Projektive Transformationen des Darbouxschen Flächenkranzes

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Band 1 Archly der Mathematik (A.M.) Heft 2/1948 Projektive Transformationen des DARBOUXSChen F1/~chenkranzes Von ROBERT SAUER in Weft a. Rhein GEORG FABER zum 70. Geburr am 5. April 1947 gewidmet Jede infinitesimale Verbiegung einer Fl~iche (51) definiert zw~ilf in bestimmter Weise miteinander verkntipfte Fliichen (~i), (0;) (i = 1, 2, ..., 6), die yon DARBOUX 1) in die Theorie eingeftihrt wurden und kurz a]s DARsOCxscher Fl~chenkranz bezeich- net werden sollen. SXLKOWSKI ~) hat den Fl~chenkranz im Rahmen der affinen Differentialgeometrie untersucht. Noch durchsichtiger werden die Zusammenhange ira weiteren Rahmen der projektiven Differentialgeometrie. Wir werden im folgen- den Transformationsgruppen angeben: bei denen irgendeine Fliiche (51) des Kranzes einer beliebigen projektiven Abbildung unterwoffen wird und der ganze Kranz wieder in einen D~RBOUxschen Flachenkranz tibergeht. Bei Verwendung geeigneter Sechservektoren kann man nicht nur die projektive Abbfldung der Fl~che (51), sondern auch die Abbildungen der iibrigen Fl~ichen bzw. Flachenpaare des Kranzes dutch lineare Transformationen darstellen. 1. Definition des DA~BOUxschen Fl~ichenkranzes Wit betrachten Zeigerziffern der Fl~chen (~) oder (0 i) als gleichwertig, wenn sie rood. 6 kongruent sin& Die Ortsvektoren 5" und ~)" der F1iichenpunkte sind Funktionen zweier Parameter u, v, welche eine eindeutige Punktabbildung der zw51f Flachen aufeinander vermittetn. Die kennzeichnenden Beziehungen des Fl~ichen- kranzes ]assen sich folgendermaSen formulieren (Bild 1): a) (~"), (O;) sind konjugiert, d.h. x = x Daraus folgt insbesondere, daI] entsprechende Tangentenebenen parallel sind. b) (5'+1), (t)") sind orthogonal, d.h. die F1/ichen entsprechen sich dutch senk- rechte Linienelemente, also d~ I+1 dr)i ----- 0. 1) G. DAaBOUX: Th6orie des surfaces. IV, Seite 48=86. 2) E. SALKOWSKI: Affine Differentialgeome~rie, Berlin 1934, S. 176--179. Archly der Mathematik. 2. 7

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B a n d 1 A r c h l y d e r M a t h e m a t i k (A.M.) H e f t 2 / 1 9 4 8

P r o j e k t i v e T r a n s f o r m a t i o n e n des DARBOUXSChen F 1 / ~ c h e n k r a n z e s

Von ROBERT SAUER in Weft a. Rhein

GEORG FABER zum 70. Geburr am 5. April 1947 gewidmet

Jede infinitesimale Verbiegung einer Fl~iche (51) definiert zw~ilf in bestimmter Weise miteinander verkntipfte Fliichen (~i), (0;) (i = 1, 2, . . . , 6), die yon DARBOUX 1) in die Theorie eingeftihrt wurden und kurz a]s DARsOCxscher Fl~chenkranz bezeich- net werden sollen. SXLKOWSKI ~) hat den Fl~chenkranz im Rahmen der affinen Differentialgeometrie untersucht. Noch durchsichtiger werden die Zusammenhange ira weiteren Rahmen der projektiven Differentialgeometrie. Wir werden im folgen- den Transformationsgruppen angeben: bei denen irgendeine Fliiche (51) des Kranzes einer beliebigen projektiven Abbildung unterwoffen wird und der ganze Kranz wieder in einen D~RBOUxschen Flachenkranz tibergeht. Bei Verwendung geeigneter Sechservektoren kann man nicht nur die projektive Abbfldung der Fl~che (51), sondern auch die Abbildungen der iibrigen Fl~ichen bzw. Flachenpaare des Kranzes dutch lineare Transformationen darstellen.

1. Definition des DA~BOUxschen Fl~ichenkranzes

Wit betrachten Zeigerziffern der Fl~chen (~) oder (0 i) als gleichwertig, wenn sie rood. 6 kongruent sin& Die Ortsvektoren 5" und ~)" der F1iichenpunkte sind Funktionen zweier Parameter u, v, welche eine eindeutige Punktabbildung der zw51f Flachen aufeinander vermittetn. Die kennzeichnenden Beziehungen des Fl~ichen- kranzes ]assen sich folgendermaSen formulieren (Bild 1):

a) (~"), (O;) sind konjugiert, d.h.

x = x

Daraus folgt insbesondere, daI] entsprechende Tangentenebenen parallel sind. b) (5'+1), (t)") sind orthogonal, d.h. die F1/ichen entsprechen sich dutch senk-

rechte Linienelemente, also d~ I+1 dr) i ----- 0.

1) G. DAaBOUX: Th6orie des surfaces. IV, Seite 48=86. 2) E. SALKOWSKI: Affine Differentialgeome~rie, Berlin 1934, S. 176--179.

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c) (~i), (t),+l) sind polar, d. h. die Puakte der einen Fliiche sind die Pole der Tangentenebenen der anderen Fl~iche bezfig]ich der imaginiiren Einheitskugel x 2 + y2 ~_ z2 + I ---- 0, oder mit anderen Worten: Die Punktkoordinaten der einen Ft~che sind identisch mit den Ebenenkoordinaten der anderen Flache.

d) (~-+1), (0~-1) sind W-bezogen, d. h. die beidea Fl~chen entsprechen sich als Brennm~ntel eines W-Strahtensystems. Es geht also jedes konjugierte Kurvenaetz wieder in ein konjugiertes Kurvenaetz und bei-negativer Fliichenkrfimmung jede Asymptotenlinie wieder in eine Asymptotenlinie fiber.

e) (~':I), (t) TM) sind radiaI-bezogen, d. h. sie gehen dureh die Polarabbildung in konjugierte Fl~chen (t);), (~") fiber. Daraus folgt insbesondere, da~ entsprechende Punkte jewei]s auf derselben Geraden durch den Nullpunkt liegen.

Aus diesen kennzeichaenden Verkniipfungea ]i~l~t sich die ffir unSere weitere Betrachtung wichtige Beziehung

" " 1

fiir radial-bezogeae Fli~chen (if-l), (t) TM) herleiten.

ABe Fliichen eines Dxasouxsehen Kranzes sind gleichberechtigt. Dutch irgend zwei aufeinanderfolgende Fliichen (~), (~)") oder (Oi), (g;+~) ist der ganze Kranz im wesentlichen festgelegt.

2. Darstellung durch Seehservektoren

Wir definieren in fiblicher Weise homogene rechtwinklige Linienkoordinaten P o (~ : 1, 2 . . . . . 6) bzw. die yon ihnea erzeugten Sechservektoren ~ dutch

Dabei ist p irgendein zur Geraden paralleler Vektor, ~ der Ortsvektor nach irgend-

, 72

Fig. I

~72

' Ii

Fig. 2

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eiaem Punkt der Geraden. p = 0 liefert die Geraden durch den Nul]punkt, p -- 0 die uneigentlichen Geraden.

Der Sechservektor 28 ----- { p I P } einer Geraden ist singul/~r, d. h. sein Skalar - p r o d u k t 28 28 ---- 2 p ~ verschwindet.

Ausgehend yon irgendeiuer F]/iche (51) eines DxRsosxschen F1/~chenkranzes stellen wit die Fliichen bzw. Fli~chenpaare des Kranzes fo]gendermai]en dar (Bild 1 und Bfld 2):

a) Die vier polaren bzw. W-bezogenen F1/ichen (51), (~)2), (~a), (t).5) werden dar- gestellt durch die singul/iren Sechservektoren ~1, ~2, ~4 ~s der Linienkoordinaten ihrer Tangenten.

b) Zur Darstellung der beiden jeweils orthogonalen F1/ichenpaare (~)1, 52) und (~, t) 4) ftihren wir durch Zusammenfassung der rechtwinkligen Punktkoordinaten die Sechservektoren

4}

ein. Diese Sechservektoren sind nicht singuliir, d a ihre Skalarprodukte

1 in G1. (1) fiir i ----- 3 als Faktor 2~ bzw. ~ eingehen und daher nicht verschwinden.

r Die beiden tibrigen F1/ichenpaare (~s, t)~) und (~)s, 53) sind polar zu den Flachen- paaren (~)~, 5 ~) und (~s, ~)4). Infolgedessen vertauschen sich die Ebenen- und Punkt- koordinaten, d.h. der Sechservektor ~ 2 wird auch yon den Ebenenkoordinaten des F1/ichenpaares (5 s, ~)3) und der Sechservektor ~ auch yon den Ebenenkoordi- naten des F1/~chenpaares (~)6, 53) erzeugt. Sonach stellen die Sechservektoren ~1~ und ~ auch die F1/ichenpaare (~s, ~)3) und (~)~, ~) dar.

Die singul/~ren Sechservektoren ~ , ~ , ~*, ~s sind nur bis auf willktirliche Fak- toren a(u, v) =4= 0 definiert. Die niehtsinguliiren Sechservektoren ~ , ~s* dagegen liegen eindeutig fest und sind nach G1. (1) und (2) durch die Beziehung

verkntipft. 3. Transformationssatz

Eine nichtsingul/ire projektive Abbildung des Raumes kann durch eine ]ineare Transformation de~ Linienkoordinaten (e ---- 1, 2, . . . , 6)

28' : A 28 d.h. p~ : a,,~ pl d- a~,~ p~ d- .... d- %s Ps (4)

mit nichtverschwindender Koeffizientendeterminante und der Nebenbedingung

28' 28' : ~ 28 28 (k : const =4= 0)

dargestellt werden. Die Darstellung umfa6t sowohl die kollinearen als attch die dualen Abbildungen. Wit setzen, ohne dadurch die Allgemeinheit wesentlich zu

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besehr~inken, im folgenden k > 0 voraus und kOnnen dann wegen der Homogenitat der Linienkoordinateu fortan insbesondere k = 1, also

~ ' ~ ' = ~ ~ (5) vorschreiben.

Naeh einem frfiher bewiesenen Satz 3) bleiben die kennzeiehnenden Beziehungen der Fl~ichen (~1), (t)l), (~) erhalten, wenn man auf die singul~re n Seehservektoren E1 der Tangenteu der Flaehe (~1) und auf die nichtsingularen Sechservektoren ~1~ der Punktkoordinaten des Flachenpaares (t) 1, ~) dieselbe, dutch GI. (4) und (5) gegebene Lineartransformation A ausfibt; denn das Fl~ichenpaar (t) ~, ~2) ist der Schraubri[3 einer infinitesimalen Verbiegung der Flaehe (~x).

Durch die Lineartransformati0n A ist die Fl~iche (~) in eine projektive Fl~iche (~') und das Flaehenpaar (t) 1, ~2) in ein Fl~}chenpaar (t) ~', ~ ' ) fibergegangen. Dureh (~'), (t)~'), (~') ist wieder ein DxaBOUxscher Fl~ichenkranz festgelegt und es ent: steht die Frage, in welchen Beziehungen die weiteren Fl~ehen dieses Kranzes zu den entspreehenden Flachen des ursprt~nglichen Kranzes stehen. Aus G1. (3) und (5) ergibt sieh, dal~ d.er Sechservektor ~ des Flachenpaares (~, Oa) und infolgedessen auch der Seehservektor ~ der Flache (t) ~) derselben Lineartransformation A folgt.

A B

A Fig. 3

Die t~brigen Flaehen sind dann dutch die Polarbezie- hung N festgelegt, die in Linienkoordinaten durch

t ~ ' = N ~ d.h. ?~=?.~+3 (6)

gegeben wird. Wir hab'en hiermit folgenden Trans- formationssatz bewiesen (Bild 3):

Jede nichtsinguliire lineare Transformation A bildet einen DARBOUxschen _~Iiichenlcranz wieder in einen DXRBOCxschen Fliichen]o'anz ab, wenn man setzt

~1~, = A ~12, ~a, = A ~ .

N A N - = B ist die zu A kon]ugierte, dureh zweimalige l~Iultiplikation mit der Polarabbildung

entstehende niehtsingul~ire projektive Transformation. Die 4 Fl~ehen (El), -(~5), (t)2), (~4) gehen in projektive Flachen fiber. Die Punktkoordinaten der Fl~ehen- paare (t) 1, ~2) und (~, t) 4) bzw. die Ebeuenkoordinaten der Fl~chenpaare (~6, t)~) und (t) 6, ~3) sind bei der Transformation zu Sechservektoren zusammenzufassen.

3) R. SANER, Projektive Liniengeometrie, Berlin 1934, S. 148--151.

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4. Sonderf~lle

Im trivialen Sonderfall A----N wird der DAR~ouxsche Kranz an der in den Figuren vertikalen Diagonale gespiegelt.

Falls A eine Affinitiit, also B = N A N eine Zentralko]lineation mit dem Null- punkt als Fixpunkt ist, spezialisiert sich G1. (4) mit

% , = % , = % = 0 ( ~ = 1 , 2 , 3 ) . (7) Infolgedessen werden bei der Transformation yon ~2 und E54 die Punktkoordinaten der Flache (~)~) und ebenso die Puaktkoordinaten der Fl~che (;5) oder, was das- selbe ist, die Ebenenkoordinaten der Flache (~6) und der Flache (9 s) linear homogen transformiert. D.h. die Flachen @), (~5) werden dureh eine radiale Affinitat (= Affinitat mit festem ~ullpunkt) A*, die Flachen @~), (t) s) durch eine radiale Affinitat C*-- N A*N abgebildet (Bild 4).

" I B A ~A'~,~~_.,,,, , jo

Fig. 4 Fig. 5

Sehliel31ieh betraehten wir den noeh spezielleren Fall, in dem bereits A eine radiale Mfinit~t ist. Dann kommen zu G1. (7) noch die weiteren Bedingungen

% 1 = '~,,~ =.~',.,~ = 0 (~ = 4, 5, 6) (8) hinzu. Infolgedessen werden auch die Punktkoordinaten der Fliichen (52) und (~)4) linear homogen transformiert. Da mit A ---- A* stets auch B = N A N eine radiale Affinitiit darstellt, werden sonach alle Fl~chen des DARBouxschen Kranzes radial- affin abgebildet, und zwar 6 Fliichen dutch A und 6 Fli~chen dutch B (Bfld 5).

Der Sonderfall der radialen Affinitiiten findet sich schon bei SALKO%VSKI. Zblm Problem tier allgemeinen projektiven Abbildungen sind in der Dissertation yon Frl. E. 5iEI~ERS (T. H. Aachen 1943), die eine ausftihrliehe Darstellung des Trans- formationssatzes zum Ziel hatte, verschiedene Beispiele angegeben.

(Eingegangen am 12. 11.1947)