und Recht VuR · Expl. 978-3-406-50719-9 Godefroid, Verbraucherkreditverträge 3. Auflage. 2008....

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VuR Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht Nomos Aus dem Inhalt 3. Nationale Konferenz zu Finanzdienstleistungen Kunde und Bank – Partner oder Gegner III Aufsätze Darf ein Versandhändler Selbstbelieferungsprobleme über Vertragsabschlussklauseln an seine Kunden weiterreichen? Dr. Volker Wiese, Hamburg 161 Die Hinsendekosten beim widerrufenen Fernabsatzvertrag Dr. Jan Eichelberger, Jena 167 Änderung der Antragsfragenpraxis der Versicherer in Folge der Reform des VVG RA Lutz Weiberle, Stuttgart 170 Rechtsprechung Bankrecht Prospektinhalt; Prospektverantwortlichkeit und Haftung der Prospektinitiatoren bei Wahrnehmung wichtiger Schlüsselfunktionen bei der Gestaltung des konkreten Projekts BGH, Urt. v. 28.02.2008, Az.: III ZR 149/07 178 Versicherungsrecht Zum Verweisungsberuf in der Berufsunfähigkeits- Zusatzversicherung BGH, Urt. v. 23.01.2008, Az.: IV ZR 10/07 189 Verbraucherinsolvenzrecht Versagung der Restschuldbefreiung bei grober Fahrlässigkeit BGH, Beschl. v. 27.09.2007, Az.: IX ZB 243/06 193 Restschuldbefreiung: Voraussetzung der Versagung bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falschangaben BGH, Beschl. v. 20.12.2007, Az.: IX ZB 189/06 194 Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO nur bei Obliegen- heitsverletzungen während der Treuhandperiode im Vorverfahren BGH, Beschl. v. 21.02.2008, Az.: IX ZB 52/07 195 mit Anmerkung von Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/Saale 5 / 2008 Jahrgang 23 · Seiten 161–200 ISSN 0930-8369 · E 20025 www.vur-online.de In Verbindung mit Verbraucherzentrale Bundesverband und Bund der Versicherten herausgegeben von Prof. Dr. Hans-W. Micklitz Prof. Dr. Udo Reifner Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski Prof. Dr. Klaus Tonner Prof. Dr. Joachim Bornkamm Dr. Friedrich Bultmann Prof. Dr. Peter Derleder Dr. Stefan Ernst Dr. Günter Hörmann Prof. Dr. Wolfhard Kohte Dr. Rainer Metz Prof. Dr. Norbert Reich Prof. Wolfgang Römer Prof. Dr. Astrid Stadler Prof. Dr. Dirk Staudenmayer Walter Stillner Andreas Tilp Verbraucher und Recht Anlegerschutz Konsumentenkredit Versicherung private Altersvorsorge Verbraucherinsolvenz Verbraucherschutz

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VuRZeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht

Nomos

Aus dem Inhalt

3. Nationale Konferenz zu FinanzdienstleistungenKunde und Bank – Partner oder Gegner III

AufsätzeDarf ein Versandhändler Selbstbelieferungsprobleme über Vertragsabschlussklauseln an seine Kundenweiterreichen?Dr. Volker Wiese, Hamburg 161Die Hinsendekosten beim widerrufenenFernabsatzvertragDr. Jan Eichelberger, Jena 167Änderung der Antragsfragenpraxis der Versicherer inFolge der Reform des VVGRA Lutz Weiberle, Stuttgart 170

Rechtsprechung

BankrechtProspektinhalt; Prospektverantwortlichkeit und Haftung der Prospektinitiatoren bei Wahrnehmungwichtiger Schlüsselfunktionen bei der Gestaltung deskonkreten ProjektsBGH, Urt. v. 28.02.2008, Az.: III ZR 149/07 178

VersicherungsrechtZum Verweisungsberuf in der Berufsunfähigkeits-ZusatzversicherungBGH, Urt. v. 23.01.2008, Az.: IV ZR 10/07 189

VerbraucherinsolvenzrechtVersagung der Restschuldbefreiung bei groberFahrlässigkeitBGH, Beschl. v. 27.09.2007, Az.: IX ZB 243/06 193Restschuldbefreiung: Voraussetzung der Versagung beivorsätzlichen oder grob fahrlässigen FalschangabenBGH, Beschl. v. 20.12.2007, Az.: IX ZB 189/06 194Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO nur bei Obliegen-heitsverletzungen während der Treuhandperiode imVorverfahrenBGH, Beschl. v. 21.02.2008, Az.: IX ZB 52/07 195mit Anmerkung von Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/Saale

5/2008Jahrgang 23 · Seiten 161–200ISSN 0930-8369 · E 20025

www.vur-online.de

In Verbindung mitVerbraucherzentraleBundesverband undBund der Versicherten

herausgegeben vonProf. Dr. Hans-W. MicklitzProf. Dr. Udo ReifnerProf. Dr. Hans-Peter SchwintowskiProf. Dr. Klaus Tonner

Prof. Dr. Joachim BornkammDr. Friedrich BultmannProf. Dr. Peter DerlederDr. Stefan ErnstDr. Günter HörmannProf. Dr. Wolfhard KohteDr. Rainer MetzProf. Dr. Norbert ReichProf. Wolfgang RömerProf. Dr. Astrid StadlerProf. Dr. Dirk StaudenmayerWalter StillnerAndreas Tilp

Verbraucher und Recht

A n l e g e r s c h u t z ■ K o n s u m e n t e n k r e d i t ■ V e r s i c h e r u n g ■ p r i v a t eA l t e r s v o r s o r g e ■ V e r b r a u c h e r i n s o l v e n z ■ V e r b r a u c h e r s c h u t z

Zum AutorRechtsanwalt Dr. Christoph Godefroid führtdas von Dr. Franz Josef Scholz begründeteWerk souverän weiter. Im Rahmen der Bera-tung von Banken und weiteren Unternehmender Kreditwirtschaft ist er seit mehr als20 Jahren intensiv mit dem Verbraucher-kreditrecht befasst.

Fax-CouponExpl. 978-3-406-50719-9

Godefroid, Verbraucherkreditverträge3. Auflage. 2008. XLII, 491 Seiten. Kartoniert e 53,–

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Dieser bewährte Bandgibt einen systematischen Über-blick über die einzelnen Ver-tragsarten des Verbraucher-kredits und erläutert die hierbeiwichtigen Rechtsfragen praxis-orientiert und kompetent.Davon profitieren Rechtsan-wälte, Richter, Kreditinstitute,Leasingunternehmen undTeilzahlungsverkäufer sowieVerbraucherverbände.

Die 3. Auflagebehandelt auf neuestem StandVerbraucherdarlehensverträge,Darlehensvermittlungsverträge,Finanzierungsleasingverträge,Teilzahlungsgeschäfte, Raten-lieferungsverträge sowie grenz-überschreitende Verbraucher-kreditgeschäfte. Schwerpunktebilden dabei� die Regelungen zum

Widerrufsrecht� die Regeln über den Fern-

absatz von Finanzdienst-leistungen

� die grundlegenden Entschei-dungen des EUGH zumHaustürwiderruf

� der Verbraucherbegriff, dieAnwendung des Verbraucher-kreditrechts auf Existenz-gründer, die Angabe desGesamtbetrages der vomDarlehensnehmer zu erbrin-genden Teilleistungen, derEinwendungsdurchgriff beiverbundenen Verträgen, die Rechtsfolgen des Schuld-nerverzuges sowie die Auf-klärungspflichten der Kredit-institute.

Richtig gestalten, korrekt abwickeln

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Umschlag 5_2008 21.05.2008 13:40 Uhr Seite U4

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3. NATIONALEKONFERENZ ZU F INANZ-DIENSTLEISTUNGEN

„Kunde und Bank – Partner oderGegner“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III

AUFSÄTZEDarf ein Versandhändler Selbstbe-lieferungsprobleme über Vertrags-abschlussklauseln an seine Kundenweiterreichen?Wiss. Assistent Dr. Volker Wiese, LL.M.(McGill), Hamburg . . . . . . . . . . . . . 161

Die Hinsendekosten beim widerru-fenen FernabsatzvertragDr. Jan Eichelberger, LL.M.oec.,Jena . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .167

Änderung der Antragsfragenpraxisder Versicherer in Folge der Reformdes VVGRA Lutz Weiberle, Stuttgart . . . . . . 170

VERBRAUCHERRECHTAKTUELL . . . . . . . . . . . . . . . . . . .175

RECHTSPRECHUNG

BANKRECHTProspektinhalt; Prospektverant-wortlichkeit und Haftung derProspektinitiatoren bei Wahr-nehmung wichtiger Schlüsselfunk-tionen bei der Gestaltung des konkreten ProjektsBGH, Urt. v. 28.02.2008, Az.: III ZR 149/07 . . . . . . . . . . . . . . . 178

VeröffentlichungspflichtigeInsiderinformationen; hinreichendeWahrscheinlichkeit i. S. v. § 13 Abs. 1 S. 3 WpHG; Pflicht des Gerichts zur Herbeiführung eindeutiger ProzesserklärungBGH, Urt. v. 25.02.2008, Az.: II ZB 9/07 . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Kausalität der Haustürsituation fürAbgabe der Willenserklärungen;restriktive Ausgestaltung der Haf-tung der finanzierenden Bank beiden atypischen fremd finanziertenImmobilienerwerbermodellenBGH, Urt. v. 22.01.2008, Az.: XI ZR 6/06 . . . . . . . . . . . . . . . . 185

VERSICHERUNGSRECHTZum Verweigerungsberuf in derBerufsunfähigkeits-ZusatzversicherungBGH, Urt. v. 23.01.2008, Az.: IV ZR 10/07 . . . . . . . . . . . . . . . 189

Zur Unwirksamkeit von Änderungs-klauseln in Krankenversicherungs-verträgenBGH, Urt. v. 23.01.2008, Az.: IV ZR 169/06 . . . . . . . . . . . . . . 192

VERBRAUCHERINSOLVENZRECHTVersagung der Restschuldbefreiungbei grober FahrlässigkeitBGH, Beschl. v. 27.09.2007, Az.: IX ZB 243/06 . . . . . . . . . . . . . . 193

Restschuldbefreiung: Voraussetzung der Versagung beivorsätzlichen oder grob fahr-lässigen FalschangabenBGH, Beschl. v. 20.12.2007, Az.: IX ZB 189/06 . . . . . . . . . . . . . . 194

Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 3InsO nur bei Obliegenheits-verletzungen während der Treu-handperiode im VorverfahrenBGH, Beschl. v. 21.02.2008, Az.: IX ZB 52/07 . . . . . . . . . . . . . . . 195mit Anmerkung von Prof. Dr. Wolfhard Kohte,Halle/Saale

RECHTSPRECHUNGS-ÜBERSICHT . . . . . . . . . . . . . . .199

BANKRECHT . . . . . . . . . . . . . . . . 199

VERSICHERUNGSRECHT . . . . . . 199

VERBRAUCHERINSOLVENZ-RECHT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

BUCHBESPRECHUNGSchmidt-Futterer, Wolfgang /Blank, Hubert,Kommentar zum Mietrecht, C. H. Beck-Verlag, 9. Auflage 2007RA Dr. Hans Reinold Horst . . . . . . . 200

INFORMATIONEN

Verbraucherzeitschriften im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .V

Veranstaltungshinweise . . . . . . . . .VI

I N H A LT

IMPRESSUM

Schriftleitung: Priv.-Doz. Dr. Kai-Oliver Knops (V.i.S.d.P.), e-mail: [email protected]

Redaktion:Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff)Rödingsmarkt 31–33, 20459 HamburgTelefon (0 40) 30 96 91 26Telefax (0 40) 30 96 91 22e-mail: [email protected]

Die redaktionelle Arbeit der Zeitschrift wirddurch den Verbraucherzentrale Bundesver-band und den Bund der Versicherten finan-ziert.

Druck und Verlag: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG,Waldseestraße 3-5, D-76530 Baden-Baden, Telefon 07221/2104-0, Fax 07221/2104-27

Anzeigen: sales friendly, Verlagsdienstleistungen, Bettina Roos, Siegburger Straße 123, 53229 Bonn, Telefon 0228/978980, Telefax 0228/9789820,E-Mail: [email protected]

Die Zeitschrift, sowie alle in ihr enthalteneneinzelnen Beiträge und Abbildungen sind ur-heberrechtlich geschützt. Jede Verwertung,die nicht ausdrücklich vom Urheberrechts-gesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigenZustimmung des Verlags. Namentlich gekennzeichnete Artikel müssennicht die Meinung der Herausgeber/Redak-tion wiedergeben. Unverlangt eingesandteManuskripte – für die keine Haftung über-nommen wird – gelten als Veröffentlichungs-vorschlag zu den Bedingungen des Verlages.Es werden nur unveröffentlichte Originalar-beiten angenommen. Die Verfasser erklärensich mit einer nicht sinnentstellenden redak-tionellen Bearbeitung einverstanden.

Erscheinungsweise: monatlich

Bezugspreis 2008: jährlich 149,– € (inkl. MwSt),Einzelheft 18,– €; Die Preise verstehen sich incl.MwSt zzgl. Versandkosten. Bestellungen neh-men entgegen: Der Buchhandel und der Verlag.Kündigung: Drei Monate vor Kalenderjahres-ende. Zahlungen jeweils im Voraus an: NomosVerlagsgesellschaft, Postbank Karlsruhe, Konto73636-751 (BLZ 660 100 75) und Stadtspar-kasse Baden-Baden, Konto 5-002266 (BLZ662 500 30).

ISSN 0930-8369

Zeitschrift für Verbraucher und Unternehmen

23. Jahrgang, S. 161-200

5/2008

VuR V E R B R A U C H E R

U N D R E C H T

Vorschau auf Heft 6/2008AUFSÄTZERechtsprechungsübersicht zumReiserecht 2007 bis 2008Daniela Schulz, LL.M., Rostock

Passagierrechte und Passagierbe-griff im Gemeinschaftsrecht unddie Überarbeitung des Gemein-schaftlichen Besitzstandes im Ver-braucherrechtJens Karsten, LL.M., Brüssel

VuR 5/2008 | I

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Unter diesem Motto steht die diesjährige nationale Konferenz zu Finanzdienstleistungen am 6. und 7. Juni 2008 in Hamburg.Sie findet zum dritten Mal nach 2006 und 2007 im Rahmen der European Coalition for Responsible Credit (ECRC) statt und wen-det sich an Banken und Sparkassen, Verbraucher-, Kredit-, und Schuldnerberater sowie Wissenschaft und Journalisten. Im drit-ten Jahr in Folge wird Hamburg der Gastgeber sein und Sorge tragen, dass die aktuellen praktischen Probleme bei der Kredit-vergabe sowie neue Entwicklungen bei Finanzdienstleistungen im Retail-Geschäft diskutiert werden.

Neben der (wissenschaftlichen) Erörterung aktueller juristischer und ökonomischer Themen bei Finanzdienstleistungen sol-len wie bereits in den Vorjahren Anbieter, Verbrauchervertreter, Schuldnerberater sowie Personen aus Wissenschaft, Verwal-tung und Politik miteinander ins Gespräch kommen. Die Teilnehmer werden informiert über praktische Probleme im BereichKredit und Insolvenz und die aktuellen gesetzlichen Vorhaben und deren gesellschaftspolitischen Auswirkungen werdenbesprochen. Die kontinuierliche Diskussion über die Praxis der Kreditvergabe, die Entwicklung der Überschuldung, neue Pro-dukte im Retail-Geschäft und über beispielhafte Entwicklungen in anderen Ländern wird die Diskussion bereichern.

Die Themen der 3. Nationalen Konferenz zu Finanzdienstleistungen sind aktuell und reichhaltig wie in den vergangenen Jah-ren. Im Zentrum steht zunächst die aktuelle Finanzkrise, die eine Krise der Kreditvergabe ist. Ruinöse Finanzierungen habenamerikanische Verbraucher in den Konkurs getrieben, schlechte Kredite wurden verkauft und Steuergelder zur Rettung derKäufer notwendig.

Was sind die Lösungen: Bessere Risikobewertung und Aufsicht über Investoren oder ein saubereres Kreditgeschäft? Verant-wortliche Kreditvergabe würde weniger Risikoprodukte entstehen lassen, die Überschuldungsspirale stoppen und Wucherunterbinden. Die Risiken der Banken würden sich reduzieren. Anbieter, Gesetzgeber, Aufsicht, Gerichte, Verbraucherverbän-de und Schuldnerberater müssen darüber ins Gespräch kommen – gerade auch darüber, wie mit dem massenweisen Verkaufvon Immobiliarkrediten umzugehen ist.

Ein weiteres großes Thema ist die neue Konsumentenkreditrichtlinie, die schon bald in das nationale Recht umgesetzt wer-den soll. Auch der Schutz des Girokontos vor Pfändung beschäftigt den Gesetzgeber; das Retail-Bankgeschäft ist im Umbruch.Die Verbraucher müssen mehr wissen. Es sind aber auch neue Qualifikationen in der Bankausbildung gefragt.

Das komplette Programm (Stand: 25. April 2008):

Freitag, 6. Juni 2008 – Kaffeebörse 08:00 Registrierung und Kaffee08.30–09.15 Begrüßung: Prof. Dr. Udo Reifner (iff)

„Kreditkrise und nachhaltiges Bankge-schäft in Europa“Referat von Prof. Dr. Paul H. Dembinski(Observatoire de la Finance, Genf)

„Subprime Crisis – Consumer Perspectivesfrom the USA“Referat von Matthew Lee (Fair FinanceWatch/NCRC, USA)*

09.15–10.30 Plenum 1: Kunden – Bankbeziehung: Endeeines Vertrauensverhältnisses?Klaus-Friedrich Otto (bank und markt, Mode-ration); Theophil Graband (Teambank); Franz-Josef Nick (Citibank); Edda Castellò (Verbrau-cherzentrale Hamburg); Andreas Büchner(Volkswagen Financial Services); Melanie Ber-germann (Wirtschaftswoche); Manfred Schö-ler (DSGV)

10.30–11.00 Kaffeepause

11.00–12.30 Parallele Workshops:

Workshop F1: Verantwortliche Kreditvergabe in Deutsch-land – Die Umsetzung der Konsumenten-kreditrichtlinie 2008 Prof. Dr. Peter Derleder (Universität Bremen,Moderation); Manfred Westphal (Verbraucher-zentrale Bundesverband); Peter Wacket (Bank-enfachverband); Tim Sommer (IHV Schuld-nerberatung Wilhelmshaven)

Workshop F2: Best Practice in finanzieller Allgemeinbil-dungVolkmar Lübke (Verbraucherinitiative, Mode-ration); Prof. Dr. Gerhard Raab (FH Ludwigs-hafen); Helmut Peters (Bank und Jugend imDialog, Diakonie Krefeld-Viersen); GudrunWiesner-Wehde (Gymnasium Ohmoor); Kath-rin Wirz (DSGV, Beratungsdienst Geld undHaushalt); Prof. Dr. Michael-Burkhard Pior-kowsky (Universität Bonn)

12.30–13.30 Gemeinsames Mittagessen

13.30–14.45 Parallele Workshops:

Workshop F3: Finanzierte Kapitalanlagen – Reicht derAnlegerschutz aus? (in Kooperation mitDIAS) Volker Pietsch (Deutsches Institut für Anleger-schutz, Moderation); RA Eberhard Ahr

3. NATIONALE KONFERENZ ZU FINANZDIENSTLEISTUNGEN

„Kunde und Bank – Partner oder Gegner“

VuR 5/2008 | I I I

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V E R A N S TA LT U N G S H I N W E I S

IV | VuR 5/2008

(Anwaltsnetzwerk Bremen); RA Dr. Julius F.Reiter (Düsseldorf); RA Manfred Resch (Ber-lin); RA Eric Romba (Verband GeschlosseneFonds); Dr. Torsten Teichert (Lloyd Fonds AG)

Workshop F4: Versichern gegen die Krise? Was macht dieBank, wenn der Kunde nicht mehr zahlenkann?RA Michael Knobloch (iff, Moderation); MilkoHascher (Creditplus Bank); Inken Westphal(Citibank); Thilo Feuchtmann (Teambank);Jan Willem Boshuizen (Corrente); MatthiasBrömmel (Landesarbeitsgemeinschaft Schuld-nerberatung Hamburg)

14.45–16.00 Plenum 2: Das Scoring der Banken – ange-messene Risikobewertung oder intrans-parente und benachteiligende Kundenseg-mentierung?Frank-Christian Pauli (VerbraucherzentraleBundesverband, Moderation); Michael Wilken(GP Forschungsgruppe); Thilo Feuchtmann(Teambank); Dr. Thilo Weichert (Datenschutz-beauftragter SH); Franz-Josef Nick (Citibank)

Parallel Informationsveranstaltung: „DigitaleSchuldnerberatung“ Ilona Heitmann (AWOKreisverband Hildesheim-Alfeld)

16.00–16.30 Kaffeepause

16.30–18.00 Plenum 3: Verkauf von Krediten Sabina Wolf (Bayerischer Rundfunk, Modera-tion); Priv.-Doz. Dr. Kai-Oliver Knops (Univer-sität Bremen); Horst Arenz (Die Linke, Bundes-tag); JM Dr. Heinz Georg Bamberger (Rhein-land-Pfalz)*; Dr. Karsten von Köller (LoneStar);Judith Wittig (Deutsche Bank); RA Dr. Julius F.Reiter (Düsseldorf); Frank-Christian Pauli (Ver-braucherzentrale Bundesverband); MatthewLee (Fair Finance Watch/NCRC, USA)*

19.00 Empfang und gemeinsames Abendessen(Deutsche Bundesbank, Hamburg)

Samstagvormittag, 7. Juni 2008 – Gästehaus der Univer-sität Hamburg

08.30 Registrierung und Kaffee

09.00–10.30 Parallele Workshops: Workshop S1: Zukunft der Schuldnerberatung

Werner Sanio (Schuldnerfachberatungszen-trum Mainz, Moderation); Franziska Matschke(Schuldnerhilfe Köln); Harro Norder (Volks-kredietbank, Niederlande); Dr. Bettina Sobko-wiak (eibe e.V. Rostock); Michael Weinhold(ISKA / AG SBV)

Workshop S2: Ausbildung im Finanzdienstleistungssektor:Retail Finance Banker, Schuldnerberaterund FachanwaltPriv.-Doz. Dr. Kai-Oliver Knops (UniversitätBremen, Moderation); Milko Hascher (Credit-plus Bank); Prof. Dr. Jochen Hoffmann (Uni-versität Hamburg); Prof. Heinrich Bockholt(Fachhochschule Koblenz); RA Jan-HenningAhrens (Bremen); Prof. Dr. Axel Halfmeier(Frankfurt School of Finance & Management)

Workshop S3: Neue Altersvorsorge-Produkte (bspw. Rever-se Mortgage) – Entwicklungen auf demdeutschen Markt und europäische Vorbilder Dr. Achim Tiffe (iff, Moderation); GunnarLang (ZEW); Edda Castello (Verbraucherzen-trale Hamburg); Axel Vogt (InvestitionsbankSH)

10.30–11.00 Kaffeepause

11.00–12.30 Plenum 4: Einkommensschutz auf demGirokonto – Erwartungen an das P-Kontound ausländische Erfahrungen mit „Ban-ken für Arme“Prof. Dr. Udo Reifner (iff, Moderation); Dr.Hans Grohs (ASB Schuldnerberatung Linz,Österreich); Boris Marte (Erste Stiftung, Öster-reich); Harro Norder (Volkskredietbank,Niederlande); Prof. Dr. Wolfhard Kohte (Uni-versität Halle); Frank Kirchner (Citibank)

12.30–13.00 Abschlussdiskussion

* = Teilnehmer angefragt

TeilnehmergebührenTeilnehmergebühren: 80 B; Presse, Studierende und Wissen-schaft frei.

Zeit und Ort in HamburgFreitag 6. Juni 2008: Ehemalige Hamburger Kaffeebörse, Pick-huben 3 (Speicherstadt)

Samstag 7. Juni 2008: Stiftung weltweite Wissenschaft, Gäste-haus der Univ., Rothenbaumchaussee 34

AnmeldungInstitut für Finanzdienstleistungen e.V.Rödingsmarkt 31-33, 20459 HamburgTel.: +49 40 30 96 91 24Fax: +49 40 30 96 91 22;E-Mail: [email protected] Internet: www.verantwortliche-kreditvergabe.net

Sponsoren und OrganisationCitibank; CreditPlus Bank; HASPA; TeamBank; VolkswagenFinancial Services (Sponsoren)

iff, Verbraucherzentralen und AG SBV (Veranstalter)

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A U F S Ä T Z E

Herausgeber: Prof. Dr. Udo Reifner, Universität Hamburg, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (geschäftsführend); Prof. Dr. Hans-W. Mick-litz, Universität Bamberg; Prof. Dr. Hans-Peter Schwintowski, Humboldt-Universität Berlin; Prof. Dr. Klaus Tonner, Universität Rostock

Prof. Dr. Joachim Bornkamm, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe; Dr. Friedrich Bultmann, Rechtsanwalt, Berlin; Prof. Dr. Pe-ter Derleder, Universität Bremen; Dr. Stefan Ernst, Rechtsanwalt, Freiburg; Dr. Günter Hörmann, Geschäftsführer der VerbraucherzentraleHamburg e.V.; Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Universität Halle-Wittenberg; Dr. Rainer Metz, Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährungund Landwirtschaft, Berlin; Prof. Dr. Norbert Reich, Universität Bremen; Prof. Wolfgang Römer, Richter am Bundesgerichtshof a.D., Berlin;Prof. Dr. Astrid Stadler, Universität Konstanz; Prof. Dr. Dirk Staudenmayer, Europäische Kommission, Referatsleiter Generaldirektion Gesund-heit und Verbraucherschutz, Brüssel; Walter Stillner, Rechtsanwalt, Stuttgart; Andreas Tilp, Rechtsanwalt, Tübingen

Schriftleitung: Priv.-Doz. Dr. Kai-Oliver Knops, Institut für Finanzdienstleistungen e.V. (iff), Rödingsmarkt 31-33, 20459 Hamburg

5/200823. Jahrgang, Seiten 161-200

Zeitschrift für Wirtschafts- und Verbraucherrecht

VuR V E R B R A U C H E R

U N D R E C H T

Vertragsabschlussklauseln sind im Versandhandel gang undgäbe. Ihre Wirksamkeit wird in der Praxis gewöhnlich wider-spruchslos unterstellt. Übersehen wird jedoch, dass die Ver-sandhändler mit ihren Vertragsabschlussklauseln letztlichunzulässig Selbstbelieferungsrisiken auf ihre Kunden verla-gern. Die folgenden Ausführungen belegen, warum die imVersandhandel üblichen Klauseln einer AGB-rechtlichenInhaltskontrolle nicht standhalten und unwirksam sind.

A. Selbstbelieferungsproblematik

Vor allem Internet-Versandhändler verzichten heutzutageweitgehend auf eine eigene, kostenintensive Vorratshaltungvon Ware. Die von ihren Kunden bestellte Ware ordern sie erst– entweder en bloc oder sogar jeweils einzeln – nach Eingangder Bestellungen bei den eigenen Zulieferern. Von ihren Kun-den erwarten Versandhändler eine gewisse Geduld. Regelmä-ßig werden Lieferzeiten vereinbart, die dem Händler ausrei-chend Spielraum gewähren sollen, damit er die bestellte Wareselbst noch rechtzeitig von einem Zulieferer beziehen kann.

Gelegentlich stellen den Versandhändler eigene Belieferungs-schwierigkeiten vor ernstzunehmende Probleme: Liefert derZulieferer die Ware nur mit Verzögerung an den Versandhänd-ler aus, muss letzterer die seinen Kunden zugesagten Lieferzei-ten überschreiten. Oder der Versandhändler wird sogargezwungen, die Verträge mit seinen Kunden gänzlich unerfüllt

zu lassen, wenn zum Beispiel der Import der georderten Waredurch den Zulieferer gescheitert ist oder der Hersteller die Pro-duktion der bestellten Ware eingestellt hat und dem Versand-händler nur noch den Bezug eines Nachfolgemodells anbietet.

In allen diesen Fällen riskiert der Versandhändler nicht nur,dass er seinen Kunden einen etwaigen Verzögerungsschaden(vgl. §§ 280 Abs. 2, 286 BGB) zu ersetzen hat. Noch schwe-rer wiegt die Gefahr, dass seine Kunden nach Ablauf einerErfüllungsfrist vom Vertrag Abstand nehmen (vgl. § 323Abs. 1 BGB) und den Versandhändler auf Schadensersatz stattder Leistung (vgl. §§ 280 Abs. 3, 281 BGB) in Anspruch neh-men. Für die Kunden lohnt sich die Geltendmachung diesesSchadensersatzes in der Regel bereits dann, wenn der Ver-sandhändler seine Ware gegenüber den Normalpreisenbesonders preiswert angeboten hatte.1 Schon die Differenzzwischen Normalpreis und Sonderangebot ist ein einklagba-rer Mindestschaden.2 Auch außerhalb von Sonderangebotenbesteht schließlich noch die Gefahr, dass die Kunden ihrenVersandhändler schlicht auf Erfüllung in Anspruch nehmen.3

Darf ein Versandhändler Selbstbelieferungsproblemeüber Vertragsabschlussklauseln an seine Kunden weiterreichen?Von Wiss. Assistent Dr. Volker Wiese*, LL.M. (McGill), Hamburg

VuR 5/2008 | 161

* Der Autor ist Wissenschaftlicher Assistent an der Bucerius Law School, Hamburg.1 Vgl. zu einem solchen Sachverhalt OLG Hamburg CR 2003, 694.2 Siehe zur Differenzhypothese nur Palandt-Heinrichs, 67. Aufl., 2008, Vorb v § 249

Rn. 9.3 In der Praxis sind in jüngerer Zeit sogar mehrfach Fälle aufgetreten, bei denen

Verbraucher einen Versandhändler auf Erfüllung verklagt hatten. Vgl. LG Gie-ßen NJW-RR 2003, 1206; LG Essen NJW-RR 2003, 1207; AG Hamburg-BarmbekNJW-RR 2004, 412 und LG Hamburg NJW-RR 2004, 1568; AG Hamburg-Barm-bek MMR 2004, 772 und LG Hamburg MMR 2005, 121.

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Das Interesse des Versandhändlers, eigene Belieferungs-schwierigkeiten auf seine Kunden abzuwälzen, ist dement-sprechend groß. Das klassische Instrument hierzu stellt einesog. Selbstbelieferungsklausel4 dar, die einem Versandhändlerin den typischen Fällen jedoch gerade nicht zur Verfügungsteht (siehe B.). In der Praxis herrscht deshalb ein anderesModell vor: Der Versandhändler zögert den Vertragsschlussmit seinem Kunden so lange hinaus, bis er vom Zulieferer diebestellte Ware selbst erhalten hat und sie an den Kunden aus-liefern kann. Die Wirksamkeit von Vertragsabschlussklauseln,die beispielsweise lauten: „Die Annahme Ihrer Bestellungerfolgt durch Versendung der Ware“5, wird auch zumeistunkritisch hingenommen. Derlei Klauseln sind jedoch imRegelfall unzulässig und unwirksam (siehe C.II. bis IV.).

Den Haftungsrisiken wegen Selbstbelieferungsschwierigkei-ten kann ein Versandhändler damit nicht entgehen. Lehnt erden Vertragsschluss mit einem Kunden, der eine Bestellungaufgegeben hat, nicht explizit ab, kommt nach Treu undGlauben ein Vertrag zustande. Denn das Verhalten des Ver-sandhändlers unterfällt der Fallgruppe des sog. „beredtenSchweigens“ (siehe C.I. und V.). Dies hat Konsequenzen fürErfüllungs- und Schadensersatzprozesse (siehe D.).

B. Selbstbelieferungsklauseln

Gegenüber Verbrauchern darf eine Selbstbelieferungsklauselnur dann Verwendung finden, wenn die strengen Vorausset-zungen des § 308 Nr. 3 und Nr. 8 BGB beachtet werden.Denn Selbstbelieferungsklauseln zielen darauf ab, dass sichder Versandhändler von seiner den Kunden gegenüber über-nommenen Lieferpflicht soll lösen können, wenn er selbstnicht von seinem Zulieferer beliefert wird. Dabei ist es gleich-gültig, ob man in einer Selbstbelieferungsklausel eine auflö-sende Bedingung,6 einen Rücktrittsvorbehalt,7 ein dem § 275Abs. 2 BGB ähnliches Leistungsverweigerungsrecht8 odereine sonstige Beschränkung der Leistungspflichten des Ver-sandhändlers (auf den Umfang der Lieferung durch denZulieferer)9 sehen möchte. Jedenfalls bewirkt sie eine Befrei-ung des Versandhändlers von der Warenbeschaffungspflicht,die für sein Geschäftsmodell charakteristisch ist: Ein Ver-sandhändler verspricht grundsätzlich den Geschäftserfolg,also die Lieferung der verkauften Ware.10 Wie er dieses Zielerreicht, ist seinen Kunden typischerweise gleichgültig. DieWarenbeschaffungspflicht ist auch unabhängig davon, ob essich um einen Stück- oder um einen Gattungskauf handelt,weil ganz allgemein gilt: „In welcher Weise der Versand-händler [die] Auslieferung [der Ware] sicherstellt, interessiertden Verkehr in der Regel nicht.“11

I. Formelle Anforderungen an Selbstbelieferungsklauseln

Selbstbelieferungsklauseln beschränken massiv die Beschaf-fungspflichten eines Versandhändlers und müssen nach §308 Nr. 3 BGB in ihrem Text ausdrücklich einen Grund ange-ben, der eine derartige Beschränkung sachlich rechtfertigt.Weil Selbstbelieferungsklauseln schon immer von der Recht-sprechung – zunächst im Handelsverkehr12 und später auchgegenüber Privatleuten13 – als gebräuchlich angesehen wur-den, erachtet die Rechtsprechung sie im Grundsatz als zuläs-sig. In der Literatur wird allerdings, gerade in jüngster Zeit,diese Ansicht der Rechtsprechung nicht mehr vorbehaltlosgeteilt. Kritisiert wird,14 dass eine Selbstbelieferungsklausel,unter den heutigen „obwaltenden Bedingungen eines über-reichlichen Warenflusses“, den gewöhnlichen Erfahrungen

und Erwartungen eines Durchschnittskunden widerspreche.Ein durchschnittlicher Verbraucher nehme an, dass Warenjederzeit und ständig verfügbar seien, sodass man sich aufLieferzusagen eines Händlers auch in jedem Fall verlassendürfe. Es sei daher zu bezweifeln, ob eine Selbstbelieferungs-klausel im nichtkaufmännischen Verkehr überhaupt nochden gegenwärtigen ökonomischen Bedingungen entspreche.

Freilich wird man es für ausreichend erachten können, wenndie einzelne Klausel dem Verbraucher hinreichend deutlichvor Augen führt, auf welche Art und Weise der Händler seineLeistungspflichten beschränken will. Auch die Rechtspre-chung ist den Weg gegangen, die inhaltlichen Anforderungenan die Formulierung eines Selbstbelieferungsvorbehalts inAGB gegenüber Verbrauchern stark anzuheben. Der Verwen-der muss in der Klausel klarstellen, dass er ein zur Selbstbelie-ferung erforderliches Deckungsgeschäft bereits abgeschlossenhat,15 dass ihn jede von ihm schuldhaft verursachte Nichtbe-lieferung (z. B. wegen Zahlungsverzugs) nicht befreit16 unddass seine Befreiung von der Lieferpflicht nicht automatischeintritt, sondern an eine gegenüber dem Verbraucher abzuge-bende Anzeigeerklärung geknüpft ist.17 Auf die Klausel beru-fen darf sich der Verwender anschließend auch nur dann,wenn er alle genannten Anforderungen tatsächlich einhält18

und sein Zulieferer ihn mit der Belieferung im Stich lässt.19

§ 308 Nr. 8 BGB erfordert neuerdings überdies,20 dass eineSelbstbelieferungsklausel die Pflichten des Verwenders vorse-hen muss, eine Nichtverfügbarkeit der bestellten Ware demVerbraucher gegenüber unverzüglich anzuzeigen (§ 308 Nr.8a BGB) und dem Verbraucher die Gegenleistung unverzüg-lich zu erstatten (§ 308 Nr. 8b BGB). Gegenüber der über-kommenen materiellen Rechtslage neu ist hierbei die Einfüh-rung des Kriteriums der Unverzüglichkeit, da der Verwenderschon nach allgemeinen Grundsätzen anzeigen muss,21 unddie Gegenleistung zurückzugewähren hat.22 Nach überein-stimmender Ansicht in der Literatur soll der Verwender dasLeistungsverweigerungsrecht des Selbstbelieferungsvorbe-halts allerdings nicht einbüßen, wenn er diesen Pflichtennicht (unverzüglich) nachkommt.23 Der Verwender hafte nur

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4 Eingehend dazu etwa Salger, WM 1985, 625; Staub-Koller, HGB, 4. Aufl., 5. Lfg,Vor § 373 Rn. 279 ff.

5 Siehe etwa bei LG Essen NJW-RR 2003, 1207.6 So z.B. BGHZ 24, 39, 40 f.; OLG Frankfurt/M. NJW-RR 1998, 1130, 1131.7 So z.B. BGH, NJW 1983, 1320, 1321; LG Hamburg ZGS 2004, 76, 80.8 Vgl. BGH NJW 1983, 1320, 1321; Salger, WM 1985, 625, 627.9 So OGH NJW 1949, 22.10 OLG Hamburg OLGR 2002, 33, 34. In diesem Sinne auch bereits BGH NJW

1972, 1702, 1703. Speziell zum Onlinehandel vgl. BGH NJW 2005, 2229, 2230;OLG Frankfurt/M. MMR 2006, 325, 326.

11 OLG Hamburg OLGR 2002, 33, 34.12 Siehe bereits RGZ 103, 180, 182; RG JW 1925, 239, 240. Ferner BGHZ 49, 388,

393.13 BGH NJW 1983, 1320, 1321; BGHZ 92, 396, 398.14 Beispielsweise von MünchKommBGB-Kieninger, 5. Aufl. 2007, § 308 Nr. 3 Rn. 8.15 LG Halle VuR 1998, 53, 57. In diesem Sinne auch bereits BGH NJW 1983,

1320, 1321. Ähnlich BGHZ 92, 396, 398. Siehe ferner v. Westphalen, in: Ver-tragsrecht und AGB-Klauselwerke, Stand: Sept. 2007, Vertragsrecht 7 Rn. 13.

16 BGH NJW 1983, 1320, 1321.17 BGHZ 92, 396, 398.18 Vgl. Salger, WM 1985, 625, 626.19 BGH NJW 1983, 1320, 1321. Siehe auch BGHZ 49, 388, 395; 92, 396, 399.20 Siehe LG Hamburg ZGS 2004, 76, 80.21 Siehe nur Staudinger-Coester-Waltjen, Neubearb. 2006, § 308 Nr. 8 Rn. 3:

Anzeigepflicht nach § 242 BGB.22 Entweder nach § 346 Abs. 1 – gegebenenfalls iVm §§ 326 Abs. 1 und Abs. 4 –

oder nach § 812 BGB. Siehe auch jurisPK-BGB/Lapp, 2. Aufl. 2006, § 308 Rn. 64.23 Staudinger-Coester-Waltjen (s.o. Fn. 21), § 308 Nr. 8 Rn. 3; MünchKommBGB-

Kieninger (s. o. Fn. 14), § 308 Nr. 8 Rn. 4; AnwKommBGB-Kollmann, 2005,§ 308 Rn. 105; Prütting/Wegen/Weinrich-Berger, 2. Aufl. 2007, § 308 Rn. 53.

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auf den Ersatz des durch sein zögerliches Handeln kausal ent-standenen Schadens.24 Diese Ansicht ist zumindest nichtunzweifelhaft und für die Praxis mit erheblichen Risikenbelastet. Denn schon vor der Einführung des § 308 Nr. 8BGB war – sogar im Verkehr unter Kaufleuten – die Pflicht desVerwenders anerkannt, seinen Vertragspartner unverzüglichetwa über Lieferschwierigkeiten zu informieren25 und dasReichsgericht schloss aus der Verletzung dieser Pflichtunmittelbar auf eine Verwirkung des Leistungsverweige-rungsrechts.26 Gegenüber Verbrauchern sollte jedenfalls keingeringerer Maßstab gelten, zumal § 308 Nr. 8 BGB (auch)der Umsetzung des Art. 7 Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie97/7/EG dient27 und die Effektivität der in § 308 Nr. 8 BGBerwähnten Anzeige- und Rückgewährpflichten zu wahren ist.Wer die in § 308 Nr. 8 BGB genannten Pflichten verletzt,sollte daher im Regelfall das Recht verwirken, sich auf denVorbehalt der Selbstbelieferung zu berufen.

II. Situation des Versandhändlers

Für einen Versandhändler, der auf eine eigene Warenvorrats-haltung weitgehend verzichtet, dürfte bereits das erste Erfor-dernis, das an die Zulässigkeit einer Selbstbelieferungsklauselvon der Rechtsprechung gestellt wird, eine gleichsamunüberwindliche Hürde darstellen: Er wird für die Bestellun-gen seiner Kunden nicht schon zum Zeitpunkt des Abschlus-ses der Kaufverträge die erforderlichen Deckungsgeschäftegetätigt haben, wenn er die bestellte Ware erst noch nach-träglich bei seinen Zulieferern ordern will. Nach Ansicht derRechtsprechung genügen zudem allgemeine Lieferbeziehun-gen zu den Zulieferern, ohne dass bereits verbindliche Liefer-zusagen verabredet wurden, die die Leistungspflichten desHändlers gegenüber seinen Kunden abdecken würden,28

nicht den Anforderungen, die an ein Deckungsgeschäft zustellen sind.29

In der Literatur wird angeregt, es müsse auch ein nach Ver-tragsschluss eingegangenes Deckungsgeschäft genügen, dassich zudem noch nicht einmal auf die konkrete Kundenbe-stellung zu beziehen brauche, wenn es „im engen zeitlichenZusammenhang“ mit dem Vertragsschluss steht.30 Jedochbetont die höchstrichterliche Rechtsprechung ständig, daskonkrete Deckungsgeschäft müsse bereits bei Vertragsschlussbestehen,31 weil aus einer „Selbstbelieferungsklausel“ anson-sten eine reine „Belieferungsklausel“ würde.32 Reine Beliefe-rungsklauseln befreien den Händler gerade nicht von derPflicht, sich die Ware unter den ihm üblicherweise zuzumu-tenden Bemühungen noch am allgemeinen Markt zu ver-schaffen.33

Selbstbelieferungsklauseln kommen nach alledem für einenVersandhändler in der Regel nicht in Betracht, wenn erSelbstbelieferungsprobleme auf Privatkunden abwälzenmöchte.

C. Vertragsabschlussklauseln

Kann sich ein Versandhändler von seinen Warenbeschaf-fungspflichten nicht effektiv mittels einer Selbstbelieferungs-klausel befreien, erscheint es für den Versandhändler die bes-sere Strategie, derartige Pflichten erst gar nicht auf sich zunehmen. Die Übernahme einer Warenbeschaffungspflichtkann ein Versandhändler jedoch im Grunde nicht vermei-den: Der Verkehr erwartet berechtigterweise von ihm, dass ersich die verkaufte Ware auch verschaffen kann (siehe bereits

B.).34 Der Vorteil, den ein Versandhändler gegenüber seinenKunden besitzt und den er sich von diesen im Hinblick aufseine Gewinnmarge auch bezahlen lässt, besteht gerade inder Kenntnis diverser (günstiger) Bezugsquellen – oder mitanderen Worten: wo leistungsfähige Zulieferer überhaupt zufinden sind und wie man mit jenen Lieferbeziehungen auf-baut.35

Das Risiko von Warenbeschaffungspflichten kann ein Ver-sandhändler allerdings minimieren, wenn er den Vertrags-schluss mit seinen Kunden möglichst lange hinauszögert.Verweigert er seinen Kunden über die Technik des Vertrags-schlusses durchsetzbare Erfüllungsansprüche sogar so lange,bis die Zulieferer die Ware an ihn ausgeliefert haben, entstehtfür den Händler de facto kein Selbstbelieferungsproblem: Dieauszuliefernde Ware ist bei Vertragsschluss mit dem Kundenbereits vorhanden.

Dieser Taktik begegnet man im heutigen Versandhandelüberall. Versandhändler halten typischerweise den Vertrags-schluss so lange (bewusst) in der Schwebe, bis sie selbst diebeim Zulieferer bestellte Ware an den Kunden versendenkönnen. Folgende aktuell verwendete und zufällig ausge-wählte Vertragsabschlussklauseln von Internet-Versandhänd-lern veranschaulichen dies: „Der Vertrag kommt zustande,wenn wir in Ausführung der Bestellung die Ware zustel-len“36; „Der Kaufvertrag kommt zustande, wenn wir IhreBestellung durch Lieferung der Ware bzw. durch die Mittei-lung der Auslieferung annehmen“37; „Ein Kaufvertragkommt erst dann zustande, wenn wir das bestellte Produkt anSie versenden und den Versand an Sie mit einer zweiten E-Mail (Versandbestätigung) bestätigen“.38

I. Wirkung der üblichen Vertragsabschlussklauseln

Vertragsabschlussklauseln der Versandhändler erlangen ihrebesondere Bedeutung vor dem Hintergrund des üblichenGeschehensablaufs einer Warenbestellung:

Am Anfang steht gewöhnlich das Warenangebot des Ver-sandhändlers in einem Katalog (z. B. auf einer Internetseite),

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24 MünchKommBGB-Kieninger (s.o. Fn. 14), § 308 Nr. 8 Rn. 4; BeckOK/BGB-Becker, Stand: 01.02.2007, § 308 Nr. 8 Rn. 6; AnwKommBGB-Kollmann (s.o.Fn. 23), § 308 Rn. 105.

25 Siehe nur Koller (s.o. Fn. 4), Vor § 373 Rn. 280; Salger, WM 1985, 625, 627.26 RG JW 1925, 239, 240. Zustimmend Salger, WM 1985, 625, 627. Teilweise

abweichend OGH NJW 1949, 22, 23, das eine Verwirkung ablehnte, solangeder Händler noch eine Belieferung durch seine Zulieferer „glaubte erwarten zukönnen“.

27 Siehe nur BT-Drucksache 14/2658, S. 51; MünchKommBGB-Kieninger (s. o. Fn.14), § 308 Nr. 8 Rn. 2.

28 Siehe dazu Salger, WM 1985, 625, 626.29 So bereits OGH NJW 1949, 22; BGHZ 49, 388, 395; 92, 396, 401; BGH NJW

1995, 1959, 1960; NJW-RR 1992, 611, 611 f.30 So Staudinger-Coester-Waltjen (s. o. Fn. 21), § 308 Nr. 3 Rn. 20.31 Für den nicht käufmännischen Verkehr siehe BGH NJW 1983, 1320, 1321. Für

den kaufmännischen Verkehr siehe BGHZ 49, 388, 391; 92, 396, 401; 124, 351,359; BGH NJW 1995, 1959, 1960; NJW-RR 1992, 611, 611 f.

32 So ausdrücklich OGH NJW 1949, 22. Ebenso BGHZ 49, 388, 392.33 Siehe nur BGH NJW 1958, 1628, 1629; 1994, 515, 515 f. Zur Unzulässigkeit all-

gemein gehaltener Belieferungsklauseln siehe zudem v. Westphalen (s. o. Fn.15), Vertragsrecht 16 Rn. 25.

34 OLG Hamburg OLGR 2002, 33, 34.35 Vgl. dazu Lemppenau, Gattungsschuld und Beschaffungspflicht 1972, S. 75.36 Aktuelle AGB – Punkt 2 – der Verlagsgruppe Weltbild GmbH im Internet unter

http://www.weltbild.de.37 Aktuelle AGB – Nr. 4 – der Quelle GmbH im Internet unter http://www.quel-

le.de.38 Aktuelle AGB – § 2 S. 4 – der Amazon.de GmbH im Internet unter

http://www.amazon.de.

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anhand dessen sich der Kunde für seine Bestellung orientiert.Dieses Warenangebot selbst stellt fast immer39 noch keinenVertragsantrag des Versandhändlers (§ 145 BGB) dar, son-dern ist eine bloße invitatio ad offerendum: Der Händler willsich regelmäßig noch nicht binden, weil er zum einen Beden-ken gegen die Person des bestellenden Kunden haben könn-te, zum anderen aber auch – und dies ist im Hinblick auf dieSelbstbelieferungsproblematik von besonderer Bedeutung –seine Liefermöglichkeiten erst noch prüfen und Ware (nach-) ordern können soll.40 Das eigentliche Angebot zumAbschluss des Vertrags stammt anschließend vom Kunden,dessen Bestellung typischerweise als Vertragsantrag aufzufas-sen ist.41 Dieses Angebot muss schließlich vom Versand-händler angenommen werden.

1. Abweichung von einer im Versandhandel üblichen Verkehrs-sitte

Auf den ersten Blick scheinen die eingangs vorgestellten Ver-tragsabschlussklauseln ohne jeden rechtlichen Belang zusein. Denn nach § 151 S. 1 BGB und einer im Versandhan-del existierenden Verkehrssitte kommt ein Vertrag – und zwarunabhängig von den im Versandhandel üblichen Klauseln –ohnehin schon immer dann zustande, wenn der Versand-händler die Ware an den Kunden verschickt: Kunden ver-zichten im Versandhandel üblicherweise auf den Zugangeiner Annahmeerklärung (vgl. § 130 Abs. 1 S. 1 BGB),sodass eine schlüssige Handlung zur Annahme des Kunden-angebots genügt.42 Die Vertragsabschlussklauseln scheinendiesbezüglich allenfalls klarstellend zu wirken. Das Gegenteilist jedoch der Fall.

Denn nur scheinbar greifen die Vertragsabschlussklauseln dieerwähnte, im Versandhandel eingebürgerte Verkehrssitte auf,die es Versandhändlern ermöglicht, nach § 151 S. 1 BGBeinen Vertrag mit ihren Kunden durch schlichten Warenver-sand zu schließen. Die zitierten Vertragsabschlussklauselngeben die bestehende Verkehrssitte nicht zutreffend wieder.Die im Versandhandel üblichen Vertragsabschlussklauselnzielen entweder ausdrücklich darauf ab oder sie lassen imZweifel diese Auslegung zu (vgl. § 305c Abs. 2 BGB), dass einVertrag erst dann zustande kommen soll, wenn der Versand-händler die Ware an den Kunden versendet. Die Klauselnhaben also eine den Vertragsschluss aufschiebende Wirkung.Die im Versandhandel bestehende Verkehrssitte lautet hinge-gen anders:43 Inhalt der Verkehrssitte ist, dass der Versand-händler spätestens mit Versenden der Ware seine Annahmeerklärt. Denn kraft der Verkehrssitte soll eine Annahmeerklä-rung des Versandhändlers, die ansonsten erst zusammen mitder Ware beim Kunden zuginge, auf den Zeitpunkt des Ver-sendens vorverlagert werden.44 Die Verkehrssitte wirkt alsobeschleunigend auf den Vertragsschluss ein, damit die Warenicht ohne wirksame vertragliche Grundlage zum Kundenreist.45

2. Vertragsschluss nach dem Gesetz

Die problematische Wirkungsweise der im Versandhandelüblichen Vertragsabschlussklauseln lässt sich am besten bele-gen, wenn man die Klauseln zunächst einmal vollständigaußer Acht lässt. Es ist wie folgt zu differenzieren:

a) Ein Vertrag kommt bereits vor Versenden der Ware zustan-de, wenn der Versandhändler schon in dieser frühen Phasedem Kunden erklärt, er nehme das Vertragsangebot an.46

Dies hat überragende Bedeutung im Onlinehandel, bei wel-

chem Versandhändler nach § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGBverpflichtet sind, den Kunden den Zugang von deren Bestel-lungen zu bestätigen. Zu Recht erkennen die Gerichte hieran, dass bereits die Bestätigungsmails eines Versandhändlers,wenn sie von einem Durchschnittskunden als Annahmeer-klärung verstanden werden können, zu einer vertraglichenBindung des Händlers führen.47

b) Ferner kommt ein Vertrag auch dann zustande, wenn derVersandhändler auf die Kundenbestellung nicht deutlichgenug reagiert, also weder ausdrücklich erklärt, was er will,noch durch das Versenden von Ware seinen Vertragsab-schlusswillen bekundet. Es besteht in diesem Zusammenhangein bislang viel zu wenig beachteter, jedoch schon seit jeherin Rechtsprechung48 und Wissenschaft49 anerkannterGrundsatz: Sobald ein Händler eine invitatio ad offerendumabgegeben hat und ihm daraufhin ein Vertragsangebotzugeht, kommt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Ver-trag auch dann wirksam zustande, wenn sich der Händlerdaraufhin nicht oder nicht eindeutig ablehnend erklärt (sog.„beredtes Schweigen“50). Dieser Grundsatz ist zutreffend, dader ursprünglichen invitatio des Händlers ein Rechtsbin-dungswille ja nicht vollkommen fehlte. Dem Händler solltenur ermöglicht werden, die Person des Bestellenden und dieeigenen Liefermöglichkeiten zu überprüfen. Im Übrigen woll-te der Versandhändler die angepriesene Ware aber schonimmer verkaufen.

3. Problematik der Vertragsabschlussklauseln

Nach den im Versandhandel üblichen Vertragsabschlussklau-seln ist und bleibt das einzig entscheidende Kriterium für denVertragsschluss mit dem Kunden, dass der Händler diebestellte Ware versendet. Das alleinige Abstellen auf denWarenversand ist gewollt. Auf den wirtschaftlichen Hinter-grund dieser Regelungstechnik wurde bereits mehrfach hin-

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39 Zu denkbaren Ausnahmekonstellationen siehe OLG München MMR 2003,274, 275.

40 BGH NJW 2005, 976; 2005, 3567, 3568; OLG Hamburg MMR 2005, 318, 319;ausführlich AG Butzbach NJW-RR 2003, 54, 54 f.

41 BGH NJW 2005, 976; 2005, 3567, 3568. Zweifelnd BGHZ 160, 393, 396, fürden besonders gelagerten Fall, wenn einem Produkt ein kompliziertes Regel-werk zugrunde liegt (Telefondienstleistungsvertrag) und der Händler die zuvordem Kunden weithin unbekannten Vertragsbedingungen ohnehin erst mitdem Produkt ausliefert. Hier ließe sich in der Tat bezweifeln, ob der Bestellungdes Kunden überhaupt schon alle essentialia negotii zu entnehmen sind.Einen Antrag des Kunden gleichwohl bejahend OLG Schleswig NJW 2004,231.

42 Siehe nur Palandt-Heinrichs (s. o. Fn. 2), § 151 Rn. 4; Staudinger-Bork, Neu-bearb. 2003, § 151 Rn. 7; MünchKommBGB-Kramer (s. o. Fn. 14), § 151 Rn.54.

43 Missverständlich der Leitsatz Nr. 3 der Redaktion zum Urteil des LG EssenNJW-RR 2003, 1207. Anders die Leitsätze der Redaktion zu demselben Urteildes LG Essen in MMR 2004, 49.

44 Siehe ausführlich Soergel-Wolf, 13. Aufl., 1999, § 151 Rn. 16 und 20; Jauer-nig/Jauernig, 12. Aufl., 2007, § 151 Rn. 1.

45 MünchKommBGB-Kramer (s. o. Fn. 14), § 151 Rn. 47.46 Siehe nur BGH NJW 2005, 3567, 3568.47 BGH NJW 2005, 976 und 2005, 3567, 3568; OLG Frankfurt/M. MMR 2003,

405, 406; LG Köln MMR 2003, 48; AG Hamburg-Barmbek NJW-RR 2004, 412.48 Zumindest jedenfalls schon seit RGZ 102, 227, 229 f. Siehe ferner BAG ZTR

1993, 248, 249. Im Grundsatz auch, sofern nicht nach den konkreten Umstän-den des Falls mit einer inzwischen eingetretenen Änderung der Willensbil-dung zu rechnen ist: BGHZ 1, 353, 355 f.; BGH BB 1955, 1068; NJW 1995,1281; 1996, 919, 920.

49 Siehe nur MünchKommBGB-Kramer (s. o. Fn. 14), § 151 Rn. 5; Staudinger-Singer, Bearb. 2004, Vorbem zu §§ 116-144 Rn. 76; Erman-Armbrüster, 12.Aufl., 2008, § 147 Rn. 3; BeckOK-Eckert (s. o. Fn. 24), § 145 Rn. 38.

50 Siehe nur Palandt-Heinrichs/Ellenberger (s. o. Fn. 2), Einf v § 116 Rn. 8 undPalandt-Heinrichs (s. o. Fn. 2), § 147 Rn. 3.

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gewiesen: Selbstbelieferungsprobleme des Versandhändlerskönnen so gar nicht erst entstehen, weil der Versandhändlerselbst mit der bestellten Ware bereits beliefert wurde.

Der Kern des Problems liegt darin, dass ein Versandhändlermit den üblichen Vertragsabschlussklauseln unausgespro-chen Bezug nimmt auf die ihn ohnehin schon begünstigen-de Qualifizierung seiner Warenpräsentation als bloße invita-tio ad offerendum: Obgleich es dem Versandhändler an sichohne Weiteres möglich wäre, innerhalb eines angemessenenZeitraums zu prüfen, ob er mit dem Bestellenden einen Ver-trag eingehen möchte, ermöglichen ihm die Klauseln, dass er– möglicherweise sogar weit – über diesen Zeitraum hinaus-gehen kann. Soweit es das Problem der Selbstbelieferunganbelangt, wartet der Versandhändler eben nicht nur, bis erWare bei seinen Zulieferern gegebenenfalls (nach-) georderthat, sondern vielmehr, bis er tatsächlich beliefert wird.

Sinn und Zweck seiner ursprünglichen invitatio ad offeren-dum entspricht dies nicht. Denn die invitatio sollte dem Ver-sandhändler ja nur die Gelegenheit zum Prüfen der Kunden-bestellung bieten, ihm jedoch nicht ermöglichen, den bestel-lenden Kunden über die Prüfungsphase hinaus mit Liefer-schwierigkeiten der Zulieferer zu belasten. Die hierfür eigent-lich erforderliche vertragliche Selbstbelieferungsklausel stehteinem Versandhändler – wie bereits erörtert (siehe B.) –jedoch nicht zur Verfügung.

II. Verstoß gegen §§ 307 Abs. 2 Nr. 1 iVm 133, 157 BGB

Das Abweichen der Vertragsabschlussklauseln von der imZusammenhang mit § 151 S. 1 BGB bestehenden Verkehrs-sitte hat gravierende Konsequenzen. Denn die erwähnte Ver-kehrssitte soll schon gar nicht verhindern, dass ein Versand-händler, wenn er sich dementsprechend erklärt, bereits vorVersenden der Ware einen Vertrag schließt.51

Zurückzukommen ist auf den Onlinehandel und der nach§ 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB bestehenden Pflicht des Ver-sandhändlers, den Zugang der Kundenbestellungen zu bestä-tigen. Will sich der Versandhändler eine vertragliche Bin-dung zu diesem Zeitpunkt noch offen halten, muss er dies inder Bestätigung eindeutig klarstellen.52 Der Händler musshinreichend verdeutlichen, dass er nur eine Bestätigungi. S. d. § 312e Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BGB versendet hat,53 sich imÜbrigen aber noch in der Phase befindet, in welcher er prüft,ob er diese Bestellung mit diesem Kunden auch durchführenwill.54 Die im Versandhandel üblichen Abschlussklauselngaukeln dem Kunden allerdings vor, er dürfe auch eine hin-reichend deutlich als Annahmeerklärung formulierte Bestäti-gungsmail nicht als wirksame Annahmeerklärung verstehen,weil der Vertragsschluss ja „erst“ mit Versenden der Wareerfolgen soll. Dieses Problem taucht in der Praxis häufigauf.55 Mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 iVm §§ 133, 157 BGB ist dieseWirkung der Klauseln jedoch nicht zu vereinbaren.

III. Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB

Die im Versandhandel bestehende Verkehrssitte nimmt auchkeinen Einfluss auf die grundsätzlich nach § 151 S. 2 BGBzeitlich zu begrenzende Bindung des Kunden an seinen in derBestellung liegenden Vertragsantrag.56 Zwar gilt nach höchs-trichterlicher Rechtsprechung im Zusammenhang mit § 151S. 2 BGB nicht die objektive Höchstfrist des § 147 Abs. 2BGB, sondern der Erklärende wird im Zweifel so lange an sei-nen Antrag gebunden, bis der andere Teil ihn ablehnt.57

Jedoch gilt dies nicht, wenn die Umstände des Einzelfallsetwas anderes erfordern.

Dem regelmäßig vorhandenen Willen und dem Interesseeines Bestellenden wird es entsprechen, nicht permanent anseine Bestellung gebunden zu bleiben. Muss er sich gefallenlassen, dass die Warenpräsentation des Versandhändlers des-wegen noch nicht als bindende Vertragserklärung auszulegenist, weil der Händler erst noch prüfen will, ob er die Bestel-lung annimmt, dann wird der Kunde auch üblicherweiseselbst nur so lange gebunden bleiben wollen, bis der Händlerdiese Entscheidung hat fällen können. Ein Kunde wirdzudem erwarten, dass er nach Ablauf einer – entsprechenden– Höchstfrist einen Vertrag nicht erst explizit widerrufenmuss (vgl. z. B. §§ 312b ff., 357 Abs. 1 S. 1, 349 BGB), son-dern dass sich seine Bestellung – durch Zeitablauf – von allei-ne erledigt.58

Exakt das Gegenteil gaukeln die im Versandhandel üblichenKlauseln dem Kunden vor. Alle angesprochenen Klauseln for-mulieren absolut: „Der Vertrag kommt zustande,“ wenn derHändler die Ware versendet, sodass ein DurchschnittskundeBindungshöchstfristen nicht ausreichend Bedeutung einräu-men wird, weil der Händler die Annahmefähigkeit einesmöglicherweise nach § 151 S. 2 BGB schon erloschenen Ver-tragsantrags weiterhin vorspiegelt. Ein durchschnittlicherKunde wird den Vertragsabschlussklauseln der Versandhänd-ler mehr entnehmen als nur eine besondere, nach § 151 S. 1BGB ohnehin schon bestehende Modalität einer Angebotsan-nahme durch schlüssiges Verhalten.59 Mangels einer in denKlauseln angegebenen Höchstfrist erscheint es ihm vielmehrso, als ob sich der Versandhändler die Befugnis reservierthabe, selbst noch nach Monaten – theoretisch sogar nochnach Jahren – durch einfaches Versenden der ursprünglichbestellten Ware einen Vertrag zustande bringen zu können.

Typischerweise ist an Vertragsabschlussklauseln auch genaudies bedenklich, weil sie eine vom Klauselgegner zunächsterklärte Bindung aufgreifen, um dem Verwender die Annah-mefähigkeit dann einseitig vorzubehalten.60 Ist dieser Vorbe-halt unangemessen lange oder – wie bei den Klauseln im Ver-sandhandel – schon deswegen vollkommen unbestimmt,weil ein Ereignis in der Sphäre des Versandhändlers (der vonihm zu bewirkende Warenversand) maßgeblichen Einfluss

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51 BGH NJW 2005, 3567, 3568; AG Hamburg-Barmbek MMR 2004, 772, 774;Staudinger-Bork (s. o. Fn. 42), § 151 Rn. 3.

52 OLG Frankfurt/M. MMR 2003, 405, 406; LG Köln MMR 2003, 48.53 Sehr händlerfreundlich verfuhren hierbei in jüngerer Zeit: LG Gießen NJW-RR

2003, 1206; LG Essen NJW-RR 2003, 1207; LG Hamburg NJW-RR 2004, 1568und MMR 2005, 121 m. abl. Anm. von Lindhorst. Anders und wesentlicherstrenger die vorherrschende Sicht in der Rechtsprechung. Siehe etwa BGHNJW 2005, 976; OLG Frankfurt/M. MMR 2003, 405, 406; LG Köln MMR 2003,48 und ausführlich bereits AG Hamburg-Barmbek MMR 2004, 772, 773 f.

54 Vgl. Bodenstedt, MMR 2004, 719, 721.55 So lag etwa auch der Sachverhalt bei dem Urteil des LG Essen NJW-RR 2003,

1207. Immerhin versucht die Amazon.de GmbH, diesem Problem dadurch zubegegnen, dass sie bereits in ihren AGB – im Internet unter http://www.ama-zon.de – ausdrücklich darauf hinweist, dass der Kunde nach einer Bestellungzunächst nur eine reine Bestellbestätigung erhält (§ 2 S. 2 und 3 der AGB).Selbst ein solcher Hinweis, der natürlich nicht im Widerspruch zu den For-mulierungen in der Bestätigungsmail selbst stehen darf, ist im Versandhandelnicht allgemein üblich.

56 So zu Recht Medicus, Allgemeiner Teil des BGB, 9. Aufl., Rn. 385.57 Siehe nur BGH NJW 1999, 2179, 2180; Staudinger-Bork (s. o. Fn. 42), § 151

Rn. 27.58 Vgl. Staudinger-Coester-Waltjen (s. o. Fn. 21), § 308 Nr. 1 Rn. 12.59 In diesem Sinne auch schon Walchshöfer, WM 1986, 1041, 1045; a. A. aller-

dings LG Essen NJW-RR 2003, 1207.60 Vgl. Ulmer/Brandner/Hensen-Schmidt, AGB-Recht, 10. Aufl., 2006, § 308 Nr. 1

BGB Rn. 2.

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61 BGH NJW 1988, 2106, 2107; OLG Hamm NJW-RR 1992, 1075; Staudinger-Coester-Waltjen (s. o. Fn. 21), § 308 Nr. 1 Rn. 12; Erman-Roloff (s. o. Fn. 49),§ 308 Rn. 6.

62 Abweichend allerdings, Prütting/Wegen/Weinrich-Brinkmann, (s. o. Fn. 23),§ 148 Rn. 4, der anders als die herrschende Meinung lediglich eine Haftungauf Ersatz des dem Anbietenden entstandenen Vertrauensschadens bejahenmöchte. In der Praxis wird dies freilich in der Regel auf dasselbe Ergebnis hin-auslaufen. Denn wäre der Vertrag ohne das zum Schadensersatz verpflichten-de Verhalten des Versandhändlers wirksam zustande gekommen, welchesunter normalen Umständen immer bereits dann der Fall sein dürfte, wenn dievom Händler vorzunehmende Prüfung in einer Vertragsannahme geendethätte, dann handelt es sich um einen jener Fälle, in denen die Rechtsprechungdem Geschädigten ohnehin das volle Erfüllungsinteresse zubilligt. Vgl. etwaRGZ 151, 357, 359; BGH NJW 1965, 812, 814.

63 In diesem Sinne schon RGZ 57, 116, 119 f.

nehmen soll, liegt ein Verstoß gegen § 308 Nr. 1 BGB vor.61

Die Vertragsabschlussklauseln sind unwirksam.

IV. Verstoß gegen §§ 307 Abs. 2 Nr. 1 iVm 242 BGB

Schließlich täuschen die im Versandhandel üblichen Abschluss-klauseln dem Kunden auch noch vor, ein Vertrag komme selbstnach Ende der dem Händler zuzubilligenden Prüfungsfrist nichtzustande. Einziges Kriterium ist der in ihnen erwähnte Waren-versand. Wenn Kunden nach Ablauf der zum Beispiel in derWarenpräsentation angegebenen Lieferfristen nachfragen,warum die bestellte Ware noch nicht geliefert wurde, reagierenVersandhändler üblicherweise ausweichend oder mit schwam-migen Antworten. Einen Vertragsschluss bestätigen die Versand-händler zumeist nicht, lehnen eine vertragliche Bindung freilichauch nicht eindeutig ab, sondern halten den Kunden hierüberim Ungewissen. Versandhändler vertrauen offenbar darauf, dassdie Vertragsabschlussklauseln den Kunden ohnehin davonabhalten, sich auf den nach § 242 BGB bestehenden Grundsatzdes „beredten Schweigens“ zu berufen.

Dieser Grundsatz gilt aber auch im Versandhandel jedenfallsdann, wenn der Händler über den Zeitraum der ihm zuzubil-ligenden Prüfungsfrist hinaus schweigt oder sich sonst wieuneindeutig verhält, und hat eine vertragliche Bindung desHändlers zur Folge.62

V. Rechtsfolge der Unzulässigkeit

Es lässt sich feststellen, dass Versandhändler auch nichtdadurch, dass sie in ihren AGB den Vertragsschluss mit demKunden so lange hinauszögern, bis sie selbst bereits die Warevom Zulieferer erhalten haben, Selbstbelieferungsproblemeauf den Verbraucher wirksam abwälzen können. Wegen Ver-stoßes der Vertragsabschlussklauseln gegen §§ 307 Abs. 2Nr. 1 und 308 Nr. 1 BGB gilt nach § 306 Abs. 2 BGB die ein-gangs beschriebene Gesetzeslage: Spätestens mit einem„beredten Schweigen“ (siehe C.I.2.b) des Versandhändlersentstehen dessen Warenbeschaffungspflichten, die Ursacheder Selbstbelieferungsproblematik sind.

Die korrekte Alternative zur aktuellen Vorgehensweise derVersandhändler wäre, wenn sie dem bestellenden Kundenunter Beifügung einer zulässig formulierten Selbstbeliefe-rungsklausel rechtzeitig ein Gegenangebot (§ 150 Abs. 2BGB) machen würden. Dies setzt voraus, dass der jeweiligeVersandhändler mit seinen Zulieferern noch vor diesemGegenangebot ein Deckungsgeschäft abschließt, auf welcheser sich in der Selbstbelieferungsklausel konkret beziehenkann. Der Kunde kann dann freilich entscheiden, ob er dasRisiko auf sich nehmen will, dass der Versandhändler nichtoder nicht rechtzeitig beliefert wird, und ob er gegebenenfallseinen Preisnachlass dafür verlangen möchte. Zur Not kannder Kunde auch frei darüber befinden, ob er das Lieferrisikonicht unmittelbar auf sich nimmt, indem er – wo dies mög-lich ist – z. B. direkt beim Hersteller bestellt.

Im Übrigen muss ein Versandhändler darauf achten, dass erHaftungsschäden, die er durch Lieferschwierigkeiten seinerZulieferer erleidet, an seine Zulieferer weiterleiten kann. Dieserfordert zumindest eine genaue Analyse der Lieferverträge.Modernen Tendenzen entspricht es jedenfalls (vgl. § 478BGB zum Unternehmerregress), Risiken zu demjenigen ineiner Lieferkette „hoch“zureichen, der Ursache des Problemsist, und nicht, die Risiken auf den Verbraucher „nach unten“abzuwälzen.

D. Konsequenzen für Erfüllungs- und Schadenser-satzprozesse

I. Durchsetzung von Erfüllungsansprüchen gegen den Ver-sandhändler

Nach alledem ist als Erstes festzuhalten, dass ein Versand-händler, der Ware im Wege einer invitatio ad offerendumanbietet, auf Erfüllung (gerichtlich) in Anspruch genommenwerden kann, wenn er nicht rechtzeitig und eindeutig einenVertragsschluss ablehnt. Die im Versandhandel üblichen Ver-tragsabschlussklauseln ändern nichts an diesem Grundsatz.

Wegen seines Geschäftsmodells übernimmt ein Versand-händler grundsätzlich unbeschränkte Liefer- und Beschaf-fungspflichten. Mittels Selbstbelieferungsklauseln ist es ihmnicht möglich, diese Erfüllungspflichten wirksam zubeschränken. Es bleiben nur die allgemeinen Grenzen derUnmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) und der Unzumutbarkeit(§ 275 Abs. 2 und Abs. 3 BGB).

Im Zusammenhang mit der Unzumutbarkeitseinrede (§ 275Abs. 2 und Abs. 3 BGB) sind die Liefer- und Beschaffungs-pflichten eines Versandhändlers sicherlich sinnvollerweiseinhärent zu beschränken. Der Händler wird nur verpflichtetsein, sich am Markt mit Ware dort einzudecken, wo es seineKunden von ihm normalerweise auch erwarten werden. EinHändler wird bei Lieferproblemen eines Herstellers beispiels-weise nicht gezwungen sein, bereits an Verbraucher verkauf-te Ware zurückzuerwerben.63 Selbst ein Zukauf der geschul-deten Ware bei anderen Versandhändlern wird ein Kundetypischerweise nicht erwarten dürfen. Denn einem Kundenmuss bewusst sein, dass der Versandhändler Handels- undGewinnmargen anstrebt, die bei einem Zukauf von Händ-lern, die auf der gleichen Handelsstufe tätig sind, entfallenwürden.

Ein Versandhändler wird daher regelmäßig nur in der Pflichtsein, sich die Ware aus ihm zuzumutenden Bezugsquellen zuverschaffen, zum Beispiel bei allen ihm zugänglichen Zwi-schen- und Großhändlern, Importeuren oder beim Herstellerdirekt einzukaufen. Beliefern diese den Versandhändler nicht– und sind sie ihm gegenüber auch vertraglich nicht zur Lie-ferung verpflichtet –, entfallen die Erfüllungspflichten desVersandhändlers jedenfalls dann, wenn er sich auf § 275Abs. 2 BGB beruft.

Diese Beschränkung der Liefer- und Beschaffungspflichtendes Versandhändlers ist wichtig in einem Prozess, in dem derKunde Erfüllung realiter verlangt. Denn die Klage des Kundenwird scheitern, wenn der Händler darlegt und beweist, dass erdie verkaufte Ware aus keiner der ihm zuzumutenden Bezugs-quellen mehr beschaffen kann. Unberührt bleibt dann nur

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eine Haftung auf Schadensersatz statt der Leistung, auf wel-che die Klage gegebenenfalls umzustellen ist (§ 264 Nr. 3ZPO).

II. Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen denVersandhändler

Eine Haftung des Versandhändlers sowohl auf Schadensersatzstatt der Leistung64 als auch auf Schadensersatz wegen Verzö-gerung der Leistung65 ist vor allem deshalb regelmäßig zubejahen, weil ein Versandhändler Leistungsverzögerungenoder das Ausbleiben der Leistung grundsätzlich zu vertretenhat. Aus der zuvor benannten Pflicht, Ware am Markt zubesorgen, folgt für ihn die Übernahme eines in § 276 Abs. 1S. 1 BGB ausdrücklich genannten und der Beschaffungs-pflicht entsprechenden Beschaffungsrisikos.66

Nach herrschender Meinung soll sich ein Beschaffungs-schuldner nur ganz ausnahmsweise exkulpieren können,wenn sich atypische Risiken realisieren, die – so die gängigenFormeln – nicht mit der Eigenart der Schuld als Beschaf-fungsschuld zusammenhängen67 und die dem Einfluss desSchuldners vollkommen entzogen sind.68 Beispiele aus derPraxis sind Krieg und kriegsbedingte Flucht,69 eine landes-weite Warenbeschlagnahme70 oder der nicht verallgemeine-rungsfähige Fall, dass ein in die Absatzorganisation des Her-stellers eingebundener Vertragshändler aus unvorhersehba-

ren Gründen vom Hersteller nicht mehr beliefert wird.71 Mit-hilfe einer Selbstbelieferungsklausel kann ein Versandhändlerwegen der aufgeführten Schwierigkeiten nicht eine ähnlicheExkulpation erreichen.

In aller Regel wird es deshalb zumindest bei der Schadenser-satzhaftung eines Versandhändlers bleiben. Die im Versand-handel üblichen Vertragsabschlussklauseln schützen denHändler vor diesem Risiko ebenso wenig, wie es Selbstbeliefe-rungsklauseln tun könnten. Sämtliche dieser Klauseln entfal-ten typischerweise keine praktische Wirkung.

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64 Beruft sich ein Versandhändler auf § 275 BGB, um darzulegen, er sei von sei-nen Liefer- und Beschaffenspflichten frei geworden, folgt eine Haftung aufSchadensersatz statt der Leistung aus § 311a Abs. 2 oder §§ 280 Abs. 1, Abs.3, 283 BGB. Im Übrigen folgt die gleiche Haftung aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 3,281 BGB, wenn der Kunde dem Händler erfolglos eine Erfüllungsfrist gesetzthatte.

65 §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 BGB.66 Vgl. BeckOK-Unberath (s.o. Fn. 24), § 276 Rn. 41; Palandt-Heinrichs (s. o. Fn.

2), § 276 Rn. 30 ff.; AnwKommBGB-Dauner-Lieb (s.o. Fn. 23), § 276 Rn. 28.67 BeckOK-Unberath (s.o. Fn. 24), § 276 Rn. 42; AnwKommBGB-Dauner-Lieb (s.

o. Fn. 23), § 276 Rn. 31. Vgl. auch Erman-H.P. Westermann (s.o. Fn. 49),§ 276 Rn. 21.

68 Larenz, Schuldrecht Bd. I Allgemeiner Teil, 14. Aufl., § 21 I d, S. 317.69 RGZ 99, 1.70 RGZ 88, 287; 97, 6; RG JW 1920, 551; vgl. auch RGZ 93, 142; 95, 20.71 BGH NJW 1994, 515, 516.

E iche lberger, Die Hinsendekosten be im widerrufenen Fernabsatzver t rag | A U F S Ä T Z E

Während das BGB beim widerrufenen Fernabsatzvertragexplizit die Kosten der Rückgabe der Ware regelt und dieseregelmäßig1 dem Unternehmer auferlegt, fehlt eine paralle-le Vorschrift für die Kosten der Zusendung der Ware zumVerbraucher (die sog. „Hinsendekosten“). Einige Unterneh-mer haben daher in ihre AGB eine Klausel aufgenommen,wonach im Falle des Widerrufs des Vertrages lediglich derreine Kaufpreis, nicht aber die Hinsendekosten zurückerstat-tet werden. Über die Zulässigkeit solcher Klauseln, insbeson-dere hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit der Fernabsatzricht-linie, besteht indes Uneinigkeit. Eine kürzlich ergangene Ent-scheidung des OLG Karlsruhe2 soll daher zum Anlass genom-men werden, das Schicksal der Hinsendekosten beim wider-rufenen Fernabsatzvertrag näher zu beleuchten.

A. Die gesetzlichen Rückgewährpflichten des § 346Abs. 1 BGB

Die Ausübung des Widerrufsrechts gestaltet den Fernabsatz-vertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis um, das beideParteien verpflichtet, einander die jeweils empfangenen Leis-tungen zurückzugewähren (§ 346 Abs. 1 BGB i.V.m. § 357Abs. 1 S. 1 BGB).

I. Rückgewährpflichten des Käufers

Der Käufer hat deshalb zunächst die Kaufsache an den Ver-käufer zurückzugeben, bei postversandfähigen Waren ihmdiese auf dessen Kosten und Gefahr zurückzuschicken (§ 357Abs. 2 S. 1 BGB). Fraglich ist indes, ob der Käufer danebenWertersatz (§ 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB) für die zuvor erfolg-te Zusendung der Ware leisten muss. Dies wird teilweise mitder Begründung vertreten, die Lieferung sei eine Leistung desVerkäufers, die – mangels Herausgabemöglichkeit – in Geldzu vergüten sei.3 Dazu müsste aber die Lieferung der Wareeine neben die allgemeinen Verkäuferpflichten des § 433Abs. 1 BGB tretende selbstständige Hauptleistungspflicht desVerkäufers sein. Denn Wertersatz gem. § 346 Abs. 2 S. 1 Nr. 1BGB wird nur für nicht herausgabefähige Hauptleistungen

Die Hinsendekosten beim widerrufenen FernabsatzvertragVon Dr. Jan Eichelberger*, LL.M.oec., Jena

* Der Autor ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Habilitand am Gerd Bucerius-Lehrstuhl für Bürgerliches Recht mit deutschem und internationalem Gewerb-lichen Rechtsschutz (Prof. Dr. V. M. Jänich) an der Friedrich-Schiller-UniversitätJena.

1 Zu den Ausnahmen s. § 357 Abs. 2 S. 3 BGB.2 Urt. v. 05.09.2007, Az.: 15 U 226/06, VuR 2008, 75; MMR 2008, 46 = K&R 2007,

586 = OLGR-Süd 2007, 1005 (nrkr.).3 Dafür Becker/Fröhlisch, NJW 2005, 3377, 3382. – Kazemi, MMR 2006, 246 meint

hingegen, die Lieferung der Ware sei in Form der Rücksendung derselben an denVerkäufer zurückzugewähren.

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4 MünchKommBGB-Gaier, 5. Aufl., 2007, § 346 Rn. 20; Bamberger/Roth-Grothe,Kommentar zum BGB, 2. Aufl., 2007, § 346 Rn. 33; Staudinger-Kaiser, 13. Bearb.,2004, § 346 Rn. 98; AnwK-BGB-Hager, 2005, § 346 Rn. 33; zu § 346 S. 2 BGB a.F.:BGH, NJW 1998, 3355, 3357; MünchKommBGB-Ulmer, 4. Aufl., 2001, § 361a Rn.73; Soergel-Hadding, 12. Aufl., 1990, § 346 Rn. 7; s. auch den RegE zum Schuld-rechtsmodernisierungsgesetz, BT-Drs. 14/6040, S. 195 f.; zu § 361a Abs. 2 S. 6 BGBa.F. MünchKommBGB-Ulmer, 2001, § 361a Rn. 73, 88.

5 Vgl. BGH, NJW 1998, 1079, 1080 für die Verpflichtung des Verkäufers in einemGrundstückskaufvertrag, das Grundstück auf seine Kosten von bestehendenGebäuden zu räumen; ferner MünchKommBGB-Gaier, § 346 Rn. 20; Staudinger-Kaiser, § 346 Rn. 98; zu § 346 S. 2 BGB a.F. MünchKommBGB-Janßen, 4. Aufl.,2001, § 346 Rn. 21.

6 Vgl. MünchKommBGB-Kramer, 5. Aufl., 2007, § 241 Rn. 16; E. Schmidt, Schuld-verhältnis, 2004, Rn. 35; Larenz, Schuldrecht AT, 14. Aufl., 1987, § 2 I.

7 Gernhuber, Handbuch des Schuldrechts, Das Schuldverhältnis, 1989, § 2 III 4; E.Schmidt, Schuldverhältnis, 2004, Rn. 43.

8 Vgl. nur MünchKommBGB-H.P. Westermann, 5. Aufl., 2008, § 433 Rn. 51-61; Hk-BGB-Saenger, 5. Aufl., 2007, § 433 Rn. 8-10; Eckert/Maifeld/Matthiessen-Matthies-sen, Handbuch des Kaufrechts, 2007, Rn. 179.

9 BGHZ 50, 32, 35; BGH, BB 1960, 881; OLG Nürnberg, MDR 1978, 492; Palandt-Weidenkaff, BGB, 67. Aufl., 2008, § 447 Rn. 6; MünchKommBGB-Westermann,§ 447 Rn. 8; Jauernig-Berger, BGB, 12. Aufl., 2007, § 447 Rn. 9; Palandt-Putzo, BGB,65. Aufl., 2006, § 433 Rn. 36 (unter Aufgabe der bis zur 61. Aufl. 2002 vertrete-nen Gegenansicht); Jauernig-Vollkommer, 9. Aufl., 1999, § 447 Rn. 8; Esser/Weyers,Schuldrecht Bd. 2 Tb. 1, 8. Aufl., 1998, § 4 II 6; Soergel-Ballerstedt, BGB, 10. Aufl.,1967, § 447 Rn. 10; Kornblum, BB 1963, 291; a.A. aber Staudinger-Beckmann, BGB,13. Bearb., 2004, § 447 Rn. 3; Staudinger-Köhler, BGB, 13. Bearb., 1995, § 447 Rn.3; Soergel-Huber, BGB, 12. Aufl., 1991, § 433 Rn. 87 ff.; Hoeren/Martinek-Marti-nek/Wimmer-Leonhardt, Systematischer Kommentar zum Kaufrecht, 2002, § 433Rn. 72.

10 OLG Karlsruhe, VuR 2008, 75, 76 unter Berufung auf Soergel-Huber, 12. Aufl.,1991, § 467 Rn. 13, 106.

11 OLG Karlsruhe, VuR 2008, 75, 76.12 Vgl. Staudinger-Honsell, BGB, 13. Bearb., 1995, § 467 Rn. 34 f.; Münch-

KommBGB-Westermann, 3. Aufl., 1995, § 467 Rn. 10; Erman-Grunewald, 10. Aufl.,2000, § 467 Rn. 9; Reinicke/Tiedtke, Kaufrecht, 6. Aufl., 1995, Rn. 385.

13 Zu diesen Möglichkeiten MünchKommBGB-Gaier, § 346 Rn. 19.14 Ebenso OLG Frankfurt a.M., CR 2002, 639, 642 (insgesamt bestätigt durch BGH,

NJW 2003, 1665); LG Karlsruhe, VuR 2006, 115; Kazemi, MMR 2006, 246; Brön-neke, MMR 2004, 127, 129.

15 Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 20. Mai 1997über den Verbraucherschutz bei Vertragsabschlüssen im Fernabsatz, ABl. EG 1997L 144, S. 19 ff.

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geschuldet.4 Übernimmt der Verkäufer hingegen bei einemeinheitlichen Kaufpreis als Nebenleistung eine Dienstleis-tung, so ist dafür im Falle des Rücktritts kein Wertersatz zuleisten.5 Somit ist entscheidend, ob die Lieferung der Ware anden Kunden im Rahmen eines Fernabsatzgeschäftes alsselbstständige Hauptleistungspflicht des Verkäufers anzuse-hen ist.

Hauptleistungspflichten sind die den Vertragstypus charakte-risierenden, „essentiellen“ Leistungspflichten des Schuld-ners.6 Diesen sind die Nebenleistungspflichten „in dienenderFunktion“ zugeordnet, haben somit vor allem die Aufgabe,den Gläubiger in die Lage zu versetzen, die ihm geschuldeteLeistung entgegenzunehmen.7 VertragstypusbestimmendePflichten beim Kaufvertrag sind die Übergabe und Übereig-nung des (mangelfreien) Kaufgegenstandes gegen Zahlungdes Kaufpreises (vgl. § 433 BGB).8 Dagegen ist eine etwa über-nommene Versendungspflicht des Verkäufers nach ganzüberwiegender Ansicht bloße Nebenpflicht.9 Daran ist auchfür den auf Lieferung einer Ware gerichteten Fernabsatzver-trag festzuhalten. Dem Käufer kommt es dabei nicht auf dieLieferung also solche, sondern auf den Erhalt der Ware an.Die Lieferung ist dafür zwar regelmäßig unabdingbar jedochlediglich als dienende Nebenleistungspflicht zur geschulde-ten Übergabe.

An der Einordnung der Versendung als Nebenleistung ändertauch die separate Erhebung von Versandkosten nichts. Dennletztlich ist es für den Verkäufer nur eine kalkulatorischeFrage, ob er die Versandkosten in den Verkaufspreis derWaren einrechnet oder aber zusätzlich zur Bestellung erhebt.Entscheidend ist vielmehr, dass der Käufer auf die Lieferungangewiesen ist, da eine Abholung in einem Ladengeschäfttypischerweise gerade nicht möglich ist.

II. Rückgewährpflichten des Verkäufers

Der Verkäufer hat zunächst den Kaufpreis zurückzuzahlen.Sofern er bei der Bestellung daneben keine separaten Ver-sandkosten – häufig als Versandkostenpauschale pro Bestel-lung – erhoben hatte, hat es damit sein Bewenden. Proble-matisch ist dagegen der Fall, wenn neben dem Kaufpreisgesondert Versandkosten erhoben worden sind. Teilweisewird vertreten, Versandkosten seien Vertragskosten und alssolche nicht von den Rückgewährpflichten des § 346 Abs. 1BGB umfasst.10 Bereits vor der Schuldrechtsreform seien Ver-tragskosten nach Ausübung eines gesetzlichen oder vertrag-lichen Rücktrittsrechts – abgesehen von der Sonderregelungdes § 467 S. 2 BGB a.F. im Falle der Wandlung eines Versen-dungskaufes – nur im Rahmen eines Schadensersatzanspru-ches erstattungsfähig gewesen. Seit der Aufhebung des § 467S. 2 BGB a.F. fehle nunmehr jegliche gesetzliche Regelung,wer im Rückgewährschuldverhältnis der §§ 346 ff. BGB dieVertragskosten zu tragen habe.11 Versandkosten könnten des-halb nach wie vor nur als Schadensersatz geltend gemachtwerden.

Dieser Schluss ist indes unzulässig, denn er vermengt zweiseparat zu betrachtende Aspekte. Vertragskosten einerseitssind sämtliche Kosten, die anlässlich des Abschlusses und derDurchführung eines Vertrages anfallen, ohne Rücksichtdarauf, welche Partei damit belastet wird und an wen diesegezahlt wurden.12 Hierzu zählen etwa Makler-, Verpackungs-oder Einbaukosten. Begrifflich fallen damit auch die Kostenfür den Transport oder Versand unter die Vertragskosten. Werdiese Kosten grundsätzlich zu tragen hat, war – abgesehen

von dem Sonderfall des § 467 S. 2 BGB a.F. – und ist tatsäch-lich nicht explizit im Rücktrittsrecht geregelt, sondernmittels des Aufwendungsersatzanspruches (§ 284 BGB) bzw.eines etwaigen Schadensersatzanspruches zu lösen.13

Davon zu unterscheiden sind jedoch andererseits die Ver-sandkosten, die der Käufer zusammen mit dem Kaufpreis anden Verkäufer gezahlt hat. Der Verkäufer hat diese damitebenso wie den Kaufpreis als Leistung empfangen und musssie deshalb im Falle des Rücktritts an den Käufer gem. § 346Abs. 1 BGB zurückgewähren.14 Dem steht nicht entgegen,dass Versandkosten daneben regelmäßig auch Vertragskostenim oben beschriebenen Sinne sind. Denn es existiert keineVorschrift, die Vertragskosten, die unmittelbar an den Rück-trittsschuldner geflossen sind, aus der Rückgewährpflicht des§ 346 Abs. 1 BGB ausnimmt. Darauf liefe aber die eingangszitierte Auffassung hinaus.

III. Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben

Die vorstehend entwickelte Auslegung des § 346 Abs. 1 BGBist im Anwendungsbereich der FernAbsRL15 zudem gemein-schaftsrechtlich geboten. Anders als in der Rechtsprechungund Literatur bislang vertreten, ergibt sich dies jedoch nichtprimär aus Art. 6 Abs. 1 S. 2 bzw. Art. 6 Abs. 2 S. 2 FernAbsRL,sondern aus Art. 6 Abs. 2 S. 1 FernAbsRL. Dort ist angeordnet,dass der Unternehmer im Falle des Widerrufs „die vom Ver-braucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten“ hat.Da der Verbraucher auch die Versandkosten an den Unter-

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E iche lberger, Die Hinsendekosten be im widerrufenen Fernabsatzver t rag | A U F S Ä T Z E

nehmer geleistet hat, sind diese – analog zu den Ausführun-gen zum Rückgewährschuldverhältnis des § 346 BGB16 –schon deshalb zurück zu erstatten. Bei einer Kürzung desRückzahlungsbetrages um die Versandkosten wäre dieseumfassende Rückerstattungspflicht nicht vollends erfüllt. DerFernAbsRL ist weder sprachlich noch systematisch zu ent-nehmen, dass sich der Begriff der „Zahlungen“ in Art. 6Abs. 2 S. 1 FernAbsRL nur auf den unmittelbaren Preis derWare oder Dienstleistung beziehen soll. Stattdessen ergibtsich aus dem Erwägungsgrund 14, dass sich der Verbraucher– abgesehen von den unmittelbaren Kosten der Rücksendung– folgenlos von dem Vertrag lösen können soll. Damit wäredas Einbehalten der ebenfalls gezahlten Versandkosten nichtzu vereinbaren.

Unzutreffend wäre deshalb die Annahme, die FernAbsRLträfe keine Aussage zu den Hinsendekosten, weil sich Art. 6Abs. 1 S. 2 und Art. 6 Abs. 2 S. 2 FernAbsRL lediglich mit denKosten der Rücksendung befassten. Als an den Unternehmergeleistete Zahlungen unterfallen die Hinsendekosten ohneWeiteres der in Art. 6 Abs. 2 S. 1 FernAbsRL angeordnetenumfassenden Rückerstattungspflicht. Die Regelung der Art. 6Abs. 1 S. 2 und Art. 6 Abs. 2 S. 2 FernAbsRL ist hingegen inVerbindung mit dem Verbot der Strafzahlung in Art. 6 Abs. 1S. 1 FernAbsRL zu sehen. Die Belastung des widerrufendenVerbrauchers mit den Rücksendekosten müsste wohl alsunzulässige Strafzahlung angesehen werden17, so dass eseiner ausdrücklichen Ausnahme für diese bedurfte. Dass einevergleichbare Regelung für die Hinsendekosten nicht besteht,lässt deshalb nicht auf eine Regelungslücke schließen, son-dern macht umgekehrt deutlich, dass eine solche Ausnahmefür die Hinsendekosten nicht gewollt ist.

Nur die Erstattung der Hinsendekosten entspricht auch derZielsetzung des Widerrufsrechts der FernAbsRL. Dieses solldie im Fernabsatz fehlende Möglichkeit, die Ware vorAbschluss des Vertrages real zu sehen und zu prüfen, kom-pensieren.18 Der widerrufende Verbraucher ist deshalbgrundsätzlich so zu stellen, wie er ohne den Vertragsschlussstünde.19 Dazu sind ihm auch die Hinsendekosten zu erstat-ten, da diese ohne Vertragsschluss nicht angefallen wären.20

Für den Verbraucher soll also im Ergebnis eine dem Kauf ineinem Ladengeschäft weitgehend entsprechende Situationgeschaffen werden.21 Funktionell ist deshalb die Zusendungder Ware zum Verbraucher bei einem Fernabsatzgeschäft ver-gleichbar mit dem Vorhalten der Ware in einem Verkaufslo-kal. Wie die Aufwendungen für das Verkaufslokal sind damitbei wertender Betrachtung aber auch die Aufwendungen fürdie Zusendung der Ware lediglich Teil der allgemeinen Preis-kalkulation des Verkäufers, nicht aber separat durch den Käu-fer zu erstattende Kosten.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Belastung deswiderrufswilligen Käufers mit den Hinsendekosten insbeson-dere bei geringwertigen Gegenständen prohibitiv wirkenkann.22 Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass der Käuferdie Hinsendekosten auch beim nicht widerrufenen Vertragtragen müsste. Denn in diesem Falle sind die Versandkostenwirtschaftlich betrachtet Teil des für die Sache insgesamt auf-zuwendenden Kaufpreises. Besonders deutlich wird dies beider zunehmend zu beobachtenden Praxis einiger Anbieter,die Versandkosten weit über den tatsächlich anfallenden Kos-ten anzusetzen. Dies ermöglicht es ihnen nicht nur, einenvermeintlich günstigeren Kaufpreis bieten zu können, son-dern kann den Verbraucher auch von der Ausübung seinesWiderrufsrechts abhalten, da eine Rückabwicklung aufgrund

der ihm verbleibenden überhöhten Hinsendekosten wirt-schaftlich sinnlos sein kann.

IV. Zwischenergebnis

Ohne abweichende Vereinbarung hat der Verkäufer im Falledes Widerrufs somit den Kaufpreis einschließlich der even-tuell zusätzlich erhobenen Versandkosten an den Käuferzurückzuzahlen. Dieser hat die Ware zurückzugeben, ist dage-gen regelmäßig nicht zum Wertersatz für die Anlieferung ver-pflichtet.

B. Abweichende Vereinbarungen

Vorstehendes allein sagt indes noch nichts über die Zulässig-keit abweichender Vereinbarungen hinsichtlich des Schick-sals der Versandkosten aus, denn im Grundsatz ist § 346 BGBdispositiv.23 Einschränkungen erfährt dieser Grundsatz aberdadurch, dass im Rahmen eines Fernabsatzvertrages abwei-chende Vereinbarungen zu Lasten des Verbrauchers unzuläs-sig sind. Art. 12 Abs. 1 FernAbsRL erklärt die durch die Richt-linienumsetzung verliehenen Verbraucherrechte für unver-zichtbar. § 312f BGB ist deshalb über seinen Wortlaut hinausauf sämtliche Vorschriften des deutschen Rechts anzuwen-den, die auf der Umsetzung der FernAbsRL beruhen. Dazuzählen insbesondere die das Widerrufs- und Rückgaberechtregelnden §§ 355-359 BGB sowie die diese ergänzenden Vor-schriften wie namentlich die des Rücktrittsrechts (§ 346 ff.BGB).24 Damit ist jede Vertragsgestaltung ausgeschlossen, diedie gesetzlich vorgesehenen Rechte und Pflichten im Falledes Widerrufs zum Nachteil des Verbrauchers abändert. Inder Praxis kommen im Wesentlichen zwei Klauselgestaltun-gen vor.

I. Abweichende Vereinbarung über die Hinsendekosten

In Betracht kommt zunächst eine Klausel, nach der im Falledes Widerrufs der vom Verkäufer zurückzuzahlende Betragum die separat erhaltenen Versandkosten vermindert wird,also nur der reine Kaufpreis erstattet wird bzw. – beim Kaufauf Rechnung – die Hinsendekosten weiter geltend gemachtwerden. Eine solche Gestaltung wäre indes unzulässig, § 312fS. 1 BGB. Sie wiche zum Nachteil des Verbrauchers von dergesetzlichen Regelung ab, die eine Belastung des widerrufen-den Verbrauchers mit den Hinsendekosten gerade nicht vor-sieht.

Ebenso unzulässig wäre es, dem Verbraucher erstmalig bei des-sen Widerruf die Hinsendekosten in Rechnung zu stellen.Zudem liegt hierbei der Charakter einer bereits nach Art. 6Abs. 1 S. 1 FernAbsRL unzulässigen Strafzahlung auf der Hand.

16 S. o. u. A.17 Erst recht als unzulässige Strafzahlung anzusehen wäre eine Klausel, die dem

widerrufenden Verbraucher erstmals die Hinsendekosten in Rechnung stellt.18 Erwägungsgrund 14 der FernAbsRL; ferner BGH, NJW 2003, 1665, 1666; OLG

Karlsruhe, VuR 2008, 75, 77.19 Riesenhuber, Europäisches Vertragsrecht, 2. Aufl., 2006, Rn. 386; v. Vogel, Verbrau-

chervertragsrecht und allgemeines Vertragsrecht, 2006, S. 159.20 Die in der FernAbsRL vorgesehene Möglichkeit, dem Verbraucher die Rücksende-

kosten aufzuerlegen, ist vor diesem Hintergrund strenggenommen systemwidrig.21 Ähnlich Rott, VuR 2001, 78, 80.22 OLG Karlsruhe, VuR 2008, 75, 76 f.; LG Karlsruhe, VuR 2006, 115;

Würdinger/Ringshandl, MMR 2008, 49, 50.23 BGH, WM 1984, 936, 937; MünchKommBGB-Gaier, § 346 Rn. 1; Staudinger-Kai-

ser, § 346 Rn. 78, 193.24 MünchKommBGB-Wendehorst, 4. Aufl., 2003, § 312f Rn. 8.; Staudinger-Thüsing,

13. Bearb., 2005, § 312f Rn. 4, 6.

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II. Lieferung als separate Hauptleistung eines Versendungsver-trages neben dem Kaufvertrag

Vor diesem Hintergrund könnte der Verkäufer auf die Ideekommen, die Versendung der Ware als separate Leistung anden Käufer neben dem Kaufvertrag zu deklarieren. Eine ent-sprechende Klausel in allgemeinen Geschäftsbedingungendürfte indes überraschend und damit gem. § 305c Abs. 1 BGBschon nicht Vertragsbestandteil geworden sein. Der Verbrau-cher erwartet, dass ihm eine im Fernabsatz gekaufte Ware insHaus geliefert wird und dass diese Lieferung Teil eines ein-heitlichen Vertrages ist. Die Konstruktion eines separatenVersendungsvertrages dagegen führte zu einer unnatürlichenAufspaltung eines aus Sicht des Verbrauchers einheitlichenVorgangs.25

Jedenfalls wäre auch eine solche Gestaltung eine zum Nachteildes Verbrauchers abweichende Vereinbarung und daher gem.§ 312f BGB unwirksam.26 Würde die Versendung als separateLeistung des Unternehmers behandelt, bliebe der Käufer man-gels Rücktrittsmöglichkeit bezüglich der Versendung27 zurZahlung der darauf entfallenden Vergütung verpflichtet bzw.müsste jedenfalls in gleicher Höhe Wertersatz gem. § 346 Abs.2 S. 1 Nr. 1 BGB leisten.28 Diese Belastung des widerrufendenVerbrauchers mit den Hinsendekosten widerspricht jedoch dergesetzlichen Regelung, die im Falle des Widerrufes weder Wer-

tersatz für die Versendung noch eine Kürzung des Erstattungs-betrages um die Hinsendekosten vorsieht.

C. Schluss

Die Untersuchung hat gezeigt, dass ein Unternehmer im Rah-men eines Fernabsatzgeschäftes keine Möglichkeit hat, demwiderrufenden Verbraucher die Hinsendekosten in Rechnungzu stellen. Es ist zuzugeben, dass dies durchaus Missbrauchs-potential in sich birgt, dergestalt, dass Kunden eine Vielzahlvon Waren (beispielsweise Bekleidung) bestellen und diese zueinem Großteil zurückgeben. Die dadurch anfallenden Kos-ten sind jedoch der vom Unternehmer hinzunehmende Preisdafür, dass er unter anderem mindestens eine Handelsstufeeinspart und damit deutlich größere Gewinnmargen realisie-ren kann, als im klassischen Einzelhandel. Zudem bleibt inbesonders dreisten Fällen stets die Möglichkeit, die Bestellun-gen des Kunden nicht mehr zu bearbeiten.

25 LG Karlsruhe, VuR 2006, 115 f.; ferner Wenn, jurisPR-ITR 13/2007 Anm. 4.26 LG Karlsruhe, VuR 2006, 115, 116; Schirmbacher, CR 2002, 642, 643.27 Zwar kann auch dies Gegenstand eines Fernabsatzvertrages sein, doch dürfte das

Widerrufsrecht gem. § 312d Abs. 3 Nr. 2 BGB ausgeschlossen sein, da der Ver-braucher der Leistungserbringung vor Ablauf der Widerrufsfrist zugestimmt hat.

28 Die Lieferung wäre bei einer solchen Konstruktion Hauptleistungspflicht unddaher mangels Herausgabemöglichkeit in Geld zu ersetzen.

Die §§ 19 ff VVG1, welche die Anzeigepflicht neu regeln,werden als „Kernstück der Reform“ bezeichnet.2 Nach derGesetzesbegründung hat § 16 VVG a. F. die berechtigtenInteressen des Versicherungsnehmers (VN) nicht hinrei-chend berücksichtigt.3 Der Reformgesetzgeber will dieRechtstellung des VN verbessern, indem Antragsfragen nurnoch in Textform zulässig sind. Dies sei die wichtigste Neue-rung der Anzeigepflicht. Das Risiko einer Fehleinschätzung,ob ein Umstand gefahrrelevant ist, liegt also nicht mehrbeim VN.4 Wie sich das VVG konkret auf die Fragepraxis derVersicherer (VR) auswirken wird, bedarf angesichts des vomGesetzgeber formulierten Paradigmenwechsels des § 19VVG – von der spontanen Anzeigepflicht des VN zur umfas-senden Fragepflicht des VR in Textform – einer näherenBetrachtung. Es besteht nahezu Einigkeit, dass sich dieAntragsfragenpraxis ändern wird. Unklar ist aber, ob imAnschluss an die bisherige Praxis Antragsfragen nur ausge-feilter sein müssen,5 oder Kernbestandteile der Fragepraxisbei Neuverträgen nicht mehr verwendet werden dürfen.6

A. Bewertung von Antragsfragen nach den §§ 19 ffVVG n. F.

Zentral für die Fragestellung ist § 19 Abs. 1 VVG: Der VN hatbis zur Abgabe seiner Vertragserklärung die ihm bekannten

Gefahrumstände, die für den Entschluss des VR, den Vertragmit dem vereinbarten Inhalt zu schließen, erheblich sindund nach denen der VR in Textform gefragt hat, dem VRanzuzeigen. Stellt der VR nach der Vertragserklärung des VN,vor Vertragsannahme Fragen im Sinn des Satzes 1, ist der VNauch insoweit zur Anzeige verpflichtet.

§ 19 Abs. 1 S. 1 VVG begrenzt die Antwortpflicht auf gestellteFragen in Textform. Der Antragsteller ist damit nicht mehr ver-pflichtet, alle ihm bekannten Umstände, die für die Übernah-me der Gefahr erheblich sind, dem VR anzuzeigen. Das Risikoeiner Fehleinschätzung, ob ein Umstand gefahrrelevant ist, solldamit nicht mehr beim VN verbleiben.7 Entfallen ist die bis-herige Vermutungsregelung des § 16 Abs. 1 Satz 3 VVG a. F.

Gestrichen wurde die noch im Abschlussbericht der Kommis-sion und im Referentenentwurf unter § 21 Abs. 5 enthalteneRegelung, wonach bei Kenntnis des VN von erheblichen

Änderung der Antragsfragenpraxis der Versicherer inFolge der Reform des VVGVon RA Lutz Weiberle, Stuttgart

1 „VVG“ bezieht sich auf die ab dem 01. 01. 2008 geltende Fassung; die bis zum 31.12. 2007 geltende Fassung wird als „VVG a.F.“ bezeichnet.

2 Marlow/Spuhl, Das Neue VVG kompakt, 2. Aufl. 2007, S. 51.3 Gesetzentwurf der BReg, BT-Drucks. 16/3945, S. 64.4 Gesetzentwurf der BReg, BT-Drucks. 16/3945, S. 64.5 Reusch, VersR 2007, 1313, 1314; Neuhaus, r+s 2008, 45, 47, a. A. nur Lange, r+s

2008, 56, 57.6 So Rixecker, zfs 2007, 369, 370 in Bezug auf die Gesundheitsfragen nach „Krank-

heiten, Beschwerden, Störungen oder Behandlungen in den letzten fünf Jahren“;a. A. Marlow/Spuhl, (s. o. Fn. 2), S. 38.

7 Gesetzentwurf der BReg, BT-Drucks. 16/3945, S. 64.

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8 Beckmann/Matusche-Beckmann-Knappmann, Versicherungshandbuch, 2004,§ 14 Rn. 121 bewertet zum Zeitpunkt der Vorlage des Kommissionsberichts diedogmatische Frage der spontanen Anzeigepflicht als offen, aber weitgehend ohneRelevanz.

9 Dazu Reusch, VersR 2007, 1313, 132110 Schwintowski/Brömmelmeyer-Härle, PK-VersR 2008, § 22 VVG Rn. 6;

Marlow/Spuhl, (s. o. Fn. 2), S. 38; a. A. Reusch, VersR 2007, 1313, 1321; Neuhaus,r+s 2008, 45, 47.

11 MünchKommBGB-Kramer, 5. Aufl. 2006, § 123 Rn 12.12 MünchKommBGB-Kramer, 5. Aufl. 2006, § 123 Rn 16.13 Nur in extremen Ausnahmefällen könnte eine solche Rechtspflicht aus § 242 BGB

hergeleitet werden.14 VersR 1986, 1089.15 Dazu Rixecker, zfs 2007, 369, 370.16 OLG Frankfurt VersR 1975, 632; OLG Hamm NJW-RR 1991, 1184.17 Prölss/Martin, VVG, 27 Aufl.2004, §§ 16, 17 Rn. 6.18 BGH VersR 1994, 711; NVersZ 2001, 69.19 OLG Saarbrücken VersR 1994, 84720 Honsell-Voit, BK VVG, 1999, § 16 Rn. 35 f.21 Honsell-Voit, BK VVG, 1999, § 16 Rn 36.22 Prölss/Martin, (s. o. Fn. 17), §§ 16, 17 Rn. 5: ’Sind Ursachen bekannt, die zu einem

Schadensereignis führen können?’23 Honsell-Voit, BK VVG, 1999, § 16 Rn. 35.24 OLG Koblenz VersR 1998, 1226.25 OLG Karlsruhe NJOZ 2006, 2405.

Gefahrumständen, nach denen der VR nicht in Textformgefragt hat, der VR die Rechte der Absätze 2 bis 4 hat (Rück-tritt oder Kündigung), wenn er nachweist, dass der VN eineAnzeige arglistig unterlassen hat. Die spontane Anzeige-pflicht wurde im Verlauf der Reform so weit „zurechtge-stutzt“, bis sie zum Schluss verschwunden ist.8

Erhalten wird mit § 22 VVG das Anfechtungsrecht des VRwegen arglistiger Täuschung.9 Kann nun der VR die Ver-schärfung seiner Fragepflicht über das Anfechtungsrechtnach § 22 VVG i.V.m. § 123 BGB umgehen, wenn der VN arg-listig einen gefahrerheblichen, aber nicht in Textform erfrag-ten Umstand verschwiegen hat? Dies ist zu verneinen.10 Esscheitert schon daran, dass § 123 BGB einen ursächlichenZusammenhang zwischen Täuschung und Willenserklärungerfordert.11 § 19 Abs. 1 VVG verpflichtet den VR, nach allenaus seiner Sicht gefahrerheblichen Umständen zu fragen.Damit können ungefragte Umstände, die der VR für nichtgefahrrelevant erachtet hat, ihn auch nicht bestimmt haben,einen Versicherungsvertrag abzuschließen: Maßgeblich sindallein die Antworten des VN auf die abschließenden Fragendes VR. Wenn die spontane Anzeigenobliegenheit entfallenist, dann ist auch nicht nachvollziehbar, woraus die Pflichtdes VN zur Aufklärung abgeleitet werden soll, wenn er unge-fragte Umstände nicht anzeigt. Bei einer Täuschung durchVerschweigen ist eine Rechtspflicht zur Aufklärung Grund-voraussetzung.12 Das Pflichtenprogramm wird nunmehr in§ 19 Abs. 1 VVG abschließend benannt.13 Eine andere Sicht-weise würde nur dazu führen, dass eine lückenhafte Fragstel-lung für den VR vorteilhaft wäre. Es muss davon ausgegangenwerden, dass die schriftlichen Anzeigefragen abschließendsind. Nun gilt die Feststellung des BGH14: „Wer sich aber ausgeschäftstaktischen Gründen scheut, eine Frage zu stellen,deren wahrheitsgemäße Beantwortung nach seiner Darstel-lung maßgeblich für seine Entscheidung ist, ob er den ange-tragenen Vertrag schließt, der liefert selbst den Beweis dafür,dass er die unaufgeforderte Offenbarung des betreffendenSachverhalts nicht erwarten kann und darf“.

Wie die bisher gebräuchlichen Fragestellungen der VR bewer-tet werden sollen, lässt sich der Gesetzesbegründung nuransatzweise entnehmen: Eine nicht gefahrrelevante Frage solldann in der Regel vorliegen, wenn sich die Nachfragen aufeinen sehr lange zurückliegenden Zeitraum beziehen. Inso-weit wird der VR auch im Rechtsstreit substantiiert darlegen,dass seine Fragestellungen risikorelevant sind.15

B. Zulässige Antragsfragen nach altem und neuemRecht

Zu unterscheiden sind weite (generelle, globale) und konkre-te (enge) Fragen, unklare Fragen, Fragen nach Werturteilensowie unzulässige Fragen.

I. Weite (generelle) Fragen und § 16 VVG a. F.

Typisch im Personenversicherungsrecht ist die Frage: „Leidenoder litten Sie an Krankheiten, Störungen und Beschwerden?“Umfasst sind auch Umstände, die nicht gefahrerheblich sind,und die der VN zur vollständigen Beantwortung anzugebenhätte. Einigkeit besteht, dass der VN seine Pflicht zur Anzei-ge nicht verletzt, wenn die Mitteilung unerheblicherUmstände unterbleibt. Bei zu weiten Fragen ist strittig, obdiese als gestellt angesehen werden können oder nicht. DieMeinung, zu weite Fragen als „nullum“ anzusehen,16 wendet

die Regeln der „spontanen Anzeigepflicht“ an. Die andereMeinung begründet die Antwortpflicht des VN unter Hinweisauf § 16 Abs. 1 S. 3 VVG a. F, da diese Vermutungsregelungdie Möglichkeit voraussetzt, dass Fragen auch nach nichterheblichen Umständen gestellt werden, ansonsten hättediese keinen Sinn.17 Prölss führt in diesem Zusammenhangaus: „Der VR soll eben weit gefasste Fragen stellen können,um dann selbst die konkrete Gefahrerheblichkeit der ange-zeigten Umstände einzuschätzen. Andernfalls müsste er dieFragen anhand seiner gesamten Tarifierungsgrundlagen prä-zisieren und auch, wenn er dies täte, wäre es nicht in jedemFalle gesichert, dass er dem erfragten Umstand in concretoGefahrerheblichkeit beimisst.“18 So verstanden genügtschon, dass sich aus den Geschäftsgrundsätzen Anhaltspunk-te dafür bieten, dass Umstände der fraglichen Art für den Ent-schluss des VR bedeutsam sind.19 Insofern sind auch ver-tragsgefährliche Umstände anzuzeigen, wenn sie für den VNnicht selbstverständlich sind. Dem VR ist somit möglich, denVN, der unerhebliche Umstände verschwiegen hat, durchbloßen Hinweis auf die Frage dem Vorwurf der Anzeige-pflichtverletzung auszusetzen. Schließlich werden zu weitge-hende Fragen, die auch nicht gefahrerhebliche Umständeerfassen, von der Anwendung des § 16 Abs. 1 Satz 3 VVG a.F. ausgeklammert.20 Es wird aber gefordert, dass der VN auf„die Kernbereiche der Fragen“ antwortet. Es bedarf dann derVermutungsregelung des § 16 Abs.1 Satz 3 VVG a. F. nichtmehr, weil es jedem VN einleuchte, gefahrerheblicheUmstände, die auf der Hand lägen, anzuzeigen.21

Gemeinsam ist den Auffassungen, dass die Grenze einer wei-ten Frage erst dann erreicht ist, wenn die Frage „völlig nichts-sagend“ ist,22 oder die Antragsfrage in der Gesamtschau zumAusfragen und Nicht-Erfragen gefahrrelevanter Umständedient.23 Betroffen sind nur Extremfälle, die als Begrenzungfür die Fragepraxis der VR nicht relevant sind. Im Kern füh-ren alle Meinungen auch bei weiten Fragen zu einer zumin-dest eingeschränkten Antwortpflicht des VN. Bejaht wurdedies im Fall einer zehn Jahre zurückliegenden Krebstherapie24

sowie im Fall zweier Beratungsgespräche bei einer Psycholo-gin zur Eheberatung mit anschließender Überweisung an einUniklinikum.25 Der VN ist im Zweifel angehalten, sämtlicheauch nicht gefahrerhebliche Umstände anzuzeigen, da ernicht einzuschätzen vermag, wie der VR die Gefahrerheblich-keit beurteilt.

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II. Weite Fragen und § 19 VVG

Nach der VVG-Reform können weite Fragen keine Anzeige-pflicht des VN mehr nach sich ziehen. Der unter Bezug auf §16 Abs. 1 Satz 3 VVG a. F. vertretenen Auffassung ist dieRechtfertigungsgrundlage entzogen. Leitender Gesichtspunktist die „Praktikabilität“ solcher Fragen für den VR. Maßgeb-lich ist die Vorstellung, der VR habe ein Recht, alles über denVN zu erfahren und es könne nicht erwartet werden, der VRnehme alle denkbaren Symptome in einem Fragekatalogauf.26 Letztlich führt dies zu Fragestellungen, deren vollstän-dige und richtige Beantwortung dann dem VN oder Versi-cherten unmöglich ist.27 Praktikabilität ist aber kein Rechts-begriff28 und damit auch kein Argument für den Fortbestanddieser Praxis. Auch die Ansicht, die die zu weite Fragen aufihren Kernbereich reduzieren möchte und sich zumindestnicht auf § 16 Abs. 1 Satz 3 VVG a. F. stützt, kann in demneuen Regelungskonzept nicht mehr aufrechterhalten wer-den. Mit dieser Reduktion soll das Risiko der Nichtanzeigeeines bestimmten Umstandes nach Treu und Glauben ange-messen verteilt werden.29 Eine Risikoverteilung widersprichtder neuen Gesetzeskonzeption und der damit verbundenenRisikolast der VR. Solange der VN den Kernbereich weiter Fra-gen beantworten muss, müsste er trotz Unkenntnis derBewertungspraxis des VR dessen zu weite Fragen konkretisie-ren. Die Ansicht, die weite Fragen als „nullum“ betrachtet,behält ihre Gültigkeit, wobei eine Korrektur über die sponta-ne Anzeigepflicht oder die ungefragte Benennung von„selbstverständlichen“ gefahrrelevanten Umständen nichtmehr erfolgen kann. Zu diskutieren wäre nur, ob aufgrunddes AGB-Charakters oder einer entsprechenden Anwendungdiese Fragen einer Transparenzkontrolle unterliegen und einegeltungserhaltende Reduktion möglich ist. Die Intransparenzeiner Teilfrage müsste dann nicht die gesamte Frage erfassen,wenn diese sich in eigenständige Fragenkomplexe untertei-len ließe und die Unwirksamkeit der Teilfrage nicht dieGesamtfrage erfassen würde.30 Wie die Transparenz einerFrage erhalten bleibt, wenn diese nur teilweise zu beantwor-ten ist, ist nicht ersichtlich. Der VN ist somit dem Risiko aus-gesetzt, dass er eine Frage in wirksame und unwirksameBestandteile zerlegen muss.31

Nur wenn weite Fragen unzulässig sind, kommt es zu der vomGesetzgeber intendierten Risikoneuverteilung zwischen VN undVR. Ansonsten ist der VN weiterhin gehalten, selbst zu beurtei-len, welche Umstände im Einzelnen konkret gefahrenerheblichsind. Wie schwierig die Grenzziehung in diesem Zusammen-hang bislang war, zeigen Urteile zu dieser Problematik: LösenHerzbeschwerden eine Anzeigepflicht aus oder nicht?32

Deshalb kann das Verschulden des VN nicht maßgeblich sein,um eine weite Frage des VR zu korrigieren.33 Ebenso wenigkann die Unredlichkeit des VN als Rechtfertigung der Beibe-haltung der Fragepraxis angeführt werden.34 Es ist auch nichtüberzeugend, neue Begrifflichkeiten zu verwenden. Fragen alsallgemein,35 global36 detailliert oder ausgefeilt37 zu bezeich-nen, verschleiert die Problemzusammenhänge in Bezug aufdie konkrete Gefahrerheblichkeit. Eine weite Frage muss ent-weder als nicht gestellt oder im Wege der Transparenzkontrol-le als unzulässig befunden werden; eine Antwortpflicht ent-fällt. Das hat zur Konsequenz, dass nunmehr weit gefasste Fra-gen nach „Krankheiten, Störungen oder Beschwerden”, wel-che jede Gesundheitsbeeinträchtigung, die nicht offenkundigbelanglos ist oder alsbald vergeht, erfassen soll, nicht mehrzulässig sind. Somit kann in diesem Punkt die Rechtsprechungdes BGH38 nicht mehr aufrechterhalten werden.39

III. Konkrete Fragen nach altem Recht

Der VR erfragt konkrete Krankheiten und Gebrechen, die ineinem Katalog abschließend aufgeführt werden.40 Der VN istdann objektiv nicht verpflichtet, auch andere als die im Fra-genkatalog des Antragsformulars aufgeführten Krankheitenanzugeben. Der VR hat den Kreis der Umstände, die er fürgefahrerheblich hält, bestimmt und abgegrenzt. Aus der„engen” Fragestellung ist zu folgern, dass es dem VR aufandere als die angeführten Erkrankungen und Gebrechennicht ankommt. Nur unter Anwendung einer weit verstande-nen spontanen Anzeigepflicht wäre der VN verpflichtet, auchandere als die abschließend aufgeführten Krankheiten anzu-geben.41

Fragen sind daher eng am Wortlaut auszulegen.42 Fragen, dieeinen bestimmten Umstand nicht erfassen, können auchnicht ausnahmsweise als „mitgemeint verstanden werden.“43

Die Frage nach Änderung des Gesundheitszustandes umfasstnicht die Frage, ob eine Schwangerschaft eingetreten ist.44 Esist nicht ersichtlich, weshalb ein VR nicht auch nach demEintritt einer Schwangerschaft fragen soll, wenn dies eingefahrerheblicher Umstand sein sollte.45

IV. Konkrete Fragen nach neuem Recht

Diese sind mit der Gesetzeskonzeption des § 19 VVG unein-geschränkt vereinbar. Ob damit eine Zunahme der Komple-xität von Antragsfragen verbunden ist, wird sich zeigen.Maßgeblich wird die Gestaltung der Antragsfragen durch dieVR sein. Knappe und zu kurze Formulierungen verhinderndie Verständlichkeit ebenso wie zu weitschweifige Formulie-rungen.46 „Gesundheitsstörungen“ und „Beschwerden“ etwasind hochkomplexe Begrifflichkeiten, die in der alltäglichenArbeit für den Fachmann selbstverständlich geworden sind,nicht aber für den durchschnittlichen VN. Es wird hier einervertieften Diskussion bedürfen, wie die Transparenz vonAntragsfragen in Textform erhöht werden kann und muss.47

Beispielhaft ist die Antragsfrage zum Abschluss einer Berufs-unfähigkeitsversicherung: „Haben Sie sich in den letzten fünfJahren bei Ärzten und / oder Heilkundigen Untersuchungen,Beratungen, Behandlungen oder Operationen unterzogen

26 OLG Schleswig VersR 85, 634; in diesem Sinn die unter B. I. zitierte Begründungvon Prölss.

27 Voit, Berufsunfähigkeitsversicherung, 1994, Rn. 164.28 Voit, (s. o. Fn. 27), Rn. 162 ff.29 Voit, (s. o. Fn. 27), Rn. 164, das übersieht Lange, r+s 2008, 56, 57.30 Dazu OLG Düsseldorf VuR 2000, 321.31 Schwintowski, VuR 2000,325 f., m. w. N.32 Verneinend BGH r+s 1991, 34; bejahend BGH VersR 1990, 1002.33 Marlow/Spuhl, (s. o. Fn. 2), S. 38.34 Neuhaus, r+s 2008 45, 47 übersieht, dass es dem VR freisteht Fragen zu stellen.35 Marlow/Spuh,l (s. o. Fn. 2), S. 38.36 Neuhaus, r+s 2008 45, 47.37 Reusch, VersR 2007, 1313, 1314.38 BGH VersR 1994, 711; VersR 1994, 1457.39 Rixecker, zfs 2007, 369, 370; a. A. Lange, r+s 2008, 56, 57.40 OLG Düsseldorf VersR 2000, 310.41 Wussow, VersR 2003, 1493.42 Knappmann, (s. o. Fn. 8), § 14 Rn 20 m. w. N.43 A .M. Prölss/Martin, (s. o. Fn. 17), §§ 16, 17 Rn. 21, unter Bezugnahme auf das

nachfolgende Beispiel.44 A. M. OLG Düsseldorf NVersZ 1999, 217.45 Inwieweit der KrankheitskostenVR bei einer Frau, die im gebärfähigen Alter ist,

einen Vertrag nicht abschließt, weil sie Kinder bekommen könnte, ist nicht nach-vollziehbar. Ebenso wenig, dass diese Möglichkeit nicht in die Tarifierungsgrund-lage einbezogen ist. Sollte dies der Fall sein, dann dürfte eine solche Geschäft-spraxis gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen und eine unzulässige Fragebeinhalten (dazu nachfolgend C. IX).

46 Ausf. Schwintowski, in: VersWissStud (15. Bd), 2000, S. 87, 105 ff.47 Diese Diskussion sollte nicht unter dem Hinweis auf „lebensfremd“ unterbunden

werden, so aber Neuhaus, r+s 2008, 45, 47. Letztlich führen die konkreten Fragendem VN deutlicher vor Augen, worauf es dem VR ankommt.

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bzw. sind solche vorgesehen oder angeraten?“ Muss ein VNwissen, dass Heilkunde jede berufs- oder gewerbsmäßig aus-geübte Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderungvon gesundheitlichen Beeinträchtigungen von Menschenist?48 Ist jede heilkundliche Behandlung, z. B. eine Massage,ein konkret gefahrerheblicher Umstand? Wäre die Fragestel-lung nicht transparenter, wenn der VR neben Ärzten, auchdie gefahrrelevanten nichtärztlichen Heilberufe namentlichbenennt? Ist es zweckmäßig, in einer Frage sämtliche gefahr-relevanten Behandlungen aller medizinischen Heilberufeeines Fünf-Jahreszeitraums zusammenzufassen? KonkreteFragen sollen den VN zu den Antworten führen. Konsequentwäre die Beispielfrage zu entzerren und die konkret gefahrer-heblichen Umstände in mehreren Einzelfragen zu erfassen.

Gerichtsentscheidungen zu komplizierten Fragebögen betref-fen nicht die Unterscheidung zwischen weiten und konkre-ten Fragen, sondern Fragen, die der Versicherungsagent demVN nicht adäquat erläutert hat,49 insbesondere auch in Kom-bination mit rechnergestützten und erläuterungsbedürftigenAbfrageprogrammen.50 Werden Fragen mündlich vom Versi-cherungsagenten zusammengefasst, erhöht sich bei Schach-telfragen durch Verbindung von Vergangenheit und Gegen-wart die Komplexität und damit die Verständlichkeit.59 Esgeht darum, ob der VN die Antragsfragen in Textform hinrei-chend zur Kenntnis genommen hat.51

Klärungsbedürftig ist die Schwelle zur nicht mehr gefahrrele-vanten Frage, insbesondere in Bezug auf den Zeitraum, deneine Antragsfrage erfassen soll. Mit dem vagen gesetzgeberi-schen Hinweis auf „sehr lang“52 wird neues Streitpotenzialgeschaffen. Bislang wurden zeitlich unbeschränkte Gesund-heitsfragen, insbesondere bei schwerwiegenden Leiden wieeiner Krebserkrankung, für zulässig erachtet. Relevant wird,ob der VN noch in der Lage ist, sich zu erinnern.53 Sollte hiereine schuldhafte Anzeigenpflichtverletzung festgestellt wer-den, dann ist § 19 Abs. 3 VVG maßgeblich, ob sich der VNentlasten kann oder ihm nur einfache Fahrlässigkeit vorge-worfen werden kann. Anwendung finden könnten Klassifi-zierungen von Gesundheitszuständen und Versicherungsrisi-ken, die bei entsprechender Zuordnung zu einem Schwere-grad eine Offenbarungspflicht des VN nach sich ziehen soll-ten. Besteht ein Leiden, das die Lebenserwartung verkürzt,besteht eine Anzeigepflicht im Rahmen der Lebensversiche-rung. Dies könnte im neuen Recht zum Nachweis einerobjektiven Gefahrrelevanz umgedeutet werden: Ein schweresKrebsleiden etwa wäre dann bei einer Erhöhung des Versi-cherungsrisikos auch über einen Fünf-Jahreszeitraum hinausgefahrrelevant und damit Gegenstand einer zulässigenAntragsfrage. Werden diese Urteile analysiert, erfolgten dieobjektiven Anzeigepflichtverletzungen zeitnah vor derAntragstellung: Stattgefundene Krebsnachsorgemaßnahmenwurden ebenso wenig54 wie eine medikamentös behandelteGrenzwerthypertonie55 angegeben. Sollten unbehandelteKrankheits- oder Unfallfolgen fortbestehen, könnten auchFragen nach anerkannter Schwerbehinderung Klärung schaf-fen und entsprechende weitere Nachfragen in Textform aus-lösen. Schließlich hat der VR darzulegen, ob folgenlos ausge-heilte Krankheiten, die einen Fünf-Jahreszeitraum über-schreiten, objektiv gefahrrelevant sind oder nicht.

Offen ist schließlich, nach welchem Maßstab die Gefahrer-heblichkeit bestimmt werden soll.56 Die Gesetzesbegründungnennt diesen „objektiv“.57 Wenn hiermit Maßstäbe entwi-ckelt werden sollen, die abweichend von den Risikoannah-megrundsätzen bestimmt werden können, müsste berück-

sichtigt werden, dass diese Maßstäbe nur spartenspezifischsein können und zudem produktspezifische Besonderheitenzugrunde zu legen sind. Produktbezogen kann der VR auf dieÜberprüfung gefahrrelevanter Umstände verzichten. DieGrenze ist erreicht, wenn der VR zur Risikodifferenzierungnicht mehr die versicherungsmathematischen Regeln beach-tet.

V. Unklare Fragen nach § 16 VVG a. F.

Die Frage bei einem Unfallversicherungsantrag: „Wurdengleichzeitig bei anderen Gesellschaften Unfallanträge gestellt?“,kann vom Antragsteller im Sinne von Unfallentschädigungs-anträgen oder im Sinne von Unfallversicherungsanträgenverstanden werden. Unklare Fragen sind dann gegeben,wenn auch nach der Auslegung aus Sicht des verständigendurchschnittlichen VN mindestens zwei vertretbare Ausle-gungen möglich sind. Unklarheit i. S. einer Mehrdeutigkeitder Frage ist durch Auslegung zu ermitteln. Der VN hat, wenner bei objektiver Mehrdeutigkeit einer Frage diese i. S. einersolchen Deutung beantwortet hat, seiner AnzeigepflichtGenüge getan. Unklare Antragsfragen sind zugunsten des VNauszulegen.58 Beantwortet er dagegen die unklare Fragefalsch, ist es ausschlaggebend, ob insoweit überhaupt eineAntwortpflicht besteht. Die Lösungsmöglichkeiten sindumstritten: Es wird vertreten, dass unklare Fragen als nichtgestellt anzusehen sind,59 eine Verwerfung im Wege derTransparenzkontrolle erfolgt60 oder aber allein im Weg derAuslegung zu ermitteln ist, ob bei einer Mehrdeutigkeit derFrage der VN diese i. S. einer der in Frage kommenden Deu-tungen richtig beantwortet hat.61 Nach der letzteren Auffas-sung kommt es bei einer Falschbeantwortung einer unklarenFrage darauf an, ob das subjektive Missverständnis des VNentschuldigt werden kann. Wird insoweit auf einen objekti-ven Fahrlässigkeitsmaßstab abgestellt, wird nur in seltenenFällen eine falsche Antwort auf eine unklare Frage zu keinerAnzeigepflichtverletzung führen.62 Das Risiko der unklarenFragestellung des VR geht damit zu Lasten des VN.

VI. Unklare Fragen nach § 19 VVG

Soweit bisher auch unklare Fragen dahin gehend ausgelegtwerden sollen, dass der VN seine Anzeigepflicht erfüllenmuss, wenn auch im Wege der Auslegung mehrere Deutun-gen zulässig sind, kann diese Auffassung nach § 19 VVGnicht mehr uneingeschränkt aufrechterhalten werden. ImRahmen der Auslegung einer unklaren Frage ist zu klären, obeine der Deutungsmöglichkeiten auf einen Bereich abzielt,

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48 Dies entspricht der Definition des § 1 Heilpraktikergesetz. Dazu OLG Saarbrückenr+s 2007, 294.

49 BGH r+s 1990, 320; OLG Stuttgart ZR-Report 2007, 753.50 OLG Bremen, ZR Report 2006, 316.59 OLG Stuttgart ZR-Report 2007, 753. 51 So zum § 16 VVG OLG Jena ZR-Report 2007, 676 m. w. N. Werden die Antrags-

fragen nur im Laptop präsentiert, fehlt es schon an der Textform; Schwintows-ki/Brömmelmeyer-Härle, PK-VersR 2008, § 19 VVG Rn. 25; a. A. Marlow/Spuhl, (s.o. Fn. 2), S. 38.

52 Gesetzentwurf der BReg, BT-Drucks. 16/3945, S. 64.53 OLG Saarbrücken ZR-Report 2006, 946.54 OLG KoblenzVersR 1998, 1226 unter Verweis auf OLG Koblenz VersR 1995,689,

wo der Versuch unternommen wird, die Grenzen der Offenbarungspflicht zuklassifizieren und in 4 Gruppen zu unterteilen.

55 OLG Saarbrücken ZR-Report 2006, 946.56 Dazu Reusch, VersR 2007, 1313, 1314.57 Gesetzentwurf der BReg, BT-Drucks. 16/3945, S. 64.58 OLG Hamm VersR 1993, 1135; a. M. Prölss/Martin, (s. o. Fn. 17), §§ 16, 17 Rn. 21 f.59 OLG Oldenburg VersR 1994, 1169; Nürnberg VersR 1997, 1137 [LS]. 60 OLG Frankfurt a. M. VersR 1990, 1103.61 Knappmann, (s. o. Fn. 8), § 14 Rn. 20; OLG Frankfurt VersR 1992, 41.62 So Prölss/Martin, (s. o. Fn. 17), §§ 16, 17 Rn. 21.

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63 Bruck/Möller, 8. Aufl., 1961 ff.; VVG § 16 Anm 25; Knappmann, (s. o. Fn. 8), § 14Rn. 23; OLG Frankfurt VersR 1975, 632.

64 OLG Oldenburg VersR 1994, 1169.65 Römer Langheid, VVG 2. Aufl. 2003, § 16 Rn. 21.66 So auch Littbarski, AHB § 11 RN 21, der dann aber auf insolvenzrechtliche Rege-

lungen abstellt.67 So OLG Hamm VersR 1981, 953, 954; BK VVG-Voit, § 16 RN 15 m.w.N.68 Römer-Langheid, (s. o. Fn. 65), § 16 RN 30.69 So Voit, (s. o. Fn. 27), Rn. 174.70 Voit, (s. o. Fn. 27), Rn. 174.71 Offen gelassen vom BGH VersR 1986, 1089, da diese Frage nicht entscheidungs-

erheblich war.72 Ausf. dazu Voit, (s. o. Fn. 27), Rn. 174.73 OLG Hamburg r+s 1994, 352.74 LG Berlin r+s 1990, 286.75 OLG Düsseldorf r+s 1997, 476.76 Hoenicke, r+s 1997, 476.77 So OLG Hamm r+s 1990, 357; OLG Saarbrücken NJOZ 2006, 3435.78 So das LG Berlin r+s 1990, 286, welches eine spontane Anzeigepflicht verneint,

weil der VR in Kenntnis der Gefahr des Alkoholmissbrauchs diese Frage nichtgestellt habe.

79 Dazu Hoenicke, r+s 1997, 476, 477.80 So Lorenz VersR 2007, 471, (abrufbar unter http://www.ethikrat.org/stellungnah-

men/stellungnahmen.html. - Zusammenfassung und Empfehlungen in VersR2007, 472; speziell zur Genomanalyse Knappmann, (s. o. Fn. 8), § 14 Rn 27 ff m.w. N.; aktuell ist ein Gendiagnostikgesetz geplant (Pressemitteilung BGM vom16.04.2008).

81 Stellungnahme des Nationalen Ethik Rates vom 01.02.2007, VersR 2002, 472,473.

der nicht relevante Gefahrenumstände beinhaltet. Ist dies derFall, dann ist es eine weite Frage, die nicht zugelassen werdenkann. Wenn die denkbaren Antworten auf jeweils gefahrrele-vante Umstände abzielen und in soweit konkrete Fragestel-lungen beinhalten, besteht eine Antwortpflicht. Sofern eshier zu einer falschen Antwort kommen sollte, wird im Ein-zelfall das Verschulden des VN zu prüfen sein. Der VN darfaber erwarten, dass unklare Fragestellungen nicht zu seinenLasten gehen.

VII.Fragen nach Werturteilen nach altem Recht

Fragen wie z. B. „Betreiben Sie gefährliche Sportarten?“71 sindunklar, da die Antwort von einer subjektiven Bewertung desVN abhängig ist. In diesem Sinne handelt es sich um eineoffene Frage; der Antragsteller hätte dagegen auf den erfrag-ten Umstand hingeführt werden müssen. Solche Fragen sindnach der h. M. unzulässig.63 Darunter fallen Fragen nach derwirtschaftlichen Situation, nach der gewohnheitsmäßigenEinnahme von Medikamenten, Alkohol oder Drogen. Diesewerden teilweise nicht als ausdrückliche Fragen i. S. des § 16Abs. 1 VVG a. F. verstanden und damit als nullum behan-delt.64 Orientiert an Einzelfallentscheidungen werden ohnedogmatische Begründung auch abweichende Ansichten ver-treten. Fragen, die im Kern auf die wirtschaftliche Situationdes VN abzielen, werden für zulässig erachtet, da schlechteBonität einen bestimmten Risikoverlauf befürchten ließe.65

Wo die Grenze zur Gefahrerheblichkeit liegt, ist offen.66

Zudem geht es hier um das Prämienrisiko, das nicht zu denvom VR übernommenen Gefahren i. S. des § 16 VVG a. F.gehört.67 Nichts anderes gilt für die Frage nach der gewohn-heitsmäßigen Einnahme von Medikamenten bzw. Alkohol:Es ist nicht überzeugend, wenn der Sinn dieser Frage damitgerechtfertigt wird, dass es dem VR darum gehe, die Quan-tität der Alkohol- und Medikamenteneinnahme zu beurtei-len.68 Hier könnte der VR problemlos anhand der gefahrer-heblichen Quantität entsprechende Fragen nach der Einnah-me von Alkohol und Medikamenten stellen. Soweit nachMissbrauch von Alkohol, Medikamenten und Drogen gefragtwird, berührt dies die nachfolgende Fallgruppe.

VIII. Fragen nach Werturteilen nach neuem Recht

Unter Berücksichtigung des § 19 VVG sind Fragen, die demVN zur Beantwortung ein subjektives Werturteil abverlangen,unzulässig, weil dem VN durch die Aufgabe der Bewertungvon Attributen wie „gewohnheitsmäßig“ und „gefährlich“das Risiko aufgebürdet wird, erkennen zu müssen, wasgefahrrelevant ist. Dies widerspricht der Konzeption des § 19Abs. 1 VVG.

IX. Unzulässige Fragen nach altem Recht

Mit der Frage:„Haben Sie eine Straftat begangen?“, verstößt derVR entweder gegen ein gesetzliches Verbot oder höherrangi-ges Recht. Es geht nicht um die Gefahrerheblichkeit dererfragten Umstände, sondern um die Art und Weise der Fra-gestellung.69 Dem VN muss dann ein Recht zur Falschbeant-wortung eingeräumt werden, um sein grundrechtlichgeschütztes Persönlichkeitsrecht zu wahren.70 Unzulässig istdie vorgenannte Frage, weil sie ein Verstoß gegen das „Rechtauf (Ver-)Schweigen” ist.71 Zu diesem Themenkomplex gehö-ren auch Fragen nach Suizidversuchen, Drogen- und Alko-holmissbrauch.72 Die Berechtigung der VR zu diesen Fragenwird von den Gerichten nicht bezweifelt. Das Spektrum der

Urteile zu Alkoholmissbrauch reicht von ärztlichen Behand-lungen kurz vor Antragsschluss sowie Bagatellisierungschwerwiegender Krankheitserscheinungen,73 über dieNichtanzeige eines ärztlich behandelnden Alkoholmiss-brauchs74 bis zur Nichtanzeige einer früheren Alkoholerkran-kung eines „trockenen“ VN.75 Die Anzeigepflichtverletzungergibt sich im ersteren Fall aus der Nichtanzeige der ärzt-lichen Behandlungen, insoweit ist nicht der Alkoholmiss-brauch gefahrerheblich, sondern die anzeigepflichtigenKrankheitssymptome. Im letzteren Fall geht es darum, obnach einer erfolgreichen Suchtbehandlung eine Krankheitnoch vorliegt. Für die Sucht als solche ist dies zu verneinen,nicht dagegen für die ärztlichen Behandlungen und diesomatischen Begleiterkrankungen.76 Nur wenn die Erkran-kung noch keine ärztlichen Behandlungen nach sich gezogenhat, sich der VN als Alkoholiker nicht wahrnimmt undkrankheitstypisch in der Antragsfrage eine Erkrankungschuldlos verneint,77 könnte eine Frage nach einem Alkohol-missbrauch relevant sein.78 Für den VR ist eine Frage nachder täglichen Menge von Alkohol ausreichend.79 Es wird eineInteressensabwägung zwischen VR und VN erforderlich.

X. Unzulässige Fragen nach neuem Recht

In diesem Bereich führt § 19 VVG zu keinen Änderungen. DerVR muss nunmehr darlegen, dass er die gefahrerheblichenUmstände nicht auf eine andere Art und Weise konkret erfra-gen hätte können. Wünschenswert wäre es gewesen, wennder Gesetzgeber Regelungen schon für prädikative Gesund-heitsinformationen getroffen hätte. Prädikation bezeichnetdie Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Krankheit, diebisher noch nicht ausgebrochen bzw. mit gängigen medizini-schen Verfahren nicht zu erkennen sei.80 Fragen des VR nachgenetischen Tests werden wegen der Verletzung des Rechtsdes Antragstellers auf informationelle Selbstbestimmung fürunzulässig gehalten, da es infolge der Antworten zu Diskri-minierung und Datenmissbrauch kommen kann. Die Gegen-seite hält diese für zulässig, um die Wissensparität zwischenAntragsteller und VR in Bezug auf schon bekannte Risikofak-toren herzustellen.81 Es geht darum, ob die gefahrerheblichegenetische Disposition ein sachlicher Grund für die Differen-zierung zwischen Versicherungsinteressenten mit und Versi-cherungsinteressenten ohne eine solche Disposition darstellt.

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82 Von praktischer Bedeutung ist aktuell die Frage auf Vorlage durchgeführter Testsbei Verträgen mit Versicherungssummen über 250.000,00 und Jahresrentenvon mehr als 30.000,00 : Hier gilt die freiwillige Selbstverpflichtungserklärungbis zum 31.12.2011 auf die Fragen nach genetischen Testen zu verzichten nicht.

83 Knappmann, (s. o. Fn. 8), § 14 Rn 28.84 Stellungnahme des Nationalen Ethik Rates vom 01.02.2007, VersR 2002, 472,

474.85 Stellungnahme des Nationalen Ethik Rates vom 01.02.2007, VersR 2002, 472, 473 f.86 BVerfG r+s 2007, 29, zur Schweigepflichtbefreiung.87 Stellungnahme des Nationalen Ethik Rates vom 01.02.2007, VersR 2002, 472, 474 f.88 Rixecker, Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Versicherungsvertragsrechts, Stel-

lungnahme vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages vom18.03.2007, S. 4 f.

C. Zusammenfassung

Der Paradigmenwechsel des § 19 VVG führt dazu, dass diebisherige Antragsfragenpraxis der VR nicht mehr aufrechter-halten werden kann. Die Zulässigkeit von Antragsfragen wirdnach der Reform weiter an Bedeutung gewinnen. Zu weitgefasste Fragen, die auch nicht gefahrerhebliche Umständeenthalten, sind nach der Reform des VVG nicht mehr vomGesetz gedeckt und können auch nicht mehr aus Praktikabi-lität gestellt werden. Der VR wird spartenspezifisch konkreteFragen stellen müssen, um den VN auf die Antworten zu denmaßgeblichen gefahrerheblichen Umständen hinzuführen.Vom VR wird verlangt, „sein Informationsinteresse zu kon-kretisieren, also, richtig verstanden, konkrete Fragen nachgefahrerheblichen Umständen zu stellen und damit das Risi-ko einer Fehleinschätzung der Gefahrerheblichkeit vonUmständen wirklich dem VR aufzuerlegen.“88 Die konkretenFragen dürfen zudem dem VN keine Werturteile abverlangenoder unzulässig sein, indem sie gegen höherrangiges Rechtverstoßen. Sollten diese Fragen noch unklar sein, dann sinddiese wie bisher zugunsten des VN auszulegen.

Seitens der VR besteht ein weitgehender Verzicht auf solcheFragen.82 Erfasst sind aber nicht Erkenntnisse, die außerhalbvon genetischen Verfahren erlangt wurden, z. B. biochemi-sche Verfahren oder Familienanamnese. Die VR müssen ent-sprechende Risikoprüfungsgrundsätze in Bezug auf prädikati-ve Gesundheitsinformationen nachweisen, die vor allemauch die Ungleichbehandlung von genetischen und sonsti-gen Testen rechtfertigen.83 Unzulässig sind damit auchAntragsfragen, die Fragen nach Krankheiten in der Familiebeinhalten, um nach Anzeichen einer (unerkannt) vorliegen-den oder einer in Zukunft zu erwartenden erblichen Krank-heit zu suchen.84 Die VR würden mit einer Erhebung derFamilienanamnese nicht nur eine medizinische Untersu-chung durchführen, sondern auch das Recht des VN aufNichtwissen verletzen.85

Die für die Risikoprüfung geltende Zulässigkeitsgrenze istjedenfalls überschritten, wenn von dem Antragsteller allge-meine Angaben zu einer Genomanalyse verlangt werden,ohne dass es konkret gefahrrelevant ist. Allein unter demBlickwinkel des § 19 Abs. 1 VVG werden nur Fragen zu ein-zelnen vorliegenden Tests auf spezifische konkret gefahrer-hebliche Krankheiten zulässig sein. Schließlich wird untergrundrechtlichen Aspekten zu beachten sein, ob bei Versi-cherungen, die elementare Bestandteile der Daseinsfürsorgesind (Renten-, Lebens-, Berufsunfähigkeits- und Krankenver-sicherungen),86 Bevölkerungsteile generell ausgeschlossenwerden dürfen, weil eine erhöhte Wahrscheinlichkeit füreinen möglichen zukünftigen Krankheitseintritt besteht unddarauf gerichtete Fragen zulässig sein sollen. Eine Zulässigkeitist allenfalls denkbar, wenn bei Überschreiten der Versiche-rungssummen sowie bei Tarifen mit besonderen Komfortleis-tungen die Basisversorgung verlassen wird und die Antwor-ten auch nur in diesem Zusammenhang verwertet werden.87

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Bundeswirtschaftsministerium will Verbraucher-schutz im Telekommunikationsbereich verbessern –Gesetzentwurf vorgelegt

Das Bundeswirtschaftsministerium hat einen Gesetzentwurf zurÄnderung des Telekommunikationsgesetzes vorgelegt, der daraufabzielt, Verbraucher besser vor «untergeschobenen» Verträgen zuschützen. Damit ist der Wechsel eines Telefonanbieters oder dieUmstellung der Betreibervorauswahl auf Initiative eines neuenAnbieters gemeint, ohne dass der Anschlussinhaber dem zuge-stimmt hat. Der Vorschlag befindet sich nun in der Ressortab-stimmung.

Derzeit ist es dem neuen Anbieter möglich, mündlich denTelefonvertrag des Kunden ohne dessen Einverständnis beimbisherigen Anbieter zu ändern. Hier ist es nach Angaben desBundeswirtschaftsministeriums verstärkt zu Missbräuchengekommen. Laut Bundeswirtschaftsminister Michael Glos(CSU) soll ein neuer Anbieter künftig den Telefonvertrag nurnoch ändern können, wenn er nachweist, dass der Kunde

dies auch wirklich möchte. Eine Umstellung des Vertragesdurch den neuen Anbieter «auf Zuruf» solle ausgeschlossenwerden.

Darüber hinaus ist eine Neugestaltung des 0180-Rufnum-mernbereichs geplant. Feste Preise für 0180-Nummern geltenbislang nur für Anrufe aus den Festnetzen. Preise für Anrufeaus den Mobilfunknetzen seien häufig recht hoch und für dieVerbraucher schwer erkennbar, rügt das Wirtschaftsministe-rium. Zukünftig solle es auch feste Preise für Anrufe aus denMobilfunknetzen geben, die den Verbrauchern in der Wer-bung mitgeteilt würden, so Glos. Mit der Neuregelung soll esden Unternehmen künftig zudem möglich sein, kostenloseWarteschleifen auch für Anrufe bei 0180-Nummern einzu-richten.

Der Gesetzentwurf sieht zudem vor, dass die Bundesnetza-gentur bei Verstößen gegen die seit dem Sommer 2007 gel-tenden Roaming-Gebühren Bußgelder verhängen kann.

Quelle: beck-aktuell-Redaktion, v. 26. 03. 2008

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Eckpunkte der Schuldnerberatung zur Neuregelungder Kontenpfändung

Während das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung desInsolvenzrechts (VuR 2008, 16; BT-Drs. 16/7416) sichtbar vor-angeht (Ahrens NZI 2008, 80), auch wenn noch wichtige Fra-gen auf der Agenda stehen (Springeneer ZVI 2008, 106), ist dasfast zeitgleich eingeleitete Gesetzgebungsverfahren zur Ände-rung der Regeln über die Kontenpfändung (BT-Drs. 16/7615;Schumacher ZVI 2007, 455) noch nicht in die entscheidendePhase gelangt. In der weiterhin kontroversen Diskussion istam 3. März 2008 eine kompakte Stellungnahme der Arbeits-gemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV)zum Regierungsentwurf vorgelegt worden. Die Arbeitsge-meinschaft begrüßt die Zielrichtung des Gesetzentwurfs, diesie als eine deutliche Verbesserung des Schuldnerschutzesbewertet. Dennoch werde der notwendige Schutz der Schuld-ner damit noch nicht ausreichend sichergestellt. Weiter wirdkritisiert, dass der Entwurf in seinen positiven Auswirkungenauf Schuldner, Kreditinstitute und Vollstreckungsgerichteteilweise hinter dem Referentenentwurf vom 19.01.2007(dazu Busch VuR 2007, 138) zurückbleibt. Die AG SBVbenennt dazu vor allem folgenden Korrektur- bzw. Ergän-zungsbedarf: – keine Dauerwirkung der Kontopfändung (zu § 833a Abs. 2

ZPO-E) – Frist von vier Wochen Minimum (zu § 835 Abs. 3 Satz 2

und 4 ZPO-E)– Ansparschutz ausdehnen (zu § 850 k Abs. 1 ZPO-E)– Automatischen Schutz des Wohngeldes und der Erstattung

von Krankheitskosten einbeziehen (zu § 850 k Abs. 2 Nr. 2ZPO-E)

– § 850 k Abs. 1 ZPO-E– Zielkonflikte bei der Bescheinigung über Nichtpfändbar-

keit ausräumen (zu § 850 k Abs. 5 ZPO-E)– Wirksamwerden des Pfändungsschutzkontos vorziehen

(zu § 850 k Abs. 6 ZPO-E)– Im Insolvenzverfahren darf auch die Pfändung eines P-

Kontos keine Wirkung mehr haben (zu Art. 3 des Regie-rungsentwurfs)

– Regelung für „Stief-Familie und nichteheliche Lebensge-meinschaft“ nachholen

– Verbindliche Antragsvordrucke entwickeln (unter www.sfz.uni-mainz.de/2140.php: Stellungnahme derArbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV) zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform desKontopfändungsschutzes in seiner Fassung vom 19.12.2007).

Prof. Dr. Wolfhardt Kohte, Halle/Saale

EC-Datenklau mit manipulierten Geldautomaten

Die Zahl der Betrugsfälle mit gefälschten Maestro-Kartensteigt seit Monaten. Darüber berichtet die „Welt” in ihrerOnline-Ausgabe. Die Betrugsfälle mit gefälschten Maestro-Karten machen laut der Euro Kartensysteme GmbH knappdie Hälfte der Betrügereien aus. Rund 460 Geldautomatensind im vergangenen Jahr manipuliert worden – 50 Prozentmehr als noch 2006.

Denn diese Fälschungen gelingen leichter als man denkt.Geldautomaten werden unauffällig präpariert. Wenn jemanddann an einem solchen Geldautomaten Geld abhebt, werdendie Daten von der Maestro-Karte kopiert. Die Geheimzahlwird etwa mit einer dünnen Tastatur über dem Eingabefeld

oder einer Mini-Kamera ausgespäht. Mit den so erlangtenDaten fertigen die Täter dann Kopien der Karten an und räu-men damit die Konten ahnungsloser EC-Kartennutzer leer.

Thomas Hagen von der Verbraucherzentrale Schleswig-Hol-stein rät. Man solle Geldautomaten vor dem Gebrauch dahergenau prüfen und die Geheimnummer immer nur verdeckteingeben. Wer die Kontoauszüge regelmäßig kontrolliert, ent-deckt so mögliche Betrügereien schneller. Stellt man mysteri-öse Kontobewegungen fest, sollte man die Karte umgehendsperren lassen.

Anders als bei Verlust oder Diebstahl müssen die Kreditinsti-tute für den entstandenen Schaden haften, da sie für das kor-rekte Funktionieren der Geldautomaten verantwortlich sind.Dennoch bedeuten die neuen Betrugsmaschen viel Ärger fürdie Kunden und Verluste für die Banken. „Es ist unverständ-lich, dass es bis heute keine einheitliche, sichere europäischeKarte gibt”, ärgert sich Hartmut Strube von der Verbraucher-zentrale Nordrhein-Westfalen. Da es keinen einheitlichenSicherheitscode gibt, sei den betrügerischen Banden Tür undTor geöffnet.

Quelle: banktip.de, v. 30.03.2008

Viele Kreditkunden ohne Restschuldversicherung

Knapp die Hälfte der Verbraucher, die einen Ratenkredit auf-nehmen, sichert ihre Rückzahlungen an die Bank ab. Zu die-sem Ergebnis kommt eine Studie der Gesellschaft für Kon-sumforschung (GfK) aus Nürnberg. Die Restschuldversiche-rung versichert private Kreditnehmer gegen Risiken wie Tod,Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit. Tritt einer dieserFälle ein, zahlt die Versicherung die Raten an die Bank weiter.Diesen Schutz gibt es allerdings nicht umsonst. Die Kostenwerden auf die Gesamtkosten für den Kredit aufgeschlagen.Macht eine Bank die Gewährung des Kredits von einer Rest-schuldversicherung abhängig, muss sie die Kosten sogar inden effektiven Zinssatz einbeziehen und beim Angebot ange-ben.

Nach Auskunft des Bankenfachverbandes könnten nur knapp60 Prozent der Versicherten bei einem Wegfall des Einkom-mens über zwei Monate ihre Kreditraten aus Erspartembestreiten. Mit 65 Prozent hält die überwiegende Mehrheitder Besitzer einer Restschuldversicherung diese für sinnvoll.Nur 14 Prozent der Versicherten sehen sie als nicht sinnvollan und 21 Prozent stehen der Versicherung neutral gegenü-ber. „Dies sind offenbar Kunden, die ihren Kredit störungsfreizurückzahlen können,und die Versicherung noch nicht inAnspruch nehmen mussten,” erläutert Peter Wacket,Geschäftsführer des Bankenfachverbandes.

Während 44 Prozent der Kreditkunden eine Restschuldversi-cherung haben, bleiben 56 Prozent unversichert. Von denVersicherten hat sich ein Drittel für eine Restschuldversiche-rung mit Todesfallabsicherung entschieden. Nur zehn Pro-zent haben einen Komplettschutz gegen Tod, Arbeitslosigkeitund Arbeitsunfähigkeit. „Die Entscheidung, ob und in wel-chem Umfang sich ein Kreditnehmer versichern will, liegtallein bei ihm”, so der Verbandschef.

Quelle: www.banktip.de, v. 10.03.2008

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V E R B R A U C H E R R E C H T A K T U E L L

Kaum Hoffnung für 200.000 Securenta-Anleger –900 Millionen Euro weg

Im Finanzskandal um die Securenta AG hat sich für die rund200.000 betroffenen Kleinanleger die Hoffnung auf Rückzahlungihrer eingezahlten Beträge weitgehend zerschlagen. Von etwa 900Millionen Euro, die die Hauptgesellschaft der insolventen „Göttin-ger Gruppe“ eingenommen habe, seien nur rund eine Million Euroübrig geblieben, sagte Insolvenzverwalter Peter Knöpfel am25.03.2008 während einer Gläubigerversammlung in Göttingen.Hinzu komme noch etwas Geld aus Immobilienverkäufen. Mitmehr als zwei bis drei Prozent ihres Geldes könnten die Anlegernicht rechnen.

Die Securenta AG hatte jahrelang die „Securente“ in Formeiner so genannten atypischen stillen Beteiligung als Alters-vorsorge verkauft. Insgesamt sei es dabei um Verträge überrund 2,5 Milliarden Euro gegangen, sagte Knöpfel. 900 Milli-onen Euro habe das Unternehmen eingenommen. Den Restsollten die Anleger zum Teil über Jahrzehnte in Raten ein-bringen. Das eingezahlte Geld „wurde nahezu komplett ver-pulvert“, berichtete der Insolvenzverwalter. Mehr als die Hälf-te der 900 Millionen Euro seien für Provisionszahlungen ver-wendet worden. Für Investitionen sei wenig übrig geblieben.Und die vorgenommenen Investitionen seien unrentabelgewesen. Die Securenta habe „die Millionen verbrannt“ und„die Anleger für die verfehlte Geschäftspolitik bluten lassen“.

Im Jahr 2001 hatte das damalige Bundesaufsichtsamt für dasKreditwesen die „Securente“ wegen Verstoßes gegen das Kre-ditwesengesetz verboten. Die Verantwortlichen hätten „eingroßes Rad zulasten Dritter gedreht“, sagte Knöpfel. Als fest-stand, dass „das System gescheitert war“, hätten sie einfachweitergemacht. Weil es der Securenta jedoch bald an Liqui-dität fehlte, seien Bilanzen auch auf der Grundlage haltloserGutachten „schöngerechnet“ und zuletzt überhaupt nichtmehr erstellt worden.

Weil einige Anlegeranwälte fürchten, der Insolvenzverwalterkönne ihre Mandanten als „atypisch stille Gesellschafter“ derSecurenta zur Einhaltung der vereinbarten Ratenzahlungenzwingen, beantragten sie Knöpfels Absetzung. Die Abstim-mung darüber habe jedoch kein klares Resultat ergeben, sagteInsolvenzrichter Ulrich Schmerbach. Als mehrere Gläubigersich anschließend gegenseitig die Stimmberechtigung abspra-chen und gegen den Richter ein Befangenheitsantrag gestelltwurde, brach dieser die Gläubigerversammlung ab und ver-tagte sie auf Ende Mai 2008.

Quelle: beck-aktuell-Redaktion (dpa), v. 25. 03. 2008

Versicherte bezahlen zu viel Prämie

Versicherungen sind den Deutschen lieb, vor allem aberteuer: Nach jüngsten Erhebungen der Versicherungswirt-schaft gibt jeder Deutsche mehr als 2.000 Euro im Jahr für dieAssekuranz aus. Fachleute sind der Auffassung, dass jederBürger nahezu ein Fünftel des Jahresbeitrages bei gleichemoder sogar besserem Versicherungsschutz sparen könnte. LiloBlunck, Vorstandsvorsitzende des Bundes der Versicherten(BdV): „Sie brauchen dazu lediglich die Geldfresser-Policenaus den Kommoden auszusortieren.” In viel zu vielenbundesdeutschen Haushalten finden sich heutzutage Reise-gepäck-, Insassenunfall- oder Handyversicherungen, so derBdV. Diese und andere Policen bewirken zumeist nur eines:Sie kosten unnötig Geld. Der BdV erfährt tagtäglich in seinenBeratungen, dass die Menschen aus falschem Sicherheitsbe-dürfnis heraus Verträge unterschreiben, die ihnen in Wahr-heit kaum nützen.

Quelle: www.banktip.de, v. 12.03.2008

BdV lehnt Shopping-Rente ab

Der Bund der Versicherten (BdV) hat das Angebot „Deutsch-land RENTE” der Versicherer ARAG und Rheinland Versiche-rungsgruppe kritisiert. Die Vorstandsvorsitzende des Bundesder Versicherten (BdV), Lilo Blunck: „Da sollen also volle Ein-kaufstüten zu einer höheren Rente führen. Gewinner sind amEnde nur beteiligte Firmen, weil Versicherungsnehmer mas-siv zu mehr Konsum angestiftet werden.”Nach Auffassung des BdV weckt dieses an sich schwacheInstrument niedere Instinkte nach der Melodie „Je mehr ichkaufe, desto mehr tu ich für meine Rente”. Begründet wirddas von den geistigen Vätern des Modells mit dem absurdenHinweis, die Deutschen wollten für ihre Altersvorsorge nichtauf Konsum verzichten. Die Anbieter ARAG und Rheinlandofferieren gemeinsam mit Ontos mit ihrem Renten-Shoppingein Produkt, das dem Vergleich mit anderen Geldanlagemög-lichkeiten zur Altersvorsorge nicht lange standhalten dürfte,so der BdV weiter. Lilo Blunck: „Ganz besonders vermissenwir die auf diesem Gebiet unerlässliche Beratung.”Als sinnvoller erscheint es dem BdV, eine bestimmte Summe,etwa in Höhe des Beitrages dieser Rabatt-Rente, direkt ineinen Fonds einzuzahlen. Denn auf diese Weise wird mehrvon diesem Geld gespart. Bei einer fondsgebundenen Ren-tenversicherung werden dagegen teils hohe Abschlusskostenfällig. Sie ist eine teure Anlageform. Lilo Blunck: „Von Ange-boten wie der Shopping-Rente raten wir dringend ab.”

Quelle: www.banktip.de, v. 24.03.2008

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R E C H T S P R E C H U N G | Bankrecht

R E C H T S P R E C H U N G

BA N K R E C HT

Prospektinhalt; Prospektverantwortlichkeit undHaftung der Prospektinitiatoren bei Wahrnehmungwichtiger Schlüsselfunktionen bei der Gestaltung deskonkreten Projekts

1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Prospekt-haftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Beteili-gungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im Allge-meinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt, denAnleger über alle Umstände, die für seine Entschließung vonwesentlicher Bedeutung sind oder sein können, sachlich rich-tig und vollständig zu unterrichten (vgl. BGHZ 79, 337, 344;116, 7, 12; 123, 106, 109 f; BGH, Urteile vom 29. Mai 2000 –II ZR 280/98 – NJW 2000, 3346; vom 6. Februar 2006 – II ZR329/04 – NJW 2006, 2042, 2043 Rn. 7).

2. Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständig ist, ist dahernicht allein anhand der wiedergegebenen Einzeltatsachen,sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen, das er von denVerhältnissen des Unternehmens vermittelt (vgl. BGH, Urteilvom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81 – NJW 1982, 2823, 2824).Dabei dürfen die Prospektverantwortlichen allerdings einesorgfältige und eingehende Lektüre des Prospekts bei denAnlegern voraussetzen (vgl. BGH, Urteil vom 31. März 1992– XI ZR 70/91 – NJW-RR 1992, 879, 881).

3. Eine Prospektverantwortlichkeit kommt nur in Betracht,wenn der in Anspruch Genommene in eigener Verantwort-lichkeit wichtige Schlüsselfunktionen bei der Gestaltung deskonkreten Projekts wahrgenommen hat. Dies kann tatrich-terlich nicht festgestellt werden, ohne dass die Beweisantrit-te der Parteien zur Gestaltung des Prospekts und zur Aufga-benverteilung zwischen der Prospektherausgeberin und derProspektinitiatorin berücksichtigt werden.

BGH, Urt. v. 28.02.2008, Az.:III ZR 149/07

(ID 41110)

Aus den Gründen:

4 Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Beru-fungsgericht, soweit es die gegen die Beklagte zu 1 (imFolgenden: Beklagte) gerichtete Klage betrifft.

I.

5 Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die Beklagtesich einer Prospektverantwortlichkeit nicht entziehenkönne. Denn sie, die bereits durch ihre Firmierung ihreVerflechtung mit einer international tätigen Großbankunterstreiche, sei nicht nur als Berater bei der Auswahl undHeranziehung potentieller Vertragspartner in das Geschäftdes Filmfonds involviert, sondern bereits im Vorfeld mitder „Optimierung des gesamten Vertragswerks” betraut ge-wesen. Des Weiteren habe die „gesamte Koordination desEigenkapitalvertriebs” in ihren Händen gelegen und sie

habe in ihrer Funktion als Einzahlungstreuhänder, derEinzug und Transfer der Investorengelder an die Produk-tionsgesellschaft sowie die Vertriebspartner überwacht ha-be, das Vertrauen der Anleger in Anspruch genommen.Dass der im Emissionsprospekt heraus gestellte Einf lussauf die Durchführung des Projekts tatsächlich bestandenhabe, habe die Beklagte nicht in Abrede gestellt und wer-de im Übrigen durch die Vertriebsvereinbarungen mit derB. Bank und der C. Bank sowie durch den Vertrag überdie Eigenkapitalvermittlung vom 22. Mai 2000 belegt.

6 Das Berufungsgericht verneint gleichwohl Schadenser-satzansprüche der Klägerin, weil der Prospekt nicht un-richtig oder unvollständig sei. Aus dem Prospekt werdehinreichend deutlich, dass Erlösausfallversicherungen erstfür einzelne, konkrete Filmprojekte abzuschließen seienund dass sie nur ein – wenngleich gewichtiges – Elementeines Absicherungskonzepts seien, das von der Geschäfts-führung der Fondsgesellschaft erst noch umzusetzen ge-wesen sei. Hiervon ausgehend treffe auch die auf S. 38des Prospekts dargestellte „Restrisiko-Betrachtung” zu, dasie unter der Voraussetzung stehe, dass das Absicherungs-konzept von der Geschäftsführung umgesetzt werde. DasGesamtrisiko der Beteiligung werde nicht unzulässig ver-harmlost. In den „Leitgedanken” zu Beginn des Prospektswerde darauf hingewiesen, dass die Investoren zwar „ho-he Renditen erzielen können, allerdings auch in vollemUmfang unternehmerische Risiken tragen”. Bei der Vor-stellung des Projekts im Überblick werde davor gewarnt,dass im Extremfall das eingesetzte Kapital vollständig ver-loren gehen könne. Dass der Abschluss von Erlösausfall-versicherungen im Zeitpunkt der Prospektherausgabe auskonzeptbezogenen Gründen mit Schwierigkeiten behaftetgewesen sei, sei nicht mit der erforderlichen Konkretisie-rung vorgetragen worden. Schließlich lasse der Prospektkeine Zweifel daran, dass die Mittelverwendungskontrol-le erst nachträglich durch einen Wirtschaftsprüfer statt-finden solle. Dass es sich dabei um ein von vornhereinungeeignetes Absicherungskonzept handele, auf das dieBeklagte im Rahmen des Fondskonzeptions- und Pros-pekterstellungsvertrages nicht hätte hinwirken dürfen,sei zu verneinen.

II.

7 Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung nichtin jeder Hinsicht stand. Der Senat teilt nicht die Auffas-sung des Berufungsgerichts, dass der Prospekt nicht zubeanstanden sei. Auch die Prospektverantwortlichkeitder Beklagten bedarf einer näheren Überprüfung.

8 1. Nach den von der Rechtsprechung entwickelten Pros-pekthaftungsgrundsätzen hat der Prospekt über ein Betei-ligungsangebot, der für einen Beitrittsinteressenten im All-gemeinen die einzige Unterrichtungsmöglichkeit darstellt,den Anleger über alle Umstände, die für seine Entschlie-ßung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein kön-nen, sachlich richtig und vollständig zu unterrichten (vgl.BGHZ 79, 337, 344; 116, 7, 12; 123, 106, 109 f; BGH, Ur-teile vom 29. Mai 2000 – II ZR 280/98 – NJW 2000, 3346;vom 6. Februar 2006 – II ZR 329/04 – NJW 2006, 2042,

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2043 Rn. 7). Dazu gehört eine Aufklärung über Umstän-de, die den Vertragszweck vereiteln oder den vom Anle-ger verfolgten Zweck gefährden können (vgl. BGHZ 79,337, 344; Urteil vom 26. September 1991 – VII ZR 376/89– NJW 1992, 228, 230 <insoweit ohne Abdruck in BGHZ115, 213>). Ob ein Prospekt unrichtig oder unvollständigist, ist daher nicht allein anhand der wiedergegebenen Ein-zeltatsachen, sondern nach dem Gesamtbild zu beurteilen,das er von den Verhältnissen des Unternehmens ver-mittelt (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 1982 – II ZR 175/81– NJW 1982, 2823, 2824). Dabei dürfen die Prospektver-antwortlichen allerdings eine sorgfältige und eingehendeLektüre des Prospekts bei den Anlegern voraussetzen (vgl.BGH, Urteil vom 31. März 1992 – XI ZR 70/91 – NJW-RR1992, 879, 881). Hiervon geht auch das Berufungsgerichtzutreffend aus.

9 2a) Gemessen an diesen Grundsätzen hat das Berufungs-gericht die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit desProspekts jedoch in einem maßgebenden Punkt nichtrechtsfehlerfrei festgestellt. Bei seiner Sicht berücksichtigtes nämlich nicht hinreichend den in den Leitgedankenvorbereiteten und durch die als „worst-case-Szenario” be-zeichnete „Restrisiko-Betrachtung” vermittelten Gesamt-eindruck, dass der Anleger mit seiner Beteiligung ein nurbegrenztes Risiko eingehe. Dies hat der Senat – nach Er-lass der angefochtenen Entscheidung – in seinen Urteilenvom 14. Juni 2007, die eine Beteiligung an derselbenFondsgesellschaft betrafen, entschieden (III ZR 300/05 –NJW-RR 2007, 1329, 1331 Rn. 13 f; III ZR 125/06 – WM2007, 1503, 1504 f Rn. 14 f) und hieran – nach erneuterÜberprüfung – in seinem Urteil vom 22. November 2007(III ZR 210/06) festgehalten. Auf die genannten Urteilenimmt der Senat zur Vermeidung von WiederholungenBezug.

10 b) Darüber hinaus hat die Klägerin unter Bezugnahmeauf eine Beweisaufnahme in einem Verfahren von Anle-gern gegen die hiesige Beklagte vor dem Landgericht F.behauptet, schon bei dem Schwesterfonds, der V. KG, seiim Jahr 1999 mit Produktionen begonnen worden, eheEinzelpolicen einer Erlösausfallversicherung vorgelegenhätten; ein Abschluss von Einzelversicherungen sei darangescheitert, dass seitens des Versicherers Bedingungennachgeschoben worden seien. Die Beklagte habe von derTatsache, dass mit den Produktionen bereits vor Abschlusseiner Erlösausfallversicherung begonnen worden sei,Kenntnis gehabt. Sollte dieser Vortrag, für den die Kläge-rin Beweis angetreten hat, richtig sein, läge ein weitererProspektmangel vor, weil dieser Umstand das gesamteder vorgesehenen Tätigkeit der Fondsgesellschaft zugrun-de liegende Konzept verändert hätte und im Prospekt klarund eindeutig hätte dargestellt werden müssen. Insoweitlegt das Berufungsgericht seiner Entscheidung im Aus-gangspunkt selbst zutreffend zugrunde, dass über Um-stände, die den Vertragszweck vereiteln oder den vomAnleger verfolgten Zweck gefährden können (vgl. BGHZ79, 337, 344; Urteil vom 26. September 1991 – VII ZR376/89 – NJW 1992, 228, 230 <insoweit ohne Abdruck inBGHZ 115, 213>), aufzuklären ist. Unter diesen Umstän-den hätte es den angebotenen Beweis erheben müssen; esdurfte sich insoweit nicht auf die Würdigung ihm vorge-legter Niederschriften über die Vernehmung der angebo-tenen Zeugen im Parallelverfahren beschränken. Es hatseine Beurteilung auch unzulässig verengt, indem es den

betreffenden Vortrag der Klägerin ausschließlich einemDurchführungsrisiko zuordnet, für das die Prospektver-antwortlichen nicht einzustehen hätten. Ergibt sich näm-lich für die Prospektverantwortlichen, dass eine vorgese-hene Sicherungsmaßnahme nicht zu verwirklichen ist,und steht – wie von der Klägerin behauptet und durchein Schreiben des anwaltlichen Vertreters der späterenKomplementärin der Fondsgesellschaft vom 21. März2003 belegt – im Raum, dass die Fondsgesellschaft nichteinmal durch einen Rahmenvertrag oder eine ähnlichevertragliche Bindung mit einem Versicherer verbundenist und der Versicherer die bisherige Praxis nicht fortsetzenmöchte, müssen sich die Prospektverantwortlichen Ge-wissheit darüber verschaffen, dass das vorgesehene Si-cherheitskonzept tragfähig ist.

11 3. Eine Verantwortlichkeit der Beklagten für Prospekt-mängel hat das Berufungsgericht nicht rechtsfehlerfreifestgestellt.

12 a) Nach Ziffer 3.4.1 und 3.5 des Prospekts (S. 18, 21) istdie Beklagte nicht dessen Herausgeber. Vielmehr ist die V.M. GmbH von der Fondsgesellschaft mit am 9./10. Okto-ber 2000 unterzeichneten Vertrag mit der Konzeption ei-nes Investoren-Modells zur Einwerbung des erforderlichenEigenkapitals und mit der Konzeption, textlichen Redak-tion, graphischen Gestaltung und Herstellung eines Be-teiligungsprospekts beauftragt worden. Sie durfte zur Er-füllung ihrer vertraglichen Pflicht Dritte einschalten. Diesund die hierfür vereinbarte Vergütung von 0,7 v. H. desKommanditkapitals (Investitionsvolumens) sind im Pros-pekt unter dem Stichwort Projektaufbereitung (Ziffer3.4.1) ausgewiesen. Darüber hinaus wird die V. M. GmbHunter Ziffer 3.5 (Partner im Überblick) als für die Prospekt-herausgabe verantwortlich bezeichnet. Sie ist daher – ne-ben der ursprünglichen Komplementärin der Fondsge-sellschaft, der V. F. GmbH, die in dem angeführten Vertragals „Initiator” genannt wird – für den Inhalt des Prospektsverantwortlich.

13 b) Im Ausgangspunkt zutreffend zieht das Berufungsgerichtaber eine Verantwortlichkeit der Beklagten aufgrund desUmstands in Betracht, dass sie nach dem Prospekt mit ei-ner Vielzahl von Aufgaben betraut war und dass ihr tat-sächlicher Einfluss auf die Durchführung des Projektsdurch verschiedene vertragliche Abreden belegt wird. EineProspektverantwortlichkeit ergibt sich hieraus jedoch nurdann, wenn die Beklagte als „Hintermann” bzw. als (zu-mindest) Mitinitiatorin anzusehen wäre (s. hierzu bereitsSenatsurteile vom 14 Juni 2007 – III ZR 125/06 – WM 2007,1503, 1505 f Rn. 17-22; III ZR 185/05 – NJW-RR 2007, 1479f Rn. 9-13). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts-hofs haften neben den Gründern, Initiatoren und Gestal-tern der Gesellschaft – soweit sie das Management bildenoder beherrschen – als so genannte Hintermänner ebensoalle Personen, die hinter der Gesellschaft stehen und auf ihrGeschäftsgebaren oder die Gestaltung des konkreten Mo-dells besonderen Einfluss ausüben und deshalb Mitver-antwortung tragen (vgl. BGHZ 79, 337, 340; 115, 213, 217f; Senatsurteil vom 1. Dezember 1994 – III ZR 93/93 – NJW1995, 1025; BGH, Urteil vom 27. Januar 2004 – XI ZR 37/03– NJW 2004, 1376, 1379; Senatsurteil BGHZ 158, 110, 115).Dabei kommt es nicht darauf an, ob sie in dieser Einfluss-nahme nach außen in Erscheinung getreten sind odernicht (vgl. BGHZ 72, 382, 387; 79, 337, 340). Anknüp-fungspunkt für die Haftung ist, da vertragliche oder per-

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sönliche vorvertragliche Beziehungen zur Anbahnung ei-nes Vertragsverhältnisses zwischen dem Anleger und die-sem Personenkreis nicht zustande kommen, dessen Ein-fluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des in Fragestehenden Projekts (vgl. BGHZ 115, 213, 227; Senatsurteilvom 1. Dezember 1994 aaO). Als in diesem Sinn Verant-wortliche kommen in erster Linie Geschäftsführer undMehrheitsgesellschafter in Betracht, weil diese die Geschi-cke der Initiatorengesellschaft bestimmen (vgl. BGHZ 111,314, 318 f). In der Rechtsprechung sind auch schon mitähnlichem Einfluss versehene Personen, etwa ein Gene-ralbevollmächtigter (vgl. BGHZ 79, 337, 343) und der Leitereiner für die Baubetreuung zuständigen „Planungsge-meinschaft” (vgl. BGHZ 76, 231, 233 f), der Prospekthaf-tung unterworfen worden. Die gesellschaftsrechtliche Aus-gestaltung der wahrgenommenen Funktion ist nichtausschlaggebend, sondern der „Leitungsgruppe” (vgl.BGHZ 79, 337, 341) können alle Personen zugerechnet wer-den, denen ähnliche Schlüsselfunktionen zukommen. Dasim jeweiligen Fall festzustellen, ist eine im Wesentlichentatrichterliche Aufgabe.

14 c) Ausgehend hiervon ergibt sich aus den Feststellungendes Berufungsgerichts, dass die Beklagte im Zusammen-hang mit der Auflegung dieses Filmfonds wesentliche Auf-gaben wahrzunehmen hatte. Nach Ziffer 3.4.3 (S. 18 desProspekts) war sie von der Fondsgesellschaft mit der Bera-tung bei der Auswahl und Heranziehung potentieller Ver-tragspartner sowie der Optimierung des gesamten Ver-tragswerks beauftragt worden, wofür ihr im Vertrag vom19./22. Mai 2000 eine Vergütung von 1,8 v. H. des Kom-manditkapitals versprochen war. Darüber hinaus war sie –ebenfalls durch am 19./22. Mai 2000 geschlossenen Vertrag– mit der Vermittlung des Eigenkapitals betraut, wofür sieeine Provision von 9,8 v.H. der Kommanditeinlage unddas Agio von 5 v.H. erhielt, wie sich aus einem nachträg-lichen Ergänzungsblatt vom 14. Juli 2000 zum Prospektergibt. Mit der V. M. GmbH schloss sie einen undatiertenVertrag, nach welchem sie gegen eine Vergütung von 0,35v. H des eingeworbenen Kommanditkapitals einen Pros-pektentwurf zur Einwerbung von Eigenkapital erstellensollte. Sie erteilte auch der Beklagten zu 2 den von diesermit Schreiben vom 2. Juni 2000 bestätigten Auftrag, denvon ihr erarbeiteten Prospekt zu prüfen, obwohl der zwi-schen der Fondsgesellschaft und der V. M. GmbH ge-schlossene Vertrag vorsah, dass die Fondsgesellschaft eineentsprechende Prospektprüfung in Auftrag geben sollte.Gegenüber Vertriebspartnern wie der C. Bank und der B.Bank übernahm die Beklagte neben der Fondsgesellschaftdie Haftung für die Richtigkeit und Vollständigkeit dervon ihr zur Verfügung gestellten Unterlagen, Daten undFakten, insbesondere für die Richtigkeit und Vollständig-keit des Fondsprospekts, und verpflichtete sich zu derenFreistellung von Haftungsansprüchen für den Fall der Un-richtigkeit, Unvollständigkeit oder irreführender Wirkun-gen des Prospekts. Gegenüber den Anlegern trat sie alsEinzahlungstreuhänderin in Erscheinung, die für die Ab-buchung der geschuldeten Kommanditeinlagen Sorge trug.

15 d) Wenn auch jedes einzelne der genannten Elemente fürsich gesehen nicht ausreicht, um den für die Verantwort-lichkeit des Hintermanns erforderlichen bestimmendenEinfluss auf die Initiierung des Projekts zu belegen – derBundesgerichtshof hat die bloße Mitwirkung an der Her-ausgabe des Prospekts (vgl. BGHZ 79, 337, 348 f) oder an

dessen Gestaltung (Urteil vom 8. Dezember 2005 – VII ZR372/03 – NJW-RR 2006, 610 f Rn. 14) für ebenso wenig aus-reichend erachtet wie die nur in Teilbereichen ausgeübteEinflussnahme (Urteil vom 31. März 1992 – XI ZR 70/91 –NJW-RR 1992, 879, 883 f) –, liegt hier doch eine Verbin-dung mehrerer wesentlicher Tätigkeiten vor, die zunächsteinmal auf eine erhebliche Einwirkung in tatsächlicherHinsicht hinweisen. Es treten – wie die Klägerin geltendgemacht hat – Umstände hinzu, die indiziell dafür spre-chen, dass die Beklagte in Bezug auf die Erstellung desProspekts nicht darauf beschränkt war, Vorarbeiten fürdie V. M. GmbH zu leisten. Hierzu fällt insbesondere auf,dass der Vertrag zwischen der Fondsgesellschaft und derV. M. GmbH erst am 9./10. Oktober 2000 und damit zueinem Zeitpunkt unterzeichnet worden ist, als der Pros-pekt längst erstellt und durch die Beklagte zu 2 überprüftwar. Auf den Umstand, dass die Beklagte zu 2 den Prüf-auftrag durch die Beklagte erhielt und nicht – wie im Ver-trag vom 9./10. Oktober 2000 vorgesehen – durch dieFondsgesellschaft, ist bereits hingewiesen worden. Gegeneine normale geschäftsmäßige Behandlung spricht auchder undatierte Vertrag zwischen der V. M. GmbH und derBeklagten über die Erstellung eines Prospektentwurfs, dernur eine Seite umfasst und neben der Vergütungsrege-lung (0,35 v. H. des Kommanditkapitals) den geschuldetenLeistungsinhalt nur in der Art eines Schlagworts enthält.

16 e) Auch wenn aufgrund der genannten Umstände undIndizien, die Annahme einer Prospektverantwortlichkeitder Beklagten nahe liegen mag, kann der Beurteilung desBerufungsgerichts nicht beigetreten werden, dass alleinaus der Schilderung der Einbindung der Beklagten in dasProjekt ein Vertrauen der Anleger dahin begründet wer-de, sie stehe für die Richtigkeit aller oder auch nur be-stimmter Prospektaussagen ein. Dass die Beklagte insoweitim Prospekt mit eigenen Erklärungen hervorgetreten wä-re, ist nicht erkennbar. Aus dem Prospekt ergibt sich zwar,dass die Beklagte mit der „Optimierung des gesamten Ver-tragswerks” betraut war. Was das im Einzelnen zu bedeu-ten hat, ist aber nicht näher dargestellt; vor allem wirdaus dem Prospekt nicht deutlich, dass die Beklagte mitder textlichen Redaktion, graphischen Gestaltung undHerstellung des Beteiligungsprospekts beauftragt war, so-dass nicht zu erkennen ist, in welcher typisierten Weise einAnleger darauf hätte vertrauen können, dass die Beklagtefür den Prospektinhalt einstehen wollte. Die Wiedergabeder Leistungsverträge und der Partner im Prospekt (S. 18-21) dient vor allem der Unterrichtung der Anleger, umgegebenenfalls Verflechtungen erkennen und die Auf-merksamkeit hierauf richten zu können. Natürlich wirdauch eine (verkaufsfördernde) Wirkung dadurch erzieltwerden können, dass der Anleger über die Mitwirkung ei-nes als seriös angesehenen Unternehmens bei der Vorbe-reitung eines geschäftlichen Vorhabens informiert wird.

Daraus folgt jedoch nicht, dass dieses Unternehmen einebesondere Verantwortung für die von ihm bearbeitetenBereiche übernimmt. Der Umstand, dass die Konzeptionvon Beteiligungsangeboten zum Gegenstand des Unter-nehmens der Beklagten gehört, bedeutet auch für sich ge-sehen kein Maß allgemein anerkannter beruflicher Sach-kunde, um hieraus eine Garantenstellung zu entwickeln,wie sie etwa für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuer-berater, Gutachter und Sachverständige für ihren jeweili-gen beruflichen Bereich anerkannt ist. Fehlen daher – wie

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hier – eigene Erklärungen der Beklagten, kommt ihre Pros-pektverantwortlichkeit nur in Betracht, wenn sie in eige-ner Verantwortlichkeit wichtige Schlüsselfunktionen beider Gestaltung des konkreten Projekts wahrgenommenhat. Dies kann tatrichterlich nicht festgestellt werden,ohne dass die Beweisantritte der Parteien zur Gestaltungdes Prospekts und zur Aufgabenverteilung zwischen derProspektherausgeberin und der Beklagten berücksichtigtwerden. Darüber hinaus hat die Klägerin für eine Pros-pektverantwortlichkeit der Beklagten weiter angeführtund unter Beweis gestellt, die V. M. GmbH sei eigens zudem Zweck aus einem GmbH-Mantel entwickelt worden,um anstelle der Beklagten für die Herausgabe des Prospektsverantwortlich zu zeichnen. Hierüber muss im gegebe-nen Fall ebenfalls Beweis erhoben werden.

III.

17 Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen,damit die erforderlichen Feststellungen getroffen werdenkönnen.

18 Soweit es um die von der Beklagten erhobene Verjäh-rungseinrede geht, weist der Senat auf Folgendes hin:

19 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verjährenProspekthaftungsansprüche im engeren Sinn bei einer ge-sellschaftsrechtlichen Beteiligung in analoger Anwendungder in den gesetzlich geregelten Fällen der Prospekthaftungbestimmten kurzen Verjährung (§ 20 Abs. 5 KAGG, § 12 Abs.5 AuslInvestmG, jeweils in der bis zum 30. Juni 2002 gel-tenden Fassung) in – seinerzeit- sechs Monaten ab Kennt-nis des Prospektmangels, spätestens jedoch in drei Jahrennach dem Beitritt (vgl. BGHZ 83, 222, 224; BGH, Urteilvom 8. Juni 2004 – X ZR 283/02 – NJW 2004, 3420, 3421;Senatsbeschluss vom 31. Oktober 2007 – III ZR 258/05 –Rn. 7; Senatsurteil vom 22. November 2007 – III ZR 210/06– Rn. 13). Insoweit wird das Berufungsgericht den Vortragder Parteien darauf zu überprüfen haben, wann die Kläge-rin von dem hier festgestellten Prospektmangel, nämlichder unklaren Aussage über das Ausmaß der mit der Beteili-gung einzugehenden Risiken, Kenntnis erlangt hat.

20 Sollte sich im weiteren Verfahren ergeben, dass die Beklagtenicht als prospektverantwortlich anzusehen ist oder dassProspekthaftungsansprüche verjährt sind, müsste über denoben zu II 2 b wiedergegebenen Sachvortrag Beweis erho-ben werden. Denn bei der behaupteten Kenntnis der Be-klagten kommt – unabhängig vom Grad ihrer Einflussnah-me auf die Gestaltung des Prospekts und anders als dasBerufungsgericht meint – ihre deliktsrechtliche Verantwort-lichkeit nach §§ 31, 826, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit§ 264a StGB in Betracht (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom14. Juni 2007 – III ZR 125/06 – WM 2007, 1503, 1506 Rn. 23).Für die Frage, ob ein denkbarer deliktischer Anspruch ver-jährt ist, müsste das Berufungsgericht einen selbstständigzu beurteilenden Verjährungsbeginn in Betracht ziehen.

Veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen;hinreichende Wahrscheinlichkeit i. S. v. § 13 Abs. 1S. 3 WpHG; Pflicht des Gerichts zur Herbeiführungeindeutiger Prozesserklärungen

a) Veröffentlichungspflichtige Insiderinformationen i. S. von§ 13 Abs. 1 Satz 1 WpHG können auch zukunftsbezogene

Umstände, wie Pläne, Vorhaben und Absichten einer Personsein, wenn die Tatsachen, auf die sie sich beziehen, sich zwarnoch nicht endgültig manifestiert haben, jedoch i. S. des§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG hinreichend präzise sind und ihreVerwirklichung hinreichend wahrscheinlich ist.

b) Das Tatbestandsmerkmal der hinreichenden Wahrschein-lichkeit i. S. des § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG ist jedenfalls dannerfüllt, wenn eine „überwiegende” Wahrscheinlichkeit – d. h.eine Eintrittswahrscheinlichkeit von über 50 % – besteht.

c) Der Tatrichter darf bisher streitige Tatsachen nur dann alszugestanden ansehen, wenn die betroffene Partei ihreAbsicht, sie bestreiten zu wollen, unmissverständlich fallengelassen hat. Im Zweifel hat das Gericht im Rahmen der ihmobliegenden Erörterungs- und Fragepflicht eine eindeutigeProzesserklärung der betroffenen Partei herbeizuführen.

BGH, Urt. v. 25.02.2008, Az.: II ZB 9/07 (vormals OLG Stuttgart)

(ID 41109)

Aus den Gründen:

I.

1 Der Musterkläger begehrt aus von seinem Vater abgetre-tenem Recht von der börsennotierten Musterbeklagten –die im hier maßgeblichen Zeitraum als „D. C. AG” fir-mierte – Schadensersatz wegen angeblich verspäteter Ad-hoc-Mitteilung über das vorzeitige Ausscheiden ihres da-maligen Vorstandsvorsitzenden Prof. S.

2 Der Aufsichtsrat der Musterbeklagten beschloss in seinerSitzung vom 28. Juli 2005 gegen 9.50 Uhr, dass Prof. S. zum31. Dezember 2005 aus dem Amt des Vorstandsvorsitzen-den ausscheide und Dr. Z. sein Amtsnachfolger werdensolle. Hiervon informierte die Musterbeklagte die Ge-schäftsführungen der Börsen und der Bundesanstalt für Fi-nanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) um 10.02 Uhr. Um10.32 Uhr wurde die Ad-hoc-Mitteilung in der Meldungs-datenbank der Deutschen Gesellschaft für Ad-hoc-Publi-zität (DGAP) veröffentlicht, nachdem zuvor um 9.30 Uhrdie Unternehmensergebnisse der Musterbeklagten für daszweite Quartal 2005 in gleicher Form mitgeteilt wordenwaren. Nach der Mitteilung der Quartalszahlen stieg derKurs der Aktien der Musterbeklagten zunächst auf 38,70B, nach der Meldung über das Ausscheiden Prof. S. nocham selben Tag auf 40,40 B und in der Folgezeit auf 42,95 B.Der Vater des Musterklägers hatte an jenem 28. Juli 2005um 9.00 Uhr 800 Aktien der Musterbeklagten zum Kursvon 36,50 B und bereits vorher am 16. Mai 2005 100 Ak-tien der Musterbeklagten zum Kurs von 31,85 B verkauft.

3 Der Musterkläger trägt vor, Prof. S. habe bereits im Mai2005 in einem Gespräch gegenüber dem Aufsichtsrats-vorsitzenden K. erklärt, dass er sein Amt als Vorstands-vorsitzender vorzeitig, und zwar zum 31. Dezember 2005,„zur Verfügung stelle”; dies sei als einseitige Amtsnieder-legung zu verstehen gewesen. Ein derartiges vorzeitigesAusscheiden Prof. S. habe auch schon im Mai 2005 zwi-schen diesem, K. und dessen Stellvertreter Kl. festgestan-den. Ein wesentlicher Teil des Aufsichtsrats sei jedenfallsvor der Aufsichtsratssitzung vom 28. Juli 2005 informiertgewesen.

Deshalb habe die Musterbeklagte eine kontroverse Dis-kussion in der Aufsichtsratssitzung nicht erwartet; insbe-

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sondere sei auch der Aufsichtsrat der Beschlussempfeh-lung seines Vorsitzenden K. bislang immer gefolgt. Dem-gegenüber behauptet die Musterbeklagte, der Aufsichtsratals Gesamtgremium habe vor dem 28. Juli 2005 keineKenntnis von den Überlegungen des Vorstandsvorsitzen-den über dessen – einvernehmlich zu vereinbarendes –vorzeitiges Ausscheiden gehabt. Da Prof. S. noch bis zumJahr 2008 bestellt gewesen sei, sei die überwiegende Mehr-heit der Mitglieder des Aufsichtsrats von dessen Ansin-nen überrascht worden.

4 Auf Vorlagebeschluss des Landgerichts hat das Oberlan-desgericht durch Musterentscheid vom 15. Februar 2007(ZIP 2007, 481) festgestellt, dass „durch die Vorgänge imZusammenhang mit dem vorzeitigen Ausscheiden desehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Musterbeklagten,Prof. S., eine Insiderinformation im Sinne des § 37 b Abs. 1WpHG erst am 28. Juli 2005 um ca. 9.50 Uhr entstandenist und dass die Musterbeklagte diese unverzüglich veröf-fentlicht hat”. Angesichts dessen hat das Oberlandesge-richt über die ihm vom Landgericht vorgelegten zehn wei-teren – hilfsweise gestellten – Feststellungsanträge, die imWesentlichen eine etwaige Selbstbefreiung der Musterbe-klagten nach § 15 Abs. 3 WpHG sowie weitere Vorausset-zungen des vom Musterkläger geltend gemachten Scha-densersatzanspruchs nach § 37 b WpHG betrafen, keineEntscheidung mehr getroffen. Gegen diesen Beschlusswendet sich der Musterkläger mit der Rechtsbeschwerde,welcher der Beigeladene L. M. beigetreten ist.

II.

5 Die zulässige Rechtsbeschwerde des Musterklägers, diegemäß § 15 Abs. 1 Satz 2 KapMuG kraft Gesetzes stetsgrundsätzliche Bedeutung i. S. des § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPOhat, ist begründet, weil der angefochtene Musterentscheidin einem zentralen Streitpunkt auf verfahrensfehlerhaftenTatsachenfeststellungen beruht.

6 1. Das Oberlandesgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

7 Eine Insiderinformation über den Wechsel in der Füh-rungsspitze der Musterbeklagten sei i. S. von §§ 13, 15, 37b Abs. 1 WpHG erst mit der unverzüglich veröffentlich-ten Beschlussfassung durch den Aufsichtsrat am 28. Juli2005 entstanden, da bei verständiger Würdigung des un-streitigen Geschehensablaufs eine einvernehmliche sog.„gesamthafte” Aufhebung der Bestellung Prof. S. s mitgleichzeitiger Nachfolgeregelung gewollt gewesen undfür diese Entscheidung ausschließlich der Gesamtauf-sichtsrat der Musterbeklagten zuständig gewesen sei. Dieeinzelnen Vorgänge im Vorfeld dieser maßgeblichen Be-schlussentscheidung des Aufsichtsrats stellten nicht be-reits – die Veröffentlichungspflicht begründende – Insi-derinformationen dar, weil bei der erforderlichenEx-ante-Prognose keine auch nur überwiegende Wahr-scheinlichkeit dafür bestanden habe, dass die vom Auf-sichtsratsvorsitzenden K. vorgeschlagene „Gesamtlösung”durch das Gesamtorgan gebilligt würde. Das gelte insbe-sondere für die erstmals im Mai 2005 von Prof. S. an K. her-angetragene Absicht, sein Amt vorzeitig zur Verfügung zustellen. Die entsprechende Erklärung Prof. S. vom 17. Mai2005 sei nicht als einseitiger Rücktritt auszulegen, zumalder Musterkläger seine diesbezügliche Behauptung in sei-nem letzten Schriftsatz vom 1. Februar 2007 nicht auf-rechterhalten habe. Selbst wenn man aber von einer Auf-

rechterhaltung der Behauptung einer einseitigen Amts-niederlegung ausgehe, fehle es insoweit an einem präzisenSachvortrag des Musterklägers. Jedenfalls sei es diesem,nachdem die Musterbeklagte – entsprechend der sie tref-fenden sekundären Darlegungslast – die Umstände für ei-ne beabsichtigte „gesamthafte” Nachfolgeregelung vor-getragen habe, möglich gewesen, die an dem Gesprächbeteiligten Prof. S. und K. als Zeugen für den ihm oblie-genden Nachweis zu benennen, dass diese Darstellungnicht wahr sei. Trotz gerichtlichen Hinweises auf dieseRechtslage in der mündlichen Verhandlung vor dem Ober-landesgericht habe der Musterkläger jedoch keinen „Be-weis für den behaupteten einseitigen Rücktritt” angebo-ten. Eine Beweisaufnahme sei auch nicht zu derBehauptung des Musterklägers im nachgereichten Schrift-satz vom 1. Februar 2007 erforderlich gewesen, Prof. S.habe gegenüber K. erklärt, er stelle sein Amt zur Verfü-gung, weil diese Äußerung Ausdruck des Bestrebens nacheinem einvernehmlichen, nur mit Zustimmung des Auf-sichtsrats wirksamen Ausscheiden gewesen sei.

8 2. Diese Beurteilung des Oberlandesgerichts hält in demzentralen Punkt der Einordnung der Äußerungen Prof. S.s gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden K. im Mai2005 über die „Zurverfügungstellung seines Amtes” als un-streitige einvernehmliche Ausscheidensregelung derrechtlichen Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahrennicht stand. Sie beruht auf einem Fehlverständnis und ei-nem dadurch bedingten verfahrensfehlerhaften Überge-hen des diesbezüglichen entscheidungserheblichen (strei-tigen) Vorbringens des Musterklägers einschließlich seinerBeweisantritte (§ 286 ZPO, Art. 103 Abs. 1 GG).

9 a) Mit dem Musterfeststellungsantrag verfolgte der Mus-terkläger im Rahmen des Feststellungsziels die gerichtli-che Feststellung, dass das vorzeitige Ausscheiden Prof. S. sbereits im Mai 2005 feststand und daher als Insidertatsachebereits zu diesem Zeitpunkt zu veröffentlichen gewesen wä-re (GA II, 224 ff.). Schon dort behauptete er konkret, dassProf. S. im Mai 2005 die Niederlegung seines Amtes zumJahresende jedenfalls gegenüber dem Aufsichtsratsvorsit-zenden K. erklärt habe, mit der Folge der Beendigung sei-nes Organverhältnisses (GA II, 132). Dementsprechend hatdas Landgericht in seinem Vorlagebeschluss vom 3. Juli2006 bei der Darstellung der Angriffs- und Verteidigungs-mittel (§ 4 Abs. 2 Nr. 4 KapMuG) korrekt als Streitpunktzum Vorliegen einer Insiderinformation die Behauptungaller Kläger aufgeführt, „Prof. S. habe gegenüber Herrn K.definitiv erklärt, dass er zurücktrete”; umgekehrt bestreitedie Beklagte den „einseitigen Rücktritt von Prof. S. gegen-über dem Aufsichtsratsvorsitzenden K.”

10 b) Diese zentrale Behauptung zur einseitigen Rücktrittser-klärung Prof. S. s hat der Musterkläger – entgegen der An-nahme des Oberlandesgerichts – zu keinem Zeitpunktwährend des Musterverfahrens vor dem Oberlandesge-richt fallengelassen. Von dem Streitigsein dieser Kerntat-sache scheint auch das Oberlandesgericht zumindest nochim maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlungvom 20. Dezember 2006 ausgegangen zu sein, da es dort– ausweislich der Beschlussgründe – den Musterkläger le-diglich darauf hingewiesen hat, er habe „für den behaup-teten einseitigen Rücktritt” keinen Beweis angeboten (wasfreilich auch unzutreffend war), obwohl es ihm möglichgewesen sei, die beteiligten Prof. S. und K. als Zeugen da-für zu benennen, dass die (gegenteilige) Darstellung der

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Musterbeklagten unwahr sei. Angesichts dessen ist diezur tragenden Grundlage des Musterentscheids gemachteAnnahme des Oberlandesgerichts, der Musterkläger habeseine Behauptung des (einseitigen) Rücktritts mit dem –erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung einge-reichten, nicht nachgelassenen – Schriftsatz vom 1. Fe-bruar 2007 fallen gelassen, weil dort nur noch davon dieRede sei, S. habe „sein Amt vorzeitig (…) zur Verfügung ge-stellt”, nicht haltbar. Schon dem Gesamtzusammenhangjenes nachgereichten Schriftsatzes ist unmissverständlichdie Absicht des Musterklägers zu entnehmen, seinen bis-herigen streitigen, nunmehr mit ergänzenden Beweismit-teln versehenen Sachvortrag aufrechtzuerhalten (vgl.§ 138 Abs. 3 ZPO) und damit das in der mündlichen Ver-handlung erörterte Vorhaben des Berufungsgerichts, dieSache ohne Beweisaufnahme „durchzuentscheiden”, zubekämpfen: So wurde bereits eingangs jenes Schriftsatzeshervorgehoben, die – nach Ansicht des Musterklägers er-forderliche – Beweisaufnahme werde ergeben, dass Prof.S. sein Amt als Vorstandsvorsitzender einseitig wirksamvorzeitig zur Verfügung gestellt hat (GA OLG 63); die geg-nerische Behauptung einer einvernehmlichen Gesamtlö-sung auch der Nachfolgefrage stelle eine – nach anwalt-licher Beratung im Vorfeld sorgfältig mit allen aufBeklagtenseite Beteiligten abgestimmte und synchroni-sierte – Schutzbehauptung dar, die die Beweisaufnahme„falsifizieren wird”. Schon deshalb ist der nochmals kon-kretisierte Vortrag, Prof. S. habe in einem der Gesprächegegenüber K. ausdrücklich erklärt, dass er sein Amt als Vor-standsvorsitzender sowie als Vorstandsmitglied vorzeitig,und zwar zum 31. Dezember 2005, „zur Verfügung stellt”(Beweis: Zeugnis S. und K.), ersichtlich nur als Aufrech-terhaltung des dem Rechtsbegriff des „einseitigen Rück-tritts” bzw. der „Amtsniederlegung” zugrunde liegendenTatsachenkerns zu verstehen. Unübersehbar – aber vomOberlandesgericht verkannt – zieht der Musterkläger an-schließend das Resumée, dass „die Erklärung Herrn Prof.S. s und das Einverständnis Herrn K. s hiermit in seinerFunktion als Aufsichtsratsvorsitzenden nur als Amtsnie-derlegung Herrn Prof. S. s gewertet werden kann”, diedurch einseitige, empfangsbedürftige und formlose Erklä-rung gegenüber dem Aufsichtsrat habe erfolgen können.

11 Wen das Oberlandesgericht gleichwohl gemeint hat, selbstzu diesen Behauptungen im Schriftsatz vom 1. Februar2007 sei eine Beweisaufnahme nicht geboten gewesen,weil die dort wiedergegebene Äußerung S. s über eine Zur-Verfügung-Stellung seines Amtes als einvernehmlichesAusscheiden aus dem Amt auszulegen sei, so hat es damitden bereits zuvor begangenen Verfahrensfehler einer Fehl-interpretation des klägerischen Sachvortrags im Sinne ei-nes vermeintlich unstreitig gewordenen Geschehensab-laufs verfestigt und dadurch zugleich objektiv gegen dasVerbot der vorweggenommenen Beweiswürdigung ver-stoßen.

12 Angesichts des weiterhin streitigen Geschehensablaufswar die Erhebung der vom Musterkläger angebotenen Be-weise – entgegen der Ansicht des Oberlandesgerichts – pro-zessual geboten. Zu diesem Zweck hätte die mündlicheVerhandlung zumindest nach § 156 ZPO wiedereröffnetwerden müssen.

13 c) Soweit das Oberlandesgericht in einer Hilfsüberlegungvon einer Aufrechterhaltung des Vortrags des Musterklä-gers bezüglich eines einseitigen Rücktritts Prof. S. s ausge-

gangen ist und gemeint hat, für diesen Fall fehle es an ei-nem präzisen Sachvortrag des Musterklägers, ist dies nichtnur widersprüchlich, sondern schon im Ansatz verfehlt.Denn für einen schlüssigen Vortrag reichte es – wie dasOberlandesgericht an anderer Stelle seiner Entscheidungzutreffend angenommen hat – aus, dass der Kläger nichtnur den diesbezüglichen gegenteiligen Vortrag eines ein-vernehmlichen Ausscheidens Prof. S. s aus dem Amt be-stritten, sondern zudem behauptet hat, dieser habe beijener Gelegenheit das Gegenteil erklärt, nämlich eine ein-seitige Zur-Verfügung-Stellung des Amtes im Sinne derAmtsniederlegung bzw. des Rücktritts, und zwar zum Jah-resende.

14 d) Schließlich ist auch die weitere Hilfsüberlegung desOberlandesgerichts, der Musterkläger habe im Zeitpunktder mündlichen Verhandlung vom 20. Dezember 2006 fürden ihm obliegenden einseitigen Rücktritt keinen Beweisangeboten, schon insoweit unzutreffend, als dieser be-reits in seiner Antragsschrift vor dem Landgericht durchZeugnis des Aufsichtsratsvorsitzenden K. u. a. unter Beweisgestellt hat, dass bereits im Mai 2005 zwischen S. , K. undKl. das vorzeitige Ausscheiden Prof. S. s festgestanden ha-be; dieses Vorbringen beinhaltete zugleich die weiterge-hende, an anderer Stelle des Musterfeststellungsantragsdeutlicher aufgestellte Behauptung über die einseitigeAmtsniederlegung Prof. S. s gegenüber K. im Mai 2005.Insoweit war der vom Berufungsgericht nach seiner Dar-stellung im Musterentscheid gegebene Hinweis gemäߧ 139 ZPO auf die Rechtslage in der mündlichen Ver-handlung sogar unzutreffend. Die ergänzende BenennungProf. S. s als Zeugen neben dem bereits benannten K. imSchriftsatz vom 1. Februar 2007 war daher auch nicht un-ter dem Blickwinkel einer etwaigen Verspätung zu bean-standen. Vielmehr wäre selbst unter diesem Aspekt dieWiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gebotengewesen.

15 3. Der aufgezeigte Verfahrensfehler ist entscheidungser-heblich, weil in dem Fall, dass die vom Musterkläger be-hauptete einseitige definitive Amtsniederlegung durchProf. S. im Mai 2005 zum Ende jenes Jahres zutrifft, zwei-fellos bereits zu diesem Zeitpunkt eine Insiderinforma-tion i. S. der §§ 13, 15 WpHG vorgelegen hat, deren un-verzügliche Veröffentlichung die Musterbeklagteentsprechend dem Feststellungsantrag des Musterklägersnach § 37 b Abs. 1 WpHG unterlassen hätte.

III.

16 1. Aufgrund des Verfahrensfehlers ist die angefochteneEntscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten Ver-handlung und Entscheidung über den Musterantrag aneinen anderen Senat des Oberlandesgerichts zurückzu-verweisen (§ 577 Abs. 4 ZPO), damit es die zu Unrechtunterlassene Beweiserhebung zu der streitigen ÄußerungProf. S. s gegenüber dem Aufsichtsratsvorsitzenden K. imMai 2005 bezüglich der „Zur-Verfügung-Stellung seinesAmtes” nachholen kann. In diesem Zusammenhang wirdzugleich der für die umstrittene USA-Reise Prof. S. s undK. s im Mai 2005 zu Dr. Z. angebotene Beweis zu erhebensein, da diesem Umstand zumindest indizielle Bedeutungfür die Beantwortung der Streitfrage einer einseitigen oderaber einverständlichen Amtsniederlegung mit anschlie-ßender Nachfolgeregelung zukommen kann.

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17 2. Im Übrigen weist der Senat für die weitere Verhand-lung auf Folgendes hin:

18 Sollte das Oberlandesgericht nach dem Ergebnis derdurchzuführenden Beweisaufnahme nunmehr in verfah-rensrechtlich einwandfreier Weise wiederum zu der Über-zeugung gelangen, dass zwischen den Beteiligten eineeinvernehmliche Aufhebung der Bestellung, ggf. in Ver-bindung mit einer gleichzeitigen Nachfolgeregelung, be-absichtigt bzw. vereinbart war, die zur Wirksamkeit zwin-gend einer Beschlussfassung durch den gesamtenAufsichtsrat bedurfte, während eine einseitige Amtsnie-derlegung Prof. S. s weder im Mai noch in der weiteren Zeitbis zu der Aufsichtsratsentscheidung vom 25. Juli 2007ausgesprochen wurde, so wäre das Oberlandesgericht ausRechtsgründen nicht gehindert, den Musterentscheidwiederum mit der gleichlautenden inhaltlichen Feststel-lung wie in der angefochtenen Entscheidung vom 15. Feb-ruar 2007 zu treffen.

19 Denn entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde würdedie bisherige rechtliche Würdigung des Oberlandesge-richts einer einvernehmlichen Regelung des Ausscheidensvon Prof. S., verbunden mit der gleichzeitigen Regelungder Rechtsnachfolge – im Falle ihrer verfahrensrechtlicheinwandfreien Feststellung – nicht auf der Anlegung ei-nes fehlerhaften rechtlichen Maßstabes im Hinblick aufden Begriff der Insiderinformation i. S. von § 13 WpHG,insbesondere hinsichtlich des Grades der Eintrittswahr-scheinlichkeit (§ 13 Abs. 1 Satz 3 WpHG), beruhen.

20 a) Das Oberlandesgericht hat nicht verkannt, dass bereitsPläne, Vorhaben und Absichten einer Person veröffentli-chungspflichtige Insiderinformationen i.S. von § 13 Abs. 1Satz 1 WpHG sein können (vgl. Assmann in Assmann/Schneider, WpHG 4. Aufl. § 13 Rdn. 22 und 27; Tollkühn,ZIP 2004, 2215, 2216; Harbarth, ZIP 2005, 1898, 1901).Zu Recht hat es jedoch im Hinblick auf § 13 Abs. 1 Satz 3WpHG hier darauf abgestellt, dass es darauf ankommt,wann derartige Umstände hinreichend präzise und derenVerwirklichung hinreichend wahrscheinlich waren (vgl.Assmann aaO Rdn. 27; Tollkühn aaO; Harbarth aaO).Denn bei einer Absicht Prof. S. s, einvernehmlich aus demVorstand auszuscheiden, handelt es sich insiderrechtlichum eine zukunftsbezogene Information, die eine konkre-te Information im Sinne des § 13 Abs. 1 Satz 1 WpHGund damit eine Insiderinformation nur dann sein kann,wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon aus-gegangen werden darf, dass sie in Zukunft eintreten wer-de, und sie darüber hinaus als kurserheblich zu betrach-ten ist.

21 aa) Zwar ist – mit dem Oberlandesgericht – die Kurser-heblichkeit eines feststehenden Amtswechsels in der Lei-tungsposition eines Großunternehmens wie der Muster-beklagten ohne weiteres zu bejahen. Jedoch beruht –entgegen der Auffassung des Rechtsbeschwerdeführers –die weitere Würdigung des Oberlandesgerichts, es sei vorder Entscheidung des Aufsichtsrats am 28. Juli 2005 nichthinreichend wahrscheinlich gewesen, dass dieser die an-gestrebte einvernehmliche Aufhebung mit Nachfolgere-gelung mittragen würde, keineswegs auf einer zu engenSicht des Merkmals der „hinreichenden Wahrscheinlich-keit”.

22 bb) Weder der Gesetzeswortlaut des § 13 Abs. 1 WpHGselbst noch die Durchführungsrichtlinie 2003/124/EG

der Kommission vom 22. Dezember 2003 (Abl. EU Nr.339 v. 24. Dezember 2003, Seite 70) geben Auskunft da-rüber, was unter dem in hohem Maße einzelfalldetermi-nierten Begriff der „hinreichenden Wahrscheinlichkeit”zu verstehen ist.

23 Auch die Begründung des Regierungsentwurfs des Geset-zes zur Verbesserung des Anlegerschutzes (AnSVG; BT-Drucks. 15/3174, S. 34) führt zu § 13 Abs. 1 Satz 3 WpHGlediglich aus: „Satz 3 stellt klar, dass eine Insiderinforma-tion auch dann vorliegt, wenn sie sich auf einen Um-stand oder ein Ereignis in der Zukunft bezieht, sofern des-sen Eintritt hinreichend wahrscheinlich ist. Hierzu ist einbloßes Gerücht nicht ausreichend. Vielmehr müssen kon-krete Tatsachen vorliegen, welche den Eintritt des Ereig-nisses oder des Umstandes voraussehbar erscheinen las-sen”.

24 Der Emittentenleitfaden der BaFin befasst sich zwar mitder Frage der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, stellt je-doch lediglich eine norminterpretierende Verwaltungs-vorschrift dar (vgl. nur Fleischer, ZGR 2007, 401, 404m.w.Nachw.).

25 cc) Ob hinsichtlich des Grades der Wahrscheinlichkeitanzunehmen ist, dass insoweit eine hohe Wahrschein-lichkeit zu verlangen ist, da erst in diesem Falle der Kreismöglicher zukünftiger Ereignisse und Umstände so ein-geengt wird, dass er dem Wissen um ein existentes Ereig-nis oder einen eingetretenen Umstand (vgl. § 13 Abs. 1Satz 1 WpHG) nach dem Schutzzweck des WpHG ver-gleichbar ist (vgl. Assmann in Assmann/Schneider aaO),oder ob statt dessen eine niedrigere Schwelle anzusetzenund eine „überwiegende” Wahrscheinlichkeit – d. h. eineEintrittswahrscheinlichkeit von über 50 % – ausreicht (vgl.Pawlik in Kölner Komm.z.WpHG, § 13 Rdn. 93), hat dasOberlandesgericht mit Recht offen gelassen. Denn die imvorliegenden konkreten Fall von ihm getroffene tatrich-terliche Feststellung, dass erst mit dem Beschluss des Auf-sichtsrats am 28. Juli 2005 auch im letztgenannten Sinneeine „überwiegende Wahrscheinlichkeit” gegeben gewe-sen sei, da es vor der Aufsichtsratssitzung bei der notwen-digen Ex-ante-Prognose offen war, ob die vom Aufsichts-ratsvorsitzenden K. vorgeschlagene Lösung gebilligt würdeoder nicht, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

26 Denn nur bei gegenseitigem Einvernehmen zwischen demGesamtaufsichtsrat und Prof. S. war dessen jederzeitigesAusscheiden als Vorstandsmitglied, verbunden mit der Be-stellung seines Amtsnachfolgers, ohne Weiteres möglich;hierzu bedurfte es in jedem Fall eines zustimmenden Be-schlusses des Gesamtaufsichtsrats nach § 108 AktG i.V.m.§ 84 Abs. 1, 2 AktG (vgl. Hefermehl/Spindler in Münch-KommAktG 2. Aufl. § 84 Rdn. 80, 125; Hüffer, AktG 7.Aufl. § 84 Rdn. 37; vgl. auch BGHZ 79, 38, 43 f.). Rechts-fehlerfrei hat das Oberlandesgericht unter Bezugnahmeauf die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats darauf abge-stellt, dass bei Widerspruch auch nur eines einzigen Mit-glieds des Aufsichtsrats eine Beschlussfassung zu diesemTagesordnungspunkt zwingend nicht zuzulassen gewe-sen wäre. Deshalb ist auch die Würdigung des Oberlan-desgerichts nicht zu beanstanden, dass ein verständigerAnleger zu dem Ergebnis gekommen wäre, es sei offen ge-wesen, ob der Aufsichtsrat sofort zu einer Entscheidung imSinne des Vorschlags kommen würde – d. h., dass eine Ver-tagung der Entscheidung über das Ausscheiden Prof. S. s

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und über dessen Nachfolger genauso wahrscheinlich warwie eine Beschlussfassung.

27 Zwar ist der Aufsichtsrat nach dem unstreitigen Klagevor-bringen zuvor immer den jeweiligen Beschlussempfeh-lungen seines Vorsitzenden K. gefolgt. Hieraus lässt sich je-doch kein Automatismus im Hinblick auf zukünftigesAbstimmungsverhalten herleiten. Die Unsicherheit einerhinreichend zuverlässigen Prognose wird nicht zuletztdadurch belegt, dass der Aufsichtsrat nur kurze Zeit nachseiner Entscheidung über das Ausscheiden Prof. S. s unddie Berufung Dr. Z. s zu seinem Amtsnachfolger dem Ge-such des unterlegenen Nachfolgekonkurrenten Dr. C. umdie vorzeitige Entbindung von seinem Vorstandsamt nichtentsprochen hat.

28 dd) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hatsich das Oberlandesgericht mit dieser Einschätzung nichtin Widerspruch zu seiner weiteren Feststellung gesetzt,dass die Vorbereitung der Entscheidung des Aufsichtsrats„professionell” gewesen sei. Denn die Professionalität derVorbereitung impliziert nicht zwingend, dass im Vorfeldbereits eine (definitive) Vorabstimmung erfolgt wäre.

29 ee) Eine definitive Vorabstimmung lässt sich auch nichtzwingend aus der von der Rechtsbeschwerde ins Feld ge-führten Pressemitteilung der Musterbeklagten vom 28.Juli 2005 entnehmen, der zufolge die Beschlüsse des Auf-sichtsrats vom selben Tage „nach einem sorgfältigen Pro-zess im Vorfeld einstimmig gefasst” worden seien; diesgilt erst recht für den von der Rechtsbeschwerde genann-ten Bericht von „Spiegel-Online” vom 30. Juli 2005, nachdem der Führungswechsel sorgfältig vorbereitet wordensei. Auch der zusätzlich erwähnte Umstand, dass Prof. S.im Interview vom 1. August 2005 mit der Zeitschrift „Fo-cus” erklärt habe, er habe schon seit einiger Zeit mit demAufsichtsratsvorsitzenden gesprochen und mit diesem alsgünstigsten Zeitpunkt für einen Führungswechsel das En-de des Jahres 2005 festgelegt, spricht ebenso wenig zwin-gend für eine Vorabstimmung im Aufsichtsrat wie der vomMusterkläger genannte weitere Umstand, dass die Ent-scheidung des Aufsichtsrats unstreitig innerhalb von max.30 Minuten getroffen wurde.

30 ff) In diesem Zusammenhang ist es rechtlich auch nicht zubeanstanden, dass das Oberlandesgericht der Musterbe-klagten nicht aufgegeben hat, die Protokolle jener Auf-sichtsratssitzung vorzulegen. Insoweit liegt – entgegen derAuffassung der Rechtsbeschwerde – kein Verstoß gegen die§§ 142, 286 ZPO vor. Denn in der Tat liefe der entsprechendeAntrag des Musterklägers auf eine unzulässige Ausforschunghinaus, da dieser keinen schlüssigen Vortrag dazu gehaltenhat, dass bereits vor der maßgeblichen Aufsichtsratssit-zung jedenfalls die erforderliche Mehrheit der Aufsichts-ratsmitglieder eingeweiht und einverstanden gewesen sei.Eine solche unzulässige Ausforschung nimmt das Oberlan-desgericht auch nicht „ohne Grundlage im Aktenstoff” an.Der Musterkläger hat ausweislich der tatsächlichen Fest-stellungen im Musterentscheid gerade nicht vorgetragen,dass die Entscheidung des Aufsichtsrats am 28. Juli 2005schon zuvor abgestimmt worden sei und dass nur dadurchdie Entscheidung des 20-köpfigen Aufsichtsrats innerhalbeines Zeitraums von max. 30 Minuten habe herbeigeführtwerden können. Er hat vielmehr die Vorlage verlangt, weil„dann vielleicht nachvollziehbar werden (könnte), wie indem Zeitfenster von 9.20 Uhr bis 9.50 Uhr (…) ein 20-köp-

figer Aufsichtsrat über die von der Beklagten als gesamthafteNachfolgeregelung bezeichneten Personalentscheidungenberaten sowie abstimmen konnte”. Die Folgerung des Be-rufungsgerichts, der Kläger habe damit keine Tatsache durchVorlage des Protokolls unter Beweis gestellt, sondern Infor-mationen hieraus erst gewinnen wollen, ist aus Rechts-gründen nicht zu beanstanden.

31 gg) Zu Recht hat das Oberlandesgericht in diesem Zu-sammenhang darauf hingewiesen, dass der Beschluss desAufsichtsrats im ersten Wahlgang einer 2/3-Mehrheit indem mit 20 Personen paritätisch aus Anteilseigner- undArbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsrat bedurfte,da die Musterbeklagte unstreitig dem Mitbestimmungsge-setz unterfällt. Deswegen war es aus Sicht eines verständi-gen Anlegers seinerzeit durchaus nicht selbstverständlich,dass der Aufsichtsrat den letztlich vorgeschlagenen Dr. Z.ohne Weiteres akzeptieren und damit zugleich einer ein-vernehmlichen Ausscheidensregelung für Prof. S., ohnedass ein Nachfolger bereits sicher bestimmt war, zustimmenwürde. Entscheidend war insoweit, dass – so die rechtlichnicht zu beanstandende Würdigung des Oberlandesgerichts– aus Sicht des verständigen Anlegers ein isolierter – d. h. einohne die gleichzeitige Entscheidung zugunsten eines Nach-folgers gefasster – Beschluss, Prof. S. werde aus seinen Ver-pflichtungen entlassen, zumindest unrealistisch erschien.

32 hh) Dass zu irgendeinem Zeitpunkt vor dem maßgeb-lichen Aufsichtsratsbeschluss mit „hinreichender” Wahr-scheinlichkeit klar gewesen wäre, dass sich der Aufsichts-rat in jedem Fall auf irgendeinen Nachfolger einigenwürde, ist bislang weder seitens des Musterklägers nochseitens des beigetretenen Beigeladenen vorgetragen wor-den und auch nach Aktenlage sonst nicht ersichtlich.

33 ii) Was schließlich die Äußerung Prof. S. s in der Veran-staltung vom 19. Juli 2005 betrifft, er habe demnächst et-was Wichtiges zu verkünden, so muss dies – worauf dasOberlandesgericht nachvollziehbar hingewiesen hat – kei-neswegs zwingend den Führungswechsel betroffen haben,sondern kann sich ebenso gut auf die positiven Ertrags-zahlen bezogen haben, die die Musterbeklagte am Tag derAufsichtsratssitzung noch vor der Mitteilung der Ent-scheidung über den Wechsel im Vorstandsamt veröffent-licht hat und die eine noch höhere Steigerung des Ak-tienkurses (um 6 %) zur Folge hatte als die weitereSteigerung nach der Verkündung des Folgeereignisses.

Kausalität der Haustürsituation für Abgabe der Wil-lenserklärungen; restriktive Ausgestaltung der Haf-tung der finanzierenden Bank bei den atypischenfremd finanzierten Immobilienerwerbermodellen

1. Aufgrund des zeitlichen Abstandes von drei Wochen unddem zwischenzeitlichen Notartermin entfällt die Kausalitäts-vermutung der vorangegangenen Haustürsituation für dieAbgabe der Willenserklärung.

2. Dass eine Überrumpelungssituation gleichwohl fortbe-standen habe, hat der überrumpelte Verbraucher konkretdarzulegen und zu beweisen.

BGH, Urt. v. 22.01. 2008, Az.: XI ZR 6/06

(ID 41111)

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R E C H T S P R E C H U N G | Bankrecht

Aus den Gründen:

8 Die Revision ist nicht begründet.

I.

9 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Ent-scheidung im Wesentlichen ausgeführt:

10 Der Beklagte sei verpflichtet, den nach der Kündigung of-fenen Betrag, gegen dessen Höhe er keine Einwände er-hoben habe, an die Klägerin zu zahlen. Diesem Anspruchkönne er keinen Schadensersatzanspruch entgegenhalten.Es liege keiner der Ausnahmefälle vor, in denen die kre-ditgebende Bank zur Aufklärung über das finanzierte Ge-schäft verpflichtet sei. So bestehe kein Anhaltspunkt fürdie Vermutung des Beklagten, die Treuhänderin habe ei-nen Teil des kalkulierten Gesamtaufwandes mit Wissen derKlägerin nicht für die im Treuhandvertrag genannten Zwe-cke verwendet. Aufklärungspflichten der Klägerin hättenauch wegen der im Verkaufsprospekt angesprochenenMittelverwendungskontrolle, wegen der Scheckzahlungenvon der Bauträgerin an die Generalpächterin und wegenihrer gleichzeitigen Rolle als Objektfinanziererin nichtbestanden. Für etwaige unrichtige Angaben der Vermitt-ler über die Höhe der monatlichen Gesamtbelastung ha-be die Klägerin nicht einzustehen, weil dies ausschließ-lich die Rentabilität des Anlageobjekts betreffe; einsonstiges Fehlverhalten des Vermittlers habe der Beklagtenicht konkret vorgetragen.

11 Der Beklagte habe seine Darlehensvertragserklärung auchnicht wirksam nach dem Haustürwiderrufsgesetz wider-rufen, weil entgegen der Auffassung des Landgerichts dievon diesem für den 16. Oktober 1992 festgestellte Haus-türsituation nicht (mit-) ursächlich für den Abschluss desDarlehensvertrages vom 5. November 1992 gewesen sei.Aufgrund des zeitlichen Abstandes von drei Wochen unddem zwischenzeitlichen Notartermin sei die Kausalitäts-vermutung entfallen. Dass die Überrumpelungssituationgleichwohl fortbestanden habe, habe der Beklagte nichtkonkret dargetan.

12 Der Beklagte könne der Klägerin auch keine Einwendun-gen aus dem finanzierten Immobilienkauf entgegenhal-ten, und zwar unabhängig davon, ob dieser wirksam zu-stande gekommen sei. Ein Einwendungsdurchgriff nach§ 9 Abs. 3 VerbrKrG a.F. sei gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrGa.F. ausgeschlossen. Angesichts dieser Regelung lasse sichein solcher auch nicht aus § 242 BGB herleiten.

13 Schließlich könne der Beklagte nicht mit Erfolg geltendmachen, die Darlehensvaluta nicht empfangen zu haben.Diese sei – wie von den Parteien in dem Darlehensvertragvereinbart – auf das von der Klägerin für den Beklagteneingerichtete Girokonto ausgezahlt worden.

II.

14 Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfungstand.

15 1. Das Berufungsgericht hat einen dem Anspruch der Klä-gerin entgegenzusetzenden Schadensersatzanspruch desBeklagten wegen schuldhafter Verletzung einer eigenenAufklärungspflicht rechtsfehlerfrei verneint.

16 a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs isteine kreditgebende Bank bei steuersparenden Bauherren,Bauträger- und Erwerbermodellen zur Risikoaufklärungüber das finanzierte Geschäft nur unter ganz besonderenVoraussetzungen verpflichtet. Sie darf regelmäßig davonausgehen, dass die Kunden entweder über die notwendi-gen Kenntnisse oder Erfahrungen verfügen oder sich je-denfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Aufklä-rungs- und Hinweispflichten bezüglich des finanziertenGeschäfts können sich daher nur aus den besonderen Um-ständen des konkreten Einzelfalls ergeben. Dies kann derFall sein, wenn die Bank im Zusammenhang mit der Pla-nung, der Durchführung oder dem Vertrieb des Projektsüber ihre Rolle als Kreditgeberin hinausgeht, wenn sie ei-nen zu den allgemeinen wirtschaftlichen Risiken hinzu-tretenden besonderen Gefährdungstatbestand für denKunden schafft oder dessen Entstehung begünstigt, wennsie sich im Zusammenhang mit Kreditgewährungen so-wohl an den Bauträger als auch an einzelne Erwerber inschwerwiegende Interessenkonflikte verwickelt oder wennsie in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen kon-kreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hatund dies auch erkennen kann (Senat BGHZ 168, 1, 19 f. Tz.41 sowie Senatsurteile vom 17. Oktober 2006 – XI ZR205/05, WM 2007, 114, 115 Tz. 15, vom 19. Dezember2006 – XI ZR 374/04, BKR 2007, 152, 154 f. Tz. 28 und vom20. März 2007 – XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 877 Tz. 15,jeweils m.w.Nachw.).

17 b) Ein solches Aufklärungsverschulden hat das Beru-fungsgericht verneint, ohne dass ihm insoweit ein Rechts-fehler unterlaufen wäre.

18 aa) Das Berufungsgericht hat zu Recht eine Aufklärungs-pflicht der Klägerin über eine – von dem Beklagten ver-mutete – doppelte Berechnung der Kosten für Konzep-tion und Vertrieb verneint. Nach der Rechtsprechung desBundesgerichtshofs obliegt der finanzierenden Bank kei-ne Aufklärungspflicht über einzelne Bestandteile des Ver-kaufspreises. Eine Aufklärungspflicht kommt insoweit nurdann in Betracht, wenn die durch die Vertriebskosten oderandere verdeckte Kosten bewirkte Verschiebung des Ver-hältnisses zwischen Gesamtkaufpreis und Verkehrswertso weitgehend ist, dass die Bank von einer sittenwidrigenÜberteuerung des Kaufpreises ausgehen muss, oder wenndie Bank positive Kenntnis von unrichtigen Prospektan-gaben hat (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 2007 – XI ZR243/05, WM 2007, 1831, 1832 Tz. 15 m.w.Nachw.). Letz-teres hat hier der Beklagte aber weder substantiiert vorge-tragen noch unter Beweis gestellt. Eine sittenwidrige Über-teuerung des Appartements hat er nicht behauptet.

19 bb) Die Klägerin hat auch keine Aufklärungspflicht imHinblick auf ihre in dem Verkaufsprospekt abgedruckte Er-klärung über die Durchführung einer Mittelverwen-dungskontrolle verletzt.

20 Der Beklagte hat nicht behauptet, dass die Klägerin dieZahlungen vom Projektkonto der Bauträgerin nicht über-wacht hat, sondern lediglich vorgetragen, dass es im Au-gust 1992 und – insoweit erst nach Abschluss des hier inRede stehenden Darlehensvertrages – im März 1993 zu –angeblich rechtsgrundlosen – Pre-Opening-Zahlungenund im Zeitraum von Oktober bis Dezember 1993 zu wei-teren Scheckzahlungen von diesem Konto an die Pächte-rin gekommen sei. Dieser Umstand kann allenfalls den

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Bankrecht | R E C H T S P R E C H U N G

Vorwurf rechtfertigen, die Klägerin habe die ihr obliegen-de Mittelverwendungskontrolle nicht mit der gebotenenSorgfalt durchgeführt; er lässt aber nicht den Schluss zu,die Klägerin habe eine solche Kontrolle von Anfang annicht beabsichtigt. Nur in diesem Fall wären aber die Pros-pektangaben unrichtig (Senatsurteil vom 27. Januar 2004– XI ZR 37/03, WM 2004, 620, 621 f.). Soweit der Vorwurfmangelnder Sorgfalt bei der Mittelverwendungskontrolleseinerseits eine Schadensersatzhaftung der Klägerin be-gründen könnte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich,dass dem Beklagten gerade dadurch ein Schaden entstan-den ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Januar 2004 aaO S. 622).

21 Erst recht ist insoweit eine Aufklärungspflichtverletzungim Hinblick auf die von dem Beklagten vermutete dop-pelte Berechnung der Kosten für Konzeption und Ver-trieb zu verneinen. Die von der Klägerin übernommeneMittelverwendungskontrolle bezog sich nach dem Ver-kaufsprospekt lediglich auf die Freigabe der Kaufpreiszah-lungen der Erwerber nach Maßgabe der Makler- und Bau-trägerverordnung, nicht aber auf die Überprüfung derBerechtigung einzelner Kaufpreisbestandteile.

22 cc) Die Klägerin war auch nicht wegen eines schwerwiegen-den Interessenkonflikts aufklärungspflichtig. Ein solcher istnicht schon allein deshalb zu bejahen, weil eine finanzie-rende Bank zugleich Kreditgeberin des Bauträgers oder Ver-käufers und des Erwerbers der Immobilie ist oder dem Ver-käufer eine globale Finanzierungszusage erteilt hat(Senatsurteile vom 18. März 2003 – XI ZR 188/02, WM 2003,918, 921, vom 27. Januar 2004 – XI ZR 37/03, WM 2004, 620,624 und vom 20. März 2007 – XI ZR 414/04, WM 2007,876, 882 Tz. 50). Ein schwerwiegender Interessenkonfliktkann vielmehr nur vorliegen, wenn zu dieser „Doppelfi-nanzierung” besondere Umstände hinzutreten. Dies ist etwazu bejahen, wenn das Kreditinstitut das eigene wirtschaftli-che Wagnis auf den Kunden verlagert (Senatsurteil vom 20.März 2007 – XI ZR 414/04, WM 2007, 876, 882 Tz. 50). Dashat das Berufungsgericht nicht festgestellt und wird vonder Revision auch nicht aufgezeigt. Insoweit genügt insbe-sondere nicht der Hinweis der Revision, „ohne den Vertrieban das Publikum sei das Projekt nicht zu finanzieren gewe-sen”. Gegen di e Annahme, die Klägerin könnte bei Ab-schluss des Darlehensvertrages im November 1992 das Risi-ko eines notleidend gewordenen Kreditengagements beider Bauträgerin auf die Erwerber abgewälzt haben, sprichtvor allem der Umstand, dass das Boarding-House 1993 fer-tig gestellt wurde und seinen Betrieb aufnehmen konnte,während der Konkurs der Bauträgerin erst 1995 eintrat (vgl.Senatsurteil vom 27. Januar 2004 aaO).

23 dd) Entgegen der Auffassung der Revision lässt sich eine Haf-tung der Klägerin für eigenes Aufklärungsverschulden auchnicht auf Grundlage der erst nach Erlass des Berufungsurteilsmodifizierten Rechtsprechung des erkennenden Senats zurtatsächlichen Vermutung eines aufklärungspflichtigen Wis-sensvorsprungs der kreditgebenden Bank bejahen.

24 (1) Nach dieser Rechtsprechung (BGHZ 168, 1, 22 ff. Tz. 50ff.; 169, 109, 115 Tz. 23; Urteile vom 24. April 2007 – XIZR 340/05, WM 2007, 1257, 1260 Tz. 39 und vom 26. Ju-ni 2007 – XI ZR 277/05, WM 2007, 1651, 1654 Tz. 24; je-weils m.w.Nachw.) können sich die Anleger in Fällen einesinstitutionalisierten Zusammenwirkens der kreditgeben-den Bank mit dem Verkäufer oder Vertreiber des finan-zierten Objekts unter erleichterten Voraussetzungen mit

Erfolg auf einen die Aufklärungspflicht auslösenden kon-kreten Wissensvorsprung der finanzierenden Bank im Zu-sammenhang mit einer arglistigen Täuschung des Anle-gers durch unrichtige Angaben der Vermittler, Verkäuferoder Fondsinitiatoren bzw. des Fondsprospekts über dasAnlageobjekt berufen. Die Kenntnis der Bank von einersolchen arglistigen Täuschung wird widerleglich vermu-tet, wenn Verkäufer oder Fondsinitiatoren, die von ihnenbeauftragten Vermittler und die finanzierende Bank ininstitutionalisierter Art und Weise zusammenwirken, auchdie Finanzierung der Kapitalanlage vom Verkäufer oderVermittler, sei es auch nur über einen von ihm benann-ten besonderen Finanzierungsvermittler, angeboten wur-de und die Unrichtigkeit der Angaben des Verkäufers,Fondsinitiators oder der für sie tätigen Vermittler bzw.des Verkaufsprospekts nach den Umständen des Fallesevident ist, sodass sich nach der allgemeinen Lebenser-fahrung aufdrängt, die Bank habe sich der arglistigen Täu-schung geradezu verschlossen.

25 (2) Ob bei Anwendung dieser Grundsätze hier eine Auf-klärungspflichtverletzung der Klägerin aufgrund eineswiderleglich vermuteten Wissensvorsprungs über eine arg-listige Täuschung des Beklagten gegeben ist, wird von derRevision nicht dargelegt. Es wird weder aufgezeigt, worindie arglistige Täuschung des Beklagten durch den Vermitt-ler oder den Verkäufer liegen soll, die die Klägerin gekannthaben soll, noch wird auf die objektive Evidenz einer arg-listigen Täuschung, die für eine Beweiserleichterung inForm einer widerleglichen Vermutung unverzichtbar ist,eingegangen. Vielmehr beschränkt sich die Revisionsbe-gründung auf eine Bezugnahme auf die vorstehenden ab-strakten Grundsätze, ohne diese mit – für die Revisionsin-stanz als wahr zu unterstellendem – Tatsachenvortrag desBeklagten zur arglistigen Täuschung auszufüllen und oh-ne zu rügen, dass das Berufungsgericht insoweit Vorbrin-gen des Beklagten übergangen habe.

26 2. Das Berufungsgericht hat ferner zutreffend angenom-men, dass die Klägerin nicht aus zugerechnetem Ver-schulden für unrichtige Angaben des Vermittlers über dieRentabilität des Appartements und die Notwendigkeitdes Einsatzes eigener Mittel haftet. Nach ständiger Recht-sprechung des Bundesgerichtshofs wird der im Rahmenvon Kapitalanlagemodellen auftretende Vermittler als Er-füllungsgehilfe im Pflichtenkreis der in den Vertrieb nichteingeschalteten Bank nur insoweit tätig, als sein Verhaltenden Bereich der Anbahnung des Kreditvertrages betrifft.Möglicherweise falsche Erklärungen zu den Mieteinnah-men, zur monatlichen Belastung des Beklagten unter Be-rücksichtigung von Mieteinnahmen und Steuervorteilensowie zu der Möglichkeit, das Appartement später mitGewinn veräußern zu können, betreffen nicht den Darle-hensvertrag, sondern die Rentabilität des Anlagegeschäfts,liegen damit außerhalb des Pflichtenkreises der Bank undsind ihr deshalb nicht nach § 278 BGB zuzurechnen (Se-nat BGHZ 168, 1, 27 Tz. 63; Senatsurteile vom 27. Januar2004 – XI ZR 37/03, WM 2004, 620, 622, vom 23. März2004 – XI ZR 194/02, WM 2004, 1221, 1225 und vom 15.März 2005 – XI ZR 135/04, WM 2005, 828, 829; jeweilsm.w.Nachw.; zum verbundenen Geschäft siehe unten).

27 3. Entgegen der Auffassung der Revision steht dem Be-klagten gegen die Klägerin auch kein Schadensersatzan-spruch wegen unterbliebener Belehrung nach dem Haus-türwiderrufsgesetz zu.

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R E C H T S P R E C H U N G | Bankrecht

28 a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann zwar zur Um-setzung der Urteile des Gerichtshofs der EuropäischenGemeinschaften (im Folgenden: EuGH) vom 25. Oktober2005 (WM 2005, 2079, 2085 f. Tz. 94 ff. – Schulte undWM 2005, 2086, 2089 Tz. 48 f. – Crailsheimer Volksbank)in nationales Recht ein Schadensersatzanspruch des An-legers aus Verschulden bei Vertragsschluss wegen unter-bliebener Widerrufsbelehrung gemäß § 2 Abs. 1 HWiG(in der bis zum 30. September 2000 geltenden Fassung,im Folgenden: a.F.) zu bejahen sein. Dies setzt aber – ne-ben einem Verschulden der finanzierenden Bank und derSchadensursächlichkeit des Belehrungsverstoßes (vgl.hierzu Senat BGHZ 169, 109, 121 f. Tz. 43; Senatsurteilvom 17. April 2007 – XI ZR 130/05, NJOZ 2007, 3210, 3213Tz. 20) – zunächst einmal voraus, dass der Anleger in ei-ner Haustürsituation zum Abschluss des Darlehensvertra-ges bestimmt worden ist und er deshalb über sein Wider-rufsrecht belehrt werden musste. Daran fehlt es hier.

29 b) Die Begründung, mit der das Berufungsgericht die Ur-sächlichkeit der Verhandlungen in der Haustürsituationam 16. Oktober 1992 für die auf den Abschluss des Darle-hensvertrages gerichtete Willenserklärung vom 6. No-vember 1992 verneint hat, lässt entgegen der Ansicht derRevision keinen Rechtsfehler erkennen.

30 aa) Ein Widerrufsrecht im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1HWiG a.F. setzt voraus, dass der Kunde durch mündlicheVerhandlungen im Bereich einer Privatwohnung oder anseinem Arbeitsplatz zu seiner späteren Vertragserklärungbestimmt worden ist. Dabei genügt eine Haustürsituationbei der Vertragsanbahnung, die für den späteren Vertrags-schluss ursächlich war. Ein enger zeitlicher Zusammenhangzwischen der mündlichen Verhandlung gemäß § 1 Abs. 1HWiG a.F. und der Vertragserklärung wird nicht gefordert.Mit zunehmendem zeitlichen Abstand nimmt aber die In-dizwirkung für die Kausalität ab und kann nach einer ge-wissen Zeit ganz entfallen (Senat BGHZ 131, 385, 392; Se-natsurteil vom 9. Mai 2006 – XI ZR 119/05, WM 2006,1243, 1244 Tz. 14; jeweils m.w.Nachw.). Ob sich der Dar-lehensnehmer auch bei einem größeren zeitlichen Abstandzwischen der mündlichen Verhandlung und dem Ver-tragsschluss durch einen Verstoß gegen § 1 HWiG a.F. ineiner Lage befindet, in der er in seiner Entschließungs-freiheit beeinträchtigt ist (Senat BGHZ 123, 380, 393m.w.Nachw.), ist eine Frage der Würdigung des Einzelfalls(Senat, Urteile vom 21. Januar 2003 – XI ZR 125/02, WM2003, 483, 484, vom 18. März 2003 – XI ZR 188/02, WM2003, 918, 920 f., vom 20. Mai 2003 – XI ZR 248/02, WM2003, 1370, 1372 und vom 13. Juni 2006 – XI ZR 94/05,WM 2006, 1995, 1996 f. Tz. 15). Welcher Zeitraum hierfürerforderlich ist und welche Bedeutung möglicherweiseauch anderen Umständen im Rahmen der Kausalitätsprü-fung zukommt, ist eine Frage der Würdigung des konkre-ten Einzelfalles, die jeweils dem Tatrichter obliegt und diedeshalb in der Revisionsinstanz grundsätzlich nur be-schränkt überprüft werden kann (vgl. Senatsurteile vom 9.Mai 2006 aaO und vom 10. Juli 2007 – XI ZR 243/05, WM2007, 1831, 1832 Tz. 11, jeweils m.w.Nachw.).

31 bb) Gemessen an diesen Grundsätzen ist das Berufungs-gericht rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass derAbschluss des Darlehensvertrages der Parteien nicht mehrunter dem Eindruck einer für Haustürgeschäfte typischenÜberrumpelungssituation zustande gekommen ist. DieAnsicht des Berufungsgerichts, dass der dafür notwendige

Kausalzusammenhang angesichts des zeitlichen Abstan-des von drei Wochen zwischen der Haustürsituation vom16. Oktober 1992 und der Unterzeichnung des Darle-hensvertrages durch den Beklagten frühestens am 6. No-vember 1992 nicht mehr zuverlässig festgestellt werdenkann, ist nicht zu beanstanden. Dass das Berufungsge-richt bei seiner Würdigung die zwischen der Haustürsitu-ation und dem Abschluss des Darlehensvertrages erfolgtenotarielle Beurkundung des Angebots zum Abschluss desTreuhand- und Geschäftsbesorgungsvertrages berücksich-tigt hat, begegnet ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken(vgl. Senat, Urteile vom 20. Mai 2003 – XI ZR 248/02,WM 2003, 1370, 1372 und vom 13. Juni 2006 – XI ZR94/05, WM 2006, 1995, 1997 Tz. 15). Es hätte daher demBeklagten der Nachweis oblegen, dass er gleichwohl durchdie Haustürsituation zum Vertragsschluss bestimmt wor-den ist. Hierzu fehlt aber ein substantiierter Vortrag.

32 cc) Entgegen der Ansicht der Revision geben die Urteile desEuGH vom 25. Oktober 2005 (WM 2005, 2079 ff. – Schul-te und WM 2005, 2086 ff. – Crailsheimer Volksbank) kei-nen Anlass zu einer Änderung dieser Rechtsprechung inRichtung auf eine vom Zeitablauf unabhängige Vermu-tung für die Kausalität zwischen Haustürsituation und Ver-tragsabschluss. Die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz imFalle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenenVerträgen (ABl. EG Nr. L 372/31 vom 31. Dezember 1985,„Haustürgeschäfterichtlinie”) hat einen engeren Anwen-dungsbereich als § 1 HWiG a.F., indem sie lediglich die ineiner Haustürsituation abgeschlossenen Verbraucherver-träge erfasst, während es vorliegend um einen Fall derbloßen Vertragsanbahnung geht. Aufgrund dessen kommtder Richtlinie für die Frage der Kausalität von vornhereinkeine Bedeutung zu.

33 4. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Beru-fungsgericht auch zutreffend davon ausgegangen, dass derBeklagte zur Darlehensrückzahlung verpflichtet ist und dieKlägerin nicht auf das Appartement mit der Begründungverweisen kann, bei dem Darlehensvertrag und dem fi-nanzierten Immobilienerwerb handele es sich um ein ver-bundenes Geschäft (vgl. Senat BGHZ 152, 331, 337; 168,1, 9 Tz. 21; Senatsurteile vom 26. September 2006 – XI ZR283/03, WM 2006, 2347, 2348 Tz. 13, vom 19. Dezember2006 – XI ZR 374/04, BKR 2007, 152, 154 Tz. 19 und vom17. April 2007 – XI ZR 130/05, NJOZ 2007, 3210, 3211 Tz.13; jeweils m.w.Nachw.).

34 a) § 9 VerbrKrG findet nach dem eindeutigen Wortlaut des§ 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG auf Realkreditverträge, die zu fürgrundpfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedin-gungen gewährt worden sind, keine Anwendung (SenatBGHZ 152, 331, 337; 161, 15, 25; 168, 1, 9 Tz. 21; Senats-urteil vom 24. April 2007 – XI ZR 340/05, WM 2007, 1257,1258 f. Tz. 25; jeweils m.w.Nachw.). Dies ist hier der Fall.

35 Die Parteien haben in dem Darlehensvertrag die Stellungvon Grundschulden über insgesamt 243.000 DM als Si-cherheit vereinbart. Dass das Darlehen auch zu für grund-pfandrechtlich abgesicherte Kredite üblichen Bedingun-gen gewährt worden ist, ist nach den von der Revisionnicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichtszwischen den Parteien unstreitig.

36 b) Entgegen der Ansicht der Revision kommen auch eineeinschränkende Auslegung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG

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VuR 5/2008 | 189

Vers icherungsrecht | R E C H T S P R E C H U N G

oder eine analoge Anwendung von § 9 VerbrKrG a.F. aufRealkreditverträge, die zwar nicht nach § 7 VerbrKrG a.F.,wohl aber nach § 1 HWiG a.F. widerrufen werden kön-nen, nicht in Betracht. Nach ständiger Rechtsprechungdes erkennenden Senats bilden Grundpfandkredit und fi-nanziertes Immobiliengeschäft ausnahmslos kein ver-bundenes Geschäft (vgl. nur BGHZ 168, 1, 11 f. Tz. 29;Senatsurteil vom 24. April 2007 – XI ZR 340/05, WM 2007,1257, 1258 f. Tz. 25; jeweils m.w.Nachw.). Der Gesetzge-ber hat mit § 3 Abs. 2 Nr. 2 VerbrKrG eine abschließendeRegelung geschaffen, die zum einen keinen Raum für ei-ne teleologische Reduktion lässt und zum anderen eineanaloge Anwendung des § 9 VerbrKrG verbietet. Dass derGesetzgeber mit der Neuregelung des § 358 Abs. 3 Satz 3BGB für die Zukunft ein verbundenes Geschäft bei Kredi-ten zum Erwerb einer Immobilie nicht mehr generell aus-geschlossen hat, ist nicht geeignet, das Verständnis derzuvor geltenden, anders lautenden Vorschrift zu bestim-men (Senat BGHZ 167, 223, 231 Tz. 22).

37 c) Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht einen Ein-wendungsdurchgriff nach den aus § 242 BGB hergeleite-ten Grundsätzen der Rechtsprechung zum verbundenenGeschäft verneint. Ein Rückgriff auf den von der Recht-sprechung zum finanzierten Abzahlungsgeschäft entwi-ckelten Einwendungsdurchgriff scheidet bei dem Ver-braucherkreditgesetz unterfallenden Realkrediten aus(st.Rspr.; vgl. nur BGHZ 168, 1, 10 Tz. 25; Senatsurteilevom 27. Januar 2004 – XI ZR 37/03, WM 2004, 620, 622und vom 26. September 2006 – XI ZR 283/03, WM 2006,2347, 2349 Tz. 14).

38 d) Entgegen der Ansicht der Revision stellt diese Recht-sprechung – auch unter Berücksichtigung der Urteile desEuGH vom 25. Oktober 2005 (WM 2005, 2079 ff. – Schul-te und WM 2005, 2086 ff. – Crailsheimer Volksbank) –keinen Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht dar. Dieshat der erkennende Senat ebenfalls bereits in seinem Ur-teil vom 16. Mai 2006 (BGHZ 168, 1, 10 ff. Tz. 26 ff.) imEinzelnen begründet (vgl. auch Senatsurteil vom 26. Sep-tember 2006 – XI ZR 283/03, WM 2006, 2347, 2349 Tz.17 ff.). Die Revision bringt hiergegen nichts Neues vor.

39 5. Schließlich hat der Beklagte die Darlehensvaluta auchempfangen. Nach den von der Revision nicht angegriffe-nen Feststellungen des Berufungsgerichts ist die Darle-hensvaluta vertragsgemäß auf ein Girokonto des Beklag-ten ausgezahlt worden.

III.

40 Die Revision war nach alledem zurückzuweisen.

V E R S I C H E R U N G S R E C H T

Zum Verweisungsberuf in der Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung

Der vom Tatrichter beauftragte medizinische Sachverständi-ge, der sich dazu äußern soll, ob der Versicherungsnehmergesundheitlich in der Lage ist, einen Verweisungsberuf aus-zuüben, muss wissen, welchen für ihn unverrückbarenaußermedizinischen Sachverhalt er zugrunde zulegen hat,also insbesondere welche Merkmale Arbeitsbedingungen

wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeiten, erforderlicheTätigkeiten und körperliche Kräfte, Einsatz von Hilfsmittelndie Verweisungstätigkeit prägen.

BGH, Urt. v. 23.01.2008, Az.: IV ZR 10/07 (OLG Celle, LG Bücke-burg)

(ID 41081)

Sachverhalt:

1 Der Kläger, von Beruf Kraftfahrer, begehrt Leistungen aus ei-ner bei der Beklagten genommenen Berufsunfähigkeits-Zu-satzversicherung sowie Schadensersatz wegen Regulierungs-verzuges. Dem Versicherungsvertrag liegen die Bedingungender Beklagten für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherungnach dem Tarif BUZn (im Folgenden: BZB) zugrunde.

2 Der Kläger war zuletzt ab Mai 1992 als selbständiger LKW-Fah-rer im Fernverkehr tätig. Am 12. April 2001 erlitt er eineOberschenkelvenenthrombose und gab daraufhin seinen Be-ruf auf. Seinen Antrag auf Leistungen aus der Berufsunfähig-keits-Zusatzversicherung ab April 2001 lehnte die Beklagte ab,da der Kläger in seinem zuletzt ausgeübten Beruf nicht zumindestens 50 % berufsunfähig sei; jedenfalls könne er auf Al-ternativtätigkeiten verwiesen werden.

3 Das Landgericht hat die Klage, gerichtet auf die Zahlungrückständiger Rentenleistungen sowie auf Feststellung derVerpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer monatlichenRente, Gewährung von Beitragsfreiheit sowie auf Schadens-ersatz wegen Regulierungsverzuges, abgewiesen. Die Berufungdes Klägers ist ohne Erfolg geblieben. Mit seiner Revisionverfolgt er seine in der Berufungsinstanz gestellten Anträgeweiter.

Gründe:

4 Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Ur-teils und zur Zurückverweisung der Sache an das Beru-fungsgericht.

5 I. Das Berufungsgericht meint, dass der Kläger zwar infol-ge eines postthrombotischen Syndroms nicht mehr inder Lage sei, als selbständiger LKW-Fahrer im Fernverkehrzu arbeiten. Die Beklagte habe jedoch den Vergleichsbe-ruf des Auslieferungsfahrers im Nahverkehr aufgezeigt,den der Kläger nach Ausbildung und Erfahrung ausübenkönne und der seiner bisherigen Lebensstellung entspre-che (§ 2 Abs. 1 BZB). Der vom Landgericht beauftragteSachverständige, der Orthopäde Dr. H. der unter anderemdie von dem Gefäßchirurgen Dr. K.beim Kläger erhobe-nen Untersuchungsbefunde ausgewertet habe, habe über-zeugend dargelegt, dass der Kläger aus medizinischer Sichtin der Lage sei, leichte bis mittelschwere Arbeiten ohnehäufiges schweres Heben und Tragen im Wechsel von Sit-zen, Stehen und Gehen vollschichtig auszuführen. Nachden Ausführungen der vom Landgericht gehörten berufs-kundlichen Sachverständigen Ho. sei die Arbeit als Aus-lieferungsfahrer im Nahverkehr allenfalls als mittelschwereinzuordnen, da die im Güternahverkehr auszuliefern-den Frachtstücke regelmäßig nicht schwerer seien als 10kg. Die vom Kläger geltend gemachte Verschlechterungseines medizinischen Befundes variköse Ekzeme undUnterschenkelgeschwüre rechtfertige keine abweichendeBeurteilung der gesundheitlichen Zumutbarkeit, wie der

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Sachverständige Dr. H. in seinem Ergänzungsgutachtenüberzeugend ausgeführt habe.

6 Zwar sei es, so das Berufungsgericht weiter, zu der vom Klä-ger beantragten persönlichen Anhörung des Dr. H. zur Er-läuterung seiner Begutachtung in der mündlichen Ver-handlung wegen dessen Verhinderung nicht gekommen.Der Gutachter habe jedoch auf Ersuchen des Landgerichtszu den Einwänden des Klägers gegen sein Gutachtenschriftlich Stellung genommen. Aus dem Sitzungsproto-koll ergebe sich nicht, dass der Kläger seinen Antrag aufmündliche Anhörung danach aufrechterhalten habe.

7 Das vom Kläger vorgelegte internistisch-angiologischeGutachten von Prof. Dr. B., das dieser in einem sozialge-richtlichen Verfahren erstattet habe, sowie das Protokollüber das in jenem Verfahren mündlich erstattete berufs-kundliche Gutachten des Sachverständigen Ku. zwängennicht zu einer weiteren Beweiserhebung, etwa in Form ei-ner (erneuten) Anhörung der Sachverständigen Dr. H.und Ho. Den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr.B. sei zu entnehmen, dass dieser Gutachter lediglich diesubjektiven Empfindungen des Klägers übernommen ha-be, ohne sie anhand eines objektiven Befundes zu über-prüfen. Auch sei ein erheblicher sozialer Abstieg, der derVerweisung auf den Beruf des Auslieferungsfahrers imNahverkehr entgegenstehen könnte, mit dem Wechsel ausdem Beruf des selbständigen LKW-Fahrers im Güterfern-verkehr entgegen der Ansicht des Klägers nicht verbun-den. Der soziale Status beider Berufsbilder werde in derÖffentlichkeit nicht wesentlich unterschiedlich bewertet.Die Verweisung auf die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer imNahverkehr sei dem Kläger auch unter wirtschaftlichenGesichtspunkten zumutbar.

8 II. Die Annahme des Berufungsgerichts, bedingungsge-mäße Berufsunfähigkeit liege nicht vor, hält der recht-lichen Nachprüfung nicht stand.

9 1. Gemäß § 2 Abs. 1 BZB liegt vollständige Berufsunfä-higkeit vor, wenn der Versicherte infolge Krankheit, Kör-perverletzung oder Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuwei-sen sind, voraussichtlich länger als sechs Monateaußerstande ist, seinen Beruf oder eine andere Tätigkeitauszuüben, die aufgrund seiner Ausbildung und Erfahrungausgeübt werden kann und seiner bisherigen Lebensstel-lung entspricht. Will der Versicherer den Versicherungs-nehmer einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung imStreit um dessen Berufsunfähigkeit auf eine andere beruf-liche Tätigkeit verweisen, so muss er deren prägende Merk-male erforderliche Vorbildung, übliche Arbeitsbedin-gungen wie Arbeitsplatzverhältnisse und Arbeitszeitensowie übliche Entlohnung, erforderliche Fähigkeiten oderkörperliche Kräfte, Einsatz technischer Hilfsmittel sub-stantiiert darlegen und konkretisieren (Senatsurteile vom29. Juni 1994 IV ZR 120/93 VersR 1994, 1095 unter 2 bund vom 28. September 1994 IV ZR 226/93 NJW-RR1995, 20 unter 2 a; vgl. auch OLG Saarbrücken VersR 2004,1165). Hält der Tatrichter nach Bewertung des beiderseiti-gen Parteivortrags eine Beweisaufnahme für geboten,muss der medizinische Sachverständige, der sich zu derFrage äußern soll, ob der Versicherungsnehmer gesund-heitlich in der Lage ist, den Verweisungsberuf auszuüben,wissen, welchen für ihn unverrückbaren außermedizini-schen Sachverhalt er zugrunde zu legen hat (BGHZ 119,263, 266 f.).

10 2. a) Schon das Verfahren des Landgerichts genügte die-sen Vorgaben nicht. Dabei kann auf sich beruhen, ob dasVorbringen der Beklagten zu den zahlreichen von ihr be-nannten Verweisungsberufen in jedem Fall den Anforde-rungen an eine hinreichende Substantiierung der dem Klä-ger angesonnenen anderen Tätigkeiten genügte. Jedenfallswas die berufliche Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers imNahverkehr anlangt, fehlte es vor der Einholung des erstenGutachtens des medizinischen Sachverständigen an jed-weder Substantiierung; der Beweisbeschluss des Landge-richts, der sich auf die Frage beschränkt, ob der Klägerseit dem 1. April 2001 berufsunfähig sei, verhält sich zuden Anforderungen von etwaigen Verweisungsberufenebenso nicht. Demgemäß entbehren schon die gutach-terlichen Äußerungen des Sachverständigen Dr. H. vom9. Juli 2003 soweit sie sich auf andere in der Akte vorge-schlagene Verweisungstätigkeiten beziehen mit Blick aufdie Tätigkeit eines Auslieferungsfahrers im Nahverkehreiner ausreichenden tatsächlichen Grundlage.

11 b) Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich die Beklagtefür den Verweisungsberuf des Auslieferungsfahrers imNahverkehr die Ausführungen der berufskundlichen Sach-verständigen Ho. zur Darstellung dieser Tätigkeit zu Ei-gen gemacht hat, hätte sie ihrer Vortragslast nur dann ge-nügt, wenn sich aus den Angaben der Sachverständigendie prägenden Merkmale dieser Tätigkeit ausreichend ent-nehmen ließen. Das ist indessen nicht der Fall. In ihremschriftlichen Gutachten beschränkt sich die Sachverstän-dige Ho. Viel mehr auf die abstrakte Beschreibung denk-barer Einsatzmöglichkeiten eines Auslieferungsfahrers imNahverkehr, ohne auf die konkreten Verhältnisse am Ar-beitsplatz wie etwa die Arbeitsbelastung, die Arbeitsab-läufe sowie die Arbeitszeiten einzugehen. Angesichts derdenkbaren Bandbreite der beruflichen Einsatzmöglich-keiten war auch danach für einen medizinischen Sach-verständigen eine Beurteilung der Frage, ob und in wel-chem Umfang der Kläger die verschiedenen beruflichenTätigkeiten gesundheitlich bewältigen kann, nicht mög-lich. Das Ergänzungsgutachten dieser Sachverständigenführte nicht zu der gebotenen Konkretisierung des Tätig-keitsbildes, es bemühte sich vielmehr seinerseits darum,die Äußerungen des medizinischen Sachverständigen mitdem nach wie vor unvollständigen Berufsbild der Ver-weisungstätigkeit abzugleichen. Daraus folgt im Ergebnis,dass es auch den weiteren vom Landgericht eingeholtenStellungnahmen des medizinischen Sachverständigen anausreichenden Vorgaben zum außermedizinischen Sach-verhalt fehlte, wie die Auseinandersetzung um die bei Aus-übung der Tätigkeit (welcher konkreten?) zu bewältigen-den Gewichte nachhaltig verdeutlicht.

12 3. Es kommt hinzu:

13 Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers aufrechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt und ent-scheidungserhebliches Vorbringen des Klägers unberück-sichtigt gelassen.

14 a) Dies gilt zum einen für die vom Kläger bereits im er-sten Rechtszug beantragte, letztlich aber unterbliebeneAnhörung des medizinischen Sachverständigen Dr. H.

15 aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ha-ben die Parteien zur Gewährleistung des rechtlichen Ge-hörs einen Anspruch darauf, dass sie einem Sachverstän-digen die Fragen, die sie zur Aufklärung der Sache für

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erforderlich halten, in mündlicher Anhörung stellen kön-nen (§§ 397, 402 ZPO). Dieses Antragsrecht der Parteienbesteht unabhängig von § 411 Abs. 3 ZPO (Senatsbe-schluss vom 15. März 2006 IV ZR 182/05 VersR 2006,950 Tz. 6 m.w.N.). Hat das Landgericht einem rechtzeitiggestellten Antrag auf Ladung eines Sachverständigen zurmündlichen Erläuterung nicht entsprochen, so muss dasBerufungsgericht dem im zweiten Rechtszug wiederholtenAntrag stattgeben (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1995 VIZR 13/95 VersR 1996, 211 f.).

16 bb) Danach begegnet es durchgreifenden rechtlichen Be-denken, dass das Landgericht, das den SachverständigenDr. H. zunächst zur mündlichen Verhandlung geladenhatte, wegen dessen Verhinderung auf die Anhörung ver-zichtete und sich mit einer erneuten schriftlichen Stel-lungnahme dieses Sachverständigen begnügte. Denn ent-gegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist nichtsdafür ersichtlich, dass der Kläger nach Eingang der schrift-lichen Stellungnahme auf die mündliche Anhörung desSachverständigen und sei es auch nur stillschweigendverzichtet hätte (vgl. dazu auch BGH aaO). Ein solcher Ver-zicht lag im vorliegenden Fall auch deshalb fern, weil derSachverständige Dr. H. nach dem Vortrag des Klägers zudem Gutachten des für die Beklagte tätig gewordenen Ge-fäßchirurgen Dr. K. Stellung nehmen und sich zu seinerSachkunde äußern sollte. Die Revision weist zu Recht da-rauf hin, dass die (weitere) schriftliche Stellungnahmedie beantragte Anhörung des Dr. H. nicht ersetzen konn-te, da dieser sich darin auf die Bemerkung beschränkthatte, er wolle die Ausführungen des Gefäßchirurgen Dr.K. zur Berufsfähigkeit des Klägers nicht kommentieren.Angesichts des Umstandes, dass die bis dahin erfolgtengutachterlichen Stellungnahmen des Dr. H. lediglich aufder Auswertung von Befunden und nicht auf persönlichenUntersuchungen des Klägers beruhten, wäre dessen An-hörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Land-gericht umso mehr geboten gewesen. Das Berufungsge-richt hätte deshalb dem Antrag des Klägers auf Anhörungdes Sachverständigen stattgeben müssen. Ein solcher An-trag ist hier jedenfalls der ausführlich begründeten Rügedes Klägers zu entnehmen, seinem erstinstanzlich gestell-ten Antrag sei verfahrensrechtswidrig nicht entsprochenworden.

17 b) Zu Recht beanstandet die Revision ferner, dass sich dasBerufungsurteil nur unzureichend mit den Ausführungenin dem vom Kläger vorgelegten in einem sozialgericht-lichen Verfahren eingeholten internistisch-angiologi-schen Gutachten des Prof. Dr. B. auseinander setzt, dasdem Ergebnis des gerichtlich bestellten SachverständigenDr. H. zur Einschätzung der beruflichen Leistungsfähig-keit des Klägers widerspricht. Das verletzt das dem Tat-richter bei Erhebung des Sachverständigenbeweises ein-geräumte Ermessen und den Grundsatz freiertatrichterlicher Beweiswürdigung (§§ 412, 286 ZPO) undlässt besorgen, das Berufungsgericht habe auch insoweitden Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt.

18 aa) Legt eine Partei ein solches medizinisches Gutachtenvor, das im Gegensatz zu den Erkenntnissen des gericht-lich bestellten Sachverständigen steht, so ist vom Tatrich-ter besondere Sorgfalt gefordert. Er darf in diesem Fall wieauch im Fall sich widersprechender Gutachten zweier ge-richtlich bestellter Sachverständiger den Streit der Sach-verständigen nicht dadurch entscheiden, dass er ohne ein-

leuchtende und logisch nachvollziehbare Begründung ei-nem von ihnen den Vorzug gibt (Senatsurteil vom 22.September 2004 IV ZR 200/03 VersR 2005, 676 unter II 2b aa m.w.N.).

19 bb) Die Auffassung des Berufungsgerichts, Prof. Dr. B.habe für seine Beurteilung, der Kläger müsse nach zweiStunden Arbeitszeit bestimmte nicht unerhebliche Pau-senzeiten einhalten, lediglich die subjektiven Empfin-dungen des Klägers in sein Gutachten übernommen, oh-ne sie an Hand eines objektiven Befundes zu überprüfen,weshalb das Gutachten Dr. H insoweit nicht erschüttertwerde, erweist sich im Gesamtzusammenhang der Aus-führungen in dem genannten Gutachten als nicht nach-vollziehbar. Lediglich auf Seite 7 seines Gutachtens refe-riert der Sachverständige die Angaben des Klägers undeines anderen Gutachters, kommt in seinen darauf fol-genden Ausführungen jedoch zu einer eingehenden, vonden Angaben des Klägers unabhängigen Einschätzungseiner beruflichen Belastbarkeit aufgrund eigener Unter-suchung und Urteilsbildung. Danach ist es aus Sicht die-ses Sachverständigen notwendig, dem Kläger nach jeweilsmaximal zwei Stunden körperlich aktiver Arbeitszeit einemindestens dreißigminütige Pause, wenn nötig auch einePause von einer Stunde Dauer zu ermöglichen, es sei denn,der Kläger kann über einen längeren Zeitraum in sitzen-der Position mit hoch gelagertem Bein arbeiten; sollte ihmletzteres jederzeit möglich sein, seien nicht mehr Pausenals üblich einzulegen. Es ist nicht auszuschließen, dassdas Berufungsgericht bei rechtsfehlerfreier Berücksichti-gung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr.B. die Frage der Verweisbarkeit des Klägers auf den Berufdes Auslieferungsfahrers im Nahverkehr anders beurteilthätte. Nach dem Vortrag des Klägers hat der im sozialge-richtlichen Verfahren gehörte berufskundliche Sachver-ständige Ku. ausgeführt, die Einschränkungen, denen derKläger dem Gutachten Prof. Dr. B. zufolge bei einermöglichen beruflichen Tätigkeit unterliege, ließen es frag-lich erscheinen, ob er überhaupt eine Arbeitsstelle findenwerde. Zwar hat das Berufungsgericht im Ansatz zutref-fend darauf abgestellt, dass bei der Feststellung der Be-rufsunfähigkeit die Lage auf dem Arbeitsmarkt unberück-sichtigt bleiben muss (vgl. dazu Senatsurteil vom 19.November 1985 IVa ZR 23/84 NJW-RR 1986, 451 unterII 5). Dabei wird aber vorausgesetzt, dass es die dem Ver-sicherungsnehmer angesonnene Tätigkeit auf dem Ar-beitsmarkt überhaupt und nicht nur in unbedeutendemUmfang gibt, ein Arbeitsmarkt also überhaupt existiert (Se-natsurteil vom 23. Juni 1999 aaO unter 3 b). Danachscheiden Verweisungen auf Tätigkeiten, die nur in Einzel-fällen nach den besonderen Anforderungen eines be-stimmten Betriebes geschaffen oder auf die speziellen Be-dürfnisse eines einzelnen Arbeitnehmers zugeschnittensind (Nischenarbeitsplätze), grundsätzlich ebenso aus wieVerweisungen auf Tätigkeiten, die auf dem Arbeitsmarktnur in so geringer Zahl bereitstehen, dass von einem Ar-beitsmarkt praktisch nicht mehr die Rede sein kann (Se-natsurteil aaO).

20 Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entschei-dung.

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Zur Unwirksamkeit von Änderungsklauseln in Kran-kenversicherungsverträgen

Klauseln in Krankenversicherungsverträgen, die dem Versi-cherer erlauben, mit Zustimmung eines Treuhänders dieBedingungen zu ändern, wenn sich die höchstrichterlicheRechtsprechung ändert oder Auslegungszweifel beseitigtwerden sollen, sind unwirksam.

BGH, Urt. v. 23. 01.2008, Az.: IV ZR 169/06 (OLG Celle, LG Lüne-burg)

(ID 41079)

Sachverhalt (gekürzt):

1 Der Kläger, ein bundesweiter Dachverband der Verbraucher-zentralen, verlangt vom Beklagten, zwei Klauseln zur Bedin-gungsanpassung in der privaten Krankenversicherung nichtzu verwenden. § 18 der vom Beklagten verwendeten Allge-meinen Versicherungsbedingungen (im Folgenden: AVB) ent-spricht wörtlich § 18 der Musterbedingungen für die Krank-heitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung (MBKK94) und lautet:

(1) Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen könnenunter hinreichender Wahrung der Belange der Versichertenvom Versicherer mit Zustimmung eines unabhängigen Treu-händers mit Wirkung für bestehende Versicherungsverhält-nisse, auch für den noch nicht abgelaufenen Teil des Versi-cherungsjahres, geändert werden

a) bei einer nicht nur vorübergehenden Veränderung derVerhältnisse des Gesundheitswesens,

b) im Falle der Unwirksamkeit von Bedingungen,

c) bei Änderungen von Gesetzen, auf denen die Bestim-mungen des Versicherungsvertrages beruhen,

d) bei unmittelbar den Versicherungsvertrag betreffendenÄnderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung, derVerwaltungspraxis des Bundesaufsichtsamtes für das Versi-cherungswesen oder Kartellbehörden.

Im Fall der Buchstaben c und d ist eine Änderung nur zuläs-sig, soweit sie Bestimmungen über Versicherungsschutz,Pflichten des Versicherungsnehmers, Sonstige Beendigungs-gründe, Willenserklärungen und Anzeigen sowie Gerichts-stand betrifft.

(2) Die neuen Bedingungen sollen den ersetzten rechtlichund wirtschaftlich weitestgehend entsprechen. Sie dürfendie Versicherten auch unter Berücksichtigung der bisherigenAuslegung in rechtlicher und wirtschaftlicher Hinsicht nichtunzumutbar benachteiligen.

(...)

(4) Zur Beseitigung von Auslegungszweifeln kann der Versi-cherer mit Zustimmung des Treuhänders den Wortlaut vonBedingungen ändern, wenn diese Anpassung vom bisheri-gen Bedingungstext gedeckt ist und den objektiven Willensowie die Interessen beider Parteien berücksichtigt. Abs. 2gilt entsprechend.

2 Der Kläger hält § 18 (1) Satz 1 Buchst. d sowie § 18 (4) AVGfür unwirksam und verlangt bei Meidung von Ordnungsstra-fen, dass der Beklagte diese Bestimmungen nicht mehr inKrankenversicherungsverträge einbezieht und sich bei der Ab-wicklung derartiger Verträge nicht mehr auf sie beruft.

3 Das Landgericht hat der Klage stattgegeben; die Berufung desBeklagten wurde zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebtder Beklagte die Abweisung der Klage.

Aus den Gründen:

4 Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

5 I. Das Berufungsgericht, dessen Urteil in VersR 2006, 1105veröffentlicht ist, hält die angegriffenen Klauseln für un-wirksam. Es stützt sich dafür u.a. auf folgende Erwägun-gen: § 18 (1) Satz 1 Buchst. d AVB sei mit wesentlichenGrundgedanken des § 178g Abs. 3 VVG nicht vereinbar(§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB). Die Vorschrift erläutere nichtetwa den aus § 178g Abs. 3 VVG nach § 18 (1) Satz 1Buchst. a AVB übernommenen Begriff einer nicht nurvorübergehenden Veränderung der Verhältnisse des Ge-sundheitswesens, sondern gehe darüber hinaus. Nachden Bedingungen des Beklagten komme es anders als in§ 178g Abs. 3 VVG auch nicht darauf an, ob die Ände-rung erforderlich sei. Da eine Änderung nach § 18 (1)Satz 1 Buchst. d AVB nicht auf Fälle einer erheblichenStörung des Äquivalenzverhältnisses beschränkt sei, son-dern eine einseitige, auch durch Mitwirkung eines Treu-händers nicht ausgeglichene Schlechterstellung des Ver-sicherten ermögliche, werde der Versicherte auchunangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB).Auch § 18 (4) AVB sei unwirksam, u.a. weil sich der Be-klagte damit den Folgen des § 305c Abs. 2 BGB entziehenwolle. Daher stehe dem nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 UKlaGklagebefugten Kläger der geltend gemachte Unterlas-sungsanspruch aus § 1 UKlaG zu.

6 II. Die dagegen erhobenen Einwände der Revision greifennicht durch.

7 1. § 18 (1) Satz 1 Buchst. d AVB weicht von § 178g Abs.3 VVG nicht nur dem Wortlaut, sondern auch dem Sinnenach ab. Die Klausel ist daher nicht mehr mit den we-sentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung ver-einbar (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).

8 Mit Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass sich ausder maßgeblichen Sicht des durchschnittlichen Versiche-rungsnehmers (vgl. BGHZ 123, 83, 85) die Bedeutung derstreitigen Klausel unter Buchst. d nicht darin erschöpft,die unter Buchst. a als Grund für eine Veränderung derVersicherungsbedingungen genannte, nicht nur vorüber-gehende Veränderung der Verhältnisse des Gesundheits-wesens zu konkretisieren. Sie steht vielmehr eigenständigneben der zu Buchst. a (und den anderen, alternativ auf-geführten Gesichtspunkten) angesprochenen Änderungs-möglichkeiten. Dafür spricht zudem, dass § 18 (1) Satz 2AVB nur für Satz 1 Buchst. c und d, aber nicht auch fürdie Bestimmungen zu a und b die Änderungsbefugnis aufbestimmte Regelungen des Versicherungsvertrages be-schränkt. Mithin wird durch die Bestimmung des § 18(1) Satz 1 Buchst. d dem Versicherer bei einer unmittel-bar den Versicherungsvertrag betreffenden Änderung derhöchstrichterlichen Rechtsprechung eine Änderungsbe-fugnis unabhängig von den dafür in § 178g Abs. 3 VVGumschriebenen Voraussetzungen eingeräumt. Über dievon § 178g Abs. 3 VVG gezogenen Grenzen hinaus kannder Versicherer seine Krankenversicherungsbedingungenaber nicht wirksam zum Nachteil der Versicherungsneh-mer ändern (§ 178o VVG, Senatsurteile vom 12. Dezem-ber 2007 IV ZR 130/06 Tz. 12 a.E. und IV ZR 144/06Tz. 15 a.E.). Dem damit vom Gesetzgeber vorgegebenenLeitbild wird die angegriffene Änderungsklausel in § 18(1) Satz 1 Buchst. d AVB nicht gerecht.

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9 Abgesehen davon hat der Senat in seinen Urteilen vom 12.Dezember 2007 (aaO) geklärt, dass der Versicherer zu einerÄnderung der Krankenversicherungsbedingungen nach§ 178g Abs. 3 VVG nicht allein deswegen berechtigt ist,weil eine Klausel von der Rechtsprechung in einer dem Ver-wender ungünstigen Weise ausgelegt wird. Auch insofernist § 18 (1) Satz 1 Buchst. d AVB mit den wesentlichenGrundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar.

10 2. Die Bestimmung des § 18 (1) Satz 1 Buchst. d AVBbenachteiligt den Versicherungsnehmer darüber hinausauch ihrem Inhalt nach unangemessen: Abweichend von§ 178g Abs. 3 Satz 1 VVG soll es nicht darauf ankom-men, ob eine Änderung der Versicherungsbedingungenzur hinreichenden Wahrung der Belange der Versicher-ten erforderlich erscheint; vielmehr soll ausreichen, dassderen Belange hinreichend gewahrt sind. So wird die Ein-griffsschwelle gegenüber der gesetzlichen Regelung zumNachteil des Versicherungsnehmers herabgesetzt (Prölss inPrölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 18 MBKK 94 Rdn. 3).

11 § 18 (2) AVB erlaubt die Ersetzung unwirksamer Bedin-gungen durch neue Bedingungen bis zur Grenze einer un-zumutbaren Benachteiligung des Versicherungsnehmers,mutet dem Versicherungsnehmer also „einfache” Benach-teiligungen gegenüber dem bisher Vereinbarten zu. Dass dieÄnderungsbefugnis von der Zustimmung eines Treuhändersabhängt, ändert daran nichts. Den Bedingungen lässt sichnämlich nicht entnehmen, dass der Treuhänder einer Än-derung etwa nicht zustimmen dürfe, wenn sie über die von§ 178g Abs. 3 VVG gezogenen Grenzen hinausgeht.

12 Im Übrigen hat der Senat bereits zu einer entsprechendenAnpassungsklausel in der Rechtsschutzversicherung ent-schieden (BGHZ 141, 153, 154 ff.), dass sie den Versiche-rungsnehmer unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1BGB), weil er schlechter gestellt werden könnte, als er bei Ab-schluss des Vertrages stand. Insofern ist diese Entscheidungdurchaus auf Krankenversicherungsverträge übertragbar.

13 3. Auch die Bestimmung des § 18 (4) AVB ist unwirksam.Sie entspricht nicht dem Leitbild, das der Gesetzgeber in§ 305c Abs. 2 BGB für Zweifelsfragen bei der Auslegungvon Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufstellt. Die Un-wirksamkeit der Klausel folgt mithin aus § 307 Abs. 2Nr. 1 BGB. Auch das hat der Senat bereits für eine ent-sprechende Klausel in der Rechtsschutzversicherung ent-schieden (BGHZ aaO 159).

Etwas anderes ergibt sich nicht aus der in § 18 (4) Satz 2AVB angeordneten entsprechenden Geltung des § 18 (2)AVB. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2 Bezuggenommen.

V E R B R AU C H E R I N S O LV E N Z R E C H T

Versagung der Restschuldbefreiung bei grober Fahr-lässigkeit

Zum Merkmal der groben Fahrlässigkeit in § 290 Abs. 1 Nr. 6InsO.

BGH, Beschl. v. 27.09.2007, Az.: IX ZB 243/06 (vorgehend LGKarlsruhe, Beschl. v. 05.01.2006 - 11 T 374/04, AG Karlsruhe,Beschl. v. 21.08.2003 - 2 IK 468/00)

(ID 41115)

Aus den Gründen:

I.

1 Am 18. Juli 2000 beantragte ein Gläubiger der Schuldne-rin, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren zu er-öffnen. Auf Ersuchen des Insolvenzgerichts übersandte derfür die Schuldnerin zuständige Gerichtsvollzieher eineNiederschrift über die Abgabe der eidesstattlichen Versi-cherung der Schuldnerin vom 11. Juli 2000 mit dem vonihm aufgenommenen Vermögensverzeichnis. Darin hat-te die Schuldnerin eine von ihr auf ein Sparkonto geleis-tete Mietkaution in Höhe von 1.800 DM angeführt. In ei-nem Anhörungstermin vor dem Insolvenzgericht gab dieSchuldnerin Auskunft über ihre Vermögensverhältnisse.Ergänzend nahm sie auf ihre eidesstattliche VersicherungBezug.

2 Aufgrund eines entsprechenden Hinweises des Insolvenz-gerichts stellte die Schuldnerin Eigenantrag. In dem bei-gefügten Vermögensverzeichnis gab sie die von ihr geleis-tete Mietkaution nicht an. Sie vermerkte jedoch unter„regelmäßige Zahlungsverpflichtungen”, Mietzins zahlenzu müssen. Nach Scheitern des Schuldenbereinigungsver-fahrens eröffnete das Insolvenzgericht am 13. Dezember2000 das Verbraucherinsolvenzverfahren über das Ver-mögen der Schuldnerin und verband die beiden Verfah-ren.

3 Im Schlusstermin am 2. April 2003 beantragte eine Gläu-bigerin, die weitere Beteiligte zu 1, der Schuldnerin dieRestschuldbefreiung zu versagen. Begründet wurde derAntrag u.a. damit, die Schuldnerin habe die Mietkautionnicht angegeben.

4 Das Insolvenzgericht versagte die Restschuldbefreiung.Das Landgericht wies die sofortige Beschwerde zurück.

II.

6 2. Die nach §§ 6, 7, § 289 Abs. 2 InsO i.V.m. § 574 Abs. 1Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig(§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) und hat in der Sache Erfolg.

8 3. Das Landgericht ist zwar zu Recht davon ausgegangen,dass die Schuldnerin die als Mietsicherheit verpfändeteForderung aus dem Sparkonto in dem von ihr nach § 305Abs. 1 Nr. 3 InsO eingereichten Vermögensverzeichnis hät-te angeben müssen. Vom Schuldner bestellte Sicherhei-ten sind Teil seines Vermögens. Die Annahme eines grobfahrlässigen Fehlverhaltens hält jedoch einer rechtlichenPrüfung nicht stand.

9 a) Der Verschuldensgrad der groben Fahrlässigkeit ist in§ 290 InsO nicht definiert. Die Rechtsprechung verstehtdarunter ein Handeln, bei dem die im Verkehr erforderli-che Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt wor-den ist, ganz nahe liegende Überlegung nicht angestelltoder beiseite geschoben worden sind und dasjenige un-beachtet geblieben ist, was im gegebenen Fall sich jedemaufgedrängt hätte. Bei der groben Fahrlässigkeit handelt essich um eine subjektiv schlechthin unentschuldbarePflichtverletzung (BGHZ 10, 12, 16; 89, 153, 161; BGH,Urt. v. 13. Dezember 2004 - II ZR 17/03, ZIP 2005, 345, 347;Beschl. v. 9. Februar 2006 - IX ZB 218/04, ZVI 2006, 258,259).

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10 b) Die Feststellung der Voraussetzungen der groben Fahr-lässigkeit ist zwar Sache des Tatrichters und mit der Rechts-beschwerde nur bedingt angreifbar. Der Nachprüfungunterliegt aber, ob der Tatrichter den Rechtsbegriff der gro-ben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung desGrades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außerBetracht gelassen hat (vgl. BGH, Urt. v. 8. Oktober 1991 -XI ZR 238/90, WM 1991, 1946, 1948; Urt. v. 29. Septem-ber 1992 - IX ZR 265/91, NJW 1992, 3235, 3236; Beschl.v. 9. Februar 2006 aaO). So liegt es hier.

11 c) Das Beschwerdegericht hat bei der Beurteilung des Gra-des der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Be-tracht gelassen. Die Schuldnerin hat bei der vorausgegan-genen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung das inRede stehende Sparguthaben angegeben. Bei ihrer Anhö-rung im Insolvenzverfahren hat sie hierauf Bezug genom-men. Ihre Angaben vor dem Gerichtsvollzieher hattenauch Eingang in die Insolvenzakten gefunden. Dies warder Schuldnerin bekannt. All dies zeigt, dass sie diese Po-sition nicht hat unterdrücken wollen.

12 4. Die Sache ist entscheidungsreif. Das Landgericht hatim Anschluss an die Ausführungen des Insolvenzgerichtsdie sonst noch in Betracht gekommenen Versagungs-gründe als nicht nachgewiesen erachtet. Der Versagungs-antrag der Gläubigerin ist daher als unbegründet zurück-zuweisen. Die übrigen nach § 291 InsO zu treffendenEntscheidungen bleiben dem Insolvenzgericht vorbehal-ten.

Restschuldbefreiung: Voraussetzung der Versagungbei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Falsch-angaben

Vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschangaben desSchuldners zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen begrün-den die Versagung der Restschuldbefreiung nur dann, wennsie subjektiv dem Zweck dienen, Leistungen zu erhalten oderzu vermeiden.

BGH, Beschl. v. 20.12.2007, Az.: IX ZB 189/06 (vorgehend LG Halle(Saale), Beschl. v. 10.10.2006 – 2 T 601/06; AG Halle-Saalkreis,Beschl. v. 28.07.2006 – 59 IK 229/03)

(ID 41116)

Aus den Gründen:

I.

1 Auf Antrag des Schuldners vom 14. Oktober 2003 wurdeüber sein Vermögen am 25. November 2003 das Insol-venzverfahren eröffnet, in dem er Restschuldbefreiung be-gehrt. Das durch das Finanzamt Naumburg vertretene be-teiligte Land hat im Schlusstermin am 6. März 2006beantragt, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu ver-sagen. Der Antrag ist darauf gestützt, dass der Schuldneranlässlich einer von der Finanzverwaltung gegen ihn er-wirkten fruchtlosen Pfändung am 12. Februar 2001 ein inseinem Eigentum stehendes – bereits seinerzeit sowohl derZwangsversteigerung als auch der Zwangsverwaltungunterstelltes und inzwischen von der Treuhänderin man-gels eines zu erwartenden Erlöses freigegebenes – Haus-grundstück verschwiegen hat.

2 Das Amtsgericht hat den Versagungsantrag zurückgewie-sen; auf die Beschwerde des Landes hat das Landgerichtdem Antrag stattgegeben. Mit seiner Rechtsbeschwerdeverfolgt der Schuldner sein Begehren auf Restschuldbe-freiung weiter.

II.

3 Die statthafte Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 289 Abs. 2 Satz 1 InsO) ist begrün-det.

4 1. Das Landgericht hat dem Schuldner die Restschuldbe-freiung in Anwendung von § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO versagt,weil er das ihm gehörende Grundstück nicht als Vermö-genswert angegeben habe. Den Schuldner entlaste esnicht, dass die Zwangsversteigerung über das Grundstückangeordnet worden sei, weil der Gläubiger berechtigt ge-wesen sei, in diesem Verfahren seine Ansprüche anzu-melden. Ferner komme es nicht auf den Willen einer Gläu-bigerbenachteiligung an.

5 2. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg.

6 a) Zu Unrecht meint die Rechtsbeschwerde freilich, imRahmen einer Zwangsvollstreckung gemachte unrichtigeAngaben seien nicht geeignet, den Versagungsgrund des§ 290 Abs. 1 Nr. 2 Variante 3 InsO auszulösen. Falls der vondem subjektiven Tatbestand vorausgesetzte Zusammen-hang, Leistungen an öffentliche Kassen zu vermeiden,tatsächlich gegeben ist, erfüllen – wie der Senat bereits ent-schieden hat (Beschl. v. 9. Februar 2006 – IX ZB 19/05, WM2006, 1296 f = VuR 2006, 275) – auch unrichtige Angabengegenüber den Vollstreckungsbeamten des Finanzamtsden Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO. DieAusführungen der Rechtsbeschwerde geben keine Veran-lassung, von dieser Gesetzesauslegung abzugehen.

7 b) Jedoch beeinträchtigt die angefochtene Entscheidung– wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt – den Schuld-ner in seinem Verfahrensgrundrecht aus Art. 103 Abs. 1GG.

8 aa) Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist verletzt, wennim Einzelfall deutlich wird, dass Vorbringen überhauptnicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Ent-scheidung nicht erwogen worden ist. Zwar muss das Ge-richt nicht jeden Sachvortrag in den Urteilsgründen aus-drücklich erörtern. Wenn das Gericht aber auf denwesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zueiner Frage, die für das Verfahren von besonderer Bedeu-tung ist, nicht eingeht, lässt dies auf die Nichtberücksich-tigung des Vortrags schließen (BGH, Beschl. v. 11. Sep-tember 2007 – X ZB 15/06 Tz. 17 zur Veröffentlichungbestimmt; BGH, Beschl. v. 21. Juli 2005 – IX ZB 80/04,NZI 2005, 687).

9 bb) So verhält es sich im Streitfall. Das Beschwerdegerichthat entscheidungserhebliches Vorbringen des Schuld-ners, mit dem er auf den Versagungsantrag des beteilig-ten Landes erwidert hat, ersichtlich nicht zur Kenntnisgenommen.

10 (1) Der Versagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO greiftdurch, wenn der Schuldner vorsätzlich oder grob fahrläs-sig schriftlich unrichtige oder unvollständige Angabenüber seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht hat, um

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einen Kredit zu erhalten, Leistungen aus öffentlichenMitteln zu beziehen oder – wie im Streitfall – Leistungenan öffentliche Kassen zu vermeiden. Der zweigliedrige sub-jektive Tatbestand erfordert, dass der Schuldner vorsätz-lich oder grob fahrlässig unrichtige Angaben gemachthat, um einen Kredit oder öffentliche Leistungen zu er-halten. Neben vorsätzlich oder grob fahrlässig gemach-ten unrichtigen Angaben verlangt die Vorschrift, wie derWortlaut „um (...) zu” verdeutlicht, ein finales Handelnzur Verwirklichung der Zielsetzung, hier einer Leistungs-vermeidung (BGH, Beschl. v. 9. Februar 2006 aaO;Braun/Lang, InsO 3. Aufl. § 290 Rn. 13; HmbKomm-In-sO/Streck, 2. Aufl. § 290 Rn. 20; FK-InsO/Ahrens, InsO 4.Aufl. § 290 Rn. 24; Römermann in: Nerlich/Römermann,InsO § 290 Rn. 54). Nach der eindeutigen Tatbestandsfas-sung des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO kann auch im Fall grobfahrlässiger Falschangaben auf diesen – eher mit vorsätz-lichem Handeln korrespondierenden – finalen Zu-sammenhang nicht verzichtet werden (Döbereiner, DieRestschuldbefreiung nach der Insolvenzordnung 1997 S.126; MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 Rn. 40; Küb-ler/Prütting/Wenzel, InsO § 290 Rn. 13). Da sich die Un-redlichkeit des Schuldners in dem zielgerichteten Handelnhinreichend manifestiert, ist es, wenn zwischen den un-richtigen Angaben und den tatbestandlich vorausgesetz-ten Leistungen ein objektiver Zusammenhang besteht, oh-ne Bedeutung, ob der Schuldner mit Hilfe derFalschangaben sein Ziel tatsächlich erreicht hat (Münch-Komm-InsO/Stephan, § 290 Rn. 41; FK-InsO/Ahrens,aaO).

11 (2) Das Landgericht hat zu den subjektiven Anforderun-gen keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen. Seinekonkludente Annahme, die subjektiven Voraussetzungenseien erfüllt, lässt wesentliches Vorbringen des Schuld-ners außer Betracht.

12 Der Schuldner hat zu dem Vorwurf, das Grundstück nichtangegeben zu haben, ausgeführt, er habe sich wegen derangeordneten Zwangsverwaltung und Zwangsversteige-rung „wahrscheinlich davon leiten lassen”, dass dasGrundstück für ihn nicht mehr „verfügbar” gewesen sei.Keinesfalls habe dadurch jemand „geschädigt oder bevor-teilt” werden sollen. Diese Äußerung lässt für sich ge-nommen keine sichere Schlussfolgerung darauf zu, obder Schuldner vorsätzlich, grob fahrlässig oder lediglichfahrlässig gehandelt hat. Überdies ging der Schuldnernach dem Inhalt seines die fehlende Verfügbarkeit beto-nenden und jeden Schädigungswillen in Abrede stellen-den Vorbringens möglicherweise davon aus, dass weitereGläubiger in dem Zwangsvollstreckungsverfahren überdas Hausgrundstück – wie auch die Freigabe durch dieTreuhänderin belegt – ohnehin keinen Erlös erzielen wür-den. Hatte der Schuldner dieses Bewusstsein, deutet diesdarauf hin, dass mit den unrichtigen Angaben nicht derZweck verfolgt wurde, Leistungen an öffentliche Kassen zuvermeiden. Die Zurückweisung der Sache gibt dem Be-schwerdegericht Gelegenheit, die übergangene Stellung-nahme zu würdigen und gegebenenfalls zu dem von demAntragsteller nachzuweisenden Versagungsgrund weitereFeststellungen zu treffen (vgl. BGHZ 156, 139, 147 = NJW2003, 3558, 3560).

Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO nur bei Oblie-genheitsverletzungen während der Treuhandperiodeim Vorverfahren

Wurde dem Schuldner innerhalb der Sperrfrist die Ankündi-gung der Restschuldbefreiung versagt, steht diese Entschei-dung der Bewilligung von Restschuldbefreiung in einem spä-teren Verfahren nicht entgegen. Sperrwirkung entfaltet nurdie Versagung der Restschuldbefreiung während der Treu-handperiode.

BGH, Beschl. v. 21.02.2008, Az.: IX ZB 52/07 (vorgehend LG Fran-kenthal, Beschl. v. 13.02.2007 – 1 T 36/07, AG Ludwigshafen,Beschl. v. 05.12. 2006 – 3b IK 436/06 LU)

(ID 41114)

Aus den Gründen:

I.

1 Die Schuldnerin hat am 16. November 2006 die Eröffnungdes Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen nebst Rest-schuldbefreiung und Stundung der Verfahrenskosten be-antragt. In einem früheren Insolvenzverfahren (3a IK254/03) wurde der Schuldnerin durch rechtskräftigen Be-schluss des Landgerichts Frankenthal vom 23. September2005 die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO versagt, weil sie am 28. Dezember2001 in einem Kreditvertrag unter der Rubrik “Vorschul-den/Kredite” keinen Eintrag vorgenommen hatte, obwohltatsächlich Verbindlichkeiten bestanden.

2 Amtsgericht und Landgericht haben den Stundungsantragabgelehnt. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit ih-rer Rechtsbeschwerde.

II.

3 Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 4dAbs. 1 InsO statthafte, wegen grundsätzlicher Bedeutungzulässige Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) istauch begründet.

4 1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Antrag könne ent-gegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht nach § 4aAbs. 1 Satz 3 und 4, § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO abgelehntwerden. Da § 4a Abs. 1 Satz 3 InsO bei einem Antrag aufVerfahrensstundung lediglich eine Erklärung darüber ver-lange, ob ein Versagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 oder3 InsO vorliege, sei die Schuldnerin nicht verpflichtet ge-wesen, auf den Tatbestand des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsOhinzuweisen. Die Stundung sei jedoch nicht nur unter denVoraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO, son-dern auch in anderen Fällen des § 290 Abs. 1 InsO ausge-schlossen. Im Streitfall greife wegen der in dem früherenVerfahren gemachten unzutreffenden Angaben der Ver-sagungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO ein.

5 2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nichtstand.

6 a) Im Ergebnis zutreffend hat das Beschwerdegericht an-genommen, dass einer Stundung der Verfahrenskostennicht der Ausschlussgrund des § 4a Abs. 1 Satz 3 und 4,§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO entgegensteht.

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7 Eine Stundung ist gemäß § 4a Abs. 1 Satz 3 und 4 InsOausgeschlossen, wenn ein Grund zur Versagung der Rest-schuldbefreiung im Sinne des § 290 Abs. 1 Nr. 1 oder 3InsO vorliegt. § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO ordnet die Versagungder Restschuldbefreiung an, wenn dem Schuldner in denletzten zehn Jahren vor dem Eröffnungsantrag oder nachdiesem Antrag Restschuldbefreiung erteilt oder nach§§ 296, 297 InsO versagt worden ist. Der Schuldnerin istzwar innerhalb der Frist Restschuldbefreiung versagt wor-den; diese Entscheidung beruht aber auf § 290 Abs. 1 Nr. 2InsO und nicht – wie von § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO aus-drücklich vorausgesetzt – auf § 296 oder § 297 InsO. Nach§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO ist es für die Erlangung der Rest-schuldbefreiung unschädlich, dass dem Schuldner in ei-nem früheren Verfahren die Ankündigung der Rest-schuldbefreiung (§ 291 Abs. 1, § 290 Abs. 1 InsO)vorenthalten wurde. Ein Versagungsgrund ist vielmehrerst gegeben, wenn der Schuldner innerhalb der Treu-handperiode eine Obliegenheit verletzt (§ 296 InsO) oderwegen einer Straftat nach §§ 283 bis 283c StGB rechts-kräftig verurteilt wird (§ 297 InsO). Die “vorweggenom-mene Versagung” (Graf-Schlicker/Kexel, InsO § 290 Rn.14) nach § 290 Abs. 1 InsO fällt danach nicht unter § 290Abs. 1 Nr. 3 InsO und löst darum keine Sperrfrist für ei-nen erneuten Antrag aus (Graf-Schlicker/Kexel, aaO; FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl. § 290 Rn. 31; HK-InsO/Landfer-mann, 4. Aufl. § 290 Rn. 10; HmbKomm-InsO/Streck, 2.Aufl. § 290 Rn. 22; Uhlenbruck/Vallender, InsO 12. Aufl.§ 290 Rn. 47; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 290 Rn.14). Da § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO nach dem Willen des Ge-setzgebers (BT-Drucks. 14/7302 S. 187) nur die Versagungeiner Restschuldbefreiung innerhalb der Treuhandperiodesanktioniert, ist für eine analoge Anwendung der Vor-schrift auf die Ankündigung der Restschuldbefreiung keinRaum (Römermann in Nerlich/Römermann, InsO § 290Rn. 70; MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 Rn. 54).

8 b) Freilich kann die Stundung – wie die Rechtsbeschwer-de zutreffend rügt – auch nicht auf der Grundlage des§ 4a Abs. 1 Satz 3 und 4, § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO abge-lehnt werden.

9 aa) Die Stundung ist über die Regelung des § 4a Abs. 1Satz 3 und 4, § 290 Abs. 1 Nr. 1 und 3 InsO hinaus auchin anderen Fällen des § 290 Abs. 1 InsO ausgeschlossen, so-fern die Voraussetzungen eines die Restschuldbefreiunghindernden Versagungsgrundes bereits in diesem Verfah-rensstadium zweifelsfrei feststehen. Räumt der Schuldnerein, dass er in den letzten drei Jahren vor dem Antrag aufEröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem An-trag vorsätzlich unrichtige oder unvollständige schriftli-che Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse ge-macht hat, um einen Kredit zu erhalten (§ 290 Abs. 1Nr. 2 InsO), kann die Stundung, weil sie ohnehin nach-träglich aufgehoben werden müsste, bereits von vornher-ein versagt werden (BGH, Beschl. v. 16. Dezember 2004 –IX ZB 72/03, WM 2005, 472 f; Beschl. v. 27. Januar 2005– IX ZB 270/03, WM 2005, 527).

10 bb) Die zeitlichen Voraussetzungen des § 290 Abs. 1 Nr. 2InsO – unrichtige Angaben innerhalb eines Zeitraumesvon drei Jahren vor Antragstellung – sind ersichtlich nichtgegeben. Die Schuldnerin hat fehlerhafte Angaben imZusammenhang mit der Erlangung eines Kredits am 28.Dezember 2001 gemacht. Die Frist von drei Jahren warim Zeitpunkt der Antragstellung am 16. November 2006

längst verstrichen. Bei der Berechnung der Frist ist dieAntragstellung in dem vorliegenden Verfahren, auf dassich der Stundungsantrag bezieht, und nicht in dem früh-ren Verfahren maßgeblich. Die gegenteilige Würdigungdes Beschwerdegerichts würde auf das – wie oben ausge-führt – mit § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO unvereinbare Ergebnishinauslaufen, dass ein in einem früheren Verfahren aus§ 290 InsO hergeleiteter Versagungsgrund (hier § 290Abs. 1 Nr. 2 InsO) noch in einem späteren VerfahrenSperrwirkung entfaltet. Da die Verfehlung mithin verfris-tet ist, kann die Ablehnung der Stundung darauf nichtgestützt werden.

11 3. Die Sache ist an das Beschwerdegericht zurückzuver-weisen (§ 577 Abs. 4 ZPO), um in die gebotene Prüfungder weiteren Voraussetzungen des Stundungsantrags ein-zutreten.

Anmerkung

Von Prof. Dr. Wolfhard Kohte, Halle/Saale

1. Konsolidierte Entscheidungspraxis des IX. Zivilsenats zurRestschuldbefreiung

Bereits vor knapp zwei Jahren konnte an dieser Stelle am Bei-spiel von drei Entscheidungen des IX. Senats des BGH festge-stellt werden, dass sich die Entscheidungspraxis des Senatsstabilisiert hat (Kohte/Busch, VuR 2006, 277). Zwei Jahre spä-ter kann dieser Befund nachhaltig bestätigt werden. Aller-dings ist eine Einschränkung geboten. Wir hatten vor zweiJahren prognostiziert, dass diese Entscheidungen auch derinstanzgerichtlichen Praxis eine klare Orientierung vermit-teln können. Die jetzt entschiedenen Fälle zeigen, dass in Tei-len der instanzgerichtlichen Praxis diese Orientierung offen-kundig nicht handlungsleitend ist.

a) BGH, Beschl. v. 27.09.2007, Az.: IX ZB 243/06

In diesem Fall waren zwei Insolvenzverfahren miteinanderverbunden worden. Zunächst hatte ein Gläubiger Insolvenz-antrag gestellt; in diesem Verfahren hatte die Schuldnerin ineinem Anhörungstermin ihre Vermögensverhältnisse offengelegt und auf eine eidesstattliche Versicherung Bezuggenommen, die kurz vor dem Insolvenzantrag von ihr abge-geben worden war. In diesem Verzeichnis hatte die Schuld-nerin eine Mietkaution als einen ihr zustehenden Vermö-genswert benannt und beziffert.

Aufgrund eines gerichtlichen Hinweises hatte die Schuldne-rin danach, um Restschuldbefreiung zu erlangen, Eigenan-trag gestellt und die erforderlichen Unterlagen eingereicht. Indem Vermögensverzeichnis fehlte jedoch der Hinweis auf dieMietkaution. Der hierauf gestützte Versagungsantrag einesGläubigers war am Landgericht Karlsruhe erfolgreich. DasLandgericht hatte unrichtige Angaben nach § 290 Abs. 1Nr. 6 InsO festgestellt. Die dafür erforderliche grobe Fahrläs-sigkeit sei zu bejahen, weil die Schuldnerin aufgrund des vor-herigen Verfahrens habe wissen müssen, dass die Mietkau-tion anzugeben sei.

Der Senat folgte dieser Ansicht nicht. Grobe Fahrlässigkeitliege nur vor, wenn eine subjektiv schlechthin unentschuld-bare Pflichtverletzung festzustellen und dasjenige unbeachtetgeblieben sei, das sich im gegebenen Fall jedem aufgedrängthätte. Gerade weil die eidesstattliche Versicherung mit demHinweis auf die Mietkaution bereits zu den Akten des Insol-

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venzverfahrens genommen worden war, könne von einerunentschuldbaren Pflichtverletzung nicht gesprochen wer-den. Da die Schuldnerin ersichtlich die Mietkaution nichthabe verheimlichen wollen, könne hier weder Vorsatz nochgrobe Fahrlässigkeit festgestellt werden.

Zutreffend setzt der Senat seine Rechtsprechung fort, mit deran die grobe Fahrlässigkeit in Übereinstimmung mit dem all-gemeinen juristischen Sprachgebrauch strenge Anforderun-gen gestellt werden (BGH VuR 2006, 317). Bemerkenswert istdie methodische Divergenz zwischen den Instanzen. Bei derBejahung grober Fahrlässigkeit wird den Tatsachengerichtenein weiter Beurteilungsspielraum eingeräumt. Das Rechtsbe-schwerdegericht kann die Feststellung der Tatsacheninstan-zen nur daraufhin überprüfen, ob sie von einem grundlegendfalschen Rechtsbegriff ausgehen oder „wesentliche Umständenicht beachtet hätten“. Dies wird hier bejaht, weil die imersten Insolvenzverfahren gegebene zutreffende Informationin dem zweiten Insolvenzverfahren entlastend habe verwer-tet werden müssen.

b) BGH, Beschl. v. 20.12.2007, Az.: IX ZB 189/06

In diesem Verfahren hatte das Land Sachsen-Anhalt, vertre-ten durch das Finanzamt Naumburg, einen Versagungsantragnach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO gestellt, weil der Schuldner imRahmen eines früheren Vollstreckungsverfahrens ein ihmdamals gehörendes Grundstück nicht angegeben hatte. Die-ses Grundstück stand damals bereits unter Zwangsverwal-tung, das Zwangsversteigerungsverfahren war eingeleitet; imweiteren Verlauf des Insolvenzverfahrens hatte der Treuhän-der dieses Grundstück freigegeben, weil kein Erlös für dieMasse zu erwarten sei.

Unproblematisch war wiederum die Falschangabe, zu disku-tieren war der subjektive Tatbestand. Dieser ist bei § 290Abs. 1 Nr. 2 InsO zweigliedrig ausgestaltet: zunächst werdenVorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verlangt, weiter ist es erfor-derlich, dass die Falschangabe erfolgte, um Leistungen zuerlangen bzw. zu vermeiden (dazu bereits BGH VuR 2006,275). In der bisherigen Judikatur des IX. Senats ist das Prüf-programm für den objektiven Tatbestand und den zweiglie-drigen subjektiven Tatbestand hinreichend klar herausgear-beitet worden (dazu Kohte/Busch, VuR 2006, 278). Gleichwohlfehlen im Beschluss des Landgerichts hinreichend konkreteAngaben; diskret spricht der Senat davon, dass das Landge-richt „konkludent angenommen habe“, dass die subjektivenVoraussetzungen erfüllt seien.

Für die Bejahung eines zweigliedrigen Tatbestands fehltejedoch ein hinreichender Anhaltspunkt, denn der Schuldnerhatte sich darauf berufen, dass dieses Grundstück für ihnnicht mehr „verfügbar“ gewesen sei und daher für die Gläu-biger nicht wichtig sei. Objektiv war dies gleichwohl einePflichtverletzung, da es nicht dem Schuldner obliegt, zu ent-scheiden, welche Informationen für den Gläubiger von Rele-vanz sind. Bei der Prüfung des subjektiven Tatbestands hättedieses Vorbringen jedoch nicht nur zur Kenntnis, sondernauch verwertet werden müssen, denn bei einer Schuldnerer-wartung, dass aus diesem Grundstück kein Erlös mehr zuerlangen sei, ist es schwer feststellbar, dass die Pflichtverlet-zung begangen worden sei, um damit final Zahlungen zu ver-meiden. Das Vorgehen des Landgerichts bewertete der Senatdaher als eine Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies istzutreffend und es ist bemerkenswert, dass ein vergleichbaresDefizit in einem vergleichbaren Fall bereits 2005 moniertworden war (BGH VuR 2005, 431).

c) BGH, Beschl. v. 21.02.2008, Az.: IX ZB 52/07

In diesem Verfahren hatte die Schuldnerin im Dezember2001 in einem Kreditantrag schuldhaft Falschangabengemacht. Der in einem 2003 eingeleiteten Insolvenzverfah-ren gestellte Antrag auf Restschuldbefreiung wurde 2005rechtskräftig nach § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO abgelehnt. ImDezember 2006 stellte die Schuldnerin erneut Insolvenzan-trag und beantragte wiederum Restschuldbefreiung. DasAmtsgericht lehnte diesen Antrag nach § 290 Abs. 1 Nr. 3InsO, das Landgericht nach § 290 Abs. 2 InsO ab. Beide Wegeund Begründungen waren verfehlt.

Die Entscheidung des AG Ludwigshafen, hier § 290 Abs. 1Nr. 3 InsO anzuwenden, kollidiert bereits deutlich mit demWortlaut des Gesetzes. Der Versagungsgrund nach § 290Abs. 1 Nr. 3 InsO greift nur ein, wenn in den letzten zehn Jah-ren Restschuldbefreiung erteilt oder wegen Verletzung derObliegenheiten nach §§ 296, 297 InsO versagt worden war.Hier war jedoch im Vorverfahren eindeutig nicht § 296 InsO,sondern § 290 InsO angewandt worden, sodass bereits derklare Gesetzeswortlaut eindeutig gegen die Ansicht des Amts-gerichts sprach.

Ein Blick in die Entstehungsgeschichte hätte die Fehlerhaf-tigkeit des amtsgerichtlichen Weges verdeutlichen können.Im ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung sowie auchin den Stellungnahmen des Bundesrates war die Versagungder Restschuldbefreiung nach § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO(ursprünglich § 239 E-InsO bzw. § 346 e E-InsO n.F.) nur aufdie Fälle einer früheren Erteilung der Restschuldbefreiungbegrenzt und sollte damit einer Wiederholung des Rest-schuldbefreiungsverfahrens enge Grenzen setzen. In den Ver-handlungen des Rechtsausschusses wurde dann die Versa-gung nach §§ 296, 297 InsO (damals §§ 346 k, 346 l E-InsO)eingefügt, um „Missbräuchen“ entgegenzuwirken und zurVermeidung von Verfahren beizutragen (BT-Drs. 12/7302,S.187).

In der Literatur wurde in systematischer Interpretation her-ausgearbeitet, dass die Beschränkung auf die Versagung nach§§ 296, 297 InsO einen sachlichen Grund hat, weil die Anfor-derungen an diese Obliegenheitsverletzungen höher sind alsan diejenigen nach § 290 InsO und auf diese Weise dieSchuldner auch zur sorgfältigen Beachtung der Obliegenhei-ten während der Treuhandperiode motiviert werden sollen(Uhlenbruck/Vallender InsO, 12. Aufl. § 290 Rz. 47; Landfer-mann in HK-InsO, 4. Aufl. § 290 Rz. 10; Gottwald/R.Schmidt-Räntsch, Insolvenzrechts-Handbuch 3. Aufl. § 77 Rz. 12). Diesist sachlich nachvollziehbar und entspricht der bisherigenJudikatur des BGH, in der die Anforderungen an eine Versa-gung nach § 296 InsO deutlich restriktiver als bei einer Ver-sagung nach § 290 InsO gefasst sind (dazu Kohte/Busch VuR2006, 277, 278). Angesichts dieser sachlichen Differenzierunghat die Literatur auch zutreffend herausgearbeitet, dass eineden Wortlaut übersteigende Auslegung von § 290 Abs. 1 Nr. 3InsO nicht statthaft ist (FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl. § 290 Rz. 31;MünchKomm-InsO/Stephan, § 290 Rz. 54).

Das LG Frankenthal hat erkannt, dass § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsOdie Versagung nicht tragen könne, meinte aber, dass hier§ 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO einschlägig sei. Wiederum stellte sichdabei eine deutliche Kollision mit dem Wortlaut des Geset-zes. § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO verlangt, dass die Falschangabeninnerhalb der letzten drei Jahre vor dem Antrag auf Eröff-nung des Insolvenzverfahrens erfolgt sind. Hier lagen jedochfünf Jahre zwischen Falschangabe und Insolvenzantrag. Das

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Landgericht meinte allerdings, dass es auf die Frist des erstenInsolvenzverfahrens ankomme. Diese Konstruktion ist wedermit dem Wortlaut noch mit dem Normzweck vereinbar. DerText in § 290 Abs. 1 Nr. 2 InsO bezieht sich eindeutig auf dasaktuelle Insolvenzverfahren. Dies entspricht auch der Syste-matik des Insolvenzrechts, in dem jedes einzelne Insolvenz-verfahren deutlich unterschieden wird und ein rechtskräftigbeendetes Insolvenzverfahren nicht in ein später eröffnetesVerfahren integriert werden kann. Damit war auch der Wegdes Beschwerdegerichts eindeutig rechtsfehlerhaft und dieAbweisung des Stundungsantrags aufzuheben.

In dem aktuellen Verfahren ging es nicht wie in den anderenbeiden Verfahren um einen Gläubigerantrag auf Versagungder Restschuldbefreiung; zu entscheiden war vielmehr überden Stundungsantrag nach § 4 a InsO. Dabei ist nach § 4 aAbs. 1 S. 4 InsO dieser Antrag abzuweisen, wenn der Versa-gungsgrund des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO vorliegt; insoweit wardas Vorgehen des Amtsgerichts mit der Normstruktur des § 4a InsO vereinbar, musste allerdings am klaren Wortlaut des§ 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO scheitern.

Für das Landgericht stellten sich allerdings methodischschwierigere Fragen: die Versagung nach § 290 Abs. 1 Nr. 2InsO ist in § 4 a InsO nicht genannt. Eine allgemeineErstreckung des § 290 InsO auf § 4 a InsO ist methodischnicht statthaft; der IX. Senat hat in seiner Rechtsprechungeine Ablehnung des Stundungsantrags nur für solche Sach-verhalte als möglich erachtet, in denen „zweifelsfrei“ ein Ver-sagungsgrund nach § 290 Abs. 1 Nr. 2, 4-6 InsO vorliege(zuletzt BGH VuR 2007, 34 m. Anm. Kohte; ebenso FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl. § 290 Rz. 9 b). Diese Eingrenzung wirdim vorliegenden Fall ausdrücklich bekräftigt. Die Konstruk-tion des Landgerichts, mit einer abweichenden Fristberech-nung zu operieren, hätte daher auf keinen Fall in Betrachtgezogen werden dürfen, da diese Abweichung vom Wortlautauf keinen Fall „zweifelsfrei“ eine Versagung rechtfertigenkönne. Insoweit bestätigen sich hier Erfahrungen, dass dieabgestufte Argumentation des BGH in Teilen der instanzge-richtlichen Praxis nicht hinreichend beachtet wird (Kohte,VuR 2005, 270, 271). Zugleich wird damit bekräftigt, wiewichtig für die anwaltliche Beratung und Vertretung desSchuldners die Aufgabe ist, rechtzeitig abzuklären, ob ein Ver-sagungsgrund in Betracht kommt und in entsprechendenKonstellationen im Stundungsverfahren substantiiert vorzu-tragen, dass und warum ein Versagungsgrund nicht „zwei-felsfrei“ feststeht (Kohte, VuR 2007, 36).

2. Sachliches und methodisches Fazit

Das Fazit der drei Entscheidungen ist daher aus meiner Sichtgespalten. Einerseits zeigen alle drei Entscheidungen deut-

lich, dass unter Anwendung der methodischen Instrumenteheutiger juristischer Interpretation eine teleologisch gestütz-te Auslegung des § 290 InsO möglich ist und dass nach mehrals fünf Jahren inzwischen ein plausibles und nachvollzieh-bares System zu erkennen ist, wie die schwierige Frage derVersagung der Restschuldbefreiung methodisch zuverlässigbewältigt werden kann. Die jetzt verdeutlichte klare Abgren-zung des Tatbestands des § 290 Abs. 1 Nr. 3 InsO wird hilf-reich sein, wenn die nicht unproblematische (dazu Pape, NZI2007, 681, 686) Amtsprüfung dieses Tatbestands im Gesetzkodifiziert werden sollte.

Bemerkenswert ist jedoch, dass in der instanzgerichtlichenPraxis weiterhin an einer Reihe von Orten die Kategorien desIX. Senats, mit denen das Gesetz hinreichend operabelgemacht worden ist, nicht oder kaum zur Kenntnis genom-men werden. In allen Verfahren fanden sich grundlegendemethodische Probleme: wesentliche Umstände wurden ver-kannt, das rechtliche Gehör missachtet, der klare Wortlautdes Gesetzes deutlich verfehlt, wichtige Tatbestandsmerkma-le nicht subsumiert, sondern „konkludent“ bejaht. Dies deu-tet auf grundlegende Probleme und auf Reservate abweichen-den Vorverständnisses hin.

Bereits in dem Konflikt mit einzelnen Gerichten in Bayernwar festzustellen, dass die dem Gesetz zugrunde liegendeRedlichkeitsvermutung nicht von allen Gerichten geteiltworden war. Der Schuldner erschien dort weiterhin noch als„Schuldiger“, dem seine Verschuldung vorzuhalten und vor-zuwerfen sei. Dies ist weder die Position des Gesetzes nochdiejenige des BGH; ihr ist auch weiterhin eindeutig entgegenzu treten (Grote, ZInsO 2005, 266). In den letzten Jahren istin der Literatur und wachsenden Teilen auch der instanzge-richtlichen Praxis deutlich geworden, dass es in § 290 InsOnicht um eine allgemeine Redlichkeitsprüfung nach demVorbild der früheren Würdigkeitsprüfung in der Vergleich-sordnung, sondern um typisierte Formen qualifizierterPflichtverletzungen geht (Dick VuR 2007, 473; FK-InsO/Ahrens, 4. Aufl. § 290 Rz. 4).

Diese Klarheit wird beeinträchtigt, wenn in der rechtspoliti-schen Diskussion weiterhin Erweiterungen von § 290 InsOthematisiert werden, die die Abgrenzung zur allgemeinenRedlichkeitsvermutung unterlaufen (zur Kritik Dick, ZVI2007, 123; VuR 2007, 473, 474; Ahrens, ZInsO 2007, 673). Esist daher weiterhin geboten, der geplanten systemwidrigenAusdehnung von § 290 InsO entgegen zu treten. Die bisheri-ge Judikatur des BGH zu § 290 InsO ist zu bekräftigen, damitauch in der instanzgerichtlichen Praxis der Weg von der all-gemeinen Würdigkeitsprüfung zur konkreten und qualifizier-ten Pflichtverletzung zurückgelegt wird.

R E C H T S P R E C H U N G | Verbraucher inso lvenzrecht

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VuR 5/2008 | 199

R E C H T S P R E C H U N G S Ü B E R S I C H T

R E C H T S P R E C H U N G S Ü B E R S I C H T

BA N K R E C HT

Kreditverkauf und RechnungslegungOLG-München, Urt. v. 26.02.2008, Az.: 5 U 5102/06

(ID 41044)

1. Der Darlehensnehmer kann nach Abtretung der Darle-hensforderung auch dem neuen Gläubiger gemäß § 404 BGBEinwendungen aus dem Darlehensvertrag und der Siche-rungsabrede entgegensetzen.

2. Die Verletzung der Pflicht zur periodischen Rechnungsle-gung durch den Darlehensgeber kann im Einzelfall so schwerwiegen, dass die Zwangsvollstreckung aus den Sicherheitenfür das nicht mehr bediente Darlehen sich als unzulässigeRechtsausübung darstellt; dies gilt insbesondere, wenn derDarlehensgeber dem Darlehensnehmer auf dessen Anfragehin den Betrag zur Ablösung des Darlehens und der Sicher-heiten nicht mitteilt.

V E R S I C H E R U N G S R E C H T

Zur Rechtskraftwirkung des § 3 Nr. 8 PflVG a.F.BGH, Urt. v. 15.01.2008, Az.: VI ZR 131/07

(ID 41080)

Wird im Verkehrsunfallprozess gegen den Haftpflichtversi-cherer und den Versicherungsnehmer die Berufungssummenicht erreicht und lässt das Amtsgericht die Berufung gegensein aus sachlichen Gründen klageabweisendes Urteil gegenden Haftpflichtversicherer nicht zu, hat die Rechtskraftwir-kung des § 3 Nr. 8 PflVG zur Folge, dass im Rahmen einernur im Verhältnis zum beklagten Versicherungsnehmer zuge-lassenen Berufung eine erneute Überprüfung der Haftungs-frage ausgeschlossen ist. Auf die Frage, ob der Klage gegenden beklagten Versicherungsnehmer ein Schlichtungsverfah-ren im Sinne der §§ 10, 11 GüSchlG NRW hätte vorausgehenmüssen, kommt es unter diesen Umständen nicht an.

Mehrfachversicherung – Ausgleich zwischen demSachversicherer des Geschädigten und dem Haft-pflichtversicherer des durch einen Regressverzichtbegünstigten SchädigersOLG Karlsruhe, Urt. v. 07.02.2008, Az.: 12 U 126/07

(ID 41084)

1. Wer auf dem Herd Öl erhitzt und die Küche lediglich füreine kurze Handreichung verlässt, handelt noch nicht grobfahrlässig.

2. Der analog § 59 Abs. 2 VVG a.F. (§ 78 Abs. 2 VVG) vorzu-nehmende Ausgleich zwischen dem Sachversicherer desGeschädigten und dem Haftpflichtversicherer des durcheinen Regressverzicht begünstigten Schädigers bemisst sichallein nach dem Verhältnis der Leistungspflichten bezüglichdes deckungsgleichen Schadens.

Rechtsschutzversicherung – zur Wartezeit bei Einbe-ziehung eines Zusatzrisikos in einen bestehenden Ver-sicherungsvertragOLG Karlsruhe, Urt. v. 15.01.2008, Az.: 12 U 89/07

(ID 41083)

Werden bei einer bestehenden Rechtsschutzversicherungdurch Vereinbarung oder einvernehmliche Einbeziehunganderer Bedingungen weitere Leistungsarten in den Versiche-rungsschutz einbezogen, so läuft eine bedingungsgemäßeWartezeit für dieses Zusatzrisiko ab dem Tag, an dem der Ver-sicherungsschutz für dieses Einzelwagnis beginnt.

Private Unfallversicherung – Zum Vorliegen einesUnfallereignisses und den Anforderungen an eineärztliche InvaliditätsfeststellungLG Dortmund, Urt. v. 14.02.2008, Az.: 2 O 362/07

(ID 41086)

1. Der Riss einer Achillessehne beim Begehen einer leichtansteigenden Einfahrt stellt kein versichertes Unfallereignisdar, wenn weder ein unvorhergesehenes Hindernis noch eineBodenunebenheit der Bewegung einen anderen als dengewollten Verlauf gegeben noch eine erhöhte Kraftanstren-gung vorgelegen hat.

2. Liegt überhaupt keine den Bedingungsgemäßen Anforde-rungen genügende ärztliche Invaliditätsfeststellung vor,kommt es nicht darauf an, ob die Fristenregelung in Ziff.2.1.1.1 AUB 2000 dem Transparenzgebot genügt, da es bereitsan einer die Entschädigungspflicht des Versicherers begren-zenden Anspruchsvoraussetzung fehlt.

Zur Rückforderung des entgegen der wirksam ange-zeigten Abtretung gezahlten Rückkaufswertes einerLebensversicherungLG Dortmund, Urt. v. vom 14.02.2008, Az.: 2 O 384/06

(ID 41085)

1. Zur Wirksamkeit der Abtretung der Rechte und Ansprücheaus einer Lebensversicherung bedarf es einer schriftlichenAnzeige der Abtretung durch den Versicherungsnehmer alsbisherigen Verfügungsberechtigten gegenüber dem Versiche-rer. Fehlt es an einer ordnungsgemäßen Abtretungsanzeige,ist die Abtretung absolut unwirksam.

2. Für die Übermittlung einer eigenen Abtretungsanzeige desVersicherungsnehmers an den Versicherer durch den Abtre-tungsempfänger bedarf es keiner gesonderten (schriftlichen)Vollmacht.

3. Die (Sicherungs-) Abtretung aller gegenwärtigen undzukünftigen Ansprüche aus einer Kapitalversicherung aufden Todes- und Erlebensfall erfasst im Zweifel auch das Recht,nach Kündigung der Lebensversicherung den Rückkaufswertzu vereinnahmen.

4. Zahlt der Versicherer entgegen einer ihm wirksam ange-zeigten Abtretung nach Kündigung der Lebensversicherung

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200 | VuR 5/2008

den Rückkaufswert an seinen Versicherungsnehmer aus,kann sich der Versicherungsnehmer im Rückforderungspro-zess nicht darauf berufen, dass der Versicherer die Zahlungnicht von der Vorlage des Versicherungsscheines abhängiggemacht hat.

V E R B R AU C H E R I N S O LV E N Z R E C HT

Anforderungen an Insolvenzgläubiger, die einen Ver-sagungsantrag nach § 290 InsO stellenAG Essen, Beschl. v. 25.07.2007, Az.:166 IN 231/02

(ID 41117)

Die Antragsbefugnis für einen Antrag, dem Insolvenzschuld-ner gemäß §§ 290 Abs. 1, 296 Abs. 1 S. 1, 297 Abs. 1 InsO die

Restschuldbefreiung zu versagen, hat nur ein Insolvenzgläu-biger im Sinne des § 38 InsO, der am Insolvenzverfahren teil-nimmt. Dies trifft nur auf einen Insolvenzgläubiger zu, des-sen beim Insolvenzverwalter unter Beachtung von § 174Abs. 1 S. 1, Abs. 2 InsO angemeldete Forderung gemäß § 178Abs. 1 InsO festgestellt gilt.

LG Göttingen, Beschl. v. 18.09.2007, Az.:10 T 117/07

(ID 41118)

Der Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung kann nurvon einem am Insolvenzverfahren teilnehmenden Insolvenz-gläubiger gestellt werden; Anträge auf Versagung der Rest-schuldbefreiung gem. § 290 InsO können nur Gläubiger stel-len, die ihre Forderung zur Tabelle angemeldet haben.

B U C H B E S P R E C H U N G

Schmidt-Futterer, Wolfgang / Blank, HubertKommentar zum MietrechtC. H. Beck-Verlag, 9. Auflage 2007

Ohne jedes Pathos lässt sich der nunmehr in 9.Auflage mit dem Stand April 2006 vorliegendeGroßkommentar als Standartwerk zum Wohn-raum- und Gewerberaummietrecht bezeich-nen.

Das Werk zeichnet das gesamte Mietrecht desBürgerlichen Gesetzbuches unter Einbezug dermietrechtlich relevanten ZPO-, StGB- undWiStG-Bestimmungen mit einer Intensitätnach, die auch in BGB-Großkommentarenihresgleichen sucht. Der Detailreichtum derKommentierung ist wahrlich bestechend undbietet für den hart am Sachverhalt arbeitendenMietrechtspraktiker unschätzbare Hilfen. Dennneben einer vollständigen Analyse der höchst-und obergerichtlichen Rechtsprechung sowieder Fachliteratur legt der Kommentar erfreu-licher Weise auch besonderes Geicht auf dieInstanzrechtsprechung zu Einzelfallkonstellatio-nen. Übergreifende Gesichtspunkte undNebenvorschriften sind in umfangreichen Vor-bemerkungen und Anhängen ebenfalls kom-mentiert.

Herausgeber und Autorenteam bürgen alsAngehörige der „Creme de la Creme des Miet-rechts“ ebenfalls in Diktion, Lesbarkeit und wis-

senschaftlichem Anspruch für höchste Qualität.Der angebotene wissenschaftliche Apparat inGestalt von Fundstellen-, Literatur-, Stichwort-und Abkürzungsverzeichnissen sowie Entschei-dungsübersichten rundet die Darstellung ab.

Zwei Aspekte könnten aus der Sicht des Rezen-senten den erstrangigen Stellenwert des Wer-kes noch unterstreichen:

In seiner bisherigen Konzeption bietet das Werkin die Kommentierung der einzelnen Vorschrif-ten eingestreute Ausführungen zu AGB-recht-lichen Fragestellungen. Gerade hier zeigt dieRechtsprechung auch in jüngster Zeit aber einefast inflationär zu nennende Entscheidungsten-denz, die aufgrund ihrer großen Fülle auch fürden täglich befassten Praktiker kaum nocherfassbar scheint. Neue Wertungsmaßstäbekommen insbesondere im Wohnraummietrechtwohl auch aufgrund der im Jahre 2005 geän-derten personellen Besetzung des zuständigen8. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs in Formvon Rechtsprechungsänderungen zum Beispielbei der Bewertung mietvertraglicher Abgel-tungsklauseln dazu, die heute nur noch auf derGrundlage einer „weichen“ Berechnungs-grundlage akzeptiert werden. Aufgrund derhohen Bedeutung AGB-rechtlicher Fragestel-lungen im Wohn- und Gewerberaummietrechtwäre eine geschlossene Darstellung der von

Rechtsprechung und Fachschrifttum entwickel-ten und fortgeschriebenen Maßstäbe zu dervon §§ 307 BGB ff BGB aufgegebenen Inhalts-kontrolle mietrechtlicher Klauselwerke wün-schenswert und hilfreich. Dabei könnte es sichum eine zusammenfassende gedrängte Darstel-lung handeln, die auf ausführlichere Abhand-lungen zu Einzelfragen im Zusammenhang derKommentierung verweist.

Von der praktischen Bedeutung her sinnvollwäre ebenso eine Ergänzung des Werks durcheine eigene und geschlossene Darstellung allerFragen im Zusammenhang mit der vermietetenEigentumswohnung sowie des vermietetenTeileigentums mit gewerblicher Nutzung.

Die gegebenen Hinweise verstehen sich nurpositiv als Anregungen für die Folgeauflage,nicht als Kritikpunkte an einem absolut erstran-gigen Großkommentar, der seine meinungsbil-dende Stellung seit Jahren zu Recht hervorra-gend ausfüllt und auf den Arbeitstisch, nichtnur in die Bibliothek, jedes Mietrechtlers inJustiz, Verwaltung, Verbänden und Wohnungs-wirtschaft gehört.

Rechtsanwalt Dr. Hans Reinold Horst, Geschäftsführender Vorstand und Vorsitzender

des Landesverbandes Haus & Grund Niedersachsen e. V., Hannover / Langenhagen

B U C H B E S P R E C H U N G

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VuR 5/2008 | V

I N F O R M AT I O N E N

■ Die französische Verbraucherzeitschrift IncHebdo Nr. 1462 vom 4.02.08 berichtet überein Anfang Januar in Frankreich erlassenesGesetz, das eine Ausweitung der Media-tion im Bankgewerbe vorsieht. Auch Streit-fälle, die sich auf Kredite, Geldanlagen undSparen beziehen, würden künftig in die Zu-ständigkeit von Mediatoren fallen. Die Kom-petenzerweiterung der Mediatoren stelle ei-ne entscheidende Entwicklung dar für dieseArt von gütlicher Einigung bei Streitfällen. ImFalle von Problemen bei der Kreditvergabe,wenn Klauseln seines Vertrags nicht erfülltwerden oder wenn anfänglich erteilte Infor-mationen im Hinblick auf ein Darlehen odereine Geldanlage unzureichend seien, könnesich der Bankkunde nunmehr an einen Me-diator wenden. Gegenüber der bisherigenPraxis, die längst nicht allen Anfragen vonSeiten der Verbraucher gerecht gewordensei, könne hiermit eine erhebliche Auswei-tung der Befugnisse von Mediatoren ver-zeichnet werden.

■ Die Zeitschrift der belgischen Verbrau-cherorganisation CRIOC, Du Côté des Con-sommateurs, befasst sich in einem Artikelvom 13.03.2008 mit einem Barometer vordem Hintergrund der Evaluierung des Ver-braucherschutzes. Bei der Wahl im Juni letz-ten Jahres kündigte CRIOC bereits die Etab-

lierung eines Indikators an, um den Verlaufder Anfragen von Verbraucherorganisatio-nen zu dokumentieren. Diesbezüglich veröf-fentlicht CRIOC nun heute ein Barometer,das Transparenz schaffen soll und letzlich denZweck hat, auszuwerten, inwieweit die Inte-ressen der Verbraucher von der jetzigenBundesregierung berücksichtigt werden.

■ In der Online-Ausgabe 01/08 von CHOICE,der Zeitschrift der Australian Consumers’ Ass-cociation (ACA) geht es um unzulässige Ver-tragsbedingungen. Diese würden das Ver-trauen der Verbraucher in den Marktausnutzen und gleichermaßen untergraben.CHOICE kämpft für bessere Gesetze. Fast al-le Konsumentenverträge in Australien ent-hielten nicht übertragbare Geschäftsbedin-gungen. Zu den typischen Beispielen zähltenVerträge für Mietautos, Mobiltelefonverträ-ge, und Banken- und Kreditverträge. Manch-mal enthielten diese Verträge Bedingungen,die völlig unfair seien. CHOICE fordert einVerbot von unlauteren Vertragsbedingungendurch nationale Gesetze, die für alle Indus-triezweige gelten sollen.

■ Die Zeitschrift Informationen zum Verbrau-cherrecht des österreichischen Vereins fürKonsumenteninformation (VKI) berichtet ineinem Artikel vom 14.03.2008 über ein Ur-teil zu gesetzeswidrigen Vertragsklauseln

bei Kfz-Leasing. Der VKI geht gegen 9 Lea-singgesellschaften mit Verbandsklage vor.Auf dem Prüfstand steht die Gesetzmäßigkeitzahlreicher Klauseln in Kfz-Leasingverträgen.Zwei Verfahren wurden nunmehr in erster In-stanz (nicht rechtskräftig) gewonnen. DerLeasingvertrag sei gesetzlich kaum geregelt;umso mehr spielten die Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen (AGB) eine wesentlicheRolle bei der Ausgestaltung der Verträge. Inden AGB fänden sich – das zeigte eine Unter-suchung des VKI – zahlreiche gesetzeswidri-ge Klauseln. Das größte Problem der geprüf-ten Vertragsbedingungen stelle derenKlarheit und Verständlichkeit dar. Viele dereingeklagten Klauseln seien von den Erstge-richten als intransparent und damit unwirk-sam angesehen worden.

Übersetzungen: Doris Luik, Hamburg

V E R B R A U C H E R Z E I T S C H R I F T E N I M A U S L A N D

Die entsprechenden Links auf dieaktuellen Zeitschriften finden Sie imInternet unter www.vur-online.deunter der Rubrik „Verbraucherzeitschrif-ten im Ausland“.

Ihre Kollegen urteilen: Kaufen!

»Ein Buch, das man oft zur Hand nehmen wird, um sich schnell und sicher im ersten Zugriff über irgendeine Frage rund um das Aktien- und Kapitalmarkt-recht zu informieren.« RA Dipl.-Kfm. Wolfgang Nieberler, MAV-Mitteilungen Juni 2007

»Hochwillkommen und uneingeschränkt zu empfehlen.«Dr. iur. Arnd Arnold, Dipl. Volksw., Der Betrieb 30/04, zur Vorauflage

»Insgesamt ist das Werk nur zu empfehlen.« Prof. Dr. Peter Ries, Rpfleger 6/03, zur Vorauflage

Aktienrecht und KapitalmarktrechtHerausgegeben von RA Dr. Thomas Heidel, FAStR2. Auflage 2007, 3.090 S., geb., 168,– €, ISBN 978-3-8329-2024-1

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VI | VuR 5/2008

Update: Die Insolvenz natürlicherPersonenEntschuldungsgesetz – Insolvenz vonSelbstständigen und Freiberuflern26.05.2008, Köln, Barceló Cologne CityCenter

Das von der Bundsregierung vorgelegte Ent-schuldungsgesetz regelt die Handhabung vonPrivatinsolvenzen in zentralen Punkten voll-kommen neu und wird im Jahr 2008 weitrei-chende Konsequenzen für die insolvenzrecht-liche Praxis nach sich ziehen. Das Seminarinformiert über alle wichtigen Änderungenund diskutiert diese mit den Teilnehmern.Weiterer Themenschwerpunkt sind die ge-setzlichen Änderungen betreffend die Insol-venz von Selbstständigen und Freiberuflern.

Programm:1. Teil: Das neue Entschuldungsgesetz:● Entstehungsgeschichte und Ablauf des

neuen Entschuldungsverfahrens● Abgrenzung Regel-/Verbraucherinsolvenz● Stärkung des außergerichtlichen Ei-

nigungsversuchs/„Offensichtliche Aus-sichtslosigkeit“

● Kostenbeteiligung des Schuldners● Aufgaben des „vorläufigen Treuhän-

ders“/Vermögenskontrolle● Forderungsfeststellung und Verteilungen

in (anfänglich) masselosen Verfahren● Verkürzung der Verfahrensdauer bei hohen

Rückzahlungen durch den Schuldner● Verschärfung des Restschuldbefreiungs-

versagungsrechts

2. Teil: Einzelprobleme bei der Abwicklungvon Insolvenzen natürlicher Personen:● Unterhalt in der Insolvenz● Zugriff des Insolvenzverwalters auf Genos-

senschaftsanteile/Wohnungsverlust● ungeklärte Probleme bei Neugläubiger-

klagen● Aufrechnungsmöglichkeiten des Finanzamtes● Widerruf von Einzugsermächtigungslast-

schriften in der Insolvenz● Maßnahmen von Schuldnern zur Entwer-

tung von Lohnzessionen

3. Teil: Freiberuflerinsolvenz und Insolvenzder selbstständigen natürlichen Person:● Auslegung des § 35 Abs. 2 InsO n.F.● Möglichkeiten zur Rettung der Zulassung

(RA, StB) in der Insolvenz● Insolvenzplan und Eigenverwaltung bei

natürlichen Personen● Pfändungsschutz für Maschinen zur Fort-

führung der selbständigen Tätigkeit / Zu-griffsmöglichkeiten des Insolvenzverwal-ters und des Sicherungseigentümers

Information:www.heymanns-fachseminare.deAntje MüllerTel.: 0221 / 943 73-7078E-Mail: [email protected]

Einführungskurs InsolvenzrechtFreitag, 20. Juni 2008 bis Samstag, 21. Juni2008Nürnberg / Mercure Hotel Wöhrdersee

Das Seminar richtet sich an diejenigen, diesich mit dem seit Anfang 1999 geltendenInsolvenzrecht und seinen Änderungen2001/2006 sowie Änderungen durch dieEuropäische Insolvenzverordnung befassenwollen. Das Seminar geht dabei insbesondereauf Fragen der Beratung von Gläubigern undSchuldnern ein. Es stellt die Arbeitsweise desInsolvenzverwalters und die Aufgaben desInsolvenzgerichts dar. Dabei wird ein systema-tisch fundierter Einstieg in das Insolvenzrechtvermittelt. Das geltende Insolvenzrecht hatseine konkrete Ausformung durch die Recht-sprechung erfahren und ist nur durch sie zubegreifen; besonderes Gewicht wird daher aufdie Darstellung der Judikatur des BGH gelegt

Programm:Gesicherte Gläubiger im Insolvenzverfahren:● aus- und absonderungsberechtigte Gläu-

biger;● Verfahrensteilnahmemöglichkeiten; Ver-

fahrenskostenbeiträge;● Eingriffe in das Sicherungsrecht im Sanie-

rungsverfahren; Rechtsbehelfe gesicherterGläubiger gegen Eingriffe in ihre Rechte

Das Recht der Insolvenzanfechtung:Übertragbarkeit● der überkommenen Grundsätze● der Rechtsprechung; kongruente und in-

kongruente Deckung● benachteiligende Rechtsgeschäfte; ● Kapitalersatz● Insiderfragen● Fristen

Das Insolvenzverfahren in der Beratung vonSchuldnern und Gläubigern:● Initiativbefugnisse● Eigenantrag des Schuldners● Insolvenzplaninitiative und Antrag auf Ei-

genverwaltung● Anforderungen an den darstellenden Teil

des Plans● gestaltender Teil des Plans als Titel und

vollstreckbare Form● Reichweite der Gruppenbildung nach

§ 222 InsO● gerichtliche Kontrollmechanismen● § 231 InsO; Anhörungsrechte, § 235 InsO● Abstimmung nach Gruppen● Reichweite des Obstruktionsverbots● Behandlung von Kreditaufnahmen● Planüberwachung● Kostenprobleme

Das Recht der Verbraucherinsolvenz undRestschuldbefreiung:● materiell-rechtliche Voraussetzungen● bisherige praktische Erfahrungen● Verhandlungsstrategien

Schuldenbereinigungsverfahren:● Zuständigkeiten● Anforderungen an das Vorbringen des

Schuldners● Überwachung in der „Wohlverhaltenspe-

riode“

Im Falle einer Gesetzesänderung: ● Grundzüge des neuen Rechts

Weitere Information:AnwaltsakademieSilke DittrichTel.: 030 / 726153-123, E-Mail: [email protected]

Bestandsaufnahme: Schrottimmobilien –eine unendliche Geschichte?12. Juni 2008, Frankfurt a. M., MercureFrankfurt-Eschborn Helfmann-Park

Auch noch fast zwei Jahre nach Konzentra-tion der sogenannten „Schrottimmobilien“-Fälle verzeichnet der XI. Zivilsenat des BGHRekordeingänge. Dies zeigt, dass sich in Ein-zelpunkten immer noch neue Rechtsfragenergeben. Genau hier greift dieses Seminaran.Es will die aktuelle Rechtsprechung des BGHzu Schrottimmobilien erläutern und Tipps fürden Instanzenzug geben. Gleichzeitig sollauch die Umsetzung der EuGH-Rechtspre-chung durch den BGH kritisch durchleuchtetwerden.

Programm:Finanzierung von Anlagen in Immobilien undImmobilienfonds – Die Rechtsprechung desBGH:● Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz● Haustürgeschäft, Widerrufsbelehrung,

Kausalität● Verbraucherdarlehen, verbundenes Ge-

schäft● Aufklärungsverschulden, vermuteter Wis-

sensvorsprung● Verjährung

Schrottimmobilien in der instanzgericht-lichen Rechtsprechung:● Hoffnungslos oder clever? (Teil I)● Hoffnungslos oder clever? (Teil II)

Umsetzung der Vorgaben des EuGH durchdie deutsche Rechtsprechung:● Vorgaben der Haustürgeschäfte-Richtlinie● Rechtsprechung des EuGH (Heininger,

Schulte / Badenia; Crailsheimer Volksbank)● Schadensersatzlösung des BGH und Alter-

nativkonzeptionen● Voraussetzungen des Schadensersatzan-

spruchs des nicht ordnungsgemäß belehr-ten Verbrauchers

● Verwirkung/Missbrauch des Widerrufs-rechts?

● Folgen etwaiger Umsetzungsdefizite

V E R A N S TA LT U N G S H I N W E I S E

I N F O R M AT I O N E N

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VuR 5/2008 | VII

I N F O R M AT I O N E N

● Ausblick: Reform der Verbraucherkredit-richtlinie

Abschlussdiskussion

Weitere Informationen:WM SeminareTel.: 0 69 / 27 32-162 Fax: 0 69 / 27 32-200www.wm-seminare.com

Europäisches ReiserechtsforumDonnerstag, der 3. Juli bis Freitag, der 4. Juli2008 Wirtschaftsuniversität Wien, UZA 3Alt-hanstraße 39-45, Wien

Der Tourismus ist eine wachsende, sehrdynamische Branche – zwischen 1999 und2002 stiegen die Umsätze um ca. 25 %. Auf-grund des starken Einflusses des Tourismusauf die Wirtschaft in Europa ist das Reiserechtein sehr zentrales Thema. Die EuropäischeUnion ist bestrebt, eine Tourismuspolitik, diedem Vertrag von Lissabon entspricht und diedie europäische Wettbewerbsfähigkeit stärktsowie das Wachstum fördert, umzusetzen. Das Europäische Reiserechtsforum 2008 wid-met sich diesen Themen und dient als Platt-form, um den Einfluss der europäischen Inte-

gration auf das nationale Reise- und Touris-musrecht zu thematisieren.Programm:Donnerstag, 03.07.2008

Reiserecht als Teil des europäischen Privat-rechts; Allgemeines zu den europäischenVorgaben

Die Pauschalreise-RL:● geplante Änderungen ● Probleme und notwendige Änderungen

Diskussion

Die Haftung des Reiseveranstalters

Acht Jahre Leitner/Tui – Bemessung des Scha-denersatzes für entgangene Urlaubsfreudeund der Preisminderung für ReisemängelDiskussion

Vorvertragliche Informationspflichten nachder Pauschalreise-RL und im sonstigen (euro-päischen) Recht

Die Allgemeinen Reisebedingungen auf demPrüfstandDiskussion

Freitag, 04.07.2008

Rechtsgrundlagen im Europäischen Primär-recht

Die Fluggäste-VO und ihre unbestimmtenGesetzesbegriffe: Anwendungsbereich, Ent-lastungsgründe, Abgrenzung Verspätung/Überbuchung, Judikatur

Eisenbahn-Fahrgäste-VODiskussion

Internationale Zuständigkeit und anwendba-res Recht bei “grenzüberschreitenden” Reise-verträgen”

Rechtsdurchsetzung im Verbraucherrecht:Schlichtungsstellen, GruppenverfahrenDiskussion

Streitschlichtung statt Prozessführung: DieSchweizer Erfahrung

Streitvermeidung durch SelbstregulierungDiskussion

Das europäische Reiserecht aus der Sichteines Beitrittskandidaten: TürkeiAbschlussdiskussion

Weitere Informationen:Wirtschaftsuniversität WienInstitut für Tourismus und FreizeitwirtschaftA - 1090 Wien, Augasse 2 - 6Tel.: +43 1 313 36 4586Fax: +43 1 317 12 05E-Mail: [email protected]

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Handels- und GesellschaftsrechtPraxishandbuchHerausgegeben von Prof. Dr. Ingo Saenger, RAuN Dr. Lutz Ader-hold, RAuN Dr. Karlheinz Lenkaitis und RA Dr. Gerhard Speckmann2007, 1.590 S., geb., 128,– €, ISBN 978-3-8329-2029-6

Berücksichtigt MoMiG und Unter nehmen steuerreform 2008!