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homas M ann zählt zu den großen •1• deutschsprachigen Auto ren des 20 . Jahrhunderts. Sein erzählerisches Werk

- gehört zum Kanon der Weltliteratur. Viele seiner Romane und Erzä hlungen, vo n »Königliche Hoheit<< bis »Buddenbrooks<< und dem ••Zauberberg<< , dienten als StoffVorl age für popu läre Verfi lmungen und wurden von den ARD-Rundfunkansta lten als H örspiel umge­setzt.

Sein Rom an »D oktor Faustus<< entzog sich jedoch bisher ein er publikumswirksamen Adaption. 2007, 6o Jahre nach der Erstveröf­fentlichung des Ro mans, realisierte hr2, die Kul turwe1le des HR, gemeinsa m mit dem BR ein en neuen Versuch mit einer zehnteiligen H örspielbearbeitung. Thomas M anns •• Dokto r Faustus« so11 einem breiteren Publi kum im Ra­dio erschlossen we rden.

»Doktor Faustus«: ein ungelesener Bestseller Das Buch, das von der deutschen Kul tu re li te handelt, die den Teufe lsbund mit dem Faschis­mus einging, erschien am q . ro . 1947 in Stock­ho lm, dann 1948 in den U SA und zuletzt in Deutschland. Bis heute dürfte sich die Aufl age weltweit auf eine M i11ionen Exe mplare belau­fen . Ein Longse1ler also seither. Dennoch wurde es kein Lieblingsbuch der Deutschen . Mag es am düsteren Thema liegen ?

Erzählt wird der Roman aus der dominanten Ich-Perspektive des emeritierten Lehrers und Altphilologen Serenus Zeitblo m. Er ist eine »gesunde, hu man temperierte, auf d as Har­monische und Vernünftige ge richtete Natur«. Zeitb iom schreibt unter dem Vormarsch der Al­liierten zwischen 1943 und 1945 die Biografi e sei­nes Freundes, des Komponisten Adrian Lever­kühn , nieder. Die Schilderung des Untergangs

Literarisches Hörs piel

6o Jahre später »Doktor Faustus« von

Thomas Mann als zehnstündiges Hörspiel

Von Manfred Hess

Deutschlands aus der Perspektive des »inneren Em igranten« Zeitbiom verläuft parallel zur Le­bens- und Leidensgesch ich te Leverkühns.

Der hochbegabte und herzenskalte, 1885 ge­bo rene Leverkühn wendet sich in seiner Suche nach dem Genia lischen und Absoluten zuerst der evangelischen Theologie zu, um sich dann gan z der Musik als »deutsches ter all er Künste<< zu widmen . Im München der Kaiserzeit , des Ersten Weltkriegs und schließlich der 19zoer­Jahre durchbricht Leverkühn die Sackgasse der spätromant ischen, an Richard Wagn er ori­entierten Komposition mit der Erfind ung der Zwölftonmusik. Der Preis ftir den »Durchbruch zum Neuen << ist eine bewuss t gesuchte Syphilis bei einer Pros ti tuierten, die 1930 zu geistiger Umnachtung fuhrt und 1940 mit dem Tode endet.

Thomas M anns Diktum, es gebe nicht zwei Deutschland , ein böses und ein gutes, sondern nur eines , »dem sein Bestes durch Teufelslist zum Bösen ausschlug«, wird so im »Faustu s<< durchgespielt. D er Roman gilt gemeinhin als sein schwierigs tes und komplexestes Werk : M ann montierte in die Gese1lschaftsszenen und Erzählerpassagen moralphi losoph ische Diskurse, Schö nbergs Kompositionslehre, deu t­sche Geschichtsabl äufe, Adornos Musiktheorie, Nietzsches Phi losophie und Leben sowie kon­servativ-revolutionäre Gedankengebilde des frü­hen 20. Jahrhunderts.

Der Germanist H einrich Detering verlangt hingegen , den Respekt vor dem »Faustus<< beiseitezuschieben . M ann habe hier ein »Ge­schichten- und Unterhaltungsbuch« geschrie­ben , das in lebenssa tter FabLdierlust den Kün st­ler-, Bildungs- und Deutschl andro man mit Elementen des Psycho-Thri1lers und der Horro r­geschichte verbindet. Die H örspielfass ung von HR und BR hat sich diesen neuen Blick zur Aufgabe ges tell t.

ARD-JAHRBU CH 07

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Original und Bearbeitung Die formal-ä sthetischen Möglichkeiten einer Romanadaption sind im Hörspiel vielschichtig und nicht zuletz t eng mit Fragen der Sendezeit verknüpft . Hörspiele längerer Prosatexte, die auf 55 Minuten angelegt sind, erfordern eine an­dere Bearbeitung als Produktionen, die den Bo­gen des Romans über eine mehrteilige Fassung in der akustischen Umsetzung zu bewahren ver­suchen. Auch die gut zehnstündige »Faustus <<­Aneignung musste sich der Kärnerarbeit des Kürzens unterziehen. Thomas Manns Roman um fasst rund 650 Seiten- im Hörspiel-Manu­skript bleiben davon rund 270 Seiten übrig, das sind etwa 40 Prozent.

Während in der Regel bei Hörspielfassungen ein Bearbeiter verantwortl ich zeichnet, war die Bearbeitung des >> Faustus<< konzeptionell als Teamarbeit angelegt, die auf drei Sch ultern ruhte. Neben der HR-Dramaturgie zählten dazu der Frankfurter Komponist H ermann Kretzschmar, auch Pianist beim Ensemble Mo­dern, und der H örspielregisseur und -bearbeiter Leonhard Koppelmann.

Um der Gefahr zu begegnen , dass nur eine Perspektive den Roman aufschlüsse lt, war also Teamarbeit gefragt als ein Prozess der gegensei­tigen Korrektur.

Schnell stellte sich heraus, dass auf die bei Romanadaptionen übliche Umschreibung zur Handlungsraffung oder szenische Erfindungen verzich tet werden musste. Die Präzision von Manns Stil zeigte sich widerständig gegenüber diesem Bearbeitungsansatz. Selbst beim Ver­such , ein Adverb oder ein Substantiv auszu-

Choraufnahmen

68 I Artikel

Matthias Habich

tauschen, stimmte plötzlich der Satzrhythmus nicht mehr. Die dominante Erzählerfigur er­schwerte es, den o riginalen Text und eine akus­tisch-sinnliche Umsetzung zu verbinden.

Als erster Arbeitsschritt wurden die endlosen Satzperioden des Ich-Erzählers behutsam über den Einsatz von akustisch abgesetz ten Passa­gen, die in der H altung des inneren Monologs gesprochen wurden, für das Gehör strukturiert . M anns >> undramatischer<< Ansatz, die anderen Figuren des Romans m eist nur indirekt zu Wort kommen zu lassen, erwies sich für die akusti­sche Umsetzung jedoch als Chance. Er gestat­tete den einzigen strukturellen Bearbeitungsein­griff: Was der Erzäh ler Zeitbiom in indirekter Rede oder über jemanden erzählt, wird dieser Figur im H örspiel als Rolle in der Ich-Form zugeschrieben. Diese Umwidmung von Text­passagen führte zu dem Ergebnis, dass im Laufe des H örspiels immer mehr andere Figuren die Erzählerposition einnehmen. Dem Perspektiv­wechsel wurde aber nicht die originale Satz­struktur des Zeitbiom-Erzäh lers geopfert. Als weiteren Effekt verdeutlicht dieser Eingriff die Verschleierungstaktik von Zeitblom. Er erzählt ein Geschehen zumeist derart, als ob er dabei gewesen wäre. In Nebensätzen jedoch enttarnt sich , dass er es nur paraphrasiert, nur davon ge­hört oder gelesen hat.

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Die Bearbeitereingriffe sind so Dienerdreier H erren : Sie wahren die Treue zum Original, er­lauben auf der akustischen Ebene eine größere Durchhörbarkeit der Satzkonstruktionen des Romans und entwerfen zugleich ei n akustisch nachvollziehbares Pendant zur Montage- und Perspektiven-Technik von Mann. D er Hörer kann schließlich nicht zurückblättern, er bleibt auf der einen Zeitachse des Zuhörens - und diese Achse galt es für eine akustische Umset­zung zu stützen.

Die Musik im Musikerroman D er »Faustus << ist ein Ro man über den fiktiven Komponisten Adrian Leverkühn. Hinter Lever­kühn verbirgt sich zugleich die Biografie Fried­rich Nietzsches, ergänzt um Begebenheiten aus dem Leben von u. a. Robert Schumann und Hugo Wolf. Um die erfundene Musikerbio­grafie glaubhaft in der klass ischen Moderne zu verorten, entschied sich Mann - von Theodor W. Adorno musiktheoretisch unterstützt -, die fiktive Figur Leverkühn eine Komposi tionstech­nik erfind en zu lassen , die von einem zeitgenös­sischen und ihm gut bekannten Komponisten stammte: die Zwölftontechnik von Arnold Schönberg.

Hermann Kretzschmar erläutert: »Die Zwölf­tonmusik bezeichn et weniger einen Musikstil als eine Kompositionsmethode, die hauptsäch­lich von Arnold Schönberg Anfang der 1920-er­)ahre entwickelt wurde. Dies geschah aus der geschichtlichen Notwendigkeit, einen Ausweg aus der überbordenden musikalischen Sprache der Spätromantik zu finden. «

Natürlich ist der >> Do ktor Faustus« keine mu­siktheoretische Abhandlung über Spätromantik und Neue Musik. Wenn in diesem Roman Mu­sik zum Thema wird, so hat sie immer eine lite­rarische Funktion . H ermann Kretzschmar: »Die Musik wird auf typisch Thomas Mann'sche Weise sehr unterschiedlich gehandhabt. Be­stimmte Dinge sind explizit ausgedrückt. Erbe­schreibt zum Beispiel den Besuch Leverkühns bei einer Aufführung der »Sa lome« oder greift Beethovens Opus m konkret szenisch auf. D ann gibt es literarische Passagen , die Musik beschreiben. «

Es wäre naheliegend gewesen, der fiktiven Musik von Leverkühn im Hörspiel eine Form zu geben. D as aber hieße, ihrer literarischen Partitur zu folgen- ein Ding der Unmöglich­keit. D er Komponist H ermann Kretzschmar hätte sich in Teufels Küche begeben , denn das

literarisches Hörspiel

Werk von Leverkühn ist im eigentlichen Sinne nicht aufführbar. Es wird im Hörspiel - wie auch im Ro man - nicht zu hören sein .

»Ich habe die Musik als eine Hörstück-Mu­sik konzipiert, die sich leitmotivisch über die Hauptpersonen und über die Hauptthemen legt. Dabei nutze ich drei Ansätze: Musik in der Form von variabel einsetzbaren Klangmodulen steht funktional unter bestimmten Textpassa­gen als Klammerung, Charakterisierung und Emotionalisierung. Als Zweites sind Szenen­musiken notwendig für Schlüsselstellen im Ro­man . Schließlich gibt es kleine Stücke absoluter Musik, die für sich stehen und für sich all eine wirken sollen.«

Schauspieler wie bei den Salzburger Festspielen Fast 40 Schauspieler wirkten in der Hörspielfas­sung des »Doktor Faustus« mit. Sie verlangten eine aufwändige Dispos ition von Gudrun Eg-

Wem er Wölbern in der Rolle des

Komponisten Adrian Leverkühn

gert, der Besetzungschefin des HR. Gleich ei ner Pyramide steht und fa llt alles mit der H aupt­rolle des Erzäh lers.

Leonhard Koppelmann: »Als wir über die Besetzung nachdachten , fiel die Wahl sofort auf H anns Zischler. Er hat sich als Schauspieler, Übersetzer von Derrida und Essayist einen Na­men gemacht und bringt das intellektuelle Rüst­zeug mit. Außerdem zeichnet Zischler als Per­son eine gewisse Distinguiertheit und ironische Zurückhaltung aus, die der Serenus-Figur eigen ist. Für mich ist er die idealtypische Verkörpe­rung dieses Thomas-Mann-Erzählers.«

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Im Rollenzusammenhang war dann der auf den großen deutschsprachigen Bühnen brillie­rende Werner Wölbern das Gewicht, das Zisch­ler entgegenzusetzen war und der Künstlerfi­gur Leverkühns entsprach . Nach den beiden Hauptrollen schlüsselt sich das Feld der wei­teren Schauspieler auf »Ein Proj ekt wie >Doktor Faustus< hat eine enorme Sogkraft. Es zieht die Kollegen Schauspieler anders an als ein >norma­les< Hörspiel. Und so haben wir hier Salzburger Festspiele<<, betont Koppelmann.

Es sagten selbst für Nebenrollen Schauspie­ler zu wie Mattbias H abich, Traugott Buhre , Michael Mendl , Felix von M anteuffel, Sven Eric Bechtlof, Cornelia Boje, Peter Striebeck, Michael Tregor, Hans-Michael Rehberg, Wolf­Dietrich Sprenger, Wolfram Koch, Ulrich Noe­then, Jens Harzer, Renate Schröter, Christiane Blumhoff und Anke Sevenich, die mal länger, mal nur für wenige Minuten ih r Können unter Beweis stellen.

Regisseur Leonhard Koppelmann

Senderübergreifende Zusammenarbeit Großproduktionen dieser Art entste hen in den H örsp ielredaktionen der ARD nicht an einem Tag. Sie erfordern , zumindest bei kleineren An­stalten wie dem HR, eine günstige Gelegenheit, die sowohl die Disposition der Studios als auch die Kostenkalkul ation betrifft. Zufa ll , Zeitum­stände und Plan ung ergaben so etwas wie eine >> Logik des Materials«, die sch ließlich zu einer Umsetzung dieses Projekts führte .

Nachdem der HR mehrere aufwändige Hör­spielprojekte abgeschlossen hatte, war der Weg endlich frei für das seit einigen Jahren erwogene »Faustus«-H örspiel. D as vorgesehene Bearbeiter­team von Redaktion, Regisseur und Komponist setzte sich gut sechs Monate an die Textfassung.

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Das HR-Hörspielstudio stand acht Wochen ftir die Wortaufnahmen sowie gut zwölf Wochen für Musikaufnahme und Mischung zur Verfü­gung. Ohne die vorangegangene Zusage des Ko­produzenten BR jedoch, der sich hälftig an den direkten Produktionskosten beteiligte, wäre das Projekt nicht möglich gewesen - ein Beispiel für die senderübergreifende Zusammenarbeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkansta lten.

Zugleich kooperierte der HR für die auf­wändigen Musikaufnahmen mit der Interna­tionalen Ensemble Modern Akademie. Die vom Frankfurter Ensemble Modern gegründete Ausbildungsakademie führt alljährlich ein Stipendienprogramm flir herausragende Nach­wuchsmusiker, Komponisten und Dirigenten gemeinsam mi t der Hochschule für Musik und Darste llende Kunst in Frankfurt a. M. als Mas­terstudiengang >>Zeitgenössische Musik« durch. Die Realisierung des >> Faustus« steht somit stellvertretend für eine Produktio nsweise, die kosten- wie qualitätsbewusst den Synergieeffekt einer Zusa mmenarbei t von renommierter Aus­bildungss tätte und öffentlich-rechtlicher Profes­sionalität nutzte.

Als letztes Glücksmoment erwies sich, dass die mehrjährige Arbeit an der aufwändigen, mehrfach verschobenen Großen Kommen­tierten Ausgabe des >> Do ktor Faustus << im S. Fischer Verlag Anfang 2007 kurz vor dem Ab­schluss stand . Sie d iente dem Hörspiel als Text­grundlage und half bei der Klärung strittiger Wortbedeutungen, ein Umstand, der gerade flir die Schauspieleraufnahmen von großer Bedeu­tung war. Aber auch Druckfehler, die seit 1947 in allen Ausgaben zu finden sind, konnten so erstmals korrigiert werden - beispielsweise die richtige Datierung der Aufführung von Lever­kühns, seinem Freund Schwerdtfeger gewidme­ten , Violinkonzert in Zürich 1924.

Dieses Zusammenspiel von verschiedenen Faktoren komplettiert das Bild der Hörspiel­produktion von Thomas M anns >>Doktor Faus­tus<<. hr2 bringt die zehnteilige Ursendung wö­chentlich ab dem Tag der D eutschen Einheit, dem 3· ro. 2007, und Bayern2Radio sendet die Produktion in seinem Weihnachtsprogramm - 6o Jahre nach der Erstveröffentlichung des Romans.

Manfred Hess HR,

Hörspielredakteur bei hr2

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