PULS/CE Public Understanding of Life Sciences / Chemical ......hinein. Shannon Olsson, die von...

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Überleben mit Symbiose-Bakterien Feuerwanzen benötigen bakterielle Symbionten, um mit Pflanzensamen als deren einziger Nahrungsquelle zu überleben. Diese Symbiose-Bakterien bilden einen Schlüsselfaktor für den Erfolg von Gemeinen Feuerwanzen und für den Schädlings- status der Baumwollwanzen ... S. 4 STOPP: Verdorbene Nahrung! Verdorbene Nahrung kann tödlich sein, wenn sie zusammen mit krankheits- erregenden Bakterien in den Verdauungstrakt gelangt. Besonders der Geruchssinn muss vor verdorbenen Mahlzeiten schützen. Jetzt wurde erstmals der Fluchtreflex vor giftiger Nahrung im Gehirn von Fruchtfliegen entschlüsselt … S. 3 PULS/CE 21 Public Understanding of Life Sciences / Chemical Ecology Nicht ohne meine Mikroben Waldmaikäfer profitieren auch nach Metamorphose von denselben bakteriellen Symbionten, die sie schon als Larve beherbergt haben. Die Mikroben helfen ihnen, die holzige Nahrung, zum Beispiel Lignozellulose und Xylane, zu verdauen … S. 5 Newsletter April 2013

Transcript of PULS/CE Public Understanding of Life Sciences / Chemical ......hinein. Shannon Olsson, die von...

  • Überleben mit Symbiose-BakterienFeuerwanzen benötigen bakterielle Symbionten, um mit Pflanzensamen als deren einziger Nahrungsquelle zu überleben. Diese Symbiose-Bakterien bilden einen Schlüsselfaktor für den Erfolg von Gemeinen Feuerwanzen und für den Schädlings-status der Baumwollwanzen ... S. 4

    STOPP: Verdorbene Nahrung! Verdorbene Nahrung kann tödlich sein, wenn sie zusammen mit krankheits-erregenden Bakterien in den Verdauungstrakt gelangt. Besonders der Geruchssinn muss vor verdorbenen Mahlzeiten schützen. Jetzt wurde erstmals der Fluchtreflex vor giftiger Nahrung im Gehirn von Fruchtfliegen entschlüsselt … S. 3

    PULS/CE 21Public Understanding of Life Sciences / Chemical Ecology

    Nicht ohne meine Mikroben Waldmaikäfer profitieren auch nach Metamorphose von denselben bakteriellen Symbionten, die sie schon als Larve beherbergt haben. Die Mikroben helfen ihnen, die holzige Nahrung, zum Beispiel Lignozellulose und Xylane, zu verdauen … S. 5

    Newsletter April 2013

  • Liebe Leserinnen und Leser!

    Nach der Eröffnung des Schneiderhauses (sie-he PULS/CE 20) gedenkt das MPI für chemische Ökologie mit dem neuen Eisnerzimmer eines weiteren Pioniers der chemisch-ökologischen Forschung: Thomas Eisner. Im Laufe des letzten Jahres wurde aus dem früheren Bibliotheksarchiv eine offene und helle Bürolandschaft, in der bis zu 36 Nachwuchswissenschaftler arbeiten kön-nen. Wer den Raum betritt, ist angenehm über-rascht von der freundlichen Helligkeit: Auf drei Seiten blickt man durch Glaswände und Fenster nach draußen, auf der Gebäuderückseite über ein Landschaftsschutzgebiet sogar bis in den Wald hinein. Shannon Olsson, die von 2000-2005 bei Thomas Eisner an der Cornell University promo-vierte, ist begeistert: „Es gibt im ganzen Institut keinen geeigneteren Raum, um ihn nach Tom zu benennen. Der Blick in die Natur war immer die größte Inspiration für ihn.“ Shannon Olsson, die

    in der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie eine Projektgruppe leitet, muss oft an den wichtigsten Rat denken, den Tom Eisner ihr gegeben hat und den sie jetzt an ihre Studenten weitergibt: „Wenn du ein Insekt, eine Pflanze oder eine Mikrobe er-forschen willst, dann musst du wie das Insekt, die Pflanze oder die Mikrobe denken.“ Eisners beson-deres Vermächtnis an die Disziplin der chemischen Ökologie ist der Hinweis, dass wir den Geheim-nissen der Natur auf die Spur kommen können, wenn wir ihre Phänomene und Protagonisten genau beobachten. Trotz der rasanten Weiterent-wicklung molekularbiologischer Methoden ist die Naturbeobachtung immer noch ein wesentlicher Faktor für den Erkenntnisgewinn. Das findet auch Melkamu Woldemariam aus Äthiopien. Er steht vor dem Abschluss seiner Promotion über die Identifizierung neuer Regulationsmechanismen, die bei Interaktionen zwischen wildem Tabak und Schädlingen eine Rolle spielen (siehe Seite 6). Ein wesentlicher Bestandteil seiner Studien sind Ex-perimente draußen: in der Natur.

    Viel Freude beim Lesen und wunderbare Erlebnis-se in der frühlingshaften Natur wünscht Ihnen

    Angela Overmeyer

    Eisners Erben

    PULS/CE 21

    Newsletter April 2013 | Editorial

    2

    Literatur:

    Baldwin, Ian T. (2011). Moving forward

    by looking backwards: Thomas Eisner

    and Chemical Ecology.

    Chemoecology, 21, 187-189.

    Das Eisnerzimmer bietet Raum für

    den wissenschaftlichen Austausch.

    36 junge Wissenschaftler haben hier

    einen neuen Arbeitsplatz. Es wurde

    nach einem der Väter der chemischen

    Ökologie, dem Entomologen und

    Ökologen Thomas Eisner (1929-2011),

    benannt.

    Oben: Der Doktorand Melkamu Wol-

    demariam an seinem Arbeitplatz im

    Eisnerzimmer.

    Rechts unten: Beng Soon Teh aus

    Malaysia und Pol Alonso aus Spanien,

    zwei neue Doktoranden aus der

    Abteilung Bioorganische Chemie, im

    Gespräch mit Shannon Olsson, die

    2005 bei Eisner promoviert hat.

    Fotos: Angela Overmeyer/MPI-CE

    Angela Overmeyer

  • 3PULS/CE 20

    Geosmin, der typische Geruch giftiger

    Bakterien oder Schimmelpilze, löst

    in Fruchtfliegen einen unbedingten

    Fluchtreflex aus. Eine spezielle

    Nervenleitung – vom Rezeptor in den

    Antennen und weiter über Sinnes- und

    Gehirnneuronen – wird durch ge-

    ringste Mengen an Geosmin aktiviert

    mit der Folge, dass die Fliegen sofort

    flüchten. Einmal im Hirn der Fliegen

    wahrgenommen, schaltet Geosmin alle

    anderen, auch anlockende Reize aus.

    Bild: Marcus Stensmyr, MPI-CE

    Originalveröffentlichung:

    Stensmyr, M. C., Dweck, H., Farhan, A.,

    Ibba, I., Strutz, A., Mukunda, L., Linz,

    J., Grabe, V., Steck, K., Lavista Llanos,

    S., Wicher, D., Sachse, S., Knaden,

    M., Becher, P. G., Seki, Y., Hansson,

    B. (2012). A conserved dedicated

    olfactory circuit for detecting harmful

    microbes in Drosophila. Cell, 151(6),

    1345-1357.

    PULS/CE 213

    STOPP: Verdor-bene Nahrung! Nicht zuletzt die erschreckend vielen Todesfälle im Zusammenhang mit durch EHEC-Bakterien kontaminierten Biosprossen im Frühling 2011 ha-ben gezeigt, wie wichtig es für nahrungssuchen-de Lebewesen ist, nützliche von krankheitserre-genden Mikroorganismen zu unterscheiden. Zwar ist die äußere Betrachtung des Nahrungsmittels oft ausreichend, um Verdorbenes zu meiden. Noch sicherer aber ist die Wahrnehmung ein-deutiger Gerüche, die durch gefährliche Erreger freigesetzt werden. Erkennt ein Lebewesen einen solchen Geruch und wendet sich daraufhin ab, kann dies lebensrettend sein. Wie aber wird ein solches Abschreckungsverhalten ausgelöst? Wie sieht der Weg vom Geruchsmolekül über Rezep-toren bis ins Hirn und schließlich bis zur Reaktion eines Tieres aus?

    Für die Beantwortung dieser Fragen sind die ge-netisch sehr gut charakterisierten Fruchtfliegen der Art Drosophila melanogaster geeignet. Die Fliegen ernähren sich von Hefepilzen, die auf ver-dorbenem Obst wachsen. Sie müssen „gute“ von „schlechten“ Mikroben also genau unterscheiden können. Denn Experimente zeigten, dass Fliegen, die stark verdorbene Nahrung aßen, schnell star-ben. Der Geruchsstoff Geosmin − der uns Men-schen bekannte Geruch nasser Böden − wird von Toxin bildenden Pilzen und Bakterien abgegeben und könnte der Auslöser für abschreckende Re-aktionen sein.

    Wissenschaftler der Abteilung Evolutionäre Neuroethologie entdeckten jetzt, dass Frucht-fliegen eine besonders empfindliche Antenne für Geosmin haben. In elektrophysiologischen

    Experimenten fanden sie heraus, dass ein ein-zelnes Neuron, ab4B, mit dem speziellen Re-zeptor Or56a ausschließlich auf Geosmin an-spricht. Bildgebende Untersuchungen am Gehirn der Fliege lieferten ein weiteres interessantes Ergebnis: Von den rund 50 Glomeruli, kugeligen Verschaltungseinheiten, die das Riechzentrum der Tiere ausmachen, reagierte nur einer, DA2, auf Geosmin. Er befindet sich in derselben Hirn-region wie diejenigen Glomeruli, die im Allgemei-nen abschreckendes Verhalten hervorrufen.

    Die durch Geosmin vermittelte Botschaft löst ohne Umwege von der Antenne direkt ein defi-niertes Fluchtverhalten aus. Der direkt durchge-schaltete Reiz ruft nicht nur sofort den Stillstand der Tiere oder das Wegfliegen von der Geruchs-quelle hervor, sondern „überschreibt“ bereits in geringsten wahrnehmbaren Konzentrationen konsequent alle anderen gleichzeitig angebote-nen Locksignale, selbst die sehr verführerischen Düfte von Essig oder Früchten. Das Gehirn der Tiere ist also erstaunlicherweise derart program-miert, dass sie grundsätzlich vor dem Geruch von Geosmin fliehen, selbst wenn zusätzlich noch attraktive Düfte präsent sind. [JWK]

    Research Highlight | Newsletter April 2013

  • Während die bei uns häufig vorkommende Gemei-ne Feuerwanze keine schädlichen Auswirkungen auf den Menschen hat, sind ihre Verwandten in Afrika, Asien und Amerika, die Baumwollwanzen, eine ernste Bedrohung für die Landwirtschaft. Wissenschaftler der Max-Planck-Forschungs-gruppe Insektensymbiose haben jetzt heraus-gefunden, dass diese Insekten bakterielle Sym-bionten benötigen, um mit Baumwollsamen als ihrer einzigen Nahrungsquelle zu überleben. Die Samen sind nämlich reich an giftigen sekundären Pflanzenstoffen und dazu noch arm an essenziel-len Nährstoffen. Mit Hilfe der Hochdurchsatz-Se-quenzierung entschlüsselten die Wissenschaftler fast 300.000 Kopien bakterieller 16S rRNA-Gene und fanden heraus, dass Feuerwanzen eine cha-rakteristische Gemeinschaft von drei bis sechs Symbionten in einer bestimmten Region des Mitteldarms beherbergen. Feuerwanzen aus ver-schiedenen geografischen Regionen und sogar über verschiedene Arten hinweg wiesen erstaun-lich ähnliche Mikrobengemeinschaften auf, was darauf schließen lässt, dass sie bereits seit Mil-lionen von Jahren mit ihren Bakterien in Symbio-se leben. Die Symbionten werden von der Mut-terwanze auf die Eier übertragen, und die frisch geschlüpften Nymphen saugen an der Oberfläche der Eihülle und nehmen die dort befindlichen Bak-terien auf. Dass die bakteriellen Symbionten den Wan-zen dabei helfen, sich ausschließlich von den giftigen Baumwollsamen zu ernähren, zeigten die Forscher durch ein simples, aber elegan-tes Experiment: Sie tauchten die Insekteneier in Bleichlösung und Ethanol und töteten dabei die Bakteriengemeinschaft auf der Eioberfläche,

    ohne den sich entwickelnden Insektenembryo zu schädigen. Einige der Eier wurden daraufhin mit einer Mischung von Bakterien aus dem Darm einer ausgewachsenen Wanze neu infiziert, wäh-rend die übrigen Eier symbiontenfrei blieben. Symbiontenfreie Wanzen zeigten klare Anzeichen von Mangelernährung, obwohl sie mit den glei-chen Pflanzensamen gefüttert wurden wie die Vergleichstiere. Die deutet stark darauf hin, dass die Symbionten einen wichtigen Beitrag zur Nah-rungsverwertung ihrer Wirte leisten. Erstaunlich war, dass selbst der Austausch der bakteriellen Gemeinschaften zwischen Gemeinen Feuer- und Baumwollwanzen zu einer reduzierten Fitness in beiden Arten führte. Die jeweiligen Symbiosen scheinen also hochspezifisch zu sein.

    Gemeine Feuer- und Baumwollwanzen sind idea-le Modellsysteme, um grundlegende Fragen der Insektensymbiose zu beantworten, denn ihre mikrobiellen Gemeinschaften können verändert und ausgetauscht werden, um dann die Fitness der Insekten zu messen. Die genaue Kenntnis der Wechselwirkungen zwischen Insekten und ihren mikrobiellen Symbionten ist unverzichtbar für das grundlegende Verständnis der Physiologie, Ökologie und Evolution von Insekten. Im Fall von Schadinsekten wie der Baumwollwanze können diese Erkenntnisse außerdem neue Wege der biologischen Schädlingsbekämpfung aufzeigen. [MK/AO]

    PULS/CE 21

    Newsletter April 2013 | Research Highlight

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    Oben rechts: Afrikanische Baumwoll-

    wanze (Dysdercus fasciatus). Foto:

    Martin Kaltenpoth, MPI-CE

    Unten: Max-Planck-Forschungsgruppe

    Insektensymbiose: Martin Kaltenpoth,

    Aileen Berasategui, Benjamin Weiss,

    Eugen Bauer, Sailendharan Sudakaran,

    Taras Nechitaylo, Peter Biedermann,

    Tobias Engl (hintere Reihe, von links

    nach rechts); Sabrina Köhler, Laura

    Flórez, Hassan Salem (vorne sitzend).

    Foto: MPI-CE

    Originalveröffentlichungen:

    Sudakaran, S., Salem, H., Kost, C., Kal-

    tenpoth, M. (2012). Geographical and

    ecological stability of the symbiotic

    mid-gut microbiota in European fire-

    bugs, Pyrrhocoris apterus (Hemiptera,

    Pyrrhocoridae). Molecular Ecology,

    21(24), 6134-6151.

    Salem, H., Kreutzer, E., Sudakaran, S.,

    Kaltenpoth, M. (2012). Actinobacteria

    as essential symbionts in firebugs and

    cotton stainers (Hemiptera, Pyrrhoco-

    ridae). Environmental Microbiology.

    doi:10.1111/1462-2920.12001.

    Überleben mit Hilfe von Symbiose-Bakterien

  • 5PULS/CE 20 PULS/CE 215

    Nach dem Winter, spätestens im Mai

    und bis in den Juni hinein, können sie

    wieder in Massen auftreten und erste

    Blatttriebe von Eichen, Ahorn und Bu-

    chen befallen: Waldmaikäfer (Melolon-

    tha hippocastani). Die Weibchen legen

    einmal im Jahr bis zu 30 Eier, woraus

    die Larven (Engerlinge) schlüpfen und

    sich während einer drei- bis fünfjäh-

    rigen Entwicklungszeit unterirdisch

    von Baumwurzeln ernähren. Unten:

    Waldmaikäferlarve, die im Boden eine

    Karotte frisst. Oben: adulter Käfer.

    Fotos: Erika Arias Cordero, MPI-CE

    Originalveröffentlichung:

    Arias Cordero, E., Ping, L., Reichwald,

    K., Delb, H., Platzer, M., Boland, W.

    (2012). Comparative evaluation of the

    gut microbiota associated with the

    below- and above-ground life stages

    (larvae and beetles) of the forest cock-

    chafer, Melolontha hippocastani. PLoS

    ONE 7(12): e51557.

    Die Metamorphose bestimmter Insektenarten ist ein faszinierender Vorgang. Aus einer Larve, die sich je nach Art unter- oder oberirdisch von Wurzeln oder Blättern ernährt, wird nach einem Verpuppungs- und Ruhestadium ein Falter oder ein Käfer. Die walzenförmigen Raupenkörper sind im Vergleich zu den meist bunten und filigranen Faltern eher unspektakulär. Hinzu kommt, dass Raupen- oder Käferlarvenfraß unsere land- oder forstwirtschaftlichen Erträge jedes Jahr aufs Neue bedrohen. So ist auch der Waldmaikäfer Melolontha hippocastani ein wichtiger Schädling unserer Bäume. Im Puppenstadium beginnt die fundamentale Verwandlung, ein radikaler inne-rer Umbau, bei dem kein Larvenorgan in seiner ursprünglichen Form erhalten bleibt. Was aber passiert nach der Metamorphose mit den über-lebenswichtigen Mikroben, die die Larven in ih-rem Darm haben, um ihre pflanzliche Nahrung zu verdauen?

    Wissenschaftler der Abteilung Bioorganische Chemie sowie der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg in Frei-burg und des Fritz-Lipmann-Instituts in Jena ermittelten über 300 ribosomale RNA-Sequenz-abschnitte, die verschiedenen Taxa bekannter Mikrobenklassen zugeordnet werden konnten.

    Insgesamt neun verschiedene Klassen von Bak-terien wurden im Darm des Waldmaikäfers gefunden, darunter Proteobakterien, Actino-bakterien, Bacilli, Clostridien und Sphingobak-terien. Einige Arten sind dazu in der Lage, Holz-bestandteile wie Lignocellulose und Xylane zu verdauen. Viele der im Larvendarm bestimmten Bakterienklassen tauchten im Darm der Käfer wieder auf, obwohl der Larvendarm in der Pup-penphase vollständig entleert ist. Außerdem stimmt das Darm-Mikrobiom der Larve nur mini-mal mit dem Mikrobiom von Erde und Wurzelma-terial überein; die meisten der Mikroben aus Lar-ve und Käfer stammen also nicht aus der jeweils aufgenommenen Nahrung. Dies bedeutet, dass Melolontha hippocastani wahrscheinlich schon beim Schlüpfen aus dem Ei eine Grundausstat-tung von symbiontischen Bakterien mitbringt, mit denen sich diese Insektenart wohl schon im Lau-fe der Jahrtausende gemeinsam entwickelt hat. Dieses Resultat bestätigt erneut, dass vermutlich alle höheren Organismen, also Pflanzen, Tiere und auch wir Menschen, grundsätzlich mit symbioti-schen Mikroorganismen ausgestattet sind, ohne die wir nicht leben und überleben können. [JWK]

    Research Highlight | Newsletter April 2013

    Nicht ohne meine Mikroben

  • 66

    Melkamu Gezahagne Woldemariam

    aus Äthiopien (siehe Editorial, S. 2)

    ist Doktorand der International Max

    Planck Research School. Thema seiner

    Promotion in der Abteilung Moleku-

    lare Ökologie (Ian Baldwin) ist die

    Identifizierung neuer Regulationsme-

    chanismen bei Interaktionen zwischen

    wildem Tabak und seinen Schädlingen.

    Oben rechts: Wilde Tabakpflanze

    der Art Nicotiana attenuata in ihrem

    natürlichen Lebensraum in der Great

    Basin Desert in Utah, USA: Nach Brän-

    den wachsen größere Populationen

    dieser Art auf stickstoffreichen Böden

    und müssen mit einer Vielzahl von

    Schädlingen fertig werden, darunter

    dem Tabakschwärmer Manduca sexta

    (unten). Fotos: Danny Kessler, MPI-CE

    Newsletter April 2013 | IMPRS-Projekt

    PULS/CE 21

    Der natürliche Lebensraum von Pflanzen gleicht einer Sinfonie von chemisch vermittelten Wech-selwirkungen, die ihre Kommunikation mit ande-ren Pflanzen der gleichen oder einer anderen Art sowie mit Bestäubern und Fraßfeinden steuern. Pflanzen müssen in der Lage sein, nützliche von schädlichen Organismen zu unterscheiden und ihre chemischen Antworten entsprechend an-zupassen. Als Nahrungsquelle werden Pflanzen von vielen pflanzenfressenden Tieren, den Herbi-voren, attackiert. Neben mechanischen Barrieren wie Dornen und Blatthaaren haben sie daher ein chemisches Arsenal entwickelt, mit dessen Hilfe Angreifer in ihrer Entwicklung gestört oder getö-tet werden. Die Produktion von Abwehrstoffen verbraucht jedoch kostbare Energieressourcen. Aus diesem Grund müssen die ausgeklügelten und vielschichtigen Verteidigungsstrategien mög-lichst ökonomisch aufeinander abgestimmt sein.

    Unsere Modellpflanze ist der Wilde Tabak Nicoti-ana attenuata. Tabakpflanzen reagieren auf Befall durch Tabakschwärmerlarven mit der Produktion von Pflanzenmetaboliten wie Nikotin, Trypsin, Protease-Inhibitoren, Diterpen-Glycosiden und Phenolamiden. Die Biosynthese der Abwehr-stoffe hängt von der Aktivierung der Jasmonat-Signalkaskade ab, die eine Produktion von großen Mengen Jasmonsäure (JA) und ihrer bioaktiven Form, dem Isoleucin-Konjugat JA-Ile, bedingt. Weil die ständige Verteidigungsbereitschaft für Pflanzen kostspielig ist, interessiert uns, wie Tabakpflanzen die Jasmonat-Signalkaskade steu-ern, insbesondere die durch Herbivoren induzier-te Produktion von JA-Ile. Wir identifizierten ein neuartiges Enzym, das den Jasmonatausstoß ab-schwächt und die Produktion von Abwehrstoffen

    reguliert. Nachdem wir die Expression dieses En-zyms, einer Hydrolase (Jasmonoyl-L-Isoleucin Hy-drolase 1, JIH1), in Tabakpflanzen ausgeschaltet und die transformierten Pflanzen in ihrer natürli-chen Umgebung ausgepflanzt hatten, beobachte-ten wir, dass die transgenen Pflanzen mehr JA-Ile anreicherten und somit besser vor Schädlingsbe-fall geschützt waren als Wildtyp-Pflanzen. Des Weiteren lockte der genetisch veränderte Tabak im Vergleich zu Kontrollpflanzen im Feld mehr räu-berische Wanzen der Gattung Geocoris an, sobald in Experimenten Motteneier auf den Pflanzen an-gebracht wurden. Diese Beobachtung stimmte mit der höheren Abgabe von Blattduftstoffen zum Anlocken der Eiräuber durch die transformierten Pflanzen überein. Unsere Ergebnisse legen nahe, dass JIH1 den Jasmonatausstoß reguliert und damit die Physiologie und Biochemie und letzt-endlich die ökologischen Wechselwirkungen von Tabakpflanzen mit ihrer natürlichen Schädlingen entscheidend beeinflusst. Melkamu Gezahagne Woldemariam

    Ökonomische Feinabstim-mung der Pflanzenabwehr

    Originalveröffentlichung:

    Woldemariam, M., Onkokesung,

    N., Baldwin, I. T., Galis, I. (2012).

    Jasmonoyl-L-Isoleucine Hydrolase 1

    (JIH1) regulates jasmonoyl-L-isoleucine

    levels and attenuates plant defenses

    against herbivores. The Plant Journal,

    72(5), 758-767.

  • Wissenschaftler der Abteilung Bioorganische Chemie haben herausgefunden, dass Adlerfar-ne (Pteridium aquilinum) bei Schädlingsbefall im Gegensatz zu heute vorherrschenden und evolu-tionär jüngeren Blütenpflanzen keine Duftstoffe aussenden. Eine solche Duftstoffemission dient unter anderem dazu, die Feinde ihrer Schädlinge, wie beispielsweise Schlupfwespen oder Raub-wanzen, anzulocken, die dann deren Fraßfeinde

    parasitieren. Trotzdem konnte auch in Farnwedeln eine Duftstoffabgabe hervorgerufen werden, wenn diese mit Jasmonsäure behandelt wur-den, die in Blütenpflanzen die Duftstoffsynthese auslösen kann. Dies lässt darauf schließen, dass die Farne zwar prinzipiell diese Form der Abwehr mobilisieren könnten, sie jedoch nicht zur Vertei-digung gegen Fraßfeinde einsetzen.

    Eine ungewöhnliche Regulation von Enzymen, die Reaktionen im Terpenmetabolismus katalysieren, haben Wissenschaftlerinnen jetzt entdeckt. In Meerrettichblattkäfern der Art Phaedon coch-leariae kann ein und dasselbe Enzym, gesteuert durch Kobalt-, Mangan- oder Magnesiumionen, die Herstellung zweier völlig unterschiedlicher Substanzen einleiten: Iridoide, also Wehrsub-stanzen, mit denen sich die Larve gegen ihre Fraßfeinde wehrt, oder Juvenilhormone, die die Entwicklung des Insekts lenken. Möglicherweise

    haben Insekten mit der Metallionen-abhängigen Kontrolle eine effiziente Option entwickelt, Meta-bolite in die unterschiedlichsten Richtungen des Terpenstoffwechsels zu lenken.Originalveröffentlichung:

    Frick, S., Nagel, R., Schmidt, A., Bodemann, R., Rahfeld,

    P., Pauls, G., Brandt, W., Gershenzon, J., Boland, W., Bur-

    se, A. (2013). Metal ions control product specificity of

    isoprenyl diphosphate synthases in the insect terpenoid

    pathway. Proceedings of the National Academy of Scien-

    ces of the United States of America, 110(11), 4194-4199.

    Dank ihrer hochentwickelten Antennen kön-nen sich Insekten an kleinsten Geruchskonzen-trationen orientieren. Perfekt ausgestattet mit Geruchsrezeptoren finden sie Nahrung, optimale Eiablageplätze oder Geschlechtspartner. Jetzt wurde erstmals experimentell und mithilfe von Mutanten bestätigt, dass das enorme Geruchs-vermögen von Insekten auf einer Selbstregulation ihrer Duftrezeptoren beruht: Geringste Mengen von Duftmolekülen bewirken die Sensibilisierung bestimmter Duftrezeptoren, und das Auftreffen weiterer Moleküle kurz danach löst die Öffnung

    eines Ionenkanals aus, was Reaktion und Flug-verhalten der Fliege steuert. Dies bedeutet, dass bereits eine Geruchsstimulierung unterhalb der Reizschwelle die Sensibilität des Rezeptors er-höht. Kommt innerhalb kurzer Zeit ein zweiter Ge-ruchsimpuls hinzu, wird eine neuronale Reaktion ausgelöst. Originalveröffentlichung:

    Getahun, M. N., Olsson, S., Lavista Llanos, S., Hansson, B.,

    Wicher, D. (2013). Insect odorant response sensitivity is

    tuned by metabotropically autoregulated olfactory recep-

    tors. PLoS One, 8(3): e58889.

    Die Antennen der Fruchtfliege Droso-

    phila melanogaster, hier in dunkelgelb

    schematisch dargestellt. Dunkelrot:

    Duftmolekül. Graphik aus der Anima-

    tion von Kimberly Falk, Moves Like

    Nature, Jena

    PULS/CE 21

    News | Newsletter April 2013

    7

    Transistor in der Fliegen-Antenne: Duftrezeptoren von Insekten steuern Empfindlichkeit selbst

    Metallionen regulieren den Terpen-Stoffwechsel in Insekten

    Abwehr von Fraßschädlingen bei Farnen

    Sindy Frick und Antje Burse analy-

    sieren Probenmaterial mithilfe eines

    Chromatographen. Foto: Angela

    Overmeyer, MPI-CE

    Originalveröffentlichung:

    Radhika, V., Kost, C., Bonaventure, G.,

    David, A., Boland, W. (2012). Volatile

    emission in bracken fern is induced by

    jasmonates but not by Spodoptera lit-

    toralis or Strongylogaster multifasciata

    herbivory. PLoS One, 7(11): e48050.

  • 8

    www.ice.mpg.dewww.ice.mpg.de

    8

    Impressum: PULS/CE erscheint zweimal jährlich auf der Homepage des MPI für chemische Ökologie und kann auch kostenlos abonniert werden. Die Verteilung erfolgt elektronisch als PDF, auf Wunsch werden gedruckte Exemplare verschickt. Herausgeber: MPI-CE, Jena. Geschäftsführender Direktor: Prof. Dr. Bill S. Hansson (viSdP).Redaktion: Dr. Jan-W. Kellmann, Forschungskoordination • Angela Overmeyer M.A., Presse- und ÖffentlichkeitsarbeitISSN: 2191-7507 (Print), 2191-7639 (Online)

    PULS/CE 21

    Newsletter April 2013 | News & Events

    Die American Association for the Advancement of Science (AAAS) wählte Jonathan Gershen-zon zum akademischen Mitglied in die Sektion Biological Sciences. Er wird damit für herausra-gende Leistungen geehrt, insbesondere für die Erforschung der Zusammensetzung, ökologischen

    Bedeutung und Evolution von pflanzlichen Ab-wehrstoffen. Die AAAS ist die weltweit größte wissenschaftliche Gesellschaft. Sie wurde 1848 in Pennsylvania gegründet und gibt seit 1880 die Zeitschrift Science heraus. www.aaas.org

    Jonathan Gershenzon als AAAS Fellow geehrt

    Jonathan Gershenzon. Foto: MPI-CE

    © Danny Kessler

    Zum 7. Kurt-Mothes-Doktorandenworkshop über den Sekundärstoffwechsel treffen sich am 5. und 6. September 2013 rund 40 Nachwuchswissenschaftler/innen in Jena. Die Veranstaltung findet im Hörsaal des Abbe-Zentrums auf dem Beutenberg Campus statt. Das Doktorandentreffen zum Austausch über neueste Entwicklungen in der Erforschung bioaktiver Wirkstoffe aus Pflanzen und Mi-kroorganismen ist dem Andenken an den bedeutenden Pflanzenphysiologen und Naturstoff-Forscher Kurt Mothes (1900-1983) gewidmet und wird seit 1996 vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Halle gemeinsam mit dem Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena organisiert.

    Vom 13. bis 16. Oktober 2013 findet die CEEPC, die 7th Central and Eastern European Proteo-mics Conference on Proteomics Driven Discovery and Applications, im Abbe-Zentrum auf dem Beutenberg Campus in Jena statt. Organisiert wird diese Konferenz, die bereits zum zweiten Mal in Jena tagen wird, von Aleš Svatoš, dem Leiter der Labore für Massenspektrometrie und Proteomik am MPI. Geplant sind u.a. Symposia zur klinischen Proteomforschung, Hochdurchsatzverfahren, Proteom-forschung an Pflanzen, Insekten und Mikroorganismen sowie Imaging von Biomarkern.www.ice.mpg.de/ext/ceepc2013.html

    Die nunmehr 5. Lange Nacht der Wissenschaften startet am Freitag, den 29. November 2013, ab 18:00 Uhr in Jena. Auch das MPI-CE wird wieder mit von der Partie sein und bis Mitternacht seine Türen für interessierte Besucher öffnen. Der erste Programmhöhepunkt steht bereits fest: Der Wissen-schaftshistoriker Prof. Dr. Ernst Peter Fischer (Bild links) wird über „Romantische Wissenschaft − 100 Jahre Bohr‘sches Atommodell“ referieren. www.sternstunden-jena.de

    Veranstaltungstipps:

    http://www.aaas.orghttp://www.ice.mpg.de/ext/ceepc2013.htmlhttp://www.ice.mpg.de/ext/ceepc2013.htmlhttp://www.ice.mpg.de/ext/ceepc2013.htmlhttp://www.ice.mpg.de/ext/ceepc2013.htmlhttp://www.sternstunden-jena.de