RA Jörg Faustmann, Düsseldorf 332 VuR Das neue VVG. · gen Fernabsatz- und E-Commerce-Rechts. Ein...

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VuR Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht Nomos Aus dem Inhalt Editorial Widerrufsbelehrung und kein Ende? Rechtsanwalt Dr. Stefan Ernst, Freiburg/Br. III Aufsätze Informationspflichten bei eBay RA Dr. Bernd Lorenz, Essen 321 Direktmarketing per E-Mail – Wie können Unternehmen rechtlich einwandfrei vorgehen? RAin Dr. Kerstin A. Zscherpe, München 327 § 97a UrhG (neu) – Eine Antwort auf ausufernde Abmahnkosten? RA Jörg Faustmann, Düsseldorf 332 Sind Sehbehinderte die schlechteren Fernsehzuschauer? Für eine verfassungskonforme Auslegung des § 66a TKG Henning Wegmann, Bonn 334 Verbraucherrecht aktuell Rechtsprechung Bankrecht Pflicht zur Einrichtung eines Girokontos auf Guthabenbasis (auch) für privates Kreditinstitut LG Berlin, Urt. v. 08.05.2008, Az.: 21 S 1/08 343 Versicherungsrecht Zum Träger des Sacherhaltungsinteresses in der Kaskoversicherung BGH, Urt. v. 05.03.2008, Az.: IV ZR 89/07 345 Verbraucherinsolvenzrecht Keine Versagung der Restschuldbefreiung eines inhaftierten Schuldners LG Koblenz, Beschl. v. 02.07.2008, Az.: 2 T 444/08 348 Sonstiges Vollharmonisierung durch die Hintertür? – Zur Kritik der Schlussanträge der Generalanwältin Trestenjak in der Rs. Gysbrechts, C-205/07, v. 17.07.2008 349 von Prof. Dr. Dr. h. c. Norbert Reich, Hamburg und Prof. Dr. Hans-Wolfgang Micklitz, Florenz 9 / 2008 Jahrgang 23 · Seiten 321–360 ISSN 0930-8369 · E 20025 www.vur-online.de In Verbindung mit Verbraucherzentrale Bundesverband und Bund der Versicherten herausgegeben von Prof. Dr. Hans-W. Micklitz Prof. Dr. Udo Reifner Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski Prof. Dr. Klaus Tonner Prof. Dr. Joachim Bornkamm Dr. Friedrich Bultmann Prof. Dr. Peter Derleder Dr. Stefan Ernst Dr. Günter Hörmann Prof. Dr. Wolfhard Kohte Dr. Rainer Metz Prof. Dr. Norbert Reich Prof. Wolfgang Römer Prof. Dr. Astrid Stadler Prof. Dr. Dirk Staudenmayer Walter Stillner Andreas Tilp Verbraucher und Recht Anlegerschutz Konsumentenkredit Versicherung private Altersvorsorge Verbraucherinsolvenz Verbraucherschutz Schwerpunktheft Telekommunikation

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VuRZeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht

Nomos

Aus dem InhaltEditorialWiderrufsbelehrung und kein Ende?Rechtsanwalt Dr. Stefan Ernst, Freiburg/Br. III

AufsätzeInformationspflichten bei eBayRA Dr. Bernd Lorenz, Essen 321Direktmarketing per E-Mail – Wie können Unternehmenrechtlich einwandfrei vorgehen?RAin Dr. Kerstin A. Zscherpe, München 327§ 97a UrhG (neu) – Eine Antwort auf ausuferndeAbmahnkosten?RA Jörg Faustmann, Düsseldorf 332Sind Sehbehinderte die schlechteren Fernsehzuschauer?Für eine verfassungskonforme Auslegung des § 66a TKGHenning Wegmann, Bonn 334

Verbraucherrecht aktuell

RechtsprechungBankrechtPflicht zur Einrichtung eines Girokontos aufGuthabenbasis (auch) für privates KreditinstitutLG Berlin, Urt. v. 08.05.2008, Az.: 21 S 1/08 343VersicherungsrechtZum Träger des Sacherhaltungsinteresses in derKaskoversicherungBGH, Urt. v. 05.03.2008, Az.: IV ZR 89/07 345VerbraucherinsolvenzrechtKeine Versagung der Restschuldbefreiung eines inhaftierten SchuldnersLG Koblenz, Beschl. v. 02.07.2008, Az.: 2 T 444/08 348SonstigesVollharmonisierung durch die Hintertür?– Zur Kritik der Schlussanträge der GeneralanwältinTrestenjak in der Rs. Gysbrechts, C-205/07,v. 17.07.2008 349von Prof. Dr. Dr. h. c. Norbert Reich, Hamburg und Prof. Dr. Hans-Wolfgang Micklitz, Florenz

9/2008Jahrgang 23 · Seiten 321–360ISSN 0930-8369 · E 20025

www.vur-online.de

In Verbindung mitVerbraucherzentraleBundesverband undBund der Versicherten

herausgegeben vonProf. Dr. Hans-W. MicklitzProf. Dr. Udo ReifnerProf. Dr. Hans-Peter SchwintowskiProf. Dr. Klaus Tonner

Prof. Dr. Joachim BornkammDr. Friedrich BultmannProf. Dr. Peter DerlederDr. Stefan ErnstDr. Günter HörmannProf. Dr. Wolfhard KohteDr. Rainer MetzProf. Dr. Norbert ReichProf. Wolfgang RömerProf. Dr. Astrid StadlerProf. Dr. Dirk StaudenmayerWalter StillnerAndreas Tilp

Verbraucher und Recht

A n l e g e r s c h u t z ■ K o n s u m e n t e n k r e d i t ■ V e r s i c h e r u n g ■ p r i v a t eA l t e r s v o r s o r g e ■ V e r b r a u c h e r i n s o l v e n z ■ V e r b r a u c h e r s c h u t z

Das neue VVG.

Versicherungsvertragsgesetz – VVGHerausgegeben von RA Dr. Wilfried Rüffer, RiOLG Dr. Dirk Halbach und Prof. Dr. Peter Schimikowski2008, ca. 1.300 S., geb., ca. 108,– €, ISBN 978-3-8329-3062-2Erscheint Oktober 2008

Der neue Handkommentar bietet eine profunde und praxisgerechte Kommentierung des neuen Versicherungsvertragsgesetzes. Die Autoren entwickeln dabei Lösungsmodelle für zahlreiche neu auf-tretende Fragestellungen aus der Praxis.

Praktikable Leitlinien für die erstmals vom Gesetz geforderte „quo-tale“ Leistungskürzung liefert die Kommentierung des § 28 zur ge-regelten Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit.

Hochaktuell und nützlich erläutern die Autoren zudem wichtige Musterversicherungsbedingungen, z.B. die AKB, VGB, VHB, AHB,ARB, ALB, BUZ, AUB, MBKK und MBKT in der ab 1.1.2008 geltenden Fassung.

Erstmalig liefert das neue Werk außerdem eine eigenständige Kommentierung der VVG-Informationspflichtenverordnung. Diese behandelt umfassend unter anderem die für Versicherungsunter-nehmen brisanten Themen Kostenausweise und Produktinforma-tionsblätter.

Alle neuen Regelungen können durch Kurzsynopsen mit den Alt-regeln verglichen werden. Eine klare Gliederung ermöglicht den schnellen Zugriff auf die jeweilige Problemstellung.

Die Autoren:Rechtsanwalt Manuel Baroch Castellvi | Rechtsanwalt Dr. Marko Brambach | Prof. Dr. Christoph Brömmelmeyer, RWTH Aachen | Joachim Felsch, Richter am BGH | Dr. Dirk Halbach, Richter am OLG | Rechtsanwalt Dr. Carsten Harms | Dr. Christoph Karczewski, Richter am OLG | Dr. Volker Marko, LL.M. | Rechtsanwalt Ansgar Mertens | Rechtsanwalt Dr. Thomas Münkel | Rechtsanwalt Dr. Jens Muschner | Dr. Jens Rogler, Richter am Landgericht | Rechts-anwalt Dr. Wilfried Rüffer | Prof. Dr. Peter Schimikowski, FH Köln

Mit Kommentierung der VVG-Informations-pflichtenverordnung.

Bitte bestellen Sie bei Ihrer Buchhandlung oder bei Nomos | Telefon 07221/2104-37 | Fax -43 | www.nomos.de | [email protected] Schwerpunktheft

Telekommunikation

Umschlag 9_2008 08.09.2008 14:57 Uhr Seite U4

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EDITORIALWiderrufsbelehrung und kein Ende?Rechtsanwalt Dr. Stefan Ernst, Freiburg/Br. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III

AUFSÄTZEInformationspflichten bei eBayRA Dr. Bernd Lorenz, Essen . . . . . . 321

Direktmarketing per E-Mail – Wie können Unternehmen rechtlicheinwandfrei vorgehen?RAin Dr. Kerstin A. Zscherpe, Licenciée en Droit, München . . . . .327

§ 97a UrhG (neu) – Eine Antwortauf ausufernde Abmahnkosten?RA Jörg Faustmann, Düsseldorf . . . .332

Sind Sehbehinderte die schlechteren Fernsehzuschauer?Für eine verfassungskonforme Auslegung des § 66a TKGHenning Wegmann, Bonn . . . . . . . .334

VERBRAUCHERRECHT AKTUELL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339

RECHTSPRECHUNG

BANKRECHTPflicht zur Einrichtung eines Girokontos auf Guthabenbasis(auch) für privates KreditinstitutLG Berlin, Urt. v. 08.05.2008, Az.: 21 S 1/08 . . . . . . . . . . . . . . . . . 343

VERSICHERUNGSRECHTZum Träger des Sacherhaltungsin-teresses in der KaskoversicherungBGH, Urt. v. 05.03.2008, Az.: IV ZR 89/07 . . . . . . . . . . . . . . . 345

VERBRAUCHERINSOLVENZRECHTKeine Versagung der Restschuld-befreiung eines inhaftiertenSchuldnersLG Koblenz, Beschl. v. 02.07.2008, Az.: 2 T 444/08 . . . . . . . . . . . . . . . . 348

SONSTIGESVollharmonisierung durch dieHintertür?– Zur Kritik der Schlussanträge derGeneralanwältin Trestenjak in der Rs. Gysbrechts, C-205/07, v. 17.07.2008 . . . . . . . . . . . . . . . . 349von Prof. Dr. Dr. h.c. Norbert Reich, Hamburg undProf. Dr. Hans-Wolfgang Micklitz, Florenz

Gewinnzusagen in der Insolvenzdes VersendersBGH, Urt. v. 13.03.2008, Az.: IX ZR 117/07 . . . . . . . . . . . . . . 351mit Anmerkung von RA Arne Maier, Esslingen

Kein Anschluss des Widerrufsrechtsnach § 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB beiteilbarer DienstleistungAG Montabaur, Urt. v. 15.01.2008, Az.: 15 C 195/07 . . . . . . . . . . . . . . . 355

Kein Widerrufsausschluss trotz Entsiegelung (§ 312 d Abs. 4 BGB)AG Schönebeck, Urt. v. 24.10.2007, Az.: 4 C 328/07 . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Mobilfunkanbieter: Intransparenzvon (Kündigungs-) KlauselnHandelsgericht Wien, Urteil v.17.06.2008, Az.: 19Cg46/08y . . . . . 357

BUCHBESPRECHUNGWalter Bayer/Elisabeth Koch (Herausgeber), Schranken der Vertragsfreiheit – Tagungsband zurGründungsveranstaltung des Instituts für Notarrecht in Jena.Nomos-Verlag, Baden-Baden, 2007Prof. Dr. Klaus Tonner, Rostock . . . .360

INFOMATIONEN

Verbraucherzeitschriften im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V

Veranstaltungshinweise . . . . . . . . .VI

I N H A LT

IMPRESSUM

Schriftleitung: Priv.-Doz. Dr. Kai-Oliver Knops (V.i.S.d.P.), e-mail: [email protected]

Redaktion:Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff)Rödingsmarkt 31–33, 20459 HamburgTelefon (0 40) 30 96 91 26Telefax (0 40) 30 96 91 22e-mail: [email protected]

Die redaktionelle Arbeit der Zeitschrift wirddurch den Verbraucherzentrale Bundesver-band und den Bund der Versicherten finan-ziert.

Druck und Verlag: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Waldseestraße 3-5, D-76530 Baden-Baden, Telefon 07221/2104-0, Fax 07221/2104-27

Anzeigen: sales friendly, Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos, Siegburger Straße 123, 53229 Bonn, Telefon 0228/978980, Telefax 0228/9789820,E-Mail: [email protected]

Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthalteneneinzelnen Beiträge und Abbildungen sind ur-heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,die nicht ausdrücklich vom Urheberrechts-gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigenZustimmung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssennicht die Meinung der Herausgeber/Redak-tion wiedergeben. Unverlangt eingesandteManuskripte – für die keine Haftung über-nommen wird – gelten als Veröffentlichungs-vorschlag zu den Bedingungen des Verlages.Es werden nur unveröffentlichte Originalar-beiten angenommen. Die Verfasser erklärensich mit einer nicht sinnentstellenden redak-tionellen Bearbeitung einverstanden.

Erscheinungsweise: monatlich

Bezugspreis 2008: jährlich 149,– € (inkl. MwSt),Einzelheft 18,– €; Die Preise verstehen sich incl.MwSt zzgl. Versandkosten. Bestellungen neh-men entgegen: Der Buchhandel und der Verlag.Kündigung: Drei Monate vor Kalenderjahres-ende. Zahlungen jeweils im Voraus an: NomosVerlagsgesellschaft, Postbank Karlsruhe, Konto73636-751 (BLZ 660 100 75) und Stadtspar-kasse Baden-Baden, Konto 5-002266 (BLZ662 500 30).

ISSN 0930-8369

Zeitschrift für Verbraucher und Unternehmen

23. Jahrgang, S. 321-360

9/2008

VuR V E R B R A U C H E R

U N D R E C H T

Vorschau auf Heft 10/2008AUFSÄTZEDie Reform der Kontopfändung –Gesetzentwurf und Stand des GesetzgebungsverfahrensRA Michael Knobloch, Hamburg

Das VIG wirkt – oder doch nicht?!Wiss. Mit. Katja Hüttner, Bamberg

VuR 9/2008 | I

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Das Leitbild der Verbraucherpolitik sollte stets der mündigeVerbraucher sein. Entscheidungsfreiheit und Selbstbestim-mung sind wichtige Stichworte, weshalb der Verbraucher auchinformiert sein will und muss. Es ist aber zuzugeben, dass dieBelange der Wirtschaft bei allen Maßnahmen und Pflichten-katalogen angemessen berücksichtigt werden müssen. Gera-de die Begründung von Informationspflichten und Wider-rufsrechten – klassische Verbraucherschutzmaßnahmen in derEuropäischen Union – sollte zum einen für den VerbraucherRechtssicherheit und Transparenz erhöhen, es aber gleichzei-tig auch vermeiden, die Wirtschaft mit unverhältnismäßigenAuflagen zu belasten. Diese Gratwanderung ist nicht immereinfach, wie das Beispiel der Musterwiderrufsbelehrung fürOnline-Verträge zeigt.

Seit dem 01.04.2008 ist die Dritte Verordnung zur Änderungder BGB-Informationspflichten-Verordnung (BGB-InfoV) inKraft (BGBl. I 2008, 295). Mit dieser sollen die Muster für Be-lehrungen noch klarer gefasst werden, die Unternehmer Ver-brauchern über ihre Widerrufs- und Rückgaberechte erteilen

müssen (BMJ-Pressemitteilung v. 12.03.2008). In der Tat wardie bis zum 31.03.2008 im Annex zu § 14 BGB-InfoV befind-liche Vorversion der neuen Musterbelehrung im Verlauf ihrerGeltungsdauer von einer Reihe von Gerichten nicht nur fürunbrauchbar, sondern ihre Verwendung sogar für wettbe-werbswidrig erachtet worden. Ungeachtet der offenbarenRechtstreue ihrer Verwender wurden sie also teuer bestraft.Dass dies nicht von allen Gerichten geteilt wurde, war ange-sichts der Möglichkeit zum Forumshopping bei Wettbewerbs-klagen wegen Online-Verstößen unerheblich. Die Literatur äu-ßerte sich schnell kritisch – die Gerichte verwiesen als bloßeRechtsanwender auf den Gesetzgeber – und verlangte einebaldige Korrektur seitens des BMJ. Hoeren (OLG Hamm EWiR§ 312c BGB 1/07, 393) mokierte sich gar, dass seiner Ansichtnach die alte Musterbelehrung „offensichtlich nicht von ei-nem Rechtskundigen“ verfasst wurde. Die amtliche Begrün-dung zur jüngsten Änderung der BGB-InfoV hält nun zwardaran fest, dass man weiterhin davon ausginge, dass auch diealten Fassungen einwandfrei gewesen seien, doch hat mangleichwohl endlich gehandelt – und nur darauf kommt es an.

Was ist zur neuen Musterbelehrung zu sagen? Aus Sicht einesRechtsanwenders ohne juristische Vorbildung fällt schon derschiere Umfang des Textes auf. Widerrufs- und Rückgabebe-lehrung nehmen mit Anmerkungen dreieinhalb, zum Teil inFußnotengröße gesetzte Seiten im Bundesgesetzblatt ein. Dieswäre grundsätzlich kein Problem, wenn der unbedarfte An-wender einen solch langen Text einfach abschreiben und ver-wenden könnte. Dies ist jedoch nicht möglich, weil die Mus-terbelehrung ausschließlich in Alternativen formuliert undstets fallbezogen modifiziert einzusetzen ist. Es gibt keine Ba-sisformulierung für den „Normalfall Online-Shop“. Ein Nicht-jurist kann dabei die verschiedenen Varianten, die ohne wei-tere Erläuterungen unmittelbar Bezug auf (zum Teilerklärungsbedürftige und in ihrer Auslegung umstrittene)Rechtsnormen nehmen, kaum unterscheiden. Selbst Fachju-risten diskutieren schon jetzt kontrovers über die richtige An-wendung der neuen Musterbelehrung im Kontext des übri-gen Fernabsatz- und E-Commerce-Rechts. Ein gewöhnlicherUnternehmer ist mit einer solchen „Handreichung“ völligüberfordert. Ohne spezialisierten Rechtsrat wird er hier nichtmehr arbeiten können. Es ist fraglich, ob dies Sinn der Sachesein kann.

Verbraucherschutz bedeutet in der EU fast stets die Einführungneuer Informationspflichten und weiterer Widerrufsrechte.Es ist auch richtig, dass der mündige Verbraucher Informatio-nen benötigt. Es sei jedoch die Frage gestattet, über wie vieleEinzelheiten bei jeder Bestellung aufs Neue informiert undbelehrt werden muss. Es ist nicht leicht zu beantworten, obund inwieweit derartig umfangreiche Belehrungswerke gene-rell überhaupt dem Verbraucherinteresse dienen können undob nicht vielmehr das Gegenteil bewirkt wird. Im Wettbe-werbsrecht hat sich in einer langen (europäisch geprägten)

EDITORIAL

Widerrufsbelehrung und kein Ende?Rechtsanwalt Dr. Stefan Ernst, Freiburg/Br.

VuR 9/2008 | I I I

Rechtsanwalt Dr. Stefan Ernst, Freiburg/Br.

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E D I T O R I A L

IV | VuR 9/2008

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Entwicklung das bei der Feststellung von irreführender Wer-bung prozessentscheidende Verbraucherleitbild weg vom„flüchtigen“ oder „unkritischen“ Adressaten hin zum durch-schnittlich informierten, aufmerksam und verständigenDurchschnittsverbraucher entwickelt. Es entsteht gerade derEindruck, als könnte diese Tendenz im Verbrauchervertrags-recht, das über § 4 Nr. 11 UWG gerade wieder Lauterkeitsbe-zug hat, umgekehrt verlaufen.

Der Sinn von Vorschriften zur Kennzeichnung der Ware selbst(z. B. LMKV, TKV, HWG) steht außer Frage, doch wäre zu prü-fen, ob eine Belehrung über die vielfältigen Details einesWiderrufsrechts, wie es in diesen Musterbelehrungen prakti-

ziert wird, wirklich noch sinnvoll ist. Immerhin handelt es sichum eine Erklärung, die vom Verbraucher schon wegen ihresUmfangs nicht (mehr) wahrgenommen wird und mit deren Er-stellung der Unternehmer zudem überfordert ist. Es sei ge-stattet, die Frage zu stellen, ob hier nicht eine erheblich kür-zere Belehrung nur über die wirklich essenziellen Punkte desWiderrufsrechts den Anforderungen des VerbraucherschutzesGenüge tun würde – und dies vielleicht sogar besser wäre. Mankönnte auch daran denken, den Unternehmern lediglich ei-nen allgemeinen Hinweis auf das Bestehen eines Widerrufs-rechts aufzuerlegen – vielleicht verbunden mit einem Linkauf die Webseite des BMJ, auf der dann alle Rechtsfragen aus-führlich erläutert werden könnten. Eine schöne Vision.

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A U F S Ä T Z E

Herausgeber: Prof. Dr. Udo Reifner, Universität Hamburg, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (geschäftsführend); Prof. Dr. Hans-W. Mick-litz, Universität Bamberg; Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin; Prof. Dr. Klaus Tonner, Universität Rostock

Prof. Dr. Joachim Bornkamm, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe; Dr. Friedrich Bultmann, Rechtsanwalt, Berlin; Prof. Dr. Pe-ter Derleder, Universität Bremen; Dr. Stefan Ernst, Rechtsanwalt, Freiburg; Dr. Günter Hörmann, Geschäftsführer der VerbraucherzentraleHamburg e.V.; Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Universität Halle-Wittenberg; Dr. Rainer Metz, Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährungund Landwirtschaft, Berlin; Prof. Dr. Norbert Reich, Universität Bremen; Prof. Wolfgang Römer, Richter am Bundesgerichtshof a.D., Berlin;Prof. Dr. Astrid Stadler, Universität Konstanz; Prof. Dr. Dirk Staudenmayer, Europäische Kommission, Referatsleiter Generaldirektion Gesund-heit und Verbraucherschutz, Brüssel; Walter Stillner, Rechtsanwalt, Stuttgart; Andreas Tilp, Rechtsanwalt, Tübingen

Schriftleitung: Priv.-Doz. Dr. Kai-Oliver Knops, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff), Rödingsmarkt 31-33, 20459 Hamburg

9/200823. Jahrgang, Seiten 321-360

Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht

VuR V E R B R A U C H E R

U N D R E C H T

Der Grund für Abmahnungen für eBay-Angebote liegt viel-fach in der Verletzung von Informationspflichten. Im folgen-den Beitrag werden die wichtigsten Informationspflichtenbehandelt, die bei eBay-Angeboten zu beachten sind. Infor-mationspflichten können sich insbesondere aus dem Teleme-dienrecht, dem Fernabsatzrecht und der Preisangabenver-ordnung ergeben. Einige Informationspflichten sollen nachh. M. für alle Mitglieder gelten, andere Informationspflichtennur für Unternehmer.

A. Abgrenzung von Unternehmern undVerbrauchern

Die fernabsatzrechtlichen Informationspflichten nach § 312cBGB, Art. 240 EGBGB, § 1 BGB-InfoV und § 312e Abs. 1 S. 1Nr. 2, Art. 241 EGBGB, § 3 BGB-InfoV gelten nur für Unter-nehmer. Privatpersonen, die nur gelegentlich etwas bei eBayverkaufen, sind dagegen als Verbraucher einzustufen. Siebrauchen die fernabsatzrechtlichen Informationspflichtennicht zu erfüllen. Insofern stellt sich die Frage, wie die Begrif-fe des Unternehmers und des Verbrauchers bei eBay-Angebo-ten voneinander abzugrenzen sind.

Unternehmer sind gemäß § 14 Abs. 1 BGB natürliche oderjuristische Personen oder Personengesellschaften, die beiAbschluss des Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerb-lichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit handeln.Maßgeblich kommt es damit darauf an, ob die Person plan-mäßig und dauerhaft entgeltliche Leistungen am Marktanbietet.1 Die Frage, ob eine Person als Unternehmer einzu-stufen ist, ist nach der Rspr. eine Frage des Einzelfalls. Indi-zien für die Unternehmereigenschaft können die Zahl undHäufigkeit der durchgeführten Auktionen, der Geschäftsge-

genstand, der Auktionsumsatz, der Auftritt und die werblicheAufmachung sein.2

Die Eröffnung eines Shops lässt nach umstrittener Rspr. nochkeinen Rückschluss auf die Unternehmereigenschaft zu.3 EineBay Shop beinhaltet eine Zusammenfassung der verschiede-nen Angebote eines Verkäufers. Ein eBay Shop kann nachAnsicht von eBay auch durch Verbraucher, z. B. bei Haus-haltsauflösungen, betrieben werden.4 Nach a. A. ist derBetrieb eines eBay Shops ein Indiz für die Unternehmerei-genschaft.5 Bei eBay Shops ist es erforderlich, nach der Artdes Shops zu unterscheiden. Zutreffend ist es, dass ein BasicShop, der lediglich 9,95 B im Monat kostet,6 alleine nochnicht die Annahme der Unternehmereigenschaft rechtfertigt.Er kann aber im Zusammenhang mit anderen Indizien einKriterium für die Annahme der Unternehmereigenschaft

Informationspflichten bei eBayVon Rechtsanwalt Dr. Bernd Lorenz,* Essen

VuR 9/2008 | 321

* Der Autor ist als Rechtsanwalt bei STS Schulz Tegtmeyer Sozien in Essen tätig.1 BGH, Urt. v. 29.03.2006, Az.: VIII ZR 173/05, NJW 2006, 2250, 2251; Palandt-

Heinrichs / Ellenberger, BGB, 67. Aufl. 2008, § 14 Rn. 2.2 OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.07.2007, Az.: 6 W 66/07, MIR 2007 Dok. 307, abruf-

bar unter: http://miur.de/dok/1331.html; OLG Hamburg, Beschl. v. 27.02.2007,Az.: 5 W 7/07, JurPC Web-Dok. 57/2008 Abs. 5, abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20080057.htm.

3 OLG Thüringen, Urt. v. 18.08.2004, Az.: 2 W 355/04, MMR 2005, 184; LG Berlin,Urt. v. 05.09.2006, Az.: 103 O 75/06, MIR 2006 Dok. 202, abrufbar unter: http://mi-ur.de/dok/420.html.

4 Pressemitteilung von eBay vom 13.12.2007, abrufbar unter: http://presse.ebay.de/news.exe?typ=PR&news_id=101403.

5 OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.07.2007, Az.: 6 W 66/07, MIR 2007 Dok. 307, abruf-bar unter: http://miur.de/dok/1331.html; OLG Zweibrücken, MIR 2007 Dok. 277,Urt. v. 28.06.2007, Az.: 4 U 210/06, MIR 2007 Dok. 277, abrufbar unter: http://mi-ur.de/dok/1300.html; OLG Hamburg, Beschl. v. 27.02.2007, Az.: 5 W 7/07, JurPCWeb-Dok. 57/2008 Abs. 5, abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20080057.htm; Goldmann, Rechtliche Rahmenbedingungen für Internet-Auktio-nen, 2005, S. 97; Kiparski, Wettbewerbsrechtliche Anforderungen an Anbieter beiOnline-Auktionen, 2008, S. 43 ff.

6 Informationen von eBay zu den Shop-Gebühren, abrufbar unter:http://pages.ebay.de/help/sell/storefees.html (Stand: 29.05.2008).

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322 | VuR 9/2008

sein. Ein Premium-Shop, der monatlich 49,95 B kostet, legtdie Annahme nahe, dass es sich um einen Unternehmer han-delt. Verbraucher werden nicht einen derartigen Betrag inprivate Veräußerungsgeschäfte investieren. Bei einem Top-Shop, der 50 Angebote pro Monat voraussetzt und monatlich299,95 B kostet, liegt die Unternehmereigenschaft vor.

Die Einstufung als PowerSeller begründet nach h. M. regel-mäßig die Unternehmereigenschaft.7 Als PowerSeller werdenvon eBay nur Personen eingestuft, die kontinuierlichbesonders viele Artikel bei eBay verkaufen oder ein hohesHandelsvolumen vorweisen können.8 Es muss sich im Monatum mindestens 300 Artikel oder 3.000 B Umsatz handeln.9

PowerSeller werden von eBay automatisch als gewerblicheVerkäufer behandelt.10 Bei PowerSellern findet nach der Rspr.eine Beweislastumkehr statt, da der PowerSeller-Status einenRechtsschein hinsichtlich der Unternehmereigenschaftbegründet. Damit hat der PowerSeller zu beweisen, dass erkein Unternehmer ist. Nach dem LG Coburg kann selbst beieiner hohen Zahl von Auktionen die Unternehmereigen-schaft fehlen, wenn der PowerSeller-Status nicht erreichtwird.11 Insofern hat die Rspr. den von eBay eingeführtenPowerSeller-Status zu einem wichtigen Orientierungspunktgemacht. In Einzelfällen kann die Unternehmereigenschaftaber auch schon unterhalb des PowerSeller-Status anzuneh-men sein.12

Die Art der veräußerten Waren kann für die Beurteilung derUnternehmereigenschaft eine Rolle spielen. Verkäufe aus pri-vaten Beständen des Verkäufers sprechen zunächst einmalgegen eine Unternehmereigenschaft.13 Eine solche kannallerdings dann vorliegen, wenn eine kontinuierliche Ver-kaufstätigkeit über einen langen Zeitraum vorliegt. Ein hoherAnteil von Neuwaren spricht für eine Unternehmereigen-schaft.14 Privatpersonen verkaufen in der Regel gebrauchteWaren, da sie die angeschafften Waren zunächst für eigeneZwecke benutzen. Neuwaren werden Verbraucher nur in Aus-nahmefällen verkaufen. Dies kann bspw. der Fall sein, wennein Artikel nach dem Kauf nicht gefällt und ein Umtauschnicht möglich ist. Es ist jedoch unüblich, dass Verbrauchereine Vielzahl von Neuwaren kaufen, um sie dann unge-braucht und mit einem Verlustrisiko weiter zu verkaufen.

B. Informationspflichten für alle Mitglieder

Informationspflichten, die für alle Mitglieder und damit auchfür Verbraucher als Verkäufer gelten, können sich nachumstrittener Auffassung aus dem Telemedienrecht ergeben.

I. Anbieterkennzeichnung

1. Verpflichtung zur Anbieterkennzeichnung

Das Telemedienrecht sieht in § 55 Abs. 1 RStV, § 5 Abs. 1TMG, eine Pflicht zur Anbieterkennzeichnung für Teleme-dien vor. Der Begriff des Telemediums erfasst nach § 1 Abs. 1S. 1 TMG alle elektronischen Informations- und Kommuni-kationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienstenach § 3 Nr. 24 TKG, die ganz in der Übertragung von Signa-len über Telekommunikationsnetze bestehen, telekommuni-kationsgestützte Dienste nach § 3 Nr. 25 TKG oder Rundfunknach § 2 Abs. 1 RStV darstellen. Der Begriff des Telemediumsfasst die bisherigen Tele- und Mediendienste zusammen. Vondem Begriff des Telemediums werden alle Webseiten unddamit auch Angebote bei eBay erfasst.

Die h. M. geht davon aus, dass bei eBay-Angeboten einePflicht zur Anbieterkennzeichnung für die Mitgliederbesteht.15 Danach muss jedes einzelne Angebot bei eBay miteiner Anbieterkennzeichnung des jeweiligen Mitglieds verse-hen werden. Dabei übersieht die h. M. allerdings, dass dieTeilnehmer von Handels- und Kommunikationsplattformenselber keine Diensteanbieter,16 sondern lediglich Nutzereines Telemediums sind. Nutzer sind jedoch zu keiner Anbie-terkennzeichnung verpflichtet.

Die Pflicht zur Anbieterkennzeichnung gilt für Diensteanbie-ter. Für den Begriff des Diensteanbieters ist es unerheblich, obes sich um Unternehmer oder Verbraucher handelt. Dienste-anbieter kann nach § 2 S. 1 Nr. 1 TMG neben juristischen Per-sonen jede natürliche Person sein, sodass auch Verbrauchervom Begriff des Diensteanbieters erfasst werden. Als Dienste-anbieter ist nach § 2 S. 1 Nr. 1 TMG sowohl der Content Pro-vider, der eigene Telemedien zur Nutzung bereithält als auchder Host Provider, der fremde Telemedien zur Nutzung bereit-hält, anzusehen. Die h. M. unterstellt, dass der Teilnehmer vonHandels- und Kommunikatiosplattformen ein Content Provi-der und der Betreiber der Plattform ein Host Provider ist. In-des muss der Begriff des Content Providers vom Begriff desNutzers abgegrenzt werden. Nutzer ist nach § 2 S. 1 Nr. 3 TMGeine Person, die Telemedien nutzt, insbesondere um Informa-

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7 OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.07.2007, Az.: 6 W 66/07, MIR 2007 Dok. 307, abruf-bar unter: http://miur.de/dok/1331.html m. w. N.; OLG Zweibrücken, Urt. v.28.06.2007, Az.: 4 U 210/06, MIR 2007 Dok. 277, abrufbar unter:http://miur.de/dok/1300.html m. w. N.; OLG Frankfurt, Urt. v. 21.03.2007, Az.: 6W 27/07, JurPC Web-Dok. 56/2007 S. 3 f., abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20070056.htm; OLG Karlsruhe, Urt. v. 27.04.2006, Az.: 4 U 119/04, CR2006, 689, 690; LG Mainz, Urt. v. 06.07.2005, Az.: 3 O 184/04, JurPC Web-Dok.102/2006 S. 5, abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20060102.htm; AGBad Kissingen, Urt. v. 04.04.2005, Az.: 21 C 185/04, JurPC Web-Dok. 159/2005 S.3, abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20050159.htm; AG Radolfzell, Urt.v. 29.07.2004, Az.: 3 C 553/03, JurPC Web-Dok. 15/2005, abrufbar unter:http://www.jurpc.de/rechtspr/20050015.htm; Kiparski, a. a. O. (s. Fn. 5), S. 33 f.

8 Informationen von eBay zum eBay Powerseller, abrufbar unter: http://powersel-ler.ebay.de/pub/welcome (Stand: 29.05.2008).

9 Informationen von eBay zum eBay Powerseller, abrufbar unter: http://powersel-ler.ebay.de/pub/criteria (Stand: 29.05.2008).

10 Pressemitteilung von eBay vom 04.10.2005, abrufbar unter: http://presse.ebay.de/news.exe?typ=PR&news_id=100650.

11 LG Coburg, Urt. v. 19.10.2006, Az.: 1 HK O 32/06, abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20070035.htm.

12 LG Berlin, Urt. v. 05.09.2006, Az.: 103 O 75/06, MIR 2006 Dok. 202, abrufbar un-ter: http://miur.de/dok/420.html.

13 OLG Frankfurt, Beschl. vom 04.07.2007, Az.: 6 W 66/07, MIR 2007 Dok. 307, ab-rufbar unter: http://miur.de/dok/1331.html; OLG Zweibrücken, Urt. v. 28.06.2007,Az. 4 U 210/06, MIR 2007 Dok. 277, abrufbar unter: http://miur.de/dok/1300.html;OLG Frankfurt, Urt. v. 21.03.2007, Az.: 6 W 27/07, JurPC Web-Dok. 56/2007 S. 4,abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20070056.htm.

14 LG Berlin, Urt. v. 05.09.2006, Az.: 103 O 75/06, MIR 2006 Dok. 202, abrufbar un-ter: http://miur.de/dok/420.html; Kiparski, a. a. O. (s. Fn. 5), S. 36 f.

15 OLG Düsseldorf, Urt. v. 18.12.2007, Az.: I-20 U 17/07, MIR 2008 Dok. 231, abruf-bar unter: http://miur.de/dok/1698.html; OLG Zweibrücken, Urt. v. 28.06.2007,Az.: 4 U 210/06, MIR 2007 Dok. 277 S. 3, abrufbar unter: http://miur.de/dok/1300.html; KG, Beschl. v. 11.05.2007, Az.: 5 W 116/07, JurPC Web-Dok.91/2007 Abs. 3, abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20070091.htm; OLGKarlsruhe, Urt. v. 27.04.2006, Az.: 4 U 119/04, CR 2006, 689, 690; OLG Olden-burg, Beschl. v. 12.05.2006, Az.: 1 W 29/06, NJW-RR 2007, 189; OLG Naumburg,Beschl. v. 16.03.2006, Az.: 10 W 3/06, K&R 2006, 414, 415; OLG Jena, Beschl. v.08.03.2006, Az.: 2 U 990/05, GRUR-RR 2006, 283, 283 f.; LG Berlin, Beschl. v.27.04.2007, Az. 16 O 205/07, JurPC Web-Dok. 102/2008 S. 4, abrufbar unter:http://www.jurpc.de/rechtspr/20080102.htm; LG Hamburg, Urt. v. 11.05.2006,Az.: 327 O 196/06, JurPC Web-Dok. 67/2007, abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20070067.htm; LG Coburg, Urt. v. 09.03.2006, Az.: 1 HK O 95/05, CR2007, 59; LG Traunstein, Urt. v. 18.05.2005, Az.: 1 HKO 5016/04, MMR 2005,781; LG München, Urt. v. 03.02.2005, Az.: 7 O 11682/04, WRP 2005, 1042, 1043f. zu einer Verkaufsplattform; Borges-Winnacker, Rechtsfragen der Internet-Auktion,2007, S. 61; Heckmann, Juris PraxisKomm. Internetrecht, 2007, Kapitel 4.3 Rn.115; Kaestner / Tews WRP 2004, 391, 395; Kiparski, a. a. O. (s. Fn. 5), S. 98 ff., Leib-le / Sosnitzna-Steinbeck, Versteigerungen im Internet, 2004, Rn. 546 f.; Lindenberg,Internetauktionen im Gewerbe- und Lauterkeitsrecht, 2007, S. 185 ff.; Rother, Inter-net-Versteigerungen, 2007, S. 141.

16 Goldmann, a. a. O. (s. Fn. 5), S. 123 f.; Lorenz, Die Anbieterkennzeichnung imInternet, 2007, S. 108 ff.; Lorenz, K&R 2008, 340, 341; Taeger / Wiebe-Lorenz, VonAdWords bis Social Networks – Neue Entwicklungen im Informationsrecht, 2008,erscheint demnächst.

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tionen zu erlangen oder zugänglich zu machen. Damit stelltsich die Frage, wie das Bereithalten von eigenen Telemediendurch den Content Provider gegenüber dem Zugänglichma-chen von Informationen durch den Nutzer abzugrenzen ist.

Das Zugänglichmachen von Informationen ist dahingehendzu verstehen, dass der Nutzer anderen Nutzern eigene Infor-mationen zur Verfügung stellt und ihnen die Möglichkeit derKenntnisnahme eröffnet. Das Zurverfügungstellen von Infor-mationen im Internet macht die Person noch nicht zu einemDiensteanbieter. Von dieser Vorstellung geht auch die Euro-päische Kommission aus. Die Definition des Nutzers gehtzurück auf Art. 2 lit. d ECRL.17 Nach der Begründung derEuropäischen Kommission ist bspw. der Teilnehmer einesDiskussionsforums ein Nutzer.18 Es macht sachlich jedochkeinen Unterschied, ob jemand einen Beitrag in ein Diskus-sionsforum, ein Profil in einem sozialen Netzwerk oder einAngebot bei eBay einstellt. In sämtlichen Fällen bedient sichder Teilnehmer einer Plattform, die durch ihn selber nichtbetrieben wird. Das Bereithalten der Plattform geschieht viel-mehr durch deren Betreiber. Insofern kommt es auch nichtauf das Veröffentlichen des einzelnen Angebots durch dasMitglied an, sondern auf die Frage, wer die gesamte Plattformbereithält. Das einzelne Angebot des Mitglieds ist in diegesamte Plattform eingebettet. Angebote sind mit Kopf- undFußzeilen von eBay versehen, über die die verschiedeneneBay-Rubriken aufgerufen werden können. Das einzelneAngebot des Mitglieds wird auch nicht unter einer eigenenDomain oder Subdomain bereitgehalten. Das Angebot desMitglieds ist vielmehr in die Webseiten von eBay eingeglie-dert und kein eigenständiges Internetangebot.

Zwar kann nach der zutreffenden h. M. ein Internetangebotund damit eine Website auch in einzelne Dienste aufgeteiltwerden.19 Umstritten ist dabei im Rahmen der h. M., ob aucheine einzelne Webseite in verschiedene Dienste aufgeteiltwerden kann. Nach zutreffender Ansicht ist dies möglich,wenn sich der einzelne Dienst funktional gegenüber anderenDiensten abgrenzen lässt. Vor diesem Hintergrund kann mandurchaus überlegen, ob nicht hinsichtlich der Kopf- und Fuß-zeilen eBay und hinsichtlich des einzelnen Angebots dasjeweilige Mitglied als Diensteanbieter einzustufen ist. Letz-tendlich ist es aber doch so, dass das einzelne Mitglied keinTelemedium bereithält, sondern nur Informationen zugäng-lich macht. Bei Handels- und Kommunikationsplattformensteht nicht der einzelne Beitrag eines Teilnehmers derart imVordergrund, dass dieser als Diensteanbieter anzusehen wäre.Vielmehr spricht die Eingliederung in das Gesamtangebotdafür, dass der einzelne Teilnehmer lediglich als Nutzer ein-zustufen ist. Die Eingliederung in das Gesamtangebot ergibtsich daraus, dass sich das einzelne Angebot an den Vorgabenvon eBay zu orientieren hat. Das Erscheinungsbild des Ange-bots wird durch eBay vorgegeben, sodass alle Angebote überein einheitliches Erscheinungsbild mit einem gleichen Auf-bau verfügen. Inhaltlich unterliegen die Angebote der Mit-glieder den Bestimmungen von eBay. Mit § 1 Abs. 3 S. 2AGB20 akzeptiert das Mitglied den Grundsatz für von Mit-gliedern veröffentlichte Inhalte.21 Mit § 9 Abs. 3 AGB akzep-tiert das Mitglied die umfangreichen Grundsätze zum Ein-stellen von Artikeln.22 Das einzelne Mitglied hat damit nurbeschränkte Möglichkeiten das Angebot optisch und inhalt-lich zu gestalten. Ferner behält sich eBay gemäß § 4 Nr. 1 AGBdas Recht vor, in den Fällen, in denen Angebote gegen dieGrundsätze verstoßen oder ein sonstiges berechtigtes Interes-se besteht, die Angebote zu löschen und das Mitgliedskonto

zu sperren. Letztendlich unterliegen die Mitglieder damiteiner eingeschränkten Entscheidungsfreiheit. Die beschränk-te Entscheidungsfreiheit spricht dafür, dass es sich für dasMitglied nur um ein Zugänglichmachen von Informationenim Rahmen eines fremden Gesamtangebots handelt.

Eine andere Betrachtungsweise ergibt sich auch nicht füreBay Shops. In einem eBay Shop werden die verschiedenenAngebote eines Verkäufers zusammengefasst.23 Alle Angebo-te eines Verkäufers können dort nach verschiedenen Kate-gorien abgerufen werden. Auch der eBay Shop ist in die Web-seiten von eBay eingegliedert und kein eigenständiger Dienstdes Mitglieds. Auch hier ist das Mitglied nur Nutzer einesTelemediums.

Eigentlich müsste die gegenteilige h. M. konsequenterweisedavon ausgehen, dass auch Verbraucher, die Angebote beieBay einstellen, zu einer Anbieterkennzeichnung verpflichtetsind. Für den Begriff des Diensteanbieters kommt es nämlichnicht darauf an, ob es sich um einen Verbraucher oder umeinen Unternehmer handelt. Indes sind Mitglieder von eBaynicht nur zu einer Anbieterkennzeichnung nicht verpflichtet.Der Nutzer hat sogar gemäß § 13 Abs. 6 S. 1 TMG das Rechtdie Plattform anonym oder unter einem Pseudonym nutzen.Aus telemedienrechtlicher Sicht kann der Nutzer somitdarauf bestehen, dass lediglich sein Pseudonym bei eBay-Angeboten angezeigt wird. Hier kollidieren die Interessen desDatenschutzes mit dem Transparenzgebot des E-Commerce.Letztendlich ist der Datenschutz aber vorrangig. Privatperso-nen brauchen ihren Namen und ihre Adresse nicht veröf-fentlichen. Allerdings sind Unternehmer zur Angabe derIdentität und der Anschrift nach § 1 Abs. 1 Nr. 1-3 BGB-InfoVverpflichtet. Da die Informationspflichten im Kern deck-ungsgleich sind, hat die Frage für Unternehmer nur geringepraktische Bedeutung.

Verbraucher haben auch keine nachteiligen Folgen zu erwar-ten, wenn sie keine Anbieterkennzeichnung veröffentlichen.Wettbewerbsrechtliche Ansprüche aus §§ 8 ff. UWG scheidenaus, weil das Angebot von Verbrauchern keine Wettbewerbs-handlung darstellt. Ein verbraucherschutzrechtlicher Unter-lassungsanspruch aus § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 UKlaG kommtnicht in Betracht, da dieser sich nur gegen Unternehmer rich-ten kann. Eine fehlende Anbieterkennzeichnung kann zwarnach § 49 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 RStV, § 16 Abs. 2 Nr. 1 TMG eine Ord-nungswidrigkeit darstellen. Insofern besteht das Risiko, dassdie Aufsichtsbehörde mit der h. M. das Mitglied als Dienste-anbieter ansieht. In der Praxis werden Verstöße gegen die An-bieterkennzeichnung jedoch kaum durch die Aufsichtsbehör-den verfolgt.24

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17 Richtlinie 2000/31/EG vom 08.06.2000 über bestimmte rechtliche Aspekte derDienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäfts-verkehrs, im Binnenmarkt („Richtlinie über den elektronischen Geschäftsver-kehr“), ABl. 2000 Nr. L 178 S. 1, abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu.

18 KOM (1998) 586 S. 22, abrufbar unter: http://europa.eu.int/comm/internal_mar-ket/en/ecommerce/com586de.pdf.

19 Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 16), S. 83 ff., m. w. N.20 Allgemeine Geschäftsbedingungen für die Nutzung der deutschsprachigen eBay-

Website, abrufbar unter: http://pages.ebay.de/help/policies/user-agreement.html?_trksid=m40 (Stand: 29.05.2008).

21 Grundsatz zu Beiträgen und Inhalten von eBay-Mitgliedern auf der eBay-Website,abrufbar unter: http://pages.ebay.de/help/policies/member-created-content-ov.html (Stand: 29.05.2008).

22 Grundsätze zum Einstellen von Artikeln, abrufbar unter: http://pages.ebay.de/help/policies/ia/listing_policies.html (Stand: 29.05.2008).

23 Pressemitteilung von eBay vom 13.12.2007, abrufbar unter: http://presse.ebay.de/news.exe?typ=PR&news_id=101403.

24 Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 16), S. 299 ff. mit den Ergebnissen einer Befragung der Auf-sichtsbehörden.

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2. Gestaltung der Anbieterkennzeichnung

Sofern man eine Pflicht zur Anbieterkennzeichnung mit derh. M. bejaht, genügt es jedenfalls der leichten Erkennbarkeit,wenn die Anbieterkennzeichnung auf einer verlinkten Web-seite platziert wird, die über einen „mich-Link“ zu erreichenist.25 Es besteht bei eBay die Möglichkeit, eine „mich-Seite“anzulegen. Hierbei handelt es sich um eine gesonderte Web-seite, auf der weitere Informationen über den Verkäuferbereitgestellt werden können. Diese „mich-Seite“ lässt sichdann durch einen Link hinter dem Pseudonym des Verkäu-fers aufrufen, der durch ein grafisches Symbol mit derBezeichnung „mich“ gekennzeichnet ist. Ein Link auf dieAnbieterkennzeichnung genügt der unmittelbaren Erreich-barkeit.26 Die Verwendung des Begriffs „mich“ genügt auchder leichten Erkennbarkeit,27 da er auf weitere Angaben zurPerson des Verkäufers schließen lässt.

Bei eBay besteht inzwischen die Möglichkeit im Abschnitt„Rechtliche Informationen des Verkäufers“, der sich imAnschluss an das Angebot auf derselben Webseite befindet,die Angaben zu veröffentlichen, die für die Anbieterkenn-zeichnung vorgeschrieben sind. Die „mich-Seite“ hat damitfür die Anbieterkennzeichnung praktisch an Bedeutung ver-loren.

II. Ergebnis

Verbraucher, die Angebote bei eBay einstellen, unterliegenkeinerlei Informationspflichten. Eine Pflicht zur Anbieter-kennzeichnung besteht bei eBay-Angeboten nicht. Die fern-absatzrechtlichen Informationspflichten gelten nur fürUnternehmer.

C. Informationspflichten für Unternehmer

Informationspflichten für Unternehmer können sich insbe-sondere aus den § 312c, BGB, Art. 240 EGBGB, § 1 BGB-InfoV,§ 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Art. 241 EGBGB, § 3 BGB-InfoV, § 1PAngV ergeben. Im Folgenden wird auf die wichtigsten Fra-gestellungen bei eBay-Angeboten eingegangen.

I. Angabe des Namens

Ein Unternehmer muss Verbraucher gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1BGB-InfoV über seine Identität informieren. Unter der Iden-tität ist der Name des Unternehmers zu verstehen.28 Die An-gabe des Namens dient der Individualisierung des Vertrags-partners und der Möglichkeit der Rechtsverfolgung. DerVerbraucher soll vor Vertragsschluss wissen, mit wem der Ver-trag zustande kommt, und gegen wen er etwaige Ansprücheaus dem Vertragsverhältnis geltend machen kann.

Bei natürlichen Personen besteht der Name aus mindestenseinem Vornamen und dem Familiennamen.29 Zwingend istdeshalb auch die Angabe des vollständigen Vornamens. DieAngabe eines abgekürzten Vornamens reicht nicht aus.30 Oh-ne Angabe des Vornamens lässt sich die Person nicht hinrei-chend individualisieren. Einwohnermeldeamtsanfragen füh-ren ohne Vornamen zu keinem Erfolg. Auch bei einer etwaigenKlageerhebung muss regelmäßig der Vorname angegeben wer-den. In der Klageschrift müssen gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPOdie Parteien bezeichnet werden. Erforderlich ist eine Kennt-lichmachung der Parteien, die so bestimmt ist, dass über ihreIdentität kein Zweifel besteht.31 Das ist in Anbetracht derVielzahl von gleichen Familiennamen am selben Wohnort nur

dann der Fall, wenn auch der Vorname in der Klageschrift an-gegeben wird. Bei mehreren Vornamen sind zwar alle Vorna-men Teil des Namens. Allerdings reicht es für die Individuali-sierung regelmäßig aus, wenn nur der Rufnameausgeschrieben wird.32 Im Zusammenhang mit der Anschriftist die Person dann hinreichend individualisiert.

Wenn der Unternehmer Kaufmann ist, hat er seine Firmaanzugeben. Die Firma ist gemäß § 17 Abs. 1 HGB der Name,unter dem der Kaufmann seine Geschäfts betreibt. Die allei-nige Angabe der Firma ist ausreichend. Die Angabe des bür-gerlichen Namens bedarf es daneben nicht mehr, da derKaufmann gemäß § 17 Abs. 2 HGB auch unter der Firma ver-klagt werden kann.33 Zu beachten ist, dass der Rechtsform-zusatz gemäß § 19 HGB, § 4 AktG, § 4 GmbHG Bestandteilder Firma ist. Aus diesem Grunde muss auch stets der Rechts-formzusatz mitangegeben werden.34

II. Angabe des Vertretungsberechtigten

Bei juristischen Personen, Personenvereinigungen oder -grup-pen muss gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV ein Vertretungs-berechtigter angegeben werden. Anders als bei der Anbieter-kennzeichnung35 nach § 55 Abs. 1 RStV, § 5 Abs. 1 TMGbraucht es sich dabei nicht zwingend um den gesetzlichenVertreter handeln. Als ausreichend erachtet wird auch dieAngabe eines Prokuristen oder Generalbevollmächtigten.36

Auch beim Vertretungsberechtigten muss der Vorname aus-geschrieben werden. Nach dem KG stellt die Angabe einesabgekürzten Vornamens des Vertretungsberechtigten aberwettbewerbsrechtlich nur einen Bagatellverstoß dar.37

III. Angabe der Anschrift

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV sieht die Angabe der ladungsfähi-gen Anschrift des Unternehmers vor. Die Angabe eines Post-fachs reicht hierfür nicht aus,38 weil eine Ersatzzustellung anein Postfach nach §§ 180 f. ZPO nicht möglich ist. Aus die-sem Grunde müssen die Straße, die Hausnummer und derWohnort des Unternehmers angegeben werden. Wenn derUnternehmer über mehrere Niederlassungen verfügt, muss er

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25 KG, Beschl. v. 11.05.2007, Az.: 5 W 116/07, JurPC Web-Dok. 91/2007 Abs. 3, ab-rufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20070091.htm; LG Hamburg, Urt. v.11.05.2006, Az.: 327 O 196/06, JurPC Web-Dok. 67/2007, abrufbar unter:http://www.jurpc.de/rechtspr/20070067.htm; LG Traunstein, Urt. v. 18.05.2005,Az.: 1 HKO 5016/04, MMR 2005, 781; Kaestner / Tews, WRP 2004, 391, 396 f.

26 Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 16), S. 249, m. w. N.27 Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 16), S. 241.28 Säcker / Rixecker-Wendehorst, MünchKomm. zum BGB, 5. Aufl. 2007, § 312c Rn.

17.29 Palandt-Heinrichs / Ellenberger, a. a. O. (s. Fn. 1), § 12 Rn. 5.30 KG, Beschl. v. 13.02.2007, Az.: 5 W 34/07, JurPC Web-Dok. 41/2007, abrufbar un-

ter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20070041.htm.31 BGH, Urt. v. 31.10.2000, Az.: VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 887.32 Lorenz a. a. O. (s. Fn. 16), S. 141 in Bezug auf die Anbieterkennzeichnung.33 Lorenz, a. a. O. (s. Fn.16), S. 144 f. in Bezug auf die Anbieterkennzeichnung.34 Dauner-Lieb / Heidel / Ring-Ring, AnwaltKomm. BGB, 1. Aufl. 2005, § 1 BGB-In-

foV Rn. 8; Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 16), S. 144 ff. in Bezug auf die Anbieterkenn-zeichnung; Palandt-Grüneberg, a. a. O. (s. Fn. 1), § 1 BGB-InfoV Rn. 2.

35 Dazu Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 16), S. 148 f.36 Borges-Simon, a. a. O. (s. Fn. 15), S. 76 f.; Palandt-Grüneberg, a. a. O. (s. Fn. 1), § 1

BGB-InfoV Rn. 2; Säcker / Rixecker-Wendehorst, a. a. O. (s. Fn. 28), § 312c Rn. 20.37 KG, Beschl. v. 11.04.2008, Az.: 5 W 41/08, MIR 2008 Dok. 127, abrufbar unter:

http://miur.de/dok/1592.html.38 OLG Hamburg, Urt. v. 27.03.2003, Az.: 5 U 113/02, JurPC Web-Dok. 150/2003

Abs. 13, abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20030150.htm; Dauner-Lieb / Heidel / Ring-Ring, a. a. O. (s. Fn. 34), § 1 BGB-InfoV Rn. 17; Lorenz, a. a. O.(s. Fn. 16), S. 155 f. in Bezug auf die Anbieterkennzeichnung; Palandt-Grüneberg,a. a. O. (s. Fn. 1), § 1 BGB-InfoV Rn. 2; Säcker / Rixecker-Wendehorst, a. a. O. (s.Fn. 28), § 312c Rn. 20; Spindler / Schuster-Micklitz / Schirmbacher, Recht derelektronischen Medien, 2008, § 312c BGB Rn. 93.

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auch die Anschrift angeben, bei der der Verbraucher Bean-standungen vorbringen kann.39

IV. Angabe der Kommunikationsmittel

§ 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV sieht die Angabe von jeder ande-ren Anschrift vor, die für die Geschäftsbeziehung erheblichist. Mit dieser Formulierung ist gemeint, dass sämtliche rele-vanten Kommunikationsmittel anzugeben sind. Nach zutref-fender Ansicht müssen deshalb auch die Telefonnummer,Faxnummer und E-Mail-Adresse angegeben werden.40 EinUnternehmer braucht jedoch nur die Kommunikationsmittelanzugeben, über die er auch verfügt. Die Informationspflichtdes § 1 Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV geht nicht soweit, dass einUnternehmer verpflichtet wäre, sich ein Telefaxgerät anzu-schaffen.41 Die Angabe der E-Mail-Adresse wird man aller-dings bei eBay-Angeboten als zwingend ansehen müssen.Von Personen, die am Internethandel teilnehmen, kann manauch erwarten, dass sie über eine E-Mail-Adresse verfügen.Die Angabe der E-Mail-Adresse ist auch nicht etwa deshalbentbehrlich, weil über die eBay-Plattform dem Verkäufer eineE-Mail zugesandt werden kann.42 Die Möglichkeit eine Fragean den Verkäufer zu senden, besteht nur für registrierte Nut-zer. Es ist aber denkbar, dass auch nicht registrierte Nutzermit dem Verkäufer in Kontakt treten wollen, weil sie eineFrage zur Ware haben.

Bei Mehrwertrufnummern stellt sich zunächst die Frage, obderen Angabe überhaupt zulässig ist. Bei Premium-Diensten(0900er-Rufnummern), bei einigen Shared-Cost-Rufnum-mern (0180er-Rufnummern) und bei einigen MABEZ-Ruf-nummern (0137er-Rufnummern) entstehen erhebliche Tele-fonkosten, die teilweise an den Unternehmer abgeführt wer-den. Es ist fraglich, ob es dem Zweck der Informationspflichtentspricht, dass der Unternehmer mit der Telefonnummereinen Gewinn erzielt. Anders als bei der Anbieterkennzeich-nung43 nach § 55 Abs. 1 RStV, § 5 Abs. 1 TMG genügt bei § 1Abs. 1 Nr. 3 BGB-InfoV die Angabe einer Mehrwertrufnum-mer. Dass die BGB-InfoV von der Zulässigkeit der Angabeeiner Mehrwertrufnummer ausgeht, ergibt sich aus § 1 Abs. 1Nr. 11 BGB-InfoV. Die Vorschrift sieht nämlich vor, dass derUnternehmer den Verbraucher auf zusätzliche Kosten vonFernkommunikationsmitteln hinzuweisen hat. Eine solcheunterschiedliche Auslegung der Vorschriften ergibt sich auchaus dem Sinn und Zweck der Angabepflicht. Während dieAngaben im Rahmen der Anbieterkennzeichnung vor allenDingen der Möglichkeit der Rechtsverfolgung bei Rechtsver-stößen dienen, verfolgen die fernabsatzrechtlichen Informa-tionspflichten vorwiegend das Ziel, dem Käufer eine Kon-taktmöglichkeit bei Fragen zur Ware oder zu den Vertragsbe-dingungen zu ermöglichen. Wenn ein Internetnutzer jedocheinen Rechtsverstoß des Angebots rügen will, steht es demUnternehmer nicht zu, mit der telefonischen Beschwerdeauch noch Einnahmen zu erzielen. Anders verhält es sichjedoch, wenn der Käufer lediglich eine Frage zur Ware hat.

Unter zusätzliche Kosten sind unter Berücksichtigung vonArt. 4 Abs. 1 lit. g FARL44, Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. g FinFARL45

die Kosten zu verstehen, die über den üblichen Grundtarifhinausgehen.46 Das ist bei Premium-Diensten, einigen Sha-red-Cost-Rufnummern und einigen MABEZ-Rufnummern derFall, da sie mehr als ein normales Ferngespräch kosten. Ent-gegen dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 11 BGB-InfoV kann esnicht darauf ankommen, ob die Kosten durch den Unterneh-mer in Rechnung gestellt werden. Bei Mehrwertrufnummernwerden die Kosten durch den Telekommunikationsdienstleis-

ter des Verbrauchers in Rechnung gestellt und an den Unter-nehmer abgeführt. Im Wege einer richtlinienkonformen Aus-legung ist die Vorschrift dahingehend zu verstehen, dass dieInformationspflicht auch dann gilt, wenn die Kosten teil-weise, direkt oder indirekt an den Unternehmer abgeführtwerden.47 Art. 4 Abs. 1 lit. g FARL und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 lit.g FinFARL enthalten keine Beschränkung der Informations-pflicht auf die Fälle, in denen der Unternehmer die Kostenselber in Rechnung stellt. Dementsprechend müssen beiMehrwertrufnummern die Kosten angegeben werden, sofernsie über ein normales Ferngespräch hinausgehen. Das istallerdings nicht bei allen 0180er- und 0137er-Rufnummernder Fall.

Eine Pflicht zur Angabe der Kosten von Mehrwertrufnummernergibt sich auch aus § 66a TKG. Danach müssen die Kostengut lesbar, deutlich sichtbar und in unmittelbarem Zu-sammenhang mit der Rufnummer angegeben werden. Gleich-zeitig müssen die Verbraucher darauf hingewiesen werden,dass für Anrufe aus den Mobilfunknetzen abweichende Preisegelten. Nach § 66a S. 5 TKG muss der Festnetzpreis unter Hin-weis der Möglichkeit abweichender Preise für Anrufe aus denMobilfunknetzen angegeben werden.

V. Registerangaben

Unternehmer müssen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV dasöffentliche Unternehmensregister angeben, in das sie einge-tragen sind. Kaufleute müssen darüber informieren, in wel-ches Handelsregister sie eingetragen sind.48 Anzugeben istdas Amtsgericht, das das Handelsregister führt, und die jewei-lige Registernummer.

Das Gewerberegister, das von den Gewerbeämtern derGemeinden geführt wird, ist kein öffentliches Unterneh-mensregister im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 BGB-InfoV. Es istvon seiner Funktion her nicht mit einem öffentlichen Unter-nehmensregister vergleichbar.49 Öffentliche Unternehmens-register sind nur Register, die dem Rechtsverkehr dienen undöffentlichen Glauben genießen. Das Gewerberegister dientjedoch nicht dem Rechtsverkehr. Es dient zum einen wirt-schaftspolitischen Erwägungen und statistischen Erhebungenüber die Zahl und Art der in den Gemeinden vorhandenenGewerbebetriebe.50 Zum anderen dient es auch der polizei-lichen Gefahrenabwehr.

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39 Säcker / Rixecker-Wendehorst, a. a. O. (s. Fn. 28), § 312c Rn. 21.40 Dauner-Lieb / Heidel / Ring-Ring, a. a. O. (s. Fn. 34), § 1 BGB-InfoV Rn. 18; Pa-

landt-Grüneberg, a. a. O. (s. Fn. 1), § 1 BGB-InfoV Rn. 2; Säcker / Rixecker-Wende-horst, a. a. O. (s. Fn. 28), § 312c Rn. 20; a. A. Borges-Simon, a. a. O. (s. Fn. 15), S. 76;a. A. Spindler / Schuster-Micklitz / Schirmbacher, a. a. O. (s. Fn. 38), § 312c BGB Rn.94.

41 OLG Hamburg, Beschl. v. 05.07.2007, Az.: 5 W 77/07, MIR 2008 Dok. 065, abruf-bar unter: http://miur.de/dok/1529.html.

42 Borges-Winnacker, a. a. O. (s. Fn. 15), S. 64 in Bezug auf die Anbieterkennzeichnung.43 Dazu Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 16), S. 168 f.44 Richtlinie 97/7/EG vom 20.05.1997 über den Verbraucherschutz bei Vertragsab-

schlüssen im Fernabsatz, ABl. 1997 Nr. L 144 S. 19, zuletzt geändert durch die Richt-linie 2007/64/EG vom 13.11.2007, ABl. 2007 Nr. L 319 S. 1, konsolidierte Fassungabrufbar unter http://eur-lex.europa.eu.

45 Richtlinie 2002/65/EG vom 23.09.2002 über den Fernabsatz von Finanzdienst-leistungen an Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 90/619/EWG und derRichtlinien 97/7/EG und 98/27/EG, ABl. 2002 Nr. L 271 S. 16, zuletzt geändertdurch die Richtlinie 2007/64/EG vom 13.11.2007, ABl. 2007 Nr. L 319 S. 1, kon-solidierte Fassung abrufbar unter http://eur-lex.europa.eu.

46 Säcker / Rixecker-Wendehorst, a. a. O. (s. Fn. 28), § 312c Rn. 45.47 Säcker / Rixecker-Wendehorst, a. a. O. (s. Fn. 28), § 312c Rn. 11, 46.48 Dauner-Lieb / Heidel / Ring-Ring, a. a. O. (s. Fn. 34), § 1 BGB-InfoV Rn. 11; Sä-

cker / Rixecker-Wendehorst, a. a. O. (s. Fn. 28), § 312c Rn. 17.49 Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 16), S. 187 ff. in Bezug auf die Anbieterkennzeichnung.50 Begründung zum Gesetz zur Änderung der Titel II, III, IV und X der Gewerbeord-

nung, BT-Drs. 1/4170, 8 f.

Lorenz, Informat ionspf l ichten bei eBay | A U F S Ä T Z E

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51 Schulze, Internetauktionen aus vertraglicher und wettbewerbsrechtlicher Sicht,2004, S. 125.

52 BGH, Urt. v. 03.11.2004, Az.: VIII ZR 375/03, JurPC Web-Dok. 281/2004 Abs. 7 ff.,abzurufen unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20040281.htm.

53 Borges-Simon, a. a. O. (s. Fn. 15), S. 78 m. w. N.; Harte-Bavendamm / Henning-Bo-dewig-Völker, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), 2004, § 9 PAngVRn. 16; Hefermehl / Köhler / Bornkamm-Köhler, Gesetz gegen den unlauteren Wett-bewerb, 26. Aufl. 2008, § 9 PAngV Rn. 6; Kiparski, a. a. O. (s. Fn. 5), S. 96 f.; Leib-le / Sosnitza-Steinbeck, a. a. O. (s. Fn. 15), Rn. 540; Lindenberg, a. a. O. (s. Fn. 15), S.142 f.; Rother, a. a. O. (s. Fn. 15), S. 124 ff.; Schulze, a. a. O. (s. Fn. 51), S. 126 ff.; Spind-ler / Wiebe-Ernst, Internet-Auktionen und Elektronische Marktplätze, 2. Aufl. 2005,Kap. 3 Rn. 29 ff.; a. A. Scherzer, jurisPR-ITR 13/2007, Anm. 2 B.

54 Goldmann, a. a. O. (s. Fn. 5), S. 100.55 Borges-Simon, a. a. O. (s. Fn. 15), S. 78.56 A. A. Rother, a. a. O. (s. Fn. 15), S. 100.57 A. A. Rother, a. a. O. (s. Fn. 15), S. 126.58 Informationen von eBay zu „Sofort-Kaufen“, abrufbar unter: http://pages.

ebay.de/help/buy/buyer-bin.html (Stand: 29.05.2008).59 KG, Beschl. v. 11.05.2007, Az.: 5 W 116/07, JurPC Web-Dok. 91/2007 Abs. 5, ab-

rufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20070091.htm; OLG Hamburg, Urt.v. 15.02.2007, Az.: 3 U 253/06, JurPC Web-Dok. 45/2007, abrufbar unter:http://www.jurpc.de/rechtspr/20070045.htm; Schulze, a. a. O. (s. Fn. 51), S. 125.

60 Informationen von eBay zu „Anzeige”, abrufbar unter: http://pages.ebay.de/help/buy/buyer-ads.html (Stand: 29.05.2008).

61 KG, Beschl. v. 07.09.2007, Az.: 5 W 266/07, JurPC Web-Dok. 45/2008 S. 3 f., ab-rufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20080045.htm; LG Lübeck, Urt. v.22.04.2008, Az.: 11 O 9/08, MIR 2008 Dok. 171, abrufbar unter: http://miur.de/dok/1636.html.

62 OLG Hamm, Beschl. v. 28.03.2007, Az.: 4 W 19/07, MIR 2007 Dok. 162, abrufbarunter: http://miur.de/dok/664.html.

VI. Angabe des Preises der Ware

§ 1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV sieht vor, dass der Unternehmerden Verbraucher über den Gesamtpreis der Ware oder Dienst-leistung einschließlich der Umsatzsteuer informieren muss.Eine Verpflichtung den Endpreis einschließlich der Umsatz-steuer zu nennen, ergibt sich auch aus § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV.

1. Versteigerungen

Bei Versteigerungen besteht die Besonderheit, dass eine Infor-mation durch den Unternehmer vor Vertragsschluss gar nichtmöglich ist. Der Preis wird durch das Angebot des Bietendenbestimmt und steht erst nach Abgabe des Höchstgebots fest.Der Unternehmer kann lediglich den Start- bzw. Mindestpreismitteilen. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um denGesamt- bzw. Endpreis.51

§ 9 Abs. 1 Nr. 5 PAngV sieht vor, dass die PAngV nicht für Ver-steigerungen von Waren gilt. Der Begriff der Versteigerungwird auch in § 34b GewO und in § 156 BGB verwandt. Hin-sichtlich § 156 BGB hat der BGH entschieden, dass es sich beieBay-Auktionen nicht um Versteigerungen, sondern umeinen Verkauf gegen Höchstgebot handelt.52 Die h. L. gehtjedoch davon aus, dass die Ausnahmeregelung des § 9 Abs. 1Nr. 5 PAngV auch für Online-Versteigerungen gilt.53 Diesergibt sich entweder aus einer weiten Auslegung des Verstei-gerungsbegriffs oder aus einer analogen Anwendung des § 9Abs. 1 Nr. 5 PAngV. Demnach erfasst die Ausnahmeregelungsämtliche Fälle, in denen eine Preisfindung erst noch statt-findet und der Endpreis durch den Verbraucher bestimmtwird. Aus diesem Grunde besteht weder eine Verpflichtungzur Angabe des Preises aus § 1 Abs. 1 S. 1 PAngV noch aus § 1Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV.54

Auch die Angabe einer Preisberechnung ist nicht möglich, dasich der Preis nicht aus einer bestimmten Menge berechnenlässt.55 Er wird ausschließlich durch das Höchstgebotbestimmt und lässt sich auch nicht über den Startpreis unddie Höhe der Bietschritte berechnen.56 Es kann sich damitnur die Frage stellen, ob der Unternehmer gemäß § 1 Abs. 2S. 1 Nr. 1 PAngV, § 1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV verpflichtet ist,darauf hinzuweisen, dass das Angebot des Käufers dieUmsatzsteuer enthält. Eine solche Verpflichtung bestehtjedoch nur, wenn der Unternehmer selber einen Preis nennt.Hier wird der Preis jedoch durch das Angebot des Käufers fest-gelegt, sodass keine dementsprechende Verpflichtungbesteht.

Eine andere Frage ist, ob es zulässig ist, dass der Verkäuferdarauf hinweist, dass das Angebot des Käufers lediglich denNettopreis darstellt. Diese Frage wird man vor dem Schutz-zweck des § 1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV verneinen müssen.57 Eswürde dem Verbraucherschutz zu wider laufen, wenn derUnternehmer die Umsatzsteuer als versteckte Kosten nochauf das Angebot des Käufers aufschlägt. Daran ändert auchein ausdrücklicher Hinweis des Unternehmers nichts, da einesolche Verfahrensweise derart ungewöhnlich ist, dass ein Ver-braucher damit nicht zu rechnen braucht.

2. Sofortkäufe und Anzeigen

Anders verhält es sich jedoch, wenn Angebote mit der Option„sofort kaufen“ oder „sofort & neu“ angeboten werden. Indiesen Fällen findet kein Verkauf gegen Höchstgebot statt.Die Artikel werden vielmehr zu einem Festpreis zum Direkt-kauf angeboten.58 In diesen Fällen findet § 1 Abs. 1 Nr. 7

BGB-InfoV, § 1 PAngV Anwendung.59 Auch wenn Unterneh-mer Artikel als „Anzeige“ einstellen, findet § 1 PAngV Anwen-dung. Anzeige-Artikel dienen der Werbung für einenbestimmten Artikel, ohne dass eine Ersteigerung oder einDirektkauf des Artikels möglich ist.60

In diesen Fällen hat der Unternehmer den Verbrauchern denGesamt- bzw. Endpreis mitzuteilen. Es muss damit der Preiseinschließlich der Umsatzsteuer genannt werden. Gleichzei-tig muss der Unternehmer nach § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 PAngV, §1 Abs. 1 Nr. 7 BGB-InfoV darauf hinweisen, dass der genann-te Preis die Umsatzsteuer enthält. Bei eBay-Angeboten be-steht die Möglichkeit, den Hinweis „inkl. MwSt.“ unter demPreis anzuzeigen.

VII.Angabe der Liefer- und Versandkosten

Der Unternehmer muss Verbraucher gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 8BGB-InfoV, § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 PAngV auf anfallende Liefer-und Versandkosten hinweisen. Das ist dann problematisch,wenn der Versand der Waren in das Ausland zugelassen wird.Für den Versand von Waren in das Ausland können erhebli-che Versandkosten entstehen. Wenn der Versand in das Aus-land zugelassen wird, muss der Unternehmer vorher über diefür das Ausland entstehenden Versandkosten informieren,sofern er höhere Versandkosten als für einen Versand imInland berechnen will.

Umstritten ist die Frage, ob der Verstoß gegen § 1 Abs. 2 S. 1Nr. 2 PAngV wettbewerbsrechtlich relevant ist. Nach einerAnsicht handelt es sich bei der fehlenden Angabe der Aus-landsversandkosten nur um einen Bagatellverstoß.61 Dage-gen begründet nach Auffassung des OLG Hamm die fehlendeAngabe einen Wettbewerbsverstoß.62

VIII. Widerrufsbelehrung

Unternehmer haben Verbraucher gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 10BGB über ihr Widerrufsrecht nach §§ 312d, 355 BGB zubelehren. Die Ausnahme des § 312d Abs. 4 Nr. 5 BGB,wonach eine Belehrung bei Versteigerungen im Sinne des§ 156 BGB nicht erforderlich ist, findet auf eBay-Auktionen

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keine Anwendung.63 Bei eBay-Auktionen handelt es sichnicht um Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB, sondernum einen Verkauf gegen Höchstgebot.64

Am 01.04.2008 ist eine Neufassung des Musters für dieWiderrufsbelehrung der Anlage 2 BGB-InfoV in Kraft getre-ten.65 Für eBay-Angebote hat eBay eine darauf basierendeMuster-Widerrufsbelehrung veröffentlicht.66

IX. Angabe zu Gewährleistungsansprüchen

§ 1 Abs. 4 Nr. 3 lit. b BGB-InfoV sieht vor, dass der Unter-nehmer Verbraucher über seinen Kundendienst und die gel-tenden Gewährleistungs- und Garantiebedingungen zuunterrichten hat. Von den Gewährleistungs- und Garantiebe-dingungen werden nur rechtsgeschäftlich vereinbarte Bedin-gungen erfasst. Auf das Bestehen der gesetzlichen Gewähr-leistungsansprüche nach §§ 437 ff. BGB braucht der Verbrau-cher nach dem BGH nicht gesondert hingewiesen werden.67

X. Angaben zum Vertragsschluss

Bei eBay-Angeboten braucht der Unternehmer nicht nach§§ 1 Abs. 1 Nr. 4, 3 Nr. 1-3 BGB-InfoV Informationen überden Vertragsschluss bereitstellen.68 Die Informationspflichtwird bereits durch eBay erfüllt. In §§ 10 ff. AGB ist beschrie-ben, wie ein Vertrag zwischen Käufer und Verkäufer zustandekommt. Dieses Verfahren haben alle Mitglieder durch ihreRegistrierung und den mit eBay abgeschlossenen Vertragakzeptiert. Insofern wird überwiegend davon ausgegangen,dass eBay als Erfüllungsgehilfe im Sinne des § 278 BGB fürden jeweiligen Verkäufer handelt. Auch ein ausdrücklicherVerweis des Unternehmers auf die Allgemeinen Geschäftsbe-dingungen von eBay ist nicht erforderlich. Die Mitgliedersind insofern nicht schutzbedürftig, da ihnen der Verfah-

rensablauf bei eBay bekannt ist. Ebenso wenig ist es erforder-lich, dass der Unternehmer darauf hinweist, dass die Abgabeeines Gebotes ein vertraglich bindendendes Angebot für denVerbraucher darstellt.69

D. Fazit

Auch wenn eBay zahlreiche Informationspflichten für denVerkäufer erfüllt bzw. die Erfüllung durch vorgegebene Ein-gabemasken sicherstellt, verbleiben eine ganze Reihe vonInformationspflichten für Unternehmer, deren Verletzungdie Gefahr einer kostspieligen Abmahnung mit sich bringt. Innächster Zeit darf insbesondere mit Spannung erwartet wer-den, ob die neue Muster-Widerrufsbelehrung den gesetz-lichen Anforderungen genügt.

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63 Sosnitza, VuR 2007, 172.64 BGH, Urt. v. 03.11.2004, Az.: VIII ZR 375/03, JurPC Web-Dok. 281/2004 Abs. 7 ff.,

abrufbar unter: http://www.jurpc.de/rechtspr/20040281.htm; Sosnitza, VuR 2007,143, 144.

65 Dritte Verordnung zur Änderung der BGB-Informationspflichten-Verordnung vom04.03.2008, BGBl. I 2008, 292.

66 Informationen von eBay zur Widerrufsbelehrung, abrufbar unter:http://pages.ebay.de/rechtsportal/widerrufsbelehrung.html (Stand: März 2008).

67 BGH, Urt. v. 04.10.2007, Az.: I ZR 22/05, MIR 2008 Dok. 145 Abs. 35 f., abrufbarunter: http://miur.de/dok/1610.html; a. A. Säcker / Rixecker-Wendehorst, a. a. O.(s. Fn. 28), § 312c Rn. 66.

68 LG Lübeck, Urt. v. 22.04.2008, Az.: 11 O 9/08, MIR 2008 Dok. 171, abrufbar un-ter: http://miur.de/dok/1636.html; LG Frankenthal, Urt. v. 14.2.2008, Az.: 2 HK O175/07, JurPC Web-Dok. 117/2008 S. 7 f., abrufbar unter:http://www.jurpc.de/rechtspr/20080117.htm; Borges - Dohmgoergen, a. a. O. (s.Fn. 15), S. 90 f.; Goldmann, a. a. O.. (s. Fn. 5), S. 101 f.; Heukrodt-Bauer ,MIR 2008Dok. 070 Rn. 13, abrufbar unter: http://miur.de/dok/1527.html; Kaestner/Tews,WRP 2004, 391, 398; Kiparski, a. a. O. (s. Fn. 5), S. 177 ff.; Leible / Sosnitza-Hoff-mann, a. a. O. (s. Fn. 15), Rn. 251; Rother, a. a. O. (s. Fn. 15), S. 99, 143 ff.; Schulze,a. a. O. (s. Fn. 51), S. 75, 81 ff.; Spindler / Wiebe-Wiebe, a. a. O. (s. Fn. 53), Kap. 4Rn. 110 ff.

69 Kaestner / Tews WRP 2004, 391, 398; a. A. Borges - Simon, a. a. O. (s. Fn. 15), S. 77.

Zscherpe, Direktmarket ing per E-Mai l – Wie können Unterneh. recht l . e inwandfre i vorgehen? | A U F S Ä T Z E

1 LG Traunstein, NJW 1998, 1648 m. Anm. Ernst, NJW-CoR 1997, 494.2 Vgl. nur LG Berlin MMR 1999, 43 ff.; LG Hamburg WRP 1999, 250 f.3 BGH GRUR 2004, 517 ff. = MMR 2004, 386 ff. = NJW 2004, 1655 ff. („E-Mail-Wer-

bung“).

Direktmarketing per E-Mail – Wie könnenUnternehmen rechtlich einwandfrei vorgehen?Von Rechtsanwältin Dr. Kerstin A. Zscherpe, Licenciée en Droit, München

Obwohl es schon seit dem Jahre 2004 klare gesetzliche Re-geln für die Zulässigkeit von Direktmarketing-Maßnahmenper E-Mail gibt, werden diese von vielen Unternehmen nichtoder nicht ausreichend beachtet. Vor dem Hintergrund, dassdas Versenden unzulässiger E-Mail-Werbung wettbewerbs-rechtlich im Wege der Unterlassungs-, Beseitigungs- und /oder Schadenersatzklage geahndet werden kann, können hierinsbesondere „Abmahnwellen“ drohen, wie sie im Bereich desFile-Sharing, der Impressumsangabe auf Webseiten und zurWiderrufbelehrung nach den Fernabsatzvorschriften bereitsaufgetreten sind. Entsprechend wird es für Unternehmen im-mer wichtiger, den Rechtsrahmen für zulässige E-Mail-Wer-bung zu kennen und sich danach zu richten. Im nachfolgen-den Beitrag werden die geltenden Regeln aufgezeigt undanhand praktischer Beispiele ausgeführt, wie diese eingehal-ten werden können.

A. Wann ist das Versenden von Werbe-E-Mailszulässig?

Bereits im Jahre 1997 hatte sich das Landgericht Traunsteinmit der Frage befasst, wann die Versendung von Werbe-E-Mails zulässig ist, und geurteilt, dass Privatpersonen hierzuihre vorherige Einwilligung geben müssten.1 Diese Auffas-sung wurde in der Folge zur gefestigten Rechtsprechung derGerichte,2 die schließlich durch den BGH bestätigt wurde.3

Eine gesetzliche Normierung dieses Prinzips erfolgte im Zugeder UWG-Reform im Jahre 2004: In Umsetzung der EG-Richt-

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4 Richtlinie 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und des Schutzes der Pri-vatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie fürelektronische Kommunikation) ABl. 2002 Nr. L 201/37, abzurufen unter:http://eurlex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2002:201:0037:0047:DE:PDF (zuletzt abgerufen am 25.06.2008).

5 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 03.07.2004, BGBl. I S. 1414, zu-letzt geändert durch Gesetz v. 21.12.2006, BGBl. I S. 3367.

6 § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG verwendet den Begriff „elektronische Post“, unter den auchE-Mails fallen, vgl. OLG Hamburg, WRP 2007, 1246, 1247; Hefermehl/Köhler/Born-kamm, Kommentar Wettbewerbsrecht, 26. Aufl. 2008, § 7 Rn. 79.

7 OLG Hamburg, WRP 2007, 1246, 1247 f.; Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s.Fn. 6), § 7 Rn. 73.

8 BGH GRUR 2004, 517, 519 („E-Mail-Werbung“).9 Ebenso Splittgerber/Zscherpe/Goldmann, WRP 2006, 178, 179, a. A. Hefermehl/Köh-

ler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 44.10 Die Möglichkeit der konkludenten Einwilligung soll im Zuge einer Reform des

UWG gestrichen und nur noch die ausdrückliche Einwilligung zugelassen wer-den, vgl. Art. 1 Ziff. 8 des Gesetzentwurfs der Bundesregierung „Erstes Gesetz zurÄnderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb“, abzurufen unter:www.bmj.bund.de/files//3158/RegE%20Erstes%20Gesetz%20zur%20Ände-rung%20des%20Gesetzes%20gegen%20den%20unlauteren%20Wettbewerb.pdf(zuletzt abgerufen am 25.06.2008), den das Bundeskabinett am 21.05.2008 be-schlossen hat, vgl. Pressemitteilung des BMJ vom 21.05. 2008, abzurufen unter demStichpunkt Pressemitteilungen auf der Seite der BMJ.

11 BGH GRUR 2004, 517, 518 („E-Mail-Werbung“); Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. aO. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 73/85; Schmittmann/Lorenz, K&R 2007, 609, 610.

12 LG Berlin, K&R 2007, 56 f. (Bereithalten eines Internetkontaktformulars), LGMainz, Urt. v. 27.03.2007, Az. 10 HK O 2/07 (Messe-Ausstellerverzeichnis), red. Leit-satz in WRP 2007, 1019; Fezer-Mankowski, UWG, § 7 Rn. 104; Hefermehl/Köh-ler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 73; Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn.11), 609, 610.

13 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 73 sprechen hier zutref-fend von der Unzulässigkeit einer „Generaleinwilligung“.

14 Begründung zum UWG, BT-Drs. 15/1487, S. 21; ebenso OLG Bamberg, Urt. v.6.09.2006, Az.: 3 U 363/05, Leitsätze abzurufen unter :http://medien-internet-und-recht.de/volltext.php?mir_dok_id=519 (zuletzt abgerufen am 25.06.2008).

15 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 44; Splittgerber/Zscher-pe/Goldmann, WRP 2006, 178. 179.

16 Ausführlich zur AGB-Kontrolle Splittgerber/Zscherpe/Goldmann, a. a. O. (s. Fn. 15),179 f.

17 Fezer-Mankowski , a. a. O. (s. Fn. 12), § 7 Rn. 63.

linie zum Datenschutz in der elektronischen Kommunika-tion 2002/584 wurde das generelle Verbot der Versendungvon Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwilligung in § 7UWG5 festgeschrieben.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist es unzulässig, einen ande-ren Marktteilnehmer dadurch unzumutbar zu belästigen, dassman ihm Werbung zukommen lässt, obwohl erkennbar ist,dass er diese nicht wünscht (§ 7 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UWG).Das Gesetz präzisiert weiterhin, dass bei Werbe-E-Mails einesolche unzulässige Belästigung stets dann anzunehmen ist,wenn die E-Mails verschickt werden, ohne dass der Empfängerin deren Empfang eingewilligt hat (§ 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG).6

Dies bedeutet umgekehrt, dass das Versenden von Werbe-E-Mails zulässig ist, wenn die Empfänger zuvor ihre entspre-chende Einwilligung erteilt haben. Damit wird die Einwilli-gung zum wesentlichen Kriterium für die Zulässigkeit, sofernnicht ausnahmsweise die Sonderregelung des § 7 Abs. 3UWG eingreift.

I. Einwilligung

Die Einwilligung dient nach dem eindeutigen Willen desGesetzgebers als „Legitimation“ bzw. Rechtfertigung für dieZusendung von an sich unzulässiger E-Mail-Werbung. Ent-sprechend sind an ihr Vorliegen strenge Anforderungen zustellen7, die der Versender der entsprechenden Werbe-E-Mailim Streitfall zu beweisen hat.8

Das Gesetz definiert die Einwilligung als vorherige einseitigeZustimmungserklärung (vgl. § 183 Satz 1 BGB).9 Nicht aus-reichend ist daher eine nur nachträgliche Einverständniser-klärung zum Erhalt von Werbe-E-Mails oder eine bloße Billi-gung solcher E-Mails – und zwar unabhängig davon, ob sieallgemein für die Vergangenheit und Zukunft oder nur bezo-gen auf eine einmal empfangene Werbe-E-Mail erteilt wird.

Die Einwilligung muss „für den konkreten Fall“ und „inKenntnis der Sachlage“ ausdrücklich oder konkludent (alsodurch eindeutiges, schlüssiges Handeln)10 erklärt werden.11

Der potenzielle Empfänger von Werbe-E-Mails muss alsozweifelsfrei zum Ausdruck bringen, dass er mit dem Empfangvon Werbe-E-Mails zu einem bestimmten Thema oder voneinem bestimmten Absender einverstanden ist. Dies setztvoraus, dass er vorher über Art und Umfang der geplantenWerbemaßnahmen informiert wurde und dann sein entspre-chendes Einverständnis deutlich manifestiert hat, beispiels-weise durch seine Unterschrift oder Ankreuzen eines entspre-chenden Kästchens in einem Online-Formular.

Für eine Einwilligung nicht ausreichend ist insbesondere dieöffentliche Bekanntmachung der E-Mail-Adresse, z. B. aufBriefbögen oder Visitenkarten, im Impressum von Websitesoder im Rahmen von Blogs.12 Zum einen fehlt hier der Bezugzu einem konkreten Sachverhalt, zum anderen beabsichtigendie Betroffenen eindeutig nicht, durch die Veröffentlichungihrer Kontaktdaten umfassend und gegenüber jedermanndem Erhalt von Werbe-E-Mails zuzustimmen.13

Eine nur mutmaßliche Einwilligung ist ebenfalls nicht wirk-sam, weil hier unklar ist, ob der Betroffene die konkretenWerbe-E-Mails auch wirklich erhalten will. Entsprechendsind „vor-angekreuzte“ Kästchen in einem Gewinnspiel oderOnline-Formular, bei denen der Betroffene das gesetzte Häk-chen entfernen müsste, wenn er keine E-Mail-Werbungwünscht, oder die in England und den USA gebräuchlichenWendungen „sofern Sie nicht widersprechen, nehmen wir

an, dass Sie Werbe-E-Mails von uns erhalten möchten“ nichtausreichend. Dies gilt nach dem ausdrücklichen Willen desGesetzesgebers, nicht nur in Bezug auf Verbraucher bzw. Pri-vatpersonen, sondern auch für Kaufleute und Kontaktperso-nen in Unternehmen,14 da anders als bei der Regelung zurTelefonwerbung in § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, nicht zwischenVerbrauchern und „anderen Marktteilnehmern“ (Unterneh-men) unterschieden wird.

Eine Einwilligung kann grundsätzlich formfrei erteilt werden,sodass es theoretisch denkbar ist, dass der Betroffene am Tele-fon (z. B. während eines Kundengesprächs) zustimmt. AusBeweisgründen und zur Vorbeugung von Missverständnissenund Streitigkeiten ist es allerdings ratsam, eine mündlicherteilte Einwilligung schriftlich bestätigen zu lassen oder dieEinwilligung insgesamt schriftlich einzuholen.15

Vorgaben hinsichtlich des Inhalts der Einwilligungserklärungmacht das UWG nicht; generell muss der Betroffene aller-dings über Art und Umfang der geplanten Werbemaßnah-men aufgeklärt werden, damit er die Sachlage kennt, der erzustimmen soll. Bei vorformulierten Einwilligungserklärun-gen sind außerdem die Vorgaben der AGB-Kontrolle gemäߧ§ 305 ff. BGB zu beachten.16 Daraus ergibt sich insbeson-dere, dass die Einwilligungserklärung nicht in anderen ver-traglichen Regelungen „versteckt“ werden darf, sondern vonihnen räumlich, optisch und textlich getrennt werdenmuss.17 Im Übrigen sollte die Einwilligung so konkret wiemöglich gefasst werden, um ggf. unwirksame generalklausel-artige Formulierungen zu vermeiden und den Betroffenenklar zu informieren, worauf er sich einlässt. Entsprechendsollten mindestens Angaben zur Identifikation des Werben-den, über Art, Inhalt und Umfang der geplanten Werbung

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und ggf. hinsichtlich der Weitergaben der E-Mail-Adresse anGeschäftspartner gemacht werden.18

Sonderproblem: Bestellung von Newslettern

Ein Sonderproblem, das bis heute die Gerichte beschäftigt, istdie Bestellung von Informations- oder Produktnewslettern.

Da es grundsätzlich für jedermann möglich ist, einen E-Mail-Newsletter für sich selbst oder einen anderen zu abonnieren,indem man seine eigene oder eine fremde E-Mail-Adresse indas entsprechende Internetformular einträgt, musste einMechanismus gefunden werden, der einen Missbrauch dieserAbonnementsmöglichkeit zulasten von unbeteiligten Drittenverhindert. Hierfür wurde von den Gerichten das sog. „Dou-ble Opt-In“-Verfahren entwickelt: Nach Bestellung des News-letters wird an die bei der Bestellung angegebene Adresse eineE-Mail geschickt, in der die Newsletter-Bestellung bestätigt,und der Empfänger der E-Mail gebeten wird, seine Zustim-mung zum Erhalt des (scheinbar) bestellten Newsletters zubestätigen, z. B. durch Anklicken eines Links oder Zurück-senden einer entsprechenden E-Mails.

Für den Fall, dass die Empfänger-Adresse missbräuchlich voneinem Dritten in die Newsletter-Verteilerliste eingetragenwurde und der Empfänger somit eine Bestätigungs-E-Mailerhält, ohne dies veranlasst oder sonst eingewilligt zu haben,wurden die Gerichte mit der Frage konfrontiert, ob bereits dieZusendung dieser E-Mail unzulässig ist. Nach dem Vorgesag-ten und der wörtlichen Anwendung von § 7 Abs. 2 Nr. 3UWG wäre die Bestätigungs-E-Mail, die offensichtlich ohneEinwilligung des Empfängers verschickte wurde, unzulässig.Dieses Ergebnis vermag allerdings nicht zu befriedigen, dadas Zusenden der Bestätigungs-E-Mail gerade dem Schutz desBetroffenen dient: Erst seine Gegenbestätigung würde dieZusendung des in der Regel nicht gewünschten Newslettersauslösen; antwortet er nicht, erhält er den Newsletter auchnicht.

Entsprechend haben auch die Gerichte geurteilt, dass das Ver-senden unverlangt verschickter Bestätigungs-E-Mails keineunzulässige Beeinträchtigung darstellt, weil solche Bestäti-gungs-E-Mails gerade dem Zweck dienen, den unbefugtenEintrag von E-Mail-Adressen in einen Newsletter-Verteiler zuverhindern.19 Insofern sei die unverlangt verschickte Bestäti-gungs-E-Mail im Ergebnis als – durch das Tun eines Dritten –fehlgeleitete Nachricht anzusehen, deren „Belästigungsfak-tor“ nicht höher sei als bei einem falsch adressierten Briefund entsprechend als „sozialadäquate Belästigung“ dafürhinzunehmen sei, dass der Empfänger durch das Einrichteneiner E-Mail-Adresse am E-Mail-Verkehr teilnehme.20

II. Ausnahme nach § 7 Abs. 3 UWG

Sofern keine Einwilligung des Empfängers vorliegt, ist dasZusenden einer Werbe-E-Mail gemäß § 7 Abs. 3 UWG aus-nahmsweise zulässig, wenn kumulativ die nachfolgendenVoraussetzungen vorliegen:– der Versender hat die E-Mail-Adresse der Empfängers im Zu-

sammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleis-tung erhalten;

– der Versender verwendet die E-Mail-Adresse dafür, Direkt-werbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistungenzu machen;

– der Empfänger hat einer solchen Verwendung seiner E-Mail-Adresse nicht widersprochen; und

– der Empfänger wurde bei der Erhebung der E-Mail-Adresseund jeder Verwendung auf sein Widerspruchsrecht hinge-wiesen.

Hintergrund für diese Ausnahmeregelung ist der Gedanke,dass der Kunde in einer bestehenden GeschäftsbeziehungInformationen über ähnliche Waren und Dienstleistungennicht als „Belästigung“ sondern als nützliche oder sogar will-kommene Zusatzinformation auffasst, sodass die Informationletztlich in seinem Interesse erfolgt.21 Allerdings ist die Aus-nahmeregelung auch aus genau diesem Grund und zumSchutz des Empfängers vor nicht-ähnlicher Werbung eng aus-zulegen.22

Bei der Beurteilung, ob die Ausnahmeregelung im Einzelfalleingreift, bereiten vor allem die ersten beiden Voraussetzun-gen Schwierigkeiten, während bei den letzten beiden Voraus-setzungen meistens eindeutig zu bestimmen ist, ob sie erfülltwurden oder nicht.

1. Erhalt der Adresse im Zusammenhang mit dem Verkauf ei-ner Ware oder Dienstleistung

Der Erhalt der E-Mail-Adresse „im Zusammenhang mit demVerkauf einer Ware oder Dienstleistung“ setzt zunächst vo-raus, dass der Werbende die Adresse vom E-Mail-Adressatenerhalten hat – sei es unmittelbar (z. B. im Zuge einer Bestel-lung per E-Mail) oder auf Anfrage („bitte teilen Sie uns Ihre E-Mail mit, damit wir Sie über den Status ihrer Bestellung infor-mieren können“);23 nicht ausreichend ist, wenn sich derWerbende die E-Mail-Adresse anderweitig beschafft oder sieerrät (beispielsweise, weil er andere E-Mail-Adresse im Unter-nehmen kennt).

Weiterhin muss ein „Verkauf“ vorliegen. Erforderlich hierfürist nach dem Willen des Gesetzgebers ein Austauschvertrag,bei dem eine Waren- oder Dienstleistungslieferung gegenGeld erfolgt; dies trifft insbesondere auf den Kauf, aber auchauf Werk- und Werklieferungsverträge zu.24 Kein „Verkauf“liegt demnach vor, wenn lediglich unentgeltliche Leistungenerbracht werden.25 Damit dürfen insbesondere E-Mail-Adres-sen, die im Rahmen von reinen Informationsdiensten, wie z.B. E-Mail-Newslettern, oder aufgrund einer Teilnahme aneinem Gewinnspiel erlangt wurden, nicht für Werbezweckeverwendet werden.

Zwischen dem Verkauf und dem Erlangen der E-Mail-Adressedes Adressaten muss schließlich ein enger sachlicher undzeitlicher Zusammenhang bestehen. Dafür kann es aufgrunddes eindeutigen Wortlautes des Gesetzes („im Zusammen-hang mit dem Kauf“) nicht ausreichend sein, dass der Kundesich lediglich über eine Ware oder Dienstleistung informiertoder vorvertragliche Verhandlungen mit dem Werbenden

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18 So bereits Splittgerber/Zscherpe/Goldmann, a. a. O. (s. Fn. 15), 179.19 AG München, NJW-RR 2007, 547, 548 unter Verweis auf OLG München MMR

2004, 324 ff.; AG Hamburg, Urt. v. 11.10.2006, Az.: 6 C 404/06, abzurufen unter:http://www.haerting.de/downloads/pdfs/AG_Hamburg_6_C_404_06.pdf; LG Ber-lin, Urt. v. 23.01.2007, Az.: 15 O 346/06, abzurufen unter http://medien-internet-und-recht.de/pdf/VT_MIR_2007_259.pdf (alle zuletzt abgerufen am 25.06.2008).

20 LG Berlin, Urt. v. 23.01.2007, Az. 15 O 346/06, abrufbar unter: http://medien-internet-und-recht.de/pdf/VT_MIR_2007_259.pdf (zuletzt abgerufen am 25.062008).

21 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 86.22 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 86.23 Hefermehl/Köhler/Bornkamm a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 88.24 Fezer-Mankowski , a. a. O. (s. Fn. 12), § 7 Rn. 132; Splittgerber/Zscherpe/Gold-

mann, a. a. O. (s. Fn. 15), 178, 181; für die generelle Zulässigkeit aller Arten vonAustauschverträgen Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 88.

25 Splittgerber/Zscherpe/Goldmann, a. a. O. (s. Fn. 15), 181.

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26 So die wohl h. Lit., vgl. Fezer-Mankowski , a. a. O. (s. Fn. 12), § 7 Rn. 124;Splittgerber/Zscherpe/Goldmann, a. a. O. (Fn. 15), 178, 181; a. A. Hoeren, DuD2004, 611, 613; Leistner/Pohlmann WRP 2003, 817, 822.

27 Fezer-Mankowski , a. a. O. (s. Fn. 12), § 7 Rn. 124.28 Fezer-Mankowski , a. a. O. (s. Fn. 12), § 7 Rn. 126 f.29 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 88.30 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6),, § 7 Rn. 89.31 Splittgerber/Zscherpe/Goldmann, a. a. O. (s. Fn. 15), 178, 181; in diese Richtung

auch Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 89.32 Splittgerber/Zscherpe/Goldmann, a. a. O. (s. Fn. 15), 178, 181.33 Beispiel in Anlehnung an Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7

Rn. 89.34 Fezer-Mankowski , a. a. O. (s. Fn. 12), § 7 Rn. 137; Hefermehl/Köhler/Bornkamm,

a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 89.35 BT-Drs. 16/3078, S. 15.36 Kitz, DB 2007, 385, 388; Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 11), 614.37 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 94.38 Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 11), 614.39 Fezer-Mankowski , a. a. O. (s. Fn. 12), § 7 Rn. 109 ff.; Schmittmann/Lorenz, a.

a. O. (s. Fn. 11), 614.40 Hefermehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), § 7 Rn. 94; Schmittmann/Lorenz,

a. a. O. (s. Fn. 11), 614.41 Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 11), 614; in diese Richtung auch Hefer-

mehl/Köhler/Bornkamm, a. a. O. (s. Fn. 6), Wettbewerbsrecht, § 7 Rn. 94.

geführt hat, ein Kaufabschluss letztlich jedoch nicht zustan-de gekommen ist.26 Denn wenn ein Kaufabschluss fehlt, istunklar, ob der Kunde überhaupt weiterhin eine Verbindungmit seinem potentiellen Vertragspartner haben möchte,sodass es an einer bestehenden Geschäftsbeziehung fehlt.Zudem besteht sonst die Gefahr, dass Vertragsverhandlungenvom später Werbenden nur scheinbar geführt und in Wirk-lichkeit missbräuchlich zum „Sammeln“ von E-Mail-Adres-sen genutzt werden.27

Ein sachlicher und zeitlicher Zusammenhang mit dem Ver-kauf ist nicht nur gegeben, wenn die E-Mail-Adresseunmittelbar beim Verkauf erlangt wird, sondern auch, wennsie erst im Anschluss daran im Rahmen der Vertragsdurch-führung vom Adressanten weitergegeben wird,28 beispiels-weise bei der Abwicklung eines nachvertraglichenGewährleistungsanspruchs des Kunden. Erforderlich ist aller-dings, dass sie vom Empfänger bewusst zu Kommunikations-zwecken weitergegeben und nicht bloß „per Zufall“ vomWerbenden in Erfahrung gebracht wird. Nicht ausreichendist hingegen vermutlich, wenn der Kunde von einem bereitsgeschlossenen Vertrag zurücktritt und seine E-Mail-Adressebei diesem Rücktritt kundtut; denn in diesem Fall fehlt esgerade an der vom Gesetz angenommenen bestehenden Kun-denbeziehung.29

2. Werbung für eigene ähnliche Waren oder Dienstleistung

Der Werbende darf nur für „eigene ähnliche Waren oderDienstleistungen“ werben. Damit ist nicht nur die Werbungfür Waren Dritter (einschließlich Konzernunternehmen) unddie Weitergabe der E-Mail-Adresse an Dritte (einschließlichKonzernunternehmen) ausgeschlossen30 sondern auch dieWerbung für alle Waren und Dienstleistungen, die der Ver-kauften nicht „ähnlich“ sind.

Wann Waren oder Dienstleistungen aneinander ähnlich sind,wird maßgeblich nach dem konkreten Verwendungszweckder Ware oder Dienstleistung zu bestimmen sein (sog. Substi-tuierbarkeit von Funktionsweise und Verwendungszweck).31

Entscheidend ist somit, ob die bereits verkaufte Ware oderDienstleistung aus Sicht eines durchschnittlichen Verbrau-chers durch die nunmehr beworbene Ware oder Dienstlei-stung ersetzt werden könnte, also hinsichtlich ihrer Verwen-dung Austauschbarkeit besteht.32 Daher ist nach derBuchung einer Flugreise beispielsweise Werbung für andereFlugreisen zulässig33 oder nach dem Kauf eines Laptops Wer-bung für Desktop-Computer.

Nach dem oben beschriebenen Sinn und Zweck der Ausnah-meregelung muss es ferner erlaubt sein, Werbematerial überErsatz- oder Ergänzungsleistungen zu den bereits verkauftenWaren oder Dienstleistungen zu versenden.34 Daher ist beieinem Kauf einer Flugreise beispielsweise Werbung für eine Rei-serücktrittskostenversicherung oder einen Reiseführer zulässig,bei dem Kauf eines Laptops Werbung für Peripheriegeräte wieMaus, Drucker oder Scanner. Umgekehrt wäre Werbung fürStädte- oder Schiffsreisen sowie für Fernseher oder Haushaltsge-räte nicht mehr vom Ausnahmetatbestand gedeckt.

B. Welche Voraussetzungen hinsichtlich ihrerDarstellung müssen erlaubte E-Mails zusätzlicherfüllen?

Sofern das Senden von Werbe-E-Mails entweder aufgrundEinwilligung der Betroffenen oder aufgrund des Ausnahme-

tatbestandes in § 7 Abs. 3 UWG erlaubt ist, sind in Bezug aufdie Darstellung und Gestaltung der E-Mails bestimmte Kenn-zeichnungspflichten zu beachten.

I. Erkennbarkeit des Absenders und des kommerziellen Cha-rakters

Nach § 7 Abs. 2 Nr. 4 UWG und § 6 TMG dürfen Werbe-E-Mails nicht anonym geschickt werden und ihr Absender undkommerzieller Charakter müssen erkennbar sein. Solltendiese Angaben fehlen oder irreführend formuliert sein, soführt das zur Unzulässigkeit, der an sich zunächst erlaubtenWerbe-E-Mail.

Zweck dieser Regelung ist es, die Entscheidungsfreiheit desEmpfängers zu wahren, ob er eine bestimmte Mail lesen willoder nicht.35 Denn der Empfänger soll bereits ohne Öffnender E-Mail beurteilen können, welchen vermuteten Inhalt siehat, damit er unerwünschte E-Mails ungelesen löschen (las-sen) kann. Entsprechend muss die Erkennbarkeit von Absen-der und kommerziellem Charakter der E-Mail auch alleineaus der Kopf- oder Betreffzeile folgen, ohne dass ein Rückgrifauf die Inhalte der E-Mail notwendig ist.36 Denn andernfallsmüsste der Empfänger der E-Mail die E-Mail erst einmal lesen– davor soll er aber gerade geschützt werden.37

Erforderlich ist zunächst, dass die Identität der Absendendennicht verschleiert oder verheimlich wird. Eine Verschleierungoder ein Verheimlichen kann immer schon dann angenom-men werden, wenn keine oder falsche Angaben hinsichtlichdes Absenders gemacht werden.38 Folglich muss in Werbe-E-Mails stets eine gültige Absenderadresse gemacht werden;Kunst- oder Tarnnamen sowie Pseudonyme, die den tatsäch-lich Werbenden nicht erkennen lassen, erfüllen diese Voraus-setzung nicht.39

Eine Erkennbarkeit des Absenders wird daher regelmäßig nurdann anzunehmen sein, wenn eine Absenderangabe angege-ben wird, aus der die Identität des Werbenden eindeutig her-vorgeht.40 Wenn nicht schon eine eindeutige E-Mail-Adressevorliegt, die dem Namen des Absenders entspricht (z. [email protected]), muss daher zusätzlich zur Angabeder richtigen E-Mail-Adresse auch der Name des Absendersgenannt werden (z. B. „Jim Knopf“ <[email protected]>).41

Die Erkennbarkeit des kommerziellen Charakters der E-Mailverlangt grundsätzlich eine deutliche Kennzeichnung der E-Mail als Werbe-E-Mail, sofern der kommerzielle Charakter der

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E-Mail nicht ausnahmsweise anderweitig eindeutig ist. Nichtausreichend ist in jedem Fall die bloße Absenderangabe, auchwenn hieraus erkennbar ist, dass es sich beim Absender umein Unternehmen handelt.42 Denn allein diese Informationlässt für den Empfänger keinen Rückschluss dahingehend zu,ob die E-Mail eine „normale“ geschäftliche Nachricht odereine Werbe-E-Mail ist.

Im Idealfall sollten Werbe-E-Mails mit einem deutlichenZusatz gekennzeichnet sein, die sie eindeutig als Werbungidentifiziert, z. B. „Werbung“, „besonderes Angebot“ oder„Promotion“; dies ist nach dem Wortlaut des Gesetzes(„erkennbar“) allerdings nicht zwingend.43

Denkbar ist auch, dass ein Produktname ausreichend ist, umden kommerziellen Charakter der E-Mail zu verdeutlichen.44

Dies kann aufgrund des bezweckten Empfängerschutzes aller-dings nur dann gelten, wenn der Produktname einem sohohen Bekanntheitsgrad besitzt, dass der Werbende davonausgehen durfte, dass ihn ein durchschnittlicher Kundekennt und die E-Mail daher unschwer als Werbung identifi-zieren kann.

In jedem Fall verboten sind Angaben, die den Empfängerbewusst in die Irre führen sollen. Daher sind insbesondereZusätze verboten, die fingieren sollen, dass der Absender aufeine Anfrage des Empfängers antwortet. Daher sind insbe-sondere die Angaben „Re.“ oder „AW“ in der Betreffzeilewegen der damit verfolgten Täuschungsabsicht unzulässig.45

II. Notwendigkeit einer Anbieterkennzeichnung nach § 5Abs. 1 TMG?

Anbieter von Telemedien (mindestens alle Websites undInternetdienste) müssen ihre Dienste mit einer Anbieter-kennzeichnung versehen, die Angaben zum Diensteanbieter,Kontaktinformationen und weitere Informationen, wie z. B.Steuernummer, enthält (vgl. § 5 Abs. 1 TMG). Da eine E-Mail-Werbekampagne aufgrund der Zahl der verschickten E-Mails möglicherweise als Internetdienst im Sinne des TMGanzusehen ist, ist zu klären, ob E-Mail-Werbung ebenfalls dieAnbieterkennzeichnung nach § 5 Abs. 1 TMG enthaltenmuss.

Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 TMG sind Telemedien alle elektro-nischen Informations- und Kommunikationsdienste, dienicht Telekommunikationsdienste oder Rundfunk sind. Daeine Werbe-E-Mail zweifellos der Information der Empfängerdienen soll, ist entscheidend für die Zuordnung der Werbe-E-Mails zu den Telemedien, ob die Werbe-E-Mails auch ein„Dienst“ ist. Ein „Dienst“ charakterisiert sich dadurch, dassdieser für eine Vielzahl von Personen erbracht wird.46 Ent-sprechend unterfällt eine einzelne, gezielte Werbe-E-Mail, dieindividuell an einen bestimmten Empfänger gerichtet wird,nicht dem Begriff des Dienstes,47 während eine E-Mail-Wer-bekampagne oder ein regelmäßiger Newsletter zweifelsfrei alsDienst angesehen werden können.48

E-Mail-Werbung muss also die Anbieterkennzeichnung nach§ 5 Abs. 1 TMG aufweisen. Dabei müssen die notwendigenAngaben im Text der E-Mail selbst enthalten sein;49 ein blo-ßer Anhang mit den notwendigen Angaben oder ein Link aufeine Seite, auf der diese Angaben bereit gehalten werden,genügen hingegen nicht. Denn nach Ansicht des BGH mussdie Anbieterkennzeichnung nach spätestens zwei Klicks les-bar sein.50 Bei einem E-Mail-Anhang ist allerdings wedersichergestellt, dass er überhaupt beim Empfänger ankommt,

noch ist sicher, dass der Empfänger über das notwendige Pro-gramm verfügt, den Anhang zu öffnen. Ähnliches gilt füreinen Link: wenn die Seite, auf der die Informationen zurVerfügung gestellt werden, vorübergehend nicht erreichbarist, ist der Werbende seinen Kennzeichnungspflichten nichtnachgekommen.51

C. Fazit

Vor dem Hintergrund, dass nach Angaben des Sicherheits-Spezialisten MessageLabs mehr als drei Viertel aller weltweitversendeten E-Mails als Spam zu qualifizieren sind,52 ist esfür Unternehmen, die ihre Kunden mit ihren Werbekampag-nen erreichen wollen, essenziell, die vorstehenden Angabeneinzuhalten. Das derzeit im Bundestag diskutierte Ände-rungsgesetz zum UWG soll die Vorgaben für rechtmäßige E-Mail-Werbung noch verschärfen und solche künftig nur nochzulassen, wenn vorher eine ausdrückliche Einwilligung erteiltwurde. Hintergrund für diese Verschärfung ist der laxeUmgang von Unternehmen mit Daten von – existierendenund potenziellen – Kunden und deren Verwendung für Mar-ketingaktionen mit der Begründung, die Kunden hättenangeblich konkludent (z. B. durch Teilnahme an einemGewinnspiel) in die Verwendung ihrer Daten für Werbe-zwecke eingewilligt. Unternehmen, die Abmahnungen durchWettbewerber, ein Einschreiten der Wettbewerbsverbändeund Rufschädigungen durch negative Berichterstattung inder Presse vermeiden wollen, sollten daher sicher stellen, dassdie Vorgaben des (ggf. geänderten) § 7 UWG sowie die Kenn-zeichnungsvorschriften nach § 5 TMG eingehalten werden.

VuR 9/2008 | 331

42 Ebenso Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 11), 614.43 Kitz DB 2007, 385, 388; Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 11),, 614. Abzuleh-

nen ist allerdings die Ansicht von Schmittmann/Lorenz, die die bloße Angabe „An-gebot“ genügen lassen wollen; denn durch nur diese Angabe könnte der Empfän-ger insofern irregeführt werden, als er irrig annehmen könnte, er habe ein Angebotangefordert.

44 So Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 11), 614.45 Ebenso Kitz, DB 2007, 385, 388; Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 11), 614.46 Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 11), 614.47 So auch der Erwägungsgrund 18 der dem TMG (bzw. dessen Vorgängergesetzen

TDG und TDDSG) zugrunde liegende Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Par-laments und des Rates vom 08.06. 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte desDienste der Informationsgesellschaft („E-Commerce-Richtlinie“), ABl. EG 2000Nr. L 178/001, abzurufen unter http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri-Serv.do?uri=OJ:L:2000:178:0001:0016:DE:PDF (zuletzt abgerufen am 25.06.2008).

48 Ausführlich zur Qualifikation des Werbe-E-Mail als Telemediendienst Schmitt-mann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 11), 614 f. m. w. N.

49 Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (Fn. 11), 615.50 BGH, Urt. v. 20.07.2006, Az.: I ZR 228/03 („Anbieterkennzeichnung“), abzurufen

unter http://juris.bundesgerichtshof.de/cgibin/rechtsprechung/document.py?Ge-richt=bgh&Art=en&sid=26f1f3ffa4222a32cb59a77d6fa28508&client=%5B%273%27%2C+%273%27%5D&client=%5B%273%27%2C+%273%27%5D&nr=37635&pos=0&anz=1 (zuletzt angerufen am 25.06.2008).

51 Ebenso Schmittmann/Lorenz, a. a. O. (s. Fn. 11), 615.52 Nach der Untersuchung von MessageLabs betrug der Anteil von Spam-E-Mails im

weltweiten E-Mail-Verkehr im Mai 2008 insgesamt 76,8 %, vgl.:http://www.com-p u t e r w o c h e . d e / k n o w l e d g e _ c e n t e r / s e c u r i t y / 1 7 6 2 0 2 8 / ? N L C -Newsletter&nlid=1762028%20Security

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A U F S Ä T Z E | Faustmann, § 97a UrhG (neu) – E ine Antwort auf ausufernde Abmahnkosten?

§ 97a UrhG (neu) – Eine Antwort auf ausufernde Abmahnkosten?Von Rechtsanwalt Jörg Faustmann, Düsseldorf

Dieser Beitrag befasst sich mit dem neuen § 97a UrhG, mitdem der Gesetzgeber den Kostenerstattungsanspruch desUrhebers gegenüber dem Rechtsverletzer in einfachen Fällenauf 100 Euro begrenzt. Im Ergebnis ist die Neuregelung zu be-grüßen. Die teilweise geforderte Erstreckung auf den unter-nehmerischen Verkehr ist jedoch nicht geboten.

A. Hintergrund der Neuregelung

Zum 01.09.2008 ist das Gesetz zur Verbesserung der Durch-setzung von Rechten des geistigen Eigentums in Kraft getre-ten.1 Die Gesetzesnovelle wurde erforderlich, um die Richtli-nie 2004/48 EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigenEigentums umzusetzen.2 Das Gesetz soll vor allem Schutz vorProduktpiraterie bieten bzw. den Kampf hiergegen erleichtern.Zu diesem Zweck wurde auch das UrhG überarbeitet und umden neuen § 97a UrhG ergänzt.

Tatsächlich lässt sich der Schaden, der infolge Diebstahls geis-tigen Eigentums eintritt, kaum beziffern. Allein die deutscheWirtschaft beklagt jedes Jahr Milliardenschäden. Neben denerheblichen volkswirtschaftlichen Einbußen aufseiten derRechteinhaber, ist allerdings auch die Qualität von Plagiatenbeklagenswert. Der unwissende Käufer wird regelmäßig nichtwissen, welchen Risiken er sich aussetzt.

Bei dem Begriff der Fälschung denkt man zunächst an die be-kannten Markennamen im Textilbereich und die Herstellervon bestimmten Accessoires. Tatsächlich verbirgt sich dahin-ter allerdings noch ein weit schwerwiegenderes Problem, ins-besondere wenn Fälschungen von Ersatzteilen, komplettenElektronikgeräten, Maschinen oder sogar von Medikamentenverkauft werden. Insofern ist jede Maßnahme bzw. jedes Ge-setz zu begrüßen, das die Rechtsverfolgung der Urheber be-günstigt.

Dennoch muss sichergestellt sein, dass Maßnahmen, die auf-grund eines Gesetzes ergriffen werden, verhältnismäßig sind.Genau diesem Problem hat sich der Gesetzgeber mit der Neu-fassung des § 97a UrhG gestellt. In der Praxis ist zu beobach-ten, dass Urheberrechtsverstöße regelmäßig genutzt werden,um dem Verletzer Gebühren in Rechnung zu stellen, die völ-lig außer Verhältnis zum Schaden des Unternehmers oder derBedeutung des Vorfalls stehen.

Insbesondere wenn ein fliegender Gerichtsstand besteht, hatder Verletzer kaum eine Möglichkeit den (gefühlt) überhöh-ten Gebühren zu entgehen. Er kann allenfalls auf sein (oderdas ebenso Kosten verursachende anwaltliche) Verhandlungs-geschick hoffen. Insofern liegt es nahe, allgemeinverbindli-che Regelungen zur Kostenbegrenzung von Abmahnungenzu treffen und die Streitwerte nicht mehr vollumfänglich indas Ermessen der Gerichte zu stellen.

B. Formen der Urheberrechtsverletzung

I. Urheberrechtsverletzung durch Unternehmer

Wenn der unternehmerische Verkehr betroffen ist, muss sichder Verletzer an einem höheren rechtlichen Anspruch mes-sen lassen. Ein Unternehmer kann wesentlich leichter erken-nen, ob ein Urheberrecht besteht oder seine Bezugsquelle alszuverlässig einzustufen ist. Gegenüber dem normalen Ver-braucher hat er einen erheblichen Wissensvorsprung undkann im Zweifel auch andere Recherchemöglichkeiten nutzen.

Allerdings gelangen Fälschungen auch immer wieder in dieProduktsortimente von namhaften Händlern, ohne dass die-se hierauf aufmerksam werden. Deshalb wundert es nicht,wie viele Unternehmer unwissend zum Rechtsverletzer wer-den. Angesichts der schweren Folgen die Urheberechtsverstö-ße haben, wäre es rechtspolitisch aber überaus bedenklich, sol-che Fälle grundsätzlich zu bagatellisieren. Würde derGesetzgeber eine dementsprechende Regelung schaffen,drängt sich doch die Überlegung auf, ob dadurch nicht demMissbrauch Vorschub geleistet werden würde. Schließlich istdie Inkaufnahme von Abmahnungen seit jeher betriebswirt-schaftliches Kalkül. Eine sichtliche Senkung der Abmahnge-bühren – auch nur in einfach gelagerten Fällen – zöge auto-matisch eine geringere Recherchebereitschaft nach sich. Diebisherige Regelung, die Streitwerte in das Ermessen der Ge-richte zu stellen, ist daher vorzugswürdig.

Es ist nicht die Aufgabe von Gerichten oder des Gesetzgebers,gefühlte Ungerechtigkeiten zu beheben, sondern Recht zuschaffen. Einen kleineren Gewerbetreibenden kann eine Ab-mahnung mit einem Streitwert von 6.000,00 Euro schnell andie Grenze seiner wirtschaftlichen Belastbarkeit bringen.3 Aberschutzwürdig ist doch vielmehr sein Wettbewerber, der sichdie Mühe macht, eine gelungene Produktpräsentation mit be-sonders ansprechenden Bildern zu gestalten. Inzwischen weißauch jeder nur einigermaßen vorbereitete Unternehmer um sei-ne Pflichten als Gewerbetreibender. Die entsprechenden Hin-weise finden sich in jedem Informationsmaterial, das für ei-nen Existenzgründer greifbar ist. Soweit der Verkauf über Dritte,beispielsweise Auktionsplattformen abgewickelt wird, infor-mieren schon deren AGB und Rechtshinweise einschlägig.

Bei schweren Urheberechtsverstößen sollte ohnehin nicht indie Entscheidungsfindung der Gerichte eingegriffen werden,denn wie sonst sollte der Rechtsalltag der Vielzahl der unter-schiedlichen Lebenssachverhalte Herr werden. Im Einzelfallkann dies zu ganz bemerkenswerten Streitwerten führen. Sohat das LG Düsseldorf für die unbefugte Zugänglichmachungvon urheberrechtlich geschützten Musiktiteln in 143 Fällen ei-nen Streitwert von 715.000,00 Euro festgesetzt.4 Angesichts

1 BGBl. I 2008, S. 1191.2 Einen Gesamtüberblick zur Richtlinienumsetzung geben Dörre/Maaßen, GRUR-RR

2008, 217 ff., speziell zum UrhG vgl. Czchowski, GRUR-RR 2008, 265 ff.3 Ein vom OLG Rostock, WRP 2007, 1264 angenommener Streitwert aufgrund der

Verwendung eines vom Wettbewerber gefertigten Produktbildes bei eBay.4 LG Düsseldorf, ZUM 2008, 338.

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der Schwere des Verstoßes ist aber nichts dafür ersichtlich,warum der Rechtsverletzerin ein „Mengenrabatt“ hätte einge-räumt werden sollen. Vielmehr ist nur so auf eine den Verlet-zer disziplinierende und im Übrigen abschreckende Wirkungzu hoffen.

II. Urheberechtsverletzung durch Verbraucher

Bislang wurde ein Verbraucher, der eine Urheberrechtsverlet-zung beging, mit einer vergleichbaren Härte getroffen, wieein gewerblich Handelnder. Auf die Schwere des Verstoßes kames hierbei nicht an.

Soweit ein offensichtlicher Verstoß vorliegt, der auf Wer-tungsebene nicht als Bagatelle erscheint, ist dies nachvoll-ziehbar. Wenn aber, wie regelmäßig der Fall, nur kleine Ver-stöße vorliegen, stehen die Abmahnkosten zu oft außerVerhältnis zur Rechtsverletzung. Dieses Missverhältnis lässtsich am leichtesten an Fallgruppen illustrieren.

1. Filesharing

Im Internet ist es ein Leichtes, Musik- oder Filmtitel her-unterzuladen und sie im Anschluss Dritten zugänglich zu ma-chen. Immer häufiger erhalten die Betroffenen dann aus ih-rer Sicht unerwartete Post von einem Anwalt, der sie zurZahlung hoher Beträge auffordert. Sofern die abgemahntenVorgänge dem Anschlussinhaber bekannt sind, beruht dieÜberraschung allerdings eher auf dem Gefühl erwischt wordenzu sein, und selten auf einem fehlenden Unrechtsbewusst-sein, denn in der heutigen Zeit weiß fast jeder Internetnutzerum die Rechtslage. Hierfür ist auch das Alter des Rechtsverlet-zers unerheblich. Schließlich erfolgen die kostenlosen Down-loads im Internet, um die kostenpflichtigen Angebote zu um-gehen. Im Übrigen wird die Rechtsfrage in allen Medienthematisiert. So laufen z. B. in der Kinowerbung Kurzfilme,die die Folgen von Urheberrechtsverstößen aufzeigen.

Der Abmahnaufwand ist sehr begrenzt und beschränkt sich imGrunde auf die Ermittlung der Identität der Rechtsverletzer,denn zumeist ist nur die IP-Adresse des Verletzers bekannt. Mitdieser wird dann Strafanzeige gegen unbekannt erstattet. ImWege der Akteneinsicht gelangen die Rechteinhaber dann andie Namen der Rechtsverletzer, welche die Staatsanwaltschaftvon den Providern erfragt hat.

Die Zulässigkeit dieser Praxis ist allerdings zunehmend um-stritten, denn die Speicherung der IP-Adressen ist aus daten-schutzrechtlichen Gründen unzulässig.5 Zudem geht es denRechteinhabern zumeist nicht um strafrechtliche Sanktio-nen, sondern lediglich um die zivilrechtliche Durchsetzung ih-rer Forderungen. Deshalb weigern sich erste Staatsanwalt-schaften, sich von den Rechteinhabern als Mittel zum Zweckinstrumentalisieren zu lassen.6 Bemerkenswert ist auch das Ur-teil des LG Hamburg, das die vorgelegten IP-Adressen wegenunzureichender Sorgfalt bei der Ermittlung als nicht beweis-geeignet ansah,7 sowie der Beschluss des LG Frankenthal, dermit dem Hinweis auf das Fernmeldegeheimnis des Art. 10 GGein Beweisverwertungsverbot angenommen hat.8 Diese Ent-scheidung ist allerdings verschiedenen Bedenken ausgesetzt,vor allem stellt sich die Frage, ob hinreichend zwischen Be-stands- und Verkehrsdaten differenziert wurde.

2. Verkauf von Plagiaten

Im Internet lassen sich in kürzester Zeit zahlreiche Privatver-käufe finden, bei denen sich die Frage nach der Originalität der

Ware stellt. Auch hier wird der Mehrzahl der Verkäufer be-kannt sein, dass sie gefälschte Ware anbieten. Aufgrund derfehlenden Gewerblichkeit erkennen sie aber oft nicht, dassdamit nochmals Rechte Dritter verletzt werden, sondern ge-hen von einem rechtmäßigen Verkauf aus. Der Laie erfasst seinHandeln häufig nicht als ein in den Umlauf bringen von ge-fälschter Ware zulasten des Urhebers. Insbesondere bei ge-brauchten und / oder offensichtlich gefälschten Produktenist dies der Fall.

3. Sonstige Urheberrechtsverletzungen

Die sonstigen Abmahnungen beruhen zumeist auf der Nutzungvon Bildern, ohne dass die hierfür erforderliche Genehmigungdes Urhebers vorliegt. Ein weiterer Klassiker ist der Weiterver-kauf von Waren, die dem Käufer nicht gefallen und dann mitden Originalfotos des Händlers weiterverkauft werden.

Im Internet lässt sich eine Vielzahl von Extremfällen finden,bei denen die eigentliche Zielrichtung der Abmahnung sehr of-fen zutage tritt. So stellte beispielsweise eine Braut voller Be-geisterung ihr Hochzeitszubehör unter Hinweis auf die Bezugs-quelle ins Internet und fand im Anschluss an ihreHochzeitsreise eine Abmahnung vor, deren gerichtlicheDurchsetzung zum Glück scheiterte.

C. Bewertung

Vergleicht man die beschriebenen Fallgruppen von Rechts-verletzungen durch Verbraucher mit den Verstößen vonUnternehmen, fällt das Unwerturteil sichtlich unterschiedlichaus. Soweit der Gewerbetreibende im Einzelfall nachweisenkann, dass für ihn der Verstoß nicht erkennbar war und ihmauch im Übrigen kein vorwerfbares Verhalten nachzuweisenist, können Gerichte dies im Zuge ihrer Ermessensentschei-dung im Rahmen des § 3 ZPO abwägen.9 Das OLG Düsseldorfhat zum alten gesetzlichen Belehrungsmuster gezeigt, wel-cher Spielraum sich den Gerichten bietet.10

Bei Rechtsverletzungen durch Verbraucher war aber in der Tateine rechtspolitische Korrektur erforderlich, wie die genann-ten Beispiele zeigen. Einfach gelagerte Fälle, bei denen unver-hältnismäßige Kosten produziert werden, sind bei einigenRechteinhabern leider nicht die Ausnahme, sondern die Regel.Trotz der Begrenzung der erstattungsfähigen Abmahnkostenauf 100 Euro, bleiben die Urheber weiterhin ausreichend ge-schützt, denn sie können schließlich weiterhin die Unterlas-sungserklärung beanspruchen und im Wiederholungsfall er-hebliche Vertragsstrafen geltend machen.

Die ursprüngliche Überlegung, eine Begrenzung auf 50 Euro vor-zunehmen, wäre eine zu weitgehende Reduzierung gewesen.11

Anderenfalls wäre es für die Urheber in der Tat schwierig gewor-den, qualifizierte Rechtsberatung zu erhalten, ohne mit zusätz-lichen Kosten belastet zu werden, die nicht vom Rechtsverletzerzu tragen sind. Nunmehr ist angesichts des gefundenen Kom-promisses und der stereotypen Abläufe, die bei einer Vielzahl

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Faustmann, § 97a UrhG (neu) – E ine Antwort auf ausufernde Abmahnkosten? | A U F S Ä T Z E

5 LG Berlin, MMR 2007, 799.6 So. z. B. die StA Wuppertal, nachzulesen im Heise-Newsticker, Meldung v.

26.03.2008, abrufbar unter: http://www.heise.de/newsticker/Staatsanwaltschaft-verweigert-Ermittlung-von-Tauschboersennutzern—/meldung/105577.

7 LG Hamburg, MMR 2008, 418.8 Beschl. v. 21.05.2008, Az.: 6 O 154/08.9 Für das neue UWG vgl. Hoeren, BB 2008, 1182, 1186.10 OLG Düsseldorf, MMR 2008, 171.11 Vgl. BT-Drs 16/5048, S. 16.

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von Abmahnungen abzuarbeiten sind, nicht mehr zu befürchten,dass Urheber künftig keine Rechtsanwälte mehr finden werden,die ihre Kapazitäten zu reduzierten Sätzen zur Verfügung stellen.

Deshalb hat der Gesetzgeber auch keine Durchbrechung desGrundsatzes von der Kostenerstattung durch den Schädiger ge-troffen, denn der geübte Blick wird spätestens nach den ers-ten gerichtlichen Entscheidungen schnell erkennen, ob ein

einfach gelagerter Fall vorliegt. Es könnte sogar sein, dass sichUrheber bei derartigen Sachverhalten künftig vermehrt um dieDurchsetzung ihrer Rechte bemühen. Schließlich reduziertsich ihr Vollstreckungsrisiko sichtlich.

Im Ergebnis wurde zur Kostenerstattung eine angemessene Re-gelung im Sinne von Art. 14 der Enforcement-Richtlinie ge-troffen.

A U F S Ä T Z E | Wegmann, S ind Sehbehinderte die schlechteren Fernsehzuschauer?

Sind Sehbehinderte die schlechteren Fernsehzuschauer?Für eine verfassungskonforme Auslegung des § 66a TKG

Von Henning Wegmann,* Bonn

Der Verbraucherschutz in Deutschland wird in den letzten Jah-ren sukzessive gestärkt. Auch im Bereich der Telekommuni-kation versucht nun die Neuregelung des Telekommunika-tionsgesetzes (TKG) die Rechte der Verbraucher zu stärken.So bestimmt § 66a TKG in der Fassung vom 01.09.2007, dassbei der Bewerbung von Rufnummern im Fernsehen der Preisdes beworbenen Dienstes pro Inanspruchnahme gut lesbarund deutlich sichtbar anzugeben ist. Die bisher gängige Vor-gehensweise, um diesen Anforderungen zu genügen, be-gnügt sich damit, die Preisangabe visuell darzustellen undauf diesem Wege den Verbraucher zu informieren. Was aberpassiert, wenn ein Sehbehinderter der Adressat der Werbungist? Zwar kann er die optische Darstellung der Rufnummernicht oder nur eingeschränkt wahrnehmen. Allerdings be-kommt er in dem am häufigsten auftretenden Fall, dass die be-worbene Rufnummer auch mündlich angesagt wird, dieselbenwerbetechnischen Informationen wie jeder andere Verbrau-cher. Alleine der Grad des Verbraucherschutzes scheint da-hinter zurückzubleiben, denn die visuelle Anzeige des Ruf-nummernpreises kann der Sehbehinderte entweder gar nichtoder nicht schnell genug erfassen. Es stellt sich daher die Fra-ge, wie sehbehinderte Menschen in diesen Konstellationengeschützt werden können. Möglicherweise ist neben einerVisualisierung der Verbraucherinformationen auch eine akus-tische Darstellung dieser Informationen erforderlich.

Der Beitrag soll zeigen, dass der Wortlaut des § 66a TKG kei-neswegs eindeutig ist und Spielraum für Interpretationenlässt. Ausgehend von diesem Befund soll gezeigt werden,wie eine barrierefreie Gestaltung der TV-Werbung für Ruf-nummern gewährleistet werden kann und damit der verfas-sungsrechtlich gebotene Schutz sehbehinderter Menschen er-reicht werden kann.

A. Verfassungsrechtliche Grundlagen

Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 des Grundgesetzes normiert das ge-nerelle Verbot, behinderte Menschen gerade aufgrund ihrerBehinderung zu benachteiligen. Von seinem Charakter herist die Bestimmung in erster Linie ein subjektives grundrecht-liches Abwehrrecht, dessen inhaltliche Konkretisierung we-sentlich durch die Verbindung zum Sozialstaatsprinzip geprägtwird.1 Aus dieser Verbindung folgen unter anderem soge-nannte derivative Leistungsrechte beim Zugang zu öffent-

lichen Einrichtungen, etwa hinsichtlich der hinreichenden be-hindertengerechten Ausgestaltung des Leistungsangebots.Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegteine unzulässige Benachteiligung schon vor bei einer Verwei-gerung des Zugangs zu öffentlichen Einrichtungen oder Leis-tungen, die jedermann zustehen.2

Die Auswirkungen dieser Prinzipien auf privatrechtlicheRechtsbeziehungen sind umstritten. Eine generelle objektiv-rechtliche Schutzpflicht wird für den Zivilgesetzgeber wohlnicht begründet.3 Allerdings ist im Rahmen einer Staatsziel-bestimmung anerkannt, dass auch in zivilrechtlicher Hin-sicht der Gesetzgeber gehalten ist, Benachteiligungen behin-derter Menschen zu vermeiden.4 Daher ist auch in dem hierrelevanten Verhältnis zwischen Unternehmer und Verbrau-cher eine behindertengerechte Ausgestaltung der Regelungendes TKG unerlässlich. Dabei ist allerdings der genaue Anwen-dungsbereich der Vorschrift sowie die Bestimmung des Be-hinderungsbegriffes entscheidend.

I. Der Begriff der Behinderung

Einigkeit besteht darüber, dass Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG nur na-türliche Personen schützen kann, da das Merkmal der Behin-derung an individuelle Fähigkeiten anknüpft und das Diskri-minierungsverbot gerade die von Behinderung betroffenenPersonen schützen soll.5 Problematisch indes ist die genaue In-haltsbestimmung des Behinderungsbegriffes. Während in denEntwürfen zu Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG die Bestimmung des Be-griffes der Behinderung unterlassen wurde unter Hinweis da-rauf, dass die Gruppe der behinderten Menschen klar ab-grenzbar und die Schwere und Häufigkeit der Behinderungoffenkundig sei,6 wird nunmehr deutlich, dass verschiedeneRechtsgebiete, wie etwa das Sozialrecht,7 an das Merkmal der

* Der Autor ist Mitarbeiter in der BMBF-Nachwuchsforschergruppe „Normierung inden modernen Lebenswissenschaften“ am Institut für Wissenschaft und Ethik inBonn.

1 Sachs-Osterloh, Kommentar zum Grundgesetz, 4. Aufl. München 2007, Art. 3, Rn.305.

2 BVerfGE 96, 288, 303.3 Sachs-Osterloh, a. a. O. (s. Fn. 2), Art. 3, Rn. 307.4 Jarass/Pieroth-Jarass, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Aufl. München 2007, Art.

3, Rn. 142.5 Jarass/Pieroth-Jarass, a. a. O. (s. Fn. 4), Art. 3, Rn. 145.6 Vgl. BT-Drucks. 12/6323, S. 10.7 Vgl. Sachs-Osterloh, a. a. O. (s. Fn. 2), Art. 3, Rn. 308 m. w. N.

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Behinderung auch verschiedene Anforderungen stellen. Fürdie hier in Rede stehende Vorschrift des TKG ist eine generel-le verfassungsrechtliche Bestimmung des Behinderungsbe-griffs erforderlich.

Nach dem Vorbild der Weltgesundheitsorganisation beruhtder Begriff der Behinderung auf den drei Elementen Schaden,funktionelle Beeinträchtigung, Behinderung. Dieses Ver-ständnis liegt auch dem Behindertenbericht der Bundesregie-rung als Vorlage für § 2 SGB IX zugrunde, der besagt:

„(1) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, gei-stige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrschein-lichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typi-schen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben inder Gesellschaft beeinträchtigt ist. Sie sind von Behinderung be-droht, wenn die Beeinträchtigung zu erwarten ist.

(2) Menschen sind im Sinne des Teils 2 schwerbehindert, wenn beiihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 % vorliegtund sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihreBeschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 73 rechtmä-ßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben.

(3) Schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden sollen be-hinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von weniger als50 %, aber wenigstens 30 %, bei denen die übrigen Vorausset-zungen des Absatzes 2 vorliegen, wenn sie infolge ihrer Behinderungohne die Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz im Sinne des§ 73 nicht erlangen oder nicht behalten können (gleichgestellte be-hinderte Menschen).“

Der erste Satz der Vorschrift ist identisch mit § 3 des Behin-dertengleichstellungsgesetzes, woraus eine Festlegung des Ge-setzgebers auf diese Begriffsmerkmale hergeleitet werden kann.Während jedoch § 2 SGB IX nach dem Grad der Behinde-rung differenziert und auch den Begriff der „schweren Behin-derung“ gesondert zu definieren versucht, kommt es im Rah-men des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG auf den Grad der Behinderunggerade nicht an. Dem Wortlaut der Vorschrift ist keine Be-schränkung des Schutzes behinderter Menschen nur aufschwere Behinderungen zu entnehmen.8 Zudem deutet derHinweis auf das Lebensalter der betroffenen Person darauf hin,dass auch altersbedingte Abweichungen vom typischen Zu-stand unter den Begriff der Behinderung zu subsumieren sind.Dem steht auch nicht die Formulierung des Art. 1 EG-Richtli-nie 2000/78 entgegen, die zwischen den Begriffen „Alter“und „Behinderung“ differenziert. Als entscheidend wird je-doch das Merkmal der Dauerhaftigkeit der Behinderung an-zusehen sein. Denn nur die „wahrscheinlich lange Dauer“ ei-ner Behinderung vermag diese abzugrenzen zu einer bloßenvorübergehenden Krankheit.9 Das Merkmal der Dauerhaftig-keit ist dann im Einzelfall zu bestimmen.

Als zentrale Merkmale des Behinderungsbegriffes bleiben mit-hin festzuhalten:1. Behinderung ist jede dauerhafte Abweichung des körper-

lichen Zustands, der geistigen Fähigkeiten oder der seeli-schen Gesundheit von dem für das Lebensalter typischenZustand.

2. Auch altersbedingte Beeinträchtigungen sind als Behinde-rung im Sinne des GG anzusehen.

3. Der Grad der Abweichung vom Normalzustand ist nicht ent-scheidend.

Für den in Rede stehenden Fall von sehbehinderten Menschenbedeuten diese Grundsätze, dass die Vorschriften des TKGnicht nur auch blinde Menschen im Rahmen der TV-Wer-

bung schützen müssen. Vielmehr sind auch solche Verbrau-cher zu schützen, die etwa aufgrund einer bloßen Leseschwä-che die visuellen Informationen langsamer aufnehmen oderdie aufgrund einer altersbedingten Sehschwäche in ihrem Seh-vermögen eingeschränkt sind. Dies erweitert den Schutzbe-reich des § 66a TKG erheblich.

II. Der Begriff der Benachteiligung

Weiterer Klärung bedarf auch der Begriff der Benachteiligung.Hierzu bedarf es zunächst einer Ungleichbehandlung, diedann in einem Nachteil für die betroffene Person resultiert. Fürdie Beurteilung der Ungleichbehandlung ist als Vergleichs-maßstab stets die Gruppe der Nichtbehinderten heranzuzie-hen.10 Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverfas-sungsgerichts liegt eine Benachteiligung schon dann vor,wenn ein „Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmög-lichkeiten“11 vorliegt, der nicht durch hinreichende Förde-rungsmaßnahmen der betroffenen Personen kompensiertwird. Hierdurch kommt die in der Literatur schon lange vor-herrschende Ansicht in Betracht, dass der Nachteilsbegriffrecht weit aufzufassen ist, während dann auf der Stufe derRechtfertigung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen eineRechtfertigung der Benachteiligung angenommen wird.

In dem Fall, dass sehbehinderte Menschen die Bewerbungvon Rufnummern im TV nutzen, besteht eine Ungleichbe-handlung dadurch, dass sie im Vergleich zu den nicht Sehbe-hinderten die Verbraucherinformationen hinsichtlich der Kos-ten nicht wahrnehmen können. Daraus resultiert der Nachteil,dass die betroffenen Personen ein geringeres Maß an Verbrau-cherschutz erlangen. So werden durch die akustischen Werb-signale zwar dieselben Werbeanreize an Sehbehinderte heran-getragen, jedoch fällt ihr Verbraucherschutz geringer aus.Nach den oben aufgeführten Grundsätzen ist es dabei gleich-gültig, ob die betroffene Person die Verbraucherinformationenaufgrund eines völligen Verlustes des Sehvermögens gar nicht,oder aufgrund einer Leseschwäche oder altersbedingten Seh-störung nur teilweise oder verspätet wahrnimmt. In jedem Fal-le wird für die betroffenen Personen der Zweck vereitelt, dasssie sich vor Inanspruchnahme des jeweiligen Dienstes ausge-wogene Gedanken über die entstehenden Kosten machen kön-nen. Zudem entsteht das Problem auch nicht nur bei Sehbe-hinderten, sondern vielmehr auch bei all denen, die aufgrundeingeschränkter geistig-intellektueller Fähigkeiten nicht in derLage sind, die visualisierten Verbraucherinformationen (recht-zeitig) aufzunehmen. Eine Benachteiligung des beschriebe-nen Personenkreises ist aus verfassungsrechtlicher Sicht nichtzu rechtfertigen. Denn es besteht kein Grund, warum seh-schwache Menschen oder ältere Menschen oder intellektuellbenachteiligte Menschen ein geringeres Maß an Verbraucher-schutz genießen sollen als andere. Auch und gerade im Fallevon gänzlich blinden Menschen, ist die Benachteiligung nichtzu rechtfertigen. Vielmehr verdient gerade diese Personen-gruppe einen gesteigerten Schutz, um ihr visuelles Informa-tionsdefizit auszugleichen.

Nach den oben aufgeführten Überlegungen ist in der in Redestehenden Konstellation sowohl der persönliche als auch dersachliche Schutzbereich des Art. 3 Abs. 3 S. 2 GG für den Fallder Bewerbung von Rufnummern im TV eröffnet. Die Vor-

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8 Vgl. Wegmann, Wettbewerb in Recht und Praxis 2008, 628, 629; Sannwald, NJW1994, 3313, 3314.

9 Vgl. EuGH v. 11.07.2006, Az.: C-13/05 – Chacón Navas.10 Vgl. Sachs-Osterloh, a. a. O. (s. Fn. 2), Art. 3, Rn. 311.11 Vgl. BVerfGE 96, 288, 301 ff.

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schriften des TKG sind somit an den verfassungsrechtlichenMaßstäben des Benachteiligungsverbotes von behindertenMenschen zu messen.

III. Einfachgesetzliche Vorgaben

Neben den vorgestellten verfassungsrechtlichen Grundsätzenzum Schutz behinderter Menschen existieren weitere, ein-fachgesetzliche Schutzvorschriften. Daneben sollen auch diein Rede stehenden Vorschriften des TKG kurz skizziert werden.

1. Barrierefreiheit nach dem BGG

Der Grundsatz der Gleichbehandlung behinderter Menschenfindet eine seiner weiteren einfachgesetzlichen Ausprägun-gen unter anderem im Gesetz zur Gleichstellung behinderterMenschen. § 4 BGG setzt hier für die Barrierefreiheit voraus,dass „akustische und visuelle Informationsquellen (…) für be-hinderte Menschen in der allgemein üblichen Weise, ohnebesondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfezugänglich und nutzbar“ sein müssen. Da das Fernsehen so-wohl visuelle als auch akustische Signale setzt, kann es als klas-sisches Beispiel der genannten Art von Informationsquellendienen. Gerade auch im Bereich der Fernsehwerbung über-wiegen gar die akustischen Reize oftmals gegenüber den vi-suellen, sodass gerade der Bereich auch verstärkt für sehbe-hinderte Menschen oder geistig behinderte Menschen nutzbarist. Für diese Personen muss die Fernsehwerbung in der „all-gemein üblichen Weise“ zugänglich sein. Als Vergleichsmaß-stab zur Bestimmung der allgemein üblichen Nutzung ist hierdie Gruppe der Nichtbehinderten heranzuziehen. Dabei istentscheidend darauf abzustellen, dass gerade im Bereich derNutzung von beworbenen Rufnummern oftmals nicht uner-hebliche Kosten für den Nutzer entstehen. Daher erscheint esals üblich, dass sich der Benutzer, der auf die Rufnummerdurch die Werbung aufmerksam wird, zunächst über die ent-stehenden Kosten informiert und sodann sorgfältig abwägt, ober den beworbenen Dienst zu diesem Preis in Anspruch neh-men möchte. Damit fallen für den Bereich der TV-Werbungunter die allgemein übliche Nutzung auch der allgemein üb-liche Verbraucherschutz und die Verbraucherinformation.Die Neuregelungen innerhalb des TKG haben ausweislich ih-rer Gesetzesbegründung vor allem den Zweck, den Verbrau-cherschutz weiter zu stärken. Eine fehlende akustische Preis-information der beworbenen Dienste führt für sehbehinderteund geistig behinderte Menschen dazu, dass sie die Informa-tionsquelle Fernsehen nicht in der allgemein üblichen Weisenutzen können. Mithin gebietet auch das einfache Recht Maß-nahmen, die zu einer Gleichbehandlung von behindertenMenschen im Rahmen der Nutzung von TV-Werbung beitra-gen.

Im Rahmen der Beurteilung der allgemein üblichen Nutzungkann die Frage keine Rolle spielen, ob das Fernsehen für seh-behinderte Menschen überhaupt das geeignete Medium dar-stellt. Zumal, wie oben dargestellt, Fälle denkbar sind, in de-nen die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit nicht vollkommenwegfällt, sondern lediglich eingeschränkt ist. Auch für geis-tig-intellektuell benachteiligte Personen kommt indes nie-mand auf die Idee, sie als ungeeignete Fernsehzuschauer zu be-zeichnen. Daher darf auch für vollkommen blinde Menschennichts anderes gelten. Derjenige, der sich entscheidet, trotzoder gerade wegen seiner Blindheit nur die akustischen Signaleder TV-Werbung wahrzunehmen, weil dies für ihn die größt-mögliche Nutzung des Mediums Fernsehen darstellt, ist in

seiner Entscheidung zu unterstützen. Es wäre ungerechtfertigt,dem Blinden zuzumuten, dass er zwar mit denselben akusti-schen Werbeanreizen konfrontiert wird, jedoch gleichzeitignicht dieselben Verbraucherinformationen erhält wie Nicht-behinderte. Auch ein Ausweichen auf speziell für sehbehin-derte Menschen ausgestaltete Fernsehprogramme ist den Be-troffenen nicht zuzumuten. Denn damit würden sie derMöglichkeit beraubt werden, bestimmte Produkte zu konsu-mieren oder auch nur an einem bloßen Meinungsaustausch zuden beworbenen Produkten teilzunehmen. Auch hier zeigtsich, dass es für das Erfordernis der Barrierefreiheit nach § 4BGG nicht auf den Grad der Behinderung ankommen kann.

2. Die Preisangabepflicht nach dem TKG

Nach der Neuregelung des TKG besteht seitens des Unterneh-mers gegenüber dem Verbraucher eine grundsätzlich stärkereInformationspflicht über die entstehenden Kosten für die Nut-zung des Dienstes. Die relevanten Regelungen hierzu findensich in § 66a – § 66c TKG, die zwar alle leicht unterschiedli-che Anwendungsbereiche aufweisen, aber dennoch in einemengen sachlichen Zusammenhang zu sehen sind, verfolgensie doch alle das gemeinsame Ziel der Stärkung des Verbrau-cherschutzes.

Grundsätzlich besteht nach § 66a TKG eine Pflicht zur Preis-angabe in der Werbung für Rufnummern gegenüber dem Ver-braucher. Nach § 66a Satz 2, hat die Preisangabe gut lesbarund deutlich sichtbar zu erfolgen. Adressaten der Regelungsind alle Anbieter von Premiumdiensten,12 Auskunftsdiens-ten,13, geteilte-Kosten-Diensten,14 Massenverkehrsdiensten,15

neuartigen Diensten16 und Kurzwahldiensten,17 die für ihreDienste gegenüber dem Endnutzer18 werben. Die Adressatentrifft die Pflicht, den Preis für die Inanspruchnahme eineszeitabhängigen Dienstes pro Minute und den Preis eines zei-tunabhängigen Dienstes pro Inanspruchnahme anzugeben.19

Sinn und Zweck der Regelung ist die Stärkung des Verbrau-cherschutzes.20

§ 66b TKG knüpft für den Zeitpunkt der Preisangabe an ei-nen späteren Zeitpunkt an. Der Endnutzer eines Dienstes istnämlich auch dann noch schützenswert, wenn er sich bereitsentschieden hat, den beworbenen Dienst zu nutzen. Wählt erdann die Rufnummer, so soll er im Sinne einer Hinweisfunk-tion vor Beginn der Entgeltpflichtigkeit noch einmal daraufhingewiesen werden, welche Kosten er von der Benutzungdes Dienstes zu erwarten hat. Denn nur so hat er die Chance,unmittelbar vor dem Vertragsschluss mit dem Diensteanbie-ter seine Entscheidung zu überdenken und möglicherweisezu revidieren. Der Anbieter hat daher „den für die Inan-spruchnahme dieses Dienstes zu zahlenden Preis zeitabhän-gig je Minute oder zeitunabhängig je Datenvolumen odersonstiger Inanspruchnahme einschließlich der Umsatzsteuerund sonstiger Preisbestandteile“21 vor Beginn der Entgelt-pflichtigkeit anzusagen. Auch während der Benutzung desDienstes auftretende Preisänderungen sind kenntlich zu ma-chen in Form einer Preisansage. Interessant ist bereits an die-

12 Vgl. § 3 Nr. 17a TKG.13 Vgl. § 3 Nr. 2a TKG.14 Vgl. § 3 Nr. 10a TKG.15 Vgl. § 3 Nr. 11d TKG.16 Vgl. § 3 Nr. 12a TKG.17 Vgl. § 3 Nr. 11b TKG.18 Vgl. § 3 Nr. 14 TKG.19 Vgl. Säcker/Brodkorb-Brodkorb, Berliner Kommentar zum TKG, 2006, § 66a, Rn. 6.20 Vgl. BT-Drucks. 16/2581, S. 30.21 Wortlaut § 66b TKG.

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Wegmann, S ind Sehbehinderte die schlechteren Fernsehzuschauer? | A U F S Ä T Z E

ser Stelle die sprachliche Differenzierung zwischen § 66a TKG,der von der Preisangabe spricht, und § 66b TKG, der von derPreisansage spricht, festzuhalten. Offensichtlich war hier vomGesetzgeber eine Differenzierung gewollt, auf die später nochdetailliert eingegangen werden soll. Ziel der Vorschrift des§ 66b TKG ist ausweislich der Gesetzesbegründung die Schaf-fung eines höchstmöglichen Grades an Preistransparenz fürden Kunden.22

Gemäß § 66c TKG besteht für Kurzwahldatendienste einePreisanzeigepflicht. Demnach hat der Anbieter „vor Beginnder Entgeltpflichtigkeit den für die Inanspruchnahme diesesDienstes zu zahlenden Preis einschließlich der Umsatzsteuerund sonstiger Preisbestandteile ab einem Preis von 2 Euro proInanspruchnahme deutlich sichtbar und gut lesbar anzuzeigenund sich vom Endnutzer den Erhalt der Information bestäti-gen zu lassen.“23 Dabei sind Kurzwahldatendienste gemäß § 3Nr. 11a TKG „Kurzwahldienste, die der Übermittlung vonnichtsprachgestützten Inhalten mittels Telekommunikationdienen und die keine Teledienste im Sinne des Teledienstege-setzes oder Mediendienste im Sinne des Mediendienste-Staats-vertrags sind“. Ausweislich der Gesetzesbegründung sind von§ 66c auch nicht sprachgestützte neuartige Dienste erfasst, beidenen dann allerdings die Preisanzeigepflicht erst ab einemPreis von drei Euro pro Inanspruchnahme greift.24

Auch im Rahmen des § 66c sei auf die sprachliche Differen-zierung hingewiesen. Anders als in § 66a und § 66b sprichtder Gesetzgeber nicht von Preisangabe oder Preisansage, son-dern von Preisanzeige. Hierbei ist der Grundsatz hervorzuhe-ben, dass die oberste Auslegungsgrenze von Gesetzen stets ihrWortlaut ist. Daher ist auch davon auszugehen, dass der Ge-setzgeber gleiche Begriffe verwendet, wo er dasselbe sagen will.Tut er dies nicht, so deutet dies, wie im vorliegenden Fall, zu-nächst deutlich darauf hin, dass auch unterschiedliche Dingezum Ausdruck gebracht werden sollten.

IV. Folgen für die Auslegung von § 66a TKG

Der Wortlaut des § 66a TKG spricht lediglich davon, dass derPreis für die Benutzung der aufgeführten Dienste anzugebenist. Fraglich erscheint vor dem Hintergrund der oben entwi-ckelten Grundsätze, in welcher Form die Preisangabe zu erfol-gen hat. Gerade bei der mündlichen Bewerbung von Ruf-nummern im Fernsehen stellt sich die Frage, ob zusätzlich zuder visuellen Anzeige der Verbraucherinformationen auch ei-ne akustische Ansage derselben Informationen zu erfolgen hat.Andererseits kann auch eine bloße akustische Preisansagenicht genügen, da diese zum Beispiel gehörgeschädigte Ver-braucher benachteiligen würde. Die Frage, die sich daher stellt,ist ob § 66a TKG so auszulegen ist, dass eine doppelte Preis-angabe zu erfolgen hat. Vor dem Hintergrund dieser Frage-stellung sollen die einzelnen Argumente dargestellt werden.

1. Wortlaut

Nach dem bloßen Wortlaut des § 66a TKG lässt sich nichtohne Weiteres erkennen, ob in den Fällen, in denen eine Ruf-nummer im Fernsehen mündlich beworben wird, auch einePflicht zur mündlichen Preisansage besteht. Der Wortlaut des§ 66a TKG verlangt lediglich eine Preisangabe. Ob diese Preis-angabe akustisch oder visuell zu erfolgen hat, regelt die Vor-schrift nicht. Aus der systematischen Stellung der Vorschrift,nämlich im Verbund mit den Vorschriften der §§ 66b und66c, lässt sich jedoch schließen, dass der Gesetzgeber die Not-wendigkeit einer genauen Formulierung durchaus gesehen

hat. Zwar haben alle drei Vorschriften leicht voneinander ab-weichende Anwendungsbereiche25 und sind daher nicht un-mittelbar miteinander zu vergleichen. Allerdings lassen ihreFormulierungen darauf schließen, dass es für den Gesetzgebereinen Unterschied macht, ob er von Preisangabe,26 Preisansa-ge27 oder Preisanzeige28 spricht. Zudem hat auch weiterhin derGrundsatz zu gelten, dass der Wortlaut die erste und wichtig-ste Instanz bei der Auslegung von Gesetzestexten ist. Es istdaher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber dort, wo erdasselbe sagen möchte, auch dieselben Begriffe verwendet. Zu-dem macht die Differenzierung zwischen den unterschied-lichen Begrifflichkeiten auch durchaus einen Sinn. Denn der§ 66b TKG knüpft an den letztmöglichen Zeitpunkt für ei-nen effektiven Verbraucherschutz an, nämlich den Moment,in dem die Verbindung bereits besteht und der Verbraucherkurz davor ist, den kostenpflichtigen Bereich zu betreten. Fürdiesen Moment wird die Forderung aufgestellt, dass der größt-mögliche Schutz, nämlich die akustische Ansage des Preiseszu erfolgen hat. Dies spricht dafür, dass der Gesetzgeber diesals effektivstes Mittel zur Erreichung des Verbraucherschutzesangesehen hat. Es würde daher auch Sinn machen, diese For-derung für einen effektiven Schutz behinderter Menschen inder Werbung von Rufnummern aufzustellen. Auch aus sprach-licher Sicht macht die Unterscheidung Sinn. Denn der Begriffder Preisangabe lässt offen, in welcher Form eine solche An-gabe zu erfolgen hat. Die Begriffe der Preisansage und der Preis-anzeige erst sind es, die vorschreiben, ob die Preisangabe akus-tisch oder visuell zu erfolgen hat. Mithin kann § 66a TKGausweislich seines Wortlautes sowohl die Preisanzeige als auchdie Preisansage erfassen. Freilich wird hiermit noch keinePflicht zur „doppelten Preisangabe“, visuell und akustisch,konstituiert. Allerdings schließt der Wortlaut der Vorschrifteine akustische Ansagepflicht auch nicht aus.

Gegen eine Pflicht zur „doppelten Preisangabe“ spricht derWortlaut der Vorschrift allerdings insoweit, als Satz 2 der Vor-schrift verlangt, die Preisangabe müsse „gut lesbar und deut-lich sichtbar“ erfolgen. Aus dieser Formulierung ließe sichherleiten, dass nur eine visuelle Preisangabe, also eine Preis-anzeige, gemeint ist, da die Formulierung nur bei einer solchenSinn macht.

Dennoch spricht insgesamt schon Wortlaut her vieles dafür,eine akustische Preisansage zumindest zuzulassen.

2. Gesetzesbegründung

Gestützt wird diese Argumentation durch die Gesetzesbe-gründung zu § 43 Abs. 1 TKG alte Fassung, der die Vorgän-gernorm des § 66a TKG darstellt. In dieser Begründung wirdausdrücklich darauf hingewiesen, dass unter den Begriff derPreisangabe auch der Begriff der Preisansage fällt.29 Ausweis-lich des ausdrücklichen gesetzgeberischen Willens ist daher ei-ne auch akustische Preisangabe in Form einer Preisansage zu-mindest möglich. Fraglich ist insoweit nur noch, ob dies zurFolge hat, dass eine doppelte Preisangabe, akustisch und vi-suell, zwingend geboten ist. Diese Frage ist vor den Grundsät-zen über die Gleichbehandlung behinderter Menschen zu be-antworten.

22 Vgl. BT-Drucks. 16/2581, S. 30.23 Wortlaut § 66c TKG.24 Vgl. BT-Drucks. 16/2581, S. 31.25 Vgl. oben unter III. 2. 26 § 66a TKG.27 § 66b TKG.28 § 66c TKG.29 Vgl. BT-Drucks. 16/2581, S. 30.

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30 § 4 Abs. 3 und 4 HWG, der vollständige Gesetzestext ist abzurufen unter:http://www.bundesrecht.juris.de/heilmwerbg/__4.html, (zuletzt abgerufenam 05.08.2008).

31 § 4 Absatz 5 Satz 1 HWG.32 Vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 06.10.2006, Az.: 6 U 109/06 = WRP 2007, 111,112; He-

fermehl/Köhler/Bornkamm, Kommentar Wettbewerbsrecht, 24. Aufl. 2006, § 3 Rn.56.

33 Vgl. BVerfGE 99, 341 (357).34 Vgl. Herdegen, Der neue Diskriminierungsschutz im Grundgesetz, 1995, S. 25 f.;

Jarass/Pieroth-Jarass, a. a. O. (s. Fn. 4), Art. 3, Rn. 149.

3. Barrierefreiheit

Im Lichte der in § 4 BGG niedergelegten Barrierefreiheit istgrundsätzlich jedem behinderten Menschen die Möglichkeitzu geben, visuelle und akustische Informationsquellen in dergleichen Weise zu nutzen wie dies nicht behinderten Men-schen möglich ist. Zwar ist es nach der Eigenart einer Sehbe-hinderung für die betroffenen Personen nicht möglich, dievisuellen Reize in gleicher Weise zu nutzen. Bei der TV-Wer-bung jedoch werden häufig gar die akustischen Reize die vi-suellen überwiegen. Derjenige, der keine oder nur eine einge-schränkte visuelle Wahrnehmung hat, ist daher denselbenWerbereizen ausgesetzt wie jeder andere auch. Daher muss erauch denselben und einen gleich effektiven Verbraucher-schutz erlangen können. Diese Möglichkeit wird ihm jedochgenommen, wenn die Preisinformation lediglich visualisiertdargestellt wird. Denn dann würde der Betroffene erst dannüber die Preise für die Inanspruchnahme des Dienstes infor-miert werden, wenn er die Nummer bereits gewählt hat. Zudiesem Zeitpunkt hat er dann allerdings kaum noch die Gele-genheit, seine Entscheidung abzuwägen und in Ruhe zu über-denken. Daher würde dieser Zeitpunkt für einen effektivenVerbraucherschutz zu spät liegen.

Ein weiteres Argument für eine Pflicht zur doppelten Preisan-gabe ergibt sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift des §66a TKG. Denn dieser besteht gerade darin, den Verbraucher-schutz zu stärken. Für den spätmöglichsten Zeitpunkt einesmöglichen Verbraucherschutzes legt § 66b TKG die Preisan-sage als effektivstes Mittel fest. Doch auch für nicht sehbe-hinderte Menschen würde eine Preisansage schon in der Wer-bung durchaus Sinn machen. Denn wer einmal dieakustischen Signale einer Werbung oder der Rufnummernan-sage wahrgenommen hat, der wird die Preisinformation kaumüberhören. Daher wäre eine mündliche Preisansage sicher-lich der effektivste Weg zu einer weiteren Stärkung des Ver-braucherschutzes.

Zudem ist die bloße Nutzung der akustischen Signale von TV-Werbung durchaus mit der Situation in der Radio-Werbungzu vergleichen. Hier gibt es ja gerade keinen anderen Weg derPreisinformation als den der Preisansage. Wenn aber in derRadio-Werbung nicht sehbehinderten Menschen nicht zuge-mutet wird, auf akustische Preisinformationen zu verzichten,so kann im Sinne der Gleichbehandlung sehbehinderter Men-schen diesen nicht zugemutet werden, bei der mündlichenWerbung im Fernsehen auf diese wichtige Verbraucherinfor-mation zu verzichten.

4. Vergleich mit anderen Rechtsgebieten

Auch ein Vergleich mit anderen Rechtsgebieten lässt im Übri-gen die Notwendigkeit einer akustischen Preisansage vermu-ten. So bestimmt § 4 des Gesetzes über die Werbung auf demGebiet des Heilwesens (HWG), dass für die Arzneimittelwer-bung außerhalb der Fachkreise, also insbesondere bei der Wer-bung gegenüber den Endverbrauchern, folgender Text deut-lich und gut lesbar angezeigt werden muss: „Zu Risiken undNebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragenSie Ihren Arzt oder Apotheker.“30 Im Folgenden bestimmt dieVorschrift sodann, dass bei der Werbung in „audiovisuellenMedien“ der Text „vor neutralem Hintergrund gut lesbarwiederzugeben und gleichzeitig zu sprechen ist.“31 Da die Vor-schrift der Stärkung des Verbraucherschutzes dient, ist einVerstoß gegen die Anforderungen des § 4 HWG geeignet, fürdie Verbraucher einen nicht unerheblichen Nachteil zu be-

wirken.32 Insofern ist die Situation vergleichbar mit der Be-werbung von Rufnummern, da die Normen zumindest in Tei-len einen identischen Schutzzweck verfolgen. Zu beachten istjedoch, dass der Verbraucherschutz im Bereich der Arzneimit-telwerbung noch intensiver ausgestaltet sein muss. Denn an-ders als im Bereich der Bewerbung von Rufnummern, wo demVerbraucher allenfalls ein finanzieller Schaden droht, kann esim Bereich der Arzneimittelwerbung bei mangelhaften odergar gänzlich fehlenden Verbraucherinformationen zu ernstenGefährdungen der Gesundheit und des Lebens der Verbrau-cher kommen. Daher ist der Verbraucher hier auch in erhöh-tem Maße schutzwürdig, um derartige Gefährdungen zu ver-meiden. Mithin können die Grundsätze aus dem HWG nichtuneingeschränkt auf das TKG übertragen werden. Dennoch istin ihnen zumindest ein Indiz auch für die Rufnummernwer-bung zu sehen, welches unter anderem das Argument zu ent-kräften vermag, dass nicht jede Fernsehwerbung auch fürSehbehinderte absolut verbraucherfreundlich ausgestaltet seinkann. Im Übrigen verliert auch der mögliche Einwand an Ge-wicht, dass aus Unternehmenssicht ein Erfordernis der münd-lichen Preisansage zu erheblichem wirtschaftlichen Mehrauf-wand führen wird und daher nicht durchsetzbar sei. Denn einewirtschaftliche Mehrbelastung für die Unternehmen in Formvon höheren Werbekosten ist hier durchaus hinzunehmen,da sie der Durchsetzung der Gleichberechtigung behinderterMenschen und damit letztlich der Gewährung effektivenGrundrechtsschutzes dient.

V. Fazit: Verfassungskonforme Auslegung des § 66a TKG

Der Wortlaut des § 66a TKG konstituiert nicht explizit diePflicht zu einer doppelten Preisangabe in der Bewerbung vonRufnummern. Allerdings sprechen die sprachlichen Differen-zierungen des Gesetzgebers auch nicht dagegen, eine solchePflicht zu bejahen. Da weder der Wortlaut der Vorschrift nochdie Gesetzesbegründung die Frage endgültig einer Klärungzuführen können, bleiben als Maßstab alleine verfassungs-rechtliche Aspekte. Prüfungsmaßstab hierbei ist der Grundsatzder Gleichbehandlung behinderter Menschen aus Art. 3 Abs. 3S. 2 GG. Vor diesem Hintergrund wäre die bereits oben fest-gestellte Benachteiligung behinderter Menschen durch einebloße visuelle Preisinformation nur dann hinzunehmen,wenn sie gerechtfertigt werden kann. Für eine Rechtfertigungeiner Benachteiligung behinderter Menschen bedarf es nachübereinstimmender Meinung in Rechtsprechung33 und Lite-ratur34 grundsätzlich zwingender Gründe. Das Bundesverfas-sungsgericht hat als maßgebliche Grundsätze zur Beurteilungeiner Benachteiligung festgestellt, dass eine unzulässige Be-nachteiligung behinderter Menschen nicht nur dann vorliege,wenn die Situation des Behinderten verschlechtert werde,

„indem ihm etwa der tatsächlich mögliche Zutritt zu öffentlichenEinrichtungen verwehrt oder Leistungen, die grundsätzlich jeder-mann zustehen, verweigert werden. Vielmehr kann eine Benachtei-ligung auch bei einem Ausschluss von Entfaltungs- und Betäti-gungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt gegeben sein, wenn

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dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Förderungs-maßnahme hinlänglich kompensiert wird.“35

Die Einschränkung des Verbraucherschutzes behinderter Men-schen kann in dem in Rede stehenden Fall nicht gerechtfer-tigt werden. Denn einzig die finanziellen Interessen der An-bieter könnten der Durchsetzung der doppelten Preisangabeentgegenstehen. Derlei finanzielle Einbußen sind jedoch hin-zunehmen, wenn sie der Wahrung der Grundrechtspositionenanderer dienen. Weitere verfassungsrechtliche Rechtferti-gungsgründe sind hier nicht ersichtlich.

Auch die Bundesnetzagentur kommt zu dem Ergebnis, dass -„soweit neben einer Preisanzeige auch eine mündliche Be-werbung einer Rufnummer (...) erfolgt – der für die Inan-spruchnahme des Dienstes zu zahlende Preis (...) einschließ-lich der Umsatzsteuer und sonstiger Preisbestandteile auchmündlich anzugeben ist.“36 Zwar erwähnt diese Meinungnicht ausdrücklich die verfassungsrechtliche Notwendigkeitder „doppelten Preisangabe“. Dennoch wird deutlich, dassdie Pflicht zur mündlichen Preisinformation bejaht wird. Auf

den Aspekt der Barrierefreiheit wird hingewiesen mit dem Hin-weis, dass die Pflicht zur „doppelten Preisangabe“ mit Blick aufselbige und als Fortsetzung der bisherigen Rechtsanwendung„geboten erscheint“.37

Nach Würdigung der verfassungsrechtlichen Aspekte des Be-hindertenschutzes bleibt allerdings festzuhalten, dass eine„doppelte Preisangabe“ nicht nur geboten erscheint, sondernzur Wahrung der Gleichbehandlung behinderter Menschendringend erforderlich ist. § 66a TKG in der Fassung vom01.09.2007 ist mithin verfassungskonform dahingehend aus-zulegen, dass bei der Bewerbung von Rufnummern im TV derPreis des beworbenen Dienstes sowohl anzuzeigen als auch an-zusagen ist, um so einen effektiven Verbraucherschutz für be-hinderte Menschen zu gewährleisten.

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35 BVerfGE 96, 288, 303 ff.36 Amtsblatt der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post

und Eisenbahnen, Teil A, Mitteilungen Kommunikation, 2007, S. 3275.37 Amtsblatt der Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post

und Eisenbahnen, Teil A, Mitteilungen Kommunikation, 2007, S. 3275.

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Kundenkarten: Werbung per SMS und E-Mail beivorformulierter Einwilligung unzulässig

Payback-Urteil: Verbraucherzentrale Bundesverband fordert bei derZustimmung zur Datenweitergabe rechtliche Klarstellung. Bei derVerwendung von Kundendaten konnte der VerbraucherzentraleBundesverband (vzbv) vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einenTeilerfolg feiern. Die Richter kippten eine Vertragsklausel des Pay-back Rabattvereins. Mit dieser stimmten Verbraucher dem Erhaltvon Werbung per SMS und E-Mail zu, sofern sie sich nicht durchAnkreuzen dagegen aussprachen. Grundsätzlich sah das Gericht ineiner solchen „Opt-Out-Regelung“ allerdings keinen Verstoß gegendas Datenschutzrecht. „Wir freuen uns, dass das Gericht denSchutz der Privatsphäre gestärkt hat. Insgesamt ist die daten-schutzrechtliche Lage für Verbraucher jedoch nicht zufrieden stel-lend“, kritisiert Vorstand Gerd Billen.

Zu weitreichend ist nach Auffassung des Gerichts eine vomVerbraucherzentrale Bundesverband beanstandete Vertrags-klausel des Kundenkartenbetreibers Payback. Diese sieht vor,dass sich Kunden mit dem Erhalt von Werbung per SMS undE-Mail einverstanden erklären. Eine formularmäßige Einwilli-gung ist in diesem Fall nicht rechtmäßig, die entsprechendeKlausel daher unzulässig, so die Richter. „Das Urteil schließtfür den Bereich der elektronischen Medien ein Einfallstor indie geschützte Privatsphäre der Verbraucher“, lobt Billen denUrteilsspruch.

Nicht durchsetzen konnte sich der VerbraucherzentraleBundesverband dagegen mit seiner Auffassung, dass Kundender Verwendung sämtlicher Daten für Werbezwecke in jedemFall aktiv zustimmen müssen (Opt-In-Regelung). Bei Paybackist diese Einwilligung vorformuliert im Vertrag enthalten.Kunden müssen bei Vertragsschluss ein Kreuz setzen, wennsie die Klausel ablehnen. Dieses sogenannte Opt-Out-Verfah-

ren hat der Verbraucherzentrale Bundesverband wiederholtkritisiert. Der Auslegung des Verbraucherzentrale Bundesver-bandes erteilte der BGH mit seinem heutigen Urteil eineAbsage. „Das Opt-Out-Prinzip stellt den Grundsatz der Frei-willigkeit auf den Kopf“, beklagt Billen. „Wir fordern deshalbeine entsprechende Klarstellung im Bundesdatenschutzge-setz”.

Darüber hinaus verweist der Verbraucherzentrale Bundesver-band auf eine Reihe weiterer Missstände. So gilt der Daten-schutz rechtlich derzeit nicht als Teil des Verbraucherschut-zes. Deshalb können Verbraucherverbände gegen Einwilli-gungsklauseln nur vorgehen, soweit es sich bei diesen um All-gemeine Geschäftsbedingungen handelt. Bei anderweitigenVerstößen gegen das Datenschutzrecht, etwa bei nicht ver-tragsgemäßer Nutzung der Daten, sind den Verbraucherver-bänden dagegen die Hände gebunden. Der Verbraucherzent-rale Bundesverband fordert daher, die Klagebefugnisse auszu-weiten.

Ein weiteres Problem besteht in der mangelnden Kontrolleder Verbraucher über einmal preisgegebene Informationen.„Der Handel mit Kundendaten floriert und die Betroffenenhaben keinen Überblick, wer was über sie weiß”, kritisiertGerd Billen. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordertdeshalb, ein Sammelrückrufsrecht im Bundesdatenschutzge-setz zu verankern. Gibt ein Unternehmen Daten an Part-nerorganisationen weiter, so muss es später auf Wunsch desKunden auch dafür sorgen, dass diese Informationen an allenStellen gelöscht werden. „Es kann nicht in der Verantwor-tung des Verbrauchers liegen, jedes Unternehmen einzelnanzuschreiben”, begründet Billen die Forderung.

Zudem beanstandet der Verbraucherzentrale Bundesverbanddatenschutzrechtlich fragwürdige Zugangsvoraussetzungenzu Internetdiensten. Viele Anbieter machen die Nutzung

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davon abhängig, dass Verbraucher der Verwendung ihrerDaten für Werbezwecke zustimmen. Beispiele hierfür sindOnline-Auktionshäuser oder soziale Netzwerke. Der Verbrau-cherzentrale Bundesverband spricht sich für ein Koppelungs-verbot aus. „Verbraucher dürfen nicht gezwungen werden,Informationen über sich für Werbung frei zu geben”, fordertBillen.

Ein Grundproblem ist, dass Kunden selten einschätzen kön-nen, wie sorgsam Unternehmen mit ihren Daten umgehen.Zwar vergibt das Unabhängige Landeszentrum für Daten-schutz (ULD) in Schleswig-Holstein ein Datenschutzgütesie-gel. Doch es fehlt an einer bundeseinheitlichen Lösung. „DieBundesregierung hat es bisher versäumt, Voraussetzungen fürein glaubwürdiges, aussagekräftiges und vergleichbaresDatenschutzgütezeichen zu schaffen”, kritisiert Billen.

Einige Missstände greift der kontrovers diskutierte Gesetzent-wurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes auf. Dievorgesehenen Maßnahmen würden die Verbraucher aller-dings lediglich im Hinblick auf Auskunfteien und die Ver-wendung von Scoring-Verfahren stärken. „Nicht nur das heu-tige Urteil im Falle Payback zeigt, dass der Gesetzgeber hiernoch deutlich nachbessern muss”, erklärt Billen.(Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16.07.2008, Az.: BGHVIII ZR 348/06)

Quelle: Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. - vzbv, Pressemit-teilung v.16.07.2008

Bundesregierung beschließt Gesetzentwurf gegenunerlaubte Telefonwerbung

Unerlaubte Telefonwerbung soll künftig mit empfindlichen Strafenbelegt werden können. Dies sieht der Entwurf eines Gesetzes zurBekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und sogenannter Kosten-fallen im Internet vor, den das Bundeskabinett am 30.07.2008beschlossen hat und den das Bundesjustizministerium am gleichenTag vorstellte. Zudem solle es Verbrauchern erleichtert werden,sich von telefonisch abgeschlossenen Verträgen zu lösen. DasGesetz solle Anfang 2009 in Kraft treten.

Unerwünschte Telefonwerbung habe sich zu einem großenProblem entwickelt, so das Ministerium. Nach einer Umfragedes forsa-Instituts vom Herbst 2007 fühlten sich 86 Prozentder Bevölkerung durch unlautere Werbeanrufe belästigt, 64Prozent der Befragten seien in den letzten Monaten ohne Ein-willigung von einem Unternehmen angerufen worden. Mitdem Gesetzentwurf sollen Verbraucher sich künftig leichtervon Verträgen lösen können, die sie telefonisch abgeschlos-sen haben, so Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD).Zudem soll der Schutz vor untergeschobenen Verträgen ver-bessert werden. Unseriöse Firmen, die sich über das beste-hende Verbot unerlaubter Telefonwerbung hinwegsetzten,müssten künftig damit rechnen, mit empfindlichen Geldbu-ßen belegt zu werden. Um der schwarzen Schafe der Branchebesser habhaft zu werden, dürfe außerdem bei Werbeanrufenkünftig die Rufnummer nicht mehr unterdrückt werden.

Telefonwerbung gegenüber Verbrauchern ohne deren Einwil-ligung sei schon nach geltendem Recht ausdrücklich verbo-ten, so die Ministerin weiter. Sie stelle eine unzumutbareBelästigung nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG dar. Wer diesem Ver-bot zuwiderhandle, könne unter anderem von Mitbewerbernoder von Organisationen wie zum Beispiel den Verbraucher-schutzverbänden auf Unterlassung in Anspruch genommen

werden. Außerdem bestehe ein Anspruch auf Schadensersatz,wenn der Anrufer fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt habe.Bei vorsätzlichem Handeln sehe das UWG einen Anspruchauf Gewinnabschöpfung vor. Unseriöse Firmen setzten sichaber zulasten der Verbraucher immer wieder über dieses Ver-bot hinweg und die Durchsetzung des geltenden Rechts stoßein der Praxis auf Schwierigkeiten, so das Ministerium.

Daher sollen die Regeln verschärft werden. Verstöße gegendas bestehende Verbot der unerlaubten Telefonwerbunggegenüber Verbrauchern würden künftig mit einer Geldbußebis zu 50.000 Euro geahndet. Außerdem werde im Gesetzklargestellt, dass ein Werbeanruf nur zulässig sei, wenn derAngerufene vorher ausdrücklich erklärt habe, Werbeanrufeerhalten zu wollen. So werde verhindert, dass sich Anruferauf Zustimmungserklärungen berufen, die der Verbraucher ineinem völlig anderen Zusammenhang oder nachträglicherteilt hat. Viele unerwünschte Werbeanrufe würden nichtverfolgt, weil sich nicht feststellen lasse, wer angerufen hat.Bei Verstößen gegen das Verbot der Rufnummernunterdrü-ckung drohe daher künftig eine Geldbuße bis zu 10.000 Euro.

Verbraucher sollen zudem laut Ministerium mehr Möglichkei-ten bekommen, Verträge zu widerrufen, die sie am Telefonabgeschlossen haben. Auch Verträge über die Lieferung vonZeitungen, Zeitschriften und Illustrierten sowie über Wett- undLotterie-Dienstleistungen könnten künftig widerrufen werden.In diesen Bereichen werde unerlaubte Telefonwerbungbesonders häufig genutzt, um Verbraucher zu einem Vertrags-abschluss zu bewegen. Bislang gebe es hier aber kein Wider-rufsrecht, § 312d Abs. 4 Nr. 3 und 4 BGB. Die Widerrufsfristbetrage – abhängig von den Umständen des Einzelfalles – zweiWochen oder einen Monat und beginne nicht, bevor der Ver-braucher eine Belehrung über sein Widerrufsrecht in Textform,etwa als E-Mail oder per Telefax, erhalten habe.

Wenn der Verbraucher über sein Widerrufsrecht nicht inTextform belehrt worden sei, könne er Verträge über Dienst-leistungen, die er am Telefon oder im Internet abgeschlossenhat, künftig umfangreicher widerrufen. Bislang gebe es in sol-chen Fällen kein Widerrufsrecht mehr, wenn der Unterneh-mer mit der Ausführung der Dienstleistung mit ausdrück-licher Zustimmung des Verbrauchers begonnen oder der Ver-braucher die Ausführung selbst veranlasst habe. UnseriöseUnternehmer hätten diese Regelung gezielt ausgenutzt, umVerbrauchern am Telefon oder im Internet Verträge unterzu-schieben, erläuterte das Ministerium. Diesem Verhalten ent-ziehe das Gesetz nun die Grundlage. Widerrufe der Verbrau-cher einen solchen Vertrag, müsse er die bis dahin vomUnternehmer erbrachte Leistung nur dann bezahlen, wenn ervor Vertragsschluss auf diese Pflicht hingewiesen worden seiund zugestimmt habe, dass die Leistung vor Ende der Wider-rufsfrist erbracht wird. Das Unterschieben von Verträgenwerde damit wirtschaftlich uninteressant, weil Unternehmenauf eigenes Risiko leisteten.

Außerdem bedürfe die Kündigung eines Dauerschuldverhält-nisses oder die Vollmacht dazu im Fall des Anbieterwechselszukünftig der Textform, wenn der neue Anbieter gegenüberdem bisherigen Vertragspartner des Verbrauchers auftritt.Hierdurch werde verhindert, dass ein neuer Anbieter den Ver-trag des Verbrauchers mit seinem bisherigen Anbieter ohneentsprechenden Auftrag des Verbrauchers kündigt. Hierzu seies durch unseriöse Anbieter von Telefondienstleistungenhäufiger gekommen.

Quelle: Beck-aktuell-Redaktion, v. 31.07.2008

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OLG Karlsruhe: Bank haftet gegenüber Darlehens-nehmer für verschwiegenes Wissen um Kontamina-tion des finanzierten Grundstücks

Eine Bank, die Kenntnis von einer Verschmutzung des Bodenseines zu verkaufenden Grundstücks hat und einem Kunden für die-sen Kauf ein Darlehen gibt, hat die Pflicht, ihren Kunden über dieKontamination des Kaufobjekts aufzuklären. Das hat mit Urteilvom 15.07.2008 das Oberlandesgericht Karlsruhe entschieden(Az.: 17 U 4/07). Zwar sei eine Bank, die keine Beratung vorneh-me, grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer überdie wirtschaftliche Zweckmäßigkeit des zu finanzierendenGeschäfts sowie über Gefahren und Risiken aufzuklären und vordem Vertragsschluss zu warnen. Bei einem Wissensvorsprung abergebe es von diesem Grundsatz Ausnahmen. Die Revision wurdenicht zugelassen.

Der Kläger verlangt von der beklagten Bank Schadensersatz,weil diese sie bei Abschluss eines Kreditvertrages zur Finan-zierung eines Grundstückskaufs nicht über die ihr bekannteKontamination des Grundstücks aufgeklärt habe. Etwa 40Jahre lang bis 1983 hatten die früheren Eigentümer A. aufdem umstrittenen Grundstück eine Färberei und chemischeReinigung betrieben. Im April 1983 mietete die beklagte Bankauf dem Grundstück Räume und Stellplätze für ihre nahegelegene Filiale, ließ die Räumlichkeiten renovieren und imAußenbereich Stellplätze herstellen. Zu einem zunächst beab-sichtigten Kauf des Grundstücks durch die Bank kam esnicht. Im Juli 1983 stellten sich bei Abwasserproben hoheKonzentrationen an Tetrachlorkohlenwasserstoff heraus. DasUmweltschutzamt teilte den Eigentümern A. mit, dass dasErdreich unterhalb einer zum Grundstück gehörenden Grubekontaminiert sei, das Landratsamt gab ihnen auf, zunächstdas Bodenmaterial in der Grube in einer Tiefe von etwa 50Zentimetern unter der Grubensohle zu entfernen, als Sonder-abfall zu entsorgen und die Grubensohle anschließend mitBeton zu verfüllen. Herr A. wurde darauf hingewiesen, dass erbei einem späteren Gebäudeabriss auch das Erdreich im wei-teren Bereich der Grube entfernen und als Sonderabfall ent-sorgen müsse. Im Juli 1984 teilte Herr A. dem Umweltschutz-amt mit, dass er die Auflagen erfüllt habe.

Im Januar 1985 kaufte die Mutter des Klägers von den Ehe-leuten A. das Grundstück. Den Kaufpreis von rund 500.000DM finanzierte sie über ein Darlehen bei der beklagten Bank.2005 wurde das Grundstück auf ihren Sohn, den Kläger, über-tragen. Weitere Ermittlungen der zuständigen Ämter ab demJahr 1999 führten 2004 zu dem Ergebnis, dass starke Verun-reinigungen mit Halogenkohlenwasserstoffen in Boden undGrundwasser einen erheblichen Sanierungsaufwand forder-ten, der von dem Kläger als Eigentümer und Zustandsstörerzu tragen sei. Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht sei-ner Eltern gegenüber der Beklagten die Feststellung, dass sieihm den Schaden zu ersetzen hat, der ihm aufgrund gesetz-licher Ansprüche von Behörden oder Dritten wegen den Ver-unreinigungen im Boden und im Grundwasser durch leicht-flüchtige Halogenkohlenwasserstoffe entsteht. Der Kläger hatgeltend gemacht, dass der Vorstand der Beklagten, der auchden Kauf des Grundstücks an seine Mutter vermittelt undbetreut habe, von der Altlastenproblematik zum Zeitpunktdes Verkaufs Kenntnis gehabt habe. Sie selbst habe nurgewusst, dass auf dem Grundstück eine Färberei und Reini-gung betrieben worden sei. Von dem ursprünglich geplantenKauf des Grundstücks habe die Beklagte wegen der Kontami-nation Abstand genommen. Die Beklagte hat das bestritten.

Das Landgericht Heidelberg hatte nach einer umfangreichenBeweisaufnahme der Klage stattgegeben. Die dagegen gerich-tete Berufung der Beklagten zum Siebzehnten Zivilsenat, demBankensenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe, blieb jetztohne Erfolg: Der Kläger habe einen Anspruch auf Feststellungeines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung einer ver-traglichen Nebenpflicht bei Abschluss eines Darlehensvertra-ges zwischen der Mutter und der beklagten Bank. Zwar seieine Bank, die keine Beratung vornehme, grundsätzlich nichtverpflichtet, den Darlehensnehmer über die wirtschaftlicheZweckmäßigkeit des zu finanzierenden Geschäfts sowie überGefahren und Risiken der Verwendung des Darlehens aufzu-klären und vor dem Vertragsschluss zu warnen. Von diesemGrundsatz gebe es jedoch Ausnahmen. Eine Aufklärungs-pflicht der Bank könne nach ständiger Rechtsprechung desBundesgerichtshofs bei Kreditgeschäften ausnahmsweisegegeben sein, wenn diese für sie selbst erkennbar in Bezug aufspezielle Risiken des zu finanzierenden Vorhabens gegenüberdem Darlehensnehmer einen konkreten Wissensvorsprungim Hinblick auf ein spezielles Risiko des zu finanzierendenGeschäftes hat.

So liege der Fall hier, so das OLG Karlsruhe. Das Landgerichtsei nach der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt,dass der Vorstand der Beklagten vor Abschluss des Darle-hensvertrages mit der Mutter des Klägers Kenntnis von derKontamination des Grundstückes gehabt habe, während derMutter des Klägers diese nicht bekannt gewesen sei. DieBeweisaufnahme habe ergeben, dass bei der Renovierungdurch die Bank offensichtlich verseuchtes Erdreich ausgeho-ben und entsorgt worden war. Die ausführende Baufirmahabe den Vorstand von dem verunreinigten Erdreich inKenntnis gesetzt. Nach einem Aktenvermerk der Stadtverwal-tung habe es im Februar 1984 in Anwesenheit des Vorstandesder Beklagten eine Besprechung gegeben, in der auf die Ver-seuchung des Erdreichs und auf erhebliche Sanierungskostenhingewiesen worden sei. Der Mutter des Klägers sei aber nurbekannt gewesen, dass auf dem Anwesen eine Reinigung undFärberei betrieben worden war. Erst im Jahr 2002 habe dasWasserwirtschaftsamt die Eltern des Klägers über die Konta-mination informiert.

Das OLG folgte der Beweisaufnahme und Beweiswürdigungdes LG, die verfahrensfehler- und rechtsfehlerfrei zustandegekommenen sei. Das Wissen ihres Vorstandes müsse sich diebeklagte Bank zurechnen lassen. Dass die Bank zum Zeit-punkt des Abschlusses des Darlehensvertrages nicht die spä-tere Entwicklung der Altlastenproblematik kannte, änderenichts. Bereits die Tatsache, dass an einem Grundstück Sanie-rungsarbeiten erforderlich wurden, um chemische Altlastenzu beseitigen, stelle einen erheblichen Wert bildenden Faktordar, da allein der damit verbundene Makel und die nicht aus-zuschließende Gefahr weiterer bisher unbekannter Schädenfür mögliche Käufer einen erheblichen Nachteil des Grund-stücks darstellen können. Zumindest das ihr bekannte Wis-sen hätte die Beklagte offenlegen müssen, so das OLG. Beiordnungsgemäßer Aufklärung hätte die Mutter des Klägersdas Grundstück nicht gekauft.

Quelle: Beck-aktuell-Redaktion, v. 21.07.2008.

VuR 9/2008 | 341

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342 | VuR 9/2008

Handelsblatt: Affäre um Funktionäre der Schutz-gemeinschaft der Kapitalanleger hat größereDimension

Die Affäre um die angebliche Verwicklung von Aktionärsschützernin umstrittene Aktiengeschäfte hat einem Bericht des Handels-blatts vom 24.07.2008 zufolge deutlich größere Dimensionen alszunächst bekannt. Nach Informationen der Zeitung sollen mehre-re führende Funktionäre der Schutzgemeinschaft der Kapitalanle-ger (SdK) an zwielichtigen Geschäften beteiligt gewesen sein.

Der stellvertretende SdK-Vorsitzende Markus Straub hattebereits am 23.07.2008 seinen Rücktritt erklärt, nachdem erim Zusammenhang mit einem Bilanzstreit mit dem Zah-lungsabwickler Wirecard in die Schlagzeilen geraten war. EinSprecher der SdK wollte sich am 24.07.2008 nicht zu denneuen Vorwürfen äußern. Die Staatsanwaltschaft Münchenbestätigte am 24.07.2008 den Eingang einer Anzeige vonWirecard gegen Straub. Es werde geprüft, ob ein Ermittlungs-verfahren eingeleitet werde, sagte Oberstaatsanwalt AntonWinkler. Wirecard wirft der SdK Insiderhandel und mittäter-schaftliche Marktmanipulation vor, weil der Kurs der Aktienach kritischen Äußerungen der SdK deutlich gesunken war.Straub selbst soll in Börsengeschäften auf einen sinkendenKurs der Wirecard-Aktie gesetzt und sich dadurch bereicherthaben.

Nach Recherchen des Handelsblatts ist Straub Teil eines weitverzweigten Münchener Netzwerks, in dem Analysten, Bör-senbriefautoren und Aktionärsschützer gemeinsam riskanteGeschäfte machten. Die SdK kündigte nach der Affäre umStraub an, ihre internen Richtlinien für den Umgang mitAktiengeschäften zu überarbeiten. Eine Anwaltskanzlei seidamit beauftragt worden, die sogenannten Compliance-Regeln zu schärfen, sagte ein Sprecher. Die SdK hat nach eige-nen Angaben rund 11.000 Mitglieder und zählt damit zu denbedeutendsten Aktionärsschutzvereinigungen in Deutsch-land.

Quelle: Beck-aktuell-Redaktion, (dpa), v. 24.07.2008

Versicherungen zahlen im Ernstfall nicht

Zusatzversicherungen mit Servicediensten halten oft nicht,was sie versprechen. Verbraucherschützer warnen deshalbvor überteuerten Policen, denn Versicherer würden in Not-fällen auf das Kleingedruckte verweisen. Das berichtet die„Financial Times Deutschland”.

Diese Zusatzversicherungen mit sogenannten Assistance-Leis-tungen versprechen zum Beispiel schnelle Hilfe durch einenHandwerker oder Pflegedienste. So bietet die Allianz seit 2004

eine Zusatzversicherung an, mit der Kunden für 50 Euro imJahr den Schlüssel-, Heizungs- und Elektrodienst für Notfälleerhielten. 151.700 Policen hat der Versicherer davon bislangverkauft.

Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten warnt aberdavor, sich zu sorglos auf eine Assistance-Police einzulassen.Der Blick ins Kleingedruckte zeige viele Leistungsbegrenzun-gen, etwa beim Schlüsseldienst. Der Versicherer zahle zwardas Öffnen der Tür. Wenn aber nötig wird, dass das Schlossausgetauscht oder repariert werden müsse, muss das der Ver-sicherte dann selbst zahlen, sagt Rudnik.

Viele Kunden, die eine Hausrat-Zusatzpolice abschließen,denken dabei, damit könnten sie elektronische Geräte repa-rieren lassen. Versichert seien aber nur Schäden an den Lei-tungen, für die der Vermieter sowieso aufkäme.

Besonders beliebt seien Zusatzleistungen in der Unfallversi-cherung. Da viele Krankenhäuser sparen, finde ein Teil derGenesung daher zu Hause statt. Gerade berufstätige Singlesund alte Menschen schließen deshalb oft eine spezielle Versi-cherung ab, die einen Pflegedienst organisiere und auchhauswirtschaftliche Hilfe anbieten solle.

Nach Ansicht von Rudnik weisen viele von ihnen Mängelauf: So würden einige Versicherer zwar Dienste wie dieBetreuung von Haustieren organisieren, die Kosten dafürmuss aber der Versicherte tragen.

Sehr kritisch sieht Rudnik auch die Definition eines Unfalls:Die Versicherer zahlen nur bei plötzlich von außen auf denKörper einwirkenden Ereignissen. Gerade alte Menschen stol-pern leicht und ziehen sich beim Sturz häufiger einen Ober-schenkelhalsbruch zu. Für den Versicherer sei dies allerdingskein Unfall, sodass er keine Leistungen übernähme.

Der Krankenversicherer DKV sehe dabei das Problem, dassvon 1000 Krankenhausaufenthalten nur fünf Folgen einesUnfalls seien. Man wolle nun ein Zusatzprodukt zur Kran-kenversicherung anbieten, das nicht nur nach Unfällen Leis-tungen biete.

Auch Zusatzpolicen für Senioren hätten Fallstricke: so behiel-ten sich viele Versicherer das ordentliche Kündigungsrechtvor. Das bedeutet, Senioren kann ohne Weiteres gekündigtwerden.

Dadurch würden vor allem ältere Versicherungsnehmerwegen Vorerkrankungen oder eines Höchsteintrittsalters ent-weder keinen neuen Vertrag bekommen oder nur einen mitschlechteren Bedingungen.

Quelle: www.banktip.de, v. 31.07.2008

V E R B R A U C H E R R E C H T A K T U E L L

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VuR 9/2008 | 343

B A N K R E C H T

Pflicht zur Einrichtung eines Girokontos aufGuthabenbasis (auch) für privates Kreditinstitut

LG Berlin, Urt. v. 08.05.2008, Az.:21 S 1/08 (Einstweil. Verfügung)

(ID 41734)

1. Ein Kreditinstitut kann unter dem Gesichtspunkt desKontrahierungszwanges verpflichtet sein, einem Antragstel-ler die Führung eines gebührenpflichtigen Kontos auf Gut-habenbasis zu ermöglichen.

2. Von einer derartigen Verpflichtung ist auszugehen, wennder Antragsteller geltend macht, auf ein Girokonto angewie-sen zu sein, sich bei mehreren verschiedenen Kreditinstitu-ten vergeblich um ein Konto bemüht hat und kein sachlicherGrund für die Ablehnung der Kontoeröffnung besteht.

3. Ein sachlicher Grund für die Ablehnung einer Kontoeröff-nung kann allein das Vorliegen von Gründen sein, die nachder ZKA-Empfehlung ausnahmsweise eine Kontoführung fürdas Kreditinstitut unzumutbar machen. Der Umstand, dassbereits ein Konto des Antragstellers bei diesem Kreditinstitutwegen einer Kontopfändung gekündigt wurde, führt für sichallein genommen noch nicht zur Unzumutbarkeit.(Leitsätze der Redaktion)

Sachverhalt:

Der Kläger eröffnete bei der Beklagten ein Girokonto, das zurKonto-Nr. XXXXXX geführt wurde. Darauf gingen monatlicheZahlungen von 686,97 EUR ein (Rente und Zahlungen des Job-Centers). Nachdem Gläubiger des Klägers eine Kontenpfändungerwirkt hatten und die Beklagte keine Perspektive sah, dass inabsehbarer Zeit die Pfändung aufgehoben wird, kündigte sie dieKontenverbindung mit Schreiben vom 24.10.2007 gemäß AGBNr.19 Abs.1. Das Konto ist mittlerweile gelöscht. Bei der XXX-Bank unterhielt der Kläger jedenfalls ein Mietkautionskonto.

Der Kläger behauptet, er habe sich bei der XX, XX, der XX undder XX-Bank vergeblich um die Eröffnung eines Girokontosbemüht, was von der Beklagten mit Nichtwissen bestritten wird.Er sei auf das Girokonto bei der Beklagten angewiesen; er habekeines bei der XX-Bank.

Im Wege der einstweiligen Verfügung hat der Kläger erstinstanz-lich beantragt, bis zur Entscheidung in der Hauptsache das beste-hende Konto auf Guthabenbasis fortzuführen, hilfsweise bisdahin entsprechend ein neues Girokonto einzurichten. DiesenAntrag hat das Amtsgericht Tempelhof/Kreuzberg mit Urteil vom18.12.2007 – 7 C 1009/07 – zurückgewiesen. Ein Anspruch aufGewährung eines Girokontos bestehe gegenüber einem privatenKreditinstitut nicht; im Übrigen habe der Kläger nicht alles Erfor-derliche getan, sich anderweitig ein Girokonto eröffnen zu las-sen.

Der Kläger hat gegen das Urteil, das ihm am 21.12.2007 zuge-stellt worden ist, mit am gleichen Tage eingegangenen Anwalts-schriftsatz vom 17.01.2008 Berufung eingelegt und diese mit amgleichen Tage eingegangenen Schriftsatz vom 21.02.2008begründet. Er beantragt, ihm bis zur Entscheidung in der Haupt-sache dem Verfügungskläger ein neues Girokonto, das auf Gut-habenbasis geführt wird, einzurichten.

Aus den Gründen:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

A.

Die Berufung ist statthaft, form- und fristgemäß eingelegtund begründet. (...)

B.

Die Berufung ist in der tenorierten Form auch in der Sachedurchgreifend.

I. Dem Verfügungskläger steht ein Anspruch auf Einräumungeiner Kontoverbindung auf Guthabenbasis – d. h. ohne dasRecht zur Überziehung – zu.

1. Ein solcher Anspruch ergibt sich allerdings nicht unmittel-bar aus der Empfehlung des ZKA zum sog. „Girokonto fürJedermann”, die – soweit ersichtlich aktuell unter demDatum vom 2. März 2005 – veröffentlicht und im Internetallgemein zugänglich ist. Nach allgemeinen zivilrechtlichenGrundsätzen handelt es sich dabei nicht um ein Angebot derVerfügungsbeklagten im Sinne des § 145 BGB.

Dies folgt schon daraus, dass es sich nicht um eine Erklärungder Verfügungsbeklagten handelt. Unstreitig ist der ZKA einZusammenschluss der Spitzenverbände der deutschen Ban-ken. Selbst wenn davon auszugehen ist, dass die Verfügungs-beklagte als deutsches Kreditinstitut Mitglied in einem derBundesverbände ist, ist nicht vorgetragen oder ersichtlich,dass und auf welcher Grundlage der Bundesverband bzw. derZKA rechtsverbindliche Erklärungen für eine einzelne Bankabgeben könnte. Es kann auch nicht festgestellt werden, dasseine Erklärung mit Rechtsbindungswillen gegenüber einerunbestimmten Anzahl von Interessenten vorliegt. Dazu wäreerforderlich, dass in der Erklärung bereits der Wille zur recht-lichen Bindung zum Ausdruck kommt. Zudem müsste einetwaiges Angebot so bestimmt sein, dass es durch einfaches„ja” angenommen werden kann (vgl. nur Palandt/Heinrichs,BGB, 67. Aufl., Rn. 1, 2 zu § 145 BGB). Beide Voraussetzun-gen sind vorliegend nicht gegeben. Gegen einen Rechtsbin-dungswillen spricht schon, dass in der veröffentlichten Stel-lungnahme des ZKA lediglich von einer „Empfehlung” an diejeweiligen Mitglieder und von praktischen Hinweisen aufBeschwerdestellen etc. die Rede ist. Aus einer Empfehlungkann aber nach allgemeinem Sprachgebrauch bei Auslegungnach den Verständnismöglichkeiten eines Durchschnittskun-den (§§ 133, 157 BGB) nicht abgeleitet werden, dass damitbereits eine verpflichtende Bindung eingegangen wird.Außerdem ist die Empfehlung nicht hinreichend konkret,um als Angebot angesehen zu werden. Der Abschluss einesKontovertrags wird gerade nicht uneingeschränkt ermög-licht, sondern soll von der anhand mehrerer beispielhaft auf-gezählter Kriterien (kein Girokonto für rechtswidrige Zwecke,bei wesentlichen Falschangaben, bei Beleidigung oder Bedro-hung von Mitarbeitern etc.) näher beschriebenen Zumutbar-keit abhängig sein. Dies bedingt gerade eine Prüfung im Ein-zelfall und schließt es aus, die „Empfehlung” bereits als einAngebot im Rechtssinn auszulegen (so auch HanseatischesOLG Bremen, Urt. v. 22. Dezember 2005 – 2 U 67/05 –).

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R E C H T S P R E C H U N G | Bankrecht

2. Die Verfügungsbeklagte ist jedoch unter dem Gesichts-punkt des Kontrahierungszwangs ausnahmsweise verpflich-tet, dem Verfügungskläger die Führung eines Kontos auf Gut-habenbasis zu ermöglichen.

a) Eine gesetzliche Verpflichtung zum Abschluss eines Giro-vertrages besteht allerdings nicht. Eine solche Verpflichtungist lediglich in einigen Bundesländern – jedoch bisher nichtin Berlin – für öffentlich-rechtliche Sparkassen in die dort gel-tenden Sparkassenverordnungen aufgenommen worden (vgl.die Übersichten bei Günnewig, ZIP 1992, 1670; Münch-Komm/Kramer, BGB, Bd. 1, 4. Aufl., Rn. 14 vor § 145 BGB,dort Fn. 81). Für Privatbanken gibt es eine vergleichbaregesetzliche Regelung nicht.

b) Im bürgerlichen Recht gilt im Grundsatz zwar die negativeVertragsfreiheit, d.h. der Empfänger eines Angebots kannwählen, ob er es annimmt oder nicht. Ausnahmsweise kannaber auch ohne eine gesetzliche Regelung aus allgemeinenRechtsprinzipien ein Kontrahierungszwang abzuleiten sein.Dabei sind die dogmatische Begründung sowie die Reichwei-te einer derartigen Verpflichtung umstritten. Im Wettbe-werbsrecht wird aus dem Diskriminierungsverbot für markt-beherrschende Unternehmen (§ 20 GWB, früher § 26 GWB)in bestimmten Fällen eine Verpflichtung zum Abschluss bzw.zur Fortsetzung eines Vertrages hergeleitet, deren Verletzungeinen Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB begründet, auf-grund dessen der Schädiger im Wege der Naturalrestitutionzum (Neu-) Abschluss des Vertrages verpflichtet ist (...). Vonanderen Stimmen wird eine verschuldensunabhängige Ana-logie zu den gesetzlichen Vorschriften über den Kontrahier-ungszwang z.B. in der Energieversorgung, für Verkehrunter-nehmen, in der Kfz-Haftpflichtversicherung befürwortet (ins-besondere Larenz, Schuldrecht I, § 4 I. a), S. 48 f. für Versor-gungsaufgaben der öffentlichen Hand; dem folgend Kramer,a.a.O., Rn. 14 vor § 145 BGB; Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rn.10 vor § 145 BGB). Dies soll insbesondere auch für den demSchutzbereich des § 20 GWB nicht unterfallenden Endver-braucher gelten.

c) Im Ergebnis ist auch für den vorliegenden Fall ein Kontra-hierungszwang zu bejahen. Dabei kann es zunächst nichtdarauf ankommen, dass der Verfügungskläger als Endver-braucher nicht durch § 20 GWB geschützt ist. Die bestehen-den gesetzlichen Vorschriften über den Zwang zum Vertrags-schluss zeigen, dass es nicht auf die Stellung des Interessen-ten einer am Markt angebotenen Leistung ankommt, son-dern auf die Bedeutung der Leistung für die Lebensführung(z.B. Kontrahierungszwang bei Energieversorgung, in der Per-sonenbeförderung) und die Stellung des Anbieters am Markt.Vorzugswürdig ist daher das Konzept einer allgemeinen Ana-logie zu den bestehenden gesetzlichen Vorschriften. EinKontrahierungszwang kann darüber hinaus nur bestehen,wenn es sich um eine für die Lebensführung des Kundenunabdingbare Leistung handelt, d.h. er auf diese angewiesenist (so Bork, a.a.O., Rn. 22) bzw. ein Interesse der Allgemein-heit besteht, dass der Einzelne an den angebotenen Güternteilhat (Kramer, a.a.O., Rn. 13). Die hier zu beurteilende Kon-stellation unterscheidet sich von den bisher anerkannten Fäl-len des Kontrahierungszwangs allerdings dadurch, dass dieVerfügungsbeklagte kein Monopol oder eine marktbeherr-schende Stellung innehat, sondern eine von vielen Anbieternprivater Girokonten ist. Dies steht einem Kontrahierungs-zwang jedoch vorliegend nicht entgegen. Ein Anhaltspunktdafür, dass es sich nicht in jedem Fall um eine marktbeherr-schende Stellung handeln muss, bietet die Entscheidung

BGH NJW 1990, 761, 763, in der der BGH einen Kontrahier-ungszwang eines Krankenhauses bei der medizinisch zwek-kmäßigen und ausreichenden Versorgung eines Patienten(„Normalbedarf” eines durchschnittlichen Krankenhausnut-zers) für möglich gehalten hat, obwohl es, soweit es nicht umAkutfälle, sondern z.B. um länger geplante Behandlungengeht, regelmäßig mehrere Krankenhäuser privater undöffentlicher Träger geben wird, die derartige Leistungenanbieten. Vorliegend bestehen andere, ebenso schwer wieeine marktbeherrschende Stellung wiegende Gründe, dieeinen Zwang zum Vertragsschluss begründen. Dabei istzunächst zu berücksichtigen, dass auch im Rechtsverkehrunter Privaten eine Bindung an die tragenden verfassungs-rechtlichen Grundsätze besteht (h.M., vgl. etwa Palandt/Heinrichs, a.a.O., Rn. 7 ff. zu § 242 BGB m.w.N. aus der Rsp.Des BVerfG und BGH), etwa die Grundrechte oder – vorlie-gend im Vordergrund stehend – das Sozialstaatsprinzip desArt. 20 Abs. 1 GG. Hierdurch kann die aus der allgemeinenHandlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) folgende Vertragsfrei-heit eingeschränkt oder überlagert werden, wenn drei Vor-aussetzungen vorliegen:– Angewiesenheit auf die Leistung– keine zumutbaren Alternativen– kein sachlicher Grund zur Ablehnung durch den ausge-

suchten Vertragspartner.

Danach ist eine Pflicht zum Vertragsschluss hier zu bejahen.

aa) Die Frage der Angewiesenheit ist für die Führung einesGirokontos ohne Weiteres zu bejahen. Eine praktische Mög-lichkeit der Teilnahme am Wirtschaftsleben besteht ohne einGirokonto heute nicht mehr. Weder der Dienstherr einesBeamten noch ein privater Arbeitgeber wird schon wegen desdamit verbundenen Aufwands zur Barauszahlung von Gehaltbzw. Dienstbezügen bereit sein. Laufende existentielle Ver-bindlichkeiten wie Miete, Energiekosten, Telefonkosten, Ver-sicherungsprämien etc. können zumutbar lediglich bargeld-los beglichen werden, weil die jeweiligen Empfänger Barzah-lungen nicht akzeptieren und Bareinzahlungen bei Bankenmit hohen Gebühren für jedes Einzelgeschäft verbundensind. Die überragende Bedeutung eines Girokontos wirdnicht zuletzt auch von der Bankwirtschaft anerkannt(instruktiv Steuer, Chefsyndikus beim Bundesverband deut-scher Banken, WM 1998, 439: „conditio sine qua non, umam Wirtschaftsleben ... teilnehmen zu können”).

bb) Eine zumutbare andere Möglichkeit, ein Girokonto zueröffnen, besteht nicht. Der Verfügungskläger hat durcheidesstattliche Versicherung ausreichend glaubhaft gemacht,dass er sich bei mehreren verschiedenen Kreditinstituten ver-geblich um die Eröffnung eines Girokontos bemüht hat.Mehr kann von ihm nicht verlangt werden. Dabei kanndahinstehen, ob die strengen Anforderungen, die das Land-gericht Stuttgart in NJW 1996, 3347, aufgestellt hat, im All-gemeinen zu billigen sind. Im vorliegenden Fall ist zu beach-ten, dass wegen der vorhandenen Kontenpfändung der Ver-fügungskläger ein kaum vermittelbarer Neukunde ist. Weite-re Bemühungsversuche sind daher von vornherein erkennbarfruchtlos, zumal der Verfügungskläger den angegangenenKreditinstituten nicht verschweigen dürfte, aus welchemGrunde die Verfügungsbeklagte das Girokonto kündigte. Ins-besondere kann der Verfügungskläger auch nicht an eineöffentlich-rechtliche Sparkasse verwiesen werden. Im Gegen-teil kann ein solcher Vorrang, wenn keine gesetzliche Ver-pflichtung öffentlich-rechtlicher Geldinstitute besteht, gera-de nicht bestehen. Privatbanken können nicht einseitig zu

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Vers icherungsrecht | R E C H T S P R E C H U N G

Lasten öffentlich-rechtlicher Geldinstitute kostenträchtige,wenig lukrative Kunden abwälzen und sich so einen durchnichts zu rechtfertigenden Wettbewerbsvorteil verschaffen.Es kann zudem nicht Sinn der ZKA-Empfehlung sein, einenaufgrund seiner Finanzlage nicht „attraktiven” Kunden zwi-schen verschiedenen Banken so lange „herumzureichen” bisdas letzte angegangene Unternehmen den Abschluss des Ver-trages nicht mehr verweigern kann.

cc) Es besteht kein sachlicher Grund zur Ablehnung der Ver-fügungsbeklagten. Sachlicher Grund können allein dieZumutbarkeitsgründe sein, die nach der ZKA-Empfehlung derPflicht zum Vertragsschluss ausnahmsweise entgegenstehen.Diese liegen nicht vor. Die Kosten, die die Kontoführunggerade für den Verfügungskläger hervorruft, sind kein sach-licher Grund. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten derVerfügungsbeklagten, solcherlei Aufwänden in ihrer Gebüh-ren-/Kostengestaltung rechtlich und wirtschaftlich entgegenzu wirken, sind solche Kosten grundsätzlich irrelevant. Es seibetont, dass der Verfügungskläger keinen Anspruch auf einkostenloses Girokonto hat. Für die Frage der Zumutbarkeit istdie Empfehlung des ZKA heranzuziehen. Sie kann dabei nichtisoliert gesehen, sondern muss vor dem Hintergrund ihrerEntstehung gewürdigt werden. Wie sich aus den Stellung-nahmen des Gesetzgebers ergibt, beruht die Empfehlung desZKA auf der Erwägung, damit einer andernfalls drohendengesetzlichen Regelung zuvorzukommen und steht unter lau-fender parlamentarischer Kontrolle, ob ein gesetzgeberischerHandlungsbedarf besteht (vgl. den Bericht der Bundesregie-rung vom 9. Juni 2000, BT-Drs. 14/3611, Beschlussempfeh-lung und Bericht des Finanzausschusses vom 5. Februar 2001,BT-Drs. 14/5216 und vom 8. Juni 2004, BT-Drs. 15/3274).Haben sich die Spitzenverbände der Banken in dieser Weisegebunden und betreiben damit nicht zuletzt wirtschaftlicheInteressenpolitik und – etwa durch entsprechende Internet-auftritte – Imagepflege, kann dies bei der Prüfung einesKontrahierungszwangs im Einzelfall nicht unberücksichtigtbleiben. Vielmehr muss der Umfang der Selbstverpflichtungals Prüfungsmaßstab herangezogen werden. Insbesondereträgt vor diesem Hintergrund das Argument der Verfügungs-beklagten nicht, dass bis zu einer anderslautenden gesetz-lichen Regelung ein Kontrahierungszwang nicht bestehe undaus der ZKA-Empfehlung nicht abgeleitet werden könne. Ausden in Bezug genommenen Stellungnahmen des Gesetzge-bers geht deutlich hervor, dass es gerade gesetzgeberischesZiel ist, jedem Bürger die Führung eines Girokontos auf Gut-habenbasis zu ermöglichen. Eine gesetzliche Regelung wurdelediglich deshalb für entbehrlich gehalten, weil dies durchweitgehende Beachtung der ZKA-Empfehlung entbehrlich sei(vgl. etwa BT-Drs. 15/2500, S. 2 zu 2.b)bb)), aber auch Zumut-barkeitsfragen im Einzelfall zu prüfen seien.

Die Verfügungsbeklagte könnte dem Anspruch auch nichtentgegen halten, dass das Recht zur Kündigung aus wichti-gem Grund bei Annahme eines Abschlusszwangs leer liefe.Sie kann bei Vorliegen der im Gesetz bzw. in wirksam verein-barten Geschäftsbedingungen enthaltenen Voraussetzungenaus wichtigem Grund Kreditverträge oder einen eingeräum-ten Dispositionskredit jederzeit kündigen, weil lediglich einAnspruch auf Führung eines Kontos auf Guthabenbasisbesteht (und vorliegend auch nur geltend gemacht wird).Außerdem kann sie – wie erwähnt – für die Kontoführung einbankübliches Entgelt verlangen. Eine unzumutbare Beein-trächtigung ihres Kündigungsrechts kann damit ebenfallsnicht festgestellt werden.

II. Aus den zu I.2.c) dargelegten Gründen besteht auch einVerfügungsgrund. Da der Zugriff auf ein Girokonto für diewirtschaftliche Lebensführung des Einzelnen unabdingbar istund der Verfügungskläger darüber hinaus ausreichend darge-legt hat, dass er es für die Entgegennahme seiner Einkünftebenötigt, kann er nicht auf die Durchführung des Hauptsa-cheverfahrens verwiesen werden. Auch wenn Renten recht-lich unbar ausgezahlt werden können, ist dies in der Praxisnicht der Fall und dem Kläger auch nicht zumutbar.

V E R S I C H E R U N G S R E C HT

Zum Träger des Sacherhaltungsinteresses in derKaskoversicherung

a) In der Kaskoversicherung, die von einer Personengesell-schaft für ein zum Gesellschaftsvermögen gehörendes Fahr-zeug genommen wird, sind Träger des versicherten Sacher-haltungsinteresses nicht die einzelnen Gesellschafter, son-dern es ist dies die rechtlich verselbständigte Gesamthand(Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung; BGH, Urteil vom 9.März 1964 – II ZR 216/61 – WM 1964, 592).

b) Es ist jedoch regelmäßig das Sachersatzinteresse derGesellschafter als mitversichert anzusehen, die gesellschafts-intern dazu berufen sind, das versicherte Fahrzeug zu nut-zen.

BGH, Urt. v. 05. 03.2008, Az.: IV ZR 89/07

(ID 41736)

Sachverhalt:

1 Die Klägerin unterhält als Kaskoversicherer mit der H. Inter-national GmbH & Co. KG einen Versicherungsvertrag übereinen PKW Bentley. Dem Versicherungsverhältnis liegen dieAllgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung(AKB Stand 2000) zugrunde. An der Versicherungsnehmerin,der Eigentümerin und Halterin des Fahrzeuges, ist der Vaterdes Beklagten als Kommanditist mit einem Anteil von 25%beteiligt; zugleich hält er einen Anteil von 25 % an der Kom-plementär-GmbH, deren Mitgeschäftsführer er ist. Der vonder Gesellschaft erworbene PKW Bentley war dem Vater desBeklagten von der Gesellschaft zur dienstlichen und priva-ten Nutzung überlassen.

2 Der damals 17-jährige Beklagte nahm am 18. Februar 2005den PKW Bentley für eine unberechtigte Spritztour in Be-trieb, ohne im Besitz der dazu erforderlichen Fahrerlaubniszu sein. Angesichts einer bevorstehenden Polizeikontrolleflüchtete er und verunglückte mit dem Fahrzeug, an dem einSachschaden von 45.178,13 B netto entstand. Die Klägerinzahlte nach Abzug der Selbstbeteiligung von 500 B an ihre Ver-sicherungsnehmerin 44.678,13 B. In dieser Höhe nimmt sieden Beklagten in Regress.

3 Das Landgericht hat der Klage nebst Zinsen stattgegeben.Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hatte Erfolg.Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstel-lung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe:

4 Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.

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R E C H T S P R E C H U N G | Vers icherungsrecht

I.

5 Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Ein Übergang vonAnsprüchen der Versicherungsnehmerin gegen den Be-klagten auf die Klägerin gemäß § 67 Abs. 1 VVG sei aus-geschlossen. Denn der Beklagte habe nach dem Ergebnisder Beweisaufnahme zum Zeitpunkt des Versicherungs-falles und der Erbringung der Versicherungsleistung inhäuslicher Gemeinschaft mit seinem Vater gelebt. Diesersei als Kommanditist der GmbH & Co. KG mitversichertePerson in der Fahrzeugversicherung und habe dem Be-klagten in dieser Eigenschaft die Stellung eines gemäß § 67Abs. 2 VVG privilegierten Familienangehörigen verschafft.

6 Die Versicherungsnehmerin sei als Kommanditgesell-schaft eine Personengesellschaft. Trägerin der namensder Gesellschaft begründeten Rechte und Pflichten seidaher nicht die Gesellschaft selbst, sondern dies seien ih-re gesamthänderisch verbundenen Gesellschafter. Inso-weit sei ein Kommanditist nicht anders zu behandeln alsder persönlich haftende Gesellschafter in einer offenenHandelsgesellschaft, den der Bundesgerichtshof bereits alsMitversicherten erachtet habe. Das Eigentümerinteressedes Vaters des Beklagten als Kommanditist sei durch dieBeschädigung des versicherten PKW ebenso betroffen, wiees beim persönlich haftenden Gesellschafter einer offenenHandelsgesellschaft oder Komplementär einer Komman-ditgesellschaft berührt wäre. Daran ändere auch die neu-ere höchstrichterliche Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofes zur Rechtsfähigkeit der Gesellschaftbürgerlichen Rechts nichts, denn das Vermögen von Per-sonengesellschaften unterliege unverändert einer gesamt-händerischen Bindung.

II.

7 Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

8 1. Hat der Versicherungsnehmer – die GmbH & Co. KG –einen Anspruch auf Ersatz des Schadens gegen einen Drit-ten, so geht der Anspruch auf den Versicherer über, so-weit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt(§ 67 Abs. 1 Satz 1 VVG in der hier anwendbaren altenFassung; § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG n.F.). Dem Versiche-rungsnehmer steht - sind Elemente einer Fremdversiche-rung gegeben – derjenige gleich, der die Rechtsstellungeines Versicherten hat. Es gehen dann auf den Versiche-rer im Umfang seiner Versicherungsleistungen auch dieSchadensersatzansprüche des Versicherten gegen Dritteüber. „Dritter” i.S. von § 67 VVG ist damit – im Grund-satz – jeder, der nicht Versicherungsnehmer oder Versi-cherter ist (BGHZ 117, 151, 158; 30, 40, 42).

9 Diesen nach § 67 Abs. 1 VVG vorgesehenen Rechtsüber-gang schließt § 67 Abs. 2 VVG (§ 86 Abs. 3 VVG n.F.) dannaus, wenn der Schuldner des zum Übergang auf den Ver-sicherer in Betracht kommenden Regressanspruchs – hierder Beklagte – ein mit ihm in häuslicher Gemeinschaft le-bender Familienangehöriger des Versicherungsnehmersoder des Versicherten ist, sofern er den Schaden nichtvorsätzlich verursacht hat. Die Regelung will nach ihremSinn und Zweck verhindern, dass Versicherungsnehmeroder Versicherte auf dem Umwege über einen Rückgriff ge-gen den mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebendenFamilienangehörigen selbst wirtschaftlich in Mitleiden-schaft gezogen (BGHZ 30 aaO 45; BGH, Urteil vom 9. März

1964 – II ZR 216/61 – WM 1964, 592 unter 2; Senatsurteilvom 27. Oktober 1993 – IV ZR 33/93 – VersR 1994, 85 un-ter II 1 m.w.N.) und dadurch mittelbar mit dem vom Ver-sicherer regulierten Schaden belastet werden.

10 2. Der Vater des Beklagten ist (Mit-)Versicherter in der beider Klägerin genommenen Fahrzeugversicherung.

11 a) Im Ausgangspunkt ist die Kaskoversicherung allerdingseine reine Sachversicherung, denn sie umfasst die Be-schädigung, Zerstörung und den Verlust des Fahrzeuges(§ 12 Abs. 1 AKB). Versichert ist daher regelmäßig dasInteresse des rechtlichen Eigentümers an der Erhaltung derSache (Senatsurteil vom 27. Oktober 1993 aaO unter II 2a m.w.N.).

12 Der Vater des Beklagten hatte kein Eigentum an dem PKWBentley erworben. Das Fahrzeug gehörte zum Gesell-schaftsvermögen der GmbH & Co. KG, an der er als Ge-sellschafter beteiligt war.

13 (1) Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat in diesemZusammenhang bislang zwischen juristischen Personendes Privatrechts einerseits und Personengesellschaftenandererseits unterschieden. Zur Gesellschaft mit be-schränkter Haftung hat der Senat ausgeführt, diese habeals juristische Person selbständig ihre Rechte und Pflich-ten (§ 13 Abs. 1 GmbHG). Eigentum der Gesellschaft seideshalb nicht zugleich Eigentum der Gesellschafter, auchnicht das eines Alleingesellschafters. Die von der Gesell-schaft für ein in ihrem Eigentum stehendes Fahrzeug ab-geschlossene Fahrzeugversicherung decke somit (allein)deren Eigentümerinteresse an der Erhaltung des Fahrzeu-ges. Dagegen sei ein solches Eigentümerinteresse in derPerson eines Gesellschafters nicht gegeben. Er sei dahernicht Versicherter und insoweit – wie andere zur Nut-zung des Fahrzeugs berechtigte Nichteigentümer – gegen-über der Gesellschaft als Dritter zu betrachten (Senatsur-teil vom 27. Oktober 1993 aaO unter II 3 a und b).

14 (2) Anders ist dies für die offene Handelsgesellschaft alsPersonengesellschaft beurteilt worden. Deren Gesellschaf-tern komme ein Eigentümerinteresse an der Erhaltungder im Gesamthandseigentum stehenden Sache zu; inAbgrenzung zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung er-folge keine Trennung zwischen dem Vermögen der Ge-sellschafter und dem der Gesellschaft. Bei einer Gesamt-handsgemeinschaft, zu deren Vermögen der unterVersicherungsschutz stehende PKW gehöre, sei das Eig-entümerinteresse am Erhalt der Sache in der Person jedesGesamthänders gegeben. Zwar unterliege das Fahrzeugals Bestandteil des Gemeinschaftsvermögens einer ge-samthänderischen Bindung. Sein Verlust erscheine jedochals eine unmittelbare Beeinträchtigung der dinglichenRechtsstellung der einzelnen Teilhaber, die deshalb als(Mit-)Träger des versicherten Interesses anzusehen seien.Der Kaskoversicherer sei daher grundsätzlich gehindert,nach Entschädigung der Gesamthandsgemeinschaft alsVersicherungsnehmerin gegen eines ihrer Mitglieder oderdessen Angehörigen Rückgriff zu nehmen (Urteil vom 9.März 1964 aaO unter 1).

15 (3) Die bisherige Auffassung, wonach ein Sacherhaltungs-interesse bei den Gesellschaftern einer Gesellschaft mit be-schränkter Haftung zu verneinen, bei den Gesellschaf-tern einer Personengesellschaft hingegen zu bejahen ist,lässt sich angesichts der neueren Rechtsprechung des II. Zi-

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Vers icherungsrecht | R E C H T S P R E C H U N G

vilsenats des Bundesgerichtshofes zur Rechtsnatur derGesamthand (BGHZ 146, 341, 344, 347) nicht mehr auf-rechterhalten (so auch Prölss in: Prölss/Martin, VVG 27.Aufl. § 80 Rdn. 20; § 74 Rdn. 2; Armbrüster, NVersZ 2001,193, 197). Danach ist bei der Gesamthand als Grund-struktur jeder Personengesellschaft eine nach außen hinbestehende beschränkte Rechtssubjektivität gegeben. Sieist aufgrund eigener Rechtspersönlichkeit als (teil-)rechts-fähig anzuerkennen. Es sind daher nicht mehr die ge-samthänderisch verbundenen Gesellschafter Zuord-nungssubjekt für die Rechte und Pflichten, die dieGesellschaft betreffen. Es ist vielmehr die Gesamthandselbst als ein von den Gesellschaftern verschiedenesRechtssubjekt Trägerin dieser Rechte und Pflichten (andersnoch zur Kommanditgesellschaft: Senat in BGHZ 110,127, 128 f.).

16 (4) Das hat Einfluss auf die Frage, wem bei der Fahrzeug-versicherung das versicherte Sacherhaltungsinteresse zu-zuordnen ist. Sie ist dahin zu beantworten, dass dieses al-lein der GmbH & Co. KG als Eigentümerin des Fahrzeugesmit ihrer rechtlich verselbständigten Gesamthand als Trä-gerin des Gesellschaftsvermögens zuzuweisen ist, nichthingegen ihren Gesellschaftern, gleich ob diese inner-halb der Gesellschaft die Stellung eines Komplementärsoder eines Kommanditisten innehaben. Ist der Vater desBeklagten somit nicht als Versicherter zu betrachten, so-weit es um das Interesse am Erhalt des Fahrzeuges geht,wäre eine Anwendung des § 67 Abs. 1 VVG mit dem Über-gang von Ersatzansprüchen der Versicherungsnehmeringegen den Beklagten auf die Klägerin nicht ausgeschlos-sen.

17 b) Der Senat hat jedoch seine Ansicht aufgegeben, in eineSachversicherung – wie die Fahrzeugversicherung – kön-ne über das Sacherhaltungsinteresse hinaus nicht zusätz-lich das Sachersatzinteresse des nutzungsberechtigtenNichteigentümers einbezogen werden, aufgrund seinerHaftung gegenüber dem Eigentümer nicht wegen Beschä-digung oder Verlustes der Sache in Anspruch genommenzu werden.

18 (1) Vielmehr sind die Parteien eines Versicherungsver-hältnisses grundsätzlich frei in der Gestaltung des Vertra-ges. Es unterliegt ihrer Entscheidung, welches und wessenInteresse Gegenstand der Versicherung sein soll. Die Ty-pisierung eines Versicherungsvertrages besagt – von auf-sichtsrechtlichen Vorschriften abgesehen – noch nicht,dass die Ausgestaltung im Einzelnen nicht auch Elemen-te anderer Vertragstypen enthalten kann; daher kann inder Sachversicherung das Sachersatzinteresse eines Drittenmitversichert werden. Dabei ist im Zweifel durch Ausle-gung zu ermitteln, welche Interessen die Parteien als ver-sichert vereinbart haben (BGHZ 145, 393, 397 f.; Senats-urteile vom 28. März 2001 – IV ZR 163/99 – VersR 2001,713 unter 2 b; vom 7. Mai 2003 – IV ZR 239/02 – VersR2003, 1171 unter II 1 a).

19 (2) Vor diesem Hintergrund hat der Senat für die Trans-portversicherung (Urteil vom 7. Mai 2001 aaO unter II 1b) keine Mitversicherung des Sachersatzinteresses ange-nommen, weil der Unternehmer die gesetzliche Pflicht hat(§ 7a GüKG), neben der Transportversicherung eine Gü-terschaden-Haftpflichtversicherung zu unterhalten, derenmaßgeblicher Inhalt die Abdeckung des Sachersatzinte-resses ist, so dass keine Veranlassung besteht, das Sacher-

satzinteresse (zusätzlich) zum Gegenstand der Sachversi-cherung zu machen.

20 Hingegen hat der Senat für eine Gebäudeversicherung,die durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft ge-nommen wird, den Einschluss des Sachersatzinteresses be-jaht, weil dort eine besondere Verbundenheit der Woh-nungseigentümer untereinander besteht und daher auchein Sachersatzinteresse einzelner Wohnungseigentümer inBezug auf Schäden am Gemeinschaftseigentum und amSondereigentum der anderen Wohnungseigentümer ge-geben ist (Senatsurteil vom 28. März 2001 aaO unter 2 b).

21 (3) Demgegenüber hat er eine Einbeziehung des Sacher-satzinteresses zugunsten des Mieters – als dem nutzungs-berechtigten Nichteigentümer – im Rahmen einer Ge-bäudeversicherung abgelehnt. Zwar bedürfe der Mieter desSchutzes davor, bei einem nur leicht fahrlässig verursach-ten Brand des Gebäudes vom Versicherer in Anspruch ge-nommen zu werden. Um diesen Schutz zu erreichen, brau-che der Mieter aber nicht als Mitversicherter in denVersicherungsvertrag einbezogen zu werden mit der Folge,dass ihm – entgegen möglichen Interessen des Vermieters– eigene Ansprüche gegen den Versicherer zustünden(BGHZ 145, 393, 398). Der Senat hat stattdessen einenüber die ergänzende Vertragsauslegung des Gebäudeversi-cherungsvertrages gewonnenen Regressverzicht des Ver-sicherers für die Fälle angenommen, in denen der Mietereinen Brandschaden durch einfache Fahrlässigkeit verur-sacht hat (BGHZ aaO; Senatsurteile vom 13. September2006 – IV ZR 378/02 – VersR 2006, 1530 unter B II 1; – IVZR 116/05 – VersR 2006, 1533 unter B II 1; – IV ZR 273/05– VersR 2006, 1536 unter B I 1).

22 c) Die zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungs-bedingungen besagen über eine Mitversicherung des Sa-chersatzinteresses nichts. Dennoch kann über die Allge-meinen Versicherungsbedingungen hinaus der Inhalt desVersicherungsvertrages durch zusätzliche, auch kon-kludente Vereinbarungen bestimmt werden. Ebenso kanneine festgestellte Vertragslücke in den Allgemeinen Versi-cherungsbedingungen durch ergänzende Vertragsausle-gung geschlossen und der Umfang des Versicherungs-schutzes auf diese Weise ermittelt werden (vgl. BGHZ 145,393, 398; Senatsurteil vom 13. September 2006 – IV ZR378/02 – aaO). Dies erfordert hinreichend konkrete An-haltspunkte, die für eine Mitversicherung des Sachersatz-interesses sprechen. Zu berücksichtigen sind dabei in ers-ter Linie die Interessen der Vertragsparteien, alsodiejenigen der Klägerin als Versicherer und der Gesell-schaft als Versicherungsnehmerin. Die Interessen auch derGesellschafter und Geschäftsführer sind einzubeziehen,soweit sie sich in einem auf dem gesellschaftsrechtlichenInnenverhältnis beruhenden Interesse der Versicherungs-nehmerin niederschlagen (vgl. Senatsurteil vom 13. Sep-tember 2006 – IV ZR 273/05 – aaO zur ergänzenden Ver-tragsauslegung). Eine ergänzende Vertragsauslegung ergibthier, dass in der Fahrzeugversicherung das Sachersatzin-teresse der Gesellschafter und Geschäftsführer mitversi-chert ist, die gesellschaftsintern dazu berufen sind, das ver-sicherte Fahrzeug zu nutzen.

23 (1) Dem Vater des Beklagten war das Fahrzeug im Einver-nehmen mit der Versicherungsnehmerin zur privaten undgeschäftlichen Nutzung überlassen. Die Nutzung ihresFahrzeuges und die Ausübung des unmittelbaren Besitzes

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R E C H T S P R E C H U N G | Verbraucher inso lvenzrecht

daran war der Versicherungsnehmerin als körperschaftlichstrukturierter und damit als solcher nicht handlungsfähi-ger Personengesellschaft überhaupt nur durch natürlichePersonen möglich, wie hier durch den Beklagten als einemihrer Gesellschafter und Geschäftsführer der Kom-plementär-GmbH. Für die Klägerin als Versicherer warangesichts der rechtlichen Struktur ihrer Versicherungs-nehmerin bei Abschluss des Versicherungsvertrages er-kennbar, dass diese ihre Eigentümerbefugnisse nicht selbstausüben und allein über natürliche Personen tatsächlicheEinwirkungsmöglichkeiten auf das Fahrzeug haben konn-te. Das versicherte Risiko hat sich dadurch für sie nichterhöht (vgl. ÖOGH VersR 1993, 1301), denn es stand vonAnbeginn außer Frage, dass das Fahrzeug nicht von derVersicherungsnehmerin selbst, sondern nur von den ge-sellschaftsintern dazu berufenen natürlichen Personen inBetrieb genommen werden konnte, die statt der Gesell-schaft Umgang mit der Sache hatten. Es entspricht zu-dem der Üblichkeit, dass eine Gesellschaft von ihr ange-schaffte und unter Versicherungsschutz gebrachteFahrzeuge ihren Gesellschaftern oder Geschäftsführernzur Nutzung überlässt. Es ist ebenfalls nicht ungewöhn-lich, dass solche Dienstfahrzeuge den betreffenden natür-lichen Personen umfassend – auch zum privaten Einsatz– zur Verfügung stehen.

24 (2) Der Gesellschaft als Versicherungsnehmerin ist, wiesich dem Versicherer ebenfalls ohne Weiteres erschließt,daran gelegen, nicht in haftungsrechtliche Auseinander-setzungen mit ihren eigenen Gesellschaftern und Organenverwickelt zu werden, auf die sie zur Ausübung der un-mittelbaren Sachherrschaft angewiesen ist, wenn die die-sen anvertraute Sache beschädigt oder zerstört wird (PrölssaaO § 80 Rdn. 18, 20; Armbrüster, VersR 1994, 893, 895).Das versteht sich für den Einsatz als Geschäftswagen vonselbst, erstreckt sich aber auch auf die Nutzung zu priva-ten Zwecken, denn eine Abgrenzung zwischen geschäftli-chem und privatem Einsatz kann sich im Haftungsfall alsschwierig erweisen. Der Gesellschafter und Geschäftsfüh-rer kann aufgrund seines Innenverhältnisses zur Gesell-schaft, der er den Besitz an dem Fahrzeug vermittelt, sei-nerseits die berechtigte Erwartung hegen, dass ihm derSchutz der abgeschlossenen Kaskoversicherung zugutekommt (Prölss aaO; Armbrüster aaO), um nicht im Falle ei-ner Beschädigung der Sache Regressansprüchen ausge-setzt, sondern umfassend vor einer Inanspruchnahme ge-schützt zu sein. Das gilt umso mehr, als die aus Mittelnder Gesellschaft für die Fahrzeugversicherung entrichtetePrämie als Betriebsausgabe den Gewinn mindert und sichzu Lasten des Anteils der einzelnen Gesellschafter aus-wirkt, die somit die Prämie im wirtschaftlichen Ergebnistragen.

25 (3) Dieser innergesellschaftlichen Interessenlage lässt sichnur durch einen Einschluss des Sachersatzinteresses derGesellschafter und Geschäftsführer, die mit der Sache be-stimmungsgemäß in Berührung kommen, in die Fahr-zeugversicherung gerecht werden. Durch einen bloßen Re-gressverzicht des Versicherers allein kann ihr nicht genügtwerden, denn das Interesse der Versicherungsnehmerin istauch und gerade darauf gerichtet, dass die Gesellschafterund Geschäftsführer, die Einwirkungsmöglichkeiten aufdie Sache haben, einen eigenen Anspruch gegen den Ver-sicherer erlangen und diesem gegenüber geltend machenkönnen. Dem kann der Versicherer angesichts des Um-

standes, dass sich für ihn das versicherte und bei Begrün-dung der vertraglichen Beziehungen erkennbare Risikonicht erhöht, gleichrangige eigene Interessen, die gegen ei-ne Einbeziehung des Sachersatzinteresses sprechen, nichtentgegensetzen. Er müsste dem Versicherungsnehmer je-denfalls offen legen, falls er im Einzelfall zu den verein-barten Bedingungen und zu der festgelegten Prämie nichtauch den Schutz des Haftpflichtigen gewähren will (Arm-brüster, VersR 1994 aaO 896; NVersZ aaO 197).

26 3. Ein Übergang von Ansprüchen auf die Klägerin in ihrerEigenschaft als Versicherer nach § 67 Abs. 1 VVG scheidetnach alledem aus. Das Berufungsgericht hat unangegriffenfestgestellt, dass der Beklagte bei Eintritt des Versiche-rungsfalles mit seinem Vater in häuslicher Gemeinschaftgelebt hat. Eine vorsätzliche Verwirklichung des Scha-dens an dem PKW (§ 67 Abs. 2 Halbs. 2 VVG) durch denBeklagten ist weder behauptet noch sonst ersichtlich. Da-mit sind die Voraussetzungen des § 67 Abs. 2 VVG gege-ben. Auf Fragen des § 15 Abs. 2 AKB kommt es danachnicht mehr an.

V E R B R AU C H E R I N S O LV E N Z R E C H T

Keine Versagung der Restschuldbefreiung eines inhaf-tierten Schuldners

1. Die eventuelle Nichtausübung einer angemessenenErwerbstätigkeit eines Schuldners oder das fehlende bzw.nicht nachgewiesene Bemühen um eine angemesseneBeschäftigung im Sinne des § 4c Nr. 4 InsO führt nicht zueiner Versagung der noch nicht gewährten Stundung nach §4a InsO.

2. Die Verminderung eines bisher pfändbaren Einkommensdurch eine Inhaftierung des Schuldners kann nicht als Oblie-genheitsverletzung im Sinne des § 295 InsO qualifiziert wer-den, so dass auch ein Strafgefangener grundsätzlich Rest-schuldbefreiung erlangen kann (entgegen LG Hannover,ZInsO 2002, 449 f.).

LG Koblenz, Beschl. v. 02.07.2008, Az.: 2 T 444/08 (vorgehend AGMontabaur – 14 IK 91/08)

(ID 41735)

Sachverhalt:

Der Antragsteller hat die Eröffnung eines Verbraucherinsolvenz-verfahrens unter Vorlage der Anlagen gestellt und zugleich dieBewilligung der Restschuldbefreiung beantragt. Zugleich hat erunter dem gleichen Datum die Kostenstundung nach §§ 4 a ff.InsO beantragt. Dem Antrag wurde die Erklärung nach § 4aAbs. 1 S. 3 InsO beigefügt. Der Schuldner verbüßt derzeit einelebenslange Freiheitsstrafe.

Durch Beschluss hat die Insolvenzrichterin des Insolvenzgerichtsbeim Amtsgericht Montabaur den Antrag auf Kostenstundungzurückgewiesen. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ange-führt, dass der Schuldner seiner Obliegenheit in Form einer ange-messen entlohnten Erwerbstätigkeit nicht nachgehe und inabsehbarer Zeit aufgrund seiner – selbst verschuldeten - Inhaftie-rung nicht nachgehen könne. Die Verletzung der Erwerbsoblie-genheit nach § 295 Abs. 1 Ziffer 1 InsO stelle einen Versagungs-grund im Sinne des § 296 InsO dar. Dem Schuldner könne dahererst nach Beendigung der Strafhaft oder als Freigänger seine Ent-schuldung betreiben.

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Sonst iges | R E C H T S P R E C H U N G

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seinersofortigen Beschwerde.

Aus den Gründen:

8 Das zulässige Rechtsmittel erweist sich auch in der Sache alsbegründet. Entgegen der Auffassung des Insolvenzrichters istKostenstundung zu bewilligen, da die Voraussetzungen nach§ 4a InsO vorliegen und ein Ausschlussgrund nicht gegebenist. Insbesondere kann die – eventuelle – Nichtausübung ei-ner angemessenen Erwerbstätigkeit oder das fehlende bzw.nicht nachgewiesene Bemühen um eine angemessene Be-schäftigung i.S. d. § 4 c Nr. 4 InsO nicht zu einer Versagungder noch nicht gewährten Stundung führen.

11 § 4 c Nr. 4 InsO eröffnet schon nach seinem eindeutigenWortlaut insoweit nur die Möglichkeit einer Aufhebung, nichtaber einer Versagung der Stundung. Eine Aufhebung setztaber zwingend voraus, dass eine Stundung zunächst gewährtworden ist. Die Obliegenheit des § 4 c Nr. 4 InsO kann denSchuldner damit frühestens ab Stundung der Kosten treffen(vgl. Eberhard Braun , Kommentar zur InsO, 3. Aufl. 2007, § 4c Rdnr. 8).

12 Für eine erweiternde, nicht wie das Amtsgericht – wohl still-schweigend – meint „einschränkende” Auslegung oder analo-ge Anwendung des die Aufhebung der Stundung regelnden §4 c Nr. 4 InsO auf Fälle der Gewährung der Stundung, fehlendie Voraussetzungen. Es besteht keine durch erweiternde Aus-legung oder Analogie zu schließende unbeabsichtigte Rege-lungslücke.

13 Nach der amtlichen Begründung (RegE InsOÄndG) hat derGesetzgeber mit der Vorschrift des § 4 c Nr. 4 InsO zwar eineAusdehnung der in § 295 Abs. 1 Nr. 1 InsO statuierten Er-werbsobliegenheit sowie der in § 296 Abs. 2 Satz 3 InsO statu-ierten Pflicht des Schuldners, Auskunft über die Erfüllung sei-ner Obliegenheit zu erteilen auf das Insolvenzverfahrenbeabsichtigt. Wie aus der amtlichen Begründung weiterhinhervorgeht, soll die Ausdehnung dieser Vorschriften aber “imRahmen der Stundung” erfolgen und dem Gericht damit nurdie Möglichkeit eröffnet werden, bei unzureichender Mitwir-kung des Schuldners die Stundung aufzuheben (RegE InsO-ÄndG, Seite 29). Davon, die Stundung nur dann zu gewäh-ren, wenn der Schuldner bereits im Vorfeld der in § 295 Abs.1 Nr. 1 InsO normierten Obliegenheit nachgekommen ist,hat der Gesetzgeber aus Gründen der Verfahrensvereinfachungund Beschleunigung bei der Gewährung der Stundung geradeabgesehen.

14 Dem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass gemäß § 4 aAbs. 3 InsO die Stundung für jeden Verfahrensabschnitt ge-sondert zu erfolgen hat. Denn die Möglichkeit der Erfüllungder Obliegenheit muss dem Schuldner in jedem Verfahrens-abschnitt wieder offenstehen. Ob und inwieweit vorherigeVerstöße gegen die Erwerbsobliegenheit bei der Gewährungder Stundung der Kosten für den nächsten Verfahrensab-schnitt zu berücksichtigen sind, kann hier offenbleiben. Je-denfalls kann die erstmalige Gewährung der Stundung nichtwegen des eventuellen vorherigen mangelnden Bemühensoder unzureichender Auskunft über Bemühungen um eineangemessene Beschäftigung versagt werden.

15 Im Übrigen ist die Kammer der Auffassung, dass auch einStrafgefangener Restschuldbefreiung erlangen kann. Der ent-gegenstehenden Auffassung des Landgerichts Hannover vom

12. Februar 2002 – 20 T 2225/01 – (veröffentlicht in: ZInsO2002, 449) schließt sich die Kammer nicht an. Denn da das ausder Arbeit des Schuldners im Strafvollzug bezogene Eigengelddes Häftlings in Höhe von ca. 100 bis 144 B (vgl. Bl. 50 d. A.)nach § 52 StVollzG ohne Bindung an die §§ 850ff ZPO pfänd-bar ist (vgl. BGH NJW 2004, 3714), können – zumindest be-grenzt – Leistungen an die Gläubiger erfolgen. Die hier gege-bene – eventuelle – Verminderung bisherigen pfändbarenEinkommens durch die Inhaftierung kann nicht als Oblie-genheitsverletzung im Sinne des § 295 InsO qualifiziert wer-den (vgl. zum Ganzen: Braun , a. a. O., § 295 Rdnr. 6; Kohte ,EWiR, § 295 InsO, 1/02, S. 491; Wilhelm , ZInsO 2002, 450f;Riedel, ZVI 2002, 131 f).

16 Auf weitere Versagungsgründe, als die in § 290 Abs. 1 Nr. 1und 3 InsO genannten, kann vorliegend die Ablehnung der Be-willigung der Kostenstundung nicht gestützt werden, weil sienicht zweifelsfrei feststehen.

S O N ST I G E S

Vollharmonisierung durch die Hintertür?

– Zur Kritk der Schlussanträge der Generalanwältin Trestenjakin der Rs. Gysbrechts, C-205/07, v. 17.07.2008(ID 41770)

Von Prof. Dr. Norbert Reich, Hamburg und Prof. Dr. Hans-Wolf-gang Micklitz, Florenz

Die vorliegende Rechtssache unterzieht, soweit ersichtlichzum ersten Male, das Prinzip der Mindestharmonisierung imeuropäischen Verbraucherrecht, das der EuropäischeGerichtshof (EuGH) bislang unbeanstandet hat durchgehenlassen (zuletzt Rs. C-71/02, Slg. 2004 I-3025 = EuZW 2004,439 Rdnr. 34 – Karner), einer kritischen Würdigung nach pri-märem Gemeinschaftsrecht, konkret der Außenverkehrsfrei-heit nach Art. 29 EG. Der Sachverhalt ist schnell dargestellt:das belgische Umsetzungsgesetz zur Fernabsatzrichtlinie97/7/EG v. 20.05.1997 (ABl. EG L 144 v. 4.6.1997, S. 19; dazuReich, EuZW 1997, 581; Micklitz, ZEuP 1999, 884; von derGÄin in Rdnr. 67 erwähnt) verbietet vor Ablauf der Wider-rufsfrist von sieben Werktagen (An-) Zahlungen, einschließ-lich solcher mittels Kreditkarte. Der Verkäufer kann nach bel-gischer Praxis auch nicht die Angabe der Kreditkartennum-mer verlangen, selbst wenn er sich verpflichtet, sie vor Ablaufder Frist nicht zu nutzen. Anders als im deutschen Recht sindVerstöße strafrechtlich sanktioniert. Die belgische Firma San-turel, die von L. Gysbrechts geleitet wird, wurde mit einemStrafverfahren überzogen, weil sie von EG-ausländischenKunden auch vor Ablauf der Widerrufsfrist die Angabe derenKreditkartennummer verlangte. Die vom belgischen Beru-fungsgerichtshof Gent dem EuGH vorgelegte Frage lautetenun dahingehend, ob das Verbot der (An-) Zahlung oder derAngabe der Kreditkartennummer bei Auslandsgeschäftengegen Art. 29 EG verstoße, und ergänzend wenn ja, ob esgegebenenfalls aus Gesichtspunkten des Verbraucherschutzesgerechtfertigt werden könne.

Zum Verständnis des Konfliktes ist der Hinweis wichtig, dassdie Richtlinie selbst kein Verbot von Anzahlungen des Liefe-rers enthält; dies war im Gesetzgebungsverfahren umstritten(Reich/Micklitz, Europäisches Verbraucherrecht, 4. Aufl. 2003,Rdnr. 15.36; Reich, EuZW 1997, 585). Die Richtlinie sagtlediglich in Art. 6 Abs. 2 (3), dass der Lieferer innerhalb von

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R E C H T S P R E C H U N G | Sonst iges

30 Tagen nach Widerruf geleistete Zahlungen zurückzuerstat-ten hat. Im Rahmen der Mindestharmonisierung nach Art.14 können die Mitgliedstaaten strengere Vorschriften erlas-sen oder aufrechterhalten, die ein höheres Schutzniveau fürden Verbraucher sicherstellen, allerdings nur im „Einklangmit dem EG-Vertrag“. Steht die belgische Regelung im „Ein-klang“ mit Art. 29 EG? Dieser Frage widmen sich die aus-führlichen Schlussanträge und kommen dabei zu einigendurchaus neuen, überraschenden aber letztlich nicht über-zeugenden Ergebnissen.

1. Die hier maßgeblichen belgischen Vorschriften betreffenentweder Art. 28, der „Maßnahmen gleicher Wirkung“ wiemengenmäßige Einfuhrbeschränkungen verbietet, und Art.29 EG, der das Gleiche für Ausfuhrbeschränkungen regelt.Um Einfuhrbeschränkungen ging es aufgrund der Sachver-haltskonstellation nicht, sodass die hier umfangreiche EuGH-Rechtsprechung nicht konsultiert werden musste (zuletztSchlussanträge des GA Yves Bot v. 08.07.2008 in der Rs. C-110/05 Kommission/Italien, dazu Reich, EuZW, 2008, 485 f.).Es blieb also nur die Anwendung des Art. 29, der allerdings inder EuGH-Rspr. eine sehr viel engere Auslegung erfahren hat,mit der sich die GÄin ausführlich auseinandersetzt. In sei-nem Urteil in der Rechtssache Groenveld (C-15/79, Slg. 1979,3409 Rdnr. 7) hat der EuGH entschieden, dass Art. 29 EG nur„Maßnahmen [erfasst], die spezifische Beschränkungen der Aus-fuhrströme bezwecken oder bewirken und damit unterschiedlicheBedingungen für den Binnenhandel innerhalb eines Mitgliedstaatsund seinen Außenhandel schaffen, so dass die nationale Produk-tion oder der Binnenmarkt des betroffenen Staates zum Nachteilder Produktion oder des Handels anderer Mitgliedstaaten einenbesonderen Vorteil erlangt“. Diese Rechtsprechung ist in derLiteratur kritisiert worden (Rdnr. 41 mit Nachweisen Fn. 27),vor allem mit Hinweis auf die weite Auslegung des Art. 28 EGnach der sog. „Dassonville-Formel“ (EuGH Rs. 8/74, Slg. 1974,837), wonach als Maßnahme gleicher Wirkung jede Handels-regelung eines Mitgliedstaates zu verstehen ist, die unmittel-bar oder mittelbar, aktuell oder potenziell die Einfuhrenbehindert (dazu Reich/Micklitz Rdnr. 2.8 mit weiteren Nach-weisen). Weiterhin gelten die Beschränkungsverbote imBereich etwa des Dienstleistungsverkehrs auch bei nationalenMaßnahmen mit Auslandswirkung (vgl. Rs. C-384/93 AlpineInvestments, Slg. 1995 I-1141 = EuZW 1995, 404 Rdnr. 31 mitAnm. Reich 407).

Die GÄin will nun diese weite Formel auch für Ausfuhrbe-schränkungen übernehmen, in der Sache also eine Anglei-chung von Art. 28 und 29 erreichen, und fordert den EuGHauf, seine bislang restriktive Rechtsprechung zu Art. 29 EG zuüberdenken (Rdnr. 53). Das hieße im konkreten Fall, dass diebelgische Regelung des (An)Zahlungsverbots, die Wirkungenauf die „Ausfuhr“ belgischer Produkte im Rahmen des grenz-überschreitenden Internethandels hat, grundsätzlich demprimären Gemeinschaftsrecht und damit auch dem Prinzipder Mindestharmonisierung in Art. 14 der RiLi 97/7 wider-spricht, sofern nicht eine Rechtfertigung gem. den Kriteriendes sog. Cassis-Urteils (Rs. 120/8, Slg. 1979, 649, ausf.Reich/Micklitz Rdnr. 2.40 mit w. Nachw.) möglich ist.

2. Damit stellt sich allerdings ein weiteres Problem, dass dieGÄin durchaus sieht: Angesichts der zunehmenden Verflech-tung des Binnenmarktes gerade durch den Internethandelhat praktisch jede nationale Maßnahme, die sich auf das Mar-keting eines Inlandprodukts bezieht, zwangsläufig auchgleichzeitige Auslandswirkungen, insbes. wenn die nationaleMaßnahme strenger ist als die EG-ausländische. Man denke

an die Sachverhaltsgestaltung im Urteil Karner, wo es um dasVerbot der Bezugnahme auf die Herkunft der Ware aus einerKonkursmasse ging, wenn diese Ware nicht mehr zur Kon-kursmasse gehört. Der EuGH hat diese österreichische Rege-lung bekanntlich nicht Art. 28 EG unterworfen, weil einebloße nicht-diskriminierende „Verkaufsmodalität“ i.S. derKeck-Rechtspechung (Rs. C-266+ 267/91, Slg. 1993 I-6097)vorlag. Die GÄin will die von ihr ge- oder genauer gesagterfundene „weite“ Auslegung des Art. 29 EG nach den Keck-Kriterien wiederum einengen (Rdnr. 57). Diese Rspr. ist abergerade Gegenstand der Kritik und der Forderung nach einerÜberprüfung durch mehrere Schlussanträge von GÄen inanderen Verfahren gewesen, auf die der EuGH noch nichtreagiert hat (Nachweise bei Reich, EuZW 2008, 485 f.). Solldiese Unsicherheit nun auch in den Bereich der „Ausfuhrre-gelungen“ übertragen werden? Wo bleibt dann der nationaleRegelungsvorbehalt, den das Gemeinschaftsrecht bislangjedenfalls theoretisch immer anerkannt hat, sofern nichtmessbare Wirkungen auf die Einfuhr bzw. Ausfuhr feststellbarsind?

3. Überhaupt nicht thematisiert die GÄin die Frage, ob undinwieweit das nationale Privatrecht nach Maßgabe der Art. 28und 29 überprüft werden kann. In Alstom Atlantique (C-339/89, Slg. 1991, I-107) bzw. in CMC Motorradcenter (C-93/92, Slg. 1993, I-509) hatte der EuGH allen Versuchen eineAbsage erteilt, Haftungsregeln als Maßnahmen gleicher Wir-kung anzusehen. Nach dem Vorschlag der GÄin sind kaumnoch nationale verbraucherschützende Regelungen unterGeltung des Mindestharmonisierungsprinzips denkbar, dienicht auch mittelbare Auswirkungen auf den grenzüber-schreitenden Vertrieb haben. Nationale Regelungen jenseitsdes europäischen Mindeststandards werden mit dem Gene-ralverdacht eines Handelshemmnisses bedacht. Hier wirddurch die Hintertür das Mindestharmonisierungsprinzipabgeschafft – eine Tendenz, die in der Tat neuen Ansätzen derKommission entgegenkommt (Kritik Micklitz/Reich, VuR2007, 121, 128 zu den Vorschlägen der Kommission einerÜberprüfung des verbraucherrechtlichen acquis).

4. Auch Maßnahmen gleicher Wirkung können vor demGemeinschaftsrecht Bestand haben, wenn sie durch „zwin-gende Erfordernisse des Verbraucherschutzes“ gerechtfertigtsind, wie wir seit der vielzitierten Cassis-Entscheidung wis-sen. Die belgische Maßnahem wird von der GÄin durchausals solche anerkannt (Rdnr. 82). Allerdings – und jetzt kommtdas eigentliche Problem: diese Maßnahme muss sich im Rah-men der Verhältnismäßigkeit bewegen, und hier setzt nun eineetwas eigenartige Prüfung der GÄin an, die zeigt, dass auchdort, wo eigentlich nach der Richtlinie ausdrücklich dernationale Gesetzgeber zur Regelung befugt ist, diese durchdas Gemeinschaftsrecht leicht überspielt werden kann. DieGÄin unterscheidet dabei zwei Fallkonstellationen:

– Das Verbot der (An-) Zahlung ist für sie verhältnismäßig,weil der Verbraucher ja nicht weiß, womit er es bei seinerBestellung jedenfalls vor Widerruf zu tun hat (Rdnr. 82).

– Das Verbot der Angabe der Kreditkartennummer vorAblauf der Widerrufsfrist sei dagegen unverhältnismäßig:„Die Mitteilung der Kreditkartennummer erlaubt einen ange-messenen Ausgleich zwischen einem hohen Verbraucherschutz-niveau und dem Schutz des Verkäufers vor der Gefahr, dass derVerbraucher nicht zahlt. Der Verkäufer kann nämlich – wennder Verbraucher nicht vom Vertrag zurücktritt und nicht zahlt –den Kaufpreis von der Kreditkarte abbuchen“ (Rdnr. 85).

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Dieser Gedankengang fügt sich scheinbar unproblematischin die Vorstellung autonom handelnder Rechtssubjekte ein,die frei und verantwortlich einen Interessenausgleich anstre-ben. Nur bleibt dieFrage offen: Wie ist aber der Verbraucherdagegen geschützt, dass der Verkäufer trotz Verpflichtung derNichtnutzung der Kreditkarte dennoch den Bestellpreis vorWiderruf abbucht, was ohnehin der Regelfall zu sein scheintund damit das Widerrufsrecht faktisch leerlaufen lässt?Sicherlich gilt hier der oben erwähnte Grundsatz des Art. 6Abs. 2 (3), der aber nur das Valutaverhältnis zum Lieferer,nicht das Deckungsverhältnis zum Kartenherausgeber betrifft(Voigt, Die Rückabwicklung von Kartenzahlungen, 2007,S. 252). Dem Verbraucher wird damit das Missbrauchs- undKonkursrisiko des Verkäufers bei Zahlung mit der Kreditkartevor Ablauf der Widerrufsfrist aufgebürdet. Art. 8 der Richtli-nie, der eine „betrügerische Verwendung“ der Zahlungskarteverbietet, ist jedenfalls in dieser Fallkonstellation nicht ein-schlägig, da er das sog. Valutaverhältnis nicht betrifft (vgl.Reich, EuZW 1997, 586; weitergehend für das deutsche RechtVoigt, S.216 ff.). Die unlängst verabschiedete Zahlungsrichtli-nie 2007/64/EG (Abl. L 319, 5.12.2007, 1) trifft keinerlei Vor-kehrungen für die Abwicklung von Kreditkartengeschäften,obwohl gerade von Verbraucherseite in der Entstehungsge-schichte vehement auf Regelungen zum Schutz vor Miss-brauch durch den Verkäufer gedrungen wurde.

Wie dem auch sei: ist es wirklich Aufgabe des Gemein-schaftsrichters, im Rahmen einer unpräzisen Verhältnismä-ßigkeitsabwägung den Interessenausgleich zwischen demVerkäufer im Rahmen des Internethandels und dem Verbrau-cher bei Einschaltung eines Kreditkartenunternehmens vor-zunehmen? Etwas pathetisch formuliert die GÄin: „Würdedem Verbraucher absoluter Schutz gewährt, dem Verkäufer dage-gen keinerlei Schutz, obwohl die Möglichkeit besteht, beidezugleich zu schützen, könnte dies als Fall des summum iussumma iniuria (größtes Recht ist größtes Unrecht) angesehen wer-den (Rdnr. 87)“. Dies trifft aber nicht den Kern des Problems.Erst wenn gegenüber dem Kartenherausgeber auch europa-rechtlich sichergestellt ist, dass vor Ablauf der Widerrufsfristkeine endgültige Gutschrift zu Lasten des Verbraucherserfolgt – etwa durch Vereinbarung einer Zahlung mit Rük-kbelastungsvorbehalt, die den Verbraucher zu einer Storno-buchung nach entsprechendem Widerrufsnachweis berech-tigt – können die Verhältnismäßigkeitsüberlegungen derGÄin Erfolg haben. Doch dazu bedürfte es einer Ergänzungder Zahlungsrichtlinie. Ohne materiell-rechtliche sekundär-rechtliche Vorkehrungen zielt der Schlussantrag auf eineVollendung des Binnenmarktes „mit der Brechstange“. DerVerbraucher muss gegebenenfalls die unberechtigte Abbu-chung im Wege der grenzüberschreitenden Rechtsdurchset-zung rückgängig machen, was im Binnenmarkt aller Rege-lungsanstrengungen zum Trotz immer noch ein Weg mit vie-len Hindernissen ist (vgl. Reich/Micklitz, Europäisches Ver-braucherrecht, 4. A. 2003, § 32). Man darf gespannt sein, obder EuGH dem kühnen Vorschlag der GÄin folgt. Für dieanstehende Revision des Verbraucher-Acquis – der Regelungs-vorschlag der Kommission wird für Ende des Jahres 2008erwartet – kommt dem Urteil so oder so Präjudizwirkung zu.Sollte der EuGH der GÄin folgen, hätte die Kommission einscharfes Schwert zur Hand, um die die Mindestharmonisie-rung übersteigenden nationalen Regeln auf den Prüfstand desprimären Gemeinschaftsrechts zu stellen. Sollte sich derEuGH der Frage entziehen und bei seiner bisherigen Ausle-gung zu Art. 29 EG bleiben, wären umgekehrt die Mitglied-staaten in ihrer Autonomie gestärkt. Sie könnten, so sie es

politisch wollen, alle Versuche der Europäischen Kommissionzurückweisen, die Verbraucherrichtlinien auf eine Vollhar-monisierung umzustellen.

Gewinnzusagen in der Insolvenz des Versenders

Der Verbraucher, der einen Anspruch auf Erfüllung einer Ge-winnzusage in der Insolvenz des Versenders geltend macht,ist nachrangiger Insolvenzgläubiger.(Amtl. Leitsatz)

BGH, Urt. v. 13. März 2008, Az.: IX ZR 117/07

(ID 41731)

Sachverhalt (gekürzt):(...)

Mit der Behauptung, die O. GmbH habe die Gewinnmitteilun-gen entweder selbst versandt oder deren Versendung verant-wortlich veranlasst, hat der Kläger die O. GmbH auf Auszah-lung der zugesagten Gewinne in Anspruch genommen. DasLandgericht hat die Klage abgewiesen. Während des Beru-fungsverfahrens ist das Insolvenzverfahren über das Vermögender O. GmbH eröffnet worden. Der Kläger hat eine Forderung(...) in der Rangklasse des § 38 InsO zur Tabelle angemeldet.Der nunmehrige Beklagte hat sie als Insolvenzverwalter vorläu-fig bestritten. Der Kläger hat daraufhin den Rechtsstreit gegenihn aufgenommen und einen seiner Anmeldung entsprechen-den Feststellungsantrag gestellt. Das Berufungsgericht hat dieBerufung zurückgewiesen.1 Mit der zugelassenen Revision ver-folgt der Kläger seinen Feststellungsanspruch weiter.

Aus den Gründen:

3 Die Revision ist unbegründet.

I.

4 Das Berufungsgericht (...) hat gemeint, dem Kläger stehekeine Forderung im Rang des § 38 InsO zu. Der von ihmgeltend gemachte Anspruch aus § 661a BGB falle unter§ 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO.

II.

5 Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.

6 1. Nach § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO werden Forderungen aufeine unentgeltliche Leistung des Schuldners im Rang nachden übrigen Forderungen der Insolvenzgläubiger berich-tigt. Bei dem Anspruch nach § 661a BGB aus einer Ge-winnzusage handelt es sich um eine Forderung auf eineunentgeltliche Leistung.

7 a) Den Begriff der unentgeltlichen Leistung verwendetdie Insolvenzordnung unter anderem in § 39 Abs. 1 Nr. 4und in § 134. Beide Vorschriften werden von ihrem Rege-lungsansatz her als eine Einheit angesehen (Münch-Komm-InsO/Ehricke, 2. Aufl. § 39 Rn. 22). Danach wirdeine unentgeltliche Leistung im Allgemeinen dann ange-nommen, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zu-gunsten einer anderen Partei aufgegeben wird, ohne dassdem Verfügenden ein entsprechender Gegenwert zuflie-

1 OLG Karlsruhe, Zivilsenate Freiburg, Urt. v. 02.03.2007, Az.: 14 U 31/04, ZIP 2007,2091, m. Bespr. Maier, VuR 2007, 347.

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ßen soll (...).2 Diese Definition gilt auch im Bereich des§ 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO (vgl. MünchKomm-InsO/Ehricke,a.a.O. § 39 Rn. 23). Im vorliegenden Fall hat die Schuld-nerin keinen Gegenwert erhalten; anders sollte es auchnach den Vorstellungen der Beteiligten nicht sein.

8 b) Das Berufungsgericht hat allerdings zutreffend auf dieauch durch die systematische Stellung im Gesetz her-vorgehobene Nähe der Gewinnzusage (§ 661a BGB) zu deneinseitigen Rechtsgeschäften Auslobung und Preis-ausschreiben hingewiesen. Insoweit wird vertreten (Jae-ger/Gerhardt, InsO § 39 Rn. 33), der Anspruch aus einerAuslobung oder einem Preisausschreiben sei nicht auf ei-ne unentgeltliche Leistung gerichtet, wenn auch nurwegen eines Affektionsinteresses des Versprechenden dieausgelobte oder ausgeschriebene Handlung für ihn einenWertzuwachs bringe. Einseitige Vorstellungen des Schuld-ners über mögliche wirtschaftliche Vorteile, die nicht inrechtlicher Abhängigkeit zu einer von ihm erbrachtenZuwendung stehen, vermögen eine Entgeltlichkeit dieserZuwendung jedoch nicht zu begründen (BGHZ 113, 98,102 f; a.M. Maier VuR 2007, 347, 349). Die Hoffnung aufeine Gegenleistung lässt ein Geschäft daher noch nichtentgeltlich werden (OLG Celle NJW 1990, 720; Münch-Komm-InsO/Ehricke, aaO). Die bloße Erwartung des Ver-senders, der Verbraucher werde im Zusammenhang mitseinem „Traumgewinn” einige der wohl regelmäßig zu-gleich angebotenen Waren bestellen, kann daher die Un-entgeltlichkeit nicht beseitigen.

9 c) Auch nach allgemeinem Zivilrecht ist die Gewinnzusa-ge die Ankündigung der unentgeltlichen Leistung einesPreises (Palandt/Sprau, BGB 67. Aufl. § 661a Rn. 2). Letzt-lich geht es um die Haftung aus einem gesetzlichenSchuldverhältnis; deliktisch ist diese Haftung indes nicht(BGHZ 165, 172, 179). Dies gilt jedenfalls in dem hier al-lein interessierenden Streitverhältnis des Verbraucherszum Versender; ob im Verhältnis zu anderen Marktteil-nehmern ein Wettbewerbsverstoß gegeben ist, ist insoweitunerheblich. Der Erfüllungsanspruch aus § 661a BGB wirddurch eine geschäftsähnliche Handlung, die Versendungder Gewinnzusage oder vergleichbaren Mitteilung an ei-nen Verbraucher, begründet (BGHZ 165, 172, 179; LorenzNJW 2006, 472, 474). Die Haftung beruht folglich auf derFreigiebigkeit des Versenders, hier der Schuldnerin; An-spruch auf eine Gewinnzusage im Sinne des § 661a BGBhat der Verbraucher nicht. Wegen der Anknüpfung an ei-ne solche – auf dem freien Willen des Schuldners beru-henden (vgl. BGHZ 165, 172, 177 f) – Handlung steht derEntstehungsgrund der Haftung ihrer Qualifikation als un-entgeltlich nicht entgegen (a. A. Maier VuR 2007, 348 f).

10 d) Der Grundgedanke der Regelungen in § 39 Abs. 1 Nr.4; § 134 InsO bestätigt die Einordnung des Anspruchs aus§ 661a BGB in die Gruppe der nachrangigen Insolvenz-forderungen. Der Inhaber eines Anspruchs auf eine un-entgeltliche Leistung des Schuldners ist – entsprechendeinem allgemeinen Rechtsgrundsatz (vgl. z.B. § 816 Abs. 1Satz 2, §§ 822, 988, 2287 BGB, § 4 AnfG) – weniger schutz-würdig als Gläubiger, deren Forderungen entgeltliche Ge-schäfte zugrunde liegen (MünchKomm-InsO/Kirchhof, 2.Aufl. § 134 Rn. 1). Im Verhältnis zu diesen ist es sachge-recht, dass Forderungen auf unentgeltliche Leistungenzurückstehen müssen; der in Vermögensverfall gerateneSchuldner soll sich nicht auf Kosten seiner Gläubiger frei-

giebig zeigen dürfen (vgl. MünchKomm-InsO/Ehricke, aaO§ 39 Rn. 21).

11 e) Die Urteile des III. Zivilsenats des Bundesgerichtshofsvom 23. Juni 2005 (III ZR 4/04, NJW-RR 2005, 1365) undvom 8. Dezember 2005 (III ZR 99/05, NJW-RR 2006, 701)verhalten sich nicht zu der hier maßgeblichen Frage ei-ner Subsumtion unter die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1Nr. 4 InsO.3

12 2. Das Berufungsgericht hat somit zu Recht eine Feststel-lung der vom Kläger angemeldeten Forderung in demRang des § 38 InsO abgelehnt. Eine Feststellung im Rangdes § 39 Abs. 1 Nr. 4 kam nicht in Betracht. (…)

Anmerkungvon RA Arne Maier, Esslingen

Das Urteil kann nicht überzeugen, insbesondere liefert es kei-ne Begründung dafür, warum die Auszahlung einer Gewinn-zusage eine unentgeltliche Leistung i. S. d. § 39 I Nr. 4 InsO seinsoll, obwohl der Anspruch aus § 661a BGB auf einem gesetz-lichen Schuldverhältnis beruht (hierzu I.). Tatsächlich behan-delt der IX. Zivilsenat den Anspruch gar nicht als gesetzli-ches, sondern als freiwillig begründetes (rechtsgeschäftliches)Schuldverhältnis (hierzu II.) und weicht insoweit ab von derRechtsprechung des III. und des IV. Zivilsenats; der IX. Zivil-senat hätte die Sache deshalb dem Großen Senat für Zivilsa-chen vorlegen müssen, § 132 GVG (hierzu III.). Das Urteillässt § 661a BGB im Ergebnis leer laufen und eine neue Ge-winnzusagen-Schwemme befürchten (hierzu IV.). Auf meineBesprechung des (bestätigten) Berufungsurteils des OLG Karls-ruhe wird verwiesen.4

I. § 661a BGB als gesetzliches Schuldverhältnis

§ 661a BGB begründet mit dem Zugang der Gewinnzusagebeim Empfänger ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischenVersender und Empfänger, gerichtet auf die Auszahlung des„gewonnenen“ Preises. Hierüber besteht Einigkeit in Recht-sprechung5 und weitgehend auch in der Literatur6. „DerUnternehmer haftet nicht, weil er will, sondern weil er soll.“7

Eine vertragliche Qualifikation scheidet aus, weil der Versen-der in der Regel gerade nicht einen Anspruch auf den Gewinnbegründen will.8 Auch eine Annahme der „Zusage“ ist nichterforderlich. Es kommt nur darauf an, dass die dem Verbrau-cher zugegangene Zusendung eines Unternehmers – nach In-halt und Gestaltung – abstrakt geeignet ist, bei dem durch-schnittlichen Verbraucher in der Lage des Empfängers denEindruck zu erwecken, er werde einen – bereits gewonnenen– Preis erhalten. Der Haftungsgrund des § 661a BGB ist deshalb

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2 BGH, Urt. v. 11.12.2003, Az.: IX ZR 336/01, WM 2004, 540; BGH, Urt. v. 09.11.2006,Az.: IX ZR 285/03, WM 2007, 708, 709; BGH, Urt. v. 19.04.2007, Az.: IX ZR 79/05,ZIP 2007, 1118.

3 Diese Urteile des III. Zivilsenats setzen aber stillschweigend voraus, dasssich der Anspruch aus § 661a BGB grundsätzlich zur Feststellung zur Insol-venztabelle eignet, also nicht nachrangig i. S. d. § 39 InsO sein kann; hier-zu Maier, VuR 2007, 347, 350.

4 VuR 2007, 347.5 BGH (III. Zivilsenat) BGHZ 165, 172 = VuR 2006, 195 = NJW 2006, 230 Rn.

26; BGH (IV. Zivilsenat) NJW 2006, 2548 Rn. 28.6 Lorenz, NJW 2000, 3305; 3307; ders., NJW 2006, 472; 474; Schäfer, JZ 2005,

981, 985; Meller-Hannich, NJW 2006, 2516, 2517; Maier, VuR 2007, 347,346; Kriegel, ZinsO 2008, 552, 553.

7 Schäfer, JZ 2005, 981, 983.8 Bereits der Umstand, dass Gewinnzusagen regelmäßig massenhaft und

unter falschem Namen (Briefkastenfirmen) versandt werden, verdeutlichtden entgegenstehenden Willen des Versenders; hierzu Maier, VuR 2007,347, 348.

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nicht ein Versprechen des Versenders, sondern die abstrakteEignung der Zusendung, beim Empfänger den Eindruck einesbereits gewonnenen Preises zu erwecken. Der III. Zivilsenat hathierzu prägnant und treffend formuliert, dass „die Haftungwegen Gewinnzusage nicht an ein Versprechen des Versendersanknüpft“.9 Hiervon weicht der IX. Zivilsenat in seinem hierbesprochenen Urteil durchgehend ab, indem er den Anspruchaus § 661a BGB gerade an einem solchen Versprechen desVersenders festmacht (hierzu nachfolgend Ziffer II.).

Hier sei noch ergänzt, dass auch ein weiterer Gesichtspunkt dervertraglichen Qualifikation des Anspruchs entgegensteht. Fürden Anspruch aus § 661a BGB ist es nämlich nicht erforder-lich, dass der Empfänger dem Schreiben tatsächlich Glaubenschenkt. Auch der Verbraucher, der die Gewinnzusage als blo-ßes Werbemittel durchschaut oder durchschauen könnte,kann nach § 661a BGB die Leistung des zugesagten Preisesverlangen.10 § 116 S. 2 BGB ist deshalb auf den Anspruch aus§ 661a BGB nicht anzuwenden. Auch dieser Bruch mit demfür Willenserklärungen maßgeblichen Willensprinzip stehteiner vertraglichen Qualifikation entgegen.11

Steht damit fest, dass es sich bei dem Anspruch aus § 661aBGB um ein gesetzliches Schuldverhältnis handelt, dann kanndie Erfüllung dieses Anspruchs schon nach allgemeinen Re-geln keine unentgeltliche Leistung sein. „Die Erfüllung vonAnsprüchen aus gesetzlichen Schuldverhältnissen ist niemalsunentgeltlich.“12 Nimmt man die Einordnung der Gewinn-zusage als gesetzliches Schuldverhältnis ernst, dann muss diesauch für den Anspruch aus § 661a BGB gelten.13

II. Analyse der Entscheidungsgründe

Der IX. Zivilsenat behandelt den Anspruch aus § 661a BGBzwar formal als gesetzliches (Rn. 9), tatsächlich aber als rechts-geschäftliches Schuldverhältnis. Insbesondere knüpft er, inAbweichung von der Rechtsprechung des III. Zivilsenats, dieHaftung nicht an den tatsächlichen Haftungsgrund des § 661aBGB, nämlich an den beim Empfänger erweckten Eindruck,sondern an ein (freiwillig abgegebenes) Versprechen des Ver-senders an.

1. Der IX. Zivilsenat geht zutreffend davon aus, dass eine un-entgeltliche Leistung dann vorliegt, „wenn ein Vermögens-wert des Verfügenden zugunsten einer Partei aufgegeben wird,ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Gegenwertzufließen soll“, und verweist hierzu auf drei Senatsurteile14

(Rn. 7). Die Definition hat zwei Voraussetzungen: Erstens mussder Verfügende einen Vermögenswert aufgeben, zweitens solldem Verfügenden kein entsprechender Gegenwert zufließen.Der IX. Zivilsenat sieht die zweite Voraussetzung als erfülltan15 und übersieht, dass es bei einer Gewinnzusage als ge-setzlichem Schuldverhältnis bereits an der ersten Vorausset-zung fehlt.

Die erste Voraussetzung ist nämlich dahin zu ergänzen, dassdie Aufgabe des Vermögenswertes rechtsgeschäftlich erfolgenmuss. Dies ergibt sich bereits aus der Verwendung des Begriffsdes „Verfügenden“ in der Definition; bei einem gesetzlichenSchuldverhältnis gibt es keinen Verfügenden. Die Einstufungdes Gewinnzusagen-Versenders als Verfügenden widersprichtder Einordnung des § 661a BGB als gesetzliches Schuldver-hältnis. Auch die drei vom IX. Zivilsenat in Bezug genomme-nen Senatsurteile betreffen rechtsgeschäftliche Schuldver-hältnisse. In dem Urteil vom 09.11.200616 ist ausdrücklichformuliert, dass „eine Leistung dann als unentgeltlich anzu-

sehen (ist), wenn ihr nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts keineLeistung des Empfängers gegenübersteht“, und die Formelder Rechtsprechung „nur auf Austauschverträge“ zugeschnit-ten ist.17 Dieselbe Formulierung verwendet der IX. Zivilsenatauch in einem Urteil vom 05.06.200818 und verweist hierfüru. a. auf das hier besprochene Urteil vom 13.03.2008, geht al-so wie selbstverständlich davon aus, dass es sich auch bei derhier relevanten Gewinnzusage um ein Rechtsgeschäft handelnwürde.

Ohne die Begrenzung der ersten Voraussetzung auf die rechts-geschäftliche Aufgabe des Vermögenswertes wäre auch derSchadensersatz eine unentgeltliche Leistung, was wohl nichternsthaft vertreten werden könnte. Auch derjenige, der einefremde Sache beschädigt, verschafft dem Eigentümer einenAnspruch, gibt also zugunsten des Eigentümers einen Vermö-genswert auf, ohne dass ihm ein entsprechender Gegenwertzufließen soll.

2. Unter Rn. 9 stellt der IX. Zivilsenat zutreffend fest, dass„die Gewinnzusage die Ankündigung der unentgeltlichen Leis-tung eines Preises (ist)“.19 Das Wesen einer Gewinnzusage be-steht aber darin, dass es bei dieser Ankündigung bleiben soll,dass der Preis gerade nicht ausgezahlt werden soll. Diese struk-turelle Diskrepanz zwischen Ankündigung und Auszahlungdes versprochenen Preises ist der Anlass für die Existenz des§ 661a BGB und der Grund für dessen Einordnung als gesetz-liches Schuldverhältnis. Wenn der IX. Zivilsenat für die ver-meintliche Unentgeltlichkeit der Auszahlung des Preises daraufabstellt, dass eine unentgeltliche Leistung des Preises ange-kündigt (versprochen) wurde, dann knüpft er die Haftung aus§ 661a BGB an ein Versprechen des Versenders an und be-handelt § 661a BGB als rechtsgeschäftliches Schuldverhält-nis. Tatsächlich haftet der Gewinnzusagen-Versender abernicht wegen seiner Ankündigung (seines Versprechens), son-dern wegen des mit der Zusendung erweckten Eindrucks.

Es ist deshalb nicht richtig, dass „die Haftung auf der Freigie-bigkeit des Versenders (beruht)“. Die Haftung beruht nicht aufder Freigiebigkeit des Versenders, sondern auf der gesetzlichenAnordnung des § 661a BGB. Freigiebigkeit bedeutet, dass frei-

Sonst iges | R E C H T S P R E C H U N G

9 BGHZ 165, 172 = VuR 2006, 195 = NJW 2006, 230 Rn. 26.10 BGH NJW 2004, 1652.11 BGHZ 165, 172 = VuR 2006, 195 = NJW 2006, 230 Rn. 26; Schäfer, JZ 2005, 981,

984.12 Jaeger/Henckel, Großkommentar zur Insolvenzordnung, 1. Aufl. 2007,

§ 134 Rn. 3. Hierzu auch die zahlreichen weiteren Nachweise in VuR 2007,348 (dortige Fn. 12).

13 Soweit hiergegen eingewandt wird (Kriegel, ZinsO 2008, 552, 553), dass esfür die Bestimmung der Unentgeltlichkeit i. S. d. § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO aufdie Lage zum Zeitpunkt der Versprechensabgabe ankomme, der Anspruchaus § 661a BGB aber erst danach, nämlich mit dem Zugang des Verspre-chens entstehe (Postlaufzeit!), so verdeutlicht dies allenfalls, dass die ver-meintliche Unentgeltlichkeit des Anspruchs aus § 661a BGB nicht über-zeugend begründet werden kann. Oder soll es für die Bestimmung derUnentgeltlichkeit tatsächlich darauf ankommen, ob ein Anspruch unterAnwesenden oder per Post begründet wird? Aber selbst dann wäre derAnspruch entgeltlich. Die Haftung aus § 661a BGB beruht, wie ausgeführt,nicht auf einem Versprechen des Versenders, sondern auf dem mit derZusendung erweckten Eindruck eines bereits gewonnenen Preises. DieserEindruck kann aber erst mit dem Eingang der Zusendung beim Empfängerentstehen. Auf die Abgabe eines Versprechens kommt es nicht an, alsoauch nicht auf den Zeitpunkt dieser Abgabe.

14 A. a. O. (s. Fn. 2).15 Es soll hier nicht nochmals vertieft werden, dass wegen der Gegenleistung

nicht auf den einzelnen, sondern auf die Gesamtheit der Gewinnzusagen-Empfänger abzustellen ist; dann liegen in den Gewinnzusagen-Fällenregelmäßig erhebliche Gegenleistungen der Verbraucher vor (Maier, VuR2007, 347, 349). In diesem Sinne nunmehr auch BGH, Urt. v. 30.05.2008,1 StR 166/07 Rn. 56.

16 BGH, Urt. v. 09.11.2006, Az.: IX ZR 285/03, WM 2007, 708, 709 Rn. 15.17 Hervorhebungen nur hier.18 BGH, Urt. v. 05.06.2008, Az.: IX ZR 17/07 Rn. 11.19 Palandt/Sprau, BGB, 67. Aufl. 2008, § 661a Rn. 2.

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willig etwas gegeben wird. Der Versender „gibt“ zwar die Ge-winnzusage freiwillig, er zahlt den versprochenen Preis abernicht aus. Die Verpflichtung des Versenders zur Auszahlung desPreises beruht dann nicht mehr auf seinem Willen, sondern aufdem gesetzlichen Schuldverhältnis; ebenso beruht der Scha-densersatzanspruch nicht auf dem Willen des Schädigers, son-dern auf der gesetzlichen Anordnung des § 823 BGB.

Natürlich hat der Verbraucher keinen „Anspruch auf eine Ge-winnzusage“; darum geht es aber nicht; der Verbraucher ver-langt nicht die Zusendung der Gewinnzusage, sondern derenAuszahlung. Es geht dem IX. Zivilsenat hier anscheinend da-rum, dass der Versender bei der Entstehung des Schuldverhält-nisses freiwillig handelt. Dies ist aber kein Argument für dieUnentgeltlichkeit der Auszahlung des Preises. Auch derjenige,der (vorsätzlich) eine fremde Sache beschädigt, handelt bei derEntstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses freiwillig (derEigentümer hat keinen Anspruch auf die Beschädigung seinerSache); dies macht die Auszahlung des Schadensersatzes abernicht zu einer unentgeltlichen Leistung. Im Übrigen hat derIX. Zivilsenat inzwischen ausdrücklich festgestellt, dass „fürdie Entgeltlichkeit auch eine freiwillige Leistung (genügt)“.20

Das freiwillige Handeln des Unternehmers bei der Versen-dung der Gewinnzusage kann die Unentgeltlichkeit deshalbnicht begründen.

3. Die Versendung der Gewinnzusage mag, ebenso wie die Be-schädigung einer fremden Sache, eine unentgeltliche Leis-tung sein. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 39 I Nr. 4 In-sO geht es dort aber nicht um Forderungen aus einerunentgeltlichen Leistung, sondern um Forderungen auf eineunentgeltliche Leistung. Es ist deshalb unerheblich, ob derGläubiger Anspruch auf die Entstehung des Schuldverhältnis-ses hatte. Maßgeblich ist stattdessen, aus welchem Rechts-grund der Schuldner verpflichtet ist.

Es wird argumentiert,21 dass die entgeltliche Qualifizierungdes Anspruchs aus § 661a BGB dem Gewinnzusagen-Empfän-ger gar nichts nützen würde, weil jedenfalls die Übersendungder Gewinnzusage eine unentgeltliche Leistung sei, die derInsolvenzverwalter dann nach § 134 InsO anfechten könne.Hieran ist zunächst richtig, dass die Übersendung der Ge-winnzusage grundsätzlich nach § 134 InsO anfechtbar seinkann, weil nicht nur rechtsgeschäftliche Verfügungen, son-dern auch geschäftsähnliche und selbst rein tatsächlicheHandlungen als Leistung i. S. d. § 134 InsO anzusehen sind.Aber auch dieses Argument übersieht die hier maßgeblicheZäsur zwischen der Übersendung der Gewinnzusage (= An-kündigung des Preises) und der Verpflichtung des Versenderszur Auszahlung des Preises. Der Insolvenzverwalter könntenach § 134 InsO nur die Ankündigung des Preises anfechten;diese Anfechtung könnte den Haftungsgrund aber nicht be-seitigen. Mit der Rechtsprechung des III. Zivilsenats22 bestehtder Haftungsgrund des § 661a BGB eben nicht in einem (al-lenfalls anfechtbaren) Versprechen des Versenders, sondernin der abstrakten Eignung der Zusendung, beim Empfängerden Eindruck eines gewonnenen Preises zu erwecken. DieserHaftungsgrund bliebe auch nach einer Anfechtung nach § 134InsO bestehen, die Anfechtung könnte an dem entstandenenEindruck nichts ändern.

Auch dies kann durch einen Vergleich mit dem gesetzlichenSchuldverhältnis Schadensersatz verdeutlicht werden. DieAnfechtung der Schädigungshandlung nach § 134 InsO ließeden Schadensersatzanspruch des geschädigten Eigentümersunberührt. Dieses für den Schadensersatzanspruch eindeu-

tige Ergebnis findet seine rechtsdogmatische Begründungdarin, dass sich die Anfechtung nach § 134 InsO nur auf die-jenigen Rechtsfolgen auswirken kann, die vom Insolvenz-schuldner willentlich herbeigeführt wurden. Ebenso wie dieRechtsfolge Schadensersatz beruht die Rechtsfolge Auszahlungder Gewinnzusage aber nicht auf dem Willen des Schädigersbzw. des Versenders. Die Rechtsfolgen eines gesetzlichenSchuldverhältnisses hängen nicht vom Willen der Beteiligtenab und können deshalb nicht durch Anfechtung rückgängiggemacht werden.

4. Unter Rn. 10 ist zutreffend ausgeführt, „dass der Inhabereines Anspruchs auf eine unentgeltliche Leistung des Schuld-ners (...) weniger schutzwürdig ist als Gläubiger, deren Forde-rungen entgeltliche Geschäfte zugrunde liegen“; es ist „sach-gerecht, dass Forderungen auf unentgeltliche Leistungenzurückstehen müssen“. Diese Ausführungen rechtfertigen diegesetzliche Vorschrift des § 39 I Nr. 4 InsO, besagen aber nichtsdafür, dass gerade der Anspruch aus § 661a BGB eine solcheForderung darstellt. Es ist deshalb unerfindlich, inwieweit dieAusführungen unter Rn. 10 die Einordnung des Anspruchs aus§ 661a BGB in die Gruppe der nachrangigen Insolvenzforde-rungen „bestätigen“ sollen. Der IX. Zivilsenat setzt hier daszu bestätigende Ergebnis bereits voraus; ein Musterfall desZirkelschlusses.

Die Ausführungen unter Rn. 10 sind aber insofern bemer-kenswert, als dort den Gewinnzusagen-Gläubigern die Gläu-biger gegenübergestellt werden, „deren Forderungen entgelt-liche Geschäfte zugrunde liegen“.23 Auch hier setzt der IX.Zivilsenat voraus, dass die Gewinnzusage ein unentgeltlichesGeschäft ist, dass es sich dabei also nicht um ein gesetzliches,sondern um ein rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis han-delt. Weiter heißt es dort, „dass der in Vermögensverfall gera-tene Schuldner sich nicht auf Kosten seiner Gläubiger freigie-big zeigen dürfen (soll)“. Sollte in Rn. 9 die Freigiebigkeit desVersenders noch in der Versendung der Gewinnzusage beste-hen, so kann hier nur die Auszahlung des versprochenen Prei-ses gemeint sein, nachdem die dortige Gewinnzusage mehre-re Jahre vor dem Vermögensverfall der O. GmbH versandtwurde; damals war die O. GmbH, gestützt auf ihren durch dieGewinnzusagen angekurbelten Versandhandel, noch ein flo-rierendes Unternehmen. Die Auszahlung des Preises könnteaber nur dann auf einer Freigiebigkeit beruhen, wenn derSchuldner aufgrund seines eigenen Willens zu dieser Auszah-lung verpflichtet wäre. Der IX. Zivilsenat geht also auch hiervon einem rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnis aus.

III. Zuständigkeit des Großen Senats für Zivilsachen (§ 132 GVG)

Der III. und dem folgend der IV. Zivilsenat qualifizieren den An-spruch aus § 661a BGB als gesetzliches Schuldverhältnis (hier-zu oben Ziffer I). Der IX. Zivilsenat behandelt den Anspruch da-gegen als rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis; die gesamteArgumentation des IX. Zivilsenats ist mit der Qualifizierung desAnspruchs als gesetzliches Schuldverhältnis nicht vereinbar(hierzu oben Ziffer II.). Diese Abweichung von der Recht-sprechung des III. und des IV. Zivilsenats hätte die Anrufung desGroßen Senats für Zivilsachen erfordert (§ 132 GVG).

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20 BGH, Urt. v. 05.06.2008, Az.: IX ZR 17/07 Rn. 13.21 Kriegel, ZinsO 2008, 552, 554.22 A. a. O. (s. Fn. 9).23 Hervorhebung nur hier.

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IV. Folgen der Nachrangigkeit

1. Sinn und Zweck des § 661a BGB bestehen darin, potentiel-le Gewinnzusagen-Versender von ihrem Ansinnen abzuhal-ten. Das Konzept des Gesetzgebers beruht auf der begründe-ten Annahme, dass Gewinnzusagen erst gar nicht versandtwerden, wenn der Versender befürchten muss, dass die Emp-fänger die Auszahlung des „gewonnenen“ Preises gerichtlichgeltend machen werden.24 Freilich wird zutreffend daraufhingewiesen25, dass es im Insolvenzverfahren nicht mehr umeine solche Abschreckung des Versenders gehen kann, weiljetzt nur noch die Gläubiger um die Aufteilung der Insol-venzmasse streiten. Das Problem liegt aber tiefer. Das Kon-zept des § 661a BGB setzt nämlich zwingend voraus, dass dieVerbraucher die Möglichkeit haben, ihre Ansprüche nichtnur einzuklagen, sondern auch tatsächlich durchzusetzen.Aufgrund der Nachrangigkeit des Anspruchs besteht dieseMöglichkeit nicht mehr. Kein Verbraucher wird sich auf ein ge-richtliches Verfahren einlassen, wenn von Anfang an klar ist,dass er seinen Anspruch in der Insolvenz des Versenders nicht(mehr) durchsetzen kann. Die Nachrangigkeit des Anspruchslässt § 661a BGB deshalb leer laufen, Gewinnzusagen-Versen-der haben gar nicht mehr zu befürchten, dass die Empfängerihre Ansprüche überhaupt gerichtlich geltend machen wer-den. Der III. Zivilsenat hat dieses Problem erkannt und aus-drücklich hervorgehoben, dass § 661a BGB die unlautere Wer-bung nicht (mehr) abwehren kann, wenn die Verbraucherdavon abgehalten werden, ihre Ansprüche gerichtlich gel-tend zu machen.26

2. Das Landgericht Mannheim hat die verantwortlich Han-delnden der hier betroffenen Insolvenzschuldnerin (O.GmbH) wegen strafbarer Werbung (§ 16 I UWG n.F.; § 4 I UWGa.F.) zu Bewährungsstrafen verurteilt.27 Der 1. Strafsenat desBundesgerichtshofs hat diese Verurteilung inzwischen bestä-tigt.28 Führt man das Strafurteil des 1. Strafsenats mit demhier besprochenen Urteil des IX. Zivilsenats zusammen, dannhandelt es sich bei der Versendung von Gewinnzusagen umstrafbare Freigiebigkeiten.29 Die Annahme des IX. Zivilsenats,der (strafbare) Wettbewerbsverstoß sei nur „im Verhältnis zuanderen Marktteilnehmern“ gegeben (Rn. 9), ist nicht richtigund deshalb nicht geeignet, diesen Widerspruch aufzulösen.„Denn Schutzzweck des § 4 Abs. 1 UWG a.F. und des § 16Abs. 1 UWG n.F. ist in erster Linie der Verbraucherschutz.“30

Die strafrechtliche Sanktionierung der Versendung von Ge-winnzusagen sollte nicht zu der Hoffnung verleiten, dass da-mit dem Gewinnzusagen-Spuk Einhalt geboten werden kön-ne. Die Strafbarkeit in Deutschland mag dazu führen, dass inZukunft auch die Hintermänner31 ihre Tätigkeit ins Auslandverlagern werden, um sich einer strafrechtlichen Verfolgungin Deutschland zu entziehen. Möglicherweise werden die Ge-winnzusagen in Zukunft auch anders gestaltet und formu-liert, um eine strafrechtliche Relevanz zu vermeiden. Man soll-te auch nicht übersehen, dass die Strafverfolgungsbehördenerst aufgrund umfangreicher privater Recherchen der Ge-winnzusagen-Empfänger, nicht zuletzt des Klägers in demhier besprochenen Verfahren, und der massiven Berichter-stattung in der örtlichen Presse über die Zivilprozesse gegen dieO. GmbH auf die Spur der Insolvenzschuldnerin gelangt sind.Die erstinstanzliche Verurteilung erfolgte dann aufgrund einessiebenmonatigen Mammutprozesses beim Landgericht Mann-heim (38 Sitzungstage). Es erscheint deshalb kaum Erfolg ver-sprechend, die Mittel zur Abwehr der unlauteren und uner-wünschten Gewinnzusagen auf das Strafrecht zu beschränken.Ohnehin hat der Gesetzgeber mit der Einführung des § 661a

BGB ausdrücklich vorgegeben, dass die Versendung von Ge-winnzusagen auch zivilrechtlich bekämpft werden soll.32

V. Ausblick

Der IX. Zivilsenat sollte die vermeintliche Unentgeltlichkeitdes Anspruchs aus § 661a BGB bei nächster Gelegenheit über-prüfen, insbesondere unter dem Gesichtspunkt, dass § 661aBGB ein gesetzliches Schuldverhältnis begründet. Sollte der IX.Zivilsenat seinen Standpunkt aufrecht erhalten, wäre dasnächste vergleichbare Verfahren dem Großen Senat für Zivil-sachen vorzulegen. Sollte es bei der Nachrangigkeit verbleiben,wäre es wohl nur eine Frage der Zeit, bis die nächste Gewinn-zusagen-Schwemme über die Briefkästen der Verbraucher her-einbricht.

Kein Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312 dAbs. 3 Nr. 2 BGB bei teilbarer Dienstleistung

Ein Netzanschlussvertrag, der als Dauerschuldverhältnis aus-gestaltet ist, regelt eine nach Zeitabschnitten teilbareDienstleistung. Auch wenn der Kunde die sofortige Frei-schaltung verlangt, wird damit nicht der Widerruf nach§ 312 d Abs. 3 Nr. 2 BGB für die gesamte Laufzeit von 2 Jah-ren ausgeschlossen. Vielmehr wirkt der Widerruf in einemsolchen Fall erst ex nunc ab Zugang der Widerrufserklärung.Die bis zu diesem Zeitpunkt erbrachte Dienstleistung hat derKunde als vertragliche Leistungen zu bezahlen.

AG Montabaur, Urt. v. 15.01.2008, Az.: 15 C 195/07

(ID 41732)

Sachverhalt (gekürzt):

1 Der Kläger hat bei der Beklagten, die Dienstleistungen im Tele-kommunikationsbereich anbietet, im Januar 2007 einen DSL-Netzanschluss beauftragt. Der Vertrag wurde ausschließlich unterVerwendung des Telefons abgeschlossen. Der Kläger wurdegefragt, ob er eine schnellstmögliche Schaltung des DSL-Netzan-schluss wolle. Dies bejahte dieser. Die Beklagte übersandte demKläger ein sog. DSL-Paket einschließlich der AllgemeinenGeschäftsbedingungen der Beklagten.

2 Der Kläger beabsichtigte, den Anschluss privat zu benutzenund handelte als Verbraucher. Innerhalb der Widerrufsfrist nach§§ 312 d Abs. 2, 355 Abs. 1 S. 2 BGB widerrief der Kläger mitSchreiben vom 31.1.2007 seine Willenserklärung. Mit Schreiben

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24 Lorenz, NJW 2000, 3305 (3306f); Schäfer, JZ 2005, 981, 986, der § 661a BGBals legitime Präventionsnorm versteht; Meller-Hannich, NJW 2006, 2516.

25 Kriegel, ZinsO 2008, 552, 554. Die dortige Aufzählung der Insolvenzgläu-biger („Finanzamt, Bundesagentur für Arbeit etc.“) ist aber (nicht nur) imvorliegenden Insolvenzverfahren kaum repräsentativ. Abgesehen von die-sen öffentlichen Stellen setzen sich die Insolvenzgläubiger hauptsächlichaus langjährigen Vertragspartnern der Insolvenzschuldnerin zusammen,darunter die Hausbank der Insolvenzschuldnerin. Diese (vermeintlichschutzwürdigen) Insolvenzgläubiger haben das wettbewerbswidrige Trei-ben der Insolvenzschuldnerin mitunter jahrelang gekannt, gebilligt unddavon profitiert. Bei der Insolvenzschuldnerin war der Tisch reich gedek-kt, solange diese ihren Versandhandel durch die Gewinnzusagen ankur-beln konnte. Von diesem Tisch haben auch die Vertragspartner der Insol-venzschuldnerin gespeist. Es ist schwer nachvollziehbar, warum diese jah-relangen Nutznießer jetzt, wo der letzte Kuchen zu verteilen ist, gegenüberden Gewinnzusagen-Empfängern bevorzugt werden sollen.

26 BGHZ 165, 172 = VuR 2006, 195 = NJW 2006, 230 Rn. 36.27 Landgericht Mannheim, Urt. v. 14.06.2006, 22 KLs 605 Js 27831/04.28 BGH, Urt. v. 30.05.2008, 1 StR 166/07.29 Die „Freigiebigkeiten“ sind zudem sittenwidrig (BGH NJW 2005, 2991 = VuR

2006, 446).30 BGH, Urt. v. 30.05.2008, 1 StR 166/07 Rn. 52; siehe auch Rn. 87.31 D. h. die „tatsächlichen Versender“ (Maier, VuR 2007, 347, 348) als Hinter-

männer der in den Zusendungen benannten ausländischen Schein- undBriefkastenfirmen als „angebliche Versender“.

32 BT-Drs. 14/2658, S. 48 f.; BGHZ 165, 172 = VuR 2006, 195 = NJW 2006, 230Rn. 31; BGHZ 153, 82, 90 f. = NJW 2003, 426, 428.

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vom 7.2.2007 bestätigte die Beklagte den fristgemäßen Eingangder Kündigung beziehungsweise des Widerrufs. Die Beklagte teil-te jedoch mit, dass sie eine Kündigung erst zum 30.1.2009berücksichtigt habe.

6 Der Kläger trägt vor, aufgrund seines wirksamen Widerrufs seiein Vertrag mit der Beklagten nicht zustande gekommen. DieVorschrift des § 312d Abs. 3 BGB sei einschränkend dahingehendauszulegen, dass die Vorschrift nur bei unteilbaren Dienstleis-tungen gelte. Bei teilbaren Dienstleistungen bleibe dahingegenein Widerrufsrecht für die Zukunft erhalten.

9 Nunmehr beantragt der Kläger, festzustellen, dass keinerlei ver-tragliche Verpflichtungen gegenüber der Beklagten bestehen auseinem etwaig abgeschlossenen Vertrag.

11 Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

13 Die Beklagte trägt vor, dem Kläger stehe kein Widerrufsrechtzu, da er die Beklagte mit der schnellstmöglichen DSL-Schaltungbeauftragt habe. Zum Zeitpunkt des Widerrufs sei das Widerrufs-recht des Klägers bereits erloschen gewesen.

Aus den Gründen:

15 Die zulässige Klage ist begründet, (…) da nach Auffassungdes Gerichts der Kläger fristgerecht den zunächst zustandegekommenen Vertrag wirksam widerrufen hat.

19 Unstreitig liegt ein Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312dAbs. 1 S. 1 BGB vor. Es liegt ein Vertrag über die Erbringungeiner Dienstleistung, nämlich die Bereitstellung eines DSL-Anschlusses, vor. Unstreitig handelte es sich zudem um einRechtsgeschäft zwischen einem Unternehmer und einemVerbraucher. Auch kam der Vertrag unstreitig unter Verwen-dung des Telefons zustande.

20 Der Kläger hat den Widerruf auch fristgerecht erklärt.

21 Entgegen der Auffassung der Beklagten ist das Widerrufs-recht auch nicht erloschen gemäß § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB.Nach dieser Vorschrift erlischt das Widerrufsrecht bei einerDienstleistung, wenn der Unternehmer mit der Ausführungder Dienstleistung mit ausdrücklicher Zustimmung des Ver-brauchers vor Ende der Widerrufsfrist begonnen oder der Ver-braucher diese selbst veranlasst hat. So trägt der Kläger selbstvor, dass der er bei der Frage nach der schnellstmöglichenSchaltung des DSL-Netzanschlusses einen entsprechendenWillen geäußert hat. Daraufhin hat die Beklagte bereits dieAufschaltung des DSL-Anschlusses bei ihrem Technologiepart-ner, der (…), beantragt. Eine bloße Vorbereitungshandlung fürdie Ausführung der Dienstleistung ist darin wohl nicht mehrzu sehen; vielmehr liegt der Beginn der Ausführung wohl inder Freischaltung des Anschlusses (vgl. hierzu auch Schmidt-Räntsch, in: Bamberger/Roth, BGB, § 312d Rn. 28).

22 In Rechtsprechung und Literatur ist es jedoch umstritten,ob bei der Anwendung der Vorschrift des § 312d Abs. 3 Nr. 2BGB möglicherweise zwischen teilbaren und unteilbarenDienstleistungen zu differenzieren ist.

23 Nach einer Auffassung soll es auf die Teilbarkeit derDienstleistung gerade nicht ankommen (Grüneberg, in:Palandt, BGB, 65. Auflage, § 312d Rn. 7a). Das Widerrufsrechterlischt nach dieser Auffassung vollständig und nicht nur fürdie Vergangenheit (Schmidt-Räntsch, a.a.O.).

24 Nach der Gegenansicht ist die Vorschrift dahingehendteleologisch zu reduzieren, dass der Ausschluss des Wider-rufsrechts nur bei unteilbaren Dienstleistungen gilt. Insbe-sondere bei Dauerschuldverhältnissen – wie z.B. bei einem

Miet-, Provider- oder Mobilfunkvertrag – sei es dem Unter-nehmer zuzumuten, den Vertrag bei Widerruf des Verbrau-chers ex nunc zu beenden. Lediglich im Hinblick auf die Ver-gangenheit bleibe es dabei, dass eine Rückabwicklung nichtstattfindet (AG Elmshorn, NJW 2005, 2404 f. = VuR 2005, 357f.; Wendehorst, in: Münchener Kommentar, 5. Auflage,§ 312d Rn. 56; Thüsing, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung2005, § 312d Rn. 36).

25 Der letztgenannten Ansicht schließt sich das erkennendeGericht an. Der Sinn und Zweck des § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGBist es gerade, eine den Unternehmer belastende Rückab-wicklung zu verhindern; Dienstleistungen können im Gegen-satz zu gelieferten Waren nicht ohne weiteres problemlosrückabgewickelt werden. Der Verbraucher soll zudem nichteinerseits die Vorteile einer raschen Leistungserbringung sei-tens des Unternehmers haben und andererseits den Vertragnoch widerrufen können.

26 Eine unzumutbare Belastung des Unternehmers vermagdas Gericht bei teilbaren Dienstleistungen jedoch nicht zuerkennen. Das Problem einer Rückabwicklung stellt sich imHinblick auf bereits erbrachten Teilleistungen des Unterneh-mers nicht. Vielmehr erscheint gerade der Verbraucher schut-zwürdig, insbesondere wenn er sich für eine längere Zeit – imBereich der Telekommunikationsdienstleistungen zumeist füreine Mindestvertragslaufzeit zu Beginn von 24 Monaten –bindet. Die bereits erbrachte Teilleistung kann der Unterneh-mer nach wie vor abrechnen; lediglich die zukünftigenDienstleistungen braucht der Verbraucher nicht in Anspruchzu nehmen. Oftmals kann der Verbraucher bei Fernabsatzge-schäften auch erst nach der erstmaligen Erbringung derDienstleistung deren wirkliche Brauchbarkeit für ihn bzw. dieQualität der Dienstleistung beurteilen.

27 Der vom erkennenden Gericht vertretenen Auffassungsteht auch nicht das Urteil des BGH vom 16.3.2006 (BGHZ166, 369 ff. = VuR 2006, 231 f.) entgegen. Der dem Urteilzugrunde liegende Sachverhalt bezieht sich gerade auf eineunteilbare Dienstleistung (Annahme eines R-Gesprächs). Zuder Frage einer differenzierenden Betrachtung hat sich derBGH insoweit nicht geäußert.

Kein Widerrufsausschluss trotz Entsiegelung (§ 312 d Abs. 4 BGB)

Die Entsiegelung von im Rahmen eines Kaufvertrages über einComputersystem mitgelieferter Software, führt nicht nach§ 312 d Abs. 4 Nr. 2 BGB zum Fehlen des Widerrufsrechts,wenn der Schwerpunkt der Leistung in der Lieferung derHardwarekomponenten liegt und deren Funktionsfähigkeitnicht ohne Installation der Software festgestellt werden kann.

AG Schönebeck, Urt. v. 24.10.2007, Az.: 4 C 328/07

(ID 41733)

Sachverhalt:1 Durch den Austausch von e-Mail verkaufte der Beklagte, der imInternet Computer bzw. Computersysteme zum Verkauf anbie-tet, im Januar 2007 einen Multimedia Center PC an den Kläger.Der Kläger zahlte als Kaufpreis 1400 Euro an den Beklagten. DerBeklagte stellte das Computersystem nach den Anforderungen desKlägers zusammen, indem er serienmäßig hergestellte Hardware-komponenten zusammenfügte. Der PC wurde an den Kläger ver-sandt. Eine Widerrufsbelehrung wurde dem Kläger zu keiner Zeiterteilt. Die Versendung enthielt auch die Lieferung von Software,

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VuR 9/2008 | 357

Sonst iges | R E C H T S P R E C H U N G

die zum Funktionieren des PC installiert werden musste. Nach Lie-ferung des PC traten beim Kläger Probleme auf, die ihn veranlas-sten vom Beklagten Nachbesserung zu verlangen. Mit Schreibenvom 08.03.2007 trat der Kläger vom Kaufvertrag zurück und for-derte den Beklagten fruchtlos zur Rückzahlung des Kaufpreises auf.Mit anwaltlichem Schreiben vom 03.05.2007 widerrief der Klägerzudem seine auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Wil-lenserklärung.

2 Der Kläger beantragt, den Beklagten zur Rückzahlung des Kauf-preises (1.400 B) Zug um Zug gegen Übergabe des PC zu verurtei-len.

Aus den Gründen:

10 Die Klage ist begründet. (…) Dem Kläger steht das gesetzli-che Widerrufsrecht aus § 312 d, 312 b Abs. 1 BGB zu. Nach§ 312d Abs. 1 BGB steht dem Verbraucher bei einem Fernab-satzvertrag ein Widerrufrecht nach § 355 BGB zu. Nach § 312bAbs. 1 BGB sind Fernabsatzverträge Verträge über die Lieferungvon Waren, die zwischen einem Verbraucher und einemUnternehmer unter ausschließlicher Verwendung von Fern-kommunikationsmitteln abgeschlossen werden. Der Klägerist Verbraucher in diesem Sinne. Der Beklagte handelte beiAbschluss des Vertrages in Ausübung seiner gewerblichen Tä-tigkeit und ist damit Unternehmer im Sinne von §§ 312 b, 14BGB. Die Parteien schlossen den Vertrag durch den Austauschvon e-mail, so dass der Vertrag ausschließlich durch Verwen-dung von Fernkommunikationsmitteln geschlossen wurde(vgl. § 312b Abs. 2 BGB).

15 Das Widerrufsrecht ist nicht nach § 312 d Abs. 4 Nr. 1 und2 BGB ausgeschlossen, die allein als Ausschlusstatbestände inBetracht kommen.

16 Nach § 312 d Abs. 4 Nr. 1 BGB besteht das Widerrufsrechtnicht bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Waren, dienach Kundenspezifikation angefertigt werden oder eindeutigauf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Diese Tat-bestandsmerkmale sind durch den Vertragsschluss der Parteiennicht erfüllt. Zwar wurden die einzelnen Komponenten desSystems nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteienauf Wunsch des Klägers zusammengestellt, so dass nach demreinen Wortlaut der Vorschrift Zweifel am Bestehen einesWiderrufsrecht bestehen könnten. Das Widerrufsrecht des Ver-brauchers ist nach diesem Tatbestand jedoch nur dann ausge-schlossen, wenn der Unternehmer durch die Rücknahme aufBestellung angefertigter Ware erhebliche wirtschaftliche Nach-teile erleidet, die spezifisch damit zusammenhängen und da-durch entstehen, dass die Ware erst auf Bestellung des Kun-den nach dessen besonderen Wünschen angefertigt wurde.Nicht ausreichend sind Nachteile, die mit der Rücknahme be-reits produzierter Ware stets verbunden sind. Solche wirt-schaftlichen Nachteile sind nicht zu befürchten, wenn dievom Kunden veranlasste Anfertigung der Ware ohne Einbußean Substanz und Funktionsfähigkeit mit verhältnismäßig ge-ringem Aufwand rückgängig gemacht werden kann (vgl.BGHZ 154, 239 ff. = VuR 2003, 353). Die vom Kläger veran-lasste Anfertigung kann in diesem Sinne mit geringem Auf-wand rückgängig gemacht werden. Nach dem unbestrittenenVortrag des Klägers besteht der PC lediglich aus verschiede-nen individuell zusammengesetzten Serienbauteilen, die oh-ne Substanzverlust wieder ausgebaut und anderweitig ver-wendet werden können.

17 Das Widerrufsrecht ist zudem nicht nach § 312 d Abs. 4Nr. 2 BGB ausgeschlossen. Danach besteht das Widerrufsrechtnicht bei Fernabsatzverträgen zur Lieferung von Software, so-fern die gelieferten Datenträger vom Verbraucher entsiegeltworden sind. Bei dem Vertrag handelt es sich nicht um einensolchen über die Lieferung von Software im Sinne der Norm.Der Schwerpunkt der vertraglichen Leistung lag eindeutig aufder Lieferung der Hardwarekomponenten. Dass die zugleicherfolgte Mitlieferung von Software in allen diesen Fällen dasgesetzlichen Widerrufsrecht für den gesamten Vertrag aus-schließen sollte, erscheint nach dem Sinn und Zweck der Re-gelungen der §§ 312 b ff. BGB ausgeschlossen. Gesetzgeberi-scher Zweck der Regelung ist es vielmehr, einen unredlichenkostenfreien Erwerb der Software zu verhindern, etwa, indemman diese bestellt, nach Erhalt kopiert und sodann von demgesetzlichen Widerrufsrecht Gebrauch macht und den Kauf-preis trotz Erhalts des Produkts zurückverlangt oder gar nichtentrichtet. Diese Schutzbedürfnis besteht nicht in Fällen, indenen die Lieferung von Software dazu dient, die ebenfalls er-worbenen Hardwarekomponenten zur Funktion gelangen zulassen; denn maßgeblich für den Käufer ist hier nicht der Er-halt der Software, sondern der Erhalt eines funktionierendenComputersystems, das neben den Hardware- auch aus Soft-warekomponenten besteht.

Mobilfunkanbieter: Intransparenz von (Kündigungs-)Klauseln Handelsgericht Wien, Urt. v. 17.06.2008, Az.: 19Cg46/08y

(ID: 41646)

Tenor:

Die beklagte Partei ist schuldig,

1.) im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in AllgemeinenGeschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgenzugrunde legt und /oder in hierbei verwendeten Vertragsform-blättern die Verwendung der Klauseln:

a) „Nicht ausschließlich begünstigende Änderungen werden demTeilnehmer schriftlich unter gleichzeitiger Vornahme einerÄnderungskündigung durch mobilkom austria mindestens einenMonat vor Inkrafttreten der Änderung in geeigneter Form, etwadurch Rechnungsaufdruck mitgeteilt. Sollte der Teilnehmer biszum Inkrafttreten der Änderungen der mobilkom austria schrift-lich mitteilen, dass er den Änderungen widerspricht, so endet derVertrag nach einer Frist von einem Monat ab Zugang dieserErklärung. Der Widerspruch wird wirkungslos, falls sich mobil-kom austria innerhalb eines Monats ab Zugang des Widerspruchsbereit erklärt, gegenüber dem Teilnehmer die Änderungskündi-gung zurückzuziehen. Widerspricht der Teilnehmer nicht, soerlangen die Änderungen zum bekannt gegebenen ZeitpunktWirksamkeit.

b) Gemäß § 25 TKG 2003 zulässige Änderungen bleiben unbe-rührt. Eine gemäß § 25 Abs 3 TKG 2003 ausgesprochene außer-ordentliche Kündigung durch den Teilnehmer wird wirkungslos,falls sich mobilkom austria innerhalb von vier Wochen abZugang der Kündigung bereit erklärt, gegenüber dem Teilnehmerauf die Änderung zu verzichten oder die Verwendung sinnglei-cher Klauseln zu unterlassen;

2.) es zu unterlassen, sich auf die vorstehend genannten Klauselnzu berufen, soweit diese unzulässigerweise vereinbart wordensind.

3.) Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Parteizu Händen des Klagevertreters die mit Euro 3.874,60 bestimmtenVerfahrenskosten (darin enthalten Euro 544,60 an 20 %iger Ust.und Euro 611,- an Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstigerExekution zu ersetzen.

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4.) Der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt, den klags-stattgebenden Teil des Urteilsspruches im Umfang des Unterlas-sungsbegehrens und der Ermächtigung zur Urteilsveröffentli-chung binnen sechs Monaten ab Rechtskraft einmal in einerSamstagsausgabe des redaktionellen Teiles der „Kronen-Zeitung”,bundesweit erscheinende Ausgabe, auf Kosten der beklagten Par-tei mit gesperrt geschriebenen Prozessparteien und in Fettdruk-kumrandung in Normallettern, somit in gleich großer Schrift wieder Fließtext redaktioneller Artikel zu veröffentlichen.

Sachverhalt:

Außer Streit steht, dass die beklagte Partei zu FN 207022 w im Fir-menbuch beim Handelsgericht Wien protokolliert ist, undbundesweit unter der Marke „A1” Mobilfunktelefonie anbietet.Ferner steht außer Streit, dass die beklagte Partei im geschäft-lichen Verkehr mit Verbrauchern ihre allgemeinen Geschäftsbe-dingungen „AGB Mobil” verwendet und dass diese die folgendenwesentlichen Klauseln beinhalten:

§ 3 Abs 1; „Nicht ausschließlich begünstigende Änderungen werdendem Teilnehmer schriftlich unter gleichzeitiger Vornahme einer Ände-rungskündigung durch mobilkom austria mindestens einen Monat vorInkrafttreten der Änderung in geeigneter Form, etwa durch Rechnungs-aufdruck mitgeteilt. Sollte der Teilnehmer bis zum Inkrafttreten derÄnderungen der mobilkom austria schriftlich mitteilen, dass er denÄnderungen widerspricht, so endet der Vertrag nach einer Frist voneinem Monat ab Zugang dieser Erklärung. Der Widerspruch wird wir-kungslos, falls sich mobilkom austria innerhalb eines Monats abZugang des Widerspruchs bereit erklärt, gegenüber dem Teilnehmer dieÄnderungskündigung zurückzuziehen. Widerspricht der Teilnehmernicht, so erlangen die Änderungen zum bekannt gegebenen ZeitpunktWirksamkeit.”

§ 3 Abs 4: Gemäß § 25 TKG 2003 zulässige Änderungen bleibenunberührt. Eine gemäß § 25 Abs 3 TKG 2003 ausgesprochene außer-ordentliche Kündigung durch den Teilnehmer wird wirkungslos, fallssich mobilkom austria innerhalb von vier Wochen ab Zugang der Kün-digung bereit erklärt, gegenüber dem Teilnehmer auf die Änderung zuverzichten.”

Unbestritten ist, dass die beklagte Partei trotz Aufforderung sei-tens der klagenden Partei eine außergerichtliche Unterlassungs-erklärung nicht abgab.

Die klagende Partei brachte im Wesentlichen vor, dass die beklag-te Partei in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen Klauselnverwende, die intransparent sind und gegen die guten Sitten ver-stoßen. Da die beklagte Partei eine Unterlassungserklärung nichtabgab, erhebe sie nun die Verbandsklage.

Sie brachte zu § 3 Abs 1 der ABG’s vor, dass einem Durch-schnittsverbraucher der Terminus „Änderungskündigung”unverständlich sei und noch dazu, da sie vom Betreiber nachBelieben wieder rückgängig gemacht werden kann, zu einerAbschwächung der vertraglichen Bindungswirkung zulasten desKunden führt. Ferner beanstandete sie, dass der Vertrag entgegenden gesetzlichen Bestimmungen erst nach einem Monat abErklärung des Verbrauchers und nicht mit sofortiger Wirkungenden würde. Weiters brachte sie vor, dass ein Widerrufsrecht,wie es sich die beklagte Partei ausbedingen würde, im Telekom-munikationsgesetz nicht vorgesehen sei.

Zu § 3 Abs 4 der AGB’s brachte die klagende Partei vor, dass die-ser im Widerspruch mit § 3 Abs 1 stünde, was folglich zu einerIntransparenz beider Regelungen führe. Außerdem brächte dieabermals unzulässigerweise ausbedungene Frist den Verbraucherin einen unzumutbaren Schwebezustand.

Es seien daher beide Klauseln unklar im Sinne des § 6 Abs 3KSchG und als intransparent und gröblich benachteiligend imSinne des § 879 Abs 3 AGBG anzusehen.

Da die beklagte Partei die AGB’s bundesweit verwende, sei dieUrteilveröffentlichung in einer bundesweit erscheinenden Sams-tagsausgabe der Kronenzeitung gerechtfertigt.

Die beklagte Partei bestritt das Vorbringen der klagenden Partei,beantragte kostenpflichtige Klageabweisung und brachte vor,dass die von ihr verwendeten Klauseln weder gröblich benach-teiligend noch sittenwidrig und auch nicht intransparent seien.Die Verwendung von Fachbegriffen sei erlaubt. Darüber hinaussei der Begriff „Änderungskündigung” ein Bestandteil des Allge-meinwissens und daher jedenfalls geläufig. Außerdem nehme sieeine Erklärung dieses Wortes in ihrer Klausel vor. Des Weiterensei die von der klagenden Partei beanstandete einmonatige Fristnicht gesetzwidrig, da § 25 Abs 3 TKG eine Kündigung des Ver-brauchers beinhalte, die gegenständliche Klausel aber von einemWiderspruchsrecht des Verbrauchers handle. Ihrer Ansicht nachsei die Position des Verbrauchers gestärkt, da ihm beide Mög-lichkeiten zur Verfügung stehen.

Auch die Änderungsverzichtsklausel sei nicht rechtswidrig, dader Kunde in dem Moment, wo die beklagte Partei auf eine Ände-rung der AGB´s verzichtet, kein gesetzlich zugestandenes Interes-se mehr an einer außerordentlichen Kündigung habe. Durchdiese Klausel werde das außerordentliche Kündigungsrecht kei-nesfalls eingeschränkt. Der Kunde sei in keinerlei Hinsichtbenachteiligt, da es, wenn es zu keiner Änderungskündigungkäme oder wenn ein diesbezüglicher Widerruf durch die beklag-te Partei wieder aufgehoben werden würde, das ursprünglicheVertragsverhältnis sowieso in unveränderter Form weiter bestün-de. Die Klausel sei in keinster Weise unklar, da sie deutlich zumAusdruck bringe, dass wenn der Kunde die Änderungen nichtakzeptiert, der Vertrag entweder beendet wird oder auf Grundla-ge der alten AGB’s fortbestehen würde.

Ferner sei die einmonatige Frist, in der sie den Widerruf wiederaufheben könne, völlig in Ordnung, da der Kunde seinerseitseine ebenso lange Zeit für seine Entscheidungsfindung zur Ver-fügung hat.

Zu § 3 Abs 4 der AGB’s brachte die beklagte Partei vor, dass durchdiese Klausel die rechtliche Position des Kunden gestärkt werdeund daher keinesfalls ein Widerspruch zwischen diesen beidenKlauseln bestehe.

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in die Urkunden.Da der Sachverhalt unstrittig ist, können weitere Feststellungenunterbleiben.

Gründe:

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich Folgendes:

Gemäß § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäfts-bedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertrag-bestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständ-lich ist. Das ist bereits dann der Fall, wenn dem Verbraucherein unzutreffendes oder unklares Bild seiner vertraglichenPosition vermittelt wird und er dadurch von der Durchset-zung seiner Rechte abgehalten werden kann.

In Bezug auf den Begriff Änderungskündigung ist auszufüh-ren, dass der OGH ausgesprochen hat, dass auch Fachbegrif-fe gegenüber Verbrauchern verwendet werden dürfen, dochdarf dies nur dann erfolgen, wenn deren Bedeutung demtypischen Verbraucher geläufig ist oder wenn diese von ihmjedenfalls festgestellt werden kann. Der Begriff „Änderungs-kündigung” ist kein geläufiger Fachausdruck. Ein normalerDurchschnittskunde ist nicht ohne Weiteres in der Lage zuerkennen, dass es sich dabei um eine vom Verhalten desErklärungsempfängers anhängige Potestativbedingung han-delt. Es besteht die Gefahr, dass der Verbraucher nicht davonausgehen wird, dass durch diese von ihm widerspruchsloshingenommene Kündigung ein neues Vertragsverhältnisbegründet wird. Vielmehr wird ein Durchschnittsverbraucherder Annahme sein, dass nur die angesprochenen Klauseln

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geändert werden, der andere Teil des Vertrages aber so wie erursprünglich abgeschlossen wurde, aufrecht bleibt. DieseAnnahme kann für den Kunden unter Umständen schwer-wiegende Folgen haben. Angenommen die ursprünglicheMindestvertragsdauer würde am 01.10. ablaufen. Der Ver-braucher hat aber am 01.08. desselben Jahres eine Ände-rungskündigung akzeptiert. Dann kommt es zu einer zusätz-lichen Vertragsbindung in der Dauer von durchschnittlich 18Monaten, die der Verbraucher aber gar nicht wollte, da ervielleicht mit dem Gedanken spielte, den Vertrag nachAblauf der Bindungswirkung zu kündigen. Dieser Teil derKlausel vermittelt dem Verbraucher zweifellos ein unklaresBild bezüglich seiner vertraglichen Position und ist daherintransparent im Sinne des § 6 Abs 3 KSchG.

Für sich allein gesehen ist die Tatsache, dass der Vertrag, wennder Verbraucher der Änderungskündigung widerspricht, erstnach einem Monat endet nicht gröblich benachteiligend, daja dieser unter den alten Bedingungen fortläuft und der Ver-braucher den Vertrag auch nicht beendet hätte, wenn es nichtzu dieser Änderungskündigung gekommen wäre. Außerdemwäre dem Verbraucher bewusst und eindeutig klar, dass derVertrag zu einem bestimmten Zeitpunkt enden würde. Somithätte er Klarheit über seine rechtliche Position.

Aber die einmonatige Frist, die sich die beklagte Partei für dieZurückziehung der Änderungskündigung ausbedungen hat, istdem Verbraucher nicht zumutbar. Dadurch würde dieser ineinen Schwebezustand geraten, in dem er nicht zukunftsorien-tiert handeln kann. Genau hier liegt nämlich der Unterschiedzu dem vorher behandelten Problem. Hier weiß der Verbrau-cher nicht, ob nun der Vertrag endet oder nicht. Im obigerwähnten Fall weiß er, dass und wann der Vertrag definitivendet und kann daher dementsprechende Vorkehrungen tref-fen. Durch den Schwebezustand, wird dem Verbraucher aberdie Möglichkeit genommen, sich unverzüglich nach einemneuen Anbieter umzuschauen, da er ja für einen Monat damitrechnen muss, dass die klagende Partei dennoch den Vertragaufrechterhält. Gesetzt den Fall, dass die beklagte Partei ihreÄnderungskündigung dann nicht zurückzieht, würde der Ver-braucher dann plötzlich ohne Vertragspartner da stehen.

Es wäre auch ein Nachteil dahingehend denkbar, dass dem Kun-den durch diese lange der klagenden Partei zustehende Überle-gungsfrist die Möglichkeit genommen wird, ein anderes günsti-geres Angebot anzunehmen, da dann die Angebotsfrist bereitsabgelaufen ist. Dieser Teil der Klausel ist zweifellos gemäß § 879Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend, da er die Rechtsposition

des Verbrauchers in einem auffallenden Missverhältnis zu jenerder beklagten Partei stellt, da es nur diese in der Hand hat, wasendgültig mit dem Vertragsverhältnis passiert.

Bezüglich der zweiten Klausel ist auszuführen, dass eineaußerordentliche Kündigung eine einseitige empfangsbedürf-tige Willenerklärung ist, die zur sofortigen Beendigung desVertrages ohne Einhaltung einer Frist führt. Diese kann ja nurdann erfolgen, wenn einer der Vertragspartner einen gewich-tigen Grund hat, der es ihm unzumutbar macht, den Vertragweiterhin aufrecht zu erhalten. Dieser wesentliche Grundliegt hier in der Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedin-gungen. Es ist einem Verbraucher nicht zumutbar, ein Ver-tragsverhältnis aufrechtzuerhalten, das nicht der ursprüng-lichen Vereinbarung entspricht. Dadurch wird die Rechtspo-sition des Verbrauchers gegenüber jener der beklagten Parteisehr stark minimiert, da es wiederum die beklagte Partei inder Hand hat, was mit dem Vertrag passiert. Sie bringtdadurch den Vertrag in einen für den Verbraucher unzumut-baren Schwebezustand. Daher ist diese Klausel ebenfalls gröb-lich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB.

Daher besteht der Anspruch der klagenden Partei auf Unter-lassung der Verwendung der streitgegenständlichen Klauselnzu Recht. Die beklagte Partei ist verpflichtet die Verwendungder gesamten Klausel zu unterlassen, da im Verbandsprozessnach § 18 KschG die Auslegung der Klauseln im kunden-feindlichsten Sinn zu erfolgen hat (4 Ob 130/03a). Auf eineetwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel istkeine Rücksicht zu nehmen, da eine geltungserhaltendeReduktion im Verbandsprozess nicht möglich ist (2 Ob9/97f), weil das Ziel des KSchG ist es, auf einen angemessenenInhalt der in der Praxis verwendeten AGB hinzuwirken. DerVerwender der AGB soll sie selbst gesetzeskonform gestaltenund diese Aufgabe nicht auf den Richter überwälzen.

Der Zweck des Veröffentlichungsbegehrens ist es, einem klags-stattgebenden Urteil eine Breitenwirkung zu ermöglichen, dajeder einzelne aktuelle sowie potentielle Vertragspartner derbeklagten Partei, die Verbraucher als Gesamtheit und auch dieKonkurrenten das Recht haben, darüber aufgeklärt zu werden,dass bestimmte Klauseln der AGB’s intransparent, gröblichbenachteiligend oder sittenwidrig sind. Da die beklagte ParteiMobilfunktelefonie nicht nur regional, sondern über ganzÖsterreich verbreitet anbietet, war dem Begehren in dem vonder klagenden Partei beantragten Umfang stattzugeben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 ZPO.

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Walter Bayer/Elisabeth Koch (Herausgeber):Schranken der Vertragsfreiheit –Tagungsband zur Gründungsveranstaltungdes Instituts für Notarrecht in Jena. Nomos-Verlag, Baden-Baden. 2007, 103 Seiten

Die zu rezensierende kleine Schrift stammt ausdem neu gegründeten Institut für Notarrechtan der Universität Jena unter in der Leitung vonWalter Bayer und Elisabeth Koch. Anlässlich derInstitutsgründung fand eine Veranstaltung mitfünf Vorträgen statt, die das Thema Vertrags-freiheit aus unterschiedlichen Blickwinkelnbeleuchteten. Drei der Vorträge behandeln dieVertragsfreiheit im Zusammenhang mit Fami-lienrecht (Rainer Kanzleiter, Elisabeth Koch)und ein weiterer im Zusammenhang mitGesellschaftsrecht (Walter Bayer). Dies ist fürden Leser einer verbraucherrechtlichen Zeit-schrift sicher weniger interessant, sodass aufdiese Vorträge hier nicht eingegangen wird.Dagegen nähern sich die beiden anderen Vor-träge dem Thema Vertragsfreiheit auf einergrundsätzlicheren Ebene. Isensee ordnet dieVertragsfreiheit in ihren verfassungsrechtlichenZusammenhang ein, und Schwab erörtert dieAuswirkungen des Allgemeinen Gleichstel-lungsgesetzes auf die Vertragsfreiheit.

Für den Verbraucherrechtler ist dies viel ver-sprechend, sind doch die maßgeblichen Ent-scheidungen des Bundesverfassungsgerichtszur Vertragsfreiheit, die sogenannten Bürgen-Entscheidungen, zu verbraucherrechtlichenFragestellungen ergangen, und sind doch dieAuswirkungen des AGG auf das Verbraucher-recht erst noch auszuloten. Den Verbraucher-rechtler interessiert die Fragestellung, ob sich(vertrags-) rechtlicher Verbraucherschutz alsSchranke der Vertragsfreiheit darstellt, oder ober mit dem Bundesverfassungsgericht als Vor-aussetzung für Vertragsfreiheit im Sinne derMaterialisierungsthese des Bundesverfassungs-gerichts zu begreifen ist. Während Schwab dasAGG für eine Beschränkung der Vertragsfreiheithält, ohne sich mit den Bürgen-Entscheidun-gen auseinanderzusetzen, ist der Ansatz vonIsensee komplexer. Zwar hält er nicht viel vonden Bürgen-Entscheidungen. Er sieht zu viel

Gleichmacherei am Werke und spricht demBundesverfassungsgericht die Befugnis ab,staatliche Schutzpflichten auf den rechtsge-schäftlichen Bereich auszuweiten. Dies seiallenfalls Aufgabe des Gesetzgebers. Die schar-fe Kritik Isensees an der geltenden Auslegungder Vertragsfreiheit geht auf seine Grundposi-tionen zurück. Zwar erkennt er durchaus, dassdie Ausübung der Vertragsfreiheit voraussetzt,dass ein Mindestmaß an gleicher Verhand-lungsmacht auf allen Seiten besteht. Doch gehter mit Flume davon aus, dass die Vertragsfrei-heit integraler Bestandteil der Rechtsordnungsei, die ihrerseits den Grundrechten voraus liegtund sie umschließt. Es ist daher Aufgabe des(einfachen Zivilrechts-) Gesetzgebers, die Ver-tragsfreiheit auszugestalten, sei es durch dispo-sitives, sei es durch zwingendes Recht. In derKonsequenz dieses Ansatzes läge es, auch fürVerbraucherschutzrecht keine verfassungs-rechtlichen Hürden zu sehen. Allerdings ziehtIsensee dem Gesetzgeber auch Grenzen. Dieserkönne nicht nach Belieben vorgehen, vielmehrmüsse er dabei die Institutsgarantie des Privat-rechts beachten, die das Beharren im Fluss derrechtspolitischen Entwicklung darstelle. Mitdiesem Begriff greift er expressis verbis auf CarlSchmitt zurück. Damit befindet er sich auf demStand der Diskussion der 20er Jahre des vorigenJahrhunderts, als man das herkömmliche Ver-ständnis von Privateigentum und Vertragsfrei-heit gegen allzu viele Änderungen in den frü-hen Jahren der Weimarer Republik abschirmenwollte. Auch wenn er dies abstreitet, immuni-siert er damit das liberale Vertragsmodell desausgehenden 19. Jahrhunderts gegen jede Kri-tik und Veränderung. Eine aktive Rolle des Ver-fassungsrechts zur Gestaltung von Vertragsfrei-heit ergibt sich aus dieser Position nicht. VonVerfassungs wegen ist weder zu viel noch zuwenig zwingendes Vertragsrecht zu beanstan-den, solange nur das vorverfassungsrechtlichverstandene Institut der Vertragsfreiheit nichtverletzt wird. Die Kritik an den Bürgen-Ent-scheidungen ist aus dieser Sicht konsequent.Andererseits stellt Isensee auch recht hohe Hür-den für ein verfassungsrechtliches Einschreitengegenüber dem (einfachen Zivilrechts-)Gesetzgeber auf.

Etwas offener geht Schwab mit seinem Thema,dem Antidiskriminierungsgesetz, um. Zwar hälter in seinem gesamten Beitrag einen kritischenUnterton gegen das Gesetz bei und bezeichne-te es als Beschränkung von Vertragsfreiheit.Aber immerhin bestreitet er die Legitimität derZiele dieses Gesetzes nicht grundsätzlich. SeineKritik richtet sich vielmehr gegen die Gesetzge-bungstechnik. Es würden viel zu weite Diskri-minierungstatbestände geschaffen, die durchAusnahmen wieder eingeschränkt werdenmüssten, um eindeutig nicht diskriminierendeTatbestände nicht zu erfassen. Als Beispiel die-nen ihm die Eintrittsermäßigungen für Kinder.Schwab leuchtet dabei zunächst die Reichweiteder einzelnen Diskriminierungstatbestände aus.Er meint, dass sie ihrerseits diskriminierend wir-ken, weil sie so weit seien, dass es nicht ein-leuchte, warum nicht erfasste Bereiche nichtauch unter das Gesetz fielen („Diskriminierungdurch Auswahl der Merkmale”) und hält dasGesetz insgesamt für diskriminierend, unver-hältnismäßig und Rechtsunsicherheit erzeu-gend. Auf diese Weise steht im Vordergrunddes Beitrags mehr eine Kritik des AGG an sichals ein vertiefter Bezug auf den verfassungs-rechtlichen Begriff der Vertragsfreiheit. DieFrage, ob das AGG als Beitrag zur „Materialisie-rung” von Vertragsfreiheit verstanden werdenkann, wird nicht gestellt.

Wer noch einmal die Begründung für das libe-rale Vertragsmodell zum Zeitpunkt seinesInkrafttretens auf hohem Niveau nachlesenmöchte, findet in dem Beitrag von Isenseesicher die richtige Quelle. Schwab fügt denzahlreichen Klagen über die rechtstechnischenMängel des AGG nicht ohne Gründe eine wei-tere zu. Die Aufgabe, ein verfassungstheoreti-sches Konzept für die Vertragsfreiheit zu ent-wickeln, das wie das Bundesverfassungsgerichtdie Vertragsrealität der Gegenwart wahrnimmt,und das AGG darin zu verorten, bleibt freilichnoch zu lösen.

Prof. Dr. Klaus Tonner, Rostock

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I N F O R M AT I O N E N

■ Die Zeitschrift Informationen zum Verbrau-cherrecht des österreichischen Vereins fürKonsumenteninformation (VKI) berichtet ineinem Artikel vom 16.07.2008 über einenWiderspruch gegen die Speicherung vonBonitätsdaten. In einem – im Auftrag desBMSK (Bundesministeriums für Soziales undKonsumentenschutz) – geführten Muster-prozess des VKI bestätigte das Berufungsge-richt eindeutig das Widerspruchsrecht einesBetroffenen gegen die Verwendung von bo-nitätsrelevanten Daten einer Kreditauskunf-tei. Ein Betroffener, dessen bonitätsrelevan-ten Daten von einer Kreditauskunfteigespeichert und verwendet werden würden,hätte jederzeit einen Anspruch auf Wider-spruch der Verwendung dieser Daten. DieDaten seien binnen 8 Wochen zu löschen.Solchen Daten läge nämlich weder eine ge-setzliche Aufnahme zugrunde, noch seien dieDaten nicht öffentlich, weil sie einem unbe-stimmten Personenkreis (Banken, Versand-häusern, Telekomanbietern) zugänglichseien.

■ In einem von der europäischen Verbraucher-schutzorganisation BEUC veröffentlichtenPositionspapier, X/043/2008 vom 13.06.2008, wird die Sicherheit von Patientenkommentiert, die ein Schwerpunktthemainnerhalb der Europäischen Union darstel-len sollte. So seien in den letzten Jahren so-wohl auf nationaler und internationaler Ebe-ne als auch innerhalb der EU bereits vieleInitiativen ins Leben gerufen worden, nunsei aber die Zeit für konkrete Aktionen ge-kommen. Im Hinblick auf den bevorstehen-

den Entwurf der Kommission in dieser Sachefordert BEUC die Einführung einer effizientenBerichterstattung in allen Mitgliedsstaaten.Überdies wird ein systemischer Ansatz ge-fordert, um die Ursachen von Behandlungs-fehlern zu ermitteln, sowie eine offene Kom-munikationspolitik zwischen Patienten undPflegern, ein patientenfreundliches Rekla-mationssystem und ein fairer Kompensie-rungsmechanismus und letztlich auch ein all-gemeingültiges Klassifizierungssystem undeine Reihe von gemeinsamen Indikatoren,welche die Erfassung und die Analyse vonDaten europaübergreifend ermöglichen sol-len.

■ In der Zeitschrift des belgischen Verbrau-cherverbandes Du Côté des Consommateursvom 23.06.2008 geht es u. a. um das The-ma nachhaltiger Konsum. Im Rahmen ei-ner Umfrage wollten die offiziellen Stellendiesbezüglich die Meinung der Bevölkerungzur Zukunft des Landes ermitteln und in die-sem Zusammenhang konkret in Erfahrungbringen, welche Maßnahmen getroffen wer-den sollten, um die Zukunft des Landes nach-haltiger zu gestalten und die Achtung vorMensch und Umwelt stärker zu integrieren.In diesem Sinne sei – vor allem auch in Zu-sammenarbeit mit CRIOC – vom 1. Mai bis30. Juni 2008 eine öffentliche Erhebung hin-sichtlich des Vorentwurfs des nationalenPlans für nachhaltige Entwicklung 2009-2012 durchgeführt worden. Dieser Plan se-he 23 verschiedene Aktionen vor: längerfris-tig angelegte Aktionen, thematischeAktionen, die z. B. Themen wie das Klima,

Mobilität, Biodiversität, Ernährung, Wohnen,soziale Marktwirtschaft, den Kampf gegendie Armut, Umweltflüchtlinge, etc. umfas-sten, bis hin zu Aktionen im Sinne von goodgovernance.

■ Die australische Verbraucherzeitschrift Choi-ce befasst sich in ihrer Online-Ausgabe 07/08u.a. mit der Senkung der Strafgebühren ei-ner australischen Bank, der größten Genos-senschaftsbank Australiens, CUA. Die Gebüh-renermäßigung soll auch unter dem Druckeiner von Choice durchgeführten Kampagnefür faire Bankgebühren erfolgt sein. Die land-läufig berechneten Gebühren für die Überzie-hung eines Kontos, nicht eingelöste Schecks,etc. würden gesenkt werden und die Ände-rungen ab September dieses Jahres in Krafttreten. Jedoch berechne CUA im Gegensatz zufast allen anderen großen Banken weiterhin ei-ne Gebühr für nicht gedeckte Schecks, dieauf einem Konto eingereicht werden. Zudemwürden andere Gebühren erhöht werden. Je-doch erschienen angesichts dieser Ermäßi-gung die Strafgebühren einiger anderer gro-ßer Banken im Vergleich total exzessiv undlaut Choice keinesfalls gerechtfertigt.

Übersetzungen: Doris Luik, Hamburg

V E R B R A U C H E R Z E I T S C H R I F T E N I M A U S L A N D

Die entsprechenden Links auf dieaktuellen Zeitschriften finden Sie imInternet unter www.vur-online.deunter der Rubrik „Verbraucherzeitschrif-ten im Ausland“.

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Die Garantie in der kaufrechtlichen MängelhaftungEine Betrachtung der Rechtslage vor und nach der SchuldrechtsreformVon RAin Dr. Jessica Hanke2008, 285 S., brosch., 62,– €, ISBN 978-3-8329-3659-4(Düsseldorfer Rechtswissenschaftliche Schriften, Bd. 56)

Die Arbeit bietet einen umfassenden Überblick über die Garantiehaftung desVerkäufers und Herstellers nach §§ 276, 443, 444 und 477 BGB. Im Rahmen einer Untersuchung der Voraussetzungen und Rechtsfolgen der einzelnen Garantie-tatbestände geht die Verfasserin vertieft auf Abgrenzungsfragen,Garantiewer-bung, Haftungsbeschränkung, Verjährung und AGB-Kontrolle ein.

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VI | VuR 9/2008

3. Bayreuther Forum für Wirtschafts- undMedienrecht, Konvergenz der Medien –Konvergenz des Rechts Freitag, 17.10. bis Samstag, 18. Oktober2008, Universität Bayreuth, Hörsaal 22 derRechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fa-kultät, Universitätsstraße 30, 95447 Bayreuth

Die Konvergenz der Medien, die in der rechts-und medienwissenschaftlichen Diskussion seitLangem als Zukunftsvision präsent ist, scheintnun in der Gegenwart angekommen zu sein.Auf dem 3. Bayreuther Forum für Wirtschafts-und Medienrecht soll zu den rechtlichen Kon-sequenzen dieser Entwicklung eine Zwischen-bilanz gezogen werden, die alle berührten Fel-der des öffentlichen Rechts und desPrivatrechts erfasst: Die Bestandsaufnahmereicht im öffentlichen Recht von den Folgender rechtstatsächlichen Veränderungen fürden Rundfunkbegriff über die Frage der Re-gulierung des Zugangs zu den Übertragungs-wegen bis zur künftigen Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Die privatrechtlichenKonsequenzen werden vor allem mit Blick aufdie Rechtsverhältnisse im Internet, die kartell-rechtliche Behandlung medienübergreifenderFusionen und die mit der Konvergenz zu-sammenhängenden Fragen der Rechtever-wertung beleuchtet.

Programm:Freitag, 17.10.2008Mediale Recyclings und Re-Mediationen imdigitalen Zeitalter – zur Auflösung des „Werk“– Begriffs

Konvergenz der Medien – Was bringt dieZukunft?

Auswirkungen der Medienkonvergenz aufden Rundfunkbegriff und die Medienregulie-rung

Presserecht im Internet

Konvergenz der Medien und Konkurrenz umÜbertragungswege: Der Streit um die „digi-tale Dividende“

Konvergenz der Medien und neue Informa-tionsangebote der öffentlich-rechtlichenRundfunkveranstalter:Hilft der Public-Value-Test?

Podiumsdiskussion: Die Rahmenbedingungenfür den dualen Rundfunk im multimedialenZeitalter – Kann alles bleiben, wie es ist?

Samstag, 18.10.2008Fehlende urheberrechtliche Nutzungsberech-tigung trotz – oder wegen – Konvergenz?

Crossmediale Zusammenschlusskontrolle

Die Vergabe medialer Rechte an der Bundes-liga – Differenzierung nach Übertragungs-wegen?

Die Verwertung von Amateurfußballspielenim Internet

Weitere Informationen unter:www.fwmr.uni-bayreuth.deProf. Dr. Stefan LeibleTel.: 0921 55-2900E-Mail: [email protected]

Der Anlegerschutzprozess im Kapital-marktrecht: Wertpapiere und DerivateSamstag, 15. November 2008, Frankfurt a. M./ Holiday Inn Frankfurt Airport-North

Neben dem Dauerbrenner „Beratungshaf-tung“ werden von den Gerichten aktuell vorallem Massenprozesse wegen fehlerhafter Ka-pitalmarktpublizität (z. B. falsche ad-hoc-Mit-teilungen, Prospekthaftung) abgearbeitet.Dabei erfordern die einschlägigen Rechtsma-terien besondere Strategien und Taktiken imProzess des geschädigten Anlegers – bis hinzur Beteiligung an US-amerikanischen ClassActions oder Klagen im europäischen Aus-land. Auch stehen weitere Gesetzgebungs-vorhaben vor der Tür – getrieben von euro-päischen Vorgaben.

Programm:Behandelt werden u. a. folgende Punkte:Wertpapiere und Derivate: ● Begrifflichkeiten und Anlageprodukte (ins-

besondere strukturierte Produkte wie z. B.Zertifikate)

Materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen: ● Maßgeblichkeit des EU-Rechtes, ● Beratungsverschulden, ● Aufklärungsverschulden, ● Vermögensverwaltung / Publikum- / Spe-

zialfonds, ● allgemeine und spezialgesetzliche Pro-

spekthaftung, ● sonstige Kapitalmarktpublizität

Strategien der Rechtsdurchsetzung: ● Individualfälle versus Massenfälle, ● „Sammelklagen“,● Klagen in den USA, ● Prozesskostenhilfe, ● Rechtsschutzversicherer, ● Prozessfinanzierer

Der Anlegerschutzprozess – Strategien undTaktiken: ● Gerichtsstände, ● anwendbares Recht, ● Passivprozesse, ● Aktivprozesse, ● Beweislast, ● Kausalität, ● Schadenberechnung, ● Verjährung

Das am 01.11.2005 in Kraft getretene Kap-MuG (Kapitalanleger-Musterverfahrensge-setz) wird anhand von Beispielen im Seminarausführlich besprochen: Antragsverfahren,Vorlageverfahren, Musterentscheid undRechtsbehelfe. Einen weiteren Schwerpunktbildet die MiFID (EU-Richtlinie „über Märktefür Finanzinstrumente“) sowie deren Umset-zung in deutsches Recht, insbesondere durchdas neue WpHG (Wertpapierhandelsgesetz),welches seit dem 01.11.2007 gilt.

Weitere Informationen:www.anwaltsakademie.deMatthias HerrfurthTel.: 030 / 726153-124E-Mail: [email protected]

Aktuelle Online-Werbeformen und dasWettbewerbsrechtSamstag, 15. November, Köln / nH HotelKöln-CityDr. Stefan Ernst, Rechtsanwalt, Freiburg

Online-Werbung ist einer der wenigenWerbemärkte, der in den letzten Jahren einstetiges Wachstum zu verzeichnen hatte.Gleichwohl ist gerade hier die Zahl der wer-berechtlichen Fallstricke und der noch zu klä-renden Unsicherheiten groß. Dies gründetauch darin, dass viele Werbeformen neu sindund ihre Einordnung in die lauterkeitsrecht-lichen Fallgruppen unklar oder umstritten ist.Gleichzeitig scheint die Zahl derer, die imInternet geschäftsmäßig nach Gelegenheitenzur Abmahnung suchen, stetig zu steigen. Zieldes Seminars ist es, ein Verständnis für dieGrundlagen der Online-Werbung und den ak-tuellen Stand der Rechtsprechung zu den ent-stehenden Fragen zu vermitteln.

Programm:Aktuelle Rechtslage und Rechtsprechung zumDirektmarketing (Spam und E-Mail-Wer-bung), UWG, BGB und MarkenG; Wettbe-werbsrechtliche Beurteilung von E-Cards;

Zulässiges Suchmaschinenmarketing und un-zulässiges Search Engine Spamming:Wettbewerbs- und Markenrecht (Metatags,Keyword Buying, Keyword Advertising, Door-way-Paging, Cloaking, verschobene Seitenusw.);

Bedeutung für das Affiliate Marketing; Aktuelles Domainrecht; Probleme beim Domain Parking;

Impressumspflichten nach neuem Recht(TMG, RStV und EHUG);

Preisangabenverordnung online; Bedeutung der Bagatellklausel (§ 3 UWG);

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I N F O R M AT I O N E N

Abmahnungen wegen unzulässiger AGB-Klauseln – UWG-Verstoß oder nur ein Fall fürdas UKlaG?

Weitere Informationen:www.anwaltsakademie.deJenny StegerTel.: 030 / 726153-126E-Mail: steger @ anwaltakademie.de

Computer- und InternetstrafrechtFreitag, 28. November 2008, Düsseldorf /Mercure Hotel Seestern

Computer, Internet und E-Mail sind nichtmehr aus unserer Gesellschaft wegzudenken.Der Einsatz der modernen Informationstech-nologien in Unternehmen, Behörden und Bü-ros jedweder Branche ist ebenso selbstver-ständlich wie der Warenhandel über dasInternet. Im Privatbereich werden vor allemMusik, Filme und Spiele über das Internet be-zogen und genutzt. Es liegt auf der Hand, dasssich auch strafbare Handlungen vermehrt indie virtuelle Welt verlagern.

Die Veranstaltung will über die Besonderhei-ten der Computer- und Internetkriminalität ei-nen Überblick verschaffen und einzelne

Schwerpunkte vertiefen. Außerdem sollentechnische Abläufe in ihren wesentlichenGrundzügen von einem Fachmann dargestelltwerden, z.B. um Identifikationsmöglichkei-ten im Internet und beim Einsatz von E-Mailsnachvollziehen zu können. IP-Nummern, di-gitale Spuren, Zugangs- und Verbindungsda-ten, Verschlüsselungstechniken etc., aberauch die Funktionen eines IMSI-Catchers ge-mäß § 100 i StPO werden besprochen.

Aus dem Programm:Grundlagen: ● nationale und internationale Normen; ● Bedeutung des Datenschutzes; ● Struktur und Akteure des Internets

Materieller Teil: klassische Erscheinungsfor-men: ● § 263a StGB – Computerbetrug, ● § 263 StGB – Betrug, § 269 StGB – Fäl-

schung beweiserheblicher Daten etc.; ● Verbreitung verbotener Schriften, ins. §

184b StGB; § 202a StGB – Ausspähen vonDaten, §§ 303a, b StGB – Datenverände-rung und Sabotage etc.,

● Auswirkungen des neuen Computer-rechtsSpezifische Erscheinungsformen:

● Phishing, Portscanning,

● Einsatz von Viren und Mailbomben, ● Spamming etc.

Urheberrechtsverletzungen und Verrat vonGeschäftsgeheimnissen: ● § 106 f. ● UrhG, ● Filesharing – Musiktauschbörsen (P2P-Sys-

teme), ● Auswirkungen des neuen Urheberrechts; ● § 17 UWG

Inanspruchnahme von Providern: ● Pflicht zur Speicherung, ● Auskunftserteilung, auch nach TKG● Prozessuale Zwangsmaßnahmen: ● Auswirkungen des Gesetzes zur Neureg-

lung der Telekommunikationsüberwa-chung und anderer verdeckter Ermitt-lungsmaßnahmen,

● Durchsuchung von EDV-Anlagen, ● Überwachung von E-Mailverkehr

Technik

Weitere Informationen:www.anwaltsakademie.deDetlef Zabel Tel.: 030 / 726153-122E-Mail: [email protected]

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Der Fernabsatz von FinanzdienstleistungenUmsetzung der Richtlinie 2002/65/EG im Gesetz zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträgebei FinanzdienstleistungenVon RA u Stb Dr. Christoph Imschweiler2008, 361 S., brosch., 88,– €, ISBN 978-3-8329-3853-6(Studien zum Bank- und Kapitalmarktrecht, Bd. 5)

Inwieweit wurde die Richtlinie 2002/65/EG zum Fernabsatz von Finanzdienst-leistungen ordnungsgemäß in deutsches Recht umgesetzt? Dies untersucht das vorliegende Werk. Ein zentraler Bestandteil ist dabei diepraktische Anwendung und die Auslegung der deutschen Regelungen zum Fern-absatz von Finanzdienstleistungen und Versicherungen.

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