Aspekt für die Zustimmung der Belegschaft wird in den bisherigen Studien und Projekten durchgängig die Gewährleistung des Datenschutzes und die entspre-chende Information der BEM-Berechtigten genannt. Die aktuelle Befragung zeigt jedoch, trotz eindeutiger Rechtslage, noch einige Lücken auf. Auf die Frage, welche Instrumente zum BEM-Datenschutz genutzt werden, wird der verschließbare Schrank/Raum für BEM- Akten mit 60,6% am häufigsten genannt. Die Vernichtung der BEM-Akte regeln dagegen gerade 43,8% (vgl. Befr., S. 86). Auch die weiteren Instrumente Datenschutzerklärung, Regelungen zur Schweigepflichtentbindung und Verschwiegenheitsverpflichtung der

1 Nur als untergeordnetes Ergebnis verfügbar, daher im Abschlussbericht nicht im Detail ausgewiesen

BEM-Verantwortlichen gehören eigentlich in den regelhaften BEM-Prozess, sind jedoch nur in rund der Hälfte der Betriebe festgeschrieben. Ein rechtlich relevanter Fehler, der auch die Zustimmung der Belegschaft beeinträchtigt.

5.1.1.3 LeitungszieleVertrauensfördernd kann für die Beschäftigten die Frage sein, welche Intentionen die Leitung mit dem BEM-Prozess verfolgt. Stehen die Interessen der BEM-Berechtigten im Vordergrund oder wieweit werden sie berücksichtigt?

Die Befragung gibt Antwort auf die verfolgten Ziele. Innerhalb der untersuchten Funktions-gruppen wurden keine signifikanten Abweichungen festgestellt. An erster und zweiter Stelle standen mit deutlichem Abstand zu anderen Nennungen der Einfluss auf die Fehlzeitenent-wicklung (63,6%) und die Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften (60,0%, vgl. Befr., S. 41). Beide Ziele haben einen hohen betrieblichen Wert. Eher weiche Ziele, wie der Erhalt von Arbeitsplätzen (47,9%) und ein besseres, angstfreies Betriebsklima (25,5%), die für Beschäf- tigte im Vordergrund stehen, lagen dagegen trotz der Möglichkeit der Mehrfachnennung eher auf den hinteren Plätzen.

Die Befragung hat aber auch verschiedene, von Beschäftigten befürchtete, Auswirkungen des BEM abgefragt, u.a. erleichterte Kündigungen oder BEM als Fehlzeitengespräch (vgl. Befr., S. 41). Selbst in dieser Auswertung waren sich die verschiedenen Funktionsträger relativ einig. Auch wenn Betriebs-/Personalräte mit dem Höchstwert von 13,1% und die Geschäftsleitungen mit dem niedrigsten Wert von 7,1% von erleichterten Kündigungen aus- gingen, lässt sich deutlich erkennen, dass der BEM-Prozess in seiner Intention Beschäftigung zu sichern, auf breiter Basis umgesetzt wird. Etwas stärker hervor tritt die Auswirkung „Nutzung des BEM als Fehlzeitengespräch mit Sanktionscharakter“. Die Interessenvertre-tungen erkennen diese – Misstrauens bildende – Auswirkung mit 20,3% der Stimmen, die Unternehmensleitungen mit 10,7%.

5.1.1.4 BEM-Praxis fördert die VertrauensbasisWie bereits unter 5.1.1 ausgeführt, standen in der Gruppe der jetzt bereits aktiven BEM- Betriebe vor Einführung des BEM 37,9% der Beschäftigten dem BEM eher kritisch gegen-über. In der gleichen Gruppe wurde nach der aktuellen Akzeptanz der Beschäftigten, auf- geschlüsselt nach Altersgruppen, gefragt (vgl. Befr., S. 80). Lediglich die unter 30-Jährigen konstatierten eine vergleichbar niedrige Akzeptanz wie vor der BEM-Einführung (negativ 38,7%), die sich – mit Ausnahme der Betriebsgröße 5 - 50 Beschäftigte – über alle Betriebs-größen hinweg zeigt. Alle anderen Altersgruppen sehen das BEM weit positiver als noch vor der Einführung (31 - 50 Jahre negativ 22,1%, 51 - 65 Jahre negativ 24,1%). Die Zahlen können mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeit so interpretiert werden, dass Beschäftigte das BEM zu schätzen lernen, sobald sie damit Erfahrungen sammeln. Zu berücksichtigen ist bei dieser Interpretation, dass die Mehrheit der Teilnehmenden der Befragung selbst dem BEM positiv gegenüberstehen (76,8% sehr positiv oder positiv) und im Wesentlichen in der Vergangenheit gute Erfahrungen mit diesem Instrument gemacht haben (vgl. Befr., S. 77). Dieser aus der Befragung erkennbare Vertrauensgewinn in der Belegschaft wird gestützt durch die voran gegangenen Studien und Projekte, die von vergleichbaren Veränderungen

Page 12: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

17Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND16 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

berichten. So sagt bereits Niehaus, dass die Bekanntmachung positiv verlaufender BEM- Fälle im Betrieb für die Zustimmung Betroffener förderlich ist und das Vertrauen zum Arbeit-geber gewonnen werden kann (vgl. Sek., S. 20).

Wenn positive BEM-Erfahrungen im Betrieb eine so hohe vertrauensfördernde Wirkung haben, können die bisherigen Schwerpunkte bei den durchgeführten Maßnahmen im BEM-Verfahren hierfür eine gewichtige Rolle spielen. An der Spitze liegen mit 61,0% der angewandten Maßnahmen die Arbeitsplatzgestaltung, gefolgt von technischen Hilfsmitteln mit 59,2%. Eher dauerhaft kostenträchtige und aufwendige Maßnahmen, wie z.B. Minder-leistungsausgleich (22,5%) oder Umschulung/Qualifizierung (24,5%) stehen hinter den Einmalleistungen deutlich zurück (vgl. Befr., S. 74). Damit werden die grundsätzlichen Möglichkeiten im BEM-Verfahren noch nicht vollumfänglich genutzt. Diese Leistungen verstärkt in Betracht zu ziehen und auch offensiv anzubieten, könnte, jedenfalls wenn die Kosten nicht von den BEM-Berechtigten aufzuwenden sind, zu einem weiteren Vertrauens-schub führen.

5.1.2 Interne Aufbauhelfer: Die Interessenvertretungen als Unterstützer und „Kümmerer“

Anders als die noch nicht vollends überzeugte Belegschaft steht die betriebliche Interessen-vertretung in hohem Maße hinter dem BEM, was nicht zuletzt bereits an der weit über-durchschnittlichen Beteiligung an der Befragung (41,8% Mitglied BR/PR/MAV, 34,9% SBV, Mehrfachnennungen möglich (vgl. Befr., S. 10) deutlich wird. Auch im Rahmen der Beant-wortung der Frage nach der Unterstützung bei den BEM-Planungen (vgl. Befr., S. 51), traten die Beschäftigtenvertretungen als herausragende Unterstützer_innen hervor (Interessenver-tretung rund 60%, SBV rund 47%). Anders ist dies nur in den Kleinbetrieben, was sich aber zumindest teilweise durch die geringere Zahl an Interessenvertretungen in der Betriebs-größe unter 100 Beschäftigte erklärt. Hier treten dann Führungskräfte und Geschäftsleitun-gen als Motor des BEM-Prozesses hervor (vgl. Befr., S. 52).

Die Sekundäranalyse hat erbracht, dass es für das Gelingen des BEM über Betriebsgrößen und Branchen hinweg zusätzlich zu den Unterstützern besonderer „Kümmerer“ bedarf, die feste Ansprechpartner sind und erlahmende Prozesse immer wieder anstoßen und in Gang halten (vgl. Sek., S.22). Dieses seien zumeist einzelne Vertreter der oben bereits genannten Unterstützergruppen.

Die Befragung enthielt keine dezidierte Fragestellung entlang dieser Erkenntnis. Jedoch tre- ten die besonderen Kontakte und Kenntnisse der Interessenvertretungen im Rahmen der BEM-Ein-/und Durchführung deutlich hervor, was einen Rückschluss auf die treibende Kraft der Interessenvertretungen im BEM zulässt. Auf die Frage, durch wen erstmalig von den Möglichkeiten des BEM gehört wurde (vgl. Befr., S. 33), standen die Interessenvertretungen mit Abstand an erster Stelle (43 %), gefolgt von den Gewerkschaften (33,4%) und den Inte-grationsämtern (21,2%), die eine wichtige Anlaufstelle für Schwerbehindertenvertretungen sind. Hier dürfte jedoch ein deutlicher Bias durch die Funktionsverteilung der Befragungsteil-nehmenden vorliegen. Eine Unterauswertung der Fragestellung – bezogen allein auf die

Antworten der Geschäftsleitungen – ergab ein anderes Bild (vgl. Befr., S. 35). Hier waren die Berufsgenossenschaften mit 52,6% die Erstgenannten, gefolgt von der Fachpresse (36,8%) und dann den Interessenvertretungen (21,1%). Arbeitgeberverband und Gewerk-schaften lagen bei den Geschäftsführungen mit 15,8% gleichauf. Bei der Durchführung des BEM werden von allen Befragten insbesondere die Integrationsämter als externe Unter-stützer (48,9%) (vgl. Befr., S. 36) genannt, die die Schwerbehindertenvertretungen regel-haft unterstützen und daher in dieser Zusammenarbeit „eingeübt“ sind. Fällt die Koopera-tion Integrationsamt- SBV – insbesondere als Betriebsgrößeneffekt sichtbar – weg, wird deutlich weniger externe Hilfe in Anspruch genommen (Betriebsgröße bis 50 Beschäftigte: Integrationsamt nur noch 28,9% Hilfestellung, keine Hilfe 28,9% (vgl. Befr., S. 36), im Gegensatz zum Durchschnitt: keine Hilfe 13,0%).

Die Sekundäranalyse gibt den Hinweis, dass Betriebsvereinbarungen als fördernde Faktoren im Sinne der Strukturierung und Verlässlichkeit wirken. Die Befragung von Niehaus u.a. aus dem Jahr 2008 hatte außerdem ergeben, dass nach gelungenen BEM-Verfahren häufiger Betriebs- und Dienstvereinbarungen abgeschlossen worden waren (vgl. Sek., S. 13). Die aktuelle Befragung ergibt hierzu folgenden Sachstand: Von Betrieben, die noch in der Einführung des BEM sind, wollen 65,2% eine Betriebs-/Dienstvereinbarung abschließen oder haben dies schon getan (11,4%). 5% wollen keine Vereinbarung abschließen und 18,4% sind noch unentschieden (vgl. Befr., S. 27). Betriebe, in denen ein BEM bereits etab-liert ist, haben zu 76,9% eine Betriebs-/Dienstvereinbarung abgeschlossen oder bereiten diese aktuell vor (4,6%). 15,9% haben sich gegen eine Vereinbarung entschieden. Unent-schieden sind nur noch 2,6% (vgl. Befr., S. 69). Aus diesen Zahlen lässt sich erkennen, dass die Befürwortung einer Vereinbarung im Vorfeld zumeist tatsächlich zu entsprechenden Vereinbarungen im Prozessverlauf führt, die zunächst Unentschiedenen jedoch nur gering- fügig eine Entscheidung pro Betriebs-/ Dienstvereinbarung fällen. Die Zahl derer, die sich gegen eine Vereinbarung entschieden haben, liegt bei den Betrieben unter 200 Beschäftig-ten mit 34,4% auf dem Höchststand.

Die letztlich getroffene Entscheidung gegen eine Betriebs-Dienstvereinbarung mag aus dem in der Sekundäranalyse beschriebenen „Grundmisstrauen der Arbeitnehmervertretun-gen in den Abschluss von Betriebsvereinbarungen“ herrühren (vgl. Sek., S. 21) Betrachtet man jedoch die Regelungsthemen der abgeschlossenen Vereinbarungen, so lässt sich erken-nen, dass die deklaratorischen und Verfahrensregeln, wie Zielsetzung, Geltungsbereich, Umsetzung, BEM-Team mit leichten Abweichungen über die Betriebsgrößen hinweg offen-sichtlich einigungsfähiger waren als den Einzelprozess beeinflussende Fragen z.B. der Maßnahmenfinanzierung, der Qualifizierung der BEM-Zuständigen oder der Zielerreichung (vgl. Befr., S. 70 ff), die in deutlich weniger Vereinbarungen geregelt wurden. Die Maßnah-men könnten für manche Beschäftigtenvertretungen so wichtig sein, dass ihnen ohne diese Regelungen eine Vereinbarung nicht sinnvoll erschien.

Page 13: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

19Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND18 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

5.1.3 Betriebliche Strukturen bestimmen die Stabilität des BEM

5.1.3.1 Betriebliche SteuerungsinstrumenteDeutlich hervorgehoben wird in der Sekundäranalyse, dass ein bereits bestehendes Gesund-heitsmanagement die BEM-Ein-/und Durchführung erleichtert, sowohl was das Vertrauen der Beschäftigten anbelangt, wie auch die strukturelle Einbindung des BEM-Verfahrens in die bereits existierenden Geschäftsabläufe (vgl. Sek., S. 21). In Kleinst- und Kleinbetrieben waren zum Teil betriebsgrößenangepasste Strukturen (persönliche Gespräche, Befragungen zu den Arbeitsbedingungen) zu finden, die sich bei der Einführung des BEM-Verfahrens ähnlich positiv auswirkten (vgl. Sek., S.30).

Die Befragung liefert Zahlen, die den Zusammenhang von bereits bestehendem Gesund-heitsmanagement und begünstigter BEM-Einführung bestätigen. In der Gruppe der BEM-Praktiker verfügen mit 79,5% der Teilnehmenden über ein Betriebliches Gesundheitsma-nagement. Diejenigen, die sich noch in der Planungsphase befinden, können dagegen nur zu 44,9% auf ein Betriebliches Gesundheitsmanagement zurückgreifen (vgl. Befr., S. 62). Und wer kein BEM hat und dieses auch nicht plant, hat auch nur zu 21,3% ein Betriebliches Gesundheitsmanagement (Befr.2). In den letztgenannten Betrieben wird sichtbar, dass dasThema Mitarbeitergesundheit dort bisher keinen Stellenwert im Betriebsalltag hat. Dabei ist ein gewisser Betriebsgrößeneffekt ab 200 Beschäftigte sichtbar. Während unterhalb dieser Betriebsgröße die BEM-Praktiker zu ca. 56% über ein BGM verfügen, steigt dieser Wert von 66,7% (200 bis 500 Beschäftigte) auf 83,7% bei den größeren Betrieben (vgl. Befr., S. 63). Dieser Betriebsgrößeneffekt wird auch in der Sekundäranalyse konstatiert (vgl. Sek., S. 23).

Aber auch das Vorhandensein weiterer betrieblicher Steuerungsinstrumente weist eine entsprechende Abstufung bei der BEM-Einführung auf (vgl. Befr., S. 26, 62), so z.B. haben eine Integrationsvereinbarung: BEM-Praktiker 58,2%, Planer 27,4%, kein BEM 13,3% (Befr.3), Qualitätsmanagementsysteme: BEM-Praktiker 85,8%, Planer 82,6%, kein BEM 62,1%, Gefährdungsbeurteilung psychische Belastungen: BEM-Praktiker 62,6% Planer 40,4%, kein BEM 24,9%, demografische Vereinbarungen: BEM-Praktiker 22,4%, Planer 9,2%, kein BEM 4,7%.

Selbst die in der Sekundäranalyse als besonders hinderlich identifizierten Krankenrück-kehrgespräche (vgl. Sek., S. 22) weisen einen entsprechenden Effekt auf: so haben die BEM-Praktiker zu 72,9% nach wie vor entsprechende Gespräche installiert, bei den Planern haben 64,1% noch Krankenrückkehrgespräche und bei den Betrieben ohne BEM werden zu 41,5% Krankenrückkehrgespräche geführt. Diese Daten erlauben in ihrer Gesamtheit betrachtet den Rückschluss, dass Betriebe, die bereits andere komplexe Systeme in ihren Betrieb integriert haben, auch die Installation des BEM-Verfahrens mit weniger Hemm-schwellen angehen. Dies bedeutet für kleinere Betriebe, die größenbedingt über weniger strukturgebende Ressourcen verfügen, eine zusätzliche Herausforderung.

2 siehe Fußnote 13 siehe Fußnote 1

5.1.3.2 Qualifizierung zum BEMAuch die Qualifizierung der betrieblichen BEM-Verantwortlichen kann stabilisierend wirken. Denn nur mit entsprechendem Hintergrund wissen die Akteure, was sie zu tun haben, so Giesert (vgl. Sek., S 23). In welchem Maße entsprechende Schulungen geplant und durch- geführt werden, lässt sich der Befragung entnehmen. Hier antworteten die in der Planung des BEM befindlichen Befragungs-Teilnehmenden zu 30%, die BEM-Planenden seien bereits geschult worden, in 44,7% der Fälle sollte die Schulung noch stattfinden. Aber immerhin 25,3% sahen keine Schulungsnotwendigkeit (vgl. Befr., S. 28). Wenn das BEM bereits etabliert war, waren die BEM-Verantwortlichen zu 67,5% bereits geschult worden und weitere 8,7% sollten noch eine Schulung erhalten. Tatsächlich arbeiteten 23,8% der BEM- Verantwortlichen ohne entsprechende Schulung (vgl. Befr., S. 75). Es kann also davon ausgegangen werden, dass diejenigen, die in der Planungsphase geschult werden sollen, diese Schulung auch tatsächlich erhalten. Dennoch ist davon auszugehen, dass ca. ¼ der BEM-Verantwortlichen diese Aufgabe ohne Qualifikation ausüben. Dies trifft offenbar ins- besondere die Kleinstbetriebe. Aus dieser Gruppe erklärten die Befragungsteilnehmenden zu 38%, dass Schulungen nicht ausreichend zur Verfügung stünden. In den Großbetrieben über 500 Beschäftigte äußerten sich nur 12,2% in entsprechender Weise (Befr.4). Betriebs-/Dienstvereinbarungen zum BEM regeln dieses Thema (25,9% der Antworten) eher selten (vgl. Befr., S. 70). Letzteres Ergebnis ist jedoch mit Vorsicht zu betrachten, da es nicht auszuschließen ist, dass es in den Betrieben übergreifende Qualifizierungs-Vereinbarungen gibt, die auch die BEM-Qualifizierung beinhalten. Dennoch zeigen die Ergebnisse, dass Schulungsnotwendigkeiten nicht immer die Priorität genießen, wie sie im BEM-Verfahren erforderlich sind. Nicht ausreichende Qualifikation beeinträchtigt sowohl die strukturellen Abläufe, aber auch z.B. den Datenschutz, die besondere Gesprächskompetenz oder die externen Unterstützungsleistungen.

5.1.3.3 Interne KooperationenAls weiterer interner Stabilisator des BEM-Verfahrens kann die reibungslose Zusammenar-beit der verschiedenen Funktionsgruppen im Betrieb wirken. Aus der Sekundäranalyse ist bekannt, dass die Klärung der Rollen der Beteiligten im Prozess eine sinnvolle Maßnahme sein kann, um die Zusammenarbeit abzusichern. Rollenkonflikte und auch Konkurrenzen z.B. zwischen Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung hingegen wurden als hindernde Faktoren genannt (vgl. Sek., S. 24). Die Befragung hat zu dieser Thematik ein Bild überwie-gend konstruktiver Zusammenarbeit aller Akteure hervorgebracht (vgl. Befr., S. 53). Am kritischsten scheint die Zusammenarbeit mit den Führungskräften zu sein, wenngleich auch hier die Werte insgesamt im positiven Bereich liegen. Dagegen wird die Zusammenarbeit der Funktionsträger mit der Schwerbehindertenvertretung und der betrieblichen Interessen-vertretung am positivsten beurteilt wird (sehr positiv/positiv 71% bzw. 69,2%). Als Bias bei diesen Werten zu berücksichtigen ist allerdings die bereits thematisierte Zusammensetzung der Befragungsteilnehmenden.

4 siehe Fußnote 1

Page 14: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

21Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND20 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

Mögliche Konfliktquellen werden von den unterschiedlichen Funktionsgruppen sehr unter-schiedlich wahrgenommen (Befr.5). Während im BEM-Team die unflexiblen Entscheidungs-strukturen als erste Störungsquelle genannt wird (52,4%), sehen Betriebsräte und Führungskräfte den schlechten Kommunikationsfluss an erster Stelle (56,4% bzw. 46,2%). Die Unternehmensleitungen hingegen beklagen zuerst den hohen Verwaltungsaufwand (46,2%). Die in der Sekundäranalyse genannten uneindeutigen Zuständigkeiten im Sinne eines Rollenklärungsbedarfs (vgl. Sek., S. 23) werden insbesondere von Führungskräften und Unternehmensleitungen nur nachrangig als Konfliktquelle ausgemacht (21,2%) bzw. 7,7%). In der Funktion BEM-Team und Betriebsrat steht diese Konfliktquelle mit rund 36% an dritter Stelle (Befr.6).

5.1.4 Externe Unterstützung – nur teilweise nachgefragt

Um ein BEM bestmöglich durchzuführen, kann es sinnvoll sein, externe Hilfen in Anspruch zu nehmen. Aus Belegschaftssicht werden gemäß der Sekundärstudie gute Unterstützungs-leistungen und die Kooperation der Reha-Träger und Integrationsämter hervorgehoben. Auch den Berufsgenossenschaften wird ein intensiver Betriebsbezug und fachliche Kom- petenz bescheinigt (vgl. Sek., S. 14). In der aktuellen Befragung gaben die Teilnehmenden den Integrationsämtern mit deutlichem Abstand den Vorzug, wenn externe Hilfe benötigt wurde. So hatten 48,9% der Befragten von dort bereits Hilfe erhalten. Es folgten IHK/Hand-werkskammer (27,4%), Rechtsanwälte (26,7%) und Berufsgenossenschaften (25,5%). Keinerlei externe Hilfe in Anspruch genommen hatten 13% der Befragten (vgl. Befr., S. 36).

Ein deutlich zurückhaltenderes Bild zeichnet sich bei den Kleinst- und Kleinbetrieben ab (vgl. Befr., S. 37). In der Gruppe der Betriebe bis 50 Beschäftigte hatten bisher 28,9% der Befragten keine Hilfe in Anspruch genommen, ausgeweitet auf die Gruppe der Betriebe bis 199 Beschäftigte waren es immerhin noch 19,9%. Nach den gleichfalls führenden Integra-tionsämtern folgen als externe Unterstützer die freiberuflichen Unternehmensberater. Es steht zu vermuten, dass es hier bereits bestehende Beraterkontakte oder auch Empfehlun-gen gibt, die für die BEM-Verfahren genutzt werden. Offensichtlich bleiben dadurch aber konkrete Hilfeleistungen wie die Inanspruchnahme von Fördermitteln unzugänglich. Haben insgesamt 29% der Befragten noch keine Fördermittel für die BEM-Verfahren in Anspruch genommen, so sind es bei den Kleinstbetrieben 75,8%, die keine Fördermittel genutzt haben (vgl. Befr., S. 38). Meistgenannte Fördergeber waren dort mit jeweils 9,1% Inte- grationsamt (alle 42,4%) und Rentenversicherer (alle 31,5%) (vgl. Befr., S. 38).

Die in der Sekundäranalyse erkannten Qualitäten der Berufsgenossenschaften und Reha-Träger (vgl. Sek., S. 14) kommen offensichtlich nicht in gleichem Maße in den kleineren wie in den größeren Unternehmen an. Angesichts der deutlich geringeren internen Ressourcen der Kleinbetriebe wäre es wichtig, die Gründe für diesen Missmatch zu eruieren, um dort die BEM-Durchführung zumindest in gleichem Maße zu unterstützen. Einen ersten Hinweis für die Gründe der Zurückhaltung der Kleinbetriebe kann die Sekundäranalyse liefern. Dort werden aus dieser Betriebsgröße Akzeptanzprobleme gegenüber externer Beratung ebenso

5 siehe Fußnote 16 siehe Fußnote 1

genannt wie eine Einschätzung, es gäbe kein Erfordernis hierfür. Berufsgenossenschaften würden zudem teilweise eher als kontrollierender Zeigefinger denn als helfende Hand wahr-genommen (vgl. Sek., S. 15). Die Kleinbetriebe wünschen sich vorrangig eine Unterstützung vom selben Partner: kostenfrei, neutral und mit Bezug zum Thema Reha (vgl. Sek., S. 16).

5.2 Ergebnisse aus der Sekundäranalyse ohne Stütze aus der Befragung5.2.1 Dezentrale Strukturen als Herausforderung

Die Sekundäranalyse gibt einen Hinweis, dass es zu – insbesondere terminlichen – Proble-men kommt, sobald das BEM-Verfahren aus der Unternehmenszentrale geleitet wird und die Durchführung ebenfalls der zentralen Personalabteilung obliegt, die dann mit den ört- lichen Betriebsräten Gespräche führt. Eine solche Konstruktion führe zu erheblichen Reise- tätigkeiten der zentralen BEM-Verantwortlichen und zu BEM-Verfahren „wie Fließband- arbeit“ (vgl. Sek., S. 24). Offensichtlich trat in dieser Konstruktion die durch viele Verfahren gewonnene Erfahrung hinter die als schwierig empfundene Organisation zurück. Die Be- fragung konnte zu dieser Erkenntnis kein valides Ergebnis hervorbringen, weil zwar die Unternehmensorganisation aber nicht die genannte Organisation der BEM-Verfahren über Betriebsgrenzen hinweg abgefragt wurde.

5.2.2 Folgen gesetzlicher Regelungen

Die Sekundäranalyse hat verschiedene gesetzlich verankerte Vorgaben aufgelistet, die in unterschiedlicher Weise direkt oder indirekt auf das BEM einwirken. Beispielhaft sei hier genannt der Krankenkassenwettbewerb. Hier führten die unterschiedlichen Angebote und Ansprechpartner dazu, dass sich in Betrieben mit einem breiten Krankenkassenspektrum keine Routine im Wissen um die jeweiligen Angebote einstellen können (vgl., Sek., S. 16). Die Folgen der genannten Regelung wären eine unterschiedliche Inanspruchnahme der Leistungen der Krankenkassen bezogen auf die Breite der Krankenkassenträger in den Betrieben. Die Befragung zeigt zwar, dass die Hilfsangebote (3,6%) und die Inanspruch-nahme von Fördermitteln der Krankenkassen (12,1%) im Verhältnis zu anderen Trägern eher nachrangig angenommen werden (vgl., Befr., S. 36, 38). Die Gründe für diese Enthaltung der Betriebe wurden in der Befragung jedoch nicht erfasst.

Hinzu kämen verschiedene Regelungen für Kleinbetriebe, die das Interesse an einer Wieder-eingliederung von BEM-Berechtigten mindern könnten (Kündigungsschutz, Entgeltfortzah-lung nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz, Schwerbehindertenquote) (vgl., Sek., S. 17). In der Betriebsgröße bis 50 Beschäftigte waren weniger Teilnehmende an der Befragung zu verzeichnen als in anderen Betriebsgrößen (vgl., Befr., S. 10). Ob die oben genannten gesetz- lichen Rahmenbedingungen entscheidend für die bisherige weitgehende Enthaltsamkeit sind, ist aus der Teilnahmebereitschaft an der Befragung nicht zu schließen.

Page 15: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

23Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND22 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

5.3 Ergebnisse, die sich nur auf die Befragung stützen5.3.1 Gemeinsame Zielsetzung fördert die Zusammenarbeit der Akteure

Die relativ gleichgelagerte Zielsetzung der BEM-Akteure (vgl. 5.1.1.3) ist in dieser Form in bisherigen Studien nicht thematisiert worden. Sie kann die bereits ausgeführte gute interne Kooperation der Akteure (vgl. 5.1.3.3) und die weitgehend positive Sicht der Teilnehmenden auf das BEM-Verfahren (76,8% sehr positiv oder positiv (vgl., Befr., S. 40) erklären. Die Klärung der Zielsetzung des BEM-Verfahrens kann daher ein wichtiger Ansatzpunkt für die Verbesserung nicht optimal verlaufender BEM-Restrukturierungen sein.

5.3.2 Einfluss auf personenbedingte Kündigungen

Die Befragung wollte auch zu klären versuchen, ob durch BEM-Verfahren Kündigungen vermieden werden können. Eine konkrete Antwort auf die Frage der Kündigungsvermeidung lässt sich jedoch nur in jedem Einzelfall beurteilen und auch nur dann, wenn vor Eintritt in das BEM-Verfahren die Kündigungsabsicht artikuliert wurde. Dennoch lässt sich ein Trend erkennen, dass Beschäftigte nach den BEM-Verfahren weiterhin im Unternehmen beschäf-tigt blieben (vgl., Befr., S. 84). Je nach Unternehmensgröße konnten in Kleinstbetrieben bis 50 Beschäftigte zu 59,4% alle Beschäftigte und – nach Betriebsgröße absinkend – in Betrie-ben ab 501 Beschäftigte zu 33,3% alle Beschäftigte gehalten werden. Eine überwiegende Weiterbeschäftigung konstatierten in den Betrieben ab 501 Beschäftigte 63% der Befragten und absinkend in den Kleinstbetrieben bis 50 Beschäftigte 31,3%. Insgesamt konnten also in mehr als 90% der Unternehmen die BEM-Teilnehmenden zumindest überwiegend in ihren Unternehmen gehalten werden. Die gegenläufigen prozentualen Entwicklungen hinsichtlich der vollständigen oder überwiegenden Weiterbeschäftigung erklären sich vermutlich aus der mit Betriebsgröße steigenden Zahl der BEM-Verfahren. Mit der Größe des Unterneh-mens steigt dann auch die Wahrscheinlichkeit, dass im Einzelfall ein Verfahren nicht zum Erfolg führt.

Dies trifft nicht in gleichem Maße auf ältere Beschäftigte zu. Auf die Frage, ob das Verfah-ren dazu beiträgt, dass ältere Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt bleiben, hielten dies nur 15% für alle Fälle als gegeben und 57,3% vermuteten, dass dies meistens der Fall sei (vgl. Befr., S. 84). Offensichtlich ist für diese Altersgruppe das Vertrauen in ein erfolg- reiches BEM-Verfahren geringer als für andere Altersgruppen. Auffällig sind jedoch die negativeren Einschätzungen der größeren Unternehmen. Dies mag auch daran liegen, dass dort häufiger mit betrieblichen Abfindungs- oder Altersregelungen der Weg in den Ruhe-stand geebnet und das BEM auf diese Weise beendet wird.

5.3.3 Beschäftigungssicherung kein hemmender Faktor

Zwei Beschäftigtengruppen verfügen üblicherweise über einen besseren Kündigungsschutz als der Belegschaftsschnitt. Dies sind zum einen die älteren Beschäftigten, die in der Regel aufgrund der Beschäftigungsdauer über einen gesicherteren Status verfügen, der in einig- en Branchen tariflich auf ein Kündigungsverbot für ab 55-Jährige angehoben wurde. Zum anderen haben Menschen mit einer Schwerbehinderung und ihnen Gleichgestellte einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser besondere Schutz könnte das Interesse der Beschäf-tigten an einem BEM-Verfahren mindern.

Für diese These wurden in den Befragungsergebnissen jedoch keine Anhaltspunkte ge- funden. Die derart gesicherten Beschäftigten weisen eher Anzeichen auf, die ein größeres Interesse am BEM-Verfahren vermuten lassen, als es in der Gesamtbelegschaft zu finden ist. Die Frage nach der Akzeptanz des BEM in verschiedenen Altersklassen ergab bei den BEM-Praktikern, dass es zwar eine durchweg hohe Zustimmung gibt (vgl. Befr., S. 80), davon die Beschäftigten unter 30 Jahren die geringste und die Älteren die höchste Zustim-mungsrate haben (bis 30 Jahre 24,3%, 31 - 50 Jahre 33,9%, 51 - 65 Jahre 44,6% sehr posi-tiv oder positiv). Bei den Beschäftigten über 50 Jahre steigt jedoch auch die deutlich vernehmbare Skepsis gegenüber der mittleren Gruppe leicht (4,5% zu 6% negativ oder sehr negativ), wobei die negativeren Werte in den Betriebsgrößen 200 - 500 Beschäftigte und 501 und mehr Beschäftigte zu finden sind. Diese Skepsis korrespondiert mit der prog-nostizierten geringeren Erfolgswahrscheinlichkeit eines BEM für ältere Beschäftigte (vgl. 5.3.2). In den kleineren Betrieben sehen die Älteren das BEM positiver. Ein Branchenergeb-nis liegt aufgrund der geringen Teilnehmendenzahlen in einzelnen Branchen leider nicht vor.

Ist ein BEM-Verfahren im Betrieb etabliert, wird zu gut 50% auch die Schwerbehinderten-quote erfüllt, wohingegen in Betrieben ohne BEM und entsprechende Planungen in nur 22,2% der Betriebe die Quote erfüllt wird (vgl. Befr., S. 55, 22). Die Frage nach der Akzep-tanz des BEM wurde nur den BEM-Praktikern gestellt. Aufgrund der deutlich günstigeren Quotenerfüllung kann in den dortigen Betrieben von einer generellen Bereitschaft, Men- schen mit Schwerbehinderung (weiter) zu beschäftigen, ausgegangen werden. Die Akzep-tanz wird bei Menschen mit Schwerbehinderung und Gleichgestellten mit 86,9% positiver Akzeptanz im Verhältnis zu den oben genannten Altersgruppen deutlich höher eingeschätzt (vgl. Befr., S. 79). Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Werte der Langzeiter-krankten, die, obwohl in vielen Fällen nicht weit von der Schwerbehinderung entfernt, mit 76,2% Akzeptanz beachtliche Abweichungen zu den Schwerbehinderten aufweisen (vgl. Befr., S. 79).

Page 16: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

25Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND24 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

6. Gesamtschau

6.1 Zusammenfassende ErgebnisbetrachtungDas BEM ist inzwischen als Thema in einem wachsenden Teil der Betriebe angekommen. Die Mehrheit der aktiven BEM-Akteure betrachtet das BEM als positives Instrument und begleitet es konstruktiv. In der großen Mehrheit der Betriebe wird das BEM als Instrument zur Prävention und Rehabilitation genutzt und nicht, wie in der Öffentlichkeit befürchtet oder in Einzelfällen erlebt, zur Vorbereitung einer Kündigung. Sofern es in der Planungs-phase noch Zurückhaltungen einzelner betrieblicher Funktionsträger gibt, werden diese im praktischen Erleben des BEM-Verfahrens deutlich abgebaut.

Das BEM ist ein Instrument, welches die langzeit- oder mehrfacherkrankten Beschäftigten bei der Weiterbeschäftigung unterstützen soll. Insoweit kann ein BEM nur gelingen, wenn die Beschäftigten hinter diesem Instrument stehen und ihm vertrauen können. Dieses Vertrauen ist in der Breite der Betriebe noch ausbaufähig und kann durch verschiedene Maßnahmen gefördert werden, die in der bisherigen Betriebspraxis noch nicht überall den nötigen Stellenwert eingeräumt bekommen haben. Entsprechende Maßnahmen im Betrieb sind:

• Öffentlichkeitsarbeit zum Thema BEM • Förderung von Kommunikation über Erfolge • Bei der Zielsetzung die Beschäftigteninteressen im Auge behalten • Das breite Spektrum der möglichen Maßnahmen im BEM-Verfahren ausschöpfen • Notwendige innerbetriebliche Ressourcen und Strukturen bereithalten, um damit die BEM-Umsetzung sicherzustellen

• Sicherung des Datenschutzes • Negative Auswirkungen für BEM-Berechtigte vermeiden (keine Fehlzeitengespräche mit Sanktionscharakter)

• Externe Impulse zulassen

Die genannten Maßnahmen ermöglichen es, den Beschäftigten den Charakter des BEM als Hilfeleistung näher zu bringen und ihnen die Sorge vor Sanktionen wegen krankheitsbeding-ter Fehlzeiten zu nehmen. Damit ist ein wesentlicher Grundstein für die im BEM-Prozess erforderliche Vertrauensbildung gelegt.

Wichtig für das Gelingen des BEM-Aufbaus sind „BEM-Anstoßer“, „Kümmerer“ und Unter-stützer. Diese Schlüsselpersonen sind je nach Betriebsgröße – eher vom Zufall abhängig – in unterschiedlichen Funktionen im Betrieb oder außerhalb oder manchmal auch gar nicht zu finden. Angesichts eines gesetzlich formulierten BEM-Anspruchs von Beschäftigten im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses, darf die Durchsetzung dieses Anspruchs aber nicht vom zufällig vorhandenen Engagement einzelner Personen abhängen. Hier bedarf es einer Nach-besserung, die die Funktion eines BEM-Teams oder einer Fallmanager_in sichert.

Eines der Strukturelemente, die das BEM stützen, ist eine Betriebs-/Dienstvereinbarung zum BEM. Ca. 3/4 der Befragungsteilnehmenden mit einem bestehenden BEM im Betrieb gaben an, bereits eine Vereinbarung abgeschlossen zu haben. Bisher überwiegen in diesen Verein-barungen die deklaratorischen und organisatorischen Regelungen, während Regelungen, die den Einzelprozess qualitativ stützen könnten, eher seltener vereinbart wurden. Diese Regelungen erfordern häufig zeitliche oder finanzielle Ressourcen, die jedoch offensichtlich zwischen den Parteien nicht einigungsfähig waren. Damit sinkt für die Beschäftigten die Verlässlichkeit, ein qualitativ hochwertiges BEM-Verfahren angeboten zu bekommen.

In Betrieben, die in Gesundheitsfragen bereits gut aufgestellt sind oder die bereits andere Strukturelemente im Betrieb installiert haben, fällt die Einführung des BEM leichter. Diese strukturgebenden Elemente sind jedoch eher in größeren Betrieben anzutreffen, die über ein Personal- und Organisationsmanagement verfügen. Kleinst- und Kleinbetriebe haben zwar verschiedene betriebsgrößenangepasste Lösungen zum Gesundheitsmanagement etabliert, die jedoch bei dem komplexen Thema des BEM nur ansatzweise greifen. Für diese Betriebsgrößen sind externe strukturelle Hilfeleistungen erforderlich – die allerdings auch von den Kleinst- und Kleinbetrieben als erforderlich erkannt werden müssten. Bisher haben die meisten Geschäftsleitungen über die Berufsgenossenschaft erstmalig vom BEM gehört. Ihnen wird ein intensiver Betriebsbezug und fachliche Kompetenz bescheinigt, wenngleich sie in kleineren Betrieben zuweilen als kontrollierender Zeigefinger wahrgenommen werden.

Die Qualifikation der BEM-Akteure ist ein wichtiges Thema, welches betriebsgrößenüber-greifend, aber verstärkt in den kleineren Betrieben, nicht als notwendiges Qualitätskriterium wahrgenommen wird. Diese Einschätzung sollte angesichts der Komplexität der Aufgaben der BEM-Akteure überdacht werden. Gerade in Kleinbetrieben wird sich eher keine Routine in der Praxis der BEM-Verfahren entwickeln, denn die Einzelverfahren werden die Ausnahme im Betriebsalltag bleiben. Dennoch haben die BEM-Berechtigten einen Anspruch auf ein bestmögliches BEM-Verfahren, damit sie ihre Arbeitsleistung nach Krankheitsphasen wieder erbringen können.

Bei der Durchführung der BEM-Verfahren wurden Integrationsämtern und Reha-Trägern gute Unterstützungsleistungen bescheinigt. Die Integrationsämter wurden über Betriebs- größen hinweg als erste externe Unterstützer genannt, ebenso als meistgenannte Förder- geber, in kleineren Betrieben waren sie als Fördergeber gleichauf mit den Rentenversiche-rern, wenngleich auf niedrigem Niveau.

Es gibt gesetzliche Regelungen, die entweder negativ auf das BEM-Verfahren einwirken (z.B. Krankenkassenwettbewerb) oder das Interesse an der Durchführung von BEM-Verfah-ren verringern können (z.B. Ausnahmeregelungen des Kündigungsschutzgesetzes). Ob und wieweit diese Regelungen tatsächlich auf das BEM-Verfahren Einfluss nehmen, konnte durch die Befragung nicht ermittelt werden. Die möglichen Auswirkungen sollten jedoch in einer Gesamtbetrachtung nicht aus den Augen verloren und bei Neuregelungen eine Anpassung im Sinne der BEM-Förderung vorgenommen werden.

Page 17: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

27Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND26 Teil 1 – DGB Bildungswerk BUND

6.2 Schlussfolgerungen für die Zukunft des BEM in den Betrieben6.2.1 Betriebliche Handlungsoptionen

Auf betrieblicher Ebene wird entsprechend der genannten Erkenntnisse empfohlen, die Interessen der Beschäftigten und hier insbesondere die BEM-Berechtigten, deutlicher in den Mittelpunkt des BEM-Verfahrens zu rücken. Der im Bereich der Inklusionsbemühungen geltende Leitsatz „Nichts über mich ohne mich“ kann auch über das Einzelverfahren hinaus, beim Aufbau oder der Reorganisation der BEM-Struktur eine gute Leitschnur sein. Dies hieße auch, im Rahmen der Evaluation der Einzelverfahren ein Feedback von den BEM-Berechtig-ten zu erfragen und die Erkenntnisse zur Verbesserung der Struktur zu nutzen.

Wichtig ist eine gemeinsame Zielsetzung aller BEM-Akteure, eine klare Zuständigkeitenfor-mulierung und ausreichende, vereinbarte Ressourcen für die Aufgabenerfüllung. Diese soll-ten auch die Qualifikation der Akteure gemäß ihrer Aufgaben im BEM-Verfahren beinhalten. Wichtig für die externe Unterstützung ist, soweit es sich um BEM-Berechtigte mit Schwerbe-hinderung handelt, der Kontakt zum Integrationsamt und/-fachdienst. Dieser sollte von den Personalverantwortlichen grundsätzlich vor Ort aufgebaut und im Blick behalten werden. Als zusätzliche Unterstützung der Sozialversicherungsträger bieten sich aktuell die Deutsche Rentenversicherung mit ihrem Firmenservice und -im Aufbau begriffen- die Unfallversiche-rungsträger an.

Sofern eine Interessenvertretung im Betrieb gebildet wurde, kann eine Betriebs-/Dienst- vereinbarung strukturgebend und vertrauensfördernd wirken. Dies gilt insbesondere dann, wenn darin die oben genannten Essentials, wie beschäftigtengerechte Zielsetzung, Zustän-digkeitenregelung und Ressourcen auch Platz finden. Sinnvoll ist, in dieser Vereinbarung Möglichkeiten zu eröffnen, das Verfahren zügig anpassen zu können, sofern einzelne Rege-lungen sich als nicht gangbar herausgestellt haben.

6.2.2 Überbetriebliche Veränderungsvorschläge

Betrachtet man die drei Säulen des betrieblichen Gesundheitsmanagements Arbeitsschutz, Gesundheitsförderung und Betriebliches Eingliederungsmanagement, so stellt man fest, dass die beiden erstgenannten Säulen mit der Unfallversicherung und der Krankenversiche-rung einem konkreten Sozialversicherungsträger zugeordnet sind. Das BEM ist dagegen im Schwerbehindertenrecht angesiedelt, obwohl es nicht nur für Menschen mit Behinderung gedacht ist. Diese rechtliche Eingliederung im Teil 2 des SGB IX hat eine strukturelle Zustän-digkeitslücke zur Folge.

Die Zuständigkeit der Beratung im Rahmen des tertiärpräventiven, rehabilitationsorientier-ten Einzelverfahrens ist mit dem Bundesteilhabegesetz von den Servicestellen auf die Reha- Träger übertragen worden. Insbesondere die Deutsche Rentenversicherung ist hier gut auf- gestellt. Sie betreibt bereits aufsuchende Beratung, die weitere Reha-Fragen einschließt. Von dieser Zuständigkeitsregelung unberührt bleibt jedoch die Beratung und Überwachung

des BEM-Strukturaufbaus im Betrieb. Dies hat zur Folge, dass Beschäftigte trotz öffent-lich-rechtlicher Arbeitgeberverpflichtung keine Beschwerdestelle haben, wenn ihnen ein BEM nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten wird.

Diese Lücke könnte z.B. dadurch geschlossen werden, dass das primärpräventive, struktu-relle BEM als zwingend vorzuhaltende Arbeitsverfahrensregel in die Arbeitsschutzregularien integriert und um eine betriebsgrößenangepasste Verfahrensordnung erweitert wird. Diese Verfahrensordnung könnte qualitätssichernd wirken und würde manche Unsicherheiten ins- besondere in kleineren Betrieben verringern. Eine gemeinsame Informationsplattform der beteiligten Sozialversicherungsträger mit Best Practice Beispielen, einem guten Überblick der Reha-Leistungen und einer Anlaufstelle für Betriebe und BEM-Berechtigte würde den Wünschen und Bedarfen der Beteiligten sehr nahekommen.

Das BEM ließe sich zusätzlich stärken, wenn es in breiterer Form Eingang in Tarifverträge fände, die thematisch mit der Problematik des BEM korrelieren, wie z.B. Demografie-Tarif-verträge. Beispielhaft genannt sei hier der Tarifvertrag zur Bewältigung des demografischen Wandels im Nahverkehr, in dem für Maßnahmen infolge einer Leistungsminderung Mittel aus einem Demografiebudget zur Verfügung stehen. Auch andere bestehende Tarifverträge, die einen Aufbau eines Demografiefonds vorsehen, könnten finanzwirksame Maßnahmen des BEM, die nicht von Reha-Trägern übernommen werden, zumindest für rentennahe Beschäftigte integrieren. Dadurch könnte die Angebotspalette im BEM-Verfahren erweitert und manchem BEM-Berechtigten die Sorge vor gehaltsmindernden Lösungen genommen werden.

Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 22.3.2016 hat gezeigt: Die Mitbestimmung des Betriebsrats bei der Errichtung einer BEM-Struktur ist auf rudimentäre Bestandteile begrenzt. Wichtige präventive, qualitätssichernde und vertrauensfördernde Elemente, wie die betriebsweite Öffentlichkeitsarbeit und die Auslagerung der Durchführung des BEM- Verfahrens auf ein BEM-Team unterstehen keinem Einigungszwang, sondern beruhen auf freiwilligen Vereinbarungen der Betriebspartner. Das aus dem rechtswissenschaftlich be- gründeten BAG-Urteil durchscheinende Modell der Trennung der Klärung von Möglichkeiten (Arbeitgeber - Betriebsrat) und den BEM-Gesprächen (Arbeitgeber - BEM-Berechtigte_r) kann nach den Ergebnissen der vorliegenden sozialwissenschaftlichen Studien keinem Betrieb empfohlen werden. Eine BEM-Struktur, wie sie nach derzeitigem Recht mitbestimmt errichtet werden könnte, ist dem BEM in seiner gewollten präventiven und rehabilitativen Funktion nicht dienlich. Die oben angedeutete Integration des BEM-Systems in die Arbeits-schutzordnung würde auch eine Erweiterung der Mitbestimmung der Interessenvertretungen bedeuten.

Page 18: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

Teil 2

Ergebnisse der Sekundärstudie

Dr. Christiane Stegmann

Page 19: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

3Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND2 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

Teil 2 – Inhaltsverzeichnis1. Grundlage der Analyse: Ausgewählte Studien und Projekte ............................ 71.1 Vier zentrale Studien ................................................................................................... 71.2 Praxisprojekte, Fallstudien, Praxisfälle ........................................................................ 81.3 Expert_inneninterviews .............................................................................................. 9

2. Allgemeine fördernde und hemmende Faktoren beim BEM ................................ 112.1 Fördernde Faktoren und Ressourcen ........................................................................... 112.2 Hemmende Faktoren ................................................................................................... 11

3. Externe Unterstützung ............................................................................................ 133.1 Gemeinsame Servicestellen ......................................................................................... 133.2 Sozialversicherungsträger ........................................................................................... 143.3 Was brauchen und wünschen KMU ............................................................................ 15

4. Einflüsse gesetzlicher Faktoren ............................................................................. 164.1 Krankenkassenwettbewerb und unterschiedliche Zuständigkeiten der Sozialversicherungsträger ..................................................................................... 164.2 Kündigungsschutz ....................................................................................................... 174.3 Entgeltfortzahlung nach dem Aufwendungsausgleichgesetz ..................................... 174.4 Schwerbehindertenquote ............................................................................................ 174.5 Boni und Prämien ........................................................................................................ 184.6 Gesetzliche Regelung des BEM – § 84 (2) SGB IX ....................................................... 19 4.6.1 Fördernde Faktoren ........................................................................................... 19 4.6.2 Hemmende Faktoren ......................................................................................... 19

5. Innerbetriebliche Einflüsse ....................................................................................... 205.1 Betriebliche Öffentlichkeitsarbeit und Datenschutz .................................................... 205.2 Klare Prozessstruktur .................................................................................................. 20 5.2.1 Betriebs-/Dienstvereinbarungen ....................................................................... 20 5.2.2 Krankenrückkehrgespräche und BEM ................................................................ 22 5.2.3 Klärung der Rollen und Zuständigkeiten ........................................................... 22 5.2.3.1 Feste Ansprechpartner_innen................................................................ 22 5.2.3.2 BEM-Team ............................................................................................. 23 5.2.4 Strukturierte Prozesse der Zusammenarbeit ..................................................... 23 5.2.5 Zentrale Vorgaben und dezentrale Umsetzung ................................................. 245.3 Konflikte unter den Akteur_innen ............................................................................... 24 5.3.1 Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung ................................................. 24 5.3.2 Betriebliche Interessenvertretung untereinander .............................................. 25 5.3.3 Interessenvertretung und Geschäftsführung ..................................................... 255.4 Betriebliches Gesundheitsmanagement: Arbeits- und Gesundheitsschutz – Gesundheitsförderung – Betriebliche Eingliederung .................................................. 26

Page 20: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

5Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND4 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

AbkürzungsverzeichnisAGS Arbeits- und GesundheitsschutzBEM Betriebliches EingliederungsmanagementBGF Betriebliche GesundheitsförderungBR BetriebsratDRV Deutsche RentenversicherungKMU Kleine und mittlere UnternehmenMAV Mitarbeiter_innenvertretungSBV SchwerbehindertenvertretungSGB Sozialgesetzbuch

6. Divergierende Einflussfaktoren bei Kleinbetrieben, Mittelbetrieben und Großbetrieben ................................................................ 28

7. Resümee ...... ..................................................................................................... 297.1 Wissensvermittlung und Zugang zu den Betrieben ..................................................... 297.2 Kündigungsschutz ...................................................................................................... 317.3 Ressourcen in Unternehmen ....................................................................................... 317.4 Datenschutz .. .............................................................................................................. 32

Literatur der Sekundärstudie ........................................................................................ 33Studien ................. .............................................................................................................. 33Praxisprojekte, Fallstudien, Praxisfälle ............................................................................... 33

Fragestellungen des Projektantrages .......................................................................... 34Erkenntnisinteresse ............................................................................................................ 34

Page 21: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

7Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

1. Grundlage der Analyse: Ausgewählte Studien und ProjekteDie vergleichende Analyse zu fördernden und hemmenden Faktoren gründet auf vier empi- rischen Studien, die sich über die Jahre 2008 bis 2014 verteilen. Darüber hinaus wurden Praxisprojekte, Fallstudien und Praxisfälle zum BEM aus dem Zeitraum 2007 bis 2014 heran-gezogen, die die Ergebnisse aus den Studien validieren oder an exponierten Punkten Abwei-chungen aufzeigen sollten. Die Auswahl eröffnet so einen Blick auf mögliche Entwicklungen im Zeitverlauf sowie umfängliche Erkenntnisse aus verschiedenen Perspektiven und Praxis-bezügen. Dadurch wird es möglich ein breites Bild aus Forschung und Praxis zu generieren und spezifische Effekte und Einflüsse zu identifizieren. Bei der Auswahl der Projekte wurden auch vorangegangene Förderungen durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales mitberücksichtigt.

Zusätzlich wurden im Nachgang der ersten Ergebnisse Expert_inneninterviews mit einzel-nen Autor_innen geführt, um mögliche zusätzliche Erkenntnisse aus weiteren Studien- bzw. Arbeitszusammenhängen im Bereich des BEM aufnehmen zu können. Die im Projektantrag des Projektes RE-BEM vorgesehenen BEM-Fragestellungen wurden eins zu eins übernom-men1 und bei den persönlichen Interviews an geeigneten Stellen modifiziert und erweitert.

1.1 Vier zentrale Studien2008: Niehaus; Marfels; Vater; Magin; Werkstetter: Betriebliches Eingliederungsmanagement. Studie zur Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs.2 SGB IX. Köln

Diese empirische Befragung war bundesweit, sowie Branchen und Betriebsgrößen über- greifend angelegt. Sie gründet auf der Datenbasis einer Online-Umfrage mit ausgewerteten 630 Fragebögen (davon 11% Kleinbetriebe bis 49 Mitarbeiter_innen; 20 % Mittelbetriebe bis 249 Mitarbeiter_innen; 68 % große Unternehmen ab 250 Mitarbeiter_innen), Expert_inneninterviews sowie einer Dokumentenanalyse.

2010: Welti; Mahnke; Tauscher; Ramm; Seider; Shafael: Betriebliches Eingliederungsmanagement in Klein- und Mittelbetrieben: rechtliche Anforderungen und Voraussetzungen ihrer erfolgreichen Umsetzung. Hochschule Neubrandenburg

Die Studiengrundlage bilden hier Expert_inneninterviews mit 38 Interviewpartner_innen. Die Studie bezieht sich branchenspezifisch auf das Handwerk und betriebsgrößenspezifisch auf kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Befragt wurden BEM-Akteur_innen, vor allem aus Mecklenburg-Vorpommern.

1 Die Fragestellungen finden sich im Anhang

Page 22: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

9Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND8 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

2011: DRV Bund (Projektträger): Integratives Beratungsnetzwerk – Betriebliches Eingliederungsmanagement zum „Arbeitgeberservice Rehabilitation und betrieb liche Eingliederung für Arbeitneh-mer“, Modellprojekt

Im Zentrum stand der Aufbau des Arbeitgeberservices.

2011: Kaiser: Gesunde Arbeit. Abschlussbericht des Projektes.

In diesem Projekt stand der Ausbau regionaler Netzwerke zwischen KMUs mit Sozialleis-tungsträgern und Leistungserbringern im Fokus.

2012: Giesert; Weßling: Betriebliches Eingliederungsmanagement in Großbetrieben.

Dargelegt werden hier 4 Fallstudien.

2013: Giesert; Reiter; Reuter; Weber; Weßling; Zumbeck: Abschlussbericht Neue Wege im Betrieblichen Eingliederungsmanagement. Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit wiederherstellen, erhalten und fördern. Projektträger: DGB Bildungswerk BUND

Dargestellt werden Fallstudien in 4 Großbetrieben mit dem Fokus auf Arbeitsfähigkeits-coachings.

2014: Habib: BEM – Wiedereingliederung in kleinen und mittleren Betrieben.

Praxisleitfaden und 22 Fallbeispiele

1.3 Expert_inneninterviews28.06.2016: Schriftliche Beantwortung: Gunnar Friemelt; Deutsche Rentenversicherung Bund Grundsatzreferat Rehabilitationsrecht, Berlin

Interviewgrundlage: Erweiterte Erkenntnisse rund um das Projekt: 2011: DRV Bund (Projektträger): Integratives Beratungsnetzwerk – Betriebliches Einglie-derungsmanagement zum „Arbeitgeberservice Rehabilitation und betriebliche Eingliede-rung für Arbeitnehmer“, Modellprojekt

2012: Reusch: Wiederherstellung, Erhalt und Förderung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit langzeiterkrankter Beschäftigter – eine Analyse für Deutschland und mögliche Übertragung auf Österreich. Krems

Diese Studie beruht auf 7 Interviews mit Expert_innen in meist leitenden Positionen aus Deutschland. Die Expert_innen waren Vertreter_innen vom Bund, Sozialversicherungsträ-ger, Arbeitnehmervertretungen, Arbeitgebervertretungen, sonstige Akteure berufliche Prävention und Reha. Weiterhin wurden 7 Interviews mit Expert_innen aus Österreich, aus vergleichbaren Bereichen und Positionen, sowie 2 Interviews mit betroffenen Arbeit- nehmer_innen aus Deutschland geführt.

2014: Sczesny; Kleindorf; Droß; Jasper: Kenntnisstand von Unternehmen und Beschäftigten auf dem Gebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in KMU. Abschlussbericht. Dortmund/Berlin/Dresden

Diese empirische Erhebung gründet auf Telefonbefragungen mit 1000 Geschäftsführungen und 2000 Beschäftigten sowie 4 Fallstudien mit Unternehmen. Sie bezieht sich auf den Kenntnisstand im Arbeits- und Gesundheitsschutz in Unternehmen bis zu 49 Beschäftigten, also mithin in Kleinbetrieben. Die Studie ist für diese Unternehmensgröße repräsentativ, bundesweit und Branchen übergreifend. Der Arbeits- und Gesundheitsschutz steht in der betrieblichen Praxis in Wechselwirkung mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement, so dass aus den hier gewonnenen Erkenntnissen auch Hinweislinien für das BEM in Kleinun-ternehmen zu erwarten waren.

1.2 Praxisprojekte, Fallstudien, Praxisfälle2007: Eggerer; Kaiser: Projekt EIBE. Entwicklung und Integration eines Betrieblichen Eingliederungs- managements

Dieses Projekt wurde mit 25 Berufsförderungswerken durchgeführt. Die Berufsförderungs-werke waren mittelgroße Unternehmen. Inhaltlich wurden Interviews u.a. zu förderlichen und hinderlichen Faktoren für die Zusammenarbeit mit Mitgliedern der EIBE-Teams durch-geführt.

2009: Eggerer; Kaiser; Jastrow: EIBE II. Entwicklung und Integration eines Betrieblichen Eingliederungsmanage-ments

In diesem Anschlussprojekt an EIBE haben nunmehr die Berufsförderungswerke Telefonin-terviews mit Geschäftsführungen in KMUs u.a. zu Aktivitäten der Mitarbeiter_innengesund-heit, Konzeptentwicklung und Erkenntnistransfer durchgeführt.

Page 23: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

11Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND10 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

2. Allgemeine fördernde und hemmende Faktoren beim BEM

2.1 Fördernde Faktoren und RessourcenDie übereinstimmend fördernden Faktoren oder Ressourcen beim BEM können in folgende Kategorien eingeordnet werden:

• Vertrauenskultur • Funktionierendes Gesundheitsmanagement • Impulsgeber/Schlüsselpersonen

Die benannten Kategorien beziehen sich in ihren fördernden oder hemmenden Wirkungen zum Teil auf die Sichtweisen der unterschiedlichen Akteur_innen.

So bildet die Vertrauenskultur, insbesondere von Seiten der Beschäftigten, eine wesent- liche Basis zur Akzeptanz der BEM-Verfahren. Begünstigend auf die Vertrauensbildung wirken verschiedene Einflüsse, wie die Entwicklung von Standards, die Regelung des Daten-schutzes, Klarheit und Sicherheit des Verfahrens, Betriebsvereinbarungen, umfassende Information und Aufklärung zum BEM, sowie ein fester oder eine feste Ansprechpartner_in, die den Beschäftigten hilft – um nur einige darzulegen. Ein bereits funktionierendes Gesundheitsmanagement unterstützt sowohl die Bereit-schaft der Mitarbeiter_innen zum BEM wie auch den BEM-Prozess selbst. Das Gesundheits-management wird in den Studien und Projekten als ein sich wechselseitig unterstützender Dreiklang von ‚Arbeitsschutz/Arbeitssicherheit, Gesundheitsförderung und BEM‘ verstanden.

Impulsgeber/Schlüsselpersonen können auf innerbetrieblicher Ebene z.B. die Geschäfts-führungen bzw. Unternehmer_innen wie auch die betrieblichen Interessenvertretungen sein. Im betrieblichen Alltag sind es die „Kümmerer“, die das BEM im Betrieb entscheidend voranbringen können. Bei der Frage bestehender Handlungsspielräume kommt den eigenen betrieblichen Ressourcen sowie internen und externen Ressourcenbereitstellungen und Netzwerken eine besondere Bedeutung zu. An diesem Punkt fallen die Möglichkeiten an der Linie unter-schiedlicher Betriebsgrößen auseinander.

2.2 Hemmende FaktorenWährend in Großbetrieben einer innerbetrieblichen Ressourcenbereitbestellung für den BEM-Prozess positive Effekte zugeschrieben werden, kann für KMU insbesondere ein

27.07.2016: Persönliches Interview: Prof. Dr. jur. Felix Welti; Universität Kassel, Fachbereich Humanwissenschaften, Institut für Sozialwesen, Fachgebiet Sozial- und Gesundheitsrecht, Recht der Rehabilitation und Behinderung, Kassel

Interviewgrundlage: Erkenntnisse zu Klein- und Mittelbetrieben aus Handwerk und Pflege

2010: Welti; Mahnke; Tauscher; Ramm; Seider; Shafael: Betriebliches Eingliederungsma-nagement in Klein- und Mittelbetrieben: rechtliche Anforderungen und Voraussetzungen ihrer erfolgreichen Umsetzung. Hochschule Neubrandenburg

10.08.2016 Persönliches Interview: Marianne Giesert; IAF Institut für Arbeitsfähigkeit GmbH; Mainz

Interviewgrundlage: Erkenntnisse zu Großbetrieben

2012: Giesert; Weßling: Betriebliches Eingliederungsmanagement in Großbetrieben 2013: Giesert; Reiter; Reuter; Weber; Weßling; Zumbeck: Abschlussbericht Neue Wege im Betrieblichen Eingliederungsmanagement. Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit wiederherstellen, erhalten und fördern. Projektträger: DGB Bildungswerk BUND

25.10.2016 Telefoninterview: Dipl.-Ing. Harald Kaiser; KaiCon Consulting, München

Interviewgrundlage: Erkenntnisse zu Großbetrieben (Industriebetriebe mit i.d.R. über 500 Mitarbeiter_innen)

2007: Eggerer; Kaiser: Projekt EIBE. Entwicklung und Integration eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements 2009: Eggerer; Kaiser; Jastrow: EIBE II. Entwicklung und Integration eines Betrieblichen Eingliederungsmanagements 2011: Kaiser: Gesunde Arbeit. Abschlussbericht des Projektes

Page 24: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

13Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND12 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

3. Externe Unterstützung

3.1 Gemeinsame Servicestellen§ 84 (2) SGB IX sagt hierzu: „(...) Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die örtlichen gemeinsamen Service-stellen oder bei schwerbehinderten Beschäftigten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Abs. 2 Satz 2 erbracht werden. (...)“

Es besteht Übereinstimmung darüber, dass die im Gesetz vorgesehenen gemeinsamen Servicestellen zum einen bei den Unternehmen eher unbekannt waren oder dass sie die Ihnen zugedachten Aufgaben nicht hinreichend erfüllen konnten. Unter anderem werden Unzulänglichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit, ein eher segmentiertes Wissen und eine geringe Vernetzung mit den Reha-Trägern bemängelt.2 Neben der allgemeinen Kritik an der Beratungsqualität würden die gemeinsamen Servicestellen von den Arbeitgebern „häufig nicht wahrgenommen“ werden3. Insbesondere bei kleinen und mittleren Unter- nehmen wären sie im Grunde unbekannt.4

Das Projekt der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) hat nach eigenen Aus- sagen dazu beigetragen, dass gemeinsame Servicestellen für Reha bekannter wurden und besser in die BEM-Beratungsstrukturen eingebunden werden konnten. Die DRV hält den weiteren Aufbau des Serviceangebotes für Arbeitgeber zu den Themen „BEM und Rehabi- litation“ für den richtigen Weg. Zudem brauche es weiter unterstützende Akteur_innen für den Vernetzungsprozess.5 Das Projekt ‘Gesunde Arbeit’ zum Ausbau regionaler Netzwerke für KMU kommt unter anderem zu dem Schluss, dass die Unternehmen vorrangig eine Umsetzung vom selben Partner wollen, mithin also ein Lotsendienst, wie in dem Projekt aufgebaut, nicht die erhoffte Zustimmung finden konnte6.

Es wird eine der künftigen Herausforderungen sein, wie die Koordinierung der Aufgaben und Unterstützungsangebote von den Rehabilitationsträgern künftig angeboten und nicht zuletzt, inwieweit die Bedarfe der KMU dabei wiedergespiegelt werden können. Nach über-einstimmender Einschätzung der zugrunde gelegten Studien und Praxisprojekte besteht hier der größte Unterstützungsbedarf zum Kenntnisstand von BEM und konkreten begleitenden Unterstützungsmöglichkeiten.

Im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes wird der bisherige § 84 (2) dann in § 167 (2), weiterhin im SGB IX, geregelt.

2 Reusch, 2012, S. 53 3 DRV Bund, 2011, S. 6, 11 4 Welti u.a., 2010, S. 314 5 DRV Bund, 2011, S.4 6 Kaiser, 2011, S. III

Mangel an Ressourcen und Ausweichoptionen in Bezug auf Arbeitsplätze zu einem hemmenden Faktor werden. Weitere hemmende Faktoren sind

• Misstrauenskultur • Gesundheitsthemen mit weniger Priorität als Alltagsgeschäft • Betriebsinterne Ablauf- und Betriebsstrukturen • Wissens-/Kenntnisstand

Die Misstrauenskultur bildet, ebenso wie die Prioritätensetzung von Alltagsgeschäft gegenüber Gesundheitsthemen die jeweilig gegenüberliegende Seite zu den fördernden Aspekten ab. Hervorheben lässt sich die Befürchtung vor Arbeitsplatzverlust, die sich unter anderem durch eine angespannte betriebliche Lage, wie Personalabbau, Kurzarbeit sowie bei bestimmten Umstrukturierungsprozessen, verstärkt. Ebenfalls schwierig und eher Miss- trauen fördernd erscheint die Gleichsetzung von Krankenrückkehrgesprächen mit dem BEM. Bei den betriebsinternen Strukturen werden unklare Zuständigkeiten, der Mangel an innerbetrieblicher Kommunikation und vereinzelt schwierige Verhältnisse zwischen den Geschäftsführungen und Interessenvertretungen als BEM behindernd formuliert. Konflikte innerhalb der Interessenvertretungen und zwischen Betriebsrat und SBV werden vor allem bei Großbetrieben artikuliert. Kenntnisstand: Im Handwerk beispielsweise, so die Studie von 2010, ist BEM bei den Betriebsräten eher unbekannt. Entsprechend fallen sie auch weitgehend als maßgebliche Impulsgeber aus. In KMU sind zudem betriebliche Interessenvertretungen insgesamt weni-ger anzutreffen als in Großbetrieben. Branchen und Betriebsgrößen korrespondieren also in etlichen Segmenten miteinander, so dass bei diesen dann nicht nur das Vorhandensein von betrieblicher Interessenvertretung in KMU geringer ist sondern auch der Kenntnisstand im Vergleich mit Großbetrieben. Während BEM in Großbetrieben also weitgehend bekannt ist, liegt der größte Unterstüt-zungsbedarf bei Kleinst- und Kleinbetrieben, in denen BEM eher unbekannt ist. Seit Einfüh-rung des BEM wurden sowohl auf Branchen wie auf Betriebsgrößen bezogen gezielte Maßnahmen zur Wissenserweiterung und zur Etablierung des BEM, insbesondere auch durch vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderte Projekte, durchgeführt, deren Effekte in ihrer Gesamtheit bisher aber noch nicht quantifiziert sind. In Bezug auf externe Anbieter werden vorrangig mangelnde Informationen und Betreuung für KMU definiert. Letztere wird innerhalb der KMU als zu sehr auf Großbetriebe orientiert dargestellt. Dieses wird ebenfalls für die Aufbereitung von Informationen und Formularen so angegeben. Alles in allem fallen die Bedürfnisse von Kleinst-, Klein- und Mittelbetrieben und die Gegebenheiten der externen Unterstützungsangebote an markanten Stellen noch stark auseinander.

Page 25: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

15Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND14 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

Im Bereich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, so die Studie aus 2014 von Sczesny u.a., bestünden in Betrieben bis 49 Mitarbeiter_innen allgemein Akzeptanzprobleme gegenüber externer Beratung, letztlich sähen „2/3“ der Betriebe „keine Situation im Arbeits- und Gesundheitsschutz (…) in der eine Unterstützung durch eine/n externe/n Expert/in er- forderlich sei.“ Dennoch sind die Berufsgenossenschaften in diesem Feld erwartbar die „Ansprechpartner_innen“ für die Geschäftsführungen13. Die Berufsgenossenschaften werden dabei mitunter eher als „kontrollierende Zeigefinger“, denn als „helfende Hand“ wahrgenommen, entsprechend der Intention „nicht gegen Gesetze verstoßen“ zu wollen.14

Das Betriebliche Gesundheitsmanagement wird bereits im Projekt ‘EIBE’ als ein Zusam- menwirken von Arbeits- und Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und Betrieblichem Eingliederungsmanagement15 vorgestellt.

Folgt man der Vorstellung eines Dreiklanges so könnte als Ausblick gegebenenfalls auch den Berufsgenossenschaften, zumindest im faktischen Kontakt mit Klein- und Kleinstbetrieben, eine Rolle in der Wissensvermittlung zum BEM zukommen.

3.3 Was brauchen und wünschen KMUAllgemein lässt sich sagen, dass insbesondere kleine und mittlere Unternehmen ein „schnelles und praktikables Verfahren zum systematischen Umgang mit langzeiterkrankten Beschäftigten“16, sowie „individuelle Unterstützung im Einzelfall“ und „persönliche Ansprechpartner_innen“ wünschen.17

Die Bedarfe werden so formuliert, dass aus Sicht der Betriebe die „Dienstleistung aus einer Hand“18 erfolgen sollte. Das Projekt ‚Gesunde Arbeit‘ hatte den Ausbau regionaler Netz-werke zwischen KMU mit Sozialleistungsträgern und Leistungserbringern im Fokus und kam zu dem Schluss, dass es letztlich ein zentrales Anliegen der Betriebe ist, dass die „Umset-zung von Maßnahmen direkt vom selben Partner“ erfolgt, also über einen „Lotsendienst“ hinausgeht.19 Das Projekt ‘EIBE II’ nennt auch für die innerbetrieblichen Aufgaben, dass sich die Betriebe „Unterstützung bei der Implementierung und Durchführung eines betrieblichen Eingliederungsmanagements“ wünschten.20 Nach Welti u.a.21 wäre neben einer „einheitli-che(n) Anlaufstelle“ auch ein „Leitfaden für ein strukturiertes BEM-Verfahren“ hilfreich.

13 Sczesny u.a., 2014, S. 96, 106, 13614 Sczesny u.a., 2014, S. 23415 Eggerer u.a., 2007, S. 1316 Eggerer u.a., 2009, S. 17717 Niehaus u.a.,2008, S. 5518 Niehaus u.a., 2008, S. 5519 Kaiser, 2011, S. III20 Eggerer u.a., 2009, S. 17821 Welti u.a., 2010, S. 299

Anstelle der bisherigen gemeinsamen Servicestellen treten nun die Rehabilitationsträger:„Kommen Leistungen zur Teilhabe oder begleitende Hilfen im Arbeitsleben in Betracht, werden vom Arbeitgeber die Rehabilitationsträger oder bei schwerbehinderten Beschäftig-ten das Integrationsamt hinzugezogen. Diese wirken darauf hin, dass die erforderlichen Leistungen oder Hilfen unverzüglich beantragt und innerhalb der Frist des § 14 Absatz 2 Satz 2 erbracht werden.“

3.2 SozialversicherungsträgerWie bereits ausgeführt wurden die gesetzlich vorgesehenen gemeinsamen Servicestellen ihrer Aufgabe nur bedingt gerecht. Ein Problem bei den Unterstützungsleistungen wird von Giesert7 wie auch von Reusch8 in den nicht immer klaren Zuständigkeiten, die dann wieder hin und her geschoben würden, gesehen. Als eine erfolgreiche Form des Zusammenwirkens von Großbetrieben mit den Sozialversicherungsträgern werden von Giesert9 „Runde Tische“ wie sie bei dem Projekt „Neue Wege im BEM“ installiert wurden, angeführt. „Also die alle an den Tisch zu holen und zu sagen ‚so, wir haben jetzt ein Problem und jetzt bereden wir das gemeinsam und wer ist zuständig‘. Und das war sehr erfolgreich. Die Sozialversiche-rungsträger saßen mit am Tisch. (…) Runde Tische, das sind eben nicht nur Netze, sondern das sind konkrete Treffen. Die sind regional, vor Ort. Das ist ja das Gute. Die kennen sich dann und dann geht es auch relativ schnell.“

Aus Belegschaftssicht wird nach Reusch eine „zeitliche Verzögerung bei der Bearbeitung von Anträgen und Leistungen“ bemängelt.10 Ebenso werden aber auch „gute Unterstüt-zungsleistungen“ und Kooperationen der Reha-Träger und Integrationsämter hervorge- hoben. Die Integrationsämter mit den Integrationsfachdiensten werden als „praxisnah“ beschrieben. Sie „bieten Betrieben finanzielle, materielle und beratende Hilfe“. Allerdings zielen die Maßnahmen auf den Personenkreis der Schwerbehinderten. Auch den Berufsge-nossenschaften der gewerblichen Wirtschaft wird ein „intensiver Betriebszug“, „fachliche Kompetenz“ sowie die notwendigen „strukturelle(n) Voraussetzungen“ attestiert.11 In der Studie aus 2008 von Niehaus u.a.12 werden auf der Datenbasis von 244 Betrieben folgende Häufigkeiten bei der Inanspruchnahme von externer Unterstützung genannt:

190 Integrationsamt178 Krankenkassen145 Integrationsfachdienst126 Rentenversicherung115 Berufsgenossenschaft

7 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.2016 8 Reusch, 2012, S. 53 9 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.201610 Reusch, 2012, S.5011 Reusch, 2012, S. 47, 4812 Niehaus u.a., 2008, S. 54

Page 26: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

17Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND16 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

Als ein das BEM behindernder Faktor werden in der Studie von 201026 „Verzögerungen und Abstimmungsschwierigkeiten bei unterstützenden Sozialleistungen durch die Zuständigkei-ten der einzelnen Träger“ benannt. Hiernach wäre eine „Neuregelung“ sinnvoll, bei der die „Integrationsämter auch zur Prävention von Behinderung im Rahmen eines BEM generell tätig werden können“. Die Integrationsfachdienste seien „besonders geeignet“ bei psychi-schen Krankheiten und Suchtkrankheiten zu unterstützen.

4.2 KündigungsschutzBeschäftigte in Betrieben mit 10 oder weniger Beschäftigten sind in der Regel vom Kündi-gungsschutz ausgenommen27, ebenso Beschäftigte in der Probezeit für die ersten 6 Monate. „Damit bleibt die Nichtdurchführung des BEM kündigungsrechtlich folgenlos, wenn das Kündigungsschutzgesetz nicht gilt.“28 Das begünstige die Haltung „trifft alles auf uns nicht zu“.29 Denn, auch wenn der Arbeitgeber verpflichtet ist ein ordnungsgemäßes BEM anzubie-ten wird erst im Fall der Nichtdurchführung des BEM in einem Kündigungsschutzverfahren geprüft, ob die Kündigung durch ein ordnungsgemäßes BEM zu verhindern gewesen wäre.

4.3 Entgeltfortzahlung nach dem Aufwen-dungsausgleichgesetzDurch die Entgeltfortzahlungsversicherung, die im Aufwendungsausgleichsgesetz geregelt ist, können Betriebe mit nicht mehr als 30 Arbeitnehmer_innen ihre Aufwendungen der Entgeltfortzahlung zu 80 % erstattet bekommen. „Die Begünstigung kleiner Betriebe auf-grund der gesetzlichen Umlage“ ließe so einen „wichtigen Grund, längerfristigen Arbeits- unfähigkeiten erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken, entfallen“.30

4.4 SchwerbehindertenquoteIm Sozialgesetzbuch (SGB) Neuntes Buch (IX) - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - steht im Absatz 1 des § 7 Pflicht der Arbeitgeber zur Beschäftigung schwer- behinderter Menschen:

26 Welti u.a., 2010, S. 31427 91 % aller Unternehmen in der BRD haben weniger als 10 Beschäftigte. Ausnahmen beim Kündigungsschutz hierbei:

„Hat das Arbeitsverhältnis bereits am 31. Dezember 2003 bestanden, findet das Kündigungsschutzgesetz Anwendung,

wenn in dem Betrieb am 31. Dezember 2003 in der Regel mehr als fünf Arbeitnehmer (ausschließlich der zu ihrer Berufs-

bildung Beschäftigten) beschäftigt waren, die zum Zeitpunkt der Kündigung des Arbeitsverhältnisses noch im Betrieb

beschäftigt sind. Arbeitnehmer, die nach dem 31. Dezember 2003 neu eingestellt worden sind, werden hierbei nicht

mitgezählt.“ Aus: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a163-kuendigungsschutz.

pdf?__blob=publicationFile28 Welti u.a., 2010, S. 5829 Welti: Persönliches Interview vom 27.07.201630 Welti u.a., 2010, S. 59

Die Dienstleistungen, so wird es von betrieblicher Seite gewünscht, sollten allerdings kosten- frei zur Verfügung gestellt werden. So wird fast zwangsläufig die Frage der dauerhaften Finanzierung von Dienstleistungsangeboten, wie in diesem Fall bei erfolgten Netzwerkbil-dungen, zum Problem.

Im Projekt DRV mit dem Aufbau eines Arbeitgeberservices werden in Bezug auf Beratungsan-gebote zum BEM folgende Prämissen formuliert: sie sollten „kostenfrei“ sein, darüber hinaus aber auch „neutral“ und sie sollten auch Themen mit dem „Bezug zu Reha“ anbieten.22

Das Prinzip des „Aus der Praxis für die Praxis“ wird in der Studie zum Wissensstand beim Arbeits- und Gesundheitsschutz in Betrieben bis 49 Mitarbeiter_innen am besten bewertet.23 „Praxisnähe und Beispielhaftigkeit“ werden als die „entscheidenden Kriterien für gute Beratung“ angesehen.24

4. Einflüsse gesetzlicher Faktoren

4.1 Krankenkassenwettbewerb und unter-schiedliche Zuständigkeiten der Sozialversi-cherungsträgerEin hervorzuhebender Faktor bei der externen Unterstützung ist die Bedeutung eines bzw. einer persönlichen Ansprechpartner_in für die Unternehmen. Bezieht man das auch auf die einzelnen Sozialversicherungsträger, wie die Krankenkassen, so wurden durch den Kassen-wettbewerb nach Aussage von Welti25 „die letzten Reste dieser Strukturen“ aufgegeben. Im Handwerk sei das bislang noch weniger ein Problem. Am Beispiel der „Innungskranken-kasse mit der Selbstverwaltung“ ließe sich der Aspekt der persönlichen Ansprechpartner_innen und der Veränderungsprozess veranschaulichen: „Da sitzt ein Handwerksmeister in der Selbstverwaltung der Krankenkasse. Da weiß man, wer das ist, den kann man fragen. Aber durch Kassenwettbewerb und so wird das ja alles kaputt gemacht.“ Auf das Handwerk bezogen, gingen jedoch noch „die meisten Versicherten in die Innungskrankenkasse.“

Wohingegen sich bei einer Vielzahl unterschiedlicher Krankenkassen letztlich auch „keine Routine“ im Wissen um die Angebote der Krankenkassen „herausbilden“ könne „weil es bei jeder Krankenkasse anders ist. Das schließt dann auch betriebliche Gesundheitsförderung praktisch aus. Woher soll die kommen?“

22 DRV Bund, 2011, S. 523 Sczesny u.a., 2014, S. 924 Sczesny u.a., 2014, S. 136, 20625 Welti: Persönliches Interview vom 27.07.2016

Page 27: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

19Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND18 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

4.6 Gesetzliche Regelung des BEM – § 84 (2) SGB IX 4.6.1 Fördernde Faktoren

In Bezug auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen werden in der Studie von Reusch37 als positive und fördernde Aspekte das „Recht auf ein BEM des Einzelnen“, das „Mitgestal-tungsrecht der betrieblichen Interessenvertretungen“ sowie die „generelle Möglichkeit der Unterstützung“ durch externe Akteur_innen aufgeführt. Eine „einheitliche Definition mit Zielsetzung“ wäre darüber hinaus förderlich. In der Studie von Welti u.a.38 wird „ein strukturiertes BEM-Verfahren“ vorgeschlagen. Ein solches wäre z.B. durch einen Leitfaden, auf den „bei Bedarf“ zurückgegriffen werden könne, möglich.

4.6.2 Hemmende Faktoren

Bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen werden in der Studie von Reusch folgende Faktoren als hemmend beschrieben: „Fehlen eines verbindlichen Konzeptes“„Mangel an Qualitätsstandards“„Auslegungsbedürftiger Gesetzestext“„Rechtsunsicherheit“„Fehlende Kontrolle der Einhaltung des Gesetzes“

Zudem bestehe bei externer Unterstützung eine „Schnittstellenproblematik“ durch das gegliederte System der Sozialversicherung. 39 Darüber hinaus wird ein gewisser, mit dem BEM verbundener, „bürokratischer Akt“ als hemmend hervorgehoben.40

Bezieht man den Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz als Teil des Dreiklangs mit Gesundheitsförderung und Betrieblichem Eingliederungsmanagement ein, dann werden weitere hemmende Faktoren genannt. Beim Arbeits- und Gesundheitsschutz bestehe ein „Dschungel an Rechtsvorschriften“, ebenso passe das pragmatische Arbeitsschutzhandeln der Arbeitgeber_innen und die Formalien des Arbeitsschutzes nicht zusammen. 41

Auch habe der „Wegfall der Meisterpflicht negative Effekte auf den Kenntnisstand“ zum Arbeitsschutz. Dieses Moment kann auch in den Zusammenhang BEM und Gesundheits- prävention bzw. Gesundheitsförderung hineinwirken, wenn grundlegende Kenntnisse schon im Bereich Arbeitsschutz wegbrechen, respektive nicht mehr notwendig aufgebaut werden müssen.

37 Reusch, 2012, S. 13438 Welti u.a., 2010, S. 29939 Reusch, 2012, S. 13440 Reusch, 2012, S. 13541 Sczesny u.a., 2014, S. 21

„(1) Private und öffentliche Arbeitgeber (Arbeitgeber) mit jahresdurchschnittlich monatlich mindestens 20 Arbeitsplätzen im Sinne des § 73 haben auf wenigstens 5 Prozent der Arbeits-plätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen.“

Entsprechend gilt diese Pflichtquote nicht bei Betrieben unter 20 Beschäftigten. „Das heißt, es gibt auch insoweit keinen Anreiz jemanden zu halten nur weil er schwerbehindert ist oder wird, oder ihn einzustellen, aber eben auch nicht ihn zu halten“.31

Aber auch die Inanspruchnahme der Integrationsämter ist davon beeinflusst: „wenn man unterhalb der Schwerbehindertenquote ist, dann hat man das nicht auf dem Schirm, jeden-falls im Regelfalle hatten die Betriebe das nicht auf dem Schirm, dass sie vom Integrations-amt etwas erwarten können, weil sie damit nie Erfahrung gemacht haben.“32

4.5 Boni und Prämien§ 84 (3) SGB IX sagt hierzu:„Die Rehabilitationsträger und die Integrationsämter können Arbeitgeber, die ein betriebliches Eingliederungsmanagement einführen, durch Prämien oder einen Bonus fördern.“

In der Studie von Welti u.a. wird aufgeführt, dass Boni und Prämien im Bereich der KMU „kaum genutzt“ und eine „nachhaltige Wirkung“ zudem von Arbeitgebern bezweifelt würden. Auch könnten gerade Kleinst- und Kleinunternehmen kaum Anspruch auf Boni erwerben.33

Reusch beschreibt ebenfalls Probleme bei Boni und Prämien. Zum einen würden die Mög- lichkeiten „kaum publik gemacht“ und zum anderen seien letztlich auch die „Kriterien“ in den Betrieben „unklar“. 34 Außerdem würden diese „nur im geringen Maße vergeben“.35

Auch aus der Sicht des Projektes EIBE II wird konstatiert, dass „materiellen Anreizen in Form von Prämien und Boni ... nicht der Wert zukommt, der Ihnen in der Theorie“ und „vom Gesetzgeber beigemessen“ wird.“36

31 Welti: Persönliches Interview vom 27.07.201632 Welti: Persönliches Interview vom 27.07.201633 Welti u.a., 2010, S. 269, 271, 27334 Reusch, 2012, S. 5135 Reusch, 2012, S. 5036 Eggerer u.a., 2009, S. 178

Page 28: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

21Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND20 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

Betriebsvereinbarungen werden bei den Projekten ‚EIBE‘ und ‚EIBE II‘ als Vertrauen fördernde Faktoren hervorgehoben.48 Ein Aspekt neben der Verlässlichkeit ist, „dass die Strukturen und Verfahren unabhängig von der Person zur Anwendung kommen.“49

Es wird aber auch ein „Grundmisstrauen der Arbeitnehmervertretungen in den Abschluss von Betriebsvereinbarungen“ beschrieben. Öfter sei zu hören „‘BEM dient ohnehin nur der Kündigungsvorbereitung; ohne Abschluss einer Betriebsvereinbarung stehen wir besser da.‘ Dies ist sehr kritisch zu sehen, da gerade in den Betriebsvereinbarungen das Fundament für eine verantwortungsvolle und regelhafte Durchführung von BEM geschaffen werden kann.“50

Es besteht also einerseits ein hervorgehobener fördernder Faktor für das BEM, der in der Einflussnahme der Interessenvertretungen gesehen wird51 und in der Folge auch im Ab- schluss von Vereinbarungen. Das heißt, es können für alle verlässliche Regelungen auf- gestellt werden und der BEM-Prozess kann in eine transparente Ablaufstruktur eingepasst werden. Auf der anderen Seite bestehen reale unterschiedliche Betriebskulturen, die, sofern sie zur Misstrauenskultur neigen die Inanspruchnahme eines BEM seitens der Berechtigten eher mit Angst vor Kündigung verbinden und die Interessenvertretungen gewissermaßen dann nicht als deren Vorbereiter agieren möchten.In der Studie von 200852 wurde konstatiert, dass nach gelungenen Wiedereingliederungen häufiger Betriebs- bzw. Dienstvereinbarungen zum BEM abgeschlossen wurden. Das Ver- hältnis war 44 % mit Betriebs- oder Dienstvereinbarungen nach gelungenen Wiedereinglie-derungen zu ansonsten 26 % der Betriebe mit Vereinbarungen zum BEM. Auch Integra- tionsvereinbarungen wurden nach erfolgreichen Wiedereingliederungen mit 34 % häufiger abgeschlossen als ohne diese mit 19 %.

Es zeigt sich hier, dass die konkreten Erfahrungen innerhalb der Betriebe die wesentliche Basis dafür bilden, wie die Beschäftigten und die Interessenvertretungen sich zum BEM verhalten.

Es gibt auch eine übereinstimmende Einschätzung darüber, dass insbesondere ein bereits bestehendes Gesundheitsmanagement die BEM-Einführung und Durchführung erleichtert. Die Erfahrungen mit den Regelungen des betrieblichen Gesundheitsmanagements können also die Vertrauensbildung sowohl in der Belegschaft wie auch in der Interessenvertretung positiv begleiten.

Sie erleichtern zugleich das Handeln der BEM-Akteur_innen, denn: „Die Betriebe, die ein gutes Gesundheitsmanagement schon hatten, die sind eigentlich fein raus. Die sind auch

48 Eggerer u.a., 2007, S 71; Egger u.a, 2009, S.1749 Giesert u.a., 2012, S. 9850 Friemelt: schriftliche Interviewantworten vom 28.06.201651 Niehaus u.a., 2008, S. 5652 Niehaus u.a., 2008, S. 53

5. Innerbetriebliche Einflüsse

5.1 Betriebliche Öffentlichkeitsarbeit und DatenschutzAls eine der Erfolgsfaktoren beim BEM wird von Niehaus u.a. die Informationsvermittlung und die Gewährleistung des Datenschutzes hervorgehoben.42 Das wird über die unter-schiedlichen Betriebsgrößen hinweg auch von den anderen Studien und Projekten bestätigt. Zudem wird konstatiert, dass Betriebe „die BEM-Fälle mit leistungsgerechtem Einsatz abschließen“ die Beschäftigten besser informieren und „rechtzeitig Kontakt zu den betrof- fenen Beschäftigten“ aufnehmen. Auch über den Datenschutz und die Freiwilligkeit der Teilnahme werde aufgeklärt.43 Für die innerbetriebliche Kommunikation zum BEM waren Belegschaftsversammlungen favorisiert.44

Für die „Zustimmung zu einem BEM“ seien eine „umfassende Information und Aufklärung“ sowie die „Bekanntmachung positiv verlaufener BEM-Fälle“ förderlich.45 Beim Datenschutz wird Handlungsbedarf formuliert, in dem Sinne, dass „häufig Unsicherheit über die Aufbe-wahrung der Daten“ besteht „oder die betroffenen Beschäftigten (…) nicht hinreichend über deren Verwendung unterrichtet“ werden.46

Beide Aspekte, die innerbetriebliche Öffentlichkeitsarbeit sowie die Klärung und Gewähr-leistung des Datenschutzes, eignen sich in besonderem Maße um bei der Belegschaft even-tuelles Misstrauen gegenüber dem BEM abzubauen, respektive Vertrauen zu fördern.

5.2 Klare Prozessstruktur5.2.1 Betriebs-/Dienstvereinbarungen

„Betriebsvereinbarungen, Umgang mit Datenschutz und Kommunikation über Zweck des BEM (Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit der betroffenen Mitarbeiter_innen, Wertschätzung, etc.) geben den Rahmen vor. Grundsätzlich kann BEM nicht ohne einen ‚vertrauensvollen‘ und wertschätzenden Umgang funktionieren. Für diese ‚weichen‘ Kriterien gilt es einen klaren und eindeutigen Rahmen zu schaffen.“47

42 Niehaus u.a.,2008, S. 11343 Niehaus u.a., 2008, S. 60, 6144 Niehaus u.a., 2008, S. 4145 Niehaus u.a., 2008, S. 76, 8346 Niehaus u.a., 2008, S. 6147 Friemelt: schriftliche Interviewantworten vom 28.06.2016

Page 29: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

23Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND22 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

5.2.3.2 BEM-TeamAus der Erfahrung mit Großbetrieben beschreibt Giesert60: „Die Klärung der Rollen und Beziehungen zueinander ist eine der wichtigsten Punkte um ein gutes BEM einführen zu können. (…) Im BEM-Team gibt es öfter Rollenkonflikte, dass BRs in eine andere Aktions-schiene kommen und wenn ein BR zusätzlich noch dabei ist (dann ist das) ein ganz gutes Korrektiv – abhängig von den Personen. Viele BRs haben die Funktion des BR, der SBV – also alles so in einem – und dann finden die sich selber manchmal nicht mehr so richtig zurecht, d.h. welche Aufgabe machen sie hauptsächlich. Wir haben viele SBV die hauptsäch-lich die SBV machen, zusätzlich noch den BR, aber nicht in der Freistellung, sondern einfach so und da gibt es immer wieder auch Rollenkonflikte. Die Rolle muss man immer wieder klären: ‚Bist du jetzt SBV oder BEM-Team und agierst.‘“ Auch wenn die BEM-Berechtigten ein weiteres BR-Mitglied hinzuziehen möchten, kann das für den BR im BEM-Team unter Umständen konflikthaft erlebt werden. Hier wäre dann eine Rollenklärung notwendig in dem Sinne „das steht demjenigen zu, wenn er das möchte und das hat eigentlich mit meiner Person wenig zu tun.“ Dennoch würde es meistens als „Bedrohung“ erlebt werden von Seiten der BRs, die dem BEM-Team angehören. Insofern ist der Umgang mit solchen Kon- stellationen und dass die BEM-Berechtigten sich trauen können einen weiteren BR ihres Vertrauens hinzuziehen auch Teil des Prozesses, der „entscheidend ist“.

Neben der mitunter erforderlichen intrapersonellen Rollenklärung bräuchten die BEM-Ak-teur_innen aber auch zusätzliche Qualifizierungen zum BEM, damit „sie wissen, was sie zu tun haben.“

5.2.4 Strukturierte Prozesse der Zusammenarbeit

Folgt man Giesert61, dann ist in den meisten Großbetrieben zwar das Wissen um das BEM vorhanden, die Vorgehensweise sei allerdings bei einigen doch „sehr unstrukturiert. (..) Die machen es irgendwie, die holen sich die Leute ran und sagen ‚also, was gibt es? Haben Sie einen Vorschlag? Tschüs!‘ (..) Das dauert so 10 Minuten und dann haben sie ihr BEM sozusagen abgeschlossen, weil derjenige sagt ‚nö, ich kann mir selber helfen‘ und dann ist es abgeschlossen. Und dieses Unstrukturierte führt natürlich nicht zum Erfolg.“ Allerdings bedürften die Strukturierungen auch zusätzlicher Zeitressourcen, die den Prozessbeteiligten zur Verfügung gestellt werden sollten, sowie hinreichende finanzielle Mittel.Zur Überprüfung des Erfolges der BEM-Prozesse steht, so jedenfalls in idealtypischer Kon- struktion, die Evaluation. Diese würden aber „zu wenig gemacht“. „Also ich denke, so richtig kann man erst sehen, ob es erfolgreich ist, wenn man evaluiert. Wenn man guckt, was ist das Ergebnis? Wie viele haben eingewilligt? Wie viele haben abgebrochen? Welche waren erfolgreich? Das wird eigentlich in den wenigsten Betrieben gemacht.“62 Das wird auch von Kaiser63 für Großbetriebe im Produktionsbereich bestätigt. Für die Evaluation sei ein Pro- blem mit der personellen und finanziellen Ressourcenbereitstellung erkennbar.

60 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.201661 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.201662 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.201663 Kaiser: Telefoninterview vom 25.10.2016

gut aufgestellt. Das ist eine gute Grundlage, das merkt man immer wieder. Die Betriebe, die das nicht haben, die schwimmen da ein bisschen. Wenn ein betriebliches Gesundheitsma-nagement vorhanden ist, dann funktioniert das eigentlich so ganz gut.“53

5.2.2 Krankenrückkehrgespräche und BEM

Sofern noch Krankenrückkehrgespräche oder gar Betriebsvereinbarungen zu Krankenrück-kehrgesprächen neben Betriebsvereinbarungen zum BEM bestünden wird dies als problema-tisch angesehen,54 zumal die Krankenrückkehrgespräche eher dazu geeignet seien ein Miss-trauensklima innerhalb der Betriebe zu erzeugen und somit einem erfolgreichen BEM im Wege stehen würden. „Krankenrückkehrgespräche abschaffen wäre förderlich. Hier ist Vertrauenskultur nochmal wichtig, die sich daraus ergibt, wenn es keine Krankenrückkehr-gespräche gibt.“55

5.2.3 Klärung der Rollen und Zuständigkeiten

5.2.3.1 Feste Ansprechpartner_innenIn dem Projekt ‚EIBE‘ werden fehlende „Strukturen und Verantwortliche(n)“ als „zentrale Hindernisse“ bei der Ein- und Durchführung des BEM benannt. Insofern sei es wichtig „klare und zuverlässige Strukturen“ zu schaffen und „Ansprechpartner_innen“ zu bennen.56 Auch von Reusch57 wird unter den problematischen Faktoren eine „fehlende betriebliche Ansprechperson“ genannt. Die festen Ansprechpartner_innen sind innerbetrieblich wesent-lich für einen dauerhaften und nachhaltigen BEM-Prozess. Es sind die sogenannten ‚Kümmerer‘ und Verantwortliche mit ihrem Engagement, das es braucht, um das BEM erfolgreich im Betrieb zu verankern.58

Feste Ansprechpartner_innen für die Betriebe braucht es auch auf der Seite der externen Unterstützungsmöglichkeiten: „Und da war halt das Problem, nein, man weiß nicht wen, man hat keinen externen Ansprechpartner, außer IKK in einigen Fällen. Da war’s positiv. Aber die meisten Fälle: ‚nein, ich weiß nicht an wen ich mich wenden könnte.‘ Rentenver- sicherung wird nie genannt, Unfallversicherung hat man für andere Dinge im Kopf, wenn überhaupt. Integrationsamt: weitgehend unbekannt in seiner möglichen Funktion dafür. Gemeinsame Servicestellen: völlig unbekannt.“59

53 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.201654 Reusch, 2012, S. 5955 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.201656 Eggerer u.a., 2007, S. 69, 7157 Reusch, 2012, S. 6758 Friemelt: Schriftliche Interviewantworten vom 28.06.2016; Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.2016; Eggerer

u.a., 2007, S. 71; Sczesny u.a., 2014, S. 21: Hier werden Schlüsselpersonen als fördernder Faktor hervorgehoben,

„die dem Arbeits- und Gesundheitsschutz gegenüber aufgeschlossen sind.59 Welti: persönliches Interview vom 27.07.2016

Page 30: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

25Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND24 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

5.3.2 Betriebliche Interessenvertretung untereinander

Im betriebsratsinternen Zusammenspiel können unterschiedliche Interessenlagen, „Ansich-ten und Einstellungen“ schwierig werden für eine „Strategie“ und zur „Umsetzung von BEM-Maßnahmen, sowie für das Auftreten gegenüber der Geschäftsleitung.“69

Innerhalb des Interessenvertretungsgremiums ist es von Bedeutung die Ziele miteinander herauszukristallisieren um sie verhandeln und für Vereinbarungen strukturieren zu können.

Neben der Interessen- und Zielklärung spielt auch die Klärung der Zuständigkeiten beim BEM-Prozess eine wichtige Rolle. „Ein und dieselbe Person kann sowohl Schwerbehinder-tenvertretung, Betriebs-/Personalrats-/MAV-Mitglied sein und zugleich im BEM-Team sein. Die Anforderungen an die Person können sich hierbei durchaus unterschiedlich gewichten. Auch kann eine Klärung und Abstimmung für sich selbst und untereinander hilfreich sein.

Reusch bezieht sich auf Eberhard (2011, S. 27)70, wenn sie darlegt, dass die „Zusammenar-beit in BEM-Teams“ auch ein „gegenseitiges Verständnis und lösungsorientierte Koopera-tion fördert.“ Dies findet sich auch bei Niehaus u.a.71, wenn von den Schwerbehindertenver-tretungen als Auswirkungen des BEM auf ihre Arbeit eine „bessere Zusammenarbeit“ und „höhere Effektivität“ angegeben wurden.

5.3.3 Interessenvertretung und Geschäftsführung

Zwischen der Geschäftsführung, den Beschäftigten und der Interessenvertretung steht je nach betrieblicher Organisationsstruktur gegebenenfalls noch eine Team- oder Abteilungs-leitung mit wiederum anderen Interessen oder Vorstellungen. Hier kann ein gewisses Konfliktpotential liegen, wenn z.B. Maßnahmen „gegen den Willen der Teamleitungen“72 eingeleitet werden.

Im Projekt ‚EIBE II‘ wurde als ein behinderndes Moment bei der BEM-Etablierung und im BEM-Prozess unter anderem ein eher „schwieriges Verhältnis“ zwischen der Geschäfts- führung und der betrieblichen Interessenvertretung gesehen. Fördernd hingegen sei ganz grundsätzlich ein „tragfähiges Verhältnis der betrieblichen Sozialpartner“.73

69 Giesert u.a., 2012, S. 6870 ` Eberhardt, B., 2011, Forum Teilhabepraxis: Eingliederung mit Qualität und System.

In: Gute Arbeit. Gesundheitsschutz und Arbeitsgestaltung, 3, S. 2771 Niehaus u.a., 2008, S. 3772 Giesert u.a., 2012, S. 5073 Eggerer u.a., 2009, S. 56, 58

5.2.5 Zentrale Vorgaben und dezentrale Umsetzung

Als eine eher hinderliche Organisationsstruktur kamen zentral gemachte Vorgaben, die dann vor Ort ihre Umsetzung finden mussten in den Blick. Am Beispiel eines Konzerns wird aus- geführt: „Eine Personalabteilung ist immer gereist, von Ort zu Ort. In (..) haben die ihren Standort und dann ist die immer gereist und hat mit den Betriebsräten vor Ort dann Gesprä-che geführt, also immer hintereinander weg wie Fließbandarbeit. Das heißt, das war eigent-lich schon behindernd, weil das immer eine Terminschwierigkeit war. Weil sie war praktisch die einzige, die für die ganze BRD zuständig war und ist dann immer zu den Standorten gefahren und da waren eben die Betriebsräte, mit denen sie das zusammen gemacht hat. Aber das war schon schwierig. Es wäre besser gewesen – die Betriebe vor Ort die hatten auch nochmal 2000 Beschäftigte, das waren ja keine Kleinbetriebe – wenn man das dezent-ral gelöst hätte mit einem extra BEM-Team vor Ort. So ist es ja auch eigentlich gedacht.“64 Kaiser führt aus, dass bei einem zentral gemanagten BEM die „vertrauensvolle Nähe“ nicht da sei und zudem die Betriebsräte auf der lokalen Ebene angesiedelt sind und agieren.65

5.3 Konflikte unter den Akteur_innen5.3.1 Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung

Betont wird in der Datengrundlage übereinstimmend, wie wichtig eine Vertrauenskultur für die erfolgreiche Implementierung von BEM im Betrieb ist. So auch Friemelt: „Die ‚Betriebs-kultur‘ ist in der Regel entscheidend für die erfolgreiche Einführung von BEM. BEM fußt auf Vertrauen und Wertschätzung.“

Nicht selten gäbe es allerdings Konkurrenzen zwischen Personalräten und Schwerbehinder-tenvertretungen. Dies wird als ein hindernder Faktor beschrieben. 66

In einem der Interviews wurde von Konflikten zwischen der Schwerbehindertenvertretung und dem Betriebsrat berichtet. „Thema Integrationsvereinbarungen: Da gab es große Konflikte. Sehr große sogar. Weil die SBV in den Großbetrieben ist ja manchmal sehr aktiv und so war das auch in den Großbetrieben und die Integrationsvereinbarung kann ja nur von der Schwerbehindertenvertretung unterschrieben werden und die Betriebsvereinbarung wird ja vom Betriebsrat unterschrieben mit dem Arbeitgeber. Und da gab es Konflikte. Also das heißt, zuerst war alles geregelt mit der Integrationsvereinbarung und dann mit einmal kam die Betriebsvereinbarung zum BEM. Und da gab es Konflikte – große.“67

Manche Betriebe hätten dieser Art gelagerte Konflikte so gelöst, dass die Betriebsverein- barung quasi symbolisch von der Schwerbehindertenvertretung mit unterschrieben wurde.68

64 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.201665 Kaiser: Telefonisches Interview vom 25.10.201666 Friemelt: Schriftliche Interviewantworten vom 28.06.201667 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.201668 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.2016.

Page 31: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

27Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND26 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

Das Zusammenspiel der Themen Arbeits- und Gesundheitsschutz, Gesundheitsförderung und BEM wird hier am Beispiel von Großbetrieben von Giesert beschrieben: „Ein betriebli-ches Gesundheitsmanagement ist natürlich insgesamt fördernd, das ist ganz klar. Weil es da dann auch schon Strukturen gibt, Prozesse gibt, das verstehe ich jetzt unter Gesundheits-management. Ein strukturiertes Gesundheitsmanagement ist natürlich förderlich und das natürlich auch den Arbeitsschutz beinhaltet, das BEM und die Gesundheitsförderung und das als Bild auch miteinander verwoben ist. Die (Unternehmung X)81, die hat das ganz toll gemacht, die waren da sehr gut aufgestellt. Die hatten ein gutes Gesundheitsmanagement, wo das BEM auch wirklich unheimlich gut reingepasst hat und die hatten eine sehr gute Basis gehabt, um damit auch arbeiten zu können. Die haben das auch ergänzend gemacht, haben Dinge, die beim BEM herausgekommen sind auch in die Prävention gepackt. Also in den Arbeitsschutz wie auch in die Gesundheitsförderung. Das BEM war wirklich gut mit eingegliedert. Wo man sieht, dass das BEM gerade für die Prävention hilfreich ist.“82

Auch in der Studie von Niehaus u.a.83 wird dem BEM eine besondere Bedeutung im Hinblick auf die „betriebliche Prävention“ zugemessen. In dem Projekt ‚EIBE‘ wird das BEM als „Teil einer ganzheitlichen Betrachtung“ des „betrieblichen Gesundheitsmanagements“ hervorge-hoben84 und nach der Studie von Welti u.a.85 „korreliert“ die „Betriebliche Gesundheitsför-derung (…) mit der Bereitschaft zum BEM.“

In der Studie von 2008 war bei ungefähr jedem 2. Unternehmen ein BEM durchgeführt worden. Die Datenbasis waren hier 630 Fragebögen.

Thematisiert war BEM in • der Mehrheit der großen Unternehmen • mehr als der Hälfte der mittelgroßen Unternehmen • 30 % der kleinen Betriebe86

Maßnahmen der beruflichen Integration waren nach Häufigkeit gesehen zuerst die Stufen-weise Wiedereingliederung, gefolgt von der Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz und die Verbesserung der technischen Ausstattung des Arbeitsplatzes. Die externe berufliche Qualifizierung lag erst an späterem Platz und war eine nicht so häufig genutzte Maßnahme.87

81 Das Unternehmen wurde durch „X“ anonymisiert82 Giesert: Persönliches Interview vom 10.08.201683 Niehaus u.a., 2008, S. 11984 Eggerer u.a., 2007, S. 1385 Welti u.a., 2010, S. 23686 Niehaus u.a., 2008, S. 33, 11287 Niehaus u.a., 2008, S. 56

5.4 Betriebliches Gesundheitsmanagement: Arbeits- und Gesundheitsschutz – Gesund-heitsförderung – Betriebliche Eingliederung74

Die Studie von Sczesny u.a.75 kommt beim Kenntnisstand zum Arbeits- und Gesundheits-schutz in Betrieben bis 49 Mitarbeiter_innen auch zu branchenspezifischen Ergebnissen. So sei die Unkenntnis von Gesetzen „überdurchschnittlich groß“ in Branchen mit hohem Gefährdungspotential, wie z.B. im Baugewerbe.

Die stärksten Infobedarfe bestünden in den Branchen Handel, Instandhaltung und Repa- ratur von KFZ, Gastgewerbe gefolgt von Erziehung und Unterricht, Gesundheits- und Sozial-wesen. Die Bereiche Bergbau, Steine/Erden und Verarbeitendes Gewerbe stehen in dieser Reihung an dritter Stelle.76

In folgenden Wirtschaftszweigen werden „überdurchschnittlich häufig“ Belastungsempfin-dungen“ genannt:77

• Erziehung und Unterricht • Gesundheits- und Sozialwesen • Öffentliche Verwaltung / Sozialversicherung • Energie- und Wasserversorgung

In der Einschätzung der Beschäftigten, dass sie ihre „Arbeit wahrscheinlich nicht bis zur Rente ausüben können“ liegen mit 31 % die Öffentliche Verwaltung und die Sozialversiche-rung an erster Stelle, gefolgt mit 21 % Erziehung und Unterricht sowie Gesundheits- und Sozialwesen. Etwas überdurchschnittlich liegen mit 14,5 % noch die Bereiche Handel, Instandhaltung und Reparatur von Kraftfahrzeugen. 78

Bezogen auf psychische Belastungen zeigt das Belegschaftsalter Effekte auf: „Mit zunehmendem Alter“ wird der Verweis auf psychische Belastungen häufiger:

• 40 – 49jährige: 57,5 % • Ab 50 Jahre: 61,9 %79

Die Belastung durch die Arbeitsumgebung zeigt ebenfalls einen Alterseffekt auf:

• Ab 50 Jahre: 53,9 % • Durchschnitt: 43,2 %80

74 Eggerer u.a., 2007, S. 13. Das BEM wird gleichberechtigt mit den beiden anderen Bausteinen unter dem Dach

Betriebliches Gesundheitsmanagement betrachtet75 Sczesny u.a., 2014, S. 22176 Sczesny u.a., 2014, S. 21777 Sczesny u.a., 2014, S. 175, 17678 Sczesny u.a., 2014, S. 17779 Sczesny, 2014, S. 17280 Sczesny, 2014, S. 172

Page 32: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

29Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND28 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

7. Resümee

7.1 Wissensvermittlung und Zugang zu den BetriebenNach der Statistik der Bundesagentur für Arbeit von 201496 waren 95,5 % aller Betriebe Kleinst- und Kleinunternehmen.97 Hier arbeiten 40 % der Beschäftigten. Das Statistische Bundesamt verzeichnet für das Jahr 2014 insgesamt 3.647.326 Unternehmen.98

Vergegenwärtigt man sich, dass insbesondere in Kleinbetrieben das BEM so gut wie un- bekannt ist, dann dürfte die flächendeckende Vermittlung des Wissens um das BEM eine der vorrangigen und größten Herausforderungen darstellen. Im Bereich der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF), der mit dem Arbeitsschutz und dem Betrieblichen Eingliede-rungsmanagement in einander greift, fallen „lediglich 21 % der BGF-Aktivitäten der Kran-kenkassen auf diesen Sektor“.99 Also auch von dieser Seite her werden Kleinunternehmen bisher nicht entsprechend ihrer Anzahl und ihrem Beschäftigungsfaktor berücksichtigt.

In der repräsentativen Studie von 2014 wurde der Kenntnisstand von Unternehmen und Beschäftigten auf dem Gebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in KMU abgefragt. Unabhängig von der Betriebsgröße innerhalb des Größenclusters 1 - 49 Mitarbeiter_innen war das „Wissen um gesetzliche Regelungen“ bei Geschäftsführenden und Beschäftigten „eher gering“100. Die Unkenntnis von Gesetzen zum Arbeitsschutz war dabei überdurch-schnittlich groß in Branchen mit hohem Gefährdungspotential, wie zum Beispiel im Bau- gewerbe.101 Auf der Basis ihrer zusätzlichen Dokumentenanalyse kommt die Studie auch zu dem Schluss, dass „erhebliche Defizite bei der Betreuung von KMU“ bestünden. Die Betreuung sei „zu sehr auf Großbetriebe orientiert“ und gehe nicht von den Erfordernissen der KMU aus. Auch die Informationen würden nicht am Bedarf der KMU orientiert.102 Der Wissenserwerb werde durch die Art des Angebotes erschwert. Hier sei erwähnt, dass es auch spezifische Lernanforderungen seitens der Betriebe gibt, die insbesondere die Form von Praxisbeispielen aus anderen Betrieben bevorzugen. Das wird auch von den Praxis- projekten in Bezug auf die Wissensvermittlung zum BEM so aufgeführt. Sofern Kleinst- und Kleinunternehmen im Bereich Arbeits- und Gesundheitsschutz externe Unterstützung von außen wahrnehmen, dann nehmen die Berufsgenossenschaften „mit

96 Statistik der Bundesagentur für Arbeit: Arbeitsmarkt in Zahlen, Betriebe und sozialversicherungspflichtige

Beschäftigung, Nürnberg, 30. Juni 2014 97 Definition nach EU-Kommission 2003: Kleinstunternehmen (bis 9 Beschäftigte bzw. 2 Mio. Euo

Jahresumsatz) und Kleinunternehmen (bis 49 Beschäftigte bzw. 10 Mill. Euro Jahresumsatz)98 Statistisches Bundesamt, Destatis99 Ammel, Stefan, u.a., Forum KMU des Deutschen Netzwerkes für Betriebliche Gesundheitsförderung (DNBFG),

Klein – Gesund – Wettbewerbsfähig. Betriebliche Gesundheitsförderung in Kleinbetrieben stärken, Mai 2015

Und: Präventionsbericht 2014, GKV Spitzenverband100 Sczesny, u.a., 2014, S. 9101 Sczesny, u.a., 2014, S. 221102 Sczesny, u.a., 2014, S. 21

6. Divergierende Einflussfaktoren bei Kleinbetrieben, Mittelbetrieben und GroßbetriebenDer „größte Unterstützungsbedarf“ rund um das BEM besteht nach Darlegung des Projektes DRV Bund bei Klein- und Mittelbetrieben „bis 100 Mitarbeiter_innen“88.

In der Studie von Niehaus u.a. werden für Großbetriebe folgende positive Faktoren hervor-gehoben: die „Information und Kommunikation“ zum BEM, „tarifvertragliche Regelungen“ und „eine starke Interessenvertretung“.89 „Hinsichtlich konkreter Integrationsmaßnahmen“ zeigten sich „Großbetriebe engagierter als Kleinbetriebe“.90

Bei Kleinbetrieben standen „die Unternehmenskultur“ des „sich Kümmerns“, die „persön- liche Beziehung“, die „Verantwortung“ für die Mitarbeiter_innen und der „persönliche Kontakt“ als positive Faktoren im Vordergrund.91 Insbesondere die Kleinbetriebe stehen aber vor einem Ressourcenproblem, wenn es z.B. um Handlungsspielräume im Betrieb geht. Das ist eines der großen Themen, die im Bereich der Kleinbetriebe immer wieder aufscheinen.92

Bei „mittelgroßen Betrieben“ wird das „Fehlen einer starken Interessenvertretung und damit ein geringer Schutz“ als hemmender Faktor aufgeführt. Dazu gehört auch eine gewisse „Unpersönlichkeit“, die im Unterschied zu Kleinbetrieben hier einsetzt oder einsetzen kann.93

Ein hemmender Aspekt wurde im Projekt ‘EIBE’ bei KMU in Umstrukturierungsphasen erlebt.94 Bei Großbetrieben wurden Kurzarbeit und Personalabbau als hemmende Fak- toren aufgeführt.95

88 DRV Bund, 2011, S. 389 Niehaus u.a., 2008, S. 7390 Niehaus u.a., 2008, S. 6191 Niehaus u.a., 2008, S. 7292 Reusch, 2012, S. 6393 Niehaus u.a., 2008, S. 7294 Eggerer u.a., 2007, S. 4695 Giesert u.a., 2013, S. 19

Page 33: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

31Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND30 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

In Kleinstbetrieben finden in Bezug auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz weniger Gefähr- dungsbeurteilungen als Gespräche mit den Mitarbeiter_innen statt. Immerhin 82,5 % der Beschäftigten gaben an, dass Ihre Vorschläge von der Chefin/dem Chef berücksichtigt und möglichst umgesetzt würden.104

7.2 Kündigungsschutz Gemäß den Zahlen des Statistischen Bundesamtes für 2014 haben 91 % aller Unternehmen weniger als 10 Beschäftigte.105 Damit entfällt hier auch der Kündigungsschutz (siehe Pkt. 4.2.). Wenn der Arbeitgeber kein BEM anbietet oder kein ordnungsgemäßes BEM durchführt sind keine Sanktionen vorgesehen. Erst in Kündigungsschutzprozessen gewinnt dies ihre beson-dere Relevanz. Der Anreiz für das BEM in diesen Betriebsgrößen könnte also vor allem in der Kenntnis um und in der Inanspruchnahme von Unterstützungsleistungen liegen. Hier bestehen noch Optimierungsmöglichkeiten, sowohl in den Zuständigkeiten der Sozialversicherungs-träger für einzelne Leistungen, als auch in der Betreuung „aus einer Hand“, den Ansprech-partner_innen und in den Antragsmodalitäten.

7.3 Ressourcen in UnternehmenVor allem für Kleinst- und Kleinunternehmen wird die Ressourcenverfügung als Problem beschrieben. Die Ausweichmöglichkeiten auf gegebenenfalls notwendige Alternativarbeits-plätze sei gerade bei kleineren Betrieben eher schwierig, zumal insgesamt nicht so viele Arbeitsplätze und insofern auch eher eingeschränkte Möglichkeiten von Alternativarbeits-plätzen vorhanden wären wie in Großbetrieben.

Allerdings brächten kleinere Unternehmen auch Ressourcen mit, wie z.B. „Transparenz“: „Für alle Beschäftigten besteht eine relativ große Überschaubarkeit der betrieblichen Ab- läufe, des Auftragsumfangs, der wirtschaftlichen Lage sowie der Potentiale Einzelner in der Belegschaft. Es existieren oft enge, freundschaftliche Beziehungen sowohl innerhalb der Belegschaft als auch zu den Vorgesetzten Diese große Transparenz, oft gepaart mit einer offenen und direkten Kommunikation, ist eine gute Voraussetzung für die Ermittlung und Bearbeitung von Potenzialen und Belastungen bei der Arbeit.“ Weitere Ressourcen seien „Einflussnahme und Mitarbeiterbeteiligung“, „Handlungsspielräume“ und „Identifikation mit dem Betrieb“, „Flexibilität und direkte Kommunikation“, „unbürokratische und prag- matische Ansätze“, um nur einige zu nennen.

104 Sczesny u.a., 2014, S. 83, 198105 https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/UnternehmenHandwerk/Unternehmensregister/

Unternehmensregister.html#Tabellen

deutlichem Abstand“ den vorrangigen Platz ein, sie sind die mit Abstand am häufigsten kontaktierten Beratungsstellen von Geschäftsleitungen“103. Das ist in gewisser Weise erwartbar, weil in deren Zuständigkeitsbereich auch die gesetzlich vorgeschriebenen Gefährdungsbeurteilungen liegen.

Das Potential des Zugangs in die Betriebe seitens der Berufsgenossenschaften auch für das Thema BEM könnte nutzbar und gegebenenfalls erweiterbar sein.

Auch die Deutsche Rentenversicherung hat ihr Potential, das, aus dem Blickwinkel der Be- schäftigten betrachtet, in einem gewissen Vertrauensstatus besteht, in den Aufbau eines eigenen Arbeitgeberservices zum BEM eingebracht.

Sowohl in den Studien wie auch in den Praxisprojekten wird übereinstimmend eine betrieb-liche Vertrauenskultur als im Grunde unabdingbare Voraussetzung für ein gelingendes BEM gesehen. Die Vertrauenskultur bezieht sich auf das Vertrauen der Mitarbeiter_innen gegen-über dem Arbeitgeber, dass durch das BEM nicht etwa eine mögliche Kündigung vorbereitet werden soll und das BEM ein Engagement für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses und, sofern dies möglich ist, für den Erhalt des bisherigen Arbeitsplatzes darstellt. Inwiefern nicht eine betriebsunabhängige Information von Beschäftigten über die Modalitäten der Anspruchs- berechtigung und Rechte beim BEM sinnvoll sein könnte, soll hier zumindest als Frage auf- geworfen werden. Dies könnte gewisse Vorbehalte dem BEM gegenüber eventuell mit ab- bauen helfen und so als eine von außen in den Betrieb hineinwirkende Vertrauen bildende Maßnahme eingebunden werden. Oder um es anders auszudrücken: wenn Beschäftigte um ihre Rechte und Ansprüche wissen und auch wissen, dass der Arbeitgeber zu einem Ange-bot des BEM verpflichtet ist, dann könnte dies mildernd auf Bedenken ‚soll ich jetzt gekün-digt werden?‘ wirken. Auch könnte dies die Möglichkeiten erhöhen, dass Anspruchsberech-tigte das Thema BEM auch selbst in den Betrieb einbringen und ein solches Verfahren an- stoßen können. In der Mehrheit der Klein- und Kleinstbetriebe existieren keine betrieblichen Interessenvertretungen, die ansonsten das Thema einbringen und forcieren könnten. Be- denkt man wiederum den mangelnden bis nicht vorhandenen Kenntnisstand zum BEM in dieser Betriebsgrößengruppe wäre eine wie auch immer zu organisierende breite Informa-tion der Beschäftigten eine potentielle Erweiterung des Wirkungskreises des Betrieblichen Eingliederungsmanagements.

Vieles spricht aber dafür, dass in Kleinst- und Kleinbetrieben mit der relativen Nähe von Arbeitnehmer_innen und Geschäftsführung auch durch Gespräche und Nachfragen Lösun-gen für Prävention und Erhalt von Arbeitsverhältnissen gesucht und entwickelt werden. Dies sind dann zwar keine Verfahren im Sinne des gesetzlich vorgeschriebenen BEM, ihre Wirkungen können gleichwohl erfolgreich sein und der gesetzlichen Intention im Kern, wenn auch nicht in der Ausführung, entsprechen.

103 Sczesny, u.a., 2014, S.136

Page 34: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

33Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND32 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

Literatur der Sekundärstudie

Studien:

2008: Niehaus, M.; Marfels, B.; Vater, G.; Magin, J.; Werkstetter, E.: Betriebliches Eingliederungsmanagement. Studie zur Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX, Köln

2010: Welti, F.; Mahnke, C.; Tauscher, A.; Ramm, D.; Seider, H.; Shafael, R.: Betriebliches Eingliederungsmanagement in Klein- und Mittelbetrieben: rechtliche Anforderungen und Voraussetzungen ihrer erfolgreichen Umsetzung; Hochschule Neubrandenburg (Hrsg.)

2012: Reusch, H.: Wiederherstellung, Erhalt und Förderung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit langzeiterkrankter Beschäftigter – eine Analyse für Deutschland und mögliche Übertragung auf Österreich, Krems

2014: Sczesny, C.; Kleindorf, S.; Droß, P.; Jasper, G.: Kenntnisstand von Unternehmen und Beschäftigten auf dem Gebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes in KMU; Abschlussbericht; Dortmund/Berlin/Dresden

Praxisprojekte, Fallstudien, Praxisfälle:

2007: Eggerer R., Kaiser, H.: EIBE. Entwicklung und Integration eines betrieblichen Eingliederungsmanagements Nürnberg/München

2009: Eggerer, R.; Kaiser, H.; Jastrow, E.: EIBE 2. Entwicklung und Integration eines Betrieblichen Eingliederungsmanage-ments, Nürnberg/ München/ Köln

2011: Deutsche Rentenversicherung Bund (Projektträger); Projekt: ‚Integratives Beratungsnetzwerk – Betriebliches Eingliederungsmanage-ment‘ zum ‚Arbeitgeberservice Rehabilitation und betriebliche Eingliederung für Arbeitnehmer‘, Modellprojekt vom 1. September 2008 bis 31. August 2010, Berlin

2011: Kaiser, H.: Abschlussbericht des Projekts ‚Gesunde Arbeit’, Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen Sporthochschule Köln (Hrsg.), Köln

2012: Giesert, M.; Weßling, A.: Betriebliches Eingliederungsmanagement in Großbetrieben. Fallstudien, Frankfurt/M.

Bezogen auf das BEM liegen in der Nähe zwischen Arbeitnehmer_innen und Arbeitgeber_innen Ressourcen. In Bezug auf die Freiwilligkeit von BEM und das Recht auf Abbruch des BEM-Prozesses könnten hier allerdings auch Erschwernisse durch die persönliche Ebene liegen, ein ebensolches Angebot auszuschlagen.

7.4 DatenschutzBei Kleinst- und Kleinbetrieben wird der Umgang mit dem Datenschutz in der Regel eher anders gelagert sein, als in mittleren und Großunternehmen. In Kleinst- und Kleinbetrieben dürfte davon auszugehen sein, dass, sofern ein BEM durchgeführt wird, die Bildung eines BEM-Teams eher seltener zum Mittel der Wahl gehören dürfte. Anders verhält es sich in mittleren Unternehmen und Großbetrieben, die häufiger als in Kleinbetrieben betriebliche Interessenvertretungen haben. Hier steht die Bildung von BEM-Teams auch als Teil eines strukturierenden Vorgehens. Den Mitgliedern des BEM-Teams werden dann auch Daten des BEM-Prozesses bekannt, die sich zur Verschwiegenheit zu verpflichten haben.

Die Trennung der BEM-Daten von der Personalakte ist ein Thema, das den Schutz der Be- schäftigten vor negativen Auswirkungen seitens des Arbeitgebers, wie z.B. Kündigung aufgrund bestimmter Erkrankungen, gewährleisten soll. Diese Trennung dürfte im Sinne des Wissens um den BEM-Prozess in Kleinst- und Kleinbetrieben eher schwierig zu gewährleis-ten sein, wenn z.B. Geschäftsführung und Personalbearbeitung in einer Hand liegen. Aber auch die beschriebene Transparenz dürfte dieses erschweren oder eher zu einer Formalie machen, wo es um die Kenntnis des BEM-Prozesses geht.

Page 35: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

35Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND34 Teil 2 – DGB Bildungswerk BUND

2013: Giesert, M.; Reiter, D.; Reuter, T.; Weber, B.; Weßling, A.; Zumbeck, C.: Abschlussbericht: Neue Wege im Betrieblichen Eingliederungsmanagement. Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit wiederherstellen, erhalten und fördern. DGB Bildungswerk Bund (Hrsg.), Düsseldorf

2014 Habib, E.: BEM – Wiedereingliederung in kleinen und mittleren Betrieben, Praxisleitfaden und Beispielfälle zum Betrieblichen Eingliederungsmangement, Frankfurt/M.

Anhang: Fragestellungen des Projektantrages

Erkenntnisinteresse

1. Welches Wissen ist in den Betrieben zum BEM vorhanden? In welcher Einführungs-/Umsetzungsphase befinden sich die Betriebe?

2. Welche Korrelationen der Akteure im Betrieb bzw. welche gegensätzlichen Interessen befördern oder behindern eine Entwicklung hin zu einer guten BEM-Qualität? Gibt es hier charakteristische Einwirkungen der Schwerbehindertenvertretung und der anderen betrieblichen Interessenvertretungsorgane, die regelhafte Wirkungen auf Einrichtung und Durchführung eines BEM haben?

3. Welchen Einfluss haben Betriebsalter, Größe und Branche der Betriebe sowie das Belegschaftsalter auf Entstehung und Entwicklung des BEM? Lassen sich hier, auch gesetzlich verankerte, förderliche oder hemmende Faktoren ausmachen?

4. Gibt es unabhängig von der Größe der Betriebe Unternehmensstrukturen mit entspre-chenden Interessenvertretungsformen, die hemmend oder förderlich sind, z.B. durch die Zersplitterung der Betriebe oder -im Gegensatz- in Unternehmen mit paritätischen Aufsichtsräten?

5. Wie wirkt die Ausbreitung besonderer Beschäftigungsformen (Leiharbeit, Befristung, Werkvertrag) in den Betrieben auf die Entwicklung von BEM?

6. Gibt es konkrete Faktoren, wie z.B. ein bestehendes Gesundheitsmanagement, eine Demografie orientierte Personalplanung, langjährige Betriebszugehörigkeiten oder die bei Beschäftigten mit Schwerbehinderung über den gesetzlichen Kündigungsschutz hinausgehende Beschäftigungssicherung., die ein wirksames BEM befördern oder eher hindern, z.B. Widerstand seitens der Beschäftigten in Betrieben mit einem hohen Altersdurchschnitt?

7. Tragen bestimmte Ausgestaltungsmerkmale eines BEM, wie z.B. eine klare Prozess-struktur mit Betriebsvereinbarung und Datenschutzregelungen oder eine ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit zum Thema, zur Akzeptanz in der Belegschaft bei? Spielen beste-hende Inklusionsvereinbarungen eine Rolle und wenn ja welche?

8. Konnten zunächst für unvermeidbar gehaltene krankheitsbedingte Kündigungen durch die Durchführung eines BEM tatsächlich abgewendet werden? Welche Faktoren spielten in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle?

9. Gibt es Personengruppen, mit denen ein BEM besser gelingt als bei anderen? Was wären dann die förderlichen Aspekte? Spielt hier die Schwerbehinderung eine beachtliche Rolle?

10 Wie wirken die Sozialversicherungsträger und der Markt rund um das BEM auf die Entstehung und Qualität des BEM in den Betrieben ein, wie und mit welchem Erfolg tragen die verschiedenen Träger aktiv zur Verbreitung bei? Welche Qualitätskriterien am Markt haben tatsächlich positiven Einfluss auf das BEM im Betrieb?

Page 36: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

Unterstützende Ressourcen für das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)Abschlussbericht zur begleitenden Online-Umfrage 2016

Teil 3

ipeco Hamburg

Page 37: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

38 Teil 3 – ipeco Hamburg

Unterstützende Ressourcen für das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM)

Abschlussbericht zur begleitenden Online-Umfrage 2016

Verantwortlicher Projektpartner:

Institut für Personalentwicklung und Coachingipeco Hamburg

Dr. Regina RichterWissenschaftliche Begleitung: Peter R. Horak

Hamburg 2016/17

Page 38: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

3Teil 3 – ipeco Hamburg2 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg Seite 1

GLIEDERUNG

Verwendete Abkürzungen 7

1 EINLEITUNG 81.1 Projektziele und Themenabgrenzung 8

1.2 Erfahrungen aus der Praxis: Die Online-Umfrage 81.2.1 Vorgehen 91.2.2 Besonderheiten und Einschränkungen der Auswertung 91.2.3 Befragungsgruppen 111.2.4 Herkunft und Selbstzuordnung 12

2 PLANER: BEM IN DER VORBEREITUNGSPHASE 142.1 Informationsquellen 15

2.2 Externe Hilfen 16

2.3 Anforderungen an weitere Hilfen 17

2.4 Rolle betrieblicher Akteure 172.4.1 Eigene Positionierung zum BEM 182.4.2 Intentionen und Ziele des BEMs 182.4.3 Befürworter 202.4.4 Skeptiker 20

2.5 Einfluss auf die Einführung des BEMs durch ausgewählte Faktoren: 212.5.1 … Betriebsalter 212.5.2 … Unternehmensgröße18 212.5.3 … Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte 222.5.4 … Branche 222.5.5 … Belegschaftsalter 232.5.6 … Betriebs-/Personalräte und Schwerbehindertenvertrauenspersonen 232.5.7 … Aufsichtsräte 242.5.8 … Beschäftigungsformen 252.5.9 … Betriebliches Gesundheitsmanagement 252.5.10 … Mitarbeiter_innen-Fluktuation 262.5.11 … Sonstiges 26

2.6 Konkrete Planung zur BEM-Durchführung 272.6.1 Zuständigkeit 272.6.2 Betriebs-/Dienstvereinbarungen (BV/DV) 272.6.3 Weitere Hilfestellungen nach der BEM-Einführung 272.6.4 Qualifizierung und Weiterbildung 28

2.7 FAZIT: Planer 29

Page 39: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

5Teil 3 – ipeco Hamburg4 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg Seite 2

3 PRAKTIKER: BEM IN DER UMSETZUNG 31

3.1 Informationsquellen 33

3.2 Externe Hilfen 36

3.3 Fördermittel 38

3.4 Rolle betrieblicher Akteure 393.4.1 Eigene Positionierung zum BEM 403.4.2 Intentionen und Ziele des BEMs 403.4.3 Skeptiker 503.4.4 Befürworter 513.4.5 Kooperation in der Praxis 52

3.5 Einfluss auf das BEM durch ausgewählte Faktoren: 543.5.1 … Betriebsalter 543.5.2 … Unternehmensgröße 543.5.3 … Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte 553.5.4 … Branche 563.5.5 … Belegschaftsalter 563.5.6 … Betriebs-/Personalräte und Schwerbehindertenvertrauenspersonen 563.5.7 … Aufsichtsräte 593.5.8 … Beschäftigungsformen 603.5.9 … Betriebliches Gesundheitsmanagement 623.5.10 … Mitarbeiter_innen-Fluktuation 633.5.11 … Häufige Beeinträchtigungsarten 64

3.6 Konkrete BEM-Umsetzung 653.6.1 Zuständigkeit 653.6.2 Betriebs-/Dienstvereinbarungen (BV/DV) 693.6.3 Qualifizierung und Weiterbildung 753.6.4 Durchführung des BEM-Prozesses 753.6.5 Erfolgseinschätzung 773.6.6 Veränderungen durch das BEM 823.6.7 Angewandte Instrumente des Datenschutzes 853.6.8 BEM-Arbeit in der Praxis 86

3.7 FAZIT: Praktiker 92

4 ZUSAMMENFASSENDE ERÖRTUNG DER PROJEKTFRAGEN 94

4.1 Welches Wissen ist in den Betrieben zum BEM vorhanden, und wie kommt das BEM-Wissen in die Betriebe? 94

4.2 Welche Korrelationen der Akteure im Betrieb bzw. welche gegensätzlichen Interessen befördern oder behindern eine Entwicklung hin zu einer guten BEM-Qualität? 95

4.3 Welchen Einfluss haben Betriebsalter, Größe und Branche der Betriebe sowie das Belegschaftsalter auf Entstehung und Entwicklung des BEM? 97

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg Seite 3

4.4 Gibt es unabhängig von der Größe der Betriebe Unternehmensstrukturen mit entsprechenden Interessenvertretungsformen, die hemmend oder förderlich sind? 98

4.5 Gibt es konkrete Faktoren (Managementsysteme, Gefährdungsbeurteilungen, Vereinbarungen), die ein wirksames BEM befördern? 99

4.6 Tragen bestimmte Ausgestaltungsmerkmale eines BEM, wie z.B. eine klare Prozessstruktur mit Betriebsvereinbarung und Datenschutzregelungen, zur Akzeptanz in der Belegschaft bei? 100

4.7 Gelingt die Abwendung krankheitsbedingter Kündigungen durch das BEM? 103

4.8 Gibt es Personengruppen, mit denen ein BEM besser gelingt als mit anderen? Was wären dann die förderlichen Aspekte? 103

4.9 Weitere Forschungsfragen 104

Angaben zum Verfasser 105

Hinweis zum DatenstandGegenüber den zuvor ausgegebenen Zwischenberichten können in Einzelfällen leichte Abweichungen auftreten, die auf Neugruppierungen und Neuberechnungen zurückzuführen sind. Es wird gebeten, keine früheren Versionen des Berichts zu verwenden.

Page 40: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

7Teil 3 – ipeco Hamburg6 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Verwendete Abkürzungen(Die Abkürzungen kommen sowohl für Singular- wie Pluralbildungen und alle Wortformen zur Anwendung)

AA Agentur für Arbeit

AN Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

ASA Arbeitsschutzausschuss

BEM Betriebliches Eingliederungsmanagement

BG Berufsgenossenschaft

BGM Betriebliches Gesundheitsmanagement

bIV Betriebliche Interessenvertretung

BV/DV Betriebs-/Dienstvereinbarungen

BR/PR/MAV Betriebs-/Personalrat/Mitarbeiter_innenvertretung

DGUV Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung

DRV Deutsche Rentenversicherung

KK Krankenkassen

KMU Kleine und mittelständische Unternehmen

MA Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

QMS Qualitätsmanagementsystem

SBV Schwerbehindertenvertrauenspersonen

TN Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Page 41: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

9Teil 3 – ipeco Hamburg8 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

1 EINLEITUNG

1.1 Projektziele und Themenabgrenzung

Das Projektziel von RE-BEM ist es, BEM-Beteiligten konkrete, praxisorientierte Handlungs-anweisungen zur Einführung und zur Umsetzung von BEM, zugeschnitten auf die jeweilige Betriebs-größe, an die Hand zu geben. Insbesondere zielt das Projekt auf das Erkennen von Unterstützungs-strukturen für Klein- und mittelständische Unternehmen im Betrieblichen Eingliederungsmanagement.

Das Projekt begann im ersten Teil - neben der Analyse vorhandener Studien zum BEM - mit einer Online-Befragung zu den Erfahrungen von BEM-Akteuren in den Unternehmen. Aufgrund von neuartigen Fragestellungen konnte für den Online-Fragekatalog wenig auf vorhandenes Material und Messinstrumente zurückgegriffen werden1. Relevante Ergebnisse ausgesuchter, vorhandener Studien wurden in einer Sekundär-Analyse innerhalb des RE-BEM-Projektes rezipiert.

Die Online-Umfrage und die Sekundär-Analyse werden im wissenschaftlichen Teil des Projekt-abschlussberichtes zusammengeführt und in den Kontext weiterer aktueller (rechtlicher) Rahmen-bedingungen zum BEM gesetzt2.

Im Zentrum des Erkenntnisinteresses standen Fragen, die sich auf die strukturellen Gegebenheiten innerhalb der Unternehmen richteten, sich zum einen auf interne Ressourcen und zum anderen auf externe Unterstützungsangebote und -nachfragen bezogen. Und schließlich wurden die BEM-Akteure nach ihren Einschätzungen und Erfahrungen befragt.

In diesem Teil werden die Ergebnisse der Online Umfrage dargestellt.

1.2 Erfahrungen aus der Praxis: Die Online-Umfrage

Mit der Wahl des Instruments „Online-Umfrage“ zur Datengewinnung war die Absicht verbunden, ein breites Spektrum der potentiellen Zielgruppe(n) zu erreichen und eine komfortable, zeitlich flexible Möglichkeit der Teilnahme sicherzustellen.

Über die gesamte Laufzeit von sechs Monaten hinweg war es möglich, auf den Fragebogen zuzugreifen und ihn sofort vollständig oder (falls gewünscht) sukzessive auszufüllen. Um eine optionale Wiederaufnahme zu gewährleisten, erhielt jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer eine individuelle exklusive ID, mit deren Hilfe es bis zum Befragungsende möglich war, die Fragen noch einmal aufzurufen und ggfs. zu ergänzen oder zu bearbeiten.

1 Die einzige - uns bekannte - Studie durch eine Online-Befragung aus dem Jahre 2008 verfolgte damals das Ziel, quantitative Aussagen zur Verbreitung des BEM bereitzustellen und qualitative Aussagen über die Art und Weise, mit der die betrieblichen Akteure ein BEM realisieren, zu treffen. Auch sollten Faktoren herausgearbeitet werden, die ein erfolgreich eingeführtes BEM begünstigen. Der Erhebungszeitraum war Oktober 2006 bis Oktober 2007 also 2 bis 3 Jahre nach Inkrafttreten des BEM-Gesetzes. Dementsprechend gering war der Bekanntheitsgrad. Erreicht wurden damals in der Befragung vor allem BEM-Akteure aus Großbetrieben. Niehaus M., Magin, J.,Marfels, B., Vater, E.G. und Werkstetter, E., 2008, Betriebliches Eingliederungsmanagement. Studie zur Umsetzung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements nach § 84 Abs. 2 SGB IX, Köln, vgl. auch den Bericht zur Sekundäranalyse als Bestandteil des RE-BEM Projektes, Christiane Stegemann. 2 Vgl. Zumbeck, Christine, „Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme“

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Die Möglichkeit war notwendig, da es sich einerseits um einen recht umfangreichen Fragenkatalog handelte und andererseits auch nach wahrscheinlich nicht immer sofort verfügbaren Informationen gefragt wurde. Eine Wiederaufnahmeoption konnte somit einer zu langen Beantwortungszeit ebenso entgegenwirken wie einer möglichen Nicht-Beantwortung mancher Positionen, bei denen erst Rückfragen notwendig waren.

Um Menschen mit Sehbehinderungen die Umfragebearbeitung zu erleichtern, wurde die Umfrage-Website weitgehend barrierefrei gestaltet (z.B. durch Erklärung von Akronymen und Kennzeichnung fremdsprachlicher Ausdrücke).

1.2.1 Vorgehen

Die Umfrage wurde vom 1. Februar bis zu 31. Juli 2016 partiell-öffentlich durchgeführt. Informationen und Bitten um Teilnahme wurden über direkte Ansprache (Mailing, Newsletter, Artikel-Platzierung in anderen Fachmedien etc.) verteilt. Der Zugang war nicht reglementiert; alle, denen die Einstiegsseite (URL) bekannt war, konnten ohne Einschränkungen teilnehmen.

Die Befragung war so strukturiert, dass mehrere Auswertungsgruppen eingeplant waren: Praktizierende BEM-Anwender_innen, TN mit BEM in Planung und solche, die das BEM nicht anwenden.

Ein erster Teil wurde obligatorisch von allen TN beantwortet. Eine abschließende Frage selektierte den weiteren Verlauf: Teil 2 war für die „BEM-Planer“ vorgesehen und Teil 3 für die BEM-Praktiker.Für Teilnehmende, die das BEM nicht anwenden und sich dennoch beteiligten, wurde die Umfrage nach dem ersten Abschnitt beendet.

In Abgrenzung zu den beiden anderen Gruppen wurden den „Planern“ die TN zugeordnet, die zwar noch kein BEM durchführen, sich jedoch bereits in einer Vorbereitungs-, zumindest jedoch Planungsphase zum BEM befinden und hierzu Angaben machen können.

Der Fragebogen umfasste insgesamt 18 Fragen für die Gruppe ohne BEM, 35 Fragen für die Gruppe der „Planer“ und 58 Fragen für die „Praktiker“. Insgesamt wurden verwertbare Antworten von 2.151TN gegeben. Von diesen wird das BEM bereits aktiv in 1.648 Organisationen praktiziert, in 232 ist es geplant; kein BEM haben 271 der Teilnehmenden3.

1.2.2 Besonderheiten und Einschränkungen der Auswertung

Die Intention der Untersuchung ging davon aus, dass sich ein plurales Spektrum an Organisationen/Unternehmen und Personen beteiligen würden. Optimal im Hinblick auf Verall-gemeinerung und Interpretationsfähigkeit der Antworten wäre eine etwa gleiche Verteilung an Betriebsgrößen (gemessen an der Belegschaftszahl) und der Funktion der Teilnehmenden gewesen.

Durch die zielgerichtete Ansprache potentieller TN und den grundsätzlichen offenen Zugang zur Umfrage ergaben sich in Folge jedoch sehr homogene Panels (z.B. in den Merkmalen Betriebsgrößeund Funktionsbereiche) bedingt, die sich in mehreren Details nicht signifikant unterscheiden lassen.

3 Vgl. auch 1.2.3 Befragungsgruppen

Page 42: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

11Teil 3 – ipeco Hamburg10 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Hervorzuheben ist etwa die jeweilige Betriebsgröße (nach MA):

Tabelle 1: Betriebsgrößen (Alle TN)

Wie die Übersicht zeigt, haben 57 Prozent der durch die Teilnehmenden vertretenen Unternehmen über 501 und mehr Mitarbeiter_innen (MA). Schließt man hier die Gruppe der Organisationen mit 200 bis 500 MA mit ein, so wird deutlich, dass sie zu 79,6 Prozent belegschaftsstarke Unternehmen in dieser Umfrage repräsentieren.

Die dargestellte Struktur ist im Prinzip sowohl in der Gruppe der Planer als auch der Praktiker aufzeigbar. Lediglich die TN, die kein BEM anwenden, sind im Hinblick auf die Belegschaftsgröße etwas ausgewogener vertreten (ca. 36% bis 100 MA).

Generalisierende Aussagen über Kleinbetriebe (bis 50 MA) können aufgrund ihrer geringen Repräsentanz (5,8%) in der Untersuchung nur schwer getroffen werden. Stattdessen wird im späteren Verlauf auf eine Definition von Kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) mit Belegschaften bis zu 199 MA zurückgegriffen.

Eine weitere Disparität ergibt sich aus der Funktion der Antwortenden, welche zu Beginn der Befragung um eine Selbstzuordnung gebeten wurden (Mehrfachnennungen waren möglich):

Tabelle 2: Position im Unternehmen (Alle TN; Mehrfachnennungen)

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Es zeigt sich hier eine deutliche Dominanz in den Funktionsgruppen der betrieblichen Interessen-vertretungen (41,8%), der Schwerbehindertenvertrauenspersonen (34,9%) und der BEM-Anwender (BEM-Koordinatoren und -Teams 37,7%).

Gleichzeitig sind Geschäfts-/Unternehmensleitungen mit 2,2% deutlich unterrepräsentiert und auch Personalverantwortliche (7,5%) und Führungskräfte (6,0%) sind unter den Antwortenden nur sehr schwach vertreten.

Über die genannten quantitativen Aspekte hinaus wird noch auf eine Besonderheit hingewiesen, die auf den Rahmen der Untersuchung zurückzuführen ist: Im Verlauf der Befragung wurden die TN an verschiedenen Stellen zu ihrer Einschätzung über Einstellungen (Akzeptanz, Verhalten etc.) von Dritten aus ihrer Organisation gebeten. Zum Beispiel wurde die Frage gestellt, wie hoch die Akzeptanz des BEMs in verschiedenen Teilgruppen (Alters-, Geschlechts- bzw. Funktionsgruppen) des Unternehmens aus ihrer Sicht ist. Es handelt sich bei diesen Antworten somit um keine direkteRückmeldung der gemeinten Gruppen, sondern um eine subjektive Einschätzung der Befragten.

Diese strukturelle Ausgangslage ist bei der weiteren Darstellung und der abschließenden Analyse der Befragungsergebnisse entsprechend zu berücksichtigen. Repräsentative Aussagen, die über die folgende Beschreibung der Umfrageantworten hinausgehen, sind an dieser Stelle nicht durchführbar.

1.2.3 Befragungsgruppen

Wie beschrieben, wurde durch die Art der Befragung (dreiteiliger Online-Fragebogen) eine automatische Gruppenzuordnung vorgenommen, welche die TN nach ihrem jeweiligen Status im BEM unterscheidet:

Diagramm 1

Aus der Gesamtgruppe (Nalle: 2.151) wurden drei Untergruppen differenziert:

BEM-Planer (NPlaner: 232) BEM-Praktiker (NPraktiker: 1.648) Kein BEM (NkeinBEM: 271)

Page 43: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

13Teil 3 – ipeco Hamburg12 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diese Unterscheidung diente dem Zweck, innerhalb der beiden Phasen der BEM-Planung/Vorbereitung und der BEM-Praxis mögliche Gemeinsamkeiten herauszustellen und auf Faktoren hinzuweisen, die die Einführung bzw. Anwendung des BEMs strukturell bestimmen.

Die Gruppe derer, deren Unternehmen kein BEM planen oder anwenden wird im Weiteren nicht getrennt ausgewertet, sondern dort, wo sich sinnvolle Bezüge herstellen lassen, als vergleichende Referenz eingesetzt.

An dieser Stelle ist noch in Erinnerung zu rufen, dass es sich bei der Befragung um eine Querschnittsanalyse4 handelt und die Praktiker somit nicht aus der Gruppe der Planer hervorgegangen sind. Insbesondere im Hinblick auf mögliche Veränderungen im Hinblick auf Erwartungen und Ziele, die mit der Einführung des BEMs verbunden sind, wäre eine spätere Vergleichbarkeit mit den korrespondierenden Antworten der Praktiker von großem Interesse. Eine solche Untersuchung kann jedoch ausschließlich eine Längsschnittanalyse5 leisten und bleibt dieser vorbehalten.

1.2.4 Herkunft und Selbstzuordnung

Die Unternehmen/Organisationen der Gesamtgruppe aller Antwortenden haben ihren (Haupt-)Sitz verteilt über die ganze Bundesrepublik und einige andere Staaten (EU-Staaten: 37, USA: 17, Japan: 2, andere:7).

Innerhalb der deutschen Bundesländer kamen die meisten Antworten aus Nordrhein-Westfalen (N: 388), Bayern (271), Baden-Württemberg (267), Hessen (156), Berlin (117), Schleswig-Holstein (101)und Hamburg (107):

4 Damit ist eine Befragung auf gleicher Zeitebene gemeint 5 In einer Längsschnittanalyse findet die Untersuchung über einen bestimmten (oder auch unbegrenzten) Zeitrahmen hinweg statt. Damit wird es etwa möglich Veränderungen aufzuzeigen, die sich bei identischen Personen oder Funktionsbereichen ergeben im Laufe der Zeit ergeben. Am Beispiel dieses Untersuchungsthemas könnte beispielsweise aufgezeigt werden, welche Veränderungen in Einstellungen oder Randbedingungen sich ergeben, wenn die Organisationen der Befragten von der Planungs- in die Anwendungsphase übergehen.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Abbildung 1: TN-Herkunft (ALLE)

Dabei ordneten sich die Teilnehmenden selbst überwiegend diesen Branchen zu: Öffentliche Verwaltung (293), Gesundheitswesen (201), Metallverarbeitung (180), Maschinenbau (116) und Soziale Dienste (103).

Page 44: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

15Teil 3 – ipeco Hamburg14 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

2 Planer: BEM in der Vorbereitungsphase

Die Planer (N: 232) verorteten sich geografisch folgendermaßen:

Hier fällt (ebenso wie in den anderen Gruppen) ein starkes West-/Ost-Gefälle auf: Relativ wenig TN kamen aus Ostdeutschland (Ausnahme: Berlin). Einzig das Saarland weist ähnlich geringe Antworten auf.

Dauer der Planungen

Gut die Hälfte (55,8%) der TN, deren Unternehmen sich in der Vorbereitungsphase zum BEM befinden, planen das BEM bereits bis zu 12 Monate. Diese Gruppe rechnet mit einem Einstieg in die Praxisphase innerhalb der nächsten 6 bis 12 Monate.

Motivation zur BEM-Einführung

Die Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements istunterschiedlich motiviert. HäufigeGründe liegen etwa in einer Reduzierung der krankheitsbedingten Fehlzeiten, in der Förderung der MA-Gesundheit oder in der Erfüllung gesetzlicher Erfordernisse.

Unabhängig hiervon bedarf es grundsätzlicher Kenntnisse über die vom Gesetzgeber intendierten Ziele eines BEM wie auch über Art und Weise der Durchführung. Derartiges Wissen kann in den Unternehmen nicht grundsätzlich vorausgesetzt werden.

In der Regel stehen für die Einführung eines BEM-Prozesses in die Betriebe externe Organisationen (z.B. Integrationsämter, Sozialversicherungsträger, Gewerkschaften und Arbeitgeber-Verbände) bereit, die beratende Unterstützung anbieten. Dies gilt ebenso für die spätere laufende Praxis, für die auch diverse Fördermöglichkeiten durch die Sozialversicherungsträger und die Integrationsämter existieren.

Abbildung 2 (Gruppe PLANER)

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Für die Befragung galt es daher weniger, etwaiges vorhandenes Wissen abzufragen, sondern festzustellen, ob Kenntnisse über derartige Hilfen vorhanden waren/sind. Als Indikator wird hierfür die Inanspruchnahme externer Hilfe herangezogen.

2.1 Informationsquellen

Diese Gruppe der Planer bot mit insgesamt 232 TN keine sinnvolle Möglichkeit der Differenzierung wie sie später bei den Praktikern vorgenommen wird.

Die ersten Informationen erhielten die Planer (analog zu den Praktikern) zum überwiegenden Teil von den betrieblichen Interessenvertretungen (45,7%) und den Gewerkschaften (47,9%). Da auch hier eine sehr homogene TN-Gruppe vorliegt, sind vor allem die externen Informationsquellen interessant.

Diagramm 2 (N: 188; in % - Mehrfachnennungen)

Es zeigt sich, dass von den Teilnehmenden, die sich zum Befragungszeitraum noch in der Planungs-/Vorbereitungsphase befanden, die Fachinstitutionen Integrationsämter (29,8%) und Integrations-fachdienste (13,8%) sowie die Fachpresse (25,5%), gefolgt von Berufsgenossenschaften (15,4%) und Krankenkassen (12,8%) sehr häufig genannt wurden. Alle anderen liegen einstelligen Bereich und sind damit von geringerer Relevanz.

Zwischen-Fazit: Als Erstinformationsquelle nehmen neben den Gewerkschaften und betrieblichen Interessenvertretungen die Integrations-Fachdienste wichtige Positionen ein. Diese Aufteilung lässt sich im Grunde bei allen Betriebsgrößen beobachten und unterscheidet sich (wie später aufgezeigt wird) kaum von den Praktikern.

1,6

5,9

15,4

45,7

25,5

47,9

29,8

13,8

12,8

5,3

2,1

0 10 20 30 40 50 60

Arbeitsagentur

Arbeitgeberverband

Berufsgenossenschaft/Unfallkasse

Betriebliche Interessenvertretung

Fachpresse

Gewerkschaft

Integrationsamt

Integrationsfachdienst

Krankenkasse

Rentenversicherer

Sonstiges

Planer: Durch wen/was haben Sie erstmalig von den Möglichkeiten des BEM gehört?

Page 45: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

17Teil 3 – ipeco Hamburg16 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

2.2 Externe Hilfen

Nach diesen Anregungen, die zur Einführung des BEMs führen und die auch begleitend zur Verfügung stehen, gilt es für die betrieblichen Akteure, den eigenen Wissensstand zu verfestigen und auszubauen.

Dabei wird das eigene know how durch laufenden Informationsaustausch, durch Qualifizierung und durch Inanspruchnahme externer Beratung und Unterstützung weiter ausgebaut.

Während der Planungs- und Vorbereitungsphase, ist der Bedarf an Hilfestellungen besonders ausgeprägt. Dementsprechend nutzt ein Großteil der Planer diese Angebote; jedoch hatte gut jedes dritte Unternehmen (noch) keine derartige Hilfe in Anspruch genommen (34,5%):

Diagramm 3 [N: 174, in % - Mehrfachnennungen]

Am häufigsten genannt wurden Gewerkschaften (20,7%), Integrationsämter und Berufsgenossenschaften (je 14,4%). Unterstützung durch Bildungsanbieter nahmen 13,2% wahr, Krankenkassen (10,3%) und Arbeitgeberverbände (11,5%) lagen im Mittelfeld der Nennungen.

Zwischen-Fazit: Externe Hilfen werden in der Gruppe der Planer oftmals noch selten wahrgenommen. Insbesondere bei kleinen Unternehmen kann hier noch viel Unterstützung geleistet werden.

2,3

11,5

1,1

14,4

13,2

6,3

20,7

14,4

6,9

1,7

10,3

5,7

4,0

9,2

34,5

0 5 10 15 20 25 30 35 40

Agentur für Arbeit

Arbeitgeberverband

Arbeitskammer/Arbeitnehmerkammer

Berufsgenossenschaft/Unfallkasse

Bildungsanbieter

Datenschutzfachmann/-frau

Gewerkschaft

Integrationsamt

Integrationsfachdienst

IHK/Handwerkskammer

Krankenkasse

Rechtsanwalt/Rechtsanwältin

Rentenversicherer

Unternehmensberatung / freiberufliche Beratung

Nein: Es wird keine externe Hilfe in Anspruch…

Planer: Nimmt das Unternehmen bei der Einführung Hilfe von externen Stellen in Anspruch?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

2.3 Anforderungen an weitere Hilfen

Diagramm 4 [N: 232, in % - Mehrfachnennungen]

Auf die Frage, welche Informationen sich die Planer wünschen, antworteten diese mit dem Bedarf nach einem Austausch von Praxisinformationen (77,2%). Unmittelbar danach folgt der Wunsch, stets über die aktuellen rechtlichen Rahmenbedingungen auf dem Laufenden gehalten zu werden (65,5%).

Das Aneignen und Auffrischen solcher Kenntnisse kann über betriebliche und/oder außerbetriebliche Qualifizierungsprozesse (Seminare, Weiterbildungen, Arbeitskreise) sichergestellt werden. Auf eine entsprechende Frage gaben jedoch ein Viertel der TN (25,3%) an, dass noch keine Weiterbildung stattgefunden hätte, bei 44,7% wurde diese in Aussicht gestellt. Lediglich bei 30% hatte eine Fortbildung bereits stattgefunden.

2.4 Rolle betrieblicher Akteure

Bei der Neu-Einführung funktionaler Handlungsinstrumente spielen Kooperationsbereitschaft und konstruktives Agieren der beteiligten Akteure eine zentrale Rolle für ihr Gelingen.

Dies gilt auch für die Institutionalisierung des BEMs in einer Organisation. Dabei sind sowohl möglicherweise unterschiedliche Zielvorstellungen als auch Interessenslagen zu berücksichtigen.

Bereits im Vorfeld des BEMs, in der Planungsphase, gilt es, alle an diesem Prozess Beteiligten für das Vorhaben zu gewinnen und auf ein vergleichbares Informationsniveau zu bringen, um so die notwendigen weiteren Schritte gemeinsam vorzubereiten.

65,5

77,2

35,3

8,2

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Regelmäßige Informationen über Gesetzeslage

Informationen aus der Praxis: Wie es andere…

Sonstige regelmäßige Informationen

Das kann ich noch nicht sagen

Planer: Welche weiteren Informationen bei und nach der Einführung wäre für Ihr Unternehmen hilfreich?

Page 46: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

19Teil 3 – ipeco Hamburg18 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

2.4.1 Eigene Positionierung zum BEM

Auf eine entsprechende Frage stuften sich die Planer zum größten Teil als Befürworter des BEMs ein:

Diagramm 5 [N: 216, in %]

Bei 13% scheint allerdings noch eine gewisse Ambivalenz vorzuherrschen, die vielleicht auf die noch mangelnden praktischen BEM-Erfahrung zurückzuführen sind.

2.4.2 Intentionen und Ziele des BEMs

Da in der Phase der Planung und Vorbereitung meist noch keine eigenen Erfahrungen vorliegen, sind die Ziele, die mit einer BEM-Einführung verbunden werden, wichtig für die Motivation der beteiligten Akteure und für die angestrebte Akzeptanz innerhalb der Belegschaft. Befragt, welche positiven Auswirkungen durch das BEM zu erwarten seien, wurden diese Antworten gegeben:

Diagramm 6 [Planer ; N: 232 ; in % - Mehrfachnennungen]

44,4

39,8

13,0

2,3

0,5

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

sehr positiv

positiv

neutral

negativ

sehr negativ

Planer: Wie stehen Sie persönlich dem BEM gegenüber?

25,0

35,3

62,9

50,9

43,1

32,8

57,3

17,2

56,9

55,6

4,7

0 10 20 30 40 50 60 70

Abfederung der Folgen des demografischen Wandels

Besseres, angstfreies Betriebsklima

Einfluss auf die Fehlzeitenentwicklung

Erhalt von Arbeitsplätzen

Erhalt von Fachkräften

Erhalt von Fachwissen

Prävention

Senkung der Mitarbeiter_innen-Fluktuation

Stärkung der Mitarbeiter_innen-Gesundheit

Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften

Sonstiges

Welche positiven Erwartungen und Ziele werden im Unternehmen mit der geplanten BEM-Einführung verbunden?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Unter den gegebenen Antworten sticht eine sehr pragmatische hervor: Der gewünschte Einfluss auf die Fehlzeiten im Unternehmen. Damit steht für fast zwei von drei Befragten das Problem der krankheitsbedingten Fehltage im Vordergrund (62,9 %). Aber auch „Prävention“ (57,3 %) und „Stärkung der Mitarbeiter_innen-Gesundheit“ (56,9 %) sind als Motivationsgründe etabliert.

Dass stabile Arbeitsverhältnisse erheblich zum „Erhalt von Arbeitsplätzen“ (50,9 %) und von „Fachwissen“ (32,8 %) beitragen und durch ein praktiziertes BEM vielleicht eher bewahrt werden können, sehen ebenfalls viele TN.

Auch, dass mit einer BEM-Einführung den gesetzlichen Anforderungen Genüge getan wird, spiegelt sich in den Antworten wider (55,6 %).

Nicht auszuschließen sind andere (Neben-)Wirkungen des BEMs. Danach gefragt, antworteten die TN:

Diagramm 7 [Planer ; N: 232 ; in % - Mehrfachnennungen]

Am Häufigsten wurden „Nebeneffekte durch nicht optimal auf die betrieblichen Belange angepasste Umsetzung des BEMs“ (46,1 %) angeführt. Dies könnte auf eine in dieser Phase noch vorhandene Unsicherheit auf die spätere BEM-Arbeit zurückzuführen sein. Zudem kann es ein Hinweis auf vorhandenen Differenzen zwischen den Akteuren in der Planung sein (vgl. Praktiker)

20,3

34,1

46,1

7,8

8,6

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Erleichterte Kündigungen

BEM als Fehlzeitengespräch mit Sanktionscharakter

Nebeneffekte durch nicht optimal auf die…

Negativer Einfluss auf die Fehlzeitenentwicklung

Nichts davon

Welche sonstigen Auswirkungen erwarten Sie mit der geplanten BEM-Einführung?

Page 47: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

21Teil 3 – ipeco Hamburg20 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

2.4.3 Befürworter

Die Befragung ergab, dass sich die bIV (59,1%) und die SBV (46,1%) als besonders deutliche Unterstützer erwiesen:

Diagramm 8 [N:232, in % - Mehrfachnennungen]

Aber auch Geschäfts-/Unternehmensleitungen (15,5%) und Personalverantwortliche (27,2%) sind hier als konstruktive Akteure auszumachen.

Eine größere Rolle spielen hierbei auch noch die Betriebsärzte (19,4%) und Arbeitsschutzausschüsse (14,2%).

2.4.4 Skeptiker

Doch es gibt auch immer kritische Positionen, die Neues begleiten. Bei den Antworten der Befragtenfällt hier vor allem die Nennung der Belegschaften auf, die mit 27,6% recht häufig genannt werden.

Noch häufiger wurden nur Führungskräfte (30,2%) und Geschäfts-/Unternehmensleitungen (28,4%)auf die Seite der BEM-Kritiker verwiesen. Aber auch die Personalverantwortlichen sehen das BEM in dieser Phase der Vorbereitung/Planung noch skeptisch (22,4%).

Zwischen-Fazit: Die Planer sind mehrheitlich positiv zum BEM eingestellt.

Deutliche Unterstützung während der Planungs-/Vorbereitungsphase registrierten die Planer bei Interessen- und Schwerbehindertenvertretungen (SBV), Geschäftsleitungen und Personal-verantwortlichen. Auch Betriebsärzte und Gesundheitsmanagement sind in diesem Zusammenhang mit deutlich positiven Einstellungen häufig genannt worden.

Eher skeptisch schienen sich in dieser Phase die jeweiligen Belegschaften und Führungskräfte zu verhalten.

14,2

19,4

11,2

6,9

15,5

6,9

59,1

27,2

46,1

3,9

0 10 20 30 40 50 60 70

Arbeitsschutzausschuss (ASA)

Betriebsarzt/-ärztin

Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASI)

Führungskräfte

Geschäfts-/Unternehmensleitung

Gesundheitsmanagement (Ausschuss/Zirkel)

Betriebliche Interessenvertretung

Personalverantwortlicher/-verantwortliche…

Schwerbehinderten-Vertrauensperson

Sonstige

Planer: Durch wen wurden die Planungen zur Einführung innerhalb des Unternehmens besonders unterstützt?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

2.5 Einfluss auf die Einführung des BEMs durch ausgewählte Faktoren…2.5.1 … Betriebsalter

Ein Aspekt bei der Analyse des BEMs in Organisationen ist die Frage, ob das Alter eines Unternehmens eine Rolle bei der BEM-Einführung spielt. Wie auch bei den Praktikern ist das BEM am stärksten in der Gruppe der Unternehmen vertreten, die seit über 40 Jahren bestehen:

Diagramm 9 - [N: 225, in %]

Zwischen-Fazit: Zu vermuten ist, dass junge Unternehmen zunächst Prioritäten setzen, die sich auf das Einziehen grundlegender Strukturen und die eigene Marktbehauptung beziehen. Ältere Unternehmen dagegen können sich aufgrund bestehender Routinen eher dem Ausbau innerbetrieblicher Strukturen (und „weicher“ gesetzlichen Anforderungen) widmen.

2.5.2 … Unternehmensgröße

Aufgrund der im Hinblick auf die Unternehmensgrößen sehr homogene Stichprobe (vgl. Punkt 1.2.2) sind hier keine belastbaren Aussagen zwischen den befragten Gruppen zu treffen. Es gaben nur 20,5% aller TN eine MA-Zahl von bis zu 199 an (200 bis 500 MA: 22,6%; 501 MA und mehr: 57%).

Dies spiegelt sich auch in der Gruppe der Planer wider:

0,9

0,4

3,1

3,1

7,1

15,6

69,8

- 20,0 40,0 60,0 80,0

bis zu einem Jahr

bis 2 Jahre

bis 5 Jahre

bis 10 Jahre

bis 20 Jahre

bis 40 Jahre

über 40 Jahre

Planer: Alter des Unternehmens

Page 48: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

23Teil 3 – ipeco Hamburg22 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 10 [N: 222, in %]

Zwischen-Fazit: Dennoch bleibt festzuhalten, dass fast Dreiviertel (72,5%) aller Planer aus Organisationen mit 200 und mehr MA kommen. Offensichtlich ist somit die Chance einer BEM-Planung und späteren -Einführung bei mitarbeiterstarken Unternehmungen signifikant höher als bei kleineren.

2.5.3 … Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte

Neben der reinen Belegschaftsgröße ist auch der Anteil von schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten MA zu untersuchen. Hierbei zeigte sich die folgende Verteilung:

Diagramm 11 (Planer; N: 215; in %) Diagramm 12 (Kein BEM; N: 238; in %)

Im Vergleich zu den TN ohne BEM sind bei den Planern (aufgrund der 5%-Grenze) mit 69,8% deutlich weniger Unternehmen ausgleichsabgabenpflichtig (Kein BEM: 77,8%). Nur eine Minderheit in beiden Gruppen beschäftigt mehr als 10% Schwerbehinderte/Gleichgestellte.

2.5.4 … Branche

Die beiden meistvertretenen Branchen innerhalb der Planergruppe ist mit 13,8% die der „Metallverarbeitung“, gefolgt vom „Gesundheitswesen“ (10,2%). Beide nehmen auch bei den

8,1

8,6

10,8

27,5

45,0

0 10 20 30 40 50

5 bis 50

51 bis 100

101 bis 199

200 bis 500

501 und mehr

Planer: Anzahl Mitarbeiter_innen

21,9

47,9

24,2

6,0

0 10 20 30 40 50 60

unter 2%

3 bis 5%

6 bis 10%

mehr als 10%

Schwerbehinderte/Gleichgestellte(Gruppe: Planer)

39,1

38,7

17,6

4,6

0 10 20 30 40 50

unter 2%

3 bis 5%

6 bis 10%

mehr als 10%

Schwerbehinderte/Gleichgestellte(Gruppe: Kein BEM)

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Praktikern einen hohen Wert ein (8,2% bzw. 9,6%), wenngleich dort die „Öffentliche Verwaltung“ mit 16,1 % an der Spitze der Nennungen steht (Planer: 8,0%). Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass in der öffentlichen Verwaltung aufgrund politischer Vorgaben das BEM früher und häufiger umgesetzt wurde.

Ähnlich stark sind noch die unspezifizierten Gruppen „Sonstige Dienstleistungen“ (8,9%) und „Sonstige Industrie“ (8,0%) vertreten.

2.5.5 … Belegschaftsalter

Das durchschnittlich genannte Belegschaftsalter aller TN liegt bei 44,3 Jahren. Dies unterscheidet sich nur unwesentlich von der Gruppe der Praktiker (44,5%), der Planer (43,6%) und der Unternehmen, die kein BEM haben (43,9%).

Zwischen-Fazit: Mit diesem Ergebnis kann nur belegt werden, dass das Belegschaftsalter in den Unternehmen der Befragten sehr homogen ist und es darum keine signifikanten Merkmale zwischen den unterschiedlichen BEM-Stadien gibt.

2.5.6 … Betriebs-/Personalräte und Schwerbehindertenvertrauenspersonen

Das Vorhandensein von Betriebs-/Personalräten und Schwerbehindertenvertrauenspersonen im Allgemeinen kann nach den bisher aufgezeigten Auswertungen als eine positive Voraussetzung für eine BEM-Einführung gewertet werden.

Nahezu alle TN verfügen in ihren Unternehmen über diese Interessenvertretungen:

Diagramm 13 [ALLE TN; in % - Mehrfachnennungen]

63,2

28,8

8,6

43,2

65,2

26,4

2,8

0,0

0 10 20 30 40 50 60 70

Betriebsrat

Personalrat

Mitarbeitervertretung

Jugend- und Auszubildendenvertretung

Schwerbehindertenvertretung

Aufsichtsrat

nein

in Gründung

Gesamtgruppe: Existenz von...

Page 49: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

25Teil 3 – ipeco Hamburg24 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Bei den Planern sieht es nicht grundsätzlich anders aus:

Diagramm 14 [Planer; in % - Mehrfachnennungen]

Zwischen-Fazit: Nur 5,2 % der Planer (2,8% der Praktiker) verfügen über keinen Betriebs-/Personalrat bzw. eine Mitarbeitervertretung. Die Existenz betrieblicher Interessenvertretungen kann somit als Indikator für eine positive Entwicklung des BEMs gesehen werden.

Ein besonderes Gewicht dürfte jedoch den SBV zukommen, die hier mit 62,5% die zweitstärkste Gruppe ausmachen. Es ist davon auszugehen, dass sie aufgrund ihres genuinen Arbeitsbereiches ein BEM konstruktiv begleiten und fördern (werden).

2.5.7 … Aufsichtsräte

In der Gruppe der Planer ist in etwa in jedem vierten Unternehmen ein Aufsichtsrat (24,1%) vor-handen; dies ist nahe am Durchschnitt aller TN (26,4%). Lediglich die Praktiker weisen eine höhere Aufsichtsratsquote auf (30,1%):

Vorhandensein eines Aufsichtsrates

Tabelle 3 Anteil von Aufsichtsräten in TN-Gruppen

Zwischen-Fazit: In etwa jedem vierten Unternehmen der Planer ist ein Aufsichtsrat etabliert, in der Gruppe derer, die kein BEM planen oder praktizieren, zu 14%. Aufgrund dieser Verteilung kann ein negativer oder positiver Zusammenhang zwischen dessen Existenz und einer BEM-Einführung auf dieser Ebene nicht hergestellt werden.

76,7

14,7

6,5

42,7

62,5

24,1

5,2

0,4

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Betriebsrat

Personalrat

Mitarbeitervertretung

Jugend- und Auszubildendenvertretung

Schwerbehindertenvertretung

Aufsichtsrat

nein

in Gründung

Planer: Existenz von...

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

2.5.8 … Beschäftigungsformen

Ebenso wie bei der praktischen Durchführung des BEMs ist es interessant zu wissen, ob ein Zusammenhang zwischen bestimmten Beschäftigungsformen im Unternehmen und der Planung zu einem BEM bestehen. Dazu zeigte sich folgendes Bild:

Diagramm 15 [in % - Mehrfachnennungen]

In den Unternehmen der befragten Planer existieren in neun von zehn Fällen Normalarbeits-verhältnisse (= Festanstellung); in etwa zwei von dreien sind auch befristete Anstellungen möglich. 17,7% nannten Beschäftigung über Werkverträge. Prekäre Arbeitsverhältnisse wie Zeit-/Leiharbeitund Geringfügig Beschäftigte weisen 36,6% bzw. 24,6% der Befragten aus.

2.5.9 … Betriebliches Gesundheitsmanagement

Analog zu den Ergebnissen der Praktiker-Auswertung erweist sich die Existenz eines BGMs als eine gute Voraussetzung, um ein BEM einzuführen: Während nur 18,6% der TN, deren Unternehmen ein BEM weder planen noch einsetzen, über ein BGM verfügen, sind dies bei den Planern bereits 40,9% (Praktiker: 76,2%).

Diagramm 16 [BGM nach TN-Gruppen; in % - Mehrfachnennungen]

90,5

64,7

36,6

17,7

24,6

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Unbefristete Festanstellung

Befristete Anstellung

Zeitarbeit/Leiharbeit

Beschäftigung über Werkverträge

Geringfügig Beschäftigte

BEM in Planung in Unternehmen mit:

65,2

40,9

76,2

18,6

0 10 20 30 40 50 60 70 80

alle TN

Planer

Praktiker

kein BEM

Vorhandensein eines BGM

Page 50: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

27Teil 3 – ipeco Hamburg26 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

2.5.10 … Mitarbeiter_innen-Fluktuation

Deutliche Anhaltspunkte dafür, dass bei den Planern die MA-Fluktuation eine herausgehobenere Rolle spielt als bei den Unternehmen ohne BEM, lassen sich aus den gegebenen Antworten nicht ableiten:

Diagramm 17 [N: 221; in % - Mehrfachnennungen] Diagramm 18 [N: 261; in % - Mehrfachnennungen]

In beiden Gruppen liegt die Einschätzung einer hohen bzw. sehr hohen Fluktuation mit 28,5% (Planer) und 22,6% (kein BEM) in einem eher niedrigen Bereich, so dass ein Zusammenhang zwar bestehen mag, jedoch als nicht bestimmend angesehen wird.

2.5.11 … Sonstiges

Die Existenz eines oder mehrerer Qualitätsmanagementsysteme liegt in der Gruppe der Planer mit 82,6% nahe am Durchschnitt aller Befragten (83,2%). Über betriebliche Inklusionsvereinbarungen verfügen die Planer in ihren Unternehmen nur zu 27,4% (alle: 49,9%).

Diagramm 19 [N: diverse; in % - Mehrfachnennungen]

14,0

21,7

35,7

20,8

7,7

0 10 20 30 40

sehr gering

gering

normal

hoch

sehr hoch

Planer: Fluktuation

82,6

44,9

69,1

40,4

27,4

9,2

24,1

64,1

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

ein oder mehrere Qualitätsmanagementsysteme (QMS)?

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)?

Gefährdungsbeurteilung (physisch)?

Gefährdungsbeurteilung (psychisch)?

betriebliche Integrations-/Inklusionsvereinbarungen?

demografische Vereinbarungen?

Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung?

Krankenrückkehr-/Fehlzeitengespräche?

Planer: Existieren im Unternehmen:

9,2

24,9

43,3

17,2

5,4

0 10 20 30 40 50

sehr gering

gering

normal

hoch

sehr hoch

Kein BEM: Fluktuation

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

2.6 Konkrete Planung zur BEM-Durchführung

2.6.1 Zuständigkeit

Für die Durchführung des BEMs verfügen die Planer über konkrete Vorstellungen. Nach denen soll mehrheitlich die Zuständigkeit an ein Team (79,1%) übergeben werden; in 17,9% soll diese bei einereinzelnen Person liegen. Eine externe Beauftragung sahen zum Befragungszeitpunkt drei Prozent vor.

Dort, wo ein BEM-Team geplant ist (durchschnittlich genannte Größe: 4,4 Personen), sollen diese Personen/Funktionen einen oder mehrere Plätze erhalten:

Diagramm 20 [N: 217; in % - Mehrfachnennungen]

2.6.2 Betriebs-/Dienstvereinbarungen (BV/DV)

BV/DV dienen dazu, eine klare Prozessstruktur zu etablieren, die Berechenbarkeit und Sicherheit in Durchführung und Zielen des BEMs sicherstellt. Zu fast Zweidrittel (65,2%) gaben die Planer an, einederartige Vereinbarungen herbeiführen zu wollen (bereits vorhanden: 11,4%). In 18,4% der Fälle ist über den Abschluss einer BV/DV noch nicht entschieden und 5% wollen auf eine solche verzichten.

2.6.3 Weitere Hilfestellungen nach der BEM-Einführung

Auch nach der Etablierung des BEMs im Unternehmen stehen den Verantwortlichen vielfältige externe Hilfestellungen zur Verfügung, die jedoch diesen noch nicht in vollem Umfang bekannt sind:

80,2

19,4

7,4

6,0

5,1

28,1

18,4

18,4

68,7

61,8

5,1

5,5

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Betriebliche Interessenvertretung

Geschäftsleitung

Gleichstellungsbeauftragter/-beauftragte

Integrationsbeauftragter/-beauftragte

Integrationsfachdienst

Medizinischer Dienst

Mitarbeiter/Mitarbeiterinnen

Mittlere Führungsebene

Personalabteilung

Schwerbehindertenvertretung

Sozialer Dienst

Untere Führungsebene

Planer: Welcher Personen-/Funktionskreis soll im BEM-Team vertreten sein?

Page 51: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

29Teil 3 – ipeco Hamburg28 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 21 [N: 232; in % - Mehrfachnennungen]

Hier stehen die Integrationsfachdienste und -ämter mit fast Zweidrittel der Nennungen an erster Stelle, gefolgt von den Sozialversicherungsträgern (SVT), den Agenturen für Arbeit und den Gewerkschaften. Arbeitgeberverbände und andere Kammern sind als mögliche Anlaufstellen für weitere BEM-Unterstützungen nur schwach vertreten.

Hintergrund hierfür sind in erster Linie die jeweiligen schwerpunktmäßigen, gesetzlich verankerten Zuständigkeiten und Aufträge der Sozialversicherungsträger. Zudem ist auch hier wieder die hohe Anzahl der Schwerbehindertenvertrauenspersonen unter den Befragungsteilnehmenden zu bedenken, die zu einem hohen Grad gewerkschaftlich organisiert sind, deren Ansprechpartner die Integrationsämter und deren Fachdienste sind und die zudem - genauso wie die Betriebsärzte und geschulte Fallmanager - in der Regel durch Erfahrungen und Schulungen besser auf die Praxis in der BEM-Beratung vorbereitet sind.

2.6.4 Qualifizierung und Weiterbildung

Um die BEM-Zuständigen mit dem erforderlichen Fachwissen auszustatten, werden von unter-schiedlichen Bildungsträgern entsprechende Schulungen angeboten. Sie sollen die Verantwortlichen dazu befähigen, fachlich kompetente und (auf der persönlichen Ebene) einfühlsame Verfahren durchführen zu können. Die Frage, ob BEM-Mitarbeiter bereits geschult worden seien, bejahten 30% der Planer; 44,7% gaben an, dass dies noch erfolgen solle, während 25,3% mit „nein“ antworteten.

37,1

7,3

1,7

53,9

35,3

4,3

65,1

0,9

47,8

0 10 20 30 40 50 60 70

Agentur für Arbeit

Arbeitgeberverband

Arbeitskammer/Arbeitnehmerkammer

Berufsgenossenschaft/Unfallkasse

Gewerkschaften

Industrie- und Handelskammer

Integrationsamt/Integrationsfachdienste

Handwerkskammer

Rentenversicherung

Planer: Nach der BEM-Einführung können außerbetriebliche Hilfestellungen zu Ihrer Unterstützung abgerufen werden. Von welcher

dieser Institutionen ist Ihnen dies bekannt?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

2.7 FAZIT: Planer

• Die Planer selbst sind mehrheitlich positiv zum BEM eingestellt.

• Als Erstinformationsquelle nehmen neben den Gewerkschaften und betrieblichen Interessen-vertretungen die Integrationsämter und -Fachdienste wichtige Positionen ein. Danach folgen die Fachpresse sowie Berufsgenossenschaften und Krankenkassen. Alle anderen liegen im einstelligen Bereich und sind damit von geringerer Relevanz.

• Externe Hilfen werden eher selten wahrgenommen. Insbesondere bei kleinen Unternehmen kann hier noch viel Unterstützung geleistet werden.

• Gewünscht an weiteren Hilfen werden Praxisinformationen und aktuelle Auskünfte zur rechtlichen Ausgestaltung des BEMs. Qualifizierende Weiterbildungen wurden bei den Planern bislang nur in relativ geringem Umfang angeboten.

• Als herausragende Unterstützer während der BEM-Einführung haben sich die betrieblichen Interessen-und Schwerbehindertenvertretungen erwiesen, aber auch Geschäfts-/Unternehmensleitungen und Personalverantwortliche wurden überwiegend als konstruktive Akteure genannt. Eher kritisch schienen sich in dieser Phase die jeweiligen Belegschaften und Führungskräfte zu verhalten.

• Die überwiegende Mehrheit der Planer kommt aus größeren Organisationen mit 200 und mehr MA.Offensichtlich ist somit die Chance einer BEM-Planung und späteren -Einführung bei mitarbeiterstarken Unternehmungen deutlich höher als bei kleineren.

• Neben „Metallverarbeitung“ und „Gesundheitswesen“ sind in dieser Gruppe die „Öffentlichen Verwaltungen“ als häufigste Branchen genannt worden. Insbesondere bei Letzterer könnte dies darauf zurückzuführen sein, dass hier aufgrund politischer Vorgaben das BEM früher und häufiger umgesetzt wurde.

• Nahezu alle TN verfügen in ihren Unternehmen über Betriebs-/Personalräte und SBV, was deren Vorhandensein damit als Indikator für eine positive Entwicklung des BEMs erscheinen lässt. In etwa jedem vierten Unternehmen der Planer ist ein Aufsichtsrat etabliert 6.

• Ein BGM erweist sich als gute Voraussetzung für ein BEM.

• Ein Zusammenhang zwischen BEM-Planung und stärkerer MA-Fluktuation kann nicht nachgewiesen werden.

• Die Mehrheit der Planer verfügt in ihren Unternehmen über ein oder mehrere Qualitätsmanagement-systeme, über physische Gefährdungsbeurteilungen und über Krankenrückkehr-/Fehlzeitengespräche.

• Überwiegend wollen die Planer nach dem Start des BEMs die Verantwortung und Durchführung hierfür einem Team übertragen. Hierin vertreten sein sollen als häufigste Nennungen betriebliche Interessen-und Schwerbehindertenvertretungen, die jeweilige Personalabteilung und der Medizinische Dienst sein. Die Geschäftsleitung soll in etwa jedem fünften Team einen Platz finden.

6 Dies korrespondiert vor allem mit der Größe der Unternehmen und deren Rechtsform. AGs und KGs auf Aktien müssen zwingend einen Aufsichtsrat haben. In der Mitbestimmungsform ab 2.000 MA. Die Rechtsform spielte jedoch in dieser Umfrage keine Rolle.

Page 52: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

31Teil 3 – ipeco Hamburg30 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

• Fast Zweidrittel der Befragten wollen eine BV/DV abschließen, bei über 11% ist eine solche bereits vorhanden.

• Rund jeder vierte TN aus der Planergruppe wurde nicht durch Schulungen/Seminare auf seine/ihreTätigkeit vorbereitet; dreißig Prozent wurden bereits geschult, bei 44,7% ist dies noch beabsichtigt.

• Das Wissen über weitere Hilfestellungen nach dem BEM-Start durch verschiedenste externe Institutionen ist bei den Integrationsämtern und deren Fachdiensten, den Sozialversicherungsträgern, den Agenturen für Arbeit und den Gewerkschaften noch recht schwach ausgeprägt. Insbesondere Arbeitgeberverbände und Kammern als mögliche Anlaufstellen für weitere BEM-Unterstützungen können hier noch Aufklärungsarbeit leisten.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3 Praktiker: BEM in der Umsetzung

Die Planer (N: 1.648) gaben die folgenden Angaben zum (Haupt-)Sitz ihres Unternehmens:

Hier fällt (analog zu den anderen Gruppen) ein starkes West-/Ost-Gefälle auf: Relativ wenige TN verorteten ihren Firmensitz in Ostdeutschland (Ausnahme: Berlin). Einzig das Saarland und Bremen weisen ähnlich geringe Antworten auf.

Strukturelle Randbedingungen

Mehr als Dreiviertel der Praktiker (76,5%) arbeiten in Unternehmen, die älter als 40 Jahre sind. Die meisten (41,9%) sind privatrechtlich organisiert (öffentlich-rechtlich: 33,1%; gemeinnützig: 13,9%; sonstige: 11,1%).

Als Geschäftsbereich wird zu 40,1% „international“, zu 37,7% „regional“ und zu 18,8% „bundesweit“ angegeben. EU-weit tätig sind nur 3,4%.

Die meisten der Praktiker kommen aus dem Bereich der „Öffentlichen Verwaltung“ (16,1%), gefolgt vom „Gesundheitswesen“ (9,6%) und der „Metallverarbeitung“ (8,2%). Am seltensten wurden die Branchen „Wohnungsbau und -verwaltung“, „Zeit-

/Leiharbeit“ und „Verpackungen“ mit jeweils 0,1% genannt.

Vorbereitung und Planung

Die gesetzlichen Grundlagen (§ 84.2 SGB IX) für das Betriebliche Eingliederungsmanagementwurden 2004 gelegt und in den nachfolgenden Jahren durch die Rechtsprechung in zahlreiche Urteilen konkretisiert.

Von daher war zu erwarten, dass die Zahl der BEM-praktizierenden Organisationen in den Jahren nach 2004 erst langsam und später stärker ansteigen würde.

Abbildung 3: Gruppe Praktiker

Page 53: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

33Teil 3 – ipeco Hamburg32 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 22 [N: 1.293; in %]

Wie sich zeigt, hat gut die Hälfte der Unternehmen das BEM in Jahren von 2008 bis 2012 eingeführt, danach ist ein deutlicher Rückgang zu verzeichnen. Dem waren entsprechende Planungs- und Vorbereitungszeiten vorausgegangen:

Diagramm 23 [N: 1.102; in %]

Es wird deutlich, dass nur eine Minderheit (9,9 %) hierfür einen Zeitraum von zwei oder mehr Jahren benötigte. In den meisten Fällen konnte nach drei Monaten bis zwei Jahren das BEM in die Praxisphase überführt werden.

Kleine und mittelständische Unternehmen (KMU)7

Da unter den TN die Organisationen mit einer hohen Belegschaftszahl dominieren, hier noch ein Blick auf KMU. Diese sind offensichtlich erst später als die Gesamtgruppe der Praktiker aktiv geworden, denn jedes zweite Unternehmen in dieser Kategorie begann mit der BEM-Umsetzung erst in den Jahren 2013 bis 2016 (2004 bis 2007: 11,7%; 2008 bis 2012: 38,3%).

7 Die Definitionen der Betriebsgrößen, die unter den Begriff KMU gefasst sind, variieren. In dieser Untersuchung fallen Betriebe mit 5 bis 199 MA unter diese Kategorie.

15,2

50,6

34,2

0 10 20 30 40 50 60

2004 bis 2007

2008 bis 2012

2013 bis 2016

Jahr der BEM-Einführung

26,1

35,8

17,2

10,9

6,9

3,0

0 5 10 15 20 25 30 35 40

etwa 3 bis 6 Monate

etwa 7 bis 12 Monate

etwa 1 1/2 Jahre

etwa 2 Jahre

länger als 2 Jahre

länger als 5 Jahre

Dauer der Planungsphase

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Offensichtlich existierten hier auch bessere Randbedingungen während der Planungszeit, denn 56,6% von ihnen schlossen die BEM-Vorbereitungen bereits nach maximal 6 Monaten ab (7 bis 12 Monate: 23,2%). Nur etwa jedes fünfte KMU benötigte hierfür 1,5 Jahre und länger.

3.1 Informationsquellen

Voraussetzung für eine gelungene innerbetriebliche Kommunikation ist die Qualität und der Umfang der Informationen, die den BEM-Protagonisten zur Verfügung steht.

Auf die Frage, von wem erstmals Kenntnis über Ziele und Möglichkeiten des BEM erlangt wurde, zeigt sich bei der gesamten TN-Gruppe der Praktiker, dass hier die betrieblichen Interessen-vertretungen (43 %), Gewerkschaften (33,4 %) und Integrationsämter (21,2 %) und deren Fachdienste (9,2%) deutlich die ersten Ränge einnehmen:

Diagramm 24 [Gruppe: Alle Praktiker; N: 1.366; in % - Mehrfachnennungen]

Eine größere Rolle spielten auch die Fachpresse (17,1 %) und die Berufsgenossenschaften (10,8%), gefolgt von den Krankenkassen (7,0 %) und Arbeitgeberverbänden (6,2 %).

Für die Informationsvermittlung in dieser Phase waren sowohl Rentenversicherer als auch Arbeitsagenturen weitgehend ohne Einfluss. Bei den kleineren Unternehmen mit bis zu 50 MA wurde die Erstinformationsgewinnung im Detail anders strukturiert:

6,2

1,6

10,8

43,0

17,1

33,4

21,2

9,2

7,0

3,7

18,0

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Arbeitgeberverband

Arbeitsagentur

Berufsgenossenschaft/Unfallkasse

Betriebliche Interessenvertretung

Fachpresse

Gewerkschaft

Integrationsamt

Integrationsfachdienst

Krankenkasse

Rentenversicherer

Sonstiges

Durch wen/was haben Sie erstmalig von den Möglichkeiten des BEM gehört?

Page 54: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

35Teil 3 – ipeco Hamburg34 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 25 [Gruppe: Praktiker 5 bis 50 MA; N: 31; in % - Mehrfachnennungen]

bIV und Gewerkschaften werden zwar auch hier noch am häufigsten genannt, doch spielen hier Berufsgenossenschaften/Unfallkassen (25,8%) eine deutlich größere Rolle als in der Gesamtgruppe. Die thematische Behandlung des BEMs in der Fachpresse (17,1%) wurde in den kleinen Unternehmen offensichtlich wesentlich weniger rezipiert, während die Rolle der Arbeitgeberverbändeannähernd gleichbleibt und Arbeitsagenturen keine einzige Nennung erfuhren. Integrationsämter und -Fachdienste werden zwar seltener als Informationsquelle genannt, bleiben mit 25,8% aber noch im relevanten Bereich.

Da Kleinunternehmen besonderen Bedingungen etwa in Bezug auf bIV unterliegen, hier noch ein Vergleich zu den befragten KMU:

Diagramm 26 [Gruppe: Praktiker bis 199 MA; N: 179; in % - Mehrfachnennungen]

6,5

0,0

25,8

29,0

9,7

32,3

12,9

12,9

3,2

3,2

25,8

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Arbeitgeberverband

Arbeitsagentur

Berufsgenossenschaft/Unfallkasse

Betriebliche Interessenvertretung

Fachpresse

Gewerkschaft

Integrationsamt

Integrationsfachdienst

Krankenkasse

Rentenversicherer

Sonstiges

Durch wen/was haben Sie erstmalig von den Möglichkeiten des BEM gehört?

11,2

1,1

17,3

37,4

14,5

29,6

14,0

5,6

10,1

4,5

20,1

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Arbeitgeberverband

Arbeitsagentur

Berufsgenossenschaft/Unfallkasse

Betriebliche Interessenvertretung

Fachpresse

Gewerkschaft

Integrationsamt

Integrationsfachdienst

Krankenkasse

Rentenversicherer

Sonstiges

Durch wen/was haben Sie erstmalig von den Möglichkeiten des BEM gehört?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Spitzenreiter unter den BEM-Informationsquellen auch hier betrieblichen Interessenvertretungen und Gewerkschaften, die zusammen rund Zweitdrittel der Antworten auf sich vereinen können (NallePraktiker:76,4%, Nbis50MA: 61,3%). Bei den KMU scheinen die Arbeitgeberverbände mit 11,2% eine deutlich größere Informationsrolle zum BEM zu spielen als in den anderen Teilgruppen, während Integrationsämter und -Fachdienste gemeinsam mit 19,6% nur knapp über den Berufsgenossen-schaften (17,3%) liegen.

Allerdings haben die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen für den Funktionskreis der Unternehmens-/Geschäftsleitungen (alle Praktiker) eine erheblich größere Rolle gespielt: Mehr als jeder zweite Teilnehmende gab an, dass sie ihre Erstinformation hier erhalten haben (52,6%). Auch die Fachpresse (36,8%) hatte bei der Informationsgewinnung einen deutlich größeren Einfluss. Aber innerhalb dieser Funktionsgruppe haben ebenfalls bIV (21,1%) und Gewerkschaften (15,8%) zurBEM-Erstinformationen beigetragen. Arbeitgeberverbände (15,8%) und Arbeitsagenturen (10,5%) sind in dieser Gruppe häufiger als bei den anderen genannt worden.

Zwischen-Fazit: Erste Informationsquelle zum BEM im Unternehmen sind überwiegend die jeweiligen betrieblichen Interessenvertretungen und die Gewerkschaften sowie das Integrationsamt und auch die Fachpresse. Nur in den kleinen Unternehmen spielen auch die Berufsgenossenschaften und die Arbeitgeberverbände eine größere Rolle als Informationsgeber zum BEM.

Page 55: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

37Teil 3 – ipeco Hamburg36 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.2 Externe Hilfen

Die Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements erfordert viel konzeptionelle Vorarbeit. Es müssen rechtliche Rahmenbedingungen geprüft und auf die konkreten Bedingungen der betrieblichen Praxis angewandt werden. Da anfangs selten auf eigene Erfahrungen zurückgegriffen werden kann, erlangen Angebote zur Hilfestellung von dritter Seite eine hohe Bedeutung.

Es war zu prüfen, welche Anregungen und Hilfen von außen während der BEM-Praxis genutzt werden:

Diagramm 27 [Alle Praktiker; N: 1.648; in % - Mehrfachnennungen]

Bei den gegebenen Antworten stechen bei den institutionellen Hilfen die Integrationsämter (48,9 %), die Kammern (27,4 %) und die Berufsgenossenschaften (25,5 %) hervor. Arbeitsagenturen, Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände spielen offensichtlich nur eine untergeordnete Rolle.

Nicht erstaunlich ist der relativ hohe Anteil der laufenden Rechtsberatungen durch Anwälte, da der BEM-Prozess immer wieder juristische Bereiche berührt, die rechtssicher geregelt werden müssen.

Ob sich dieses Bild auch bei den befragten Kleinunternehmen (5 bis 50 MA) widerspiegelt, wurde getrennt ausgewertet. Dabei zeigte sich eine deutliche Spitzenposition der Integrationsämter (28,9%), der Gewerkschaften und Unternehmens- und freiberuflichen Berater (je 15,6%).Berufsgenossenschaften/Unfallkassen wurden von 11,1% der Befragten genannt, Rentenversichererund Rechtsberatung (je 2,2%) fallen im Vergleich zur Gesamtgruppe deutlich zurück. Krankenkassensind bei den Kleinunternehmen als externe Unterstützer gar nicht vertreten. Auffällig ist hier allerdings die Zahl derer, die keinerlei externe Beratung und Unterstützung beanspruchten (28,9%).

13,5

5,3

0,7

25,5

8,4

2,1

10,7

48,9

27,4

3,6

26,7

3,8

14,4

13,0

0 10 20 30 40 50 60

Agentur für Arbeit

Arbeitgeberverband

Arbeitskammer/Arbeitnehmerkammer

Berufsgenossenschaft/Unfallkasse

Bildungsanbieter

Datenschutzfachmann/-frau

Gewerkschaft

Integrationsamt

IHK/Handwerkskammer

Krankenkasse

Rechtsanwalt/Rechtsanwältin

Rentenversicherer

Unternehmensberatung / freiberufliche Beratung

Nein: Es wird keine externe Hilfe in Anspruch genommen

Nimmt das Unternehmen in der laufenden BEM-Praxis Hilfe und Anregungen von außerbetrieblichen Stellen in Anspruch?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Demgegenüber ergab sich bei den KMU auf dieselbe Frage ein leicht abweichendes Bild:

Diagramm 28 [KMU; N: 221; in % - Mehrfachnennungen]

Hier werden die Angebote der Integrationsämter ebenfalls in hohem Maße in Anspruch genommen, gefolgt von Unternehmens- und freiberuflichen Beratern, von den Kammern, Berufsgenossenschaftenund Rechtsexperten. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände sind in dieser Aufzählung zwar leicht stärker als in der Gesamtgruppe der Praktiker vertreten, liegen aber insgesamt nur im Mittelfeld der Nennungen.

Während bei allen Praktikern der Anteil derer, die bislang keine Hilfen und Beratungsleistungen in Anspruch genommen haben, bei 13,0% liegt, erhöht er sich bei den KMU auf 19,9%.

Weitere Unterstützung für das BEM

Zusätzlich zu bereits vorhandenen Angeboten wünschten sich alle Praktiker Unterstützung in diesen Bereichen: Wie es andere machen („best practice“): 64,5%, regelmäßige Informationen über die Gesetzeslage zum BEM (43,4%) und die konkrete gesetzliche Ausgestaltung (35,7%).

Der Wunsch nach Praxisinformationen ist in allen Unternehmensgrößen der am meisten genannte (Kleinunternehmen: 70,7%; KMU: 45,3%).

Zwischen-Fazit: Für die Betriebe, die ein geregeltes BEM durchführen, existieren zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsangebote, die zu einem großen Teil auch entsprechend wahrgenommen werden. Ein nicht unwesentlicher Teil dieser Unternehmen scheint diese Angebote jedoch entweder nicht zu kennen oder zumindest nicht zu nutzen. Dies wird am stärksten bei den Unternehmen mit bis zu 50 MA deutlich: Es wird damit ein Zusammenhang zwischen

6,36,3

0,517,6

7,20,5

11,337,6

19,51,8

14,04,5

20,419,9

0 5 10 15 20 25 30 35 40

Agentur für ArbeitArbeitgeberverband

Arbeitskammer/ArbeitnehmerkammerBerufsgenossenschaft/Unfallkasse

BildungsanbieterDatenschutzfachmann/-frau

GewerkschaftIntegrationsamt

IHK/HandwerkskammerKrankenkasse

Rechtsanwalt/RechtsanwältinRentenversicherer

Unternehmensberatung / freiberufliche BeratungNein: Es wird keine externe Hilfe in Anspruch genommen

Nimmt das Unternehmen in der laufenden BEM-Praxis Hilfe und Anregungen von außerbetrieblichen Stellen in Anspruch?

Page 56: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

39Teil 3 – ipeco Hamburg38 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Unternehmensgröße und Inanspruchnahme von externen Beratungs- und Hilfsleistungen aufzeigbar.Über die existierenden Angebote hinaus bestehen deutliche Wünsche vor allem nach Praxisinformationen und regelmäßige Mitteilungen über die aktuelle BEM-Rechtslage.

3.3 Fördermittel

Wie bei den externen Hilfestellungen kann die Beanspruchung von Fördermitteln innerhalb des BEM-Prozesses wesentlich zu dessen Erfolg beitragen. Hierzu zählen die entsprechenden Förder-möglichkeiten der Sozialversicherungsträger (DRV, KK ,BG, AA) sowie der Integrationsämter, Berufsgenossenschaften, Rentenversicherer etc. ebenso wie eigene Investitionen, die das Unternehmen selbst zur Umsetzung erforderlicher BEM-Maßnahmen bereitstellt.

Auf die Frage, ob bisher für das BEM derartige Förderungen in Anspruch genommen wurden, antworteten von 1.269 befragten Praktikern 29,0% mit „Nein“, 42,4% gaben die Integrationsämter als Mittelgeber an, gefolgt von den Rentenversicherern (31,5%). Eigene Mittel stellten 19,3% der Unternehmen bereit und 12,8% der Fördermittel kam von den Berufsgenossenschaften/Unfallkassen.(Arbeitsagenturen und Krankenkassen: je 12,1%; sonstige Stelle: 2,0%).

Zum Vergleich die Teilgruppen der Kleinunternehmen und der KMU:

Kleinunternehmen:

Diagramm 29 [N: 33 ; in % - Mehrfachnennungen]

3,0

0,0

6,1

9,1

3,0

9,1

3,0

75,8

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Agentur für Arbeit

Berufsgenossenschaft/Unfallkasse

Eigene (Arbeitgeber-)Mittel

Integrationsamt

Krankenkasse

Rentenversicherer

Sonstige Stelle

Nein

Hat das Unternehmen bisher im Rahmen der BEM-Verfahren Fördermittel in Anspruch genommen? (Gruppe: Kleinunternehmen mit 5 bis 50 MA)

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

KMU:

Diagramm 30 [N: 156 ; in % - Mehrfachnennungen]

Der Vergleich der Kleinunternehmen und der KMU mit allen Praktikern zeigt, dass Förderungen umso seltener in Anspruch genommen wurden, je kleiner das Unternehmen ist. Integrationsämter undRentenversicherer liegen in der Hierarchie der Mittelgeber an führender Stelle, gefolgt von den Mitteln, die Unternehmen selbst für BEM-Maßnahmen bereitstellen.

Zwischen-Fazit: Auch an dieser Stelle sei noch einmal darauf hingewiesen, dass die Gruppe der SBV bei den Umfrage-TN sehr hoch ist. Sie sind Vertrauenspersonen und Berater für Menschen mit Behinderungen und ihnen Gleichgestellte. Für diese sind auch die Integrationsämter - als Fördermittelgeber den SVT nachgeordnet - zuständig. Nicht nachweisbar in dieser Umfrage ist, in der welcher Rolle (BEM-Team-Mitglied oder SBV) die jeweiligen TN geantwortet haben. Das ist jedoch insofern zweitrangig, als die geförderten Menschen jedenfalls zur BEM-Zielgruppe gehören.

3.4 Rolle betrieblicher Akteure

Die Einführung eines BEMs bedeutet für jedes Unternehmen mehr oder minder starke Eingriffe in bestehende Organisationsstrukturen. Vielfach ist vorab nicht absehbar, wie sich das BEM auf die verschiedenen betrieblichen Bereiche auswirken wird. So ist etwa die Akzeptanz innerhalb der Belegschaft ein zentraler Punkt für eine erfolgreiche Umsetzung in der Praxis. Um eine optimale Gestaltung dieses neuen Instruments zu erreichen, gilt es daher, von vornherein möglichst viele betriebliche Akteure in die vorbereitenden Planungen mit einzubinden.

3,8

5,1

7,1

22,4

5,8

13,5

1,9

61,5

0 10 20 30 40 50 60 70 80

Agentur für Arbeit

Berufsgenossenschaft/Unfallkasse

Eigene (Arbeitgeber-)Mittel

Integrationsamt

Krankenkasse

Rentenversicherer

Sonstige Stelle

Nein

Hat das Unternehmen bisher im Rahmen der BEM-Verfahren Fördermittel in Anspruch genommen? (Gruppe: KMUs)

Page 57: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

41Teil 3 – ipeco Hamburg40 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.4.1 Eigene Positionierung zum BEM

Auf die Frage, wie sie selbst zum BEM in ihrem Unternehmen stehen, gaben rund neun von zehn aller Praktiker eine positive Verortung an (sehr positiv: 43,3%; positiv: 33,5%; eher positiv: 12,8%).Für rund jeden Zehnten gilt eine eher negative bis sehr negative Einstellung (eher negativ: 7,3%; negativ: 2,6%; sehr negativ: 0,3% - neutral: 0,3%).

Unterschiede im Detail zeigen sich allerdings in den unterschiedlichen Funktionsbereichen, in denen Unternehmensleitungen und Führungskräfte deutlich kritischer zum BEM stehen als die Gesamtgruppe. Auch Betriebs-/Personalräte und Personalverantwortliche sind in Teilen noch etwas skeptisch:

Tabelle 4: Eigene Position zum BEM

3.4.2 Intentionen und Ziele des BEM

Für ein gelungenes BEM und die damit verbundene Akzeptanz im Unternehmen ist von hoher Bedeutung, welche Erwartungen mit dem BEM verbunden sind und wie diese kommuniziert werden.

Auf eine entsprechende Frage mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten gaben die Praktiker folgende Statements ab:

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 31 [Alle Praktiker; N: 1.648 ; in % - Mehrfachnennungen]

Diese sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen sind in ihrer Gesamtheit nur bedingt geeignet, ein engagiertes Interesse oder gar einen Legitimitätsanspruch bei den betrieblichen Akteuren zu erzielen. Während Einfluss auf Fehlzeitenentwicklung und Umsetzung gesetzlicher Erfordernisse rational-formalistische Begründungen repräsentieren, sind die Zielpersonen des BEM - die Häufig- undLangzeiterkrankten – relativ schwach in diesem Erwartungs-Bouquet vertreten. Sollte das vorab auch so kommuniziert worden sein, kann dies als eine mögliche Erklärung für die geringe Akzeptanz bei den Beschäftigten angesehen werden.

15,7

25,5

63,6

47,9

34,0

27,9

50,8

10,1

46,9

60,0

4,8

0 10 20 30 40 50 60 70

Abfederung der Folgen des demografischen Wandels

Besseres, angstfreies Betriebsklima

Einfluss auf die Fehlzeitenentwicklung

Erhalt von Arbeitsplätzen

Erhalt von Fachkräften

Erhalt von Fachwissen

Prävention

Senkung der Mitarbeiter_innen-Fluktuation

Stärkung der Mitarbeiter_innen-Gesundheit

Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften

Sonstiges

Welche konkreten Erwartungen und Ziele werden im Unternehmen heute mit dem eingeführten BEM verbunden?

Page 58: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

43Teil 3 – ipeco Hamburg42 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Möglichkeit negativer Auswirkungen

In einer Zusatzfrage sollten Angaben darüber gemacht werden, welche weiteren (mögliche)Wirkungen des BEM bereits eingetreten sind oder erwartet werden:

Abbildung 4: Mögliche BEM-Auswirkungen (N: 785; in %; Mehrfachnennungen)

Anzahl der TN in dieser Gruppe, die keine der genannten Auswirkungen feststellen oder erwarten: 863.

Die am häufigsten genannte Antwort in dem Teil der Gesamtgruppe mit Befürchtungen zu negativen Auswirkungen (N: 785) ist mit 37,7% „Nebeneffekte durch nicht optimal auf die betrieblichen Belange angepasste Umsetzung des BEMs“. Die Möglichkeit des BEMs als „Fehlzeitengespräch mit Sanktionscharakter“ glauben 34,4% nicht ausschließen zu können, und „Erleichterte Kündigungen“als mögliche Folge des BEMs befürchtet etwa jeder fünfte Praktiker. Nur 6% sehen einen denkbaren „negativen Einfluss auf die Fehlzeitenentwicklung“.

Insgesamt 863 TN rechnen mit keiner der genannten Möglichkeiten.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Um zu prüfen, ob die genannten Befürchtungen aus der Gesamtgruppe der Praktiker sich gleichermaßen auch bei den verschiedenen betrieblichen Akteuren wiederfindet oder ob es hier signifikante Unterschiede gibt, werden hier die Antworten ausgewählter Funktionsgruppen dargestellt:

Die meisten Umfrage-TN, die sich der BEM-Koordination zuordneten, teilten die genannten Befürchtungen nicht (N: 193). Der verbliebene skeptische Teil (N: 71) sah aber deutlicher als die Gesamtgruppe eine Gefahr erleichterter Kündigungen durch die BEM-Einführung. Die Möglichkeit, dass das BEM zum sanktionierenden Fehlzeitengespräch umfunktioniert werden könnte, sahen sie allerdings viel seltener als die Gesamtgruppe.

Mehr als jede_r Zweite formulierte jedoch die Befürchtung, dass ein nur suboptimal durchgeführtes BEM zu unerwünschten Nebeneffekten führen könnte:

Abbildung 5: Mögliche BEM-Auswirkungen (N: 71; in %; Mehrfachnennungen)

Anzahl der TN in dieser Gruppe, die keine der genannten Auswirkungen feststellen oder erwarten: 193.

Page 59: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

45Teil 3 – ipeco Hamburg44 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Die Haupt-Akteure im BEM-Prozess, die Mitglieder der BEM-Teams, sahen in ihrer deutlichen Mehrheit (N: 295) keine negativen Auswirkungen des BEMs, währen die eher skeptischen TN dieser Gruppe (N: 150) eine relativ hohe Skepsis zum Ausdruck brachten. Vor allem in der Befürchtung unerwünschter Nebeneffekte und sanktionierender Fehlzeitengespräche lagen sie deutlich über demGesamt-Durchschnitt der Gruppe:

Abbildung 6: Mögliche BEM-Auswirkungen (N: 150; in %; Mehrfachnennungen)

Anzahl der TN in dieser Gruppe, die keine der genannten Auswirkungen feststellen oder erwarten: 295.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Während die meisten TN (N: 43) aus der Gruppe der Betriebsärzte keine negativen Auswirkungen erwartete, lag ihr skeptischer Teil (N: 38) mit seinen Einschätzungen in der Nähe des Gesamtdurchschnitts. Lediglich in der Kategorie eines möglichen negativen Einflusses auf die Fehlzeitenentwicklung lag der Anteil der Nennungen doppelt so hoch wie in der gesamten Praktikergruppe:

Abbildung 7: Mögliche BEM-Auswirkungen (N: 38; in %; Mehrfachnennungen)

Anzahl der TN in dieser Gruppe, die keine der genannten Auswirkungen feststellen oder erwarten: 43.

Page 60: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

47Teil 3 – ipeco Hamburg46 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Die größte TN-Gruppe unter den Praktikern stellten die Betriebs- und Personalräte dar. Von ihnen vermuteten jedoch die weitaus meisten (N: 361) keine der genannten Befürchtungen. Die Skeptiker(N: 250) unter ihnen lagen mit ihren negativen Einschätzungen jedoch in allen Kategorien deutlich über der Gesamtgruppe:

Abbildung 8: Mögliche BEM-Auswirkungen (N: 250; in %; Mehrfachnennungen)

Anzahl der TN in dieser Gruppe, die keine der genannten Auswirkungen feststellen oder erwarten: 361.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Interessant zu sehen war, wie sich Führungskräfte in diesen Fragen positionieren. Obwohl auch hier die meisten TN (N:63) keine der angeführten Befürchtungen teilten, liegen die übrigen Antworten (N: 25) doch deutlich über dem Durchschnitt der gesamten Praktikergruppe:

Abbildung 9: Mögliche BEM-Auswirkungen (N: 25; in %; Mehrfachnennungen)

Anzahl der TN in dieser Gruppe, die keine der genannten Auswirkungen feststellen oder erwarten: 63.

Page 61: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

49Teil 3 – ipeco Hamburg48 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Die Antworten der Skeptiker (N: 39) unter den Personalverantwortlichen lagen ausnahmslos über dem Gesamtdurchschnitt der Praktiker. Auch hier allerdings erwarten die meisten Mitglieder (N: 68) dieser Funktionsgruppe keine negativen Auswirkungen durch das BEM:

Abbildung 10: Mögliche BEM-Auswirkungen (N: 39; in %; Mehrfachnennungen)

Anzahl der TN in dieser Gruppe, die keine der genannten Auswirkungen feststellen oder erwarten: 68.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Ein Drittel der TN (N: 9) aus den Unternehmensleitungen sieht mögliche negative Folgen aus einer BEM-Einführung, während der Rest (N: 19) keine Befürchtungen in diese Richtung ausdrückt:

Abbildung 11: Mögliche BEM-Auswirkungen (N: 9; in %; Mehrfachnennungen)

Anzahl der TN in dieser Gruppe, die keine der genannten Auswirkungen feststellen oder erwarten: 19.

Page 62: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

51Teil 3 – ipeco Hamburg50 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.4.3 Skeptiker

Neue innerbetriebliche Strukturen können ebenso wie veränderte Organisationsprinzipien und Zielvorgaben in Unternehmen zu kritischen Stimmen führen, die die jeweiligen Vorhaben begleiten.Dies trifft auch auf das BEM zu, wie die Befragten der Gesamtgruppe der Praktiker angaben:

Diagramm 32 [Alle Praktiker ; N: 1.648 ; in % - Mehrfachnennungen]

Hier fallen vor allem die Nennungen dem Beschäftigten (37,9%) und der Geschäftsleitung/Führungs-kräfte (45,1%) auf. Die relativ hohe Zahl der kritischen MA kann darauf hindeuten, dass bei diesen zu diesem Zeitpunkt nur ungenügende Informationen über die Möglichkeiten des BEM verfügbar warenund sie daher dem Vorhaben entsprechend skeptisch gegenüberstanden. Auch ein insgesamt kritisches Misstrauensklima in der Betriebskultur kann Hintergrund für fehlendes Vertrauen in das BEM als Unterstützungsinstrument sein.

Noch etwas kritischer verhielten sich offenbar die Beschäftigten in der Praktiker-Teilgruppe der KMU:

1,0

37,9

1,2

6,9

1,5

28,5

16,6

0,7

11,4

11,7

3,8

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Arbeitsschutzausschuss (ASA)

Beschäftigte

Betriebsarzt/-ärztin

Datenschutzbeauftragter/-beauftragte

Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASI)

Führungskräfte

Geschäfts-/Unternehmensleitung

Gesundheitsmanagement (Ausschuss/Zirkel)

Betriebliche Interessenvertretung

Personalverantwortlicher/-liche / Personalabteilung

Schwerbehinderten-Vertrauensperson

Wer innerhalb des Unternehmens stand vor seiner Einführung dem BEM eher kritisch gegenüber?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 33 [Praktiker (KMU) ; N: 214 ;in % - Mehrfachnennungen]

Die Beschäftigten bilden auch hier die deutlich größte kritische Gruppe (41,6%), gefolgt von Führungskräften/Unternehmensleitungen (33,2%).

3.4.4 Befürworter

Wie die Antworten in dieser Praktiker-Gruppe zeigen, waren die Akteure während der Vor-bereitungsphase sehr unterschiedlich positioniert: Neben den betrieblichen Interessenvertretungen (61,0%) spielten hierbei vor allem SBV (47,7%), Personalverantwortliche (37,1%) und Geschäfts-/Unternehmensleitung (25,8%) eine konstruktive Rolle:

Diagramm 34 [Alle Praktiker; N: 1.648 ; in % - Mehrfachnennungen]

0,941,6

0,93,3

0,519,2

14,00,0

9,87,0

2,3

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

Arbeitsschutzausschuss (ASA)Beschäftigte

Betriebsarzt/-ärztinDatenschutzbeauftragter/-beauftragte

Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASI)Führungskräfte

Geschäfts-/UnternehmensleitungGesundheitsmanagement (Ausschuss/Zirkel)

Betriebliche InteressenvertretungPersonalverantwortlicher/-verantwortliche bzw.…

Schwerbehinderten-Vertrauensperson

Wer innerhalb des Unternehmens stand vor seiner Einführung dem BEM eher kritisch gegenüber?

11,7

2,0

61,0

22,4

9,2

9,0

25,8

15,4

37,1

47,7

4,7

0 10 20 30 40 50 60 70

Arbeitsschutzausschuss (ASA)

Beschäftigte

Betriebliche Interessenvertretung

Betriebsarzt/-ärztin

Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASI)

Führungskräfte

Geschäfts-/Unternehmensleitung

Gesundheitsmanagement (Ausschuss/Zirkel)

Personalverantwortlicher/-verantwortliche bzw.…

Schwerbehinderten-Vertrauensperson

Sonstige

Wer innerhalb des Unternehmens hatte die Planungen zur Einführung besonders unterstützt?

Page 63: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

53Teil 3 – ipeco Hamburg52 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Die starke Rolle der betrieblichen Interessenvertretungen zieht sich mit Ausnahme der Unternehmensgrößen bis 100 MA durch alle Teilgruppen. Dies mag damit erklärbar sein, dass in den kleineren Betrieben deutlich weniger Arbeitnehmer_innenvertretungen vorhanden sind. Das zeigt sich beispielhaft an der Gruppe der Kleinunternehmen, in denen vor allem Führungskräften und Geschäftsleitungen noch vor den betrieblichen Interessenvertretungen eine deutliche Unterstützerrolle bescheinigt wird:

Diagramm 35 [Praktiker mit 5 bis 50 MA; N: 46 ; in % - Mehrfachnennungen]

3.4.5 Kooperation in der Praxis

Bei der praktischen Umsetzung des BEMs sind durchaus Situationen denkbar, in denen unterschiedliche Interessenslagen oder unklare Zuständigkeiten der Beteiligten den Prozess behindern können.

Die Befragten konnten hierzu eine Einschätzung darüber abgeben, wie sie die Zusammenarbeit mit den verschiedenen BEM-Akteuren bewerten:

6,5

4,3

30,4

19,6

6,5

39,1

34,8

10,9

30,4

13,0

17,4

0 10 20 30 40 50 60 70

Arbeitsschutzausschuss (ASA)

Beschäftigte

Betriebliche Interessenvertretung

Betriebsarzt/-ärztin

Fachkraft für Arbeitssicherheit (FASI)

Führungskräfte

Geschäfts-/Unternehmensleitung

Gesundheitsmanagement (Ausschuss/Zirkel)

Personalverantwortlicher/-verantwortliche bzw.…

Schwerbehinderten-Vertrauensperson

Sonstige

Wer innerhalb des Unternehmens hatte die Planungen zur Einführung besonders unterstützt?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Tabelle 5: Kooperation der BEM-Akteure

Die Antworten zeigen überwiegend positive Erfahrungen auf; nur 14,9% äußern sich explizit negativ.

Dennoch sind Störungen in Ablauf und Umsetzung der BEM-Praxis nicht auszuschließen. Dies geht auch aus den Antworten nach Konfliktquellen hervor, nach denen vor allem schlechte Kommunikation(39,7%) und unflexible Entscheidungsstrukturen (35,8%) die Kooperation beeinträchtigen können. Weiter werden uneindeutige Zuständigkeiten (26,4%), starre Hierarchien (23,7%) und hoher Verwaltungsaufwand (17,3%) als mögliche Quellen benannt. Zusätzlich führt jede_r vierte Befragte mögliches Lagerdenken (26,2%) an.

Die hohe Zahl der Nennungen deutet auf eine Praxisrelevanz solch störender Faktoren hin und ließe erwarten, dass in den Unternehmen organisatorische Vorkehrungen getroffen wurden, um im Konfliktfall möglichst schnell und reibungslos zu Lösungen zu gelangen, die einen effizienten weiteren BEM-Verlauf gewährleisten können. Es wurden allerdings nur in 31,9% der Antworten angegeben,dass solche institutionalisierten Konfliktlösungen existierten.

Zwischen-Fazit: Die BEM-Akteure stehen ihrer Arbeit deutlich positiv gegenüber.

Es ist eine deutliche Dominanz rational-formalistischer Zielverfolgung mit dem BEM erkennbar (Einfluss auf Fehlzeitenentwicklung und Umsetzung gesetzlicher Erfordernisse). Bei entsprechender Kommunikation an die Beschäftigten, wäre das eine Erklärung für die skeptische Haltung zum BEM. Diese wird vor allem bei den Beschäftigten und den Geschäftsleitungen/Führungskräften ausgemacht.

Die Praxis zeigt jedoch, dass die BEM-Akteure überwiegend konstruktiv zusammenarbeiten. Es werden deutlich positive Erfahrungen gemacht. Wo Störungen auftreten, sind die Gründe häufigschlechte Kommunikation und fehlende Eindeutigkeit in den Zuständigkeiten.

Page 64: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

55Teil 3 – ipeco Hamburg54 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.5 Einfluss auf das BEM durch ausgewählte Faktoren:3.5.1 … Betriebsalter

Mehr als Dreiviertel alles Praktiker (76,5%) gaben als Alter ihres Unternehmens „über 40 Jahre“ an (zum Vergleich: Planer: 69,8%):

Planer Praktiker

Diagramm 36 [N: 225 ; in % - Mehrfachnennungen] Diagramm 37 [N: 1.589 ; in % - Mehrfachnennungen]

Zumindest für die Umfrage-Stichprobe kann damit festgestellt werden, dass die deutlich meisten Organisationen, die ein BEM planen oder bereits eingeführt haben, schon lange bestehen. Jüngere Unternehmen scheinen sich noch nicht in nennenswertem Umfang dem Thema genähert zu haben,wenn sie auch bei den Planern langsam ihren Anteil vergrößern (bis 10 Jahre: 7,5%).

3.5.2 … Unternehmensgröße

Das Merkmal „Unternehmensgröße“ wird im Folgenden mit der Anzahl der MA gleichgesetzt. Dieses Merkmal ist in der Befragungsstichprobe überproportional vertreten, so dass hierzu nur eingeschränkte Aussagen möglich sind 8.

8 vgl.: 1.2.2 Besonderheiten/Verschiebungen der Auswertungs- bzw. Rahmenbedingungen

0,9

0,4

3,1

3,1

7,1

15,6

69,8

-10 10 30 50 70 90

bis zu einem Jahr

bis 2 Jahre

bis 5 Jahre

bis 10 Jahre

bis 20 Jahre

bis 40 Jahre

über 40 Jahre

Alter des Unternehmens

0,1

0,3

1,1

3,6

7,2

11,3

76,5

-10 10 30 50 70 90

bis zu einem Jahr

bis 2 Jahre

bis 5 Jahre

bis 10 Jahre

bis 20 Jahre

bis 40 Jahre

über 40 Jahre

Alter des Unternehmens

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3,1

3,8

8,1

21,1

63,9

0 20 40 60 80

5 bis 50

51 bis 100

101 bis 199

200 bis 500

501 und mehr

Praktiker: Anzahl MA

Diagramm 38 [N: 1.565 ;in %]

Dies spiegelt sich auch in den Teilgruppen der Planer und der Praktiker wider:

Planer Praktiker

Diagramm 39 [N: 222 ; in %]

Für die befragten Praktiker lässt sich feststellen, dass 85% aus Unternehmen mit 200 und mehr MAkommen. Wie bereits bei den Planern zeigt sich eine deutliche Zurückhaltung kleinerer Organi-sationen bei der Einführung des BEMs.

3.5.3 … Schwerbehinderte und ihnen Gleichgestellte

Auch für die Gruppe der Praktiker ist neben der reinen Belegschaftsgröße auch der Anteil von schwerbehinderten oder ihnen gleichgestellten MA zu untersuchen. Hierbei zeigte sich die folgende Verteilung:

Diagramm 401 (Praktiker; N: 1.451; in %) Diagramm 412 (Planer; N: 215; in %)

Im Vergleich zu den Planern sind bei den Praktikern (aufgrund der 5%-Grenze) mit 49,3% deutlich weniger Unternehmen ausgleichsabgabenpflichtig (Planer: 69,8%). Zwar beschäftigt auch bei den Praktikern nur eine Minderheit mehr als 10% Schwerbehinderte/Gleichgestellte, doch liegt dieser Anteil um 4,4% höher.

8,1

8,6

10,8

27,5

45,0

0 20 40 60 80

5 bis 50

51 bis 100

101 bis 199

200 bis 500

501 und mehr

Planer: Anzahl MA

10,4

38,9

40,3

10,4

0 10 20 30 40 50 60

unter 2%

3 bis 5%

6 bis 10%

mehr als 10%

Schwerbehinderte/Gleichgestellte(Gruppe: Praktiker)

21,9

47,9

24,2

6,0

0 10 20 30 40 50 60

unter 2%

3 bis 5%

6 bis 10%

mehr als 10%

Schwerbehinderte/Gleichgestellte(Gruppe: Planer)

Page 65: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

57Teil 3 – ipeco Hamburg56 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.5.4 … Branche

Die TN konnten ihr Unternehmen innerhalb einer vorgelegten Liste (N: 35) einer Branche zuordnen. Die Anzahl der einzelnen Nennungen lag zwischen 1 (Wohnungsbau…) und 293 (Öffentliche Verwaltung).

Die Praktiker ordneten sich ähnlichen Branchen zu wie die Planer9. Die meisten Nennungen entfielen allerdings auf Öffentliche Verwaltung (16,1%), was auf frühzeitige politische Entscheidungen für das BEM zurückzuführen sein könnte. Es folgen Gesundheitswesen (9,6%), Metallverarbeitung (8,2%), Maschinenbau (5,5%) und soziale Dienste, Sozialeinrichtungen und Kirche (5,0%).

In der Spitzengruppe sind noch die unspezifizierten Gruppen Sonstige Industrie (7,3%) und Sonstige Dienstleistungen (7,2%) vertreten.

Am seltensten genannt wurden gewerbliche Grundstücks-, Haus- und Gebäudedienstleistungen(0,2%), Verpackungen, Zeit-/Leiharbeit und Wohnungsbau und -verwaltung (je 0,1%).

3.5.5 … Belegschaftsalter

Das durchschnittlich genannte Belegschaftsalter aller TN liegt bei 44,3 Jahren. Dies unterscheidet sich nur unwesentlich von der Gruppe der Praktiker (44,5%), der Planer (43,6%) und derer, die kein BEM einsetzen oder planen (43,9%).

Mit diesem Ergebnis ist - ebenso wie in der Gruppe der Planer - lediglich klar, dass das Belegschaftsalter in den Unternehmen der Befragten sehr homogen ist und es darum keine signifikanten Aussagen zu diesem Merkmal zwischen den unterschiedlichen BEM-Phasen unddenkbarer Auswirkung auf die BEM-Praxis möglich sind.

3.5.6 … Betriebs-/Personalräte und Schwerbehindertenvertrauenspersonen

Das Vorhandensein von Betriebs-/Personalräten und Schwerbehindertenvertrauenspersonen im Allgemeinen kann nach den vorliegenden Auswertungen als eine positive Voraussetzung für ein institutionalisiertes BEM gelten.

Es kann dies für die vorliegende Untersuchung nicht empirisch nachgewiesen werden, da nahezu 100% aller TN in ihren Unternehmen über einen Betriebs-/Personalrat bzw. über eine sonstige Interessenvertretung verfügen10:

9 vgl.: 2.5.3 … Branche 10 Damit fehlt eine eindeutige Referenzgruppe

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 42 [Alle TN; in % - Mehrfachnennungen]

Ähnlich wie in der Gesamtgruppe finden sich damit auch bei den Praktikern die angeführten Interessenvertretungen wider:

Diagramm 43 [Praktiker ; in % - Mehrfachnennungen]

63,2

28,8

8,6

43,2

65,2

26,4

2,8

0,0

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Betriebsrat

Personalrat

Mitarbeitervertretung

Jugend- und Auszubildendenvertretung

Schwerbehindertenvertretung

Aufsichtsrat

nein

in Gründung

Gesamtgruppe: Existenz von...

62,1

31,1

9,6

46,8

69,9

28,7

1,4

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Betriebsrat

Personalrat

Mitarbeitervertretung

Jugend- und Auszubildendenvertretung

Schwerbehindertenvertretung

Aufsichtsrat

nein

in Gründung

Existenz von...

Page 66: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

59Teil 3 – ipeco Hamburg58 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Selbst in der TN-Gruppe, die kein BEM durchführen, sind häufig bIV vorhanden:

Diagramm 44 [Kein BEM ; in % - Mehrfachnennungen]

Ein besonderes Gewicht dürfte jedoch in allen Gruppen den Schwerbehindertenvertrauenspersonenzukommen, die bei den Praktikern die stärkste Gruppe (69,9%) ausmachen. Es ist davon auszu-gehen, dass sie aufgrund ihres genuinen Arbeitsbereiches ein BEM konstruktiv begleiten und fördern.

In den verschiedenen Unternehmensgrößen (hier am Beispiel der Praktiker) ist das Vorhandensein der bIV sehr unterschiedlich: Je größer das Unternehmen, desto häufiger existiert ein Betriebsrat.

Diagramm 45 (Praktiker; N: 60; in %; Mehrfachnennungen) Diagramm 46 (Praktiker; N: 48; in %; Mehrfachnennungen)

58,3

27,3

4,8

21,8

39,1

14,0

9,2

-

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Betriebsrat

Personalrat

Mitarbeitervertretung

Jugend- und Auszubildendenvertretung

Schwerbehindertenvertretung

Aufsichtsrat

nein

in Gründung

Existenz von...

25,047,9

10,46,3

18,814,6

0,00,0

0 20 40 60 80 100

BetriebsratPersonalrat

MitarbeitervertretungJugend- und…

Schwerbehindertenvertret…Aufsichtsrat

neinin Gründung

Existenz von...(Gruppe:5 bis 50 MA)

50,028,3

8,36,7

28,36,76,7

0,0

0 20 40 60 80 100

BetriebsratPersonalrat

MitarbeitervertretungJugend- und…

Schwerbehindertenvertre…Aufsichtsrat

neinin Gründung

Existenz von...(Gruppe: 51 bis 100 MA)

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 47 (Praktiker; N: 127; Mehrfachnennungen) Diagramm 48 (Praktiker; N: 330; Mehrfachnennungen)

Diagramm 49 (Praktiker; N: 999; Mehrfachnennungen)

3.5.7 … Aufsichtsräte

Bei den Praktikern ist in fast jedem dritten Unternehmen ein Aufsichtsrat (30,1%) vorhanden; dies ist deutlich über dem Durchschnitt aller TN (26,4%). Lediglich die Planer weisen eine geringere Aufsichtsratsquote auf (24,1%):

Vorhandensein eines Aufsichtsrates

Tabelle 6: Anteil von Aufsichtsräten in TN-Gruppen

55,932,3

9,419,7

51,24,73,1

0,0

0 20 40 60 80 100

BetriebsratPersonalrat

MitarbeitervertretungJugend- und…

Schwerbehindertenvertret…Aufsichtsrat

neinin Gründung

Existenz von...(Gruppe: 101 bis 199 MA)

67,026,7

9,139,7

67,614,8

1,50,0

0 20 40 60 80 100

BetriebsratPersonalrat

MitarbeitervertretungJugend- und…

Schwerbehindertenvertre…Aufsichtsrat

neinin Gründung

Existenz von...(Gruppe: 200 bis 500 MA)

67,333,4

10,559,8

81,840,5

0,30,0

0 20 40 60 80 100

BetriebsratPersonalrat

MitarbeitervertretungJugend- und…

Schwerbehindertenvertret…Aufsichtsrat

neinin Gründung

Existenz von...(Gruppe: über 500 MA)

Page 67: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

61Teil 3 – ipeco Hamburg60 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Aufgeschlüsselt nach Betriebsgrößen ergibt sich bei den Praktikern das folgende Bild:

Aufsichtsräte in Unternehmen nach Betriebsgröße

Tabelle 7: Praktiker: Aufsichtsräte in Unternehmen nach Betriebsgröße

In rund 30% der Praktiker-Unternehmen ist ein Aufsichtsrat etabliert, in Unternehmensgrößen 200 und mehr MA sogar zu 55,3%.

3.5.8 … Beschäftigungsformen

Einen Überblick über die verschiedenen Beschäftigungsarten bei allen TN verschafft diese Tabelle:

Genannte Beschäftigungsformen

N %Unbefristete Festanstellung 1.989 92,5

Befristete Anstellung 1.307 60,8

Zeitarbeit/Leiharbeit 685 31,8

Beschäftigung über Werkverträge 395 18,4

Geringfügig Beschäftigte 442 20,5

Tabelle 8: Beschäftigungsarten (Gesamtgruppe)

Diese Merkmale sind, unter Berücksichtigung marginaler Abweichungen, bei den verschiedenen Teilgruppen gleichverteilt.

Diagramm 50 [Planer und Praktiker; in % - Mehrfachnennungen]

92,5

61,6

32,7

18,8

20,6

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Unbefristete Festanstellung

Befristete Anstellung

Zeitarbeit/Leiharbeit

Beschäftigung über Werkverträge

Geringfügig Beschäftigte

BEM in Planung/Ausführung in Unternehmen mit:

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Zum Vergleich die Gruppe der Unternehmen ohne BEM:

Diagramm 51 [Gruppe "Kein BEM" ; in % - Mehrfachnennungen]

Hier handelt es sich nicht um ausschließliche Beschäftigungsformen, sondern um Mehrfach-nennungen (Diagramm 42), so dass kein signifikanter Zusammenhang zwischen den Arten der Beschäftigung und der Existenz eines institutionalisierten BEMs hergestellt werden kann. Dies wird auch deutlich im Vergleich zur Gruppe der TN, die kein BEM planen oder einsetzen, wo es nur geringe Abweichungen gibt (Diagramm 43).

94,0

55,6

26,7

15,4

20,7

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Unbefristete Festanstellung

Befristete Anstellung

Zeitarbeit/Leiharbeit

Beschäftigung über Werkverträge

Geringfügig Beschäftigte

Beschäftigungformen (Gruppe "Kein BEM")

Page 68: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

63Teil 3 – ipeco Hamburg62 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.5.9 … Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)

Bestimmte vorhandene betriebliche Strukturmerkmale können durchaus das Entstehen eines institutionalisierten BEMs beeinflussen. Dies könnte beispielsweise für ein BGM, für Qualitätsmanagementsysteme (QMS) oder Inklusionsvereinbarungen gelten.

Es war zu prüfen, ob und in welchem Umfang derartige Merkmale vorhanden sind.

Diagramm 52 [Praktiker: Vorhandensein ausgewählter Merkmale; in % - Mehrfachnennungen]

Ein BGM ist entsprechend der Praktiker-Antworten in rund 8 von 10 Unternehmen (79,5%) etabliert; sie heben sich damit deutlich von den Planern und den Unternehmen ohne BEM ab:

BGMs in den TN-Unternehmen

Tabelle 9 [BGM ; in %]

Aufgrund des großen Abstands zur Gruppe der Unternehmen ohne BEM kann davon ausgegangen werden, dass ein BGM zur Entstehung des BEMs beiträgt.

85,8

79,5

86,8

62,6

58,2

22,4

44,4

72,9

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

ein oder mehrere Qualitätsmanagementsysteme (QMS)?

Betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM)?

Gefährdungsbeurteilung (physisch)?

Gefährdungsbeurteilung (psychisch)?

betriebliche Integrations-/Inklusionsvereinbarungen?

demografische Vereinbarungen?

Vereinbarungen zur Beschäftigungssicherung?

Krankenrückkehr-/Fehlzeitengespräche?

Im Unternehmen existent:

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Ob dies für alle Praktiker, unabhängig von deren Betriebsgröße gilt, macht dieses Diagramm deutlich:

Diagramm 53 [Praktiker: BGM und verschiedene Betriebsgrößen ; in %]

Bei allen Betriebsgrößen sind BGMs zu über 50% vorhanden; besonders deutlich bei den großen Unternehmen mit 200 und mehr MA. Damit ist davon auszugehen, dass ein BGM die Einführung des BEMs begünstigt.

3.5.10 … Mitarbeiter_innen-Fluktuation

Das Ausscheiden von MA kann vielfältig begründet sein: Neben individuellen oder betrieblichen Gründen können auch deren gesundheitliche Verfasstheit und damit einhergehend ihre Leistungsfähigkeit eine große Rolle spielen. Unabhängig davon, von welcher Seite ein Arbeitsplatzwechsel ausgeht, ist er für jedes Unternehmen unproduktiv, mit Kosten verbunden und im Sinne eines nachhaltigen Wissensverbleibs im Unternehmen oft nicht wünschenswert.

Einer derartigen Fluktuation vorzubeugen, sollte moderne Unternehmensstrategie sein und kann auch mit den Intentionen zum BEM verbunden werden 11)12).

Personalfluktuation ist auch im Verbund mit Fehlzeiten-Entwicklungen, Förderung der MA-Gesundheit und Arbeitsplatzerhalt zu sehen 13.

Mit 10,1% der Nennungen hatten relativ wenig Praktiker die Senkung der Fluktuation explizit mit dem BEM verbunden.

11 vgl. hierzu bei den Planern: 2.4.2 Intentionen und Ziele des BEMs 12 vgl. hierzu bei den Praktikern: 3.4.2 Intentionen und Ziele des BEMs 13 vgl. 3.6.6 Veränderungen durch das BEM

55,6

54,7

56,6

66,7

83,7

55,9

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

5 bis 50

51 bis 100

101 bis 199

200 bis 500

501 und mehr

KMUs

Praktiker: Vorhandensein eines BGM (nach MA)

Page 69: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

65Teil 3 – ipeco Hamburg64 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.5.11 … Häufige Beeinträchtigungsarten

Alle TN konnten aus einer vorgegebenen Liste Angaben zu den bekannten Beeinträchtigungen in ihrem Unternehmen machen, die zu krankheitsbedingten Fehlzeiten oder Funktionseinschränkungen führten.

Die Nennungen aller TN unterscheiden sich dabei in den einzelnen TN-Gruppen nicht signifikant. Der Vollständigkeit halber werden sie hier jedoch im Vergleich zu den Praktikern angeführt:

Diagramm 54 (Alle TN; N: 2.151; in %; Mehrfachnennungen)

Diagramm 55 (Praktiker; N: 1.648; in %; Mehrfachnennungen)

Es zeigen sich nur geringfügige Unterschiede in den genannten Beeinträchtigungsarten innerhalb der verschiedenen TN-Gruppen. Zwar ist eine deutliche Dominanz bestimmter Beeinträchtigungen erkennbar, doch lässt sich daraus kein signifikanter Zusammenhang zwischen Beeinträchtigungsart und BEM-Aktivität (Kein BEM, Planer oder Praktiker) ableiten.

84,9 47,2

10,7 22,0

9,6 11,9

23,1 23,2

74,4 9,9 10,7

4,2

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Beeinträchtigungen des Stütz- und BewegungsapparatesHerz-/Kreislauferkrankungen

Erkrankungen der VerdauungsorganeErkrankungen der Atmungsorgane

Beeinträchtigungen beim SehenBeeinträchtigungen beim Hören

Bösartige Neubildungen (onkologische Erkrankungen)Konflikte im sozialen Umfeld

Psychische BeeinträchtigungenFolgen eines Unfalls

Folgen von ArbeitsunfällenSonstige Erkrankungen

Häufige Beeinträchtigungsarten(Gruppe: Alle TN)

86,3 48,5

10,5 21,7

8,9 11,0

24,6 22,5

76,4 10,4 10,4

3,8

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Beeinträchtigungen des Stütz- und BewegungsapparatesHerz-/Kreislauferkrankungen

Erkrankungen der VerdauungsorganeErkrankungen der Atmungsorgane

Beeinträchtigungen beim SehenBeeinträchtigungen beim Hören

Bösartige Neubildungen (onkologische Erkrankungen)Konflikte im sozialen Umfeld

Psychische BeeinträchtigungenFolgen eines Unfalls

Folgen von ArbeitsunfällenSonstige Erkrankungen

Häufige Beeinträchtigungsarten(Gruppe: Praktiker)

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.6 Konkrete BEM-Umsetzung3.6.1 Zuständigkeit

Je nach Unternehmensgröße liegt die Zuständigkeit für das BEM bei einer oder mehreren Personen. Insgesamt (N: 1.374) gaben 69,0% der Praktiker an, dass die Verantwortung für die BEM-Durch-führung bei einem Team liegt. Bei 29,6% wird dies einer Einzelperson übertragen (externe Vergabe:1,3%).

Die Größe der BEM-Teams liegt bei durchschnittlich 4,1 Personen (im Vergleich Planer: 4,4 Personen):

Diagramm 56 [genannte Teamgrößen, N: 920]

Page 70: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

67Teil 3 – ipeco Hamburg66 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Betrachtet man die unterschiedlichen Unternehmensgrößen, ergibt sich dieses Bild:

Tabelle 10 (Durchschnittliche Teamgröße; N: 920)

Soweit keine anderen Vorgaben gelten, liegt die Entscheidung über die personelle Zusammen-setzung des BEM-Teams bei der jeweiligen Geschäftsführung14 . Diese kann autonom darüber entscheiden, wen sie in das Team entsendet und mit der weiteren Durchführung beauftragt, soweit es dazu keine weiteren (betriebsinternen) Vereinbarungen gibt.

In der Praxis hat sich allerdings (abhängig von Größe und strukturellen Gegebenheiten des Unternehmens) eine plurale Zusammensetzung etabliert, die verschiedene Aufgaben-/Funktions-bereiche in die Teams einbringt.

Die Befragung ergab für die Gruppe der Praktiker eine Zusammensetzung der BEM-Teams, die sich folgendermaßen zusammensetzt:

Diagramm 57 [Praktiker, N: 1.577 ; in %]

14 vgl. hierzu das Urteil des Bundesarbeitsgerichts - Beschluss vom 22. März 2016 - 1 ABR 14/14

20,2

16,8

57,8

12,4

6,5

6,2

10,5

48,5

47,4

7,2

6,7

0 10 20 30 40 50 60 70

Beschäftigte

Betriebliche Interessenvertretung

Geschäftsleitung

Gleichstellungsbeauftragter/-beauftragte

Integrationsbeauftragter/-beauftragte

Medizinischer Dienst

Mittlere Führungsebene

Personalabteilung

Schwerbehinderten-Vertrauensperson

Sozialer Dienst

Untere Führungsebene

Falls BEM-Team: Welcher Personen-/Funktionskreis ist aktuell im BEM-Team vertreten?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Besonders stark sind Unternehmens-/Geschäftsleitungen (57,8 %), Personalabteilungen (48,5 %) und Schwerbehinderten-Vertretungen (47,4 %) im Team vertreten; mittlere und untere Führungsebenen jedoch eher schwach. Auffällig ist, dass sich nur jede_r fünfte Beschäftigte (20,2 %) im Team als Mitglied wiederfindet. Betriebs-/Personalräte liegen ebenso wie Gleichstellungsbeauftragte im Mittelfeld.

Die Team-Zusammensetzung in verschiedenen Unternehmensgrößen spiegeln die nachfolgenden Übersichten wider:

Betriebsgröße: 5 bis 50 MA

Diagramm 58 [N: 38 ; in % - Mehrfachnennungen]

Betriebsgröße: 51 bis 100 MA

Diagramm 59 [N: 48 ; in % - Mehrfachnennungen]

8,113,5

43,237,8

13,50,0

13,527,0

24,30,00,0

0 10 20 30 40 50 60

BeschäftigteBetriebliche Interessenvertretung

GeschäftsleitungGleichstellungsbeauftragter/-beauftragte

Integrationsbeauftragter/-beauftragteMedizinischer Dienst

Mittlere FührungsebenePersonalabteilung

Schwerbehinderten-VertrauenspersonSozialer Dienst

Untere Führungsebene

Zusammensetzung des BEM-TeamsUnternehmensgröße: 5 bis 50 Mitarbeiter_innen [in %]

10,410,4

56,333,3

2,12,1

12,516,7

27,12,1

0,0

0 10 20 30 40 50 60

BeschäftigteBetriebliche Interessenvertretung

GeschäftsleitungGleichstellungsbeauftragter/-beauftragte

Integrationsbeauftragter/-beauftragteMedizinischer Dienst

Mittlere FührungsebenePersonalabteilung

Schwerbehinderten-VertrauenspersonSozialer Dienst

Untere Führungsebene

Zusammensetzung des BEM-TeamsUnternehmensgröße: 51 bis 100 Mitarbeiter_innen [in %]

Page 71: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

69Teil 3 – ipeco Hamburg68 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Betriebsgröße: 101 bis 199 MA

Diagramm 60 [N: 106 ; in % - Mehrfachnennungen]

Betriebsgröße: 200 bis 500 MA

Diagramm 61 [N: 320 ; in % - Mehrfachnennungen]

9,418,9

62,320,8

5,75,7

12,346,2

37,71,9

3,8

0 10 20 30 40 50 60 70

BeschäftigteBetriebliche Interessenvertretung

GeschäftsleitungGleichstellungsbeauftragter/-beauftragte

Integrationsbeauftragter/-beauftragteMedizinischer Dienst

Mittlere FührungsebenePersonalabteilung

Schwerbehinderten-VertrauenspersonSozialer Dienst

Untere Führungsebene

Zusammensetzung des BEM-TeamsUnternehmensgröße: 51 bis 100 Mitarbeiter_innen [in %]

15,617,2

65,918,8

5,33,8

11,350,6

49,73,4

5,9

0 10 20 30 40 50 60 70

BeschäftigteBetriebliche Interessenvertretung

GeschäftsleitungGleichstellungsbeauftragter/-beauftragte

Integrationsbeauftragter/-beauftragteMedizinischer Dienst

Mittlere FührungsebenePersonalabteilung

Schwerbehinderten-VertrauenspersonSozialer Dienst

Untere Führungsebene

Zusammensetzung des BEM-TeamsUnternehmensgröße: 200 bis 500 Mitarbeiter_innen [in %]

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Betriebsgröße: über 500 MA

Diagramm 62 [N: 853 ; in % - Mehrfachnennungen]

Die Darstellungen verdeutlichen verschiedene Trends: Je größer das Unternehmen, desto stärker sind Geschäftsleitungen, Personalabteilungen und SBV in den Teams vertreten. Der Anteil der mittleren Führungsebene ist in den Kleinbetrieben am höchsten, bleibt danach in etwa gleich und nimmt bei 200 bis 500 MA wieder leicht ab. Die bIV haben am häufigsten in den Unternehmen ab 200 MA einen Platz im Team. Ab einer Betriebsgröße von 500 MA spielen auch Medizinischer Dienst und die Betriebsärzte eine zunehmend wichtige Rolle.

3.6.2 Betriebs-/Dienstvereinbarungen (BV/DV)

Um das BEM in seiner strukturellen und inhaltlichen Ausgestaltung sicher und für alle Beteiligten kalkulierbar zu machen, werden in vielen Fällen BV/DV abgeschlossen. In aller Regel sind an der Entwicklung dieser Vereinbarungen die wichtigsten betrieblichen Akteure beteiligt, um bereits im Vorfeld alle zu berücksichtigenden Interessen und Zielvorstellungen einzubringen.

Wenn BV/DV auch nicht zwingend vorgeschrieben sind, haben sie sich in der Praxis bewährt15. In der überwiegenden Zahl aller befragten Praktiker ist eine derartige betriebliche Vereinbarung bereits vorhanden (76,9%) oder in Vorbereitung (15,9%). Dass sie über keine BV/DV verfügen, gaben 15,9% aller TN an; noch nicht darüber entschieden ist in 2,6% aller Antworten.

15 Die Hans-Böckler-Stiftung wertete 127 Betriebsvereinbarungen bis zum Jahr 2010 aus. Ergebnisse und die Zusammenfassung unter: http://www.boeckler.de/13742_32861.htm

28,8

20,5

68,1

9,7

8,6

9,1

12,1

61,8

61,0

11,4

0 10 20 30 40 50 60 70

Beschäftigte

Betriebliche Interessenvertretung

Geschäftsleitung

Gleichstellungsbeauftragter/-beauftragte

Integrationsbeauftragter/-beauftragte

Medizinischer Dienst

Mittlere Führungsebene

Personalabteilung

Schwerbehinderten-Vertrauensperson

Zusammensetzung des BEM-TeamsUnternehmensgröße: 501 und mehr Mitarbeiter_innen [in %]

Page 72: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

71Teil 3 – ipeco Hamburg70 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Erwartungsgemäß existieren in kleineren Organisationen seltener BV/DV zum BEM als in größeren, wie die nachfolgende Tabelle verdeutlicht:

Existenz von Betriebs-/Dienstvereinbarungen zum BEM(nach Betriebsgrößen)

Tabelle 11 (Praktiker: BV/DV)

In kleinen Unternehmen mit bis zu 50 MA liegen am seltensten BV/DV zum BEM vor. Je personal-stärker die Organisationen werden, desto häufiger sind diese Vereinbarungen anzutreffen.

Inhaltliche Regelungen

Inhalte, die durch diese Vereinbarungen geregelt werden, können etwa Ziele, Gesamt- undTeilverantwortungen, beteiligte Personen/Gruppen in der Durchführung, Maßnahmen im und bereitgestellte Mittel für das BEM beinhalten. Auch organisatorische (z.B. Freistellung der BEM-Beauftragten), rechtliche (z.B. Haftung und Datenschutz) und abschlussorientierte (z.B. Wann gilt ein BEM-Verfahren als „erfolgreich abgeschlossen“? Auf welche Weise werden die Verfahren dokumentiert und evaluiert?) Fragen können Themen der Vereinbarungen sein.

Aus einer Liste vorgegebener Möglichkeiten konnten die TN die Themen wählen, die in ihrer betriebsinternen BV/DV geregelt werden:

Diagramm 63 [Alle Praktiker; N: 1.546 ;in % - Mehrfachnennungen]

60,7

54,6

59,8

56,4

57,1

56,6

36,9

25,9

13,4

48,3

35,1

50,0

0 10 20 30 40 50 60 70

Zielsetzungen

Begriffsbestimmungen

Geltungsbereich

BEM- oder Integrationsteam

Datenerfassung, Datenweitergabe, Datenschutz

Umsetzung/Verfahren

Sicherungen und Nachteilsverbote

Qualifizierung

Finanzierung von Maßnahmen

Dokumentation und Evaluation / Abschluss des Verfahrens

Zielerreichung

Schlussbestimmungen

BV/DV: ThemenAlle Praktiker

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Die vorstehende Gesamtübersicht zeigt noch nicht auf, welche unterschiedlichen Schwerpunkte innerhalb der BV/DV in Abhängigkeit von der Betriebsgröße gesetzt wurden:

Diagramm 64 [5 bis 50 MA; N: 38 ; in % - Mehrfachnennungen]

Bei den kleinen Unternehmen wird u.a. deutlich, dass die BEM-Ziele und Begrifflichkeiten wesentlich seltener geregelt werden; stattdessen werden die Wege zur Zielerreichung häufiger genannt. Eher formale Themen wie Geltungsbereich, Zuständigkeiten, Beendigungs- und Schlussbestimmungen werden sehr viel seltener in die BV aufgenommen. Der Datenschutz wird nur in rund vier von zehn Fällen geregelt.

Diagramm 65 [51 bis 100 MA ; N: 48 ; in % - Mehrfachnennungen]

Mit leicht anderer Ausprägung gilt das zuvor Gesagte auch für Unternehmen von 51 bis 100 MA.

47,439,5

44,742,1

39,544,7

39,521,1

10,534,2

36,828,9

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

ZielsetzungenBegriffsbestimmungen

GeltungsbereichBEM- oder Integrationsteam

Datenerfassung, Datenweitergabe, DatenschutzUmsetzung/Verfahren

Sicherungen und NachteilsverboteQualifizierung

Finanzierung von MaßnahmenDokumentation und Evaluation / Abschluss des Verfahrens

ZielerreichungSchlussbestimmungen

BV/DV: Themen5 bis 50 MA

47,933,3

47,941,741,7

43,827,1

25,08,3

39,618,8

35,4

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

ZielsetzungenBegriffsbestimmungen

GeltungsbereichBEM- oder Integrationsteam

Datenerfassung, Datenweitergabe, DatenschutzUmsetzung/Verfahren

Sicherungen und NachteilsverboteQualifizierung

Finanzierung von MaßnahmenDokumentation und Evaluation / Abschluss des Verfahrens

ZielerreichungSchlussbestimmungen

BV/DV: Themen51 bis 100 MA

Page 73: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

73Teil 3 – ipeco Hamburg72 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 66 [101 bis 199 MA ; N: 103 ; in % - Mehrfachnennungen]

Diagramm 67 [200 bis 500 MA ; N: 309; in % - Mehrfachnennungen]

In den nächst größeren Praktiker-Unternehmensgruppe 101 bis 199 MA und 200 bis 500 MA nehmen alle genannten Themenbereiche zu. Insbesondere die Regelungen zum Datenschutz erlangen ein deutlich höheres Gewicht als in den kleineren Unternehmen.

54,454,4

56,351,552,4

57,334,0

17,59,7

43,730,1

46,6

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

ZielsetzungenBegriffsbestimmungen

GeltungsbereichBEM- oder Integrationsteam

Datenerfassung, Datenweitergabe, DatenschutzUmsetzung/Verfahren

Sicherungen und NachteilsverboteQualifizierung

Finanzierung von MaßnahmenDokumentation und Evaluation / Abschluss des Verfahrens

ZielerreichungSchlussbestimmungen

BV/DV: Themen101 bis 199 MA

68,0

60,2

66,0

63,4

62,1

61,8

40,1

25,6

14,6

55,0

42,4

55,3

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Zielsetzungen

Begriffsbestimmungen

Geltungsbereich

BEM- oder Integrationsteam

Datenerfassung, Datenweitergabe, Datenschutz

Umsetzung/Verfahren

Sicherungen und Nachteilsverbote

Qualifizierung

Finanzierung von Maßnahmen

Dokumentation und Evaluation / Abschluss des Verfahrens

Zielerreichung

Schlussbestimmungen

BV/DV: Themen200 bis 500 MA

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

In der größten Unternehmensgruppe mit 501 und mehr MA stellen sich die BV-/DV-Themen so dar:

Diagramm 68 [501 und mehr MA; N: 808; in % - Mehrfachnennungen]

Gegenüber dem Durchschnitt aller Praktiker haben hier die formalen Regelungen wie etwa zu Zielsetzungen, Begriffsbestimmungen, Umsetzung/Verfahren und Geltungsbereich eine deutlich höhere Priorität.

Auffällig ist bei allen Unternehmensgrößen die schwache Thematisierung der Maßnahmen-Finanzierung, der Sicherungen und Nachteilsverbote, der Zielerreichung und der BEM-Mitarbeiter-Qualifizierung.

Auch der Datenschutz im BEM-Verfahren wird erst ab einer Mitarbeiteranzahl von über 100 Personen in jeder zweiten Organisation geregelt. Insgesamt nimmt er mit 57,1% (alle Praktiker) eine relativ schwache Position ein. Im Hinblick auf die erforderliche Vertrauens- und Akzeptanzbildung innerhalb der Belegschaften ein Punkt mit hohem Nachbesserungsbedarf.

Überarbeitungen und Veränderungen

Betriebs- und Dienstvereinbarungen sollen ein festes, kalkulierbares Gerüst für die BEM-Durch-führung bereitstellen. Doch kann sich in der laufenden Praxis herausstellen, dass einige Punkte den speziellen betrieblichen Rahmenbedingungen oder evtl. geänderten gesetzlichen Vorgaben angeglichen werden müssen. In solchen Fällen kann eine Anpassung bestehender BV/DV erforderlich werden, wie auch 14,8% der Praktiker angaben:

77,0

69,6

76,0

71,4

73,3

71,9

47,2

34,5

17,6

61,0

43,7

64,4

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Zielsetzungen

Begriffsbestimmungen

Geltungsbereich

BEM- oder Integrationsteam

Datenerfassung, Datenweitergabe, Datenschutz

Umsetzung/Verfahren

Sicherungen und Nachteilsverbote

Qualifizierung

Finanzierung von Maßnahmen

Dokumentation und Evaluation / Abschluss des Verfahrens

Zielerreichung

Schlussbestimmungen

BV/DV: Themenüber 500 MA

Page 74: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

75Teil 3 – ipeco Hamburg74 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 69 [Alle Praktiker; N: 1.442; in % - Mehrfachnennungen]

Hilfestellungen/Maßnahmen in der BEM-Praxis

Die konkrete Durchführung des BEM-Verfahrens erfordert häufig auch besondere Hilfestellungen oder Maßnahmen, um eine bestimmte Arbeits(platz)situation, die in der Folge zu Leistungs-einschränkungen und/oder Fehlzeiten führte, nachhaltig zu überwinden. Diese Übersicht zeigt deren Häufigkeit:

Diagramm 70 (Alle Praktiker; in %; Mehrfachnennungen)

In der Mehrzahl wurden Mittel zur Arbeitsplatzgestaltung und technische Hilfsmittel (z.B. Hör- undSehhilfen, Schreibtisch, Hebehilfen u.ä,) bereitgestellt, gefolgt von Rehamaßnahmen und sonstigenFördermitteln (etwa bei internem Arbeitsplatzwechsel). Jeder zehnte TN gab an, noch keine Hilfsmittel in Anspruch genommen zu haben.

46,1

23,4

14,8

22,3

3,1

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

ja, im Verfahren: (z.B. Einladungsschreiben,Datenschutzerklärung, Schweigepflichtentbindung)

ja, in der Zusammensetzung des BEM-Teams

ja, in der BV/DV

nein

Sonstiges

Wurden seit Einführung des BEMs bereits Anpassungen vorgenommen?

12,5

61,0

31,4

22,5

16,7

34,4

59,2

24,5

22,9

9,5

10,6

0 10 20 30 40 50 60 70

Arbeitsassistenz

Arbeitsplatzgestaltung

Fördermittel (z.B. bei internem Arbeitsplatzwechsel)

Minderleistungsausgleich

Persönliche Unterstützung (z.B. Haushaltshilfen,…

Rehabilitationsmaßnahmen (stationär oder ambulant)

Technische Hilfsmittel (z.B. Hör- und Sehhilfen, Schreibtisch,…

Umschulung/ Qualifizierung

Unternehmensinterne Aufwendungen (Arbeitgeber)

Sonstiges

Wir haben noch keine Hilfsmittel beantragt

Welche Hilfestellungen/Maßnahmen zum BEM wurden in den BEM-Verfahren in Ihrem Unternehmen vereinbart?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.6.3 Qualifizierung und Weiterbildung

Im vorhergehenden Abschnitt wurde aufgezeigt, dass die Qualifizierung der MA in den BV/DV mit 25,9% bei allen Praktikern eine eher untergeordnete Rolle einnimmt. An dieser Stelle soll aufgezeigt werden, ob unabhängig davon entsprechende Weiterbildungen stattgefunden haben:

Dies war zum Befragungszeitpunkt bei gut Zweidrittel der Praktiker der Fall, bei 8,7% ist eine Qualifizierung geplant. Bei fast einem Viertel der Befragten fand keine Schulung statt.

3.6.4 Durchführung des BEM-Prozesses

Die Qualität eines institutionalisierten BEM-Prozesses ist von vielen Faktoren abhängig, die zum Teil durch die Fixierung betrieblicher Rahmenbedingungen in BV/DV geregelt werden können. Einen wesentlichen Faktor bildet hierbei auch die Anzahl der BEM-berechtigten MA, die diesen Prozess wahrnehmen.

Verfahren und zeitlicher Aufwand

Als durchschnittlicher Wert wurden in der Gesamtgruppe der Praktiker 106,6 BEM-Berechtigte jährlich angegeben, von denen sich 45,9 MA - weniger als die Hälfte - für ein BEM-Verfahren entschieden.Davon konnten 32 (= 69,7%) abgeschlossen werden.

Für die einzelnen Unternehmensgrößen stellt sich die Verteilung folgendermaßen dar:

Durchschnittliches BEM-Aufkommen

Tabelle 12 (BEM-Aufkommen nach Unternehmensgröße)

67,5

8,7

23,8

0 10 20 30 40 50 60 70 80

ja

nein, ist aber beabsichtigt

nein

Sind die für das BEM zuständigen Mitarbeiter_innen entsprechend geschult worden?

Page 75: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

77Teil 3 – ipeco Hamburg76 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Auffällig ist hier, dass in den Unternehmen ab 500 MA die Aufnahme von Verfahren proportional deutlich unter denen der kleineren Unternehmen liegt.

Konkretere Aussagen liegen für das Jahr 2015 vor, in dem durchschnittlich 76,6 MA zu einem BEM-Gespräch eingeladen wurden. Von diesen nahmen 39 MA die Einladung an. Nach TN-Angaben haben sich in 2015 durchschnittlich 3,9 MA eigeninitiativ um ein BEM-Verfahren bemüht.

Je nach Unternehmensgröße variierte die Zahl der BEM-Einladungen 2015:

BEM-Einladungen 2015

Tabelle 13: BEM-Einladungen nach Unternehmensgröße

Die Quote der angenommenen Einladungen ist bei MA-Größen bis 100 Personen am höchsten und bei den großen Unternehmen mit 500 und mehr MA am niedrigsten.

Berücksichtigt man für die bei der pro BEM-Fall aufgewendeten Zeit auch alle Vor- und Nachbereitungszeiten, so gaben die Befragten (NPraktiker: 1.002) die nachstehenden Auskünfte:

Wie hoch ist die aufgewendete Zeit für BEM-Verantwortliche oder -Beteiligte/-Akteure pro Fall inklusive Vor- und Nacharbeit?

N %bis zu 2 Stunden

212 21,2

über 2 bis 3 Stunden

203 20,3über 3 bis 4 Stunden

162 16,2

über 4 bis 6 Stunden

163 16,3mehr als 6 Stunden

262 26,1

Tabelle 14: Aufgewendete Zeit pro BEM-Fall

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.6.5 Erfolgseinschätzung

Die TN wurden zu ihrer Einschätzung über die bisherigen Ergebnisse des BEMs im Unternehmen gebeten, wobei sich das folgende Bild ergab:

Diagramm 71: Erfolgseinschätzung des BEMs im Unternehmen (N: 1.145)

Diese persönliche Einschätzung der Befragten korreliert stark mit den bisher in den Unternehmen durchgeführten BEM-Evaluationen und unterscheidet sich kaum in den verschiedenen Betriebsgrößen.

Evaluation

Der BEM-Prozess stellt für viele Unternehmen ein relativ neues betriebliches Instrumentarium dar, das (noch) nicht überall auf umfangreichen eigenen Erfahrungen basiert. Es sollten alle angewandten sozialen und ökonomischen Prozesse einer regelhaften Überprüfung unterzogen werden, um die jeweiligen Verfahren gemäß den Zielvorstellungen (etwa in BV/DV formuliert) zu optimieren.

Die Antworten der TN zeigen allerdings, dass noch relativ wenig institutionalisierte Evaluationen durchgeführt werden:

Regelmäßige Evaluationen nach Unternehmensgröße

Tabelle 15: Evaluationen nach Unternehmensgröße (Praktiker, N: 936; in %)

10,6

32,0

38,3

10,9

5,0

3,3

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45

sehr positiv

positiv

eher positiv

eher negativ

negativ

sehr negativ

Wie schätzen Sie persönlich die bisherigen Ergebnisse bei der Durchführung des BEMs im Unternehmen ein?

Page 76: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

79Teil 3 – ipeco Hamburg78 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Evaluationen als Erfolgskontrolle können ein wirksames Mittel sein, um mögliche Verbesserungs-möglichkeiten im BEM aufzuzeigen. Hierzu zählen nicht zuletzt Rückmeldungen von BEM-Berechtigten darüber, wie sie das Verfahren, die beteiligten Personen und die nachfolgenden Änderungen am Arbeitsplatz empfunden haben.

Dort, wo es bereits über Evaluationen eine Erfolgskontrolle durchgeführt wurde (N: 663), ergab sich nach TN-Aussagen eine überwiegend positive Bewertung:

Diagramm 72: Ergebnis der BEM-Evaluationen (in %)

Je nach Betriebsgröße weichen diese Einschätzungen jedoch deutlich voneinander ab:

Anzahl Mitarbeiter sehr positiv positiv eher positiv eher negativ negativ sehr negativ

ALLE 6,3% 38,6% 45,6% 7,5% 1,1% 0,9%5 bis 50 17,6% 41,2% 29,4% 5,9% 5,9%51 bis 100 10,0% 30,0% 35,0% 15,0% 5,0% 5,0%101 bis 199 4,4% 37,8% 51,1% 6,7%200 bis 500 2,9% 42,6% 44,1% 10,3%501 und mehr 6,6% 37,8% 46,9% 6,6% 1,1% 0,9%

Tabelle 16: Ergebnis der BEM-Evaluationen nach Betriebsgröße

Dennoch bleiben die negativen Ergebnisbewertungen bei allen Betriebsgrößen in der Minderheit (bei allen: 9,5 %). Die besten Ergebnisse erzielen hierbei die Unternehmen mit einem Mitarbeiterstamm zwischen 101 und 199 und die ab 501 MA. „Sehr positive“ Antworten sind in größerem Umfang nur bei den Unternehmen mit bis zu 100 MA zu finden.

6,3

38,6

45,6

7,5

1,1

0,9

0 5 10 15 20 25 30 35 40 45 50

sehr positiv

positiv

eher positiv

eher negativ

negativ

sehr negativ

Welche Bewertung ergibt sich bislang aus den Erfolgskontrollen?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Belegschaftsinterne Akzeptanz

Auch außerhalb des eigentlichen BEM-Verfahrens und möglicher Nachbefragungen bildet sich innerhalb der Belegschaften eine Einstellung zum BEM heraus, die entscheidend für dessen Akzeptanz ist.

Hierzu zählen neben eigenen Erfahrungen und Berichten aus der Kollegenschaft auch die veröffentlichten unternehmensinternen Verlautbarungen zu Zielen und (bisherigen) Erfolgen des BEMs.

Wie sehr das BEM nach Einschätzung der TN in verschiedenen Teilgruppen auf Akzeptanz stößt, geben die folgenden Übersichten wieder:

Diagramm 73 (Praktiker; N: 966; in %)

Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellten MA weisen dem BEM in ihrem Unternehmen mit 86,9% eine insgesamt hohe Akzeptanz zu.

Diagramm 74 (Praktiker; N: 999, in %)

Langzeiterkrankte (mit einer Erkrankungsdauer von über 6 Wochen) teilen diese Einschätzung nach Auffassung der TN nicht in gleichem Umfang, wenn sie auch zu gut Dreivierteln (76,2%) eine positive Einstellung aufweisen.

17,541,7

27,79,7

2,21,1

0 10 20 30 40 50

sehr positivpositiv

eher positiveher negativ

negativsehr negativ

BEM-Akzeptanz bei Schwerbehinderten und ihnen Gleichgestellten

14,431,3

30,517,4

3,62,7

0 10 20 30 40 50

sehr positivpositiv

eher positiveher negativ

negativsehr negativ

BEM-Akzeptanz bei Langzeiterkrankten

Page 77: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

81Teil 3 – ipeco Hamburg80 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Nach Altersgruppen innerhalb der Belegschaft:

Diagramm 75: Altersgruppe bis 30 Jahre (in %)

Diagramm 76: Altersgruppe 31 bis 50 Jahre (in %)

Diagramm 77: Altersgruppe 51 bis 65 Jahre (in %)

Die geringste Zustimmung (61,3%) scheint in der jüngsten Altersgruppe zu bestehen, die höchste (77,9%) in der mittleren.

2,721,6

37,129,9

6,82,0

0 10 20 30 40 50

sehr positivpositiv

eher positiveher negativ

negativsehr negativ

BEM-Akzeptanz in der Altersgruppe bis 30 Jahre

5,128,8

44,017,6

3,80,7

0 10 20 30 40 50

sehr positivpositiv

eher positiveher negativ

negativsehr negativ

BEM-Akzeptanz in der Altersgruppe 31 bis 50 Jahre

12,032,6

31,118,2

4,21,8

0 10 20 30 40 50

sehr positivpositiv

eher positiveher negativ

negativsehr negativ

BEM-Akzeptanz in der Altersgruppe 51 bis 65 Jahre

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Nach Geschlechterverteilung innerhalb der Belegschaft:

Diagramm 78: Frauen (in %)

Diagramm 79: Männer (in %)

Frauen sind mit 82,7% positiver gegenüber dem BEM eingestellt als Männer (71,6%).

Insgesamt scheint in allen Belegschaftsgruppen nur eine Minderheit kritisch zum BEM zu stehen. Insbesondere bei Jüngeren und Männern scheint noch ein Aufklärungsbedarf zu bestehen.

Zwischen-Fazit: Legt man die genannten Teilgruppen zugrunde, so zeichnet sich zwar eine hohe, jedoch noch deutlich ausbaubare Zustimmung zum BEM ab. Dass die schwerbehinderten Mitarbeiter_innen und ihnen Gleichgestellte dem BEM insgesamt zugeneigter scheinen, kann zwar damit zu tun haben, dass diese Menschen (gegenüber den Langzeiterkrankten) eine relativ kontinuierliche Zugehörigkeit zu dieser Gruppe aufweisen. Dies wäre allerdings nur durch weitere Untersuchungen belegbar.

Dennoch ist die relativ geringe Akzeptanz bei den Langzeiterkrankten auffällig; sie deutet auf ein erhebliches Kommunikationsproblem hin. Hier sollte deutlich mehr und detaillierter über Möglichkeiten und Ziele des BEM informiert werden.

7,938,8

36,013,7

3,00,5

0 10 20 30 40 50

sehr positivpositiv

eher positiveher negativ

negativsehr negativ

BEM-Akzeptanz bei Frauen

3,427,1

41,223,2

4,11,1

0 10 20 30 40 50

sehr positivpositiv

eher positiveher negativ

negativsehr negativ

BEM-Akzeptanz bei Männern

Page 78: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

83Teil 3 – ipeco Hamburg82 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.6.6 Veränderungen durch das BEM

Die eher universellen Zielrichtungen des BEMs gehen dahin, häufig und langzeiterkrankte MA im Unternehmen zu halten, sie in ihrer Arbeitsfähigkeit zu unterstützen und damit einem vielleicht unnötigen Arbeitsplatzwechsel vorzubeugen. Soweit das BEM in den Präventionsbereich hineinwirkt, kann es zur Stärkung der Mitarbeitergesundheit beitragen. Dem Unternehmen können Kosten erspart bleiben und Kenntnisse und Fähigkeiten fließen nicht nach außen ab.

Die Auswirkungen des demografischen Wandels auf die Arbeitswelt sind absehbar; alternde Belegschaften sind in vielen Organisationen längst ein Phänomen, mit dem zu rechnen ist.

Idealerweise trägt das BEM dazu bei, auf die Folgen der aufgezeigten Entwicklungen mitgestaltend einzuwirken.

Hierzu war zu prüfen, ob es in diesem Sinne bereits positive Veränderungen in den Unternehmen gibt. Rückgang krankheitsbedingter Fehlzeiten, längerer Verbleib am Arbeitsplatz, geringere Fluktuation könnten derartige Indikatoren sein.

Fehlzeitenentwicklung

Es wurde bereits angeführt, dass mit der Einführung des BEMs auch eine positive Entwicklung der krankheitsbedingten Fehlzeiten erwartet wird16. Auf Nachfrage gaben die Praktiker mehrheitlich(74,6%) jedoch an, dass sich die Fehlzeiten in ihrem Unternehmen durch das BEM nicht verändert hätten, während nur 17,6% einen positiven Einfluss sahen (negative Veränderung: 5,4%).

Einfluss des BEMs auf Fehlzeiten

Tabelle 17: BEM und Fehlzeiten nach Betriebsgröße (in %)

16 So gaben Planer und Praktiker dies als häufigste Erwartung (Planer: 62,9%; Praktiker: 63,6%) an; vgl.: Seiten 14 und 35.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diese Einschätzung wiederholt sich in allen Betriebsgrößen. Am geringsten wird eine positive Veränderung bei Unternehmen mit 101 bis 199 MA ausgewiesen, am meisten in Betrieben mit über 500 MA.

Ein positiver Zusammenhang zwischen aktivem BEM und Fehlzeitenentwicklung kann somit nicht bestätigt werden. Zwar sehen 5,4% sogar eine negative Korrelation, doch 74,6% stellen keine Veränderung durch das BEM fest.

Krankheitsbedingte Kündigungen

Eine zentrale Erwartung ist, dass die Zahl krankheitsbedingter Kündigung durch ein geregeltes BEM zurückgeht. Die befragten TN gaben mehrheitlich an, dass MA „alle“ (38,5%) oder „überwiegend“(57,3%) nach Abschluss ihrer BEM-Verfahren im Unternehmen verbleiben – also nicht gekündigt werden:

Diagramm 80: Arbeitsplatzerhalt nach BEM-Abschluss (N: 1.144; in %)

Diese insgesamt positiven Aussagen differieren innerhalb der verschiedenen Unternehmensgrößen.

38,5

57,3

3,9

0,3

0 10 20 30 40 50 60 70

alle

überwiegend

wenige

keine

Sind die Mitarbeiter_innen nach Abschluss ihrer BEM-Verfahren noch im Unternehmen beschäftigt?

Page 79: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

85Teil 3 – ipeco Hamburg84 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Am größten scheint die Chance, durch ein BEM krankheitsbedingte Kündigungen abzuwenden, in Unternehmen mit einer Belegschaftszahl von über 100 MA zu sein:

Verbleib von MA nach BEM-Abschluss (nach Betriebsgrößen)

5 bis 50 MA 51 bis 100 MA

alle 59,4%überwiegend 31,3%wenige 9,4%keine 0,0%

alle 52,3%überwiegend 36,4%wenige 6,8%keine 4,5%

101 bis 199 MA 200 bis 500 MA

alle 52,9%überwiegend 40,0%wenige 5,9%keine 1,2%

alle 44,5%überwiegend 52,9%wenige 2,5%keine 0,0%

501 und mehr MA

alle 33,3%überwiegend 63,0%wenige 3,7%keine 0,0%

Tabelle 18: Verbleib von MA nach BEM-Abschluss

Verbleib älterer MA nach BEM-Abschluss

Speziell für ältere MA, die sich für ein BEM entschieden haben, ist die Frage interessant, ob hierdurch die Chance erhöht wird, den Arbeitsplatz nach Abschluss des Verfahrens behalten zu können. Die hierzu erfolgten Antworten waren nicht so eindeutig wie die zu den allgemeinen krankheitsbedingten Kündigungen:

Diagramm 81: Verbleib älterer MA nach dem BEM im Unternehmen (N: 961; in %)

15,0

57,3

23,2

4,5

0 10 20 30 40 50 60 70

immer

meistens

selten

nie

Trägt das BEM-Verfahren nach Ihrer Einschätzung dazu bei, dass ältere Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt bleiben?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Auch hier unterscheiden sich wieder die verschiedenen Betriebsgrößen deutlich voneinander: Je größer ein Unternehmen (nach MA) ist, desto eher verbleiben ältere Belegschaftsmitglieder durch ein BEM im Betrieb beschäftigt:

Verbleib von älteren MA nach BEM-Abschluss (nach Betriebsgrößen)

5 bis 50 MA 51 bis 100 MA

immer 9,1%meistens 50,0%selten 27,3%nie 13,6%

immer 20,0%meistens 37,1%selten 34,8%nie 8,6%

101 bis 199 MA 200 bis 500 MA

immer 24,6%meistens 46,4%selten 18,8%nie 10,1%

immer 21,4%meistens 50,7%selten 23,4%nie 4,5%

501 und mehr MA

immer 11,8%meistens 61,9%selten 23,0%nie 3,3%

Tabelle 19: Verbleib älterer MA

3.6.7 Angewandte Instrumente des Datenschutzes

Zentraler Punkt in der BEM-Praxis ist die ausnahmslose Einhaltung des Datenschutzes. Dies dient nicht nur der Einhaltung gesetzlicher Vorgaben, sondern ist grundsätzliche Voraussetzung für ein gutes Vertrauensverhältnis zwischen BEM-Berechtigten und BEM-Fallmanagern – kurz für ein gelingendes BEM.

Es existieren viele rechtliche Randbedingungen, die zu beachten sind und darüber hinaus auch solche, die eher informeller Natur sind und doch der Vertrauensbildung zugutekommen. Dazu gehört etwa die Verschwiegenheit gegenüber dritten Personen, ob im betrieblichen oder privaten Kontext.

In der Befragung standen eher technische Aspekte im Vordergrund, die jedoch von herausgehobener Bedeutung sind. Es zeigte sich, dass noch längst nicht alle Instrumente im erforderlichen Umfang eingesetzt werden:

Page 80: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

87Teil 3 – ipeco Hamburg86 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Diagramm 82 (Alle Praktiker; N: 1.438; in %; Mehrfachnennungen)

Die Antworten machen deutlich, dass es nicht nur an der Umsetzung, sondern vermutlich an einem entsprechenden Bewusstsein bei den BEM-Zuständigen mangelt: Wenn etwa ein BEM-Verfahren ohne Schweigepflichtentbindung durchgeführt wird (keine Schweigepflichtentbindung: 55,5%) oder der BEM-Verantwortliche seinerseits keine Verschwiegenheitsverpflichtung (41,7%) abgibt und auch in vier von zehn Fällen keine unterschriebene Datenschutzerklärung vorliegt, dann ist dies (zumindest) sehr fahrlässig und zu beanstanden.

Zwischen-Fazit: Es stellen sich bei der Betrachtung dieser Ergebnisse weitere Fragen: Wenn nur rund 60% über einen verschließbaren Schrank oder Raum verfügen, wo bewahren sie dann die BEM-Akten mit den personenbezogenen, gesundheitssensiblen Daten auf? Etwa 44% haben eine feste Frist zur Löschung/Vernichtung oder Übergabe der BEM-Akte an den BEM-Berechtigten vereinbart. Was geschieht bei den restlichen 56%? Werden die Daten unbegrenzt aufbewahrt, werden sie gleich nach Ende des BEM-Verfahrens vernichtet?

3.6.8 BEM-Arbeit in der Praxis

Die praktische Arbeit der BEM-Fallmanager bzw. BEM-Teams ist geprägt von den allgemeinen Rahmenbedingungen, wie sie etwa durch die BV/DV festgeschrieben sind. Im Detail wird sie aber auch durch jeden Einzelfall und die Zahl der BEM-Berechtigten, die Erwartungen an das BEM vonseiten der Belegschaft und der bereitgestellten sächlichen Ausstattung beeinflusst.

Weitere Faktoren sind die Qualifizierung/Weiterbildung der BEM-Verantwortlichen und ihr Zusammenwirken mit anderen betrieblichen Akteuren.

59,2

44,5

58,3

60,6

43,8

0 10 20 30 40 50 60 70

Datenschutzerklärung (von den BEM-Berechtigten zuunterschreiben)

Schweigepflichtentbindung (von den BEM-Berechtigten)

Verschwiegenheitsverpflichtung (für die BEM-Verantwortlichen)

Verschließbarer Schrank/Raum für BEM-Akten

Frist zur Vernichtung/Löschung/Übergabe der BEM-Akten

Welche Instrumente zum BEM-Datenschutz werden bei Ihnen genutzt?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Ressource: Materielle Ausstattung der BEM-Zuständigen

Zu den Mindestanforderungen an eine entsprechende Arbeitsumgebung gehören etwa ruhige, von etwaigen Störungen abgeschirmte Räume, in denen BEM-Einzel- oder Team-Gespräche stattfinden können.

Stehen ungestörte Räume ausreichend zur Verfügung?

ALLE PRAKTIKER (N: 1.150) 5 bis 50 MA (N: 33)

ja 74,3 %überwiegend 14,3 %könnte besser sein 7,7 %nein 2,8 %nicht vorhanden 0,9 %

ja 84,8 %überwiegend könnte besser sein 12,1 %nein 3,0 %nicht vorhanden

51 bis 100 MA (N: 40) 101 bis 199 MA (N: 84)

ja 65,0 %überwiegend 12,5 %könnte besser sein 10,0 %nein 10,0 %nicht vorhanden 2,5 %

ja 71,4 %überwiegend 14,3 %könnte besser sein 7,1 %nein 3,6 %nicht vorhanden 3,6 %

200 bis 500 MA (N: 248) 501 und mehr MA (N: 736)

ja 70,2 %überwiegend 13,3 %könnte besser sein 10,9 %nein 4,0 %nicht vorhanden 1,6 %

ja 76,5 %überwiegend 15,1 %könnte besser sein 6,5 %nein 1,6 %nicht vorhanden 0,3 %

Tabelle 20: Räumlichkeiten

Überwiegend scheint diese Bedingung an ungestörtes Arbeiten erfüllt zu sein, wenn auch nicht übersehen werden kann, dass dies in den kleineren und mittleren Unternehmen verneint wird. Insbesondere in den mittleren Unternehmensgrößen stehen solche Räumlichkeiten nicht ausreichend oder auch überhaupt nicht zur Verfügung.

Page 81: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

89Teil 3 – ipeco Hamburg88 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Zur sächlichen Arbeitsausstattung der BEM-Verantwortlichen gehört aus Datenschutzgründen auch ein verschließbarer Schrank oder Raum, in welchem die personenbezogenen Daten (BEM-Akten) der BEM-Berechtigten aufbewahrt und damit vor unberechtigtem Zugriff Dritter geschützt werden müssen.

Stehen abschließbare Schränke/Räume für BEM-Akten etc. ausreichend zur Verfügung?

ALLE PRAKTIKER (N: 1.063) 5 bis 50 MA (N: 31)

ja 82,3 %überwiegend 7,0 %könnte besser sein 5,1 %nein 3,1 %nicht vorhanden 2,5 %

ja 74,2 %überwiegend 6,5 %könnte besser sein 3,2 %nein 9,7 %nicht vorhanden 6,5 %

51 bis 100 MA (N: 34) 101 bis 199 MA (N: 75)

ja 76,5 %überwiegend 8,8 %könnte besser sein 8,8 %nein 5,9 %nicht vorhanden

ja 74,7 %überwiegend 13,3 %könnte besser sein 4,0 %nein 4,0 %nicht vorhanden 4,0 %

200 bis 500 MA (N: 223) 501 und mehr MA (N: 689)

ja 82,1 %überwiegend 5,8 %könnte besser sein 6,3 %nein 3,1 %nicht vorhanden 2,7 %

ja 83,9 %überwiegend 6,4 %könnte besser sein 4,8 %nein 2,6 %nicht vorhanden 2,3 %

Tabelle 21: Datenschutz

Um die wesentlichen Anforderungen des Datenschutzes zu gewährleisten, ist ein abschließbarer Schrank oder Raum unabdingbar. Bei mehr als 80% aller Befragten ist dies auch der Fall; problematisch sind aber die Antworten der TN aus den KMU (bis 199 MA), wo es sehr hohe Quoten für nicht ausreichend oder nicht vorhanden gibt.

Arbeitsbedingungen der BEM-Verantwortlichen

Die anfallenden Arbeiten im Verlauf der BEM-Prozesse sind insgesamt sehr zeitintensiv17 und gehen weit über die Einzelgespräche hinaus: Einschließlich Vor- und Nachbereitungszeiten, Besprechungen im Team, Rücksprachen in Unternehmen, möglichen Antragstellungen für Fördermittel etc. sind pro BEM-Berechtigten mehrere Stunden anzusetzen. Hinzu kommen die laufende Dokumentation des Verfahrens und ggfs. Nachbefragungen/Evaluationen und das Anfertigen von Auswertungen und Berichten.

17 vgl. 3.6.4, wo 26,1% der TN einen durchschnittlichen zeitlichen Aufwand von 6 und mehr Stunden pro BEM-Berechtigten angeben.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Hierzu sollten die TN angeben, ob sie für diese zeitlichen Aufwendungen von ihrem Arbeitgeber freigestellt werden:

Steht Ihnen für Vor- bzw. Nachbereitung ausreichend Zeit (i.S. von Freistellung) zur Verfügung?

ALLE PRAKTIKER (N: 1.121) 5 bis 50 MA (N: 32)

ja 42,6 %überwiegend 24,8 %könnte besser sein 24,6 %nein 6,9 %nicht vorhanden 1,1 %

ja 50,0 %überwiegend 12,5 %könnte besser sein 12,5 %nein 21,9 %nicht vorhanden 3,1 %

51 bis 100 MA (N: 41) 101 bis 199 MA (N: 82)

ja 41,5 %überwiegend 24,4 %könnte besser sein 19,5 %nein 14,6 %nicht vorhanden

ja 47,6 %überwiegend 20,7 %könnte besser sein 23,2 %nein 6,1 %nicht vorhanden 2,4 %

200 bis 500 MA (N: 239) 501 und mehr MA (N: 718)

ja 38,5 %überwiegend 29,7 %könnte besser sein 24,3 %nein 5,4 %nicht vorhanden 2,1 %

ja 43,2 %überwiegend 24,2 %könnte besser sein 25,9 %nein 6,1 %nicht vorhanden 0,6 %

Tabelle 22: zeitliche Freistellung für das BEM

Die ausgewerteten Antworten zeigen deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Betriebsgrößen: Kleine Betriebe (bis 50 MA) weisen mit 50% den höchsten Ja-Wert aller Vergleichsgruppen auf, sind gleichzeitig der Kategorien nicht ausreichend und nicht vorhanden (zusammen 25%). Strukturell scheint sich hier noch kein einheitliches Bewusstsein für den erforderlichen Zeitaufwand der BEM-Zuständigen eingestellt zu haben.

Dass aber auch bei größeren Unternehmen noch deutlicher Nachbesserungsbedarf besteht, zeigt sich etwa bei denen mit 200 bis 500 MA, wo mit 38,5% der geringste Zustimmungswert zu einem ausreichenden Zeitkontingent für die BEM-Arbeit zu verzeichnen ist. Im Übrigen zeigen die durchweg hohen Werte für überwiegend und könnte besser sein, dass in vielen Organisationen offensichtlich noch ein kalkulierbares und verlässliches Zeitmanagement für das BEM fehlt.

Zu den Arbeitsbedingungen der BEM-Zuständigen gehören auch passgenaue Entscheidungs-kompetenzen, die ihnen im Rahmen ihrer Arbeit ein kalkulierbares Maß an Selbständigkeit ermöglichen.

Page 82: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

91Teil 3 – ipeco Hamburg90 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Ob sie dies in ihrer BEM-Arbeit so empfinden, konnten die TN in einer weiteren Frage beantworten:

Steht Ihnen für die Erfüllung der BEM-Aufgaben ausreichend Entscheidungskompetenzen zur Verfügung?

ALLE PRAKTIKER (N: 1.102) 5 bis 50 MA (N: 30)

ja 22,7 %überwiegend 25,8 %könnte besser sein 33,6 %nein 12,4 %nicht vorhanden 5,5 %

ja 40,0 %überwiegend 20,0 %könnte besser sein 23,3 %nein 10,0 %nicht vorhanden 6,7 %

51 bis 100 MA (N: 35) 101 bis 199 MA (N: 81)

ja 37,1 %überwiegend 22,9 %könnte besser sein 25,7 %nein 5,7 %nicht vorhanden 8,6 %

ja 24,7 %überwiegend 27,2 %könnte besser sein 32,1 %nein 11,1 %nicht vorhanden 4,9 %

200 bis 500 MA (N: 233) 501 und mehr MA (N: 715)

ja 22,7 %überwiegend 24,0 %könnte besser sein 33,5 %nein 15,0 %nicht vorhanden 4,7 %

ja 21,1 %überwiegend 26,6 %könnte besser sein 34,5 %nein 12,0 %nicht vorhanden 5,7 %

Tabelle 23: Entscheidungskompetenzen

Ausgeprägte Zufriedenheit mit vorhandenem Entscheidungsspielraum kann in keiner der Gruppen ausgemacht werden. Je größer eine Organisation (nach MA) ist, desto seltener wird mit ja gestimmt. Am meisten vermisst werden ausreichende Entscheidungskompetenzen in Unternehmen mit 200 bis 500 MA.

Ein bestimmtes Budget für BEM-Zwecke, über das die Zuständigen frei verfügen können, wäre in diesem Sinne sicherlich hilfreich, doch steht dies nur in relativ seltenen Fällen ausreichend bereit (ja:18,9%; überwiegend: 15,1%; könnte besser sein: 23,1%):

Diagramm 83: BEM-Budget (N: 995; Alle Praktiker)

18,9

15,1

23,1

24,0

18,9

0 5 10 15 20 25 30

ja

überwiegend

könnte besser sein

nein

nicht vorhanden

Steht ausreichender materieller Spielraum (BEM-Budget z.B für kleinere Arbeitgeber-Maßnahmen oder Öffentlichkeitsarbeit) zur Verfügung?

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Ressource: Qualifizierung und Weiterbildung

Im weitesten Sinne gehören zu guten Arbeitsbedingungen alle Voraussetzungen, die geeignet sind, einen angemessenen und erfolgreichen BEM-Prozess zu gestalten. Dies setzt nicht nur ein belastbares Wissen um die rechtlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen, sondern auf einer persönlichen Ebene gleichermaßen Aneignung bestimmter Kompetenzen (z.B. Gesprächsführung im BEM) voraus.

Auch der von Planern wie Praktikern stark gewünschte Austausch über best practices, über Ausgestaltung des BEMs, über Fördermöglichkeiten und Rechtsfragen sind klassische Weiterbildungsthemen. Solche Qualifizierungen sollten für jeden BEM-Zuständigen am Beginn seiner Arbeit stehen und, damit die erworbenen Kenntnisse nicht stagnieren, laufend einer Auffrischung unterzogen werden.

Haben für die Erfüllung der BEM-Aufgaben ausreichend Schulungen der BEM-Verantwortlichen stattgefunden?

ALLE PRAKTIKER (N: 1.064) 5 bis 50 MA (N: 29)

ja 37,9 %überwiegend 17,9 %könnte besser sein 29,6 %nein 9,7 %nicht vorhanden 5,0 %

ja 37,9 %überwiegend 13,8 %könnte besser sein 24,1 %nein 20,7 %nicht vorhanden 3,4 %

51 bis 100 MA (N: 38) 101 bis 199 MA (N: 79)

ja 36,8 %überwiegend 7,9 %könnte besser sein 36,8 %nein 13,2 %nicht vorhanden 5,3 %

ja 46,8 %überwiegend 13,9 %könnte besser sein 13,9 %nein 10,1 %nicht vorhanden 15,2 %

200 bis 500 MA (N: 224) 501 und mehr MA (N: 687)

ja 34,8 %überwiegend 16,1 %könnte besser sein 32,1 %nein 11,2 %nicht vorhanden 5,8 %

ja 38,0 %überwiegend 19,5 %könnte besser sein 30,3 %nein 8,6 %nicht vorhanden 3,6 %

Tabelle 24: Weiterbildungen

Trotz der sachlichen Notwendigkeit, BEM-Verantwortliche entsprechend auszubilden und weiterzu-qualifizieren und trotz der ausgeprägten Bereitschaft zur Weiterbildung scheint hier in vielen Unter-nehmen noch ein deutlicher Nachholbedarf zu bestehen. In Organisationen mit 101 bis 199 MA sind nach Bekunden von über 10% der TN keine ausreichenden und zu über 15,2% überhaupt keine weiterbildende Schulungen durchgeführt worden, gleichzeitig betrachten aber 46,8% („ja“) der Praktiker in dieser Unternehmensgröße das Qualifizierungsangebot für ausreichend. Dies weist auf sehr uneinheitliche Weiterbildungsstrategien in den Unternehmen hin, die sich z.T. auch in den anderen Gruppen widerspiegeln.

Page 83: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

93Teil 3 – ipeco Hamburg92 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

3.7 FAZIT: Praktiker

• Die Praktiker selbst sind mehrheitlich positiv zum BEM eingestellt.

• Erste Informationsquelle zum BEM im Unternehmen sind überwiegend die jeweiligen betrieblichen Interessenvertretungen und die Gewerkschaften sowie das Integrationsamt und auch die Fachpresse.

• Ein nicht geringer Teil der Praktiker-Unternehmen scheint externe Beratungs- und Unterstützungs-angebote entweder nicht zu kennen oder zumindest nicht zu nutzen.

• Gewünscht werden Praxisinformationen und regelmäßige Mitteilungen über die aktuelle BEM-Rechtslage.

• Fördermittel: Integrationsämter und Rentenversicherer liegen in der Hierarchie der Mittelgeber an führender Stelle, gefolgt von den Mitteln, die Unternehmen selbst für BEM-Maßnahmen bereitstellen.

• Die mit der BEM-Einführung intendierten Ziele (Einfluss auf Fehlzeitenentwicklung und Umsetzung gesetzlicher Erfordernisse) sind mehrheitlich rational-formalistisch begründet.

• Skeptiker kamen vor der BEM-Einführung vor allem aus der Gruppe der Beschäftigten und der Geschäftsleitungen/Führungskräfte. Als Unterstützer wurden besonders häufig die betrieblichen Interessenvertretungen und Schwerbehinderten-Vertrauenspersonen genannt.

• In der Praxis zeigt sich eine überwiegend konstruktive Zusammenarbeite der BEM-Akteure. Es werden deutlich positive Erfahrungen gemacht. Wo Störungen auftreten, sind die Gründe häufig schlechte Kommunikation und fehlende Eindeutigkeit in den Zuständigkeiten.

• Herkunft: Für die befragten Praktiker lässt sich feststellen, dass 85% aus Unternehmen mit 200 und mehr MA kommen. Wie bereits bei den Planern zeigt sich eine deutliche Zurückhaltung kleinerer Organisationen bei der Einführung des BEMs.

• Bei den Praktikern sind knapp die Hälfte der Unternehmen aufgrund des Anteils schwerbehinder-ter/gleichgestellter MA ausgleichsabgabenpflichtig.

• Neben „Öffentlicher Verwaltung“ und „Gesundheitswesen“ sind bei den Praktikern die „Metallverarbeitung“ als häufigste Branchen genannt worden. Am seltensten wurden die Branchen „Wohnungsbau und -verwaltung“, „Zeit-/Leiharbeit“ und „Verpackungen“ angeführt.

• Betriebliche Interessenvertretungen: SBV, Betriebsräte und Personalräte sind in allen Praktiker-Unternehmen stark bis sehr stark vertreten. In mehr als jeder vierten Organisation ist ein Aufsichtsratetabliert, in Unternehmensgrößen 200 und mehr MA sogar zu 55,3%.

• Bei allen Betriebsgrößen sind BGM zu über 50% vorhanden; besonders deutlich bei den großen Unternehmen mit 200 und mehr MA. Damit ist davon auszugehen, dass ein BGM die Einführung des BEMs begünstigt.

• Eine Senkung der MA-Fluktuation sehen nur wenige Praktiker als explizite Folge des BEMs an.

• Meist wird ganzen Teams die Zuständigkeit für die BEM-Durchführung zugeteilt. Deren Zusammensetzung variiert je nach Unternehmensgröße. Trend: Je größer das Unternehmen, desto

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

stärker sind Geschäftsleitungen, Personalabteilungen und SBV in den Teams vertreten.

• BV/DV zum BEM sind in kleinen Unternehmen mit bis zu 50 MA am seltensten vorhanden. Je personal-stärker die Organisationen werden, desto häufiger sind diese Vereinbarungen anzutreffen.

• BV-/DV-Themen: Auffällig ist bei allen Unternehmensgrößen die schwache Thematisierung des Datenschutzes, der Maßnahmen-Finanzierung, der Sicherungen und Nachteilsverbote, der Zielerreichung und der BEM-Mitarbeiter-Qualifizierung.

• Rund Zweidrittel der befragten Praktiker gaben an, dass bereits eine Weiterbildung für die BEM-Zuständigen stattgefunden habe. Nur 55,8% halten dies für ausreichend oder überwiegend ausreichend. Bei fast einem Viertel der Befragten wurde noch keine Weiterbildung angeboten.

• Die Ergebnisse der bisherigen BEM-Arbeit werden durch die Praktiker zu über 80% positiv eingeschätzt.

• Regelmäßige Evaluationen werden eher selten durchgeführt, erhalten dort mit 90,5% aber eine deutlichpositive Bewertung.

• Die Befragten weisen dem BEM bei Schwerbehinderten und ihnen Gleichgestellten eine hohe Akzeptanz (86,9%) zu. Nicht ganz so positiv fällt diese für die Gruppe der Langzeiterkrankten (76,2%) aus.

• Belegschaftsakzeptanz nach Alter: Die geringste Zustimmung (61,3%) scheint in der jüngsten Altersgruppe zu bestehen, die höchste (77,9%) in der mittleren.

• Frauen sind mit 82,7% positiver gegenüber dem BEM eingestellt als Männer (71,6%).

• Ein positiver Zusammenhang zwischen aktivem BEM und Fehlzeitenentwicklung kann nicht nachgewiesen werden.

• Am größten scheint die Chance, durch ein BEM krankheitsbedingte Kündigungen abzuwenden, in Unternehmen mit einer Belegschaftszahl von über 100 MA zu sein.

• Je größer ein Unternehmen (nach MA) ist, desto eher verbleiben ältere Belegschaftsmitglieder durch ein BEM im Betrieb beschäftigt.

• Die Instrumente des BEM-Datenschutzes werden nur unzureichend eingesetzt.

• Ungestörtheit während der BEM-Arbeit: Dies scheint überwiegend gewährleistet zu sein; kleine und mittlere Unternehmen haben hier noch Nachholbedarf.

• Genügend Zeit für die BEM-Arbeit haben die meisten Zuständigen; allerdings mit unterschiedlicher Ausprägung je nach Unternehmensgröße.

• Ausgeprägte Zufriedenheit mit vorhandenem Entscheidungsspielraum kann in keiner der Gruppen ausgemacht werden.

• Über ein eigenes BEM-Budget verfügen nur relativ wenige Praktiker.

Page 84: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

95Teil 3 – ipeco Hamburg94 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

4 ZUSAMMENFASSENDE ERÖRTUNG DER PROJEKTFRAGEN

Im Folgenden werden einige grundsätzliche Fragestellungen behandelt, die hinter dem Projekt RE-BEM stehen. Dabei geht es vor allem darum zu diskutieren, welche Faktoren ein gelingendes BEM unterstützen können und welche es möglicherweise beeinträchtigen.

4.1 Welches Wissen ist in den Betrieben zum BEM vorhanden, und wie kommt das BEM-Wissen in die Betriebe?

Integrationsämter und -fachdienste sind meistgenutzte InformationsquellenZu Beginn ist ein BEM-Wissen in den Unternehmen kaum vorhanden: Als Erstinformationsquelle nehmen bei Planern wie Praktikern die Integrationsämter und -fachdienste wichtige Positionen ein (48,9%). Aber auch die Kammern (27,4%) und Berufsgenossenschaften (25,5%) sind relevante Informationsgeber. Ihnen obliegt es, konkrete Grundsatz- und Anwendungsbeispiele zu übermitteln und die Voraussetzung für spätere praktische Hilfen zu etablieren. Arbeitsagenturen (13,5%), Gewerkschaften (10,7%) und Arbeitgeberverbände (5,3%) spielen bei dieser Frage in den Umfrageergebnissen eher eine untergeordnete Rolle.

Möglicher Hintergrund für diese Ergebnisse kann zum einen an der TN-Struktur liegen, da über-proportional viele SBV an der Befragung beteiligt waren. Deren erster Ansprechpartner für ihr Klientel(Menschen mit Behinderung) sind die Integrationsämter und deren Fachdienste. Zum anderen ist die Zielgruppe des BEM vor allem auch Langzeiterkrankte und damit häufig von einer Schwer-behinderung bedrohte Menschen. Auch dafür ist die SBV und sind die Integrationsämter zuständig. Und nicht zuletzt spricht dieses Ergebnis von einer guten Informationspolitik der Integrationsämter, die ihren Auftrag scheinbar optimal umsetzen.

Externe Hilfen erforderlichSicher ist, zum Wissenserwerb sind externe Hilfen erforderlich. Die vorhandenen Möglichkeiten werden offensichtlich noch lange nicht ausgeschöpft. Zumindest scheint es, dass die Vielfalt der verschiedenen Angebote noch nicht ausreichend bekannt ist. Insbesondere bei den kleinen Unternehmen, die ein BEM planen, sollte noch deutliche Unterstützung geleistet werden.

Qualifikationen und Schulungen notwendigSchulungsmöglichkeiten zum BEM werden von knapp 70% der BEM-Akteure genutzt. Das scheint viel, aber demnach sind oder werden (Schulung geplant) gut ein Viertel der BEM-Akteure nicht geschult. Auch in vorhandenen BEM-Vereinbarungen sind in nur knapp 26% der Betriebs-vereinbarungen Regelungen zur Qualifizierung aufgenommen worden. Ein Zusammenhang muss nicht bestehen, jedoch zeigt der geringe Schulungsanteil, bei einem solch komplexen Thema wie dem BEM, eine deutliche Unterschätzung der Anforderungen an die Beratungskompetenzen und an das handwerkliche Wissen als BEM-Handelnder. Dabei trägt die Qualifizierung und Weiterbildung der BEM-MA in erheblichem Umfang zur Qualitätssicherung des BEM bei.

Fördermöglichkeiten: Praktisches Wissen ausbaubar durch Schulungen und QualifizierungenDas praktisches Wissen in der konkreten BEM-Beratung ist klar ausbaubar: Fördermöglichkeiten im BEM sind ein zentrales Instrument zur Umsetzung effektiver Maßnahmen zur Gesundheitssicherung und zum Arbeitsplatzerhalt. Diese werden noch längst nicht in ausreichendem Maße genutzt. So haben knapp 30% der Befragten noch nie externe Fördermittel in Anspruch genommen. Die meisten

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Fördermittel werden bei den Integrationsämtern (42,4%) und bei den Rentenversicherern (31,5%) aufgebracht.

Dieses Ergebnis ist nicht überraschend und hat zum Hintergrund die jeweiligen Zuständigkeiten der Institutionen. Es handelt sich bei den BEM-Berechtigten häufig um langzeiterkrankte Menschen, die entweder bereits einen Grad der Behinderung haben oder von Behinderung bedroht sind; damit fallen sie – vereinfacht gesagt – in den Zuständigkeitsbereich der Integrationsämter. Da es sich zum anderen bei langzeiterkrankten Menschen häufig um ältere MA handelt, die länger als 15 Jahre sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, fallen sie in den Zuständigkeitsbereich der Rentenversicherungsträger, wenn es etwa um berufliche oder medizinische Rehabilitationen geht. Darüber hinaus wird bei Menschen mit Langzeiterkrankungen häufiger eine Erwerbsminderungsrente (z.B. Teilerwerbsminderungsrente oder auf Zeit) geprüft und in Anspruch genommen.

Dass die o.g. knapp ein Drittel der Umfrage-TN noch nie Fördermittel in Anspruch nahmen, weil es u.U. dazu zu wenig Wissen in den Unternehmen gibt, spiegelt sich auch in den freien Kommentaren wider (hier nur wenige von vielen Anmerkungen dazu):

"Gezielte Schulungen wären noch erforderlich. Welche Hilfen kann man konkret anbieten? Welche Fördermittel gibt es?“

"Meiner Meinung nach werden Personen, die mit erkrankten Mitarbeitern arbeiten zu wenig geschult, zu wenige Kompetenzen mit auf den Weg gegeben. …“

"Schulungen für BEM-Team sollte Pflicht sein!“

Zusätzliche Hilfen und Informationen gewünschtEs werden von den Umfrageteilnehmenden zusätzliche Informationen und Hilfen gewünscht. In der entsprechenden Frage hoffen Planer wie Praktiker auf einen stärkeren Austausch zur BEM-Praxis. Sie wünschen sich regelmäßige Rechtsinformationen zur Ausgestaltung des BEM.

Hierzu ein TN im Freitext-Kommentar:

„Wichtig: Möglichkeiten zur kompetenten Schulung für BEM - Beauftragte und begleitende Strukturen zum Austausch von Erfahrungen und Möglichkeiten bei komplizierten Fällen."

4.2 Welche Korrelationen der Akteure im Betrieb bzw. welche gegensätzlichen Interessen befördern oder behindern eine Entwicklung hin zu einer guten BEM-Qualität?

Hohe innerbetriebliche Unterstützung vorhandenEine deutliche Unterstützung während der Planungs-/Vorbereitungsphase registrierten alle Teilnehmergruppen bei Interessen- und Schwerbehindertenvertretungen, Geschäftsleitungen und Personalverantwortlichen. Auch Betriebsärzte und Akteure im Gesundheitsmanagement sind in diesem Zusammenhang mit deutlich positiven Einstellungen zum BEM häufig genannt worden.

Positive Einstellung zum BEM fördert das Gelingen Die Teilnehmenden an der Online-Umfrage selbst waren und sind mehrheitlich positiv zum BEM

Page 85: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

97Teil 3 – ipeco Hamburg96 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

eingestellt. Die Zustimmungsquote ist durchweg recht hoch und liegt, je nach Betriebsgröße, zwischen 81% und 90%. Die innerbetrieblichen Akteure werden mehrheitlich als konstruktiv für ein Gelingen des BEMs eingeschätzt. Offensichtlich wurden hier überwiegend positive Erfahrungen dokumentiert. Nur 11,5% äußern explizit negative Einschätzungen zur innerbetrieblichen Zusammenarbeit. Dabei variieren die Bewertungen leicht je nach Unternehmensgröße.

Zu beachten ist hier, dass nicht jeder abgefragte Funktionsbereich in allen Unternehmen (je nach Größe) existiert. Z.B. sind Betriebliche Interessenvertretungen, ein Arbeitssicherheitsausschuss oder eine Fachkraft für Arbeitssicherheit, ein Gesundheitsmanagement oder eine Datenschutz-Beauftragte in kleinen Unternehmen selten vorhanden.

Latente Skepsis zur Zusammenarbeit bei Führungskräften und BeschäftigtenSkeptisch (jedoch recht homogen in allen Betriebsgrößen unterhalb von 25%) wird die Zusammen-arbeit mit Führungskräften und Unternehmensleitungen beurteilt. Bei Betriebsgrößen von 51 bis 100 MA gibt es eine eher hohe negative Einschätzung zur Zusammenarbeit im BEM bei den Beschäftigten (22%). Das ist eine Abweichung zu anderen Betriebsgrößen von gut minus 6% bei Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten (15,7%) und liegt in kleinen Betrieben bei 5 bis 50 Beschäftigten (7,5 %) mit minus 14,5% in der Abweichung.

Aufklärung fördert die ZusammenarbeitEine Ursache dafür könnte die Öffentlichkeitsarbeit sein. In Unternehmen bis 50 MA ist der Informationsfluss sicher übersichtlicher als in Betrieben von 51 bis 100 Beschäftigten, in denen Informationsstrukturen ggf. (noch) nicht gut ausgebaut sind. In Betrieben über 500 MA sind mehr Ressourcen für eine gute BEM-Informationspolitik vorhanden, und in der Regel ist das BEM dort bereits länger installiert.

Rechtzeitige Einbindung erhöht die BEM-AkzeptanzDie rechtzeitige Information und Einbindung von Belegschaft und Führungskräfte erhöhen offenbar die Chance auf eine konstruktive Zusammenarbeit schon während der BEM-Vorbereitungen und später bei der Umsetzung.

Gegensätzliche Interessen?Die Befragung zur Zielsetzung der einzelnen Akteure des BEMs innerhalb der untersuchten Funktionen und Betriebsgrößen ergab keine signifikanten Gegensätze. Alle scheinen mit leicht unterschiedlichen Prioritäten die gleichen Ziele zu verfolgen.

Im Zentrum stehen der positive Einfluss auf Fehlzeitenentwicklungen (63,6%), die Umsetzung der gesetzlichen Vorschriften (60,0%), der Präventionsgedanke (50,8%) sowie die Stärkung der Mitarbeiter_innen Gesundheit (46,9%) und der Erhalt von Arbeitsplätzen (47,9%) (Mehrfach-nennungen waren möglich). Das entspricht im Wesentlichen auch den Ziel-Vorgaben im BEM-Gesetz. Dass die Gewichtung der Interessen im Einzelnen variiert, ist anzunehmen, ist jedoch nicht explizit aus der Befragung abzuleiten.

Wissen und Erfahrungen vermindern Befürchtungen Waren in der Gruppe der Planer noch viele Sorgen erkennbar, sind bei den Praktikern negative Erwartungen durch das BEM nur marginal vorhanden. Über 52% erkennen keine negativen Auswirkungen, während der Anteil bei den Planern nur bei 8,6% liegt. Die Sorge, dass sich unerwünschte Nebeneffekte durch ein BEM, das nicht optimal auf die betrieblichen Belange ausgerichtet ist, einstellen könnten, wurde bei den Planern noch mit über 46% angegeben. Diese

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Befürchtung ist in der Größenordnung bei den Praktikern nicht zu beobachten (17,8 %). Und dass ein BEM-Gespräch als Fehlzeitengespräch mit Sanktionscharakter missbraucht wird, fürchten 34,1% der Planer, bei den Praktikern halbieren sich diese Wahrnehmungen (16,4%). Auch die Sorge, dass ein durchgeführtes BEM zu einer erleichterten Kündigung genutzt werden kann, halbiert sich von Planern (20,3%) zu Praktikern (10,2%). Und selbst die geringere Sorge um eine negative Entwicklung auf die Fehlzeiten geht zurück von 8,6% (Planer) auf 2,9% (Praktiker).

Dieses Ergebnis zeigt deutlich, dass Wissen und Erfahrungen unerlässlich sind, um gegen Ängste und Befürchtungen im BEM zu wirken. Es ist ein vielversprechender Ansatzpunkt, um die Akzeptanz des BEM zu unterstützen und Ängste zu nehmen.

Ausbaufähige innerbetriebliche ZusammenarbeitDanach befragt, welche Faktoren eine gute innerbetriebliche Zusammenarbeit und Kooperation im BEM erschweren, nennen die Befragten (bei möglichen Mehrfachnennungen) vor allem einen schlechten Kommunikationsfluss (knapp 40%), unflexible Entscheidungsstrukturen (35,8%), uneindeutige Zuständigkeiten (26,4%) und „Lagerdenken“ (26,2%)18. Letzteres bestätigt, dass gut ein Viertel der Befragten zwar unterschiedliche Perspektiven sehen, der Rest dies jedoch nicht erkennen kann.

Konfliktregelungen sind hilfreichUnd wenn es keine Übereinkunft gibt? In gut der Hälfte der Betriebe (50,6%) existiert keine Regelung zu Konfliktlösungen, bei gut einem Viertel (25,6%) sind Vereinbarungen dazu nicht bekannt. Und in knapp 24% der Betriebe existieren Vereinbarungen zu Konfliktlösungen. Eine Steigerung dieses Anteils ist sicher von Vorteil für die Zusammenarbeit der betrieblichen Akteure.

4.3 Welchen Einfluss haben Betriebsalter, Größe und Branche der Betriebe sowie das Belegschaftsalter auf Entstehung und Entwicklung des BEM?

Unternehmensalter: Je älter die Betriebe, desto häufiger BEMDie Unternehmen, in denen ein BEM geplant oder bereits praktiziert wird, bestehen zu über 90% über 20 Jahre; lediglich 5% bis 7% sind nicht älter als 10 Jahre. Allerdings ist ein belastbarer Zusammenhang zwischen dem Alter eines Unternehmens und dem Vorhandensein eines BEMs nicht herstellbar, weil diese Verteilung auch für Unternehmen gilt, die kein BEM durchführen.

Handlungsoption:Zu vermuten ist, dass sehr junge Unternehmen zunächst Prioritäten setzen, die sich innenbetrieblich auf das Schaffen grundsätzlicher Strukturen richten und nach außen auf die Behauptung am Markt. Zu überlegen wäre etwa, ob sich – auch mit Blick auf das defizitäre „Wissen zum BEM in den Betrieben“ – eine Ausweitung der Grundqualifikationen von Unternehmensgründer_innen hilfreich wäre. So könnte z.B. schon in den IHK- oder HK-Beratungen, aber auch in der akademischen Ausbildung, durch Aufnahme entsprechender Inhalte in die Curricula stärker auf die Einrichtung präventiver Instrumente zum BGM geschult werden. Ziel wäre ein Aufstieg des BGM/BEM in der Prioritätenliste der Betriebsstrukturen.

18 Starre Hierarchien (23,7%) und ein hoher Verwaltungsaufwand (17,3 %) komplettieren die Verteilung in den erschwerenden Faktoren

Page 86: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

99Teil 3 – ipeco Hamburg98 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Unternehmensgröße: Je kleiner die Betriebe, desto weniger BEMKnapp 64% der Unternehmen, die ein BEM praktizieren, beschäftigen mehr als 500 MA. 45% in dieser Kategorie planen ein BEM, aber gut 25% führen kein BEM durch.

Dagegen ist in der Unternehmensgröße bis zu 100 MA bei nur knapp 7% ein BEM eingeführt und praktiziert, bei etwa 17% ist die Einführung geplant. Und gut 36% der Unternehmen bis zu 100 MA bieten kein BEM an.

Belegschaftsalter: Je kleiner das Unternehmen, umso kleiner die Chance auf ArbeitsplatzerhaltDa das durchschnittlich genannte Belegschaftsalter aller Teilnehmer (44,3 Jahre) sehr eng bei den aller Teilgruppen liegt (Range: 43,6 Jahre bei den BEM-Planern und 44,5 Jahre bei den Praktizieren-den durch alle Betriebsgrößen), kann dieses Merkmal nicht als Unterscheidungskriterium bei der BEM-Einführung herangezogen werden.

Allerdings ist in der Durchführung und in der Erfolgseinschätzung des BEM auffällig, dass je kleiner die Betriebe sind, die Wahrscheinlichkeit abnimmt, dass ältere Arbeitnehmer nach einem BEM im Unternehmen verbleiben. Die Verbleibdauer der MA nach einem BEM (ohne Berücksichtigung des Alters) ist durchgängig sehr hoch (bei Betriebsgrößen über 500 Mitarbeiter 96,3%).

Dann jedoch nimmt der Verbleib von älteren MA hin zu kleiner werdenden Betriebsgrößen leicht ab. Nach den ausgewerteten Antworten ist die Chance auf Erhalt des Arbeitsplatzes bei Unternehmen mit mehr als 500 MA am größten (96,7%) und bei solchen mit bis zu 50 MA am niedrigsten (86,4%).

Dies mag z.T. daran liegen, dass manche Möglichkeiten (etwa Ressourcen oder Arbeitsplatz-diversität) in großen Unternehmen deutlich vielfältiger und häufiger vorhanden sind.

4.4 Gibt es unabhängig von der Größe der Betriebe Unternehmensstrukturen mit entsprechenden Interessenvertretungsformen, die hemmend oder förderlich sind?

Fast in allen Betrieben in der Umfrage existieren Interessenvertretungen (97,2%), nur in 2,8% fehlen diese völlig. Diese Angaben sind wohl zum einen auf die proportionale Umfragebeteiligung zurückzuführen (hoher Anteil BR/PR/MAV und SBV), zum anderen sind die Unterstützung und das Engagement zum BEM bei den betrieblichen Interessenvertretungen besonders hoch. (vgl. unter 2.4 und 3.4)

Ein besonderes Gewicht dürfte jedoch in allen Gruppen den Schwerbehindertenvertretungen zukommen, die bei den Praktikern die stärkste Gruppe (69,9%) und bei den Planern die zweitstärkste Gruppe (62,5%) ausmachen. Es ist davon auszugehen, dass sie aufgrund ihres genuinen Arbeitsbereiches ein BEM konstruktiv begleiten und fördern (werden).

Mehrere Filialen oder Standorte des Unternehmens scheinen keinen hemmenden Einfluss auf das BEM zu haben. Vielmehr korreliert dies mit der Erkenntnis, dass Großbetriebe (mehr Standorte, Filialen) häufiger das BEM eingeführt haben. Allerdings wird aus den Freitexten und Kommentaren in der Umfrage deutlich, dass betriebliche Umstrukturierungen und Unternehmenszersplitterungen, Einfluss auf die Entwicklung und Umsetzung des BEM haben können.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Zitate aus den Kommentaren:

"In unserem Unternehmen ruhen im Moment alle BEM Verfahren. Die Aussage (…) dazu ist: "Es gibt Wichtigeres im Moment, nämlich die Umstrukturierung des Unternehmens".

Oder zur Zersplitterung von Unternehmen:

„… Manchmal hab ich das Gefühl, dass die vielen Unterfirmen und Firmierungen nur aufgrund geringer Einsatzmöglichkeiten für MA geschaffen werden. Wenn man eben nur ein Tätigkeitsfeld der Arbeitnehmer hat und die Arbeitnehmer diese Tätigkeit nicht mehr ausüben können… Dann müssen sie eben weg“

Dies gibt „Gefühltes“ wieder und wird, wie oben gesagt, aus den Ergebnissen in der konkreten Online-Frage nicht deutlich, soll hier jedoch zur Vervollständigung des Bildes erwähnt sein.

4.5 Gibt es konkrete Faktoren (Managementsysteme, Gefährdungsbeurteilungen, Vereinbarungen), die ein wirksames BEM befördern?

In der Befragung wurden vorhandene Instrumenten und Vereinbarungen (z.B. BGM, Qualitäts-managementsysteme) in den Unternehmen angesprochen:

BGM deutlich positiv als Voraussetzung für ein BEMIn vier von fünf Unternehmen mit BGM ist auch ein BEM in Planung oder eingeführt – bei den Planern gut 40% bei den Praktikern schon über 73%. Dagegen gibt es ein BGM nur in gut 18% der Unternehmen, die kein BEM planen oder praktizieren. Dies scheint nicht von der Größe der Unternehmen abzuhängen, denn in allen Unternehmensgrößen ist ein BGM zu über 50% vorhanden. Daraus lässt sich die These stärken, dass in Unternehmen, in denen ein BGM eingeführt ist, die nötige Sensibilisierung und Bereitschaft vorhanden ist, im Rahmen dessen ein BEM zu etablieren.

Dieses Ergebnis bestätigt auch den Erfolg der vorhandenen BGM-Beratungsangebote von Sozialversicherungsträgern (insbesondere einiger Krankenkassen, die hier gut unterstützen). Aber auch viele weitere Beratungsstellen zum BGM, die den Dreiklang aus Arbeits- und Gesundheits-schutz, Gesundheitsförderung und das BEM als Verankerung in der Organisation als Entwicklungs-aufgabe verstehen, befördern diesen Bewusstseins-Prozess.

Qualitätsmanagementsysteme (QMS)Sie richten den Blick auf betriebliche Prozesse und sensibilisieren für „Baustellen“ im Unternehmen. Dadurch entsteht ein erhöhter Anspruch auf vernünftige Prozesse, die auch durch ein BEM gestützt werden können – und umgekehrt. QMS existieren in 85,5% der Unternehmen, die ein BEM planen oder praktizieren und an der Umfrage teilnahmen. QMS unterstützen vermutlich einen guten BEM-Prozess.

Mehr demografieorientierte Personalplanungen wünschenswertDagegen haben Demografie-Vereinbarungen nach den Umfrage-Ergebnissen noch kaum Raum im Bewusstsein der Unternehmen bzw. der Umfrage-TN. Diese Art Planung ist nur bei 22,4% der BEM-Praktiker vorhanden. Bei knapp 80% spielt das Thema also (bewusst) keine Rolle.

Page 87: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

101Teil 3 – ipeco Hamburg100 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Es existieren bereits Tarifvereinbarungen zur Demografie, etwa zu Arbeitszeitkonten und zur Personalplanung. Eine These, die eine demografieorientierte Personalplanung stützt ist, dass dadurch alters- und alternsgerechte Arbeitsweisen berücksichtigt und gefördert werden können. Damit werden Optionen für alle Beschäftigten – jeden Alters – auf fähigkeitsgerechte Arbeitsplätze und -anpassungen erweitert und können so einen erheblichen Beitrag für die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit leisten. Der Unternehmensstruktur und -kultur und den BEM-Berechtigten käme solch eine Orientierung zugute.

Inklusionsvereinbarungen im Leitbild verankernEin weiterer unterstützender Faktor für das BEM ist das Einhalten der Forderung zum Abschluss einer Integrations-/Inklusionsvereinbarungen (lt. § 83 SGB IX)19. Sie stärken die Position schwerbehinderter Menschen und sensibilisieren den Blick auf Beeinträchtigungen und Behinderungen, die im Unternehmen bestehen (z.B. ausgrenzende Bauweisen, Wege- undArbeitsplatzgestaltung). Inklusionsvereinbarungen fördern die Akzeptanz von Leistungswandlungen und wirken damit mittelbar auf das BEM, das sich auch auf langzeit- und chronisch erkrankte oder beeinträchtigte Menschen richtet.

In fast 6 von 10 (58,2%) der Unternehmen mit Integrations-/Inklusionsvereinbarungen wird das BEM geplant oder praktiziert. Das ist erheblich und trägt sicher zur Bewusstseinsbildung im Sinne eines positiven Leitbildes zum Umgang miteinander innerhalb eines Diversity-Managements bei. In gut 40% der befragten Unternehmen existieren keine Integrations-/Inklusionsvereinbarungen.

In solchen Vereinbarungen können z.B. Regelungen für leistungsgewandelte Menschen auf-genommen werden, die über den gesetzlichen Kündigungsschutz hinausgehen. Ein Initiativrecht für einen Vereinbarungsvorschlag besitzen die Schwerbehindertenvertrauenspersonen. Inklusions-vereinbarungen können ein BEM aktiv flankieren und erweitern idealerweise die Handlungs-möglichkeiten auch in den BEM-Verfahren.

4.6 Tragen bestimmte Ausgestaltungsmerkmale eines BEM, wie z.B. eine klare Prozessstruktur mit Betriebsvereinbarung und Datenschutzregelungen, zur Akzeptanz in der Belegschaft bei?

Klare Zuständigkeiten vereinbarenAls Störfaktoren für ein gut umgesetztes BEM wurden u.a. „unflexible Entscheidungsstrukturen“ und „uneindeutige Zuständigkeiten“ identifiziert (vgl. 4.2). Es ist demnach vorteilhaft, wenn das Vorgehen im BEM-Prozess verbindlich vereinbart wird.

Eine deutliche Mehrheit der TN-Unternehmen entscheidet sich in der Umsetzung des BEM für ein Integrations-Team.

19 Anmerkung: Der Begriff „Integrationsvereinbarung“ wird laut dem Bundesteilhabegesetz -BTHG ab dem 1.1.2017 durch „Inklusionsvereinbarung“ ersetzt.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Es zeigt sich, dass sich in der Praxis erheblich weniger Betriebs-/Personalräte in den Teams befinden, als es die (heutigen!) Planer vorhaben. Stattdessen sind die Geschäftsleitungen deutlich stärker vertreten, und durchschnittlich jedes fünfte Teammitglied rekrutiert sich aus der Belegschaft.

In mehr als Dreiviertel (76,9%) aller Praktiker-Unternehmen ist eine BV/DV abgeschlossen worden. Sie dient dazu, eine klare Prozessstruktur zu etablieren, die eine Berechenbarkeit und Sicherheit in Durchführung und Zielen des BEMs sicherstellt. Je kleiner ein Unternehmen ist, desto weniger BV/DVs sind vorhanden (bei 5 bis 50 MA: 44,2%; bei 200 MA und mehr: 79,8%). Dies muss nicht zwangsläufig ein qualitativer Nachteil sein, wenn es stattdessen z.B. gut aufbereitetes, aufklärendes Informationsmaterial (Flyer, Broschüren, Erklärfilme) für die Beschäftigten gibt und für die beteiligten betrieblichen BEM-Akteure klare und verbindliche Prozessvereinbarungen und Handlungs-kompetenzen vorhanden sind – wie immer sie genannt werden.

Datenschutz klar ausbaubarDer Bereich „Datenerfassung, Datenweitergabe und Datenschutz“ gehört mit 57,1% zu den am häufigsten geregelten Themen in den BV/DV. Aber auch hier gilt wieder, je kleiner die Unternehmen sind, desto weniger wird der Datenschutz – selbst dort wo es BV/DV gibt – geregelt. Durch alle Unternehmensgrößen hindurch ist in gut 40% der Unternehmen mit BV/DV der Datenschutz offenbar nicht geregelt (über 50% haben keine Regelung). Insbesondere in kleinen Unternehmen (bis 100 MA) steht dieses sensible Thema nicht im Fokus. Das ist, angesichts der Bedeutung des Datenschutzes für das BEM, erstaunlich bis besorgniserregend.

Der Umgang mit dem BEM-Datenschutz in den Unternehmen wirft Fragen auf. In der Frage nach der Nutzung von Instrumenten zum Datenschutz werden von etwa der Hälfte aller TN angegeben, dass sie Datenschutzerklärungen (51,7%) und Verschwiegenheitsverpflichtungen (50,8%) nutzen. Dies lässt den Umkehrschluss zu, dass ein fast gleich großer Anteil der TN dieses unabdingbare BEM-Instrumentarium ignoriert oder darüber nicht Bescheid weiß.

Weiter wird danach gefragt, ob ein verschließbarer Raum/Schrank für die BEM-Akten genutzt wird. Dies beantworten 52,9% positiv. Eine Frage an anderer Stelle fragt das Gleiche im Kontext mit Ressourcen: „Steht ein abschließbarer Raum/Schrank zur Verfügung?“ Diese Frage wurde von allen TN (nicht nach Betriebsgrößen unterschieden) zu 82,3% bejaht.

Bei strenger Auslegung bedeutet dies, dass 82,3% der TN steht diese Ressource zur Verfügung steht, sie aber nur von 52,9% genutzt wird. Daraus entsteht die dringende Handlungsempfehlung, in Unternehmen eine Sensibilisierung für den BEM-Datenschutz herbeizuführen.

Schweigepflichtentbindungen, die für jede Aktion immer dann notwendig sind, wenn der Fallmanager oder das BEM-Team Informationen an Dritte weiterleitet oder im Namen des BEM-Berechtigten aktiv wird, werden nach den Angaben der Befragten nur zu 38,8% eingesetzt.

Wie aus den Antworten der TN hervorgeht, existiert nur in etwa 44% der Unternehmen eine Frist zur Vernichtung, Löschung oder Übergabe der BEM-Akten. In den BEM-Vereinbarungen (BV/DV) gibt es zum Themenbereich Datenschutz bei 57,1% Aussagen der TN. Hier entsteht die Frage, was denn im Datenschutzparagraphen der BV/DV genau vereinbart wurde. Notwendig sind auf alle Fälle die Vereinbarung einer Löschfrist und möglichst auch eine Regelung zur Überprüfung der Einhaltung dieser Fristen.

Page 88: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

103Teil 3 – ipeco Hamburg102 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg Seite 99 I.v.

Dieser sensible Bereich des BEM-Datenschutzes ist nicht nur wegen gesetzlicher Vorgaben von höchster Relevanz, sondern er dient zentral als primäres Instrument der Vertrauensbildung innerhalb des BEM-Prozesses. Wie sich zeigt, ist der Bereich zum BEM-Datenschutz noch deutlich ausbaubar!

Ausreichende Ressourcen zur BEM-UmsetzungRuhige Räume, um eine ungestörte BEM-Beratung durchzuführen, ist einer der Grundlagen im BEM-Prozess. Diese Ressource steht den TN in zu knapp 75% zur Verfügung und noch einmal gut 14% geben an, in ausreichendem Maße. Dieser hohe Wert von fast 90% darf jedoch nicht den Blick darauf verschließen, dass sich etwa jede_r zehnte TN im Hinblick auf ungestörte/unbeobachtbare BEM-Arbeiten anderweitig behelfen muss.

Mit der Ressource (freigestellte) Zeit sind rund Zweidrittel der TN überwiegend oder gar völlig zufrieden.

Ausreichende Entscheidungskompetenzen erkennen nur etwa 22,7% der TN, die das BEM umsetzen sollen. Zufrieden mit dem Ist-Zustand sind damit knapp ein Viertel der TN. Für 33,7% ist der status quo verbesserungsfähig, 12,4% sind nicht zufrieden und 5,5% besitzen überhaupt keine Entscheidungskompetenz. Das korrespondiert mit der finanziellen Ausstattung von BEM-Verantwortlichen und mit einer früher gestellten Frage nach Störfaktoren in der innerbetrieblichen Zusammenarbeit im BEM-Prozess, bei der „unflexible Entscheidungsstrukturen“ von 35,8% der TN ausgemacht wurde. Der Punkt steht an 2. Stelle in der Hierarchie der Störfaktoren, gleich nach einem „schlechtem Kommunikationsfluss“.

Ein bestimmtes Budget für BEM-Zwecke, über das die Zuständigen frei verfügen können, wäre in diesem Sinne sicherlich hilfreich, doch steht dies nur in relativ seltenen Fällen ausreichend bereit (ja:18,9%; überwiegend: 15,1%; könnte besser sein: 23,1%). Das korrespondiert mit den Angaben und Analysen zu den Themenbereichen in den BV/DVs, in denen dieses Thema mit nur 17,6% Vorkommen, das Schlusslicht bildet. Vielleicht könnten steuerliche Anreize für die Arbeitgeber, wie sie auch schon für Ausgaben im Bereich der Gesundheitsförderung existieren, stärker auch für ein BEM-Budget genutzt werden. Es ist anzunehmen, dass ein überschaubarer finanzieller Spielraum die Entscheidungskompetenzen (und Zufriedenheit) steigert und damit Zeit für Nachfragen und Diskussionen spart.

Zu diesen Ressourcen Raum, Zeit, Entscheidungskompetenzen und Budget kommt noch die Ressource know how, also Wissen und Qualifizierung (vgl oben und unter 3.6.3 Qualifizierung und Weiterbildung).

Qualifizierung und WeiterbildungIm weitesten Sinne gehören zu guten Arbeitsbedingungen alle Voraussetzungen, die geeignet sind, einen angemessenen und erfolgreichen BEM-Prozess zu gestalten. Dies setzt nicht nur ein belastbares Wissen um die rechtlichen und betrieblichen Rahmenbedingungen, sondern auf einer persönlichen Ebene auch Aneignung bestimmter Kompetenzen (z.B. Gesprächsführung im BEM) voraus.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Auch der von Planern wie Praktikern stark gewünschte Austausch über best practices, über Ausgestaltung des BEMs, über Fördermöglichkeiten und Rechtsfragen sind klassische Weiterbildungsthemen. Solche Qualifizierungen sollten für jeden BEM-Zuständigen am Beginn seiner Arbeit stehen und, damit die erworbenen Kenntnisse nicht stagnieren, laufend einer Auffrischung unterzogen werden.

Empfehlenswert: Evaluation Evaluationen als Erfolgskontrolle sind eine Methode, um mögliche Verbesserungsmöglichkeiten im BEM aufzuzeigen. Rückmeldungen von BEM-Berechtigten darüber, wie sie das Verfahren, die beteiligten Personen und die nachfolgenden Änderungen am Arbeitsplatz empfunden haben und statistische Aussagen können dazu wichtige Merkmale sein

Dort, wo bereits Erfolgskontrollen durchgeführt wurde, das sind gut die Hälfte der Befragungs-teilnehmenden (58%), ergab sich eine überwiegend positive Bewertung (über 90%). Allerdings gehört das Thema „Erfolgskontrolle und Zielerreichung“ (35,1%) zu den am wenigsten genannten in den BV/DV, vor dem Thema „Qualifizierung“ 25,9% und „Finanzierung von Maßnahmen“ 13,4%, einer der seltenen geregelten Bereiche.

4.7 Gelingt die Abwendung krankheitsbedingter Kündigungen durch das BEM?

Die gegebenen Antworten sind deutliche Indikatoren dafür, dass das BEM zum Erhalt der Arbeitsplätze beiträgt: Die Teilnehmenden gaben mehrheitlich an, dass Mitarbeiter_innen „alle“(38,5%) oder „überwiegend“ (57,3%) nach Abschluss ihrer BEM-Verfahren im Unternehmen verbleiben – also nicht gekündigt werden. Dies ergibt zusammen knapp 96%.

Es kann jedoch kein positiver Zusammenhang zwischen aktivem BEM und der Fehlzeitenentwicklung bestätigt werden. Zwar sehen 5,4% sogar eine negative Korrelation, doch 57,3% stellen keine Veränderung durch das BEM fest.

4.8 Gibt es Personengruppen, mit denen ein BEM besser gelingt als mit anderen? Was wären dann die förderlichen Aspekte?

Grundlage zur Beantwortung dieser Frage war die Auswertung zum Thema „Akzeptanz des BEM im Unternehmen“, da davon auszugehen ist, dass diejenigen, die das BEM akzeptieren, auch das meiste Vertrauen in dieses setzen. Vertrauen wiederum ist einer der Grundlagen für ein gelingendes BEM.

Legt man die Teilgruppen „Schwerbehinderte“ und „Langzeiterkrankte“ zugrunde, so zeichnet sich zwar eine hohe, jedoch noch deutlich ausbaubare Zustimmung zum BEM ab.

Page 89: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

105Teil 3 – ipeco Hamburg104 Teil 3 – ipeco Hamburg

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Dass die Mitarbeiter_innen mit Behinderung dem BEM insgesamt zugeneigter scheinen, kann damit zu tun haben, dass diese Menschen (gegenüber den Langzeiterkrankten) eine relativ kontinuierliche Zugehörigkeit zu dieser Gruppe aufweisen.

Dennoch ist die relativ geringere Akzeptanz bei den Langzeiterkrankten auffällig; sie deutet auf ein erhebliches Kommunikationsproblem hin. Hier sollte deutlich mehr und detaillierter über Möglichkeiten und Ziele des BEM informiert werden.

4.9 Weitere Forschungsfragen

Die vorliegende online-Umfrage und deren Ergebnisse leiten sich methodisch aus einer Querschnittsanalyse ab. Es sind also Momentaufnahmen, mit denen es gelingt, einen status quo des BEM festzuhalten. Perspektivisch interessant wäre es nun, eine kontinuierliche Entwicklung in der BEM-Planung und -Anwendung aufzuzeigen.

Ein geeignetes Instrument hierzu wäre eine qualifizierte Längsschnittstudie. Denkbar wäre, ein repräsentatives Panel mit ausgesuchten Unternehmen und festen Ansprechpartnerinnen und -partnern bzw. Teilnehmer_innen zu generieren. Dieses Panel könnte über mindestens drei bis fünf Jahre begleitet und befragt werden.

Bestimmte, hier oft nur im Kern aufzeigbare, typische Merkmale und Korrelationen im BEM-Prozess würden auf diese Weise vertieft und entlang einer Zeitschiene auf Veränderungen hin überprüft werden.

Im Ergebnis könnten z.B. Entwicklungen, die etwa sich aus dem Übergang von der Planungs- in die Praktikerphase ergeben, personen- oder funktionsbegleitend aufgezeigt und interpretiert werden.

Mögliche Änderungen/Anpassungen in den rechtlichen und/oder unternehmensinternen Rahmenbedingungen würden in ihren Wirkungen so direkt vor Ort beobachtet und evaluiert. Damit könnte die Möglichkeit geschaffen werden, funktionale Schwachstellen frühzeitig zu erkennen und daraus substantielle Änderungsvorschläge zu erarbeiten.

RE-BEM: Online-Umfrage 2016Zusammenfassender Abschlussbericht zur Umfrage

ipeco Hamburg I.v.

Dieser Bericht (Stand: Januar 2017) wurde verfasst von

Dr. Regina RichterInstitut für Personalentwicklung und Coaching ipecoSchwarzenberg 26a, 21629 Neu Wulmstorf

Mail: [email protected].: 04168. 9196414

unter wissenschaftlicher Begleitung von

Peter R. HorakBüro für analytische Sozialforschung BaS Hamburg

Mail: [email protected].: 040. 85403864

Der Bericht wurde im Auftrag des Projekts RE-BEM erstellt.

Website: www.re-bem.de

Page 90: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

IMPRESSUM:

Herausgeber: DGB Bildungswerk e.V. – Vorsitzende: Elke Hannack – Geschäftsführerin: Claudia Meyer

Verantwortlich: Christine Zumbeck

Autor_innen:Dr. Christiane Stegmann, Christine ZumbeckDGB Bildungswerk BUND, Projekt RE-BEM

Dr. Regina RichterIpeco Hamburg, Kooperationspartner des Projektes RE-BEMWissenschaftliche Begleitung: Peter R. Horak Redaktion: Anja Becker

Design: Buero Zockoll., Köln

Bildnachweis: Illustrationen – Shutterstock

Anschrift:DGB-Bildungswerk e.V.Projekt RE-BEMBesenbinderhof 5820097 Hamburgwww.re-bem.de Hamburg im Februar 2017

Page 91: Projekt RE-BEM Dokumentation Die wissenschaftlichen Ergebnisse · Teil 1 Das BEM-Verfahren – eine betriebliche Bestandsaufnahme Zusammenfassung der wissenschaftlichen Ergebnisse

www.re-bem.de