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Schon zehn – und jetzt? Ein Geburtstagsheft fürs PZH pzh 2015 Das Magazin des Produktionstechnischen Zentrums der Leibniz Universität Hannover / Jahresbericht 2014

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Schon zehn – und jetzt? Ein Geburtstagsheft fürs PZH

pzh2015 Das Magazin des Produktionstechnischen Zentrums der Leibniz Universität Hannover / Jahresbericht 2014

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Editorial

Liebe Leser,

zehn Jahre Forschung am PZH: Es ist erstaunlich, wie schnell – in der Rückschau – diese zehn Jahre vergangen sind! Andererseits scheint die Zeit davor, als wir in zu klein gewordenen Gebäuden in Hannovers Nord-stadt ansässig waren, bereits extrem weit zurückzuliegen.

Dieses erste runde Jubiläum ist ein guter Anlass, zurückzublicken und auch uns selbst die PZH-„Geschichte“ ins Gedächtnis zu rufen. Nur vier von uns sieben Professoren, die im PZH heute ein Institut leiten, haben den Umzug miterlebt, die anderen sind im Laufe der zehn Jahre dazugekommen. Bei den Wissenschaftlichen Mitarbeitern ist es nur eine kleine Minderheit, die selbst mit umgezogen ist. Es ist gut, sich bewusst zu machen, welche Erleichterungen bei der täglichen Arbeit und welche Möglichkeiten ein Zentrum wie das PZH bietet.

Das beste Beispiel dafür ist der Sonderforschungsbereich „Gentelligente Bauteile“, der parallel zum PZH vorbereitet wurde und nun ebenfalls zehn Jahre alt ist. Aus diesem SFB heraus wird ein Netzwerk mit der Industrie gegründet, um die interdisziplinären Forschungsergebnisse im Sinne der Industrie-4.0-Entwicklung in die Praxis zu bringen. Die Reportage vom großen Kick-off im Januar dieses Jahres erzählt davon (Seite 38). Auch die Geschichte des neuen Leichtbaustahls, die ebenfalls maßgeblich im PZH geschrieben wird, beleuchtet das Zusammenwirken unterschiedlicher Dis-ziplinen, um eine neue Prozesskette nicht in ihren Einzelschritten, sondern als Ganzes optimal zu entwickeln (Seite 48).

Natürlich hoffen wir, dass dieser Blick auf unsere Geschichte und unser aktuelles Wirken auch für externe Leser unterhaltsam und gewinnbrin-gend ist. Für unsere Kollegen aus der Fakultät für Maschinenbau, die noch in der Nordstadt arbeiten und in wenigen Jahren im Neubau vis-à-vis des PZH ebenfalls auf kurze Wege setzen können, mag es Trost und Ansporn sein: So ein Umzug ist kein Spaß, aber Tür an Tür zu forschen ist es dafür umso mehr.

Viel Spaß beim Lesen wünschen

Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena

Berend DenkenaVorstandssprecher 2015

Bernd-Arno BehrensVorstandssprecher 2014

Prof. Dr.-Ing. Bernd-Arno Behrens

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Jahresbericht 2014 58 PZH – Fakten und Zahlen 60 PZH – Angebote für die Industrie 62 PZH – Vorlesungen 64 PZH – Promotionen, Auszeichnungen, Gastdozenten, Veranstaltungen

Geschichte, Aktuelle Themen, Lehre, Forschungsprojekte, Veröffentlichungen, Anschaffungen:

66 IFA –InstitutfürFabrikanlagenundLogistik 70 IFUM –InstitutfürUmformtechnikundUmformmaschinen 78 IFW –InstitutfürFertigungstechnikundWerkzeugmaschinen 88 IMPT –InstitutfürMikroproduktionstechnik 94 ITA –InstitutfürTransport-undAutomatisierungstechnik 98 match –InstitutfürMontagetechnik 102 IW –InstitutfürWerkstoffkunde

112 TEWISS TechnikundWissenGmbH

114 Unternehmen am PZH

117 Anreise 122 Impressum

Titelillustration:DorotaGorski

Redaktioneller Hinweis:WirverwendendenpersonenbezogenenPlural(„dieMitarbeiter“,„dieForscher“)inseinergeschlechtsneutralenBedeutung,umdieLesbarkeitderTextezubewahren.

Panorama 6 Die Nacht, die Wissen schafft

8 Mädchen-und-Technik-Kongress

10 Kurz & gut

13 Konferenz & Co.

16 Fokus Forschung

Zehn Jahre PZH 28 Am Anfang war...

...nichtRohbaumitBlasmusik,sonderndieIdeedesgemeinsamenForschungszentrums.EinkleinerBilderbogenvomerstenSpaten-stichhinzueinigenGlanzlichternauszehnJahren.

34 2004 bis 2014: Menschen & Geschichten MeriemAkinistausBerkeleyzurückgekommen–nachHannover,nichtnachTunis.PeterNyhuisnimmteineAuszeitalsInstitutsleiter–ummalwiederrichtigforschenzukönnen.

38 Jetzt zusammen – Kickoff zum Industrie-4.0-Netzwerk ErbegleitetdasPZHvonAnfangan:DerSonderforschungsbereich„GentelligenteBauteile“istquasimitgewachsen.JetztweistermitseinenIndustrie-4.0-relevantenErgebnissenweitindieZukunft.

44 2004 bis 2014: Menschen & Geschichten TimWolferwähltauchmallängereWege–beimLaufenundbeiderBildungslaufbahn.ThomasHasselfühltsichamUWTHver-wurzelt.AngefangenhatteeralsLKW-Fahrer.

48 Stahl, ganz leicht LeichtbaustahlfürdenMotor:EinTeamamPZHentwickeltgemeinsamdieProzesskette,dieauseinemvielversprechendenWerkstoffeinenerfolgreichenWerkstoffmacht.

52 And Action, Please! EinenRoboterbauen,programmieren,dasganzeimTeamundaufEnglisch–dasisteinneuesLehrangebot,dasvieleguteI.UnddasvielSpaßmacht.

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Panorama–PZH2014/2015

Eigentlich hatte Leibniz dem kleinen Roboter Peezah verspro-chen, den Aktivierungscode für dessen Zeitreisemaschine zu reparieren. Und dann das: Leibniz war so beeindruckt von all den spannenden Exponaten, die die gesamte Fakultät für Maschinenbau genau an diesem 15. November 2014 im PZH zusammengetragen hatte, dass er guckte, probierte, mit den „jungen Gelehrten“ diskutierte ... und nicht mehr an den Code dachte.

Das übernahmen erfreulicherweise viele Kinder und andere der über 2000 Besucher: Auf Leibniz’ Spuren staunten sie über wachsende Schokoküsse unter Glas; sie besiegten Roboter, erlebten eine Turbine, montierten Hubschrauber, entdeckten die Gesetze von Leibniz’ altem Kollegen Newton ganz neu und vervollständigten mit etwas Geschick auch noch den defekten QR-Code, der nicht nur die Zeitreisemaschine wieder in Gang setzte – sondern natürlich auch den Schatz des Maschinenbaus entsperrte.

Die Nacht, die Wissen schafft... hat im Jahr 2014 gut 2000

Besucher und einen Zeitreisen-

den namens Leibniz besonders

glücklich gemacht.

Großer Andrang im Spine – an den einzelnen Stationen dagegen gab es

viele Gelegenheiten, sich die Exponate in Ruhe zeigen zu lassen.

Fotos:BettinaFischer(3),Illustration:Türk

Mon Dieu! Herr Leibniz hat sich aus-giebig umgeschaut – jetzt hilft er den „Universal-Gelehrten“-Anwärtern, den Schatz zu entsperren.

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Panorama–PZH2014/2015

Heißundkalt,lautundstill,grobund

ganzfein–beimMuT-Kongresserlebten

rund100Mädchenwiederdiegroße

Vielfalt,diehinterMINTsteckt.

Mädchen-und-Technik-Kongress MuT 2014

Mehr als 100 Mädchen und junge Frau-en konnten am 12. November 2014 einen Tag lang Technik erleben – beim MuT-Kongress, den das Institut für Mi-kroproduktionstechnik (IMPT) bereits zum 6. Mal organisiert hat. Während die Mädchen nach der Begrüßung bereits in ihren Workshops verschwunden waren, um dort zu gießen oder zu schweißen, zu löten oder zu kältekonservieren, Herzklappen zu untersuchen oder ein Handymikroskop zu basteln .... wäh-renddessen also tauschten sich einige der Sponsoren und Aktiven mit Vertretern der Presse darüber aus, warum diese Veranstaltung so wichtig ist.

„Wir engagieren uns in der Fachkräf-teallianz der Region Hannover“, sagt etwa Holger Habenicht, Sprecher der Agentur für Arbeit. „Und natürlich sehen wir den engen Zusammenhang von fehlenden Fachkräften auf der einen Seite und den vielen Mädchen, die einen großen

Bogen um die MINT-Fächer machen, auf der anderen Seite.“ Deshalb sei die Agentur für Arbeit beim Kongress dabei – und deshalb freue sie sich immer über entsprechende neue Ideen. Auch Barbara Schneider, Bildungsreferentin der Stiftung NiedersachsenMetall, sieht noch immer viele Berührungsängste von Mädchen im Umgang mit Technik. Ihre Stiftung bietet eigene Nachwuchsförderprogramme. Martina Behne vom Team Beschäfti-gungsförderung der Region Hannover, die ebenfalls als Sponsor dabei ist, betont, wie wichtig es sei, junge Frauen für einen technisch-naturwissenschaftlichen Werdegang zu begeistern. Zu den Aktiven des Kongresses gehört Thomas Bie-dermann vom Christian-Gymnasium Hermannsburg. Er ist Landesbeauftragter von Jugend forscht in Niedersachsen und findet, dass auch der Wettbewerb ,Jugend forscht‘ mit einem Mädchenanteil von über 38 Prozent eine gute Grundlage

bietet, Mädchen zu einem Einstieg in die Welt der Forschung zu motivieren. „Frauen machen im Schnitt die Hälfte der Konsumenten und Kunden aus“, sagt Professor Lutz Rissing zur Motiva-tion seines Instituts, diesen Kongress zu organisieren, „aber in der Planung und Umsetzung neuer technischer Produkte sind sie eher selten vertreten. Das ist für die Frauen und die Unternehmen ein großer Nachteil.“

Die Gastgeber aus dem IMPT – neben Professor Rissing die Ingenieure Rahel Kruppe, Lisa Jogschies und Mathias Rechel – konnten wieder ein tolles Angebot auf die Beine stellen. Sie wurden dabei auch von den SFBs „Gentelligente Bauteile“, „Produkt-Regeneration“ und „PlanOS“, dem Gleichstellungsbüro der Leibniz Universität und der üstra unterstützt. Für die Mädchen war es ein bunter Tag mit viel Spaß – und vielleicht ihr Einstieg in die MINT-Welt.

MuT!!

oben: Professor Lutz Rissing

vom IMPT begrüßt die Mädchen

im Hörsaal des PZH.

links: Diese Kälte erfordert

Schutzkleidung – und was

geschieht bei diesen Temperaturen

auf der Bahn?

rechts: Ein Lötkolben ist gar kein

so exotisches Gerät mehr,

wenn man ihn denn erst mal

in der Hand hält.

großes Bild rechte Seite: Auch

Schweißen lässt sich nicht jeden Tag

einfach ausprobieren, so wie hier .

Fotos (4): sliwonik.com

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Panorama–PZH2014/2015

Mehr als 300 Gäste

waren am 24. Mai 2014 zum

„Internationalen Kolloquium

der Fertigungstechnik“ ins Schloss

Herrenhausen nach Hannover

gekommen. Neben dem fachlichen

Austausch galt es, einem herausra-

genden Wissenschafler zu

gratulieren: Hans Kurt Tönshoff

feierte seinen 80. Geburtstag.

Er war von 1970 bis 2002 Leiter

des IFW und ist einer der

Initiatoren des PZH.

Fotos (2): Janto Trappe

„Einen wirklich großen Mann erkennt man an drei Dingen: Großzügigkeit im Entwurf, Menschlichkeit in der Aus-führung und Mäßigkeit beim Erfolg.“ Mit den Worten von Otto von Bismarck charakterisierte Professor Berend Den-kena seinen Vorgänger und Doktorvater, Ehrengast Professor Hans Kurt Töns-hoff. Von 1970 bis 2002 leitete Tönshoff das Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen der Leibniz Uni-versität Hannover. Er hat in dieser Zeit 257 Mitarbeiter zum Doktor geführt. Beeindruckende 20 von ihnen sind heute selbst Professoren.

Am Nachmittag stand der wissen-schaftliche Austausch im Mittelpunkt. Professor Manfred Weck und Professor Fritz Klocke von der RWTH Aachen, Professor Ekkard Brinksmeier von der Universität Bremen und Professor Hans-Peter Wiendahl von der Leibniz Univer-sität Hannover zeichneten Entwicklun-gen aus den vergangenen Jahrzehnten in den Bereichen Fertigungstechnologie,

Werkzeugmaschinen und Fertigungspla-nung nach und blickten dabei auch in die Zukunft. Ganz nebenbei konnte man lernen, dass sich Kontinuität in mehr als 30 Jahren Forschung und Lehre in der Krawattenwahl widerspiegelt: Professor Tönshoff trug seine blau-rot-gestreifte Krawatte auch zum Kolloquium.

Grußworte gab es vom damaligen Präsidenten der Leibniz Universität Hannover, Professor Erich Barke, und vom Generalsekretär der Volkswagen-Stiftung, Dr. Wilhelm Krull. Die Volks-wagenStiftung hatte für die Veranstal-tung die Räumlichkeiten im Schloss zur

Verfügung gestellt. Präsident Barke ließ es sich trotz eines vollen Terminkalen-ders nicht nehmen, dem Ko-Referenten seiner Dissertation persönlich seine Grußworte zu übermitteln: „Sie sind als Nachfolger von Otto Kienzle und Werner Osenberg in große Fußstapfen getreten. Aber für Sie waren die Fuß-stapfen keineswegs zu groß“.

Krönender Abschluss am Abend: herrliches Wetter, eine Schlosster-rasse mit Blick auf die illuminierten Gärten und drinnen launig-liebevolle Show-Darbietungen der ehemaligen Doktoranden.

Kolloquium mit Ehrengast Professor em. Hans Kurt Tönshoff wird für sein Lebenswerk geehrt.

Unter den Gästen waren

auch viele der 257 Doktoranden,

die Professor Tönshoff als

Doktorvater betreut hat.

20 von ihnen lehren heute

selbst als Professoren.

Dominik Brouwer und Thomas Krawczyk überzeugten die Jury in der Kategorie Hochschul- und Wissenschaftspreis mit ihrer Idee: eine mobile Werkzeugmaschine, die zum Bauteil kommt. Die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter des Insti-tuts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) freuen sich über den mit 20.000 Euro dotierten Preis. Auch der Präsident der Leibniz Universität, Professor Volker Epping, der den beiden ihren Preis übergab, zeigte sich von ihrer Idee beeindruckt. Verliehen wurden die Preise, für die sich 145 Neu-Unternehmer in insgesamt fünf Kategorien beworben hatten, am 25. Februar 2015 in Hannover. „Für Produkte wie Flugzeuge, Schiffe, Maschinen oder Wind-kraftanlagen werden große und teure Bauelemente benötigt. Heute werden sie nach dem Prinzip „Bauteil zur Maschine“ bearbeitet, so dass auch die Maschinen entsprechend groß und teuer sind und die Bearbeitung sehr unflexibel und kostspie-lig ist“, schildert Krawczyk die Situation. Maschinenexperte Brouwer will, dass ihre Maschine zum Bauteil kommt und sich auf diesem Bauteil auch bewegen kann. Das Interesse aus der Industrie ist ihnen sicher: Ein halbes Dutzend großer Unter-nehmen steht als Anwendungspartner bereit. Weitere Partner können sich noch beteiligen.Die erste Maschine soll in rund 30 Monaten auf dem Markt sein.

Kurz & gut

Lars Hülsemeyer und Dominik Dahlmann vom Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen sind im April 2014 für ihren Prototypen einer energieeffizienten Werkzeug-maschine ausgezeichnet worden. Der Energie-Effizienz-Preis von enercity, dem regionalen Energieversorger aus Hannover, ist mit 10.000 Euro dotiert und wurde im Rahmen des „enerci-ty dialogs“ im Schloss Herrenhausen verliehen. Dahlmann und Hülsemeyer entwickelten in ihrem Forschungsprojekt NCplus (www.ncplus.de) einen Prototyp, der den Energiebedarf um 36 Prozent senkt. Möglich wird dies durch die bedarfsgerechte An- und Abschaltung einzelner Aggregate sowie die Umge-staltung und Neuentwicklung einiger Schlüsselkomponenten. Die Jury lobte insbesondere die vorbildliche Verknüpfung von Forschung und Praxis: Die Kooperation mit acht Partnern aus der Industrie stelle sicher, dass die Ergebnisse ihre praktische Umsetzung erfahren. Prof. Dr. Friedbert Pflüger, Direktor European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS) am King’s College London und Vorsitzender der Jury, betonte, ein Beitrag zur Senkung des Energieverbrauches wie vom IFW könne Einfluss auf die weltweite Produktion nehmen.

Triple-E AwardAusgezeichnet: Der Prototyp

einer engergieeffizienten Werk-

zeugmaschine braucht rund ein

Drittel weniger Energie.

StartUp-ImpulsIhr Konzept einer mobilen Werk-

zeugmaschine beschert zwei

Gründern aus dem IFW den

ersten Preis und 20.000 Euro.

Große Ehre; von links: Lars Hülsemeyer und Dominik Dahlmann vom

Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen. Foto: enercity

Strahlende Sieger: links Thomas Krawczyk, rechts Dominik Brouwer, in

der Mitte der Präsident der Leibniz Universität, Professor Volker Epping.

Foto: hannoverimpuls

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Panorama–PZH2014/2015

NeuesausderFertigungstechnologiefürdieLuft-undRaumfahrt

Machining Innovations ConferenceRund 200 Besucher aus 20 Ländern ka-men am 19. und 20. November 2014 im Produktionstechnischen Zentrum Han-nover (PZH) zur „ Machining Innova-tions Conference – Neue Fertigungstech-nologien in der Luft- und Raumfahrt“ zusammen, um sich über Entwicklungen und Herausforderungen auszutauschen. Organisiert wird das renommierte, inter-nationale Treffen vom Institut für Ferti-gungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW) am PZH und dem Machining Innovations Network (MIN).

Der Umgang mit Komplexität und Größe der Bauteile, die hohen Anfor-derungen an die Sicherheit und die Vorgaben zur Reduktion des Energie-verbrauchs waren einige der aktuellen Themen, die die Konferenz in insgesamt

fast 40 simultan übersetzten Vorträgen aufgriff. Auch die Forschungssession, die im Vorjahr zum ersten Mal angebo-ten wurde, hat sich bewährt und stand nun wieder auf dem Tagungsprogramm. Erstmals wurden die zum Teil parallel laufenden Vortragssessions ergänzt um eine Industrie-4.0-Live-Vorführung im Versuchsfeld des IFW. Einen Überblick

über die aktuellen Themen boten die vier Plenarredner von Airbus Opera-tions, Rolls-Royce Deutschland, den Chiron-Werken und Boeing.

Die Organisatoren freuen sich über außerordentlich positive Rückmeldun-gen. Fazit ist ein klares „Go ahead!“ Der Termin steht bereits fest: Die 15th Ma-chining Innovation Conference findet am 18. und 19. November 2015 wieder im Produktionstechnischen Zentrum Hannover statt.

Professsor Berend Denkena (Mitte, rechts) begrüßt Experten aus 20 Nationen im PZH. Fotos: Bayölken

Am Abend dürfen einige Konferenz-

Teilnehmer selbst fliegen – wenn

auch nur im Simulator während der

Abendveranstaltung im Skylight

/ Hannover Airport.

Der Leiter des Instituts für Fabrikan-lagen und Logistik (IFA) ist zum 1. Februar 2015 in die Wissenschaftliche Kommission des Wissenschaftsrates berufen worden.

Professor Nyhuis ist damit einer von 24 Wissenschaftlern aller Disziplinen, die, vom Bundespräsidenten berufen, in der Wissenschaftlichen Kommission vertreten sind. Der Wissenschaftsrat berät die Bundesregierung und die Regierungen der Länder in Fragen der inhaltlichen und strukturellen

Entwicklung der Hochschulen, der Wissenschaft und der Forschung. Er tritt viermal im Jahr zusammen. Nyhuis sieht seine neue Aufgabe insbesondere darin, die Ingenieurwissenschaften angemes-sen zu vertreten und entsprechende Sichtweisen in die Diskussionen mit ein-zubringen. Als ebenfalls neu berufenes Mitglied der acatech und als Mitglied der WGP ist er innerhalb der Technik-wissenschaften und der Produktions-technik gut vernetzt.(Professor Nyhuis im Portrait: S. 36)

Offizieller Start der „Strategischen Partnerschaft“

Ende Januar 2015 im PZH. Foto: Helge Bauer

Kurz & gut

Der studentische Praktikantenaustausch des Instituts für Werkstoffkunde wird vom Deutschen Akademischen Aus-tauschdienst mit 390.000 Euro vier Jahre lang aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als „Strategische Partner-schaft“ gefördert. Sie deckt die Reise- und Aufenthaltskosten für Studierende und Betreuer ab, die ein Metallurgie-Praktikum im jeweils anderen Land absolvieren. Kooperationspartner sind der Lehrstuhl für Werkstoffkunde der Universität Paderborn und die Nationale Metallurgische Akademie der Ukraine.

Ukrainische Wissenschaftler von der Nationalen Metallurgischen Akademie der Ukraine und Mitarbeiter vom Insti-tut für Werkstoffkunde (IW) der Leibniz Universität Hannover pflegen seit mehr als zehn Jahren einen wissenschaftlichen Austausch und forschen an gemeinsa-men Projektideen.

Für RISE-Studentin Lauren Kershner aus Arizona jagten sich die neuen Erfahrun-gen geradezu: Am Institut für Monta-getechnik (match) waren es nicht-holo-nome Roboter-Arme, in Hannover war es Skate by Night, in ganz Deutschland die Architektur. Und unterwegs: viel Ge-lassenheit. „Bei uns springt man in sein Auto, springt wieder raus – und hier war-tet man eben, wenn der Zug noch nicht kommt. Man kann es sowieso nicht än-dern, also kann man auch entspannen.“

Die Leidenschaft für ihr Studienfach, die Lauren während der Sommermonate 2014 wiederentdeckt hat, hängt mit dem match zusammen, bei dem sie wie zwei andere Studentinnen aus den USA drei Monate lang mitarbeitete. Sie kehrte mit einer klaren Vision nach Hause zurück: An der Northern Arizona University mehr Regelungs-Kurse belegen, mehr Deutsch lernen, den Bachelor machen. Und dann, vielleicht, für den Master zurückkommen ans match.

Sommer mit MontagetechnikGaststudentinnenausdenUSA

Austausch mit der UkraineDasIWorganisierteinenPraktikumsaus-tauschMetallurgie.

match mit Sommergästen. Ganz vorn links, sitzend: Lauren Kershner. Foto: match

Neu im WissenschaftsratProfessorPeterNyhuiswirdberufen

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Panorama–PZH2014/2015

Mit der IFA Lernfabrik hat das Institut für Fabrikanlagen und Logistik 2014 eine Schulungsumgebung geschaffen, die Studenten als auch Fach- und Führungs-kräften aus der Industrie ein realitätsna-hes und innovatives Lernen ermöglicht. Auf dem Stundenplan stehen wissen-schaftliche und praxisrelevante Themen zur Gestaltung und Steuerung effizienter Produktionssysteme.

In einem modernen Schulungskon-zept werden die Teilnehmer in eine reale Betriebssituation mit echten Fertigungs- und Montageprozessen sowie exzellenter Infrastruktur versetzt und bekommen individuell abgestimmte Inhalte aus den Forschungsgebieten des IFA praxisnah

vermittelt. Der Fokus liegt insbesondere auf der betrieblichen Organisation von Fertigungs- und Montageprozessen, um eine effiziente und kundenorientierte Auftragsabwicklung zu erreichen.

Das Schulungsangebot umfasst ver-schiedene Module, die sich beispielsweise mit der Anwendung von Methoden des Lean Managements, den unterschiedli-chen Verfahren der Fertigungssteuerung oder Methoden des Produktionscon-trollings beschäftigen. Die Teilnehmer können aber auch Kompetenzen zur Bewertung ergonomischer und alternsge-rechter Arbeitsplätze oder zum Umgang mit Werkzeugen für die Fabrikplanung erwerben. www.ifa-lernfabrik.de

IFA-Lernfabrik:Lernenin„echter“Umgebung

Mehr als 120 Wissenschaftler aus zwölf Ländern waren vom 2. bis 4. Juli 2014 nach Bremen gekommen zur „2nd International Conference on System-integrated Intelligence: New Challenges for Product and Production Enginee-ring“, kurz: SysInt. Sie diskutierten über die Entwicklung intelligenter Systeme für die denkende Fabrik und smarte Produkte. Conference-Chair Professor Berend Denkena, Leiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugma-schinen, freute sich über die gestiegene Teilnehmerahl der Konferenz, die 2012 am PZH gestartet war.

Für das Jahr 2016 planen die Organi-satoren – der SFB Gentelligente Bauteile der Leibniz Universität Hannover, das Spitzencluster „it’s OWL“ an der Universität Paderborn und die zentrale wissenschaftliche Einrichtung „Inte-grated Solutions in Sensorial Structure Engineering“ (ISIS) der Universität Bremen, ihre Fortsetzung an der Uni-versität Paderborn.

2ndSysint:Erfolgskurs

Konferenz & Co.

Tagen und lernenSchulungen, Foren, Arbeitskreise. Messen und Konferenzen:

Wissen aus dem PZH wird auf vielen Wegen weitergegeben.

Energietechnik ist ein spannender Markt – und ein Markt voller Her-ausforderungen für Hersteller von Energietechnik-Bauteilen sowie für Werkzeug- und Werkzeugmaschinen-Hersteller. Die VDI Fachkonferenz zeigte in Kooperation mit dem Institut für Fertigungstechnik und Werkzeug-maschinen aktuelle Lösungen und Entwicklungen.

Bauteile von Windenergieanlagen müssen etwa im XL-Format gefer-tigt werden und dabei trotzdem sehr genau sein. Die Anforderungen an die Werkzeugmaschinen sind entsprechend hoch: Die Maschinen müssen sehr steif, aber auch genau sein, und dennoch wirtschaftlich fertigen. Verschiedene Lösungskonzepte, Trends und ein Ausblick, wohin die Reise geht, wurden auf der Fachtagung Energietechnik am PZH erarbeitet. Ein Fachbeirat mit Experten aus der Industrie flankierte die Veranstaltung.

Wissensforum:Energietechnik

Mit Exponaten aus vier Sonderfor-schungsbereichen war die Fakultät für Maschinenbau der Leibniz Universität auf der Hannover Messe 2014 vertreten, das PZH ist an allen beteiligt.

Der SFB 653 etwa präsentierte seine Vision smarter Produkte und einer „denkenden Fabrik“, in der Werkstücke und Maschinen miteinander kommu-nizieren, mithilfe des entsprechend umgebauten Formula Student Renn-wagens. Der interdisziplinäre Son-derforschungsbereich/Transregio 123 PlanOS verdeutlichte sein Ziel, optische Sensoren großflächig in eine nur 100 Mikrometer starke Polymerfolie zu integrieren. Der Sonderforschungsbe-reich 871 zeigte am Beispiel eines Flug-zeugtriebwerks die wissenschaftlichen Grundlagen einer effizienten Instandset-zung komplexer Investitionsgüter und der SFB 599 einen Korrosionsprüfstand mit „In-vitro-Degradationstester“.

HannoverMesse:vierSFB-Hits

Im Arbeitskreis CAx treffen sich Mit-glieder und Experten des Machining Innovations Network, um sich über Themen aus dem Bereich CAD/CAM und NC-Simulation auszutauschen. Der Arbeitskreis CAx 2014 widmete sich der Fertigungsqualität.

Zeit, Kosten und Qualität sind die drei klassischen Zielgrößen in der Pro-duktion und damit auch der Fertigungs-planung. Während die Kosten und die Zeit bei der Prozessauslegung meist ein wesentliches Optimierungskriterium bilden, das heißt, je kürzer/günstiger desto besser, werden die Qualitätskenn-größen im Allgemeinen eher als gegeben betrachtet. Eine möglichst präzise Prognose des Werkstückzustandes nach der Bearbeitung ist jedoch der Schlüssel für eine bestmögliche Kombination aller Zielgrößen. Ein wichtiges Mittel hierfür sind leistungsfähige CAx-Tools und Simulationen.

CAx-Kreis:Fertigungsqualität

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Panorama–PZH2014/2015

Beim klassischen Glasfaserkabel ist es ganz einfach, die Dämp-fung – den Lichtverlust pro Strecke – zu messen: An beiden En-den des Kabels wird ein Messadapter aufgeschraubt, um an einer Standardstation zu messen, wie viel des hineingeschickten Lichts unterwegs verlorengeht. Die Lichtwellenleiter, die am Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) entwickelt wer-den, lassen sich aber nirgends aufschrauben und auch nicht wie ein Kabel aufwickeln. Sie werden vielmehr als Polymerstrang per Kanüle auf beliebig geformte Flächen appliziert oder mit einer umgerüsteten Offset-Druckmaschine auf große Folien gedruckt.

Das Spektrum möglicher Anwendungen der neuen Lichtwel-lenleiter ist riesig. Voraussetzung ist aber, dass ihre Eigenschaften verlässlich messbar sind. Daher haben die ITA-Wissenschaftler Michael Dumke und Tim Wolfer eine Messstation mitentwickelt, die der ganzen Bandbreite der am Institut erforschten Licht-wellenleiter gerecht wird. Basierend auf ihrer Konstruktion hat der Industriepartner „TSO Thalheim Spezialoptik“ eine Station

gebaut, die in dieser Form einzigartig sein dürfte. „Ein Hexapod sorgt dafür, dass der Lichtwellenleiter, egal ob er auf einer Folie oder einer dreidimensionalen Fläche verläuft, mikrometergenau platziert wird“, erklärt Wolfer begeistert, „und wir können, wäh-rend wir Licht in den Wellenleiter einkoppeln, gleichzeitig dessen Querschnitt über ein Mikroskop perfekt justieren“.

Finanziert wurde die Messstation aus den Mitteln des SFB/TRR PlanOS – Planare Optronische Systeme, der am ITA ange-siedelt ist und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in der ersten Förderphase mit zehn Millionen Euro finanziert wird. Für die sensitive Folie mit ihren aufgedruckten Lichtwellenlei-tern, die im Sonderforschungsbereich entwickelt wird, gibt es ein anschauliches Bild: Sie ist wie eine künstliche Haut, die von optischen Nervenbahnen durchzogen wird. Optische Systeme erzeugen keine Funken, werden nicht durch elektromagnetische Wellen gestört und sind außerdem leichter als elektromagneti-sche Systeme. Tim Wolfer nutzt bereits den neuen Messplatz.

„Wir sind noch bei den Grundlagen, aber man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass diese Folien, die Druck, Dehnung, Temperatur oder auch Feuchtigkeit auf optischem Wege registrieren, später genutzt werden, um die Temperatur von Batterien in Elektroautos oder den Zustand von Flugzeugtragflächen zu überwachen. Der Messplatz ist sozusagen unser Auge in diese Welt der künftigen Lichtwellenleiter.

„Wie viel Kühlschmierstoff braucht ein Zerspanprozess wirk-lich, damit die Werkzeuge nicht unnötig verschleißen?“ und „Wie viel Energie lässt sich einsparen, wenn weniger Kühl-schmierstoff zugeführt wird?“ Das waren die beiden Fragen, mit denen sich Lars Hülsemeyer und Patrick Helmecke, beide Ingenieurwissenschaftler am Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW), im Projekt ECOcut gemein-sam mit vier Industriepartnern beschäftig haben. Mit dabei waren der Werkzeugmaschinenhersteller DMG MORI SEIKI, der Werkzeughersteller Sandvik Coromant, der Pumpenher-steller Grundfos sowie Bosch Rexroth Interlit als Anlagenbauer für Kühlschmiertechnik.

Das Ergebnis liest sich spektakulär: Einzig über eine kon-tinuierlich am Bedarf ausgerichtete Zuführung von Kühl-schmierstoffen lässt sich bei einer typischen Bearbeitung an einem typischen Fünf-Achs-Bearbeitungszentrum die Energie-aufnahme um 37 Prozent, also um mehr als ein Drittel, redu-zieren. Wie kann das sein? Hülsemeyer kennt die Antwort: „Bisher galt: Viel hilft viel. Energie war einfach zu günstig, um sich intensiv mit dem Einsparpotenzial von Kühlschmierstoffen zu beschäfti-gen.“ Und das, obwohl bei Bearbeitungs-zentren etwa die Hälfte des gesamten Energiebedarfs auf die Kühlschmierstoff-pumpen entfällt – zumindest dann, wenn es sich um Hochdruckpumpen mit etwa 80 bar handelt. Je höher der Druck, desto

höher der Energieverbrauch, desto höher natürlich auch das Einsparpotenzial.

Hülsemeyer, Helmecke und die Forschungspartner aus der Industrie haben nun begonnen, systematisch zu erforschen, wie viel Kühlschmierstoff wirklich gebraucht wird – abhän-gig von den zahllosen Parametern, die einen Zerspanprozess und seine Werkzeuge charakterisieren. „Da steckt noch viel Wissenschaft drin“, wie Hülsemeyer sagt. Mit Abschluss des Projekts ECOcut haben sie nun erste Ergebnisse auf den Tisch gelegt. Sie zeigen, dass viele Werkzeuge mit sehr viel weniger Kühlschmierstoff auskommen, ohne an Standzeit einzubüßen, und dass es sich wirtschaftlich tatsächlich rentiert, eine kom-plexe Einsparstrategie in Angriff zu nehmen. Dabei macht es unter anderem eine Simulation des Zerspanprozesses möglich, die Zufuhr des Kühlschmierstoffs während des Prozesses kontinuierlich dem Bedarf anzupassen. So erreicht man eine Reduzierung des Energiebedarfs um eben jene 37 Prozent.

Kühlschmierstoffe Energiesparparadies„Viel hilft viel“ hat als Motto ausgedient. Allein über die

Dosierung von KSS haben Wissenschaftler am PZH die Energie-

aufnahme einer Werkzeugmaschine um 37 Prozent reduziert.

Um mehr als ein Drittel lässt sich die

Energieaufnahme eines typischen 5-Achs-

Bearbeitungszentrums reduzieren. Foto: IFW

Fokus Forschung

LichtwellenleiterGedruckt. Und messbar.Neuartige Lichtwellenleiter können mit Kanülen appliziert oder auf

Folien gedruckt werden. Aber wie misst man deren Eigenschaften?

Antworten hat eine einzigartige Mess-Station am PZH.

Einzigartige Messstation: Während Licht in den

Wellenleiter eingekoppelt wird, lässt sich dessen

Position genau justieren. Foto: ITA

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Panorama–PZH2014/2015

FabrikplanungRaus aus der Stadt

In den Entwurf des neuen

Sartorius-Werks des Architekten

Christian Rathmann aus Hannover

sind auch die Ergebnisse aus dem IFA

mit eingeflossen.

Entwurf: Bünemann & Collegen GmbH

Ein Traditionsunternehmen kann im alten Werk seine Wett-

bewerbsposition auf lange Sicht nicht halten. Im PZH gibt es

Unterstützung, von der Planung bis zur Umzugslogistik.

Florenz Sartorius gründete vor 145 Jahren in Göttingen eine feinmechanische Werkstatt, um präzise Waagen herzustellen. Heute hat das Unternehmen über 5000 Mitarbeiter, die in meh-reren Sparten und auch in außereuropäischen Werken arbeiten. Die Wägetechnik ist ein wichtiges Standbein geblieben, und der Standort dieser „Lab Products & Services“ hat Tradition: Seit über 100 Jahren werden die HighTech-Waagen am innerstädti-schen Standort in der Weender Straße in Göttingen produziert.

„Es ist ein Gebäude voller verwinkelter Gänge, Treppenhäu-ser und kleiner Aufzüge, die Vorfertigung ist bereits ausgeglie-dert, aber in der 4. Etage findet die Montage statt“, beschreibt Matthias Schmidt vom Institut für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) die Situation, die ihrem langjährigen Forschungspartner Sartorius mehr und mehr zu schaffen machte.

Sartorius war klar: Die Prozesse mussten schlanker werden, um auf dem weltweiten Markt langfristig erfolgreich anbieten zu können. Aber ließen sich die notwendigen Schritte in den bestehenden Gebäuden realisieren? Gemeinsam mit dem IFA und dem IFA-Spin-Off GREAN ermittelte und bewertete Sar-torius die Alternativen.

„Das Ergebnis war eine Grundsatzentscheidung für die In-vestition in die Wägetechnologie und für einen entsprechenden Neubau“, fasst Volker Große-Heitmeyer, Leiter der Produkti-onssystemgestaltung bei Sartorius, das Ergebnis zusammen. Es

war deutlich geworden, dass das alte Gebäude, das „Logistikern die Haare zu Berge stehen ließ“, sich nicht sinnvoll hätte um-bauen lassen, und dass ein bestehender Standort am Stadtrand die wirtschaftlichere Lösung ist.

Aktuell wird das neue Werk gebaut – an diesem Standort, der nun bis 2020 zu einer attraktiven, modernen Konzernzen-trale mit Campus-Charakter ausgebaut wird. Mitarbeiter vom IFA und von GREAN sind als forschende beziehungsweite be-ratende Layout- und Logistikplaner dabei. Sie arbeiten eng mit dem Architekten und dem Verantwortlichen für die Techni-sche Gebäudeplanung und natürlich mit Sartorius zusammen. „Unsere Aufgabe ist es“, erläutert Schmidt, „mit dem neuen Bau die Transparenz zu erhöhen und das Logistik-Konzept so zu überarbeiten, dass sich die Prozesse verschlanken und Ver-schwendung eliminiert wird.“ Geplant ist auch ein Gebäude-riegel, der als Schulungs- und Showroom genutzt werden kann und etwa Prototypen ausstellt.

Die Fertigstellung des Baus ist nicht das Ende des Projekts. „Es ziehen 800 Mitarbeiter samt Arbeitsplatz um“, sagt Schmidt. „Und schließlich soll ja die Produktion nicht zwei Wochen ru-hen.“ Braucht man doppelte Bestände? Wer zieht zuerst um? Die Fabrikplaner wollen den Umzug so planen, dass er nicht nur für Sartorius möglichst reibungslos funktioniert, sondern dass die zugrunde liegende Methodik universell gilt.

Spektakulär ist bereits der aktuelle Stand der Technik der Monobohrloch-Konstruktion. Monobohrloch bedeutet, dass der Durchmesser des Bohrlochs ab einer gewissen Tiefe gleich bleibt und sich nicht weiter verringert wie bei konventionel-lem Aufbau. Je etwa zehn Meter lange Rohrelemente werden oberhalb des Bohrlochs mit dem bereits versenkten Rohr zusammengeschraubt. Dafür gibt es spezielle Gewindever-bindungen. Wenn die Rohre im Bohrloch an der richtigen Position angekommen sind, wird der Rohrabschnitt auf den erforderlichen Durchmesser mit einem Konus aufgeweitet – um bis zu 20 Prozent!

Sobald ein Abschnitt des Bohrlochs verrohrt wurde, werden die Rohre einzementiert – und der nächste Ab-schnitt kann mit dem ursprünglichen Durchmesser durch die aufgeweiteten Rohre verlegt werden – übrigens auch in horizontaler Streckenführung. Problema-tisch an diesem Verfahren sind die Ge-windeverbindungen. Sie halten deutlich weniger aus als die Rohrelemente selbst. „Die Gewindeverbindungen machen drei Prozent der Auskleidung aus, verursa-chen aber 90 Prozent der Fehlstellen“, sagt Aret Varahram vom Institut für Werkstoffkunde (IW).

Bei dem anspruchsvollen Vorhaben, eine Alternative für diese Gewinde-verbindungen zu entwickeln, ist Baker Hughes, eine der großen Erdöl-Service-Gesellschaften der Welt mit deutscher Niederlassung in Celle, Projektpartner.

Varahram und sein IW-Kollege Dragan Aldag sind Experten für das Schweißen mit magnetisch bewegtem Lichtbogen, kurz: MBL-Schweißen oder auch Magnetarc. Dabei sorgt eine geschickte Manipulation des Schweißlichtbogens durch externe Magnetfelder für seine optimale Rotation entlang der – in diesem Fall – gegenüberliegenden Rohrenden. Die Stirn-flächen werden gleichmäßig aufgeschmolzen, im Anschluss mit entsprechender Kraft aufeinander gepresst und somit fest verschweißt.

Das Verfahren ist etabliert – für Wandstärken von bis zu sechs Millimetern. Zehn Millimeter gelten als Verfahrensgrenze. Die Rohre, die die Bohrlöcher ausklei-den, haben eine Wandstärke von mindestens zwölf Millimetern. Aldag und Varahram konnten aber zeigen, wie zusätzliche Magnetfel-der sich so einsetzen lassen, dass durch eine erweiterte Lichtbogen-bewegung auch diese Wandstärken schweißbar sind.

Den Nachweis soll ein impo-santer Prototyp im Maßstab 1:1 liefern, der mittlerweile im Un-terwassertechnikum des IW steht, bereit für erste Funktionstests. Die ersten Patente sind angemeldet, die Erwartungen hoch: „Bis zu 50 Pro-zent Einsparungen könnte das neue System bei der Bohrlocherstellung bringen“, schätzt Aldag. „Wenn alles wie geplant funktioniert.“

Fokus Forschung

MBL-SchweißenVerbindung am BohrlochGewindeverbindungen zwischen den Rohrelementen sind die

Schwachstelle jeder Bohrlochauskleidung. Die Rohre stattdessen

zu schweißen ist bislang nicht möglich. Das soll sich ändern.

Imposant: Allein ein Meter Rohrsegment wiegt 80

Kilogramm. Der Prototyp fürs MBL-Schweißen im

Unterwassertechnikum. Foto: Helge Bauer

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Panorama–PZH2014/2015

Hologramme sind erstaunlich, selbst wenn man versteht, warum man etwas sieht, das so gar nicht da ist. Noch größer ist das Erstaunen, wenn ein Blech je nach Blickwinkel in unter-schiedlichen Farben schillert, Schrift mit 3D- Effekt in ihm zu liegen scheint, und klar ist: Das ist allein durch einen Umform-prozess entstanden.

Normalerweise werden Hologramme mit Prägestempeln aus Nickel in Kunststofffolien geprägt; die Hologrammfolien können dann als schwer zu fälschende Produktkennzeich-nung etwa auf Kreditkarten geklebt werden. Am Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) werden die Hologramme direkt in die Oberfläche von Blechen geprägt. „Hologramme in Blech zu prägen bedeutet, in einer Ober-flächenschicht von nur 200 bis 300 Nanometer ein Miniatur-gebirge zu erzeugen. Einfallendes Licht wird an den Bergen und Tälern des Gebirges gebeugt. Das heißt, dass Licht in unterschiedlichen Farben in verschiedenen Winkeln reflektiert wird.“ Das erklärt Jan Jocker, der das von der AiF geförderte Projekt der Europäischen Forschungsgesellschaft für Blechver-arbeitung e. V. am IFUM bearbeitet. Um die Struktur des Mini-aturgebirges braucht er sich dabei nicht so sehr zu sorgen – die Prägestempel werden derzeit von einem Projektpartner aus der Industrie zur Verfügung gestellt. Ein weiterer Projektpart-ner, das Hannoversche Zentrum für Optische Technologien,

HOT, arbeitet an einem eigenen Verfahren zur Herstellung von Hologrammen und Prägestempeln.

Jocker beschäfigt sich eher mit der Frage: Wie lassen sich die Nanostrukturen bei den enormen Kräften, die beim Um-formen von Blechen auftreten, möglichst unversehrt und in großer Stückzahl reproduzieren – beziehungsweise: wie lassen sich die Umformkräfte so fein einstellen, dass die Struktur auf den Prägewerkzeugen nicht leidet. Und wie lässt sich das Ho-logramm-Prägen so weiterentwickeln, dass es auch für KMU nutzbar wird für den Schutz eigener Produkte vor Fälschern?

Im aktuellen Forschungsprojekt, das bis Ende 2015 läuft, arbeitet Jocker bereits daran, die Hologramme auch auf ge-krümmte Flächen zu bekommen. Denn davon gibt es viele, und die Nachfrage ist groß. Ob Lippenstiftdeckel, Flacon-Verschluss oder Blech-Emblem an teurer Tasche: Viele Anbieter sehen eine große Chance darin, einen Plagiatschutz in ihr Sortiment zu integrieren, der gleichzeitig als hochwertiges Design-Element wirkt. Bleche, die in einer Achse gekrümmt sind, kann Jocker bereits mit einem Hologramm versehen, bei zwei-achsigen Krümmungen ermittelt er derzeit die Grenzen des Möglichen.

Fast zu schade, aber denkbar: die geprägten Hologramme lassen sich auch unter einer Lackschicht sicher verstecken. Erst wenn Zweifel an der Echtheit des Produktes bestehen, wird das Hologramm enttarnt.

HologrammeSchöner PlagiatschutzOb edle Handtasche oder teure Maschine: Ein Hologramm, direkt

ins Blech geprägt, lässt potenzielle Nachahmer alt aussehen.

Am PZH entstehen Hologramme auch auf gekrümmten Flächen.

Blech, Blech mit geprägtem Hologramm ... und daraus wird in mehreren Tiefziehschritten ein Lippenstiftdeckel mit Hologramm. Serie: Jocker, IFUM

Von diesem Sensor wird wirklich was verlangt: Anwendungen bei mehr als 950° Celsius mit Abkühlgeschwindigkeiten von mehr als 27°C pro Sekunde. Wärmeleitfähigkeit. Wider-standsfähigkeit gegen die enorme mechanische Belastung beim Einsatz im Umformwerkzeug. Folke Dencker vom Institut für Mikroproduktionstechnik (IMPT) hat die Herausforderung angenommen. Er arbeitet in dem seit November 2014 von der AiF und über die Forschungsverei-nigung Stahlanwendung e. V. geförderten Projekt mit Henning Niemeier zusammen. Niemeier kommt quasi von der „anderen“ Seite. Er gehört zum Institut für Umformtechnik und Um-formmaschinen (IFUM), und damit auf die Seite derer, die die Anforderungen stellen. Warum diese Anforderungen?

Beim Formhärten verbleibt ein soeben umgeformtes, noch heißes Bauteil im Umformwerkzeug, bis die gewünschte, vom Abkühlvorgang abhängige Gefügeveränderung stattgefunden hat. So wird das Werkstück gehärtet. Bei vorangegangenen Forschungsprojekten zum Thema – beispielsweise zur Prozess-verkürzung mit Hilfe des Spraykühlens (siehe Seite 51) – hatten Wissenschaftler am PZH die Grenzen der Temperaturmessung direkt am Bauteil beklagt. Sie initiierten damit das aktuelle Pro-jekt. Niemeier fasst die unbefriedigende Ausgangslage zusam-men: „Man kann zurzeit nicht gleichzeitig messen und härten. Wenn man mit Infrarotthermometern misst, die in Bohrungen des Werkzeugs stecken und keinen direkten Kontakt zum Werk-stück haben, wird die Wärme an dieser Stelle nicht schnell genug

abgeführt, und das Werkstück wird dort fehlerhaft.“ Außer-dem entspricht die gemessene Temperatur nicht der Tempera-tur neben der Messstelle. Wenn man aber nicht präzise messen kann, ist das Abkühlen wie eine Black Box – angesichts der Bedeutung, die es für die Qua-lität und die Eigenschaften der Bauteile im Automobilsektor hat, kein schöner Zustand.

Die Lösung entwickelt Folke Dencker: einen verschleißfesten mikrotechnischen Sensor, der ins Werkzeug integriert wird und alle Anforderungen erfüllt. Zurzeit laufen die Vorversuche mit einer einige hundert Nano-meter dünnen Verschleißschutzschicht, die die Oberfläche des Sensors hart macht – und ihn gleichzeitig schützt. Der Sensor ist klein genug, um die homogene Wärmeableitung aus dem Werkstück nicht zu behindern. Dass er die schnellen zyklischen Temperaturwechsel unbeschadet übersteht, ist eine der größten Herausforderungen. Und die hohen Prozesstemperaturen selbst? Dencker zuckt nur mit den Schultern: „Wir haben Sensoren, die man eingießen kann.“

Interessant ist auch die enge Zusammenarbeit zwischen den beiden Instituten. „Da prallen Welten aufeinander“, sagt Dencker gut gelaunt, „wir fassen, wenn wir die Sensoren im Reinraum herstellen, alles nur mit Handschuhen an ...“ „Und bei uns im IFUM“, ergänzt Niemeier wie aufs Stichwort, „schmei-ßen wir es in der Werkstatt in die Kiste“. Beide sind sich einig: „Die Zusammenarbeit ist vielversprechend. Und mit den kurzen Wegen am PZH funktioniert das noch besser.“

Fokus Forschung

FormhärtenSensoren im WerkzeugWie heiß ist das Bauteil wirklich? Beim Formhärten ist der

Abkühlverlauf entscheidend, er lässt sich bisher aber nicht

präzise messen. Neue Sensoren sollen das ändern.

Die Wärmeableitung beim Formhärten noch ohne neuen Sensor: An

der Bohrung wird die Wärme schlechter abgeführt. Simulation: IMPT

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Panorama–PZH2014/2015

Türklinken, die man wirklich nicht anfassen will, gibt es auf jeder öffentlichen Toilette. Als Sascha Klein mal wieder eine sehr unappetitliche Begegnung mit einer solchen Türklinke hat, entschließt er sich zu handeln: Der Handwerksmeister aus Garbsen erfindet den Fußtüröffner, der die Türklinke mit dem Fuß bedient. Er holt sich bei der Fertigung seines Prototy-pen am nahen PZH Hilfe. Dann gewinnt er einen Start-up-Wettbewerb und mehrere Preise, mit Dieter Bartels einen sehr

engagierten Investor und auch die ersten Kunden. Klein und Bartels gründen die Metiba Vertriebs GmbH. Jetzt wird es Zeit für die Serienreife des Fußtüröffners: Im Oktober 2013 beauf-tragen die beiden die TEWISS Technik und Wissen GmbH am PZH mit dieser Aufgabe.

„Es waren zu viele Teile“, erinnert sich Leif-Erik Loren-zen, der TEWISS-Geschäftsführer. „Wir mussten ja auch die Funktionsfähigkeit und Robustheit des Fußtüröffners über einen längeren Zeitraum sicherstellen.“ Als erstes tauschte Edgar Ulbrich, der das Projekt als Konstrukteur für TEWISS betreute, deshalb das Innenleben aus. Bowdenzüge raus, Zahnräder rein. Alle Teile mussten konstruiert und designt werden, es mussten Zulieferer für alle Teile gefunden und angeleitet und Kosten ver-glichen werden ... Dann kam der Tag, an dem Ulbrich eigentlich in Rente gegangen wäre, aber da er „seinen“ Fußtüröffner nicht mittendrin verlassen wollte, hat er weitergemacht. „Da ist eine wirklich tolle Geschäftsbeziehung gewachsen,“ sagt Lorenzen.

Mittlerweile ist Ulbrich zwar noch in Kontakt mit dem Fußtüröffner-Team, aber nun wirklich als Rentner. Denn der Fußtüröffner ist serienreif – inklusive Abreißfunktion: „Wenn das Kind die Tür zuhält und Papi auf den Öffner tritt, dann reißt der Kontakt ab, verbindet sich aber bei der nächsten Klinkenbewegung wieder, das ist magnetisch gelöst.“ Auch ein Montagekit gehört dazu, das jeden Tischler in die Lage versetzt, den Öffner in eine Tür einzubauen. Metiba bietet allerdings auch einen entsprechenden Service an.

Das Potenzial des Öffners schätzen Bartels und Klein als sehr hoch ein. Nicht nur im Sanitärbereich und in Kranken-häusern sehen sie Fußtüröffner als hygienische Alternative, sie können sie sich auch im Gastrobereich vorstellen. Schließlich kann man die Türen damit weiterhin mit der Hand öffnen – man muss es aber nicht.

SerienreifeÖffnen ohne KeimkontaktNicht anfassen! Meistens muss man aber doch: An der Türklinke

führt oft kein Weg vorbei. Das ändert sich mit dem neuen

Fußtüröffner, den TEWISS zur Serienreife gebracht hat.

Ob ziehen oder drücken: Mit dem Fußtüröffner kommt man durch jede

Tür, ohne die Klinke zu berühren. Foto: Metiba

Alle 90 Sekunden fällt aus der Umformpresse ein hybrider Bat-terietrog, der ein Fünftel leichter ist als herkömmliche Modelle und rund ein Fünftel günstiger in der Herstellung. Er umgibt die Batterien im Elektromobil und sorgt dafür, dass im Falle eines Unfalls Crashenergie absorbiert wird und die Autoinsassen vor Stromschlägen sicher sind.

Das ist Zukunftsmusik. Aber sie soll schon 2018 Realität wer-den. Das ambitionierte Forschungsprojekt heißt „Funktionsin-tegrierte Prozesstechnologie zur Vorkonfektionierung und Bau-teilherstellung von FVK-Metall-Hybriden.“ Kurz: ProVorplus. Es ist im Forschungscampus Open Hybrid LabFactory in Wolfbsurg angesiedelt, einer öffentlich-privaten Partnerschaft, es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und von etwa einem Dutzend Partner vorangetrieben: Industriepartner wie Volkswagen und Siempelkamp sind ebenso beteiligt wie die Universitäten in Hannover, Braunschweig und Clausthal.

Vom PZH ist neben dem Institut für Umformtechnik und Um-formmaschinen das Institut für Montagetechnik (match) beteiligt – es übernimmt alle Aufgaben auf der Ebene „Automatisierung / Steuerung“. Die Idee erläutert Christopher Bruns, der ProVorplus am match betreut: „Wir wollen den richtigen Werkstoff an der

richtigen Stelle haben – je nach Funktion im späteren Bauteil. Des-halb kombinieren wir Metalle – Stahl- und Aluminiumbleche – mit faserverstärkten Kunststoffen, die hier als sogenannte Organo-Bleche verwendet werden. Unsere Partner geben vor, welche dieser Halbzeuge in verschiedenen Größen, Dichten und Formen in welcher Schichtung in die Presse oder auch in eine Spritzgussvor-richtung eingelegt werden müssen, um das gewünschte Ergebnis zu bekommen, und wir legen unsere Roboterprozesse so aus, dass einer oder mehrere Roboter die entsprechenden Bleche greifen und auf einer Ablagestation vorkonfektionieren.“

Wenn der Roboter am anderen Ende dieser Station diese zusammengelegten Schichten, die hinterher eine Wanne mit Maßen von etwa 1 mal 0,8 mal 0,2 Meter ergeben, zum Um-formen weiterreicht, müssen sie handhabungsfest sein, dürfen also nicht auseinanderfallen. Der erste Roboterprozess muss daher entsprechende Fügeschritte berücksichtigen. Was dabei entsteht, nennen die Wissenschaftler Multi-Material-Vorform-linge. Der große Vorteil dieses Vorgehens: Die Vorfomlinge können in einem einzigen Takt in der Presse gefertigt werden und sind dennoch ideal auf die Anforderungen im Einsatz optimiert.

Fokus Forschung

Hybrider LeichtbauGut aufgelegtIn der Open Hybrid LabFactory in Wolfsburg entsteht die Prozess-

technologie für Funktionsbauteile aus Organo- und herkömmli-

chen Blechen. Aus dem PZH kommt die Robotertechnik.

Das Prinzip der Vorkonfektionierung:

Der erste Roboter nimmt die benötigten Bleche

vom Magazin ganz links und fügt sie auf der

Ablagestation so zusammen, dass sie vom

zweiten Roboter in die Umformpresse gelegt

werden können, ohne auseinanderzufallen.

Tatsächlich liegen im Magazin links natürlich

deutlich mehr als drei Blechvarianten.

Vision: match

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Panorama–PZH2014/2015

Als Direktor des Instituts für Werkstoffkunde und auch als Dekan der Fakultät für Maschinenbau (2005-2010) zeigte Pro-fessor Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E. h. Dr. h.c. Friedrich-Wilhelm Bach großes Verantwortungsbewusstsein. Er lebte seinen Beruf. Als Hochschullehrer hat Professor Bach viele seiner wis-senschaftlichen Mitarbeiter zur Promotion geführt und durch sein offenes und interessiertes Engagement etliche interdiszi-plinäre Kooperationen entwickelt, die heute zur Normalität in den Ingenieurswissenschaften an unserer Universität zählen. Ob Rückbau Kerntechnischer Anlagen oder Biomedizintech-nik: alle diese Disziplinen führte er aus dem Blickwinkel der Werkstofftechnik zusammen und prägte damit nachhaltig die Forschungslandschaft der Ingenieure. Mit ihm verlieren wir nicht nur einen exzellenten Hochschullehrer, sondern auch einen technikbegeisterten Vor- und Querdenker und einen besonderen Menschen.

Professor Bach wirkte über viele Jahrzehnte an den Erfolgen des Institutes für Werkstoffkunde mit: Bereits 1972, nach dem Studium der Werkstofftechnik an der Technischen Universität Hannover, begann er als Wissenschaftlicher Mit-arbeiter am Institut für Werkstoffkunde (IW) zu arbeiten. Die Promotion auf dem Gebiet der Plasmametallurgie erfolgte 1978. Anschließend leitete er den Bereich „Technologie der Werkstoffe“ und habilitierte sich 1983 mit einer Arbeit zum Thermischen Schneiden dickwandiger Werkstücke. 1983 wurde er Oberingenieur des IW, 1987 zum außerplanmäßi-gen Professor an der Universität Hannover ernannt. Im Jahr 1997 wurde er an den Lehrstuhl für Werkstofftechnologie der Universität Dortmund berufen. Bereits 2001 kehrte er als Professor und geschäftsführender Leiter an das Insti-tut für Werkstoffkunde zurück und übernahm zudem die kommissarische Leitung des Institutes für Kerntechnik und Zerstörungsfreie Prüfverfahren. Er hat das Institut für Werk-stoffkunde elf Jahre lang, von 2001 bis 2012, als geschäftsfüh-render Direktor geleitet.

Als Vorstandsmitglied wirkte er maßgeblich an der Ent-wicklung des PZH, aber auch des Niedersächsischen Zentrums

für Produktionstechnik NFP und des Clausthaler Zentrums für Materialtechnik CZM mit.

Als Zeichen der besonderen Wertschätzung seiner erfolgrei-chen wissenschaftlichen Arbeit wurde er im Jahr 2006 Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) und im Jahr 2012 zum Niedersachsenprofessor berufen.

Er war Sprecher zahlreicher koordinierter Programme wie etwa des Sonderforschungsbereiches „Prozesskette zur Herstellung präzisionsgeschmiedeter Hochleistungsbauteile“, des Graduiertenkollegs „Herstellung, Bearbeitung und Quali-fizierung hybrider Werkstoffsysteme“ und der Forschergruppe „Hochleistungsfügetechnik für Hybridstrukturen“. Professor Bach hat sich in herausragender Weise um die Materialwissen-schaft und Werkstofftechnik verdient gemacht. Viele Jahre war er als Gutachter für die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigun-gen „Otto von Guericke“ tätig. 2004 wurde er in das DFG-Fachkollegium „Werkstofftechnik“ gewählt. Darüber hinaus war er Vorsitzender des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Werkstofftechnik e.V. WAW, der Fachgruppe „Stilllegung“ der Kerntechnischen Gesellschaft (KTG), des DVS-Fachausschus-ses „Sonderschweiß- und Schneidverfahren“ und des Kuratori-ums des Heinz-Piest-Instituts für Handwerkstechnik.

Für seinen Einsatz und sein Engagement wurde ihm 2006 das Verdienstkreuz am Bande verliehen. 2007 wurde er Ehrenmit-glied der Akademie der Wissenschaften der Hochschulen der Ukraine; im April 2009 wurde ihm die Ehrendoktorwürde (Dr. h.c.) durch den Fachbereich der Produktionstechnik der Univer-sität Bremen und im Mai 2009 die Ehrendoktorwürde (Dr.-Ing. E.h.) durch die Fakultät Mathematik/Informatik und Maschi-nenbau der Technischen Universität Clausthal verliehen.

Wir werden unseren Professor Bach als Mensch, Kollegen, Mentor und Freund sehr vermissen und behalten ihn stets in guter Erinnerung.

Professor Hans Jürgen Maier, Institut für Werkstoffkunde, mit allen IW-Mitarbeitern und den Kollegen aus dem PZH

Nach langer schwerer Krankheit ist Professor Friedrich-Wilhelm

Bach am 18. August 2014 verstorben. Er war eine herausragende

Persönlichkeit nicht nur fürs PZH. Über viele Jahre prägte er auch

die Fakultät für Maschinenbau der Leibniz Universität Hannover.

NachrufProfessor Friedrich-Wilhelm Bach† 18. August 2014

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... noch ein Jubiläum: Das halbe Dutzend ist voll!

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Schon zehn – und jetzt?

Zehn Jahre sind eindeutig zu wenig für eine Timeline, und auch eine Gala mit Abendgarderobe ist für das ja doch

junge PZH ein eher unpassender Rahmen. Was ihm dagegen gefällt: Es gewährt gern einen Bick in sein Fotoalbum. Und es lädt ein, einige der vielen spannenden Menschen kennenzuler-nen, die es täglich prägen. Stolz ist es auch auf „seinen“ Son-derforschungsbereich: Wie es mit „Gentelligenten Bauteilen“

die Industrie-4.0-Entwicklung entscheidend mitprägen will, präsentiert es daher ebenso gern wie jene Wissenschaftler, die einen ganz neuen Leichtbaustahl nutzbar machen. Empfehlen möchte es außerdem ein zukunftsweisendes Lehrangebot.„Und jetzt?“ – Das also ist die Antwort: Ein paar schöne Erin-nerungen an die vergangenen zehn Jahre teilen. Und dann auf in die Zukunft!

Foto: PZH