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Projekte in der Wirtschaft Juliane Siegeris und Jörn Freiheit Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin Informatik und Wirtschaft [email protected] | [email protected] Zusammenfassung Der Beitrag stellt die Projektveranstaltungen des Stu- diengangs Informatik und Wirtschaft (für Frauen) an der HTW Berlin vor. Das Besondere bei diesen Projek- ten ist, dass die Studentinnen an realen Aufgabenstel- lungen arbeiten, die von Unternehmen gestellt und begleitet werden. Für jedes Wintersemester werden dafür zwischen 10-12 verschiedene Partner aus der Region gewonnen. Diese begleiten ein Team von etwa 5-7 Studentinnen ein Semester lang. Diese Art realer Projekte steht nicht am Ende des Studiums, sondern fordern die Studentinnen das erste Mal im dritten und dann ein weiteres Mal im fünften Semester ihres Bachelor-Studiums. Der Beitrag stellt Rahmenbedin- gungen und Durchführung der Projekte vor und dis- kutiert Vor- und Nachteile der Veranstaltung im Kon- text des mono-edukativen Studienangebots. Einleitung Es ist inzwischen an vielen Universitäten und Hoch- schulen üblich, dass die Studierenden selbständig Projekte bearbeiten und damit die in den fachlichen Vorlesungen erworbenen Fähigkeiten erproben und festigen, vgl. z.B. (Kleuker u. Thiesing, 2011; Lewer- entz u. Rust, 2001; Liebehenschel, 2013). Ein weite- res Ziel dieser Projekte ist es, typische Vorgehenswei- sen selbst anzuwenden und das Arbeiten im Team zu erlernen. Mehr als in jeder Frontalveranstaltung ei- genen sich die Projekte dazu, neben den technischen Fähigkeiten auch wertvolle Softskills zu trainieren. Dass solche Fähigkeiten mehr denn je gefragt sind, lässt sich der Literatur, vgl. (Rolf u.a., 2013; Vi- genschow u. a., 2011), aber auch einer Studie, vgl. (SIBB e.V., 2012) entnehmen. Bei dieser Umfrage, die durch den Verband der IT- und Internetwirtschaft in Berlin und Brandenburg (SIBB) unter 104 Unter- nehmen aus der ICT-Branche im Jahr 2012 durchge- führt wurde, gaben 66% der Befragten auf die Frage „in welcher Hinsicht die Unternehmen die Hochschul- ausbildung für verbesserungswürdig halten“ an, dass „mehr Projekte unter Realbedingungen“ durchgeführt werden sollten. Dies war somit der höchste Verbes- serungsbedarf der Industrie an die Hochschulausbil- dung, noch vor bspw. „konzeptionellen Fähigkeiten“ (46%) und „modernen Technologien im Rahmen der Fachinhalte“ (45% - Mehrfachnennungen waren mög- lich). Siehe dazu auch Abbildung 1. Abbildung 1: Wünsche der Unternehmen an Ausbil- dungsinhalte. Quelle: (SIBB e.V., 2012) Um die Studierenden neben dem Fachwissen mit den im späteren Berufsfeld notwendigen Schlüssel- kompetenzen auszustatten, wurde bei der Neukon- zeption des Studiengangs Informatik und Wirtschaft (für Frauen) ein besonderes Augenmerk auf die Ent- wicklung von Methoden und Sozialkompetenz gelegt. Im Curriculum wird dies durch eine größere Anzahl von Lehrveranstaltungen deutlich, in denen die Ver- mittlung von Softskills im Vordergrund steht. Ein wei- terer Schwerpunkt wird auf die Anwendung von di- daktischen Methoden gelegt, die lebendiges Lernen unterstützen. Bei diesen Methoden steht die Selbst- erschließung von Bildungsinhalten durch die Studie- renden im Vordergrund. Die Studierenden werden zu aktiven Lernern und die Lehrenden werden zum Lern- Coach. Beispiele sind Lernteamcoaching, Hackathon oder studentische Projekte, vgl. (Siegeris u. Krefting, 2014). In diesem Papier sollen zwei Lehrveranstal- tungen die „Projekte in der Wirtschaft“ (im 3. Fach- semester) und die Lehrveranstaltung „Projekt“ (im 5. Fachsemester) näher betrachtet werden. Ein Merk- mal dieser Veranstaltungen ist die konsequente Ein- bindung von realen Auftraggebern. Dies ist unserer Meinung nach eine Besonderheit auch im Vergleich zu Projektveranstaltungen anderer Studiengänge der HTW oder anderer Hochschulen, vgl. z.B. (Liebehen- schel, 2013). Während häufig ausgedachte Szenarien in abgewandelter Form jedes Jahr wiederverwendet und teilweise von mehreren Teams parallel bearbei- 73 Axel Schmolitzky, Anna Sabine Hauptmann (Hrsg.): SEUH 2015

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  • Projekte in der WirtschaftJuliane Siegeris und Jörn Freiheit

    Hochschule für Technik und Wirtschaft BerlinInformatik und Wirtschaft

    [email protected] | [email protected]

    ZusammenfassungDer Beitrag stellt die Projektveranstaltungen des Stu-diengangs Informatik und Wirtschaft (für Frauen) ander HTW Berlin vor. Das Besondere bei diesen Projek-ten ist, dass die Studentinnen an realen Aufgabenstel-lungen arbeiten, die von Unternehmen gestellt undbegleitet werden. Für jedes Wintersemester werdendafür zwischen 10-12 verschiedene Partner aus derRegion gewonnen. Diese begleiten ein Team von etwa5-7 Studentinnen ein Semester lang. Diese Art realerProjekte steht nicht am Ende des Studiums, sondernfordern die Studentinnen das erste Mal im drittenund dann ein weiteres Mal im fünften Semester ihresBachelor-Studiums. Der Beitrag stellt Rahmenbedin-gungen und Durchführung der Projekte vor und dis-kutiert Vor- und Nachteile der Veranstaltung im Kon-text des mono-edukativen Studienangebots.

    EinleitungEs ist inzwischen an vielen Universitäten und Hoch-schulen üblich, dass die Studierenden selbständigProjekte bearbeiten und damit die in den fachlichenVorlesungen erworbenen Fähigkeiten erproben undfestigen, vgl. z.B. (Kleuker u. Thiesing, 2011; Lewer-entz u. Rust, 2001; Liebehenschel, 2013). Ein weite-res Ziel dieser Projekte ist es, typische Vorgehenswei-sen selbst anzuwenden und das Arbeiten im Team zuerlernen. Mehr als in jeder Frontalveranstaltung ei-genen sich die Projekte dazu, neben den technischenFähigkeiten auch wertvolle Softskills zu trainieren.

    Dass solche Fähigkeiten mehr denn je gefragt sind,lässt sich der Literatur, vgl. (Rolf u. a., 2013; Vi-genschow u. a., 2011), aber auch einer Studie, vgl.(SIBB e.V., 2012) entnehmen. Bei dieser Umfrage,die durch den Verband der IT- und Internetwirtschaftin Berlin und Brandenburg (SIBB) unter 104 Unter-nehmen aus der ICT-Branche im Jahr 2012 durchge-führt wurde, gaben 66% der Befragten auf die Frage„in welcher Hinsicht die Unternehmen die Hochschul-ausbildung für verbesserungswürdig halten“ an, dass„mehr Projekte unter Realbedingungen“ durchgeführtwerden sollten. Dies war somit der höchste Verbes-serungsbedarf der Industrie an die Hochschulausbil-dung, noch vor bspw. „konzeptionellen Fähigkeiten“(46%) und „modernen Technologien im Rahmen der

    Fachinhalte“ (45% - Mehrfachnennungen waren mög-lich). Siehe dazu auch Abbildung 1.

    Abbildung 1: Wünsche der Unternehmen an Ausbil-dungsinhalte. Quelle: (SIBB e.V., 2012)

    Um die Studierenden neben dem Fachwissen mitden im späteren Berufsfeld notwendigen Schlüssel-kompetenzen auszustatten, wurde bei der Neukon-zeption des Studiengangs Informatik und Wirtschaft(für Frauen) ein besonderes Augenmerk auf die Ent-wicklung von Methoden und Sozialkompetenz gelegt.Im Curriculum wird dies durch eine größere Anzahlvon Lehrveranstaltungen deutlich, in denen die Ver-mittlung von Softskills im Vordergrund steht. Ein wei-terer Schwerpunkt wird auf die Anwendung von di-daktischen Methoden gelegt, die lebendiges Lernenunterstützen. Bei diesen Methoden steht die Selbst-erschließung von Bildungsinhalten durch die Studie-renden im Vordergrund. Die Studierenden werden zuaktiven Lernern und die Lehrenden werden zum Lern-Coach. Beispiele sind Lernteamcoaching, Hackathonoder studentische Projekte, vgl. (Siegeris u. Krefting,2014). In diesem Papier sollen zwei Lehrveranstal-tungen die „Projekte in der Wirtschaft“ (im 3. Fach-semester) und die Lehrveranstaltung „Projekt“ (im5. Fachsemester) näher betrachtet werden. Ein Merk-mal dieser Veranstaltungen ist die konsequente Ein-bindung von realen Auftraggebern. Dies ist unsererMeinung nach eine Besonderheit auch im Vergleichzu Projektveranstaltungen anderer Studiengänge derHTW oder anderer Hochschulen, vgl. z.B. (Liebehen-schel, 2013). Während häufig ausgedachte Szenarienin abgewandelter Form jedes Jahr wiederverwendetund teilweise von mehreren Teams parallel bearbei-

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  • tet werden, werden bei uns jedes Jahr 10-12 unter-schiedliche Projekte mit wechselnden Auftraggebernorganisiert.

    Projekte in der Wirtschaft - VerortungDie Lehrveranstaltungen „Projekte in der Wirtschaft“und „Projekt“ gehören zum Curriculum des Studien-gangs „Informatik und Wirtschaft (für Frauen)“ derHTW. Dieser Studiengang ist noch jung – die erstenStudierenden wurden 2009 immatrikuliert. Als Reak-tion auf den Fachkräftemangel und die Unterreprä-sentation von Frauen in der IT-Branche wurde er alsFrauenstudiengang konzipiert.

    In dem Bachelorstudiengang wird den Studentin-nen durch eine Mischung aus typischen Informatik-veranstaltungen (insgesamt etwa 60 Prozent), grund-legenden Wirtschaftsfächern (etwa 10 Prozent) undSoftskills / Englisch (etwa 10 Prozent) ein für heu-tige Ansprüche des Arbeitsmarktes passendes Profilgegeben. Eine Besonderheit ist der hohe Praxisanteil(verbleibende 20 Prozent!) der durch explizite Lehr-veranstaltungen (Projekte in der Wirtschaft, Exkursio-nen, Praktikum und Projekt) erreicht wird. Mit demhohen Praxisanteil sollen mehrere Ziele erreicht wer-den: fachliche Kompetenzen werden selbständig er-arbeitet bzw. angewendet und überfachliche Kompe-tenzen werden trainiert. Ganz nebenbei wird den Stu-dierenden ein möglichst realistisches Bild des zukünf-tigen Arbeitsplatzes bzw. werden reale Kontakte dort-hin vermittelt.

    Die Veranstaltung „Projekte in der Wirtschaft“ ist(schon) im 3. Semester des Bachelor-Studiums an-gesiedelt. Bis dahin haben die Studentinnen Grund-lagen der Informatikausbildung: Programmierung Iund II (Java), Softwareengineering, Rechnerarchitek-tur und Betriebssysteme, Grundlegende Konzepte derInformatik sowie einführende Veranstaltungen derWirtschaft (BWL, Rechnungswesen) und Mathematikgehört. Im 3. Semester belegen die Studentinnen u.a.parallel Projektmanagement, Webtechnologien undDatenbanken. Die Veranstaltung „Projekt“ im 5. Fach-semester ist ähnlich organisiert wie die Veranstaltungim 3. Semester. Hier bringen die Studentinnen auchihr Wissen aus ihrem ersten Projekt und dem Prakti-kum ein.

    Im Rahmen der Projektveranstaltungen erhaltendie Studentinnen die Gelegenheit, reale Projekteselbstständig durchzuführen. Das Besondere: echteUnternehmen der Region treten dabei als Auftragge-ber auf. Die Unternehmen formulieren die Aufgaben-stellung und begleiten ein Team von 5-7 Studentin-nen bei der Bearbeitung durch das ganze Semester.

    Die Aufgabe der Professor_innen besteht in der Ak-quise der Auftraggeber - immerhin etwa 10-12 ver-schiedene Unternehmen pro Semester, der Unterstüt-zung des Teambuilding- und des Projektzuordnungs-Verfahrens am Anfang, sowie in der eher for-malen Begleitung durch das Semester: regelmäßi-

    ge Projekleiterinnen-Sitzungen, Teilnahme an aus-gewählten Teamtreffen, Organisation von Zwischen-und Abschlusspräsentation und natürlich der Bewer-tung.

    Ablauf der Lehrveranstaltung – vonder Akquise bis zur BewertungIm Folgenden werden die verschiedenen Stationen ei-nes Projekts, von der Anbahnung bis zu Abschlussund Bewertung, vorgestellt:

    Akquise der UnternehmenDie Unternehmen werden mit Hilfe eines Handzet-tels, der die Rahmenbedingungen, den Aufwand unddie Vorteile für die Auftraggeber skizziert, angespro-chen. Sind sie interessiert, beschreiben sie ihr Pro-jekt in Form eines Projektsteckbriefs. In dem ca. 2-seitigen Dokument beschreiben die Auftraggeber dieAusgangssituation, sowie Projektziel und Projektan-forderungen. Bei der Beschreibung des Projektzielslegt der Auftraggeber fest, was die notwendigen unddarüber hinausgehenden wünschenswerten Projekt-ergebnisse sind, die für einen erfolgreichen Projekt-abschluss erreicht werden sollen.

    Die Steckbriefe werden den Studentinnen in derbegleitenden Moodle-Umgebung zur Verfügung ge-stellt.

    Vorstellung der LehrveranstaltungIm ersten Termin der Lehrveranstaltung werden dieStudentinnen auf das Projekt vorbereitet. Der gene-relle Ablauf und die Bewertungskriterien werden vor-gestellt. Zudem wird auf die eventuell konfliktreicheArbeit im Team hingewiesen. Die Dozenten erläuternPrinzipien im Umgang und in der Kommunikationmit den Auftraggebern.

    In diesem Termin erfolgt auch die Zusammen-stellung der Teams. Dabei werden im LosverfahrenTeams gelost, die in möglichst gleicher Anzahl ausStudentinnen des 3. und des 5. Semesters bestehen.Außerdem werden allen Teams alle Projektsteckbrie-fe zur Verfügung gestellt. Es ist jedoch zu diesem Zeit-punkt noch nicht klar, welches Team welches Projektdurchführen wird. Dies wird erst nach den Auftragge-berpräsentationen ermittelt.

    AuftraggeberpräsentationenDie Auftraggeberpräsentationen finden spätestens inder zweiten Woche des Semesters statt. Dazu kom-men die Ansprechpartner der Unternehmen an dieHochschule und präsentieren ihre Projekte in jeweils20-minütigen Vorträgen. Die Teams stellen jeweilsFragen zu den Projekten. Diese beinhalten sowohlfachliche Aspekte als auch organisatorische. So wirdbspw. häufig gefragt, ob der Auftraggeber die Prä-senz des Teams im Unternehmen wünscht und wennja, wie oft, wie der Auftraggeber sich die Abstim-mung mit dem Projektteam vorstellt und wie viel

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  • Zeit der Ansprechpartner zur fachlichen Unterstüt-zung vorsieht. Außerdem werden eventuelle Unter-schiede zwischen der Projektbeschreibung im Vortragund derer im Projektsteckbrief geklärt. Die Projekt-teams (die zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen,welches Projekt sie bearbeiten werden) interessierensich für alle Projekte gleichermaßen und erstellenwährend der Präsentationen eine Prioritätenliste derProjekte, die sie am liebsten bearbeiten würden.

    Zuordnung der Projekte

    Die Zuordnung der Projekte findet wenige Stundennach den Auftraggberpräsentationen, spätestens je-doch am folgenden Tag statt. Die Zuordnung wirddurch die Dozenten moderiert. Die Grundidee für dieZuordnung der Projekte besteht darin zu versuchen,dass die Teams sich die Projekte selbst aussuchen, umeine möglichst große Motivation für die Projektbear-beitung zu gewährleisten.

    In einer geheimen Wahl schreiben die Teams ihrWunschprojekt auf einen Zettel. Alle Projektnamenwerden nebeneinander an die Tafel geschrieben. Un-ter die Projektnamen werden nach der ersten Wahl-runde nun die Teams notiert, die sich für das jewei-lige Projekt entschieden haben. Die Projekte, für diesich jeweils genau ein Team entschieden hat, sind so-mit zugeordnet. Die Projekte, für die sich keines odermehrere Teams entschieden haben, stehen in einerzweiten Runde erneut zur Wahl.

    An dieser zweiten Runde beteiligen sich also nurnoch die Teams, die sich zusammen mit einem odermehreren anderen Teams für ein gleiches Projekt ent-schieden hatten. Sowohl die zweite als auch die dritteund letzte Wahlrunde laufen nach dem gleichen Prin-zip ab wie die erste. Zwischen den Runden wird denStudentinnen etwas Zeit für Abstimmungen im Teamoder mit anderen Teams eingeräumt.

    Nach der dritten Runde droht das Losverfahren.Darin würden alle noch verfügbaren Teams den nochverfügbaren Projekten zugelost werden. Häufig ent-steht jedoch nach der zweiten Runde die Situation,dass sich um vielleicht drei Projekte jeweils genauzwei Teams streiten, während drei weitere Projektebisher nicht gewählt wurden. Bei dem Losverfahrennach der dritten Runde hätten diese sechs Teams je-doch dann nur eine 1/6tel Chance, ihr Lieblingspro-jekt zu bekommen, während eine interne Wahl zwi-schen jeweils zwei Teams die Chancen auf 50% si-chert. Natürlich versuchen die Teams zu vermeiden,ein gänzlich ungewolltes Projekt zu bekommen. Des-halb finden nach der zweiten Wahlrunde häufig „in-terne“ Losrunden statt. Dieses Verfahren hat im lau-fenden Durchgang sehr gut geklappt. Nach der drit-ten Runde ging ein Raunen durch die Gruppe, da alleProjekte verteilt wurden, ohne das abschließend ge-lost werden musste.

    Start der ProjekteIn einer Veranstaltung, die möglichst zeitnah nachden Projektzuordnungen erfolgt, wird das „Teambuil-ding“ gefördert. Dabei soll sowohl das eigene Rol-lenverhalten reflektiert werden, als auch eine Ein-ordnung in der Gruppe gefunden werden. Angeregtdurch (Kleuker u. Thiesing, 2011) verwenden wir da-für einen Belbin-Test (Belbin, 2012) den jede Studen-tin für sich absolviert. Die Ergebnisse des Tests wer-den dann in der Gruppe diskutiert und nach dem an-schließenden Teamspiel nochmal reflektiert. Ziel istes die Rollenverteilung im Team zu unterstützen undim besten Fall schon eine Projektleiterin zu bestim-men. Die anonymisierten Ergebnisse der Belbin-Testswurden von den Professor_innen eingesammelt. Zielist es die gefundenen Rollenprofile in der reinen Frau-engruppe mit Profilen aus ähnlichen aber gemischtenProjektveranstaltungen anderer Hochschulen (Kleu-ker u. Thiesing, 2011) zu vergleichen.

    Für ein erstes Teambuilding, sowie als Basis für dieanschließende Rollen-Reflektion wird anschließendein spielerisches Miniprojekt durchgeführt. Dabeigeht es z.B. darum, einen möglichst hohen Turm auseiner begrenzten Anzahl aus Spaghettis, Marshmal-lows und Büroklammern zu bauen. Durch die unge-wöhnliche Aufgabe entsteht eine sehr ungezwungeneAtmosphäre, die es den Studierenden erleichtert mit-einander ins Gespräch und ins erste „produktive“ Ar-beiten zu kommen und anschließend auch das Team-verhalten zu diskutieren und zu analysieren.

    Zur Vorbereitung auf die eventuell konfliktbehafte-te Zusammenarbeit im Team werden die Studentin-nen gebeten, erst einzeln und dann in ihren Grup-pen Regeln zu erarbeiten, die für die Zusammenar-beit im Team gelten sollen. Diese Teamregeln werdenauf einem gemeinsamen Plakat festgehalten und amEnde der Lehrveranstaltung von allen Teammitglie-dern unterschrieben. Das Plakat wird abfotografiertund als Teamvertrag in die begleitende Moodleumge-bung hochgeladen.

    Durchführung der ProjekteAls erste inhaltliche Aufgabe werden die Teams auf-gefordert, selbstständig das Kick-off mit ihrem jewei-ligen Auftraggeber zu organisieren und zu gestalten.Unterstützend greift hierbei die Lehrveranstaltung„Projektmanagement“ ein. Diese Veranstaltung ist dasganze dritte Semester über auf die Begleitung derProjekte ausgelegt. Die Proketmanagement-Dozentinsteht den Studentinnen durchweg als Ansprechpart-nerin für die organisatorischen Aspekte der Projektezur Seite.

    Die 10-12 Projektteams werden fachlich von allendrei Dozent_innen des Studiengangs unterstützt. Je-des Team ist dabei einer Professorin bzw. einem Pro-fessor zugeordnet, welche(r) sich regelmäßig (meis-

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  • Abbildung 2: Beispiel eines Plakates mit Teamregeln

    tens 14-tägig) mit den Projektleiterinnen und zwi-schendurch mit einzelnen Teams trifft, um denProjektfortschritt zu besprechen und gegebenenfallsauch fachlich unterstützend einzugreifen. In Vorbe-reitung dieser Sitzungen erstellen die Teams Con-trollingberichte. In diesen Berichten wird nicht nurüber den aktuellen Status des Projektes, die Ergebnis-se der letzten, die geplanten Projektschritte für dienächsten 14 Tage, über erkannte Risiken und Hand-lungsbedarfe berichtet, sondern jede Studentin gibteinen eigenen Arbeitsnachweis über die im Projektgeleisteten Arbeitsstunden und die erzielten Ergebnis-se ab. Dieser Arbeitsnachweis dient auch der Diskus-sion im Team über eine Gleichverteilung der Arbeits-belastung.

    Die Teams präsentieren in regelmäßigen Treffen(mindestens 2-wöchig, häufig wöchentlich) die Pro-jektfortschritte den Auftraggebern und stimmen Er-reichtes und Geplantes mit ihnen ab. Diese Treffenfinden meistens bei den Auftraggebern statt. Die Vor-lesungspläne sowohl des dritten Semesters als auchdes fünften Semesters sind so angelegt, dass beideeinen gemeinsamen Tag nur für die Projekte zur Ver-fügung haben.

    Zwischen- und EndpräsentationAnfang Dezember, also zwei Monate nach Beginn derProjekte, findet die Zwischenpräsentation der Projek-te an der Hochschule statt. Zu dieser Zwischenprä-sentation sind alle Teams, aber explizit nicht die Auf-traggeber eingeladen. Die Teams berichten den Do-zent_innen und den anderen Teams über den Pro-jektauftrag, die Zusammenarbeit mit dem Auftragge-ber, die interne Zusammenarbeit und insbesondereüber den aktuellen Projektstand und die geplantenArbeiten bis zum Projektende. Die Teams sind ange-

    halten, ihre Präsentationen so aufzubauen, als gin-ge es um eine Anschlussfinanzierung ihres Projektes.Entsprechend kritisch fallen die Nachfragen der Do-zent_innen aus, die dabei als potenzielle „businessangel“ fungieren.

    Die Endpräsentation findet Mitte Februar statt. ZurEndpräsentation werden auch die Auftraggeber, dieStudentinnen des ersten Semesters des Studiengangssowie alle Interessierte der Hochschule eingeladen.Die Endpräsentation besteht aus zwei Teilen. Zu-nächst präsentieren sich die Teams in einem kurzenVortrag und erläutern ihr Projektergebnis. Der zwei-te Teil hat den Charakter einer Messe. An Ständenführen die Projektteams ihre Projektergebnisse vor.Dazu werden Poster, Flyer und Präsentationen erar-beitet. Die Besucher_innen können die entstandenenProgramme ausprobieren. Die Endpräsentation, dieeinen ganzen Tag dauert, wird mit einer gemeinsa-men Feier für den erfolgreichen Projektabschluss ab-gerundet. Nicht nur für die Studentinnen sondernauch für die Auftraggeber stellt die Endpräsentationeinen würdigen und gelungenen Abschluss der Pro-jekte dar.

    Der Projektabschluss und die Übergabe der Projekt-ergebnisse von den Teams an die Auftraggeber erfolgtmeistens nochmal in individuellen Treffen zwischenTeams und Auftraggebern.

    BewertungDie Bewertung für die Lehrveranstaltung setzt sichaus mehreren Teilbewertungen zusammen. Zu 15%geht die aktive Beteiligung an der Teamarbeit in dieNote ein. Diese lässt sich anhand der Arbeitsnachwei-se aber auch anhand der Dokumentation in dem fürdie Veranstaltung verwendeten Projektverwaltungs-tool Redmine belegen. In Redmine sind alle „tasks“hinterlegt und von wem diese bearbeitet wurden. DieZwischenpräsentation geht mit 10% und die Endprä-sentation mit 20% in die Note ein. Ein gemeinsamerErgebnisbericht, der nur die erzielten End- und Teiler-gebnisse auflistet und kurz erläutert sowie die zu er-stellende Webseite über das Projekt (eine kurze Seitenach einem vorgegebenen Template) gehen zu 15%in die Bewertung ein. Das eigentliche Projektergeb-nis wird mit 40% gewichtet. Prinzipiell erhalten dieTeammitglieder eines Teams ähnliche Noten. Es wer-den jedoch Abweichungen in der Mitarbeit und derEffektivität berücksichtigt.

    Beispiele aus den letzten JahrenIn den letzten vier Jahren waren folgende Firmenbzw. öffentlichen Einrichtungen (in alphabetischerReihenfolge) an Projekten beteiligt: adesso AG, Bundder Szenografen e.V., Capgemini Deutschland GmbH,Community Impulse Initiative e.V., Computacenter,CSC Deutschland Solutions GmbH, EAW Relaistech-nik GmbH, Exozet Berlin GmbH, Frauen Compu-ter Zentrum Berlin e.V., Fraunhofer IPK, HTW Ber-lin, InMediasP GmbH, Kulturkosmos Müritz e.V.,

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  • Kunsthochschule Weißensee, Lansinoh LaboratoriesInc., mikado AG, Optimal Systems GmbH, PSI, SAP,SHe Kommunikation!, Senatsverwaltung für Stadt-entwicklung Berlin, SER, Stephanus IT GmbH, tran-sentis management consulting GmbH & Co. KG, Trips-ByTips GmbH, QMethods - Business & IT Consulting.Einige der Firmen haben inzwischen mehrere Projek-te begleitet.

    Projektthemen betrafen u.a. die Erstellung vonWeb2.0-Seiten (Blogs, Portallösungen, Webshops) un-ter Verwendung von Content Management-/ Redakti-onssystemen, das Ausprobieren und Anwenden neu-er Technologien (z.B. HTML5 für die Offlinespei-cherung von Webinhalten, für die Erstellung voneBooks und zur Verwaltung von Ressourcen) so-wie die Konzepterstellung nach Anforderungserhe-bung und –analyse inklusive Prototyping. Die Projekt-ergebnisse wurden häufig unter Anwendung agilerMethoden erstellt. Eine Auflistung der Auftraggeberund ihrer Themen befindet sich unter http://fiw.htw-berlin.de/studieren/projekte/.

    Motivation und Erwartungshaltungder BeteiligtenAus unterschiedlichen Gründen sind alle Beteiligtenbei der Lehrveranstaltung „Projekte in der Wirtschaft“hoch motiviert. Auch die Erwartungshaltungen derEinzelnen ist groß. Die Unterschiede und Gründe fürdie jeweilige Motivation und die wesentlichen Erwar-tungen der an der Veranstaltung Beteiligten werdenim Folgenden diskutiert.

    AuftraggeberVon den Auftragebern wird erwartet, dass sie eineProjektidee entwickeln, diese in einem vorgegebe-nen Steckbrief beschreiben und zu Beginn des Semes-ter vor Ort präsentieren. Für die Laufzeit des Pro-jekts muss eine Kontaktperson gestellt werden. Die-se schlüpft gegenüber den Studentinnen in die Rol-le des Auftraggebers/Kunden. Sie steht für die Anfor-derungserhebung, laufende Abstimmungen währendund die Abnahme am Ende des Projekts zur Verfü-gung. Der Aufwand für die Projektbegleitung ist ab-hängig von der Aufgabenstellung, mindestens soll-ten jedoch 3-4 Termine (Kickoff, Abstimmung der An-forderungen, ..., Abnahme) eingeplant werden. Diemeisten Auftraggeber treffen sich mit ihrem Teamjedoch meistens 14-tägig, häufig sogar wöchentlich.Darüber hinaus und erneut abhängig von der Pro-jektaufgabe sind die Firmen aufgefordert, benötigteArbeitsmittel (Software, Hardware, Zugänge, Doku-mentationen) bereitzustellen und auch für technischeFragestellungen zur Verfügung zu stehen.

    Das Interesse der Firmen bzw. öffentlichen Einrich-tungen oder Vereine zur Beteiligung an einer solchenVeranstaltung ist groß. Die Motivation dafür ist ver-schieden. Bei den Firmen spielt sicher in erster Liniedie Suche nach geeignetem Personal eine Rolle. Die

    Projekte bieten ihnen die Möglichkeit, 5-7 Studentin-nen über einen längeren Zeitraum kennenzulernen.Zudem arbeiten sich die Studentinnen in dieser Zeitschon in ein Themenfeld des Auftraggebers ein.

    Selbst wenn kein fertiges Produkt erstellt wird, bie-tet die Veranstaltung viel Potential, im Anschluss wei-ter zusammenzuarbeiten. Die beteiligten Studentin-nen kommen aus dem dritten oder dem fünften Fach-semester. Im vierten Semester müssen die Studentin-nen ein 17-wöchiges Praktikum ableisten. Im sechs-ten Semester schreiben sie ihre Bachelorarbeit. Bei-des gibt den Firmen die Möglichkeit, ausgewählteStudentinnen weiter zu binden und an die im Projekterarbeiteten Ergebnisse anzuknüpfen.

    Eine weitere Motivation besteht darin, neue Tech-nologien auszuprobieren oder innovative Ideen um-zusetzen. Diese Ideen bestehen oft schon länger inden Köpfen der Mitarbeiter, wurden aber auf Grunddes drängenden Tagesgeschäfts immer wieder ver-schoben. Die Projekte bieten die Möglichkeit, mit re-lativ geringem Personaleinsatz solche Ideen aus denSchubladen zu befreien, deren Machbarkeit zu prü-fen und (prototypisch) umzusetzen. Aus einzelnendieser Ideen sind in den vergangenen Jahren Produk-te entstanden, die mittlerweile zum Portfolio des Un-ternehmens gehören.

    Bei den öffentlichen Einrichtungen und Vereinensteht das Ergebnis und dessen Einsatz im Vorder-grund. Hier sind es oft fehlende Mittel und mangeln-de IT-Kenntnisse, die durch den Einsatz von studenti-schen Teams kompensiert werden sollen.

    Obwohl wir bei der Anbahnung der Projekte nichtversprechen können, dass die Ergebnisse in jedem Fal-le verwendbar sind, zeigt die Vergangenheit, dass vie-le Projekte erfolgreich und die erarbeiteten Ergebnis-se direkt einsetzbar sind. Wenn kein fertiges Produktentsteht, so ist zumindest das Verständnis für die ge-wünschte Lösung gewachsen und die Kosten für diefinale Umsetzung sind abschätzbar.

    StudierendeDurch die Betreuung der Veranstaltung merken wirProfessor_innen, dass anfangs (besonders bei denDrittsemestlerinnen) der Respekt vor dem Sprung insteilweise noch sehr kalte Wasser groß ist. Dem ge-genüber steht eine sehr hohe Motivation, die durchdie echte Aufgabenstellung und die realen Auftrage-geber hervorgerufen wird. Sobald die Studentinnensich hineinknien und merken, dass Sie das Problemverstehen und Lösungen erarbeiten können ist derBann gebrochen. Die Identifikation mit dem Projektund die Bereitschaft gemeinsam eine Lösung zu er-arbeiten ist dann sehr groß. Am Ende steht oft einebrauchbare Lösung, vor allem aber sehr viel Stolz undein gewachsenes Selbstverständnis für die zukünftigeberufliche Rolle.

    Die Motivation, sich gegenüber Vertretern der Wirt-schaft (und somit potenziellen zukünftigen Arbeitge-

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  • bern) erfolgreich zu präsentieren, hilft den Studen-tinnen den sehr hohen Arbeitsaufwand zu absolvie-ren, der für die erfolgreiche Durchführung der Pro-jekte geleistet werden muss. Ein wöchentliches Ar-beitspensum von 20 Zeitstunden nur für die Projek-te sind keine Seltenheit bei den Studentinnen. Gera-de in Anbetracht dessen, dass sowohl im dritten alsauch im fünften Semester noch jeweils vier weitereVeranstaltungen absolviert werden müssen, ist dieserAufwand nur mit einer hohen Motivation leistbar. Imdritten Semester kommt für die Studentinnen häufigdie Erwartung hinzu, sich mit einer guten Leistung in-nerhalb des Projektes für ein Praktikum (welches imvierten Semester durchgeführt wird) empfehlen zukönnen. Die Studentinnen aus dem fünften Semesterhingegen setzen nicht selten das Thema des Projektesin ihrer Bachelorarbeit im fünften Semester fort.

    LehrendeWir Professor_innen erfahren eine Steigerung dereigenen Reputation innerhalb der Hochschuleaufgrund der vielen Unternehmenskontakte und-kooperationen. Darüber hinaus profitieren wirund unsere anderen Lehrveranstaltungen von denintensiven Einblicken in die unternehmerische Praxisund in die derzeitig behandelten Themen innerhalbder IT-Branche.

    Weitere Motivationen ziehen wir aus den positivenRückmeldungen der Studierenden, die sich häufig be-geistert darüber zeigen, bereits so früh und so in-tensiv in Kontakt mit der Wirtschaft treten zu kön-nen. Im Rahmen der Projekte findet für uns ein in-teressanter Rollenwechsel weg vom Dozierenden hinzum Lerncoach statt. In Kombination mit der starkenEinbindung der Auftraggeber wird der zu leistendeAufwand unter Anbetracht des großen Kompetenzge-winns für die Studentinnen vertretbar.

    Es muss betont werden, dass der Aufwand nur des-halb geleistet werden kann, weil alle Professor_innendes Studiengangs intensiv an der Organisation undDurchführung der Projekte beteiligt sind. Dies be-ginnt bei der Akquise der Auftraggeber. Eine Auftei-lung der Projekte auf die drei Professor_innen desStudiengangs führt zu einer Betreuung von 3-4 Pro-jekten pro Professor_in. Gerade in Anbetracht derVielfältigkeit der Projektthemen und einer dazu not-wendigen Einarbeitung der Professor_innen in diesestellt dies auch die Grenze des sinnvoll Machbarenfür eine umfassende organisatorische und fachlicheBetreuung dar.

    Evaluation und AdaptionDie generelle Rückmeldung der Studentinnen istüberwiegend positiv. Die Studentinnen schätzen es,dass zuvor vermitteltes Wissen sehr schnell angewen-det wird. Auch wenn vielen Studentinnen am Anfangdes Projektes die Kenntnis über die zu verwendendenTechnologien fehlen, so erfahren sie doch während

    der Projektlaufzeit, dass sie das während des Stu-diums angeeignete Methodenwissen anwenden kön-nen, um sich in neue Technologien einzuarbeiten. DieProjekte stellen ein hervorragendes Umfeld dar, Wis-sen miteinander zu verknüpfen.

    Neben den fachlichen Kompetenzen werden Fähig-keiten in der Kommunikation und im Managementgeschult. Beides wird von den Studentinnen sehr ge-schätzt. Die Aufgabe, unter Druck in einem Team zu-sammenzuarbeiten, um eine gemeinsames Ergebnisin einer vorgegebenen Zeit zu erreichen, stellt hoheAnforderungen an die Teamfähigkeit der Studentin-nen. Um die Studentinnen noch besser bei der Bewäl-tigung von Teamkonflikten zu unterstützen, wurdebei der Umgestaltung des Curriculums die Lehrveran-staltung Konfliktmanagement parallel zu den Projek-ten geplant. Wir hoffen dass beide Veranstaltungen inZukunft davon profitieren: die eine durch reale undaktuelle Beispiele, die andere durch Lösungen für dieZusammenarbeit.

    Die Studentinnen empfinden das zielorientierte Ar-beiten als sehr effektiv. Dies ist allerdings auch miteinem hohen Leistungsdruck verbunden. Der zu leis-tende Aufwand wird zumindest während der Projekt-laufzeit als zu hoch empfunden. Die Identifikationmit dem Projekt und die Bereitschaft, gemeinsam ei-ne Lösung zu erarbeiten ist jedoch sehr groß. Ist dasProjekt erfolgreich geschafft, ist bei den Studentin-nen viel Stolz und ein gewachsenes Selbstbewustseinspürbar.

    Erfahrungen aus den letzten JahrenDie Lehrveranstaltungen wird jedes Jahr anonym eva-luiert. Aus den Ergebnissen lassen sich sowohl Erfolgals auch Verbesserungsbedarf der Veranstaltungen ab-leiten.

    Auf die Frage “Was gefällt Ihnen besonders gutbei diesem Lehrangebot?“ äußerten die Studentin-nen u.a.: „Praktischer Bezug des Stoffes des Studiumswird vorgestellt. Dies ist sehr motivierend. Auch regtes dazu an Dinge zu lernen, die nicht Teil des Studi-ums sind.“; „Man lernt wozu man studiert und wel-chen praktischen Nutzen das Erlernte hat“; „Team-work unter den Studentinnen“ ; „per Selbststudiumviel gelernt“ ; „Teamfähigkeit gestärkt“ ; ...

    Um das Verbesserungspotential zu erkennen wer-den die Studentinnen gefragt: „Was kann besser wer-den?“ Darauf wurde immer wieder genannt: „bessereWahl der Auftraggeber“, „mehr Zeit für die Projekt-arbeit während des Semesters (d.h. weniger weitereLehrveranstaltungen)“ und „bessere Information derAuftraggeber über den Kenntnisstand der Studentin-nen (3. Semester!)“.

    Die Kritik, dass solche Veranstaltungen erst späterim Studium kommen sollten, haben wir bisher nichtgehört. Auch die Wiederholung im 5. Semester wirdgeschätzt. Mögliche Probleme werden eher erkanntund der Umgang mit ihnen geschieht viel offensiver,

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  • da man Fehler aus dem vorherigen Durchlauf nichtwiederholen möchte.

    Aus den Erfahrungen der letzten Jahre und demFeedback der Studentinnen wurden bisher folgendeÄnderungen vorgenommen.

    Wahl der Auftraggeber/Projekte: Die Auftragge-ber erhalten zu Beginn einen Handzettel, derdie Erwartungen an die Auftraggeber beschreibt,Vorteile für die Beteiligten aufzeigt und über denKenntnisstand der Studentinnen sowie typischemögliche Aufgabenstellungen informiert. Dar-über hinaus besteht die Möglichkeit, Einsicht inbestehende Steckbriefe zu erhalten.

    In einem Durchlauf wurde ein Projekt mehr alsnötig akquiriert. Die Idee war, dadurch etwas Fle-xibilität zu gewinnen, falls ein Projekt von nie-manden gewollt wird. Davon sind wir mittlerwei-le wieder abgerückt, da das Resultat nicht das Ge-wünschte war. Ein unserer Meinung nach fachlichund technologisch sehr passendes Entwicklungs-projekt wurde zugunsten eines weniger gut vor-bereiteten Projekts abgewählt, nur weil bei Letz-terem der Auftraggeber den prominenteren Na-men hatte.

    Zeit für die Projekte: Der Zeitfrage wurde bei derNeugestaltung/Reakkreditierung des Curricul-ums Rechnung getragen. So wurden die Creditsfür die Projektveranstaltungen von 5 Credits auf10 Credits erhöht.

    Teamzusammenstellung: Insbesondere bei derTeamzusammensetzung und bei der Zuordnungder Projekte haben wir in den letzten Jahrenunterschiedliche Varianten ausprobiert. So wur-de in einem Jahr erlaubt, dass sich die Teamsselbständig bilden. Dies erwies sich aus mehrerenGründen als Nachteil. Einerseits fanden sich oftStudentinnen mit einem ähnlichen Leistungs-niveau zusammen. Dies hatte zur Folge, dasses sehr leistungsstarke und leistungsschwacheTeams gab. Außerdem wurden verstärkt Teamsmit einem gemeinsamen Migrationshintergrundgebildet, d.h. es gab „türkische“ und „russische“Teams. Trotz der eigenen Wahl der Teamzusam-menstellung zeigte sich am Ende jedoch keingeringeres Konfliktpotenzial als bei einem reinenLosen der Teams. Vielmahr hat sich gezeigt, dassdurch Losen entstandene Teams deutlich pro-fessioneller und formaler miteinander arbeiten.Es hat sich für den Projekterfolg als ein großerVorteil erwiesen, dass Teams nun hinsichtlichdes Leistungsvermögens und hinsichtlich deskulturellen Hintergrundes besser gemischt sind.

    Ein außerordentlicher Gewinn war die Entschei-dung, die Teams auch über die Semestergrenzenhinaus zu mischen. Früher gab es Projekte nur

    für die Drittsemester und nur für die Fünftsemes-ter. Das hatte auch zur Folge, dass die Auftragge-ber lieber Projekte mit den Studentinnen aus demfünften Semester durchführen wollten und dieProjekte für die Drittsemester nicht so anspruchs-voll waren. Die jetzige Zusammensetzung derTeams aus jeweils gleich vielen Dritt- und Fünfts-emestern sorgt für einen besseren Austausch derErfahrungen unter den Studentinnen und bieteteine unternehmensgleiche Projektstruktur vonSenior- und Junior-Projektmitarbeiterinnen. Ins-besondere aus den Erfahrungen der Fünftsemes-ter über die Projektorganisation und über dieKommunikation mit dem „Kunden“ profitierendie Studentinnen des dritten Semesters.

    Zuordnung der Projekte: Hier wurde bisher ammeisten experimentiert. In den ersten Jahrendurfte sich jede Studentin einzeln für ein Projektentscheiden. Dafür wurden alle Projektnamen ne-beneinander an die Tafel geschrieben. Auf ein Si-gnal hin wurden die Studentinnen gebeten nachvorne zu kommen und ihren Namen unter dasProjekt ihrer Wahl zu schreiben. Dabei durfteneinem Projekt maximal sechs Namen zugeordnetwerden.

    An und für sich hat diese Art der Zuordnunggut funktioniert: die Studentinnen, die genau wis-sen, in welches Projekt sie wollen, kommen sehrzielstrebig nach vorn, um ihren Namen einemProjekt zuzuordnen; die etwas Unentschlossenen(und meist auch Langsameren) orientieren sichdann daran, mit wem sie gerne zusammenarbei-ten wollen. Aufgefüllt werden die Projekte danndurch diejenigen, die keine vorgefertigten Prio-ritäten haben. Ging die Verteilung trotz des ge-wählten Verfahrens nicht auf, wurde zuerst ver-sucht, die Einigung den Studentinnen zu überlas-sen. Erst wenn dies nicht gelang, haben die Leh-renden steuernd eingegriffen. Bewährt hatte sichhier auch eine vorher gezogene Losnummer. Die-se konnte verglichen werden, um den Ansprucheiner Gruppe auf ein Projekt zu prüfen. Nachteildieses Verfahrens war die schon genannte Homo-genität der entstandenen Gruppen.

    Im letzten Jahr wurden die Team erstmals überdie Semestergrenzen hinweg gelost. Die Zuord-nung der Teams zu den Projekten wurde dannden Teams überlassen, wobei allen Teams per Losein „Defaultprojekt“ zugeordnet wurde, welchesanschließend zurückgegeben oder getauscht wer-den konnte. In diesem Jahr wurde dann erstmalsdie Methode mit den drei Wahlgängen erprobt,die (zumindest dieses Jahr) für eine allseits ak-zeptierte Verteilung der Projekte gesorgt hat.

    79Axel Schmolitzky, Anna Sabine Hauptmann (Hrsg.): SEUH 2015

  • ZusammenfassungDer Mehrwert der „echten“ Projekte für die Studen-tinnen ist offensichtlich. Sie gewinnen einen Einblickin reale Aufgabenstellungen, lernen nebenbei echteFirmen und deren Ansprechpartner kennen. Da siefür die Bearbeitung der Projekte oft vor Ort sind, be-kommen Sie auch einen Einblick in die Arbeitsumge-bungen, typische Prozesse und die Firmenkultur. Dereigentliche Gewinn liegt aber in der umgreifendenStärkung ihrer Kompetenzen. Durch die lebendigeLernform arbeiten sie sich wie selbstverständlich invöllig neue Themen und Technologien ein und bauenbzw. verstärken so ihre Fach- und Sachkompetenzen.Durch die selbstorganisierte Teamarbeit und die ech-te Kunden-Auftragegber Situation werden ausserdemSozial und Methodenkompetenz trainiert. Die gewon-nenen Erfahrungen können sie im Anschluss sowohlbeim Studium als auch bei der Bewerbung und imersten Job einsetzen. Unser Fazit: Eine ähnliche Mo-tivation wie in den Projekten ist durch herkömmli-che Lehrveranstaltungen mit oft künstlich arrangier-ten Aufgaben oder Rollenspielen nicht zu erreichen.

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    [Liebehenschel 2013] LIEBEHENSCHEL, Jens:Software-Engineering Projekte in der Ausbil-dung an Hochschulen - Konzept, Erfahrungen undIdeen. In: Software Engineering im Unterricht derHochschulen (SEUH), 2013, S. 27–34

    [Rolf u. a. 2013] ROLF, A. ; MÖLLER, A. ; FUNK, B.; NIEMEYER, P.: Freie Pizzawahl für Informatikerund Wirtschaftsinformatiker - Didaktische Heraus-forderungen für Informatik und Wirtschaftsinfor-matik angesichts der digitalen Gesellschaft. In: In-formatik Spektrum 36 (2013), Nr. 1, S. 90–98

    [SIBB e.V. 2012] SIBB E.V. - ICT & DIGITAL BUSI-NESS ASSOCIATION BERLIN-BRANDENBURG (Hrsg.):Human Capital & Growth-Index (HCG-Index). Ber-lin: SIBB e.V. - ICT & Digital Business AssociationBerlin-Brandenburg, 2012

    [Siegeris u. Krefting 2014] SIEGERIS, Juliane ; KREF-TING, Dagmar: Lehrmethodenvielfalt im Curricu-lum des Studiengangs Informatik und Wirtschaft

    Ein Erfahrungsbericht. In: LEICHTSCHOLTEN, Car-men (Hrsg.) ; SCHROEDER, Ulrik (Hrsg.): Informa-tikkultur neu denken Konzepte für Studium und Leh-re. Wiesbaden : Springer Fachmedien, 2014, S.127–139. – ISBN 78-3-658-06021-3

    [Vigenschow u. a. 2011] VIGENSCHOW, U. ; SCHNEI-DER, B. ; MEYROSE, I.: Soft Skills für Software-entwickler - Fragetechniken, Konfliktmanagement,Kommunikationstypen und -modelle. dpunkt.verlag,2011

    80 Axel Schmolitzky, Anna Sabine Hauptmann (Hrsg.): SEUH 2015