Radon in Hessen · Einleitung Seit einigen Jahren rückt das Thema „Radon“ zusehends in den...

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Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV) Radon in Hessen Praktische Informationen zum Strahlenschutz 1 Radon in Hessen

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Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV)

Radon in HessenPraktische Informationen zum Strahlenschutz

1Radon in Hessen

Impressum

Herausgeber:

Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz,

Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV)

Mainzer Straße 80, 65189 Wiesbaden

Telefon: +49 611 815 0

E-Mail: [email protected]

www.umweltministerium.hessen.de

Ausgabe: 12 / 2015

ISBN: 978-3-89274-378-1

Autor: Dr. Sebastian Huber (HMUKLV)

Abbildungen:

Seite 7: Leonardo Franko/Fotolia.com

Seite 14: pix4U/Fotolia.com

Seite 17: MoustacheGirl/Fotolia.com

Seite 23: bluedesign/Fotolia.com

Alle übrigen: Dr. Sebastian Huber (HMUKLV)

Gestaltung: design.idee GbR, Büro für Gestaltung, Erfurt

Druck: Hessisches Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation

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Diese Druckschrift wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Hessischen Landes-

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Einleitung

Seit einigen Jahren rückt das Thema „Radon“ zusehends in den Fokus der öf-fentlichen Wahrnehmung. Diese Informationsbroschüre will einen Beitrag zur Aufklärung über eine mögliche Strahlenexposition durch das Edelgas Radon leisten und Ihnen die Möglichkeit geben, sich über dieses Thema zu informie-ren. Darüber hinaus will diese Informationsbroschüre dem falschen Eindruck, Radon stelle eine beträchtliche Gefährdung für die Gesundheit der Bevölke-rung dar, entgegenwirken.

So ist Radon in Wohnräumen zwar ein sehr weit verbreitetes Phänomen. Je-doch ist die Radonexposition in den meisten Fällen so gering, dass eine Ge-sundheitsgefährdung nicht zu befürchten ist. Darüber hinaus genügen in sehr vielen Fällen bereits einfachste Anpassungen des eigenen Wohnverhaltens (Lüften), um die Radonkonzentration in der Innenraumluft signifikant abzusen-ken und das Risiko für die Gesundheit weiter zu reduzieren.

Inhaltsverzeichnis

4 Zur Physik7 Radon als Quelle natürlicher Radioaktivität11 Radon und mögliche Folgen für die Gesundheit18 Radon in Gebäuden23 Radon an Arbeitsplätzen24 Radonmessungen28 Maßnahmen gegen Radon in Gebäuden31 Gesetzgebung zum Radon33 Glossar35 Weiterführende Informationen

3Radon in Hessen

4 Radon in Hessen

Zur Physik

Frage: Was sind Radioaktivität und ionisierende Strahlung?

Die Physik unterscheidet zwischen nicht-ionisierender und ionisierender Strah-lung. Die Energie nicht-ionisierender Strahlung reicht nicht aus, ein Elektron aus einem Atom zu entfernen. Zur nicht-ionisierenden Strahlung zählen z.B. die Infrarotstrahlung (= Wärmestrahlung) oder die elektromagnetische Strah-lung von Radios sowie Mobiltelefonen. Dem gegenüber genügt die Energie ionisierender Strahlung, Elektronen aus einem Atom herauszuschlagen, es zu ionisieren. Zur ionisierenden Strahlung zählen z.B. der kurzwellige UV-Anteil des Sonnenlichts, die Röntgenstrahlung, sowie die durch Radioaktivität aus-gesendete Strahlung. Nachfolgend befasst sich diese Informationsbroschüre ausschließlich mit ionisierender Strahlung.

Radioaktivität und ionisierende Strahlung

Unter Radioaktivität im Sinne der Physik versteht man die Eigenschaft instabiler Atomkerne sich spontan in andere Atomkerne umzuwandeln (zu zerfallen) oder ihren energeti-schen Zustand zu ändern. Bei diesen Prozessen wird Energie in Form von ionisierender α-, β- oder γ-Strahlung ausgesendet.

Aktivität und Dosis

Die Zahl der in einer bestimmten Zeit zerfallenden Atomkerne heißt Aktivi-tät und hat die Maßeinheit Becquerel (Bq): 1 Bq = 1 Zerfall pro Sekunde.

Die Wirkung der ionisierenden Strah-lung auf den Menschen hängt von der Strahlungsart und der Empfindlichkeit des bestrahlten Organs ab. Dosis ist ein Maß für die durch ionisierende Strahlung in Materie oder im Men-schen absorbierte Energie. Die Dosis hat die Maßeinheit Sievert (Sv).

Künstlicher und natürlicher Anteil an der Radioaktivität

Radioaktivität lässt sich nach ihrer Ursache in künstlich erzeugte (= zi-vilisatorische) und natürliche Radio-aktivität unterteilen. Für die Wirkung hat diese Einteilung keine Folgen. Ionisierende Strahlung aus natürli-cher Radioaktivität hat bei gleicher

5Radon in Hessen

Intensität gleiche Wirkung wie ioni-sierende Strahlung aus künstlicher Radioaktivität.

α-Strahlung β-Strahlung γ-Strahlung

Heliumkern

Elektron

γ-Strahlung

Abbildung 1: α-, β- oder γ-Strahlung (schematisch). Umwandlung eines Atomkerns unter Aussen-

dung eines Heliumkerns (α-Strahlung) oder eines Elektrons (β-Strahlung) und Aussendung eines

γ-Quants durch energetische Zustandsänderung des Atomkerns (γ-Strahlung). Quelle: eigenes Bild.

Der Mensch ist (wie auch alles andere Leben) bereits seit Urzeiten auf der Erde ionisierender Strahlung durch natürliche Radioaktivität ausge-setzt. Dieser natürliche Anteil an der Strahlenexposition des Menschen beinhaltet:

Höhenstrahlung von der Sonne sowie aus dem Kosmos,Strahlung natürlicher radioaktiver Stoffe im Körper, in der Nahrung und in der Atemluft,Strahlung aus den oberen Boden-schichten (geologisch-terrestri-sche Strahlung).

Eine Quelle natürlicher Radioaktivität ist das in den letzten Jahren verstärkt in den Fokus gerückte Radon.

Darüber hinaus ist der Mensch seit der technischen Nutzung der Radio-aktivität (um 1900) zusätzlich zur na-türlichen Radioaktivität ionisierender Strahlung aus zivilisatorischen Quel-len ausgesetzt. Dieser nicht-natürli-che Anteil an der Strahlenexposition des Menschen beinhaltet:

Strahlung durch medizinische An-wendungen (CT, Röntgendiagnos-tik, Strahlentherapie,…),Strahlung durch kerntechnische Anlagen, Kernwaffenfallout und Kernunfälle (z.B. Tschernobyl).

und ist durch den Verursacher soweit wie möglich zu reduzieren. Daneben kann Strahlenexposition durch die zi-vilisatorisch bedingte Umverteilung natürlicher Radioaktivität, z.B. Bau-material, Rückstände aus dem Berg-bau u.v.m. verursacht sein.

6 Radon in Hessen

Medizin1,9 mSv/a

Radon und Zerfallsprodukte

1,1 mSv/a

Inkooporation, Nahrung: 0,3 mSv/a

terrestische Strahlung: 0,4 mSv/a

kosmische Strahlung: 0,3 mSv/a

Kernwaffen, Kerntechnik, Tschernobyl: 0,045 mSv/a

Abbildung 2: Mittlere effektive Jahresdosis durch ionisierende Strahlung in Deutschland im Jahr 2012. Die mittlere Jahresdosis beträgt etwa 4,1 mSv. Quelle: eigenes Bild — Die verwendeten Daten entstam-men dem Jahresbericht 2013 — Umweltradioaktivität und Strahlenbelastung des BfS, erschienen 2015.

Um ein Gefühl für die Beiträge ioni-sierender Strahlung natürlichen und zivilisatorischen Ursprungs zur durch-schnittlichen Strahlenexposition zu bekommen, der die Bevölkerung in Deutschland im Mittel ausgesetzt ist, zeigt Abbildung 2 die Zusammenset-zung der mittleren effektiven Jahres-dosis durch ionisierende Strahlung in Deutschland.

Etwas weniger als die Hälfte der mitt-leren jährlichen Dosis (ca. 2,0 mSv) entfällt auf ionisierender Strahlung zivilisatorischen Ursprungs, wobei die medizinischen Anwendungen (Rönt-gen, CT, …) dominieren. Der zweite Teil der mittleren jährlichen Dosis (ca. 2,1 mSv) entstammt der natürlichen Radioaktivität. Führend ist die Inha-lation des Edelgases Radon, welche nahezu zu einem Viertel zur mittleren jährlichen Strahlenbelastung der Be-völkerung beiträgt.

7Radon in Hessen

Radon als Quelle natürlicher Radioaktivität

Frage: Was ist Radon und wo kommt es in Hessen vor?

In der Natur kommen etwa 80 Radionuklide in messbaren Konzentrationen vor. Davon gehören 45 den natürlichen Zerfallsreihen der langlebigen Mutternu-klide Thorium-232, Uran-235 und Uran-238 an. Diese entstanden in der Nuk-leosynthese noch vor Entstehung der Erde und sind bisher nicht vollständig zerfallen.

Die natürlichen Zerfallsreihen

Durch den radioaktiven Zerfall des Uran-238 wandelt sich dieses unter Aussendung ionisierender Strahlung über mehrere, ebenfalls radioaktive Zwischenstufen (Radium, Polonium) um, bis am Ende der Zerfallskaskade stabiles Blei-206 entsteht (Uran-Radi-um-Zerfallsreihe). Das siebente in die-ser Zerfallskette vorkommende Nuklid

ist das Radon-222, welches im Strah-lenschutz Radon heißt.

Auch das in der Erdkruste auftretende Thorium-232 zerfällt über verschiede-ne radioaktive Zwischenstufen (Radi-um, Polonium) in stabiles Blei-208. Das sechste Nuklid in dieser Zerfallskaska-de ist das Radonisotop Radon-220, welches im Strahlenschutz Thoron genannt wird.

8 Radon in Hessen

Abbildung 3: Links ist die Zerfallsreihe des Uran-238 (Uran-Radium-Zerfallsreihe) dargestellt. Diese ver-läuft über das Radonisotop Radon-222 (Radon), welches eine Halbwertszeit von 3,82 Tagen hat. Rechts ist die Zerfallsreihe des Thorium-232 (Thorium-Zerfallsreihe) gezeigt, welche Radon-220 (Thoron) mit einer Halbwertszeit von etwa 56 Sekunden bildet. Quelle: eigenes Bild.

Radon und Thoron

Radon ist ein radioaktives Edelgas, welches mit einer Halbwertszeit von 3,82 Tagen in Polonium-218 weiterz-erfällt. Es hat unter den 39 bekannten Isotopen des Radons mit 90 % die höchste natürliche Häufigkeit. Thoron ist ebenfalls ein radioaktives Edel-gas, welches mit einer Halbwertszeit von 55,6 Sekunden in Polonium-216 weiterzerfällt und nach dem Radon am zweithäufigsten in der Natur vor-kommt. Das Mutternuklid Thorium

kommt in der Erdkruste etwa dop-pelt bis dreimal häufiger als Uran vor. Dennoch ist die natürliche Häufigkeit des Thoron bedingt durch dessen schnelleren Zerfall geringer als die des Radon.

Radon und Thoron können nicht von menschlichen Sinnesorganen wahr-genommen werden, sind farblos, geschmacklos und geruchlos, wes-wegen zur Erfassung ihrer Konzent-ration physikalische Messungen not-wendig sind.

9Radon in Hessen

Eigenschaft Radon-222 Radon-220

Aggregatzustand gasförmig (als Edelgas chemisch inert)

Sinneswahrnehmung Farb-, geschmack- und geruchlos

ZerfallsreiheUran-Radium-Zerfallsreihe

des Uran-238Thorium-Zerfallsreihe des

Thorium-232

Halbwertszeit 3,824 Tage 55,6 Sekunden

natürliche Häufigkeit 90 % 9 %

zerfällt in Polonium-218 Polonium-216

Zerfallsart α α

Stabiles Isotop der Zerfallsreihe

Blei-206 Blei-208

Name Radon Thoron

Tabelle 1: Zusammenstellung einiger Eigenschaften der zwei wichtigsten in der Natur vorkommenden Radonisotope. Der Strahlenschützer meint mit Radon stets Radon-222. Quelle: eigenes Bild.

Radonvorkommen (in Hessen)

Radon entsteht in unterschiedlicher Menge in allen Gesteins- und Boden-arten. Das Edelgas diffundiert durch poröse Gesteins- und Bodenforma-tionen zur Erdoberfläche und ver-mischt sich mit der oberflächennah-en Luft (= Bodenluft). Je nach geologischen Gegebenhei-ten ist die Bodenluft nahe der Erd-oberfläche unterschiedlich stark mit Radon angereichert. Um die Radon-Situation in Deutschland und mithin auch in Hessen zu studieren, wur-den in der gesamten BRD bis dato einige tausend Bodenluftproben genommen und ausgewertet. Aus den Ergebnissen dieser Messun-gen generierte man mit mathema-tischen Methoden Landkarten, die die regional sehr unterschiedlichen

Radonkonzentrationen in der Bo-denluft, abhängig von der jewei-ligen Geologie und den vorkom-menden Gesteins- und Bodenarten wiedergeben.

Die Radonkonzentration in der Bo-denluft ist, durch die Geologie be-dingt, besonders in den Voralpen, dem Bayrischen Wald und dem Erz-gebirge hoch (>100.000 Bq/m³ ). Pri-mär in den südlichen Bundesländern finden sich weitere Regionen mit ei-nem erhöhten mittleren Radonange-bot in der Bodenluft. Hessen liegt mit einer durchschnitt-lichen Bodenluftkonzentration von etwa 50.000 Bq/m³ im Bundesdurch-schnitt. Nur sehr kleinräumig hat man in Teilen des Odenwalds sowie an der Grenze zu Thüringen und im Taunus Radonkonzentrationen in der

10 Radon in Hessen

Bodenluft von über 100.000 Bq/m³ gemessen. In Hessen kommen er-höhte Radonkonzentrationen in der Bodenluft nicht flächig sondern allen-falls lokal vor.

Abbildung 4: Konzentration von Radon in der Bodenluft in Deutschland. Die Messungen wurden in einer mittleren Tiefe von 1 Meter vorgenommen. Aus den Messungen wurde auf die Bodenluftkonzen-tration in der Rasterung 3x3 Kilometer extrapoliert. Quelle: www.radon-info.de.

Der Überblick, den zuvor dargestellte Bodenluftmessungen liefern, ist aus-schließlich regional und erlaubt kei-ne Rückschlüsse auf das tatsächliche Radonangebot an einem bestimmten Standort. Der Radongehalt in der Bo-denluft kann auf kleinstem Raum gro-ße Unterschiede aufweisen.

Radon und mögliche Folgen für die Gesundheit

11Radon in Hessen

Frage: Welche Folgen kann das Einatmen von Radon für die menschliche Gesundheit haben?

Bereits im 16. Jahrhundert beobachtete der deutsche Universalgelehrte Ge-orgius Agricola (1494–1555) in Schneeberg im Erzgebirge unter den dortigen Bergarbeitern eine ungewöhnlich hohe Zahl an tödlich verlaufenden Lungener-krankungen. Diese sogenannte „Schneeberger Krankheit“ konnte etwa ein Jahr-hundert später auch im böhmischen Joachimsthal festgestellt werden. In beiden Gebieten betrieb man zu dieser Zeit intensiv Bergbau (Bleiglanz, Kupfer, Silber, Uran).Schließlich erkannte die Wissenschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts, dass es sich bei der Schneeberger Krankheit um Lungenkrebs, verursacht durch die hohe Strahlenbelastung, der die Bergarbeiter ausgesetzt waren, handelte. Die-se Strahlenbelastung resultierte wiederum aus einer unter Tage stark erhöhten Konzentration inhalierten Radons und dessen Folgeprodukten.

Physiologische Wirkung vonRadon

Da Radon als Edelgas chemisch inert (= reaktionsträge) ist, geht es keine Bindungen mit seiner Umgebung ein. Atmet der Mensch Radon ein, so wird es so es nicht zerfällt wieder ausgeat-met. Jedoch haben die nicht-gasför-migen Zerfallsprodukte des Radons die Eigenschaft an den Lungen- und Bronchialwänden anzuhaften und hier zu zerfallen. Der Beitrag von Radon zur

natürlichen Strahlenbelastung resul-tiert vor allem aus den beim Zerfall der kurzlebigen Tochternuklide freiwer-denden α-Strahlen (führend sind die kurzlebigen Poloniumisotope). Diese α-Strahlen sind sehr energiereich und führen zu einer nicht unerheblichen Strahlenbelastung des umgebenden, empfindlichen Lungengewebes. Je höher die eingeatmete Radonkonzen-tration ist, desto höher ist die Strahlen-belastung für die Person.

12 Radon in Hessen

Erhöhtes Lungenkrebsrisikodurch Radon

Durch Einatmen von Radon und die Anlagerung seiner Folgeprodukte an das empfindliche Lungengewebe kann es zu einer strahlenbedingten Schädigung der Zellen der Lunge kommen. Jedoch verfügt der mensch-liche Organismus über Reparaturme-chanismen, die die meisten dieser Veränderungen in den Zellen wieder beheben. Werden solche Zellschä-den jedoch nicht behoben, so können sie die Entstehung von Lungenkrebs verursachen.

Hohe Radonkonzentrationen

Mit erheblichem Aufwand betriebene epidemiologische Studien an Bergar-beitern zeigten, dass das Einatmen von Radon in hohen Konzentrationen (> 10.000 Bq/m³) und die daraus re-sultierende Strahlenexposition zu ei-ner Erhöhung der Wahrscheinlichkeit der Entwicklung von Lungenkrebs führt. In diesen Untersuchungen bei hohen Radonkonzentrationen zeigte sich eine nahezu lineare Dosis-Wir-kungs-Beziehung. Eine gleichmäßige Erhöhung der Radonkonzentration bedingt eine konstante Erhöhung der Wahrscheinlichkeit an Lungen-krebs zu erkranken. Allerdings treten Radonkonzentrationen, wie sie im Bergbau in früheren Zeiten vorka-men, im häuslichen Umfeld nicht auf. Heute werden Bergarbeiter und an-dere unter Tage Beschäftigte durch bessere Belüftung (Bewetterung),

radiologische Überwachung und weitere Arbeitsschutzmaßnahmen vor stark gesundheitsgefährdenden Radonkonzentrationen geschützt.

Niedrige Konzentrationen

Nach der Feststellung, dass Radon in hohen Konzentrationen ein ernst-zunehmendes Gesundheitsrisiko darstellt und um die Wirkung auch bei niedrigeren Radonkonzentratio-nen (Bundesdurchschnitt in der In-nenraumluft: 40 Bq/m³) bewerten zu können, wurden in jüngerer Zeit wis-senschaftliche Studien angestellt, die einen Zusammenhang zwischen der Belastung durch Radon und dem dar-aus resultierenden Gesundheitsrisiko bei Radonkonzentrationen, wie sie im häuslichen Umfeld vorkommen, bestimmen sollten. Diese Studien be-legten oberhalb 250 Bq/m³ eine line-are Dosis-Wirkungs-Beziehung.

Im Bereich von Radonkonzentratio-nen unterhalb 250 Bq/m³ hingegen stoßen diese epidemiologischen Er-hebungen und damit auch ihre Aus-sagen zur Dosis-Wirkungs-Beziehung aus statistischen Gründen an ihre Grenzen. Einige Ursachen für diese statistischen Unsicherheiten im Be-reich niedriger Radonkonzentratio-nen sind:

• Der lange Zeitraum von vielen Jah-ren bis aus der Strahlenexposition möglicherweise gesundheitliche Schädigungen wie Lungenkrebs folgen können.

13Radon in Hessen

• Die Schwierigkeit der Rekonstruk-tion der tatsächlichen Radonkon-zentration, der die erkrankte Per-son ausgesetzt war.

• Zahlreiche andere Kanzerogene, die für eine Erkrankung verant-wortlich sein können, wie z.B. Rau-chen, Asbest, Benzol, Dieselruß, Feinstaub, Chemikalien u.v.m.

• Die Wechselwirkung zwischen ver-schiedenen möglichen Krebsursa-chen.

Bei Radonkonzentrationen unterhalb150 Bq/m³ ist eine lineare Dosis-Wir-kungs-Beziehung mit ausreichender statistischer Signifikanz nicht mehr nachweisbar. In diesem Bereich erlau-ben die Daten kein Aussagen über den Dosis-Wirkungs-Zusammenhang.

Radonkonzentration in Bq/m²

Rel

ativ

es R

isik

o a

n Lu

ngen

kreb

s zu

erk

rank

en

3,5

3

2,5

2

1,5

1

0,50 200 400 600 800 1000 1200 1400

Abbildung 5: Relatives Risiko in Abhängigkeit von der Radonkonzentration in Bq/m³ an Lungenkrebs zu erkranken. Das relative Risiko ohne Radonexposition an Lungenkrebs zu erkranken ist auf 1 gesetzt. Die Daten sind mit einer linearen Funktion (LNT-Modell) beschrieben. Quelle: eigenes Bild — Die ver-wendeten Daten entstammen Darby et.al BMJ 2005; 330; 223.

Um bei der Bewertung der Risiken ausreichend vorsichtig zu sein, ge-hen die internationalen Strahlen-schutzgremien und der Gesetzgeber

14 Radon in Hessen

auch bei niedrigen Radonkonzen-trationen, ebenso wie für hohe Ra-donkonzentrationen, von einer bei 0 Bq/m³ beginnenden linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung ohne Schwel-lenwert aus. Das LNT-Modell (Linear No Threshold — Linearer Verlauf ohne Schwellenwert) ist eines von vielen Modellen, das die Daten bei Radon-konzentrationen unterhalb 150 Bq/m³ beschreibt.

Mit der konservativen Annahme, dass das LNT-Modell die Daten be-schreibt, kann man das Risiko durch Radon an Lungenkrebs zu erkran-ken auch für kleine Konzentrationen „theoretisch“ angeben. Eine Erhö-hung der Radonkonzentration um 100 Bq/m³ führt zu einer statistischen

Zunahme des relativen Risikos an Lungenkrebs zu erkranken von etwa 16 % (Risikokoeffizienten).Das Bundesumweltministerium hat basierend auf diesen Erkenntnissen errechnet, dass ca. 5-7 % (also etwa 2.000) der jährlich etwa 40.000 Lun-genkrebstoten in Deutschland statis-tisch auf erhöhte Radonkonzentrati-onen zurückgeführt werden können. Der überwiegende Anteil der statis-tisch auf Radon zurückzuführenden Erkrankungen liegt in diesen Be-trachtungen im Konzentrationsinter-vall von 0 bis 100 Bq/m³. In diesem Bereich ist das Risiko extrem gering, wird jedoch mit einer großen Zahl exponierter Personen multipliziert. Nur wenige hundert Lungenkrebsto-te sind auf eine Radonkonzentration größer 100 Bq/m³ zurückzuführen.

Radon und Rauchen

Die Wissenschaft betrachtet Radon direkt nach dem Rauchen als zweit-häufigsten Auslöser von Lungen-krebs. Hierbei gilt es zu beachten, dass auch unter den statistisch dem Radon zuzuschlagenden Lungen-krebserkrankungen mehr als 90 % bei Rauchern auftreten. Studien zeigten, dass sich die Risiken durch Rauchen und durch Radon an Lun-genkrebs zu erkranken multiplikativ verhalten. Beide Risiken verstärken

15Radon in Hessen

sich gegenseitig. Generell ist das Risi-ko für Raucher an Lungenkrebs zu er-kranken um etwa das 25-fache gegen-über Nichtrauchern erhöht. Darüber hinaus zeigen Untersuchungen, dass die bei weitem wirksamste Maßnahme zur Reduzierung des Lungenkrebsrisi-kos die Einstellung des Rauchens ist.

Radonkonzentration in Bq/m²

Lung

enkr

ebsr

isik

o in

%

0 100 4000

4

8

12

16

2

6

10

14

18

10,0%

0,4%

11,6%

0,5%

16,0%

0,7%

Raucher

Nichtraucher

Abbildung 6: Prozentuales Risiko bis zu einem Lebensalter von 75 Jahren an Lungenkrebs zu erkran-ken in Abhängigkeit von der Radonkonzentration in Bq/m³. In Rot ist das Risiko für Raucher, in orange ist das Risiko für Nichtraucher aufgetragen. Quelle: eigenes Bild — Die verwendeten Daten entstam-men Darby et.al 2005.

Die Gefahr durch Radon im Vergleich zu anderen Risiken

Mit den aus der Epidemiologie erhal-tenen Zahlen gelingt eine Einordnung des Risikos durch eine von Radon ver-ursachte Erkrankung an Lungenkrebs zu Tode zu. Insgesamt gibt es in der BRD jährlich 870.000 Sterbefälle.

16 Radon in Hessen

0 10000 20000 30000 40000 50000

1700

220

45000

Lungenkrebs ohne Radon

Lungenkrebs durch Radon (Raucher)

Lungenkrebs durch Radon (Nichtraucher)

Abbildung 7: Vergleich der in der BRD durch Lungenkrebs bedingten Erkrankungen (ohne Radon, durch Radon und durch Radon sowie Rauchen). Quelle: eigenes Bild — Die verwendeten Daten stam-men vom Statistischen Bundesamt https://www.gbe-bund.de.

Die therapeutische Wirkung von Radon — Radon in der medizinischen Therapie

Radon wird in der medizinischen An-wendung gezielt für therapeutische Zwecke eingesetzt. An verschiedenen Standorten (außerhalb Hessens) wer-den Inhalationskuren in Radonstollen (Bad Kreuznach und Bad Gastein) oder Trink- beziehungsweise Badekuren mit radonhaltigem Wasser (Bad Schle-ma, Bad Brambach) durchgeführt.In klinischen Studien konnte ge-zeigt werden, dass diese Radon-anwendungen eine Schmerzlin-derung und Funktionsbesserung

bei rheumatischen Erkrankungen (Morbus-Bechterew, rheumatoide Arthritis, weitere Erkrankungen der Wirbelsäule und der Gelenke) des menschlichen Bewegungsapparats sowie einen Rückgang bei bestimm-ten Hauterkrankungen (Schuppen-flechte) bedingen. Einhergehend sinkt der Verbrauch an Schmerzmit-teln (mit allen Nebenwirkungen) und eine Erhöhung der Lebensqualität der Patienten ist feststellbar. Eine wissenschaftliche Erklärung dieses Phänomens ist bisher lediglich in Ansätzen gelungen (Hormesis, Ad-aptionsphänomen der Zellen gegen Stress).

17Radon in Hessen

Allerdings gilt es zu beachten, dass bei der medizinischen Anwendung von Radon die Gesundheitsrisiken durch erhöhte Strahlenbelastung (z.B. Lungenkrebsrisiko) nicht zu ver-nachlässigen sind. Beispielsweise werden im Radonstollen von Bad Gastein Radonkonzentrationen von bis zu 150.000 Bq/m³ , also weit jen-seits des Wertes von wenigen 100 Bq/m³ ab dem bei dauerhafter In-halation eine Zunahme des Risikos an Lungenkrebs zu erkranken fest-gestellt wurde, gemessen. Da der Patient dieser Radonkonzentration jedoch nur kurzzeitig ausgesetzt ist,

ergeben sich aus den Radonkuren effektive Dosen, die etwa im Bereich der mittleren Jahresdosis durch die natürliche Radioaktivität der Umwelt liegen (< 2 mSv/a).Bei Radonbehandlungen (als spe-zielle Form der Strahlentherapie) muss der behandelnde Arzt stets eine Abwägung zwischen positiven Effekten auf das Krankheitsbild und negativen Langzeiteinflüssen durch die Radonaufnahme und resultieren-de Strahlenbelastung vornehmen. Zu betrachten sind der Nutzen in Relati-on zum Leiden des Patienten sowie möglicher Nebenwirkungen.

18 Radon in Hessen

Radon in Gebäuden

Frage: Wie gelangt Radon in Gebäude und Wohnungen?Frage: Wie beeinflusst mein Nutzungsverhalten die Radon- konzentration im Haus?

Generell geht von der Bodenluft (gemessen in 1 Meter Tiefe unterhalb der Bodenoberfläche) keine Gefahr für die menschliche Gesundheit aus. Auch von der bodennahen Luft im Freien geht kein Risiko für die menschliche Gesund-heit aus, da das Radongas hier durch ständige Luftbewegung verteilt und ver-dünnt wird. Verdünnungen um einen Faktor 1.000 sind typisch, so dass bei Bodenluftkonzentrationen von 10.000 bis 100.000 Bq/m³ schließlich nur 10 bis 100 Bq/m³ in der Freiluft übrigbleiben.

Eindringpfade für Radon in Gebäude

Anders verhält es sich manchen Falls in Gebäuden. In typischerweise Kel-lerräumen oder geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen in Bo-dennähe kann es unter bestimmten Voraussetzungen (geringeren Luft-austausch, schlechte Bausubstanz, Nutzungsverhalten) zu einer erhöh-ten Konzentration von Radon in der Innenraumluft kommen. Darüber hinaus halten sich Menschen heu-te überwiegend in Gebäuden auf. Die Kombination aus langen Aufent-haltszeiten, schlechter Bausubstanz und Nutzungsverhalten kann ver-einzelt dazu führen, dass die Radon-konzentration in der Innenraumluft

gesundheitsgefährdende Werte (Erhöhung des Lungenkrebsrisikos) erreicht. Der Verdünnungseffekt der Bodenluft an unbebauter Oberfläche kommt hier unter Umständen nicht zum Tragen. In Kellerräumen ist es möglich, dass eine Verdünnung der eindringenden Bodenluft nur um einen Faktor 100 erfolgt, somit Ra-donkonzentrationen von 100 bis über 1.000 Bq/m³ erreicht werden.

Generell können zwei Eindringpfade für Radon in Gebäude benannt wer-den, welche nachfolgend in aufstei-gender Reihenfolge der Bedeutung ihres Beitrags zur Radonkonzent-ration in Innenräumen betrachtet werden.

19Radon in Hessen

Radonkonzentration in Bq/m²

0

10

20

30

40

50

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70A

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bis 50 50 - 100 100 - 200 200 - 400 400 - 1000 über 1000

Abbildung 8: Häufigkeitsverteilung der Radon-konzentration in Wohnungen in Ein- und Zweifa-milienhäusern. Der durchschnittliche Radonge-halt der Innenraumluft in der BRD beträgt 40 Bq/m³. Quelle: eigenes Bild. Die verwendeten Daten entstammen dem Jahresbericht 2013 — Umwelt-radioaktivität und Strahlenbelastung des BfS, er-schienen 2015.

Trink- und Brauchwasser

Radon ist ein wasserlösliches Edelgas und kann mit Trink- sowie Brauchwas-ser in Häuser gelangen. Hier wird das Radon zum Beispiel beim Kochen oder Duschen wieder freigesetzt. Der Beitrag des Radons aus dem Wasser an der Gesamtradonkonzent-ration in Häusern ist allerdings in aller Regel klein. Allenfalls in unbelüfteten Bädern können durch Zerstäuben des Wassers beim Duschen kurzzei-tig sehr hohe Radonkonzentrationen von bis zu 30.000 Bq/m³ entstehen. Da die Aufenthaltszeit in Bädern bei normaler Nutzung nicht sehr lang ist und Bäder nach dem Duschen in der Regel belüftet werden, ist die-ser Eindringpfad für die dauerhafte

Radonbelastung in Innenräumen wenig bedeutsam. Die Aufnahme von Radon durch Ingestion über das Trinkwasser ist im Vergleich zur Inha-lation vernachlässigbar.

Eindringen in Keller und bodenberührte Räume

Der führende Eindringpfad für Radon ist der Durchfluss von Bodenluft durch Undichtigkeiten in Gebäude. Die wichtigsten Barrieren gegen eindrin-gendes Radon stellen die Bodenplat-te sowie die im Erdreich liegenden Kellerwände eines Hauses dar. Sind diese durchlässig, so kann Radon mit der Bodenluft durch diese Undichtig-keiten in Kellerräume eindringen. Als besonders schwerwiegend erweisen

20 Radon in Hessen

sich die folgenden Schwachstellen an Gebäuden:

• Kellerböden ohne Bodenplatte aus Erde, gestampftem Lehm oder Kies,

• Risse und Fugen in Fundament, Böden und erdberührten Wänden,

• Schlecht abgedichtete Durchfüh-rungen von Kabeln und Rohren.

Sind diese Kellerräume schlecht oder gar nicht belüftet, erhöht sich die Radonkonzentration hier. Diese Aufkonzentration ist besonders zu berücksichtigen, wenn bereits die eindringende Bodenluft eine erhöhte Radonkonzentration aufweist.

Die Radonkonzentration ist in der Nähe des Eintrittsortes am höchsten und nimmt mit zunehmender Ent-fernung zum Eintrittsort ab. Jedoch kann sich das Radon über Treppen-aufgänge, Leitungsschächte, Kabel- und Rohrdurchführungen auch in die oberen Stockwerke ausbreiten. Meist ist dabei eine Abnahme der Radonkonzentration mit der Höhe des Stockwerks und der Entfernung zur Undichtigkeit festzustellen, doch auch hier kann es unter Umständen durch fehlenden Luftwechsel noch zu einer Aufkonzentration kommen.

Sind Bodenplatte und erdberührte Wände frei von offenen Undichtig-keiten, so gelangt nur noch Radon, welches durch die Bodenplatte und die Wände durchdiffundiert in die Kellerräume. Da diese Art der

Radondiffusion vergleichsweise lan-ge dauert, ist ein großer Teil des radioaktiven Edelgases bereits zer-fallen noch bevor es in das Haus ein-dringt. Bei einer Halbwertszeit von etwa 3,8 Tagen ist nach 3 Halbwerts-zeiten (<  12 Tage) 90 % des Radon zerfallen.

Abbildung 9: Schematische Darstellung des Eindringens von Radon mit der Bodenluft durch Undichtigkeiten im Keller eines Hauses und an-schließende Verteilung über die Stockwerke. Quelle: eigenes Bild.

Die bei Neubauten üblichen Schutz-maßnahmen gegen Bodenfeuchtig-keit reichen aus, um eine Aufkon-zentration von Radon in Keller- underdberührten Räumen zu verhindern.

In Abbildung 10 sind deutschland-weite Messungen der Radonkonzen-tration in Innenräumen dargestellt.In Hessen ist die Gefährdung durch Radon in der Innenraumluft wegen

21Radon in Hessen

günstiger geologischen Vorausset-zungen und geeigneter Bausubstanz relativ gering. So haben Messungen bei nicht repräsentativ ausgewähl-ten Häusern in Hessen eine mittlere Radonkonzentration von 43 Bq/m³

ergeben, ein Wert, der etwa dem Bundesdurchschnitt entspricht. Je-doch fanden sich auch in unserem Bundesland vereinzelt Gebäude mit Radonkonzentrationen oberhalb 1.000 Bq/m³ in Kellerbereichen.

Abbildung 10: In der Karte sind deutschlandweit Messungen der Radonkonzentration in der Innen-raumluft von Wohngebäuden zusammengefasst. Die Auswahl der Messorte erfolgte nicht repräsentativ besonders in Häusern mit schlechter Bausubstanz und in Gebieten, die eine erhöhte Radonkonzentra-tion erwarten ließen. Quelle: www.radon-info.de.

22 Radon in Hessen

Das Nutzungsverhalten der Hausbewohner

Neben den geologischen Gege-benheiten und der Möglichkeit des Eindringens von Radon in Gebäude (Bausubstanz) spielt auch das Nut-zungsverhalten der Bewohner eine entscheidende Rolle für die Aufkon-zentration des Edelgases. Diese Zu-sammenhänge sind, wie nachfolgend angedeutet, komplex und reagieren bereits auf kleine Änderungen.Besonders das Lüftungsverhalten hat einen direkten Einfluss auf die Ra-donkonzentration in der Innenraum-luft. Durch den Austausch mit der Außenluft kommt es zu einer Vermi-schung der Luft in den Innenräumen, wodurch die Radonkonzentration in der Regel sinkt. Dies gilt jedoch nicht nur für Lüftung nach außen, sondern auch für den Luftaustausch innerhalb eines Hauses. Beide Beiträge führen darüber hinaus dazu, dass der Ra-dongehalt in der Innenraumluft über den Tag variiert. Da nachts weniger gelüftet wird, steigt die Radonkon-zentration an.

Ebenso beeinflusst das Heizverhal-ten der Bewohner die Radonkonzen-tration in der Innenraumluft. Ist der Temperaturunterschied zwischen dem Hausinnern und der Umge-bung des Hauses groß, weil z.B. in den Wintermonaten geheizt wird, so kann die Radonkonzentration in

der Innenraumluft deutlich höher lie-gen als in den Sommermonaten (Ka-mineffekt). Die Radonkonzentration unterliegt bedingt durch das indivi-duelle Heizverhalten ebenfalls jah-reszeitlichen Schwankungen, welche es bei der Bestimmung der mittleren Radonkonzentration zu beachten gilt (bei einer üblichen Messdauer von 3 Monaten sollte dieser Zeitraum in der Heizperiode liegen). Bereits ohne Heizen stellt man einen Jahresgang der Radonkonzentration in der Innen-raumluft fest, was wiederum auf den Jahresgang des Radons in der Bo-denluft zurückzuführen ist.

Darüber hinaus sind Aufenthaltszei-ten in verschiedenen Räumen zu be-rücksichtigen. Die Strahlenexposition ergibt sich aus der Radonkonzentra-tion und der Dauer, der die Person dem radioaktiven Edelgas ausgesetzt ist (Aufenthaltszeit). So halten wir uns viele Stunden am Tag in Arbeits- und Wohnräumen auf. Da diese Räume meist in oberen Stockwerken liegen, ist trotz hoher Aufenthaltszeiten we-gen der niedrigen Radonkonzentra-tionen auch die Strahlenexposition durch Radon unkritisch.

In den am stärksten von Radon be-troffenen Kellerräumen hingegen sind die Aufenthaltszeiten meist kurz, dafür die Radonkonzentration unter Umständen erhöht.

Radon an Arbeitsplätzen

Frage: Wie schützt der Gesetzgeber Arbeiter, die berufsbedingt einer besonders hohen Radonkonzentration ausgesetzt sind?

Anders als die vergleichsweise kleinen Radonkonzentrationen in Häusern und Wohnungen gibt es bestimmte Arbeitsfelder, bei denen erheblich erhöh-te Expositionen durch natürliche terrestrische Strahlenquellen (darunter auch Radon) auftreten können.

23Radon in Hessen

Arbeitsfelder mit potentiel erhöhter Radonbelastung

Hierunter fallen:• untertägige Bergwerke, Schächte

und Höhlen, einschließlich Besu-cherbergwerke,

••

Radonheilbäder und Heilstollen,Anlagen zur Wassergewinnung, -aufbereitung und –verteilung.

Auf das erhöhte Gesundheitsrisiko durch Radon unter Tage wurde be-reits im Abschnitt Radon und Folgen

24 Radon in Hessen

für die Gesundheit eingegangen. Gleiches gilt für Radonheilstollen.

In Anlagen zur Wassergewinnung, -aufbereitung und –verteilung ver-ursacht der große Wasserdurchsatz die erhöhte Radonkonzentration. Das Grundwasser wird in den Bohrrohren nicht entlüftet und enthält deutlich mehr Radon als Oberflächenwasser. Gelangt dieses Grundwasser an die Oberfläche und wird zerstäubt, so gast das Radon aus.

Die möglicherweise erhöhten Ra-donkonzentrationen an zuvor aufge-zählten Arbeitsplätzen haben dazu geführt, dass solche Arbeitsfelder seit 2001 einer strahlenschutzrecht-lichen Kontrolle durch die zuständi-gen Behörden unterliegen (Anlage XI Teil A Strahlenschutzverordnung [StrlSchV]).

Fallen Arbeitsplätze in zuvor genann-te Arbeitsfelder, so hat der Arbeit-geber innerhalb von sechs Mona-ten nach Beginn der Arbeiten eine

arbeitsplatzbezogene Abschätzung der Radonexposition durchzuführen, welche bei Änderungen des Arbeits-platzes, die eine Erhöhung der Strah-lenbelastung bedingen könnten un-verzüglich zu wiederholen ist (§ 95 Abs. 1 StrlSchV).

Liegt die abgeschätzte Dosis über einem Richtwert von 6 mSv pro Ka-lenderjahr, so ist dies der zuständi-gen Aufsichtsbehörde mitzuteilen. Die Beschäftigten werden dosime-trisch überwacht (§ 95 Abs. 2 und 3 StrlSchV). Dabei ist der Grenzwert für die effektive Dosis von 20  mSv pro Kalenderjahr und Einzelperson für beruflich strahlenexponierte Perso-nen einzuhalten (§ 95 Abs. 4 und 5 StrlSchV).

Jedoch schreibt der Gesetzgeber auch unterhalb des Grenzwerts vor, dass angemessene / verhältnismä-ßige Maßnahmen zu ergreifen sind, um unnötig hohe Strahlenbelastun-gen zu vermeiden (Dosisreduzierung nach § 94 StrlSchV).

25Radon in Hessen

Radonmessungen

Frage: Wie wird Radon gemessen?

Da das Edelgas Radon farb-, geschmack- und geruchlos ist und entsprechend nicht durch menschliche Sinnesorgane wahrgenommen werden kann, muss-ten Messmethoden zur Bestimmung von Radonkonzentrationen entwickelt werden. Es existieren verschiedene Möglichkeiten der Radonmessung, welche je nach Einsatzgebiet angewendet werden (die Vergleichbarkeit der Ergebnis-se dieser Verfahren ist Thema der aktuellen wissenschaftlichen Forschung).

Messung der Radonkonzentration in der Bodenluft

Da die Bodenluft nachweislich Haupt-quelle für Radon in Innenräumen ist und hier darüber hinaus weni-ger störende Nebeneffekte bei der Messung der Radonkonzentration

(unterschiedliches Nutzungsverhal-ten der Bewohner, Bausubstanz, …) auftreten, wurden in Deutschland umfangreiche Messungen zur regio-nalen Verteilung der Radonkonzent-ration in der Bodenluft durchgeführt. Gemessen wird die Radonverfügbar-keit im Boden.

Beprobung Messung Einsatzzweck

Ansaugen der Bodenluft mit einer abgedichteten Sonde aus einer Bodentiefe von 1 m

Messung der Szintilla-tion der entnommenen Bodenluftprobe

Baugrunduntersu-chung und Kartierung

Kontinuierliche Förderung der Bodenluft aus 1 m Tiefe mittels einer Pumpe

Messung mittels Radonmonitor im Durchflussbetrieb

Baugrunduntersu-chung

Registrierung der α-Teilchen mit einem Kernspurdetektor

Messung in 1m Tiefe und anschließende Auswer-tung im Labor

Baugrunduntersu-chung und Kartierung

Tabelle 2: Auswahl von Messverfahren für die Radonkonzentration in der Bodenluft. Die Messungen erfolgen i.d.R. in 1 Meter Tiefe unter der Erdoberfläche. Quelle: SMUL.

26 Radon in Hessen

Bei Messungen der Radonkonzent-ration in der Bodenluft ist zu beach-ten, dass die Messergebnisse durch äußere Bedingungen bestimmten Beeinflussungen unterliegen (Boden-feuchte, Temperatur, Luftdruck).

Messung der Radonkonzentration im Innenraum

Für die Bewertung möglicher Ge-sundheitsrisiken müssen Messwerte an konkreten Aufenthaltsorten von Menschen ermittelt werden. Hier bie-ten sich Raumluftmessungen über ei-nen längeren Zeitraum an.

Dabei kommen in der Regel einfache, passive Messgeräte, sogenannte Radon-Exposimeter, die einen Kern-spurdetektor beinhalten zum Ein-satz. Solche Radon-Exposimeter sind unkompliziert in der Handhabung und völlig ungefährlich. Sie enthal-ten weder giftige noch radioaktive Substanzen und bedürfen während der Messungen keiner Wartung oder Stromversorgung. Radon-Exposimeter liefern im Er-gebnis den Mittelwert der Radon-konzentration über den jeweiligen Messzeitraum (häufig 3 Monate). Tageszeitliche Veränderungen der Radonkonzentration können hinge-gen nicht bestimmt werden. Um die Qualität der Messungen zu gewähr-leisten, muss das Radon-Exposimeter in Ruhe gelassen werden. Darüber hi-naus sollte auch die Messumgebung nicht verändert werden, da bereits

kleine Änderungen zu entsprechen-der Beeinflussung der Messergebnis-se führen.

Abbildung 11: Geöffnetes Radon-Exposimeter mit enthaltenem Kernspurdetektor. Quelle: eige-nes Bild.

Ein einfaches Radon-Exposimeter kann im Fachhandel bereits für unter 50 Euro bezogen werden. Der Preis beinhaltet die Lieferung des Radon-Exposimeters, die Auswertung des Kernspurdetektors sowie die Zusen-dung der Messergebnisse.

Etwas teurer, jedoch im Unterschied zu Radon-Exposimeter zeitaufgelöst sind aktive Zeitverlaufsmessungen mit Radonmonitoren oder elektro-nischen Dosimetern. Zeitverlaufs-messungen stellen unter Umständen eine Ergänzung zu den Messungen mit Radon-Exposimetern dar. Zum Einsatz kommen aktive (batteriege-stützte) Geräte, die in bestimmten Zeitabständen Zwischenwerte der

27Radon in Hessen

Radonkonzentration in der Raumluft ermitteln und diese speichern. Aus den erfassten Daten kann der zeitli-che Verlauf der Radonkonzentration bestimmt werden (Tagesgang, Jah-resgang). Solche Verfahren finden

beispielsweise bei der Bewertung von Arbeitsplätzen Anwendung, wenn tageszeitliche Schwankungen oder der Einfluss der Lüftung, Raum-begehung o.ä. untersucht werden sollen.

Messdauer Zweck aktiv passiv

Minuten / Stunden Grobe Orientie-rung, Suche nach Eintrittspfaden

Kontinuierliche Messung mit Radonmonitoren / elektronischen Dosimetern und Abspeicherung einer Zeitreihe der Messwerte

-

Einige Tage Orientierungsmes-sungen, Erfas-sung kurzzeitiger Schwankungen bzw. Tagesgang

Kernspur- oder Radonsammler (Aktivkohle) mit anschließender Laborauswertung

Wochen bis Jahre Bewertung der tatsächlichen mittleren Radon-belastung durch Vergleich mit Referenzwerten als Entscheidungs-grundlage für Maßnahmen

Wiederholte zeitaufgelöste Messungen über bestimmte Zeitab-schnitte mit den o.g. Messgeräten

Tabelle 3: Auswahl von Messverfahren für die Radonkonzentration in der Innenraumluft. Für die Bewer-tung einer Messung ist deren Dauer (zwischen wenigen Minuten und einem Jahr) ausschlaggebend. Quelle: SMUL.

Messungen der Radonkonzentrati-on in der Innenraumluft sind über die verursachende Bodenluft von äußeren Bedingungen sowie vom Nutzungsverhalten der Bewohner abhängig.

28 Radon in Hessen

Maßnahmen gegen Radon in Gebäuden

Frage: Was kann ich tun, um mich vor der schädlichen Wirkung von Radon zu schützen?

Das geologische Angebot an Radon im Boden nahe der Erdoberfläche lässt sich durch technische Hilfsmittel kaum beeinflussen. Die Radonkonzentration in der Innenraumluft lässt sich dagegen reduzieren, indem man Maßnahmen gegen den Eintritt von Radon in das Gebäude und gegen die Ausbreitung im Gebäude ergreift und für eine regelmäßige Lüftung sorgt.

Da verschiedene Faktoren in unterschiedlichem Maße zur Radonkonzentrati-on in Gebäuden beitragen, gibt es keinen universellen Radonschutz, der alle Situationen gleichermaßen abdeckt. Die individuelle Situation muss betrach-tet (Messungen) und daraus die geeigneten Maßnahmen entwickelt werden.

Neubauten

Bei Bauausführung nach Stand der Bautechnik kann davon ausgegan-gen werden, dass das Haus nur in geringem Maße radondurchlässig ist. So werden auch in Gebieten mit einem erhöhten geogenen Angebot an Radon Raumluftkonzentrationen von 150 Bq/m³ nur sehr unwahr-scheinlich überschritten. Neubauten sind bezüglich Radon in der Regel (für eine Radonkonzentration in der Bodenluft von unter 100.000 Bq/m³) unbedenklich.

In Regionen in denen das geogene Angebot an Radon besonders hoch ist und wo Messungen gehäuft hohe Radonkonzentrationen in der Innen-raumluft zeigten, sollte jedoch auch bei Neubauten und Neubauvorhaben auf Radonschutz geachtet werden. Solche zusätzliche Radonschutzmaß-nahmen sind, so sie in die Bauabläufe eingeplant werden, kostengünstig zu realisieren.

29Radon in Hessen

Bestandsgebäude

Anders ist die Situation bei Be-standsgebäuden, deren Bauausfüh-rung schon einige Jahre oder Jahr-zehnte zurückliegt. Hier empfehlen sich abhängig von der Bausubstanz und dem Angebot an geologisch

vorhandenem Radon Radonmessun-gen in den Innenräumen. Das Bun-desumweltministerium gibt abhängig von der gemessenen Radonkonzent-ration folgende Empfehlungen:

Messwert in Bq/m³

< 100

Empfohlene (bauliche) Maßnahme

keine Maßnahmen erforderlich

100 – 400 einfache Maßnahmen

400 – 1.000Maßnahmen in Rahmen vorgesehener Renovierung und Instandhaltung

> 1.000 möglichst baldige gezielte Radonsanierung durch Fachfirma

Tabelle 4: Empfohlene Maßnahmen auf Grund von Messungen der Radoninnenraumkonzentration bei Bestandsgebäuden. Quelle: Bundesumweltministerium http://www.bmub.bund.de/fileadmin/bmu-import/files/pdfs/allgemein/application/pdf/radon_merkblaetter.pdf.

Einfache Maßnahmen

Um eine leicht erhöhte Radonkon-zentration in der Innenraumluft in den Griff zu bekommen, genügen oft bereits einfache bauliche Maß-nahmen zusammen mit Änderungen im Nutzungsverhalten. Diese sind für Hobbyhandwerker ohne externe Hil-fe zu bewerkstelligen.

Um das Eindringen von Radon in die keller- und erdberührten Räume zu unterbinden, sollten Eindringstellen (Risse und Fugen in Böden und erdberührenden Wänden, Rohrdurchführungen, Leitungskanäle und -schächte)

abgedichtet werden. Ebenso soll-ten Bereiche mit Unterdruck (Ab-zugshauben, Abluftventilatoren in Nassräumen, offene Fenster an der windabgewandten Hausseite, thermischer Auftrieb in offenen Kaminen) vermieden oder ge-schlossen werden.Um die Ausbreitung von Radon im Haus zu verhindern, sollten mög-liche Ausbreitungspfade (offene Kellertüren, Treppenhäuser, Lei-tungsdurchführungen vom Keller in die Wohnräume, Installations-schächte für Heizung, Sanitär und Elektro, Wartungsöffnungen) ge-schlossen werden.

30 Radon in Hessen

• Um die Radonkonzentration in keller- und erdberührten Räume abzusenken, ist verstärktes Quer-lüften geboten.

Weiterführende Maßnahmen

Genügen einfache Maßnahmen nicht, um die Radonkonzentration in der Innenraumluft auf unbedenkliche Werte zu reduzieren, so sind weiter-führende Maßnahmen in Betracht zu ziehen. Diese sind aufwendiger und müssen, um den Erfolg sicherzustel-len, i.d.R. von Fachfirmen ausgeführt werden.

• Um das Eindringen von Radon in die Keller- und erdberührten Räu-men zu unterbinden, können Ein-dringstellen im Kellerbereich (Erd-, Lehm oder Kiesfußböden, Haarris-se in Kellerböden und -wänden) mittels radondichter Sperrschich-ten (Kunststofffolien, Bitumenbah-nen) versiegelt werden.

Zur Absenkung der Radonkonzen-tration in der Innenraumluft trägt der Einbau einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung bei (energetische Sanierung).Durch gezieltes Abführen von Radon vor dem Eindringen ins Gebäude kann die Radonkonzen-tration in der in das Gebäude ein-dringenden Luft reduziert werden (Radon-Brunnen).Die radonhaltige Bodenluft kann gezielt vor dem Eindringen in das Gebäude abgesaugt werden (Ra-don-Drainage).

Die Wirksamkeit solcher Maßnahmen sollte etwa 2 bis 3 Monate nach Ab-schluss der Sanierung durch Kontroll-messungen überprüft werden.

31Radon in Hessen

Gesetzgebung zum Radon

Frage: Was unternehmen der Gesetzgeber und die Behörden, um mich vor der schädlichen Wirkung von Radon zu schützen?

Bisher sind durch den Gesetzgeber ausschließlich Arbeitsfelder mit einer erhöhten Konzentration an Radon geregelt. Für Wohngebäude gibt es in der StrlSchV derzeit keine diesbezüglichen Vorschriften.

Die Schweiz und andere bestehende Regelungen

Dies ist in anderen Staaten Europas anders. So hat die Schweiz gesetz-lich verbindliche Grenzwerte für die Radonkonzentration in Wohn- und Aufenthaltsräumen festgelegt (Arti-kel 110 der Schweizer Strahlenschutz-verordnung (StSV) vom 22.  Juni 1994 (Stand am 1. Januar 2014). Für Wohn- und Arbeitsräume gilt ein über das Jahr gemittelter Grenzwert von 1.000 Bq/m³ . Für Neu- und Um-bauten sowie bei Sanierungen gilt ein Richtwert von 400 Bq/m³ , soweit die-ser mit einfachen baulichen Maßnah-men zu erreichen ist.

Andere Länder (zum Beispiel Groß-britannien) legten ausschließlich für Neubauten verbindliche Radonkon-zentrationen von 200 bis 300 Bq/m³ fest.

EURATOM-Grundnormen

Die Europäische Kommission hat mit ihren neuen Grundnormen (Richtlinie 2013/59/ EURATOM des Rates vom 05. Dezember 2013) nun erstmals ver-bindliche Regelungen für Radon an Arbeitsplätzen sowie in Innenräumen erarbeitet, die bis 2018 durch die Mit-gliedsstaaten jeweils national gesetz-lich umgesetzt werden müssen.

Radon an Arbeitsplätzen regelt der Artikel 54 der EURATOM-Grundnor-men. Dieser sieht die Festlegung nationaler Referenzwerte für Radon-konzentrationen an Arbeitsplätzen in Innenräumen vor. Eine über das Jahr gemittelte Radonkonzentration von 300 Bq/m³ soll dabei nicht über-schritten werden. Begründete Aus-nahmen sind jedoch zulässig. In Ge-bieten, wo eine Überschreitung des Referenzwerts in einer beträchtlichen

32 Radon in Hessen

Zahl von Gebäuden droht, sollen ver-pflichtende Messungen der Innen-raumluft in Erdgeschoss- und Keller-räumen durchgeführt werden.

Neu ist die Festlegung nationaler Re-ferenzwerte für die Radonkonzentra-tion in allen Innenräumen in Artikel 74 der EURATOM-Grundnormen. Diese Referenzwerte dürfen eine über das Jahr gemittelte Radonkonzentration von 300 Bq/m³ nicht überschreiten.

Darüber hinaus stellen die Mitglieds-staaten einen nationalen Radon-Maß-nahmenplan auf, dessen Umsetzung durch die europäische Kommission überwacht wird (Artikel 103 i.V.m. An-hang XVIII). Der Radon-Maßnahmen-plan beinhaltet:

Die Ausweisung von Gebieten in denen die nationalen Referenz-werte in einer beträchtlichen Zahl von Gebäuden überschritten sind.Die Ermittlung von Radonkonzent-rationen in Innenräumen.Die Entwicklung von Strategien zur Verringerung der Radonkonzent-ration in Innenräumen (Sanierung).Die Schaffung von Maßnahmen zur Verhinderung des Radonein-tritts in neue Gebäude (u.U. über nationale Bauvorschriften).Die Ermittlung von Baustoffen mit erheblicher Radonexhalation.Information und Aufklärung der Bevölkerung über die Risiken durch Radon.…

In Folge der EURATOM-Grundnor-men wird seit einiger Zeit auf na-tionaler Ebene intensiv über die Ausgestaltung eines nationalen Strahlenschutzgesetzes mit Rege-lungen zum Radon (zum Beispiel die nationalen Referenzwerte) diskutiert.

Darüber hinaus hat es im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie 2013/51/EURATOM des Rates vom 22. Ok-tober 2013 außerhalb des Strahlen-schutzrechtes in unserer nationalen Trinkwasserverordnung (TrinkwV) Än-derungen gegeben. Die seit dem 19. November 2015 in Kraft getretenen Änderungen der TrinkwV bedingen unter anderem einen Parameterwert von 100 Bq/l für die Radonkonzent-ration im Trinkwasser. Die Überwa-chung dieses Parameterwerts obliegt den Gesundheitsämtern.

Wir hoffen, Ihnen mit dieser Bro-schüre die notwendigen Informati-onen und Unterstützung zu geben sowie Ihre Fragen mit hinreichen-der Genauigkeit beantwortet zu haben. Weiterführende Informa-tionen und Literatur finden Sie nachfolgen. Sollten trotzdem of-fene Fragen bleiben, so finden Sie am Ende der Broschüre eine Liste mit Adressaten.

Glossar

Radioaktivität und Aktivität: Als Radio-aktivität bezeichnet man die Eigenschaft instabiler Atomkerne, spontan ihren Zu-stand zu ändern oder sich in einen an-deren Kern umzuwandeln, wobei ionisie-rende Strahlung frei wird. Die Zahl der in einer bestimmten Zeit zerfallenden Atom-kerne heißt Aktivität. Sie wird in Becque-rel (Bq) gemessen: 1 Bq = 1 Zerfall pro Se-kunde. Als Faustregel kann gelten, dass die Aktivität einer radioaktiven Substanz umso höher ist, je mehr von der Substanz vorhanden ist, außerdem umso höher, je kürzer die Halbwertszeit der vorliegen-den Sorte Atomkerne ist.

Dosis: Die Wirkung ionisierender Strah-lung auf den Menschen heißt Dosis und wird in Sievert (Sv) gemessen.

Epidemiologie: Die Epidemiologie be-zeichnet die Lehre von den Ursachen, der Verbreitung und den Folgen von gesund-heitlichen Zuständen oder Ereignissen in einer Population. Sie befasst sich nicht mit dem konkreten Krankheitsfall einer Ein-zelperson, sondern studiert Krankheits-bilder in großen Gruppen (Kohorten) mit statistischen Methoden.

Halbwertszeit (HWZ): Die Zeit, in der von einer großen Zahl radioaktiver Kerne ei-ner bestimmten Sorte die Hälfte zerfällt, heißt Halbwertszeit (HWZ). Sie kann — je nach Sorte des Atomkerns — von Sekun-denbruchteilen bis zu Jahrmilliarden betragen.

Höhenstrahlung: Höhenstrahlung ist die hochenergetische Teilchenstrahlung von der Sonne, der Milchstraße sowie weiter entfernten Galaxien. Beim Auftreffen der Höhenstrahlung auf die Erdatmosphäre entstehen durch Wechselwirkung mit den Gasmolekülen sekundäre Schauer ioni-sierender Strahlung.

Hormesis: Die Hypothese, wonach gerin-ge Strahlendosen eine positive Wirkung auf den menschlichen Organismus ha-ben, wird als Hormesis bezeichnet. Aller-dings ist diese Annahme wissenschaftlich bisher nicht ausreichend verifiziert, so dass die internationalen Fachgremien im Strahlenschutz von einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung ohne Schwellen-wert ausgehen.

Ionisierende Strahlung: Beim Zerfall radioaktiver Atomkerne entsteht ener-giereiche Strahlung, die die Fähigkeit hat, andere Atome zu ionisieren. Man unter-scheidet im Wesentlichen drei Arten die-ser sog. ionisierenden Strahlung:

• α-Strahlung: energiereiche Heliumker-ne (2 Protonen und 2 Neutronen),

• β-Strahlung: energiereiche Elektronen,• γ-Strahlung: hochenergetische elektro-

magnetische Strahlung.

Inkorporation: Unter Inkorporation ver-steht man die Aufnahme radioaktiver Stoffe in den Körper über den Atemtrakt (Inhalation) oder über den Darmtrakt

33Radon in Hessen

(Ingestion). Jede Inkorporation radio-aktiver Stoffe führt zu einer inneren Strahlenexposition. Durch Inkorporation werden die natürlichen Schutzbarrieren des Körpers (z.B. Hornhaut) umgangen, so dass speziell die sonst abgeschirmte α-Strahlung ihre schädliche Wirkung ent-falten kann.

Kernspurdetektor: Ein Kernspurdetektor enthält einen Film, indem die α-Teilchen des Radons winzige Spuren hinterlassen. Diese Spuren werden mittels Ätzung sichtbar gemacht und gezählt. Aus der Zahl der Spuren lässt sich direkt auf die mittlere Radonkonzentration in der Raum-luft schließen.

LNT-Modell: Die Epidemiologie kann im Bereich kleiner Dosiswerte (etwa unter 100 mSv) aus statistischen Gründen keine eindeutige Beziehung zwischen der Dosis und der möglichen schädlichen Wirkung herstellen und muss deshalb dort mit ei-nem mathematischen Modell arbeiten. Die internationale Wissenschaft geht heu-te davon aus, dass eine Dosis-Wirkungs-Kurve mit linearem Verlauf ohne Schwel-lenwert (LNT = Linear no-threshold, linear ohne Schwellenwert) auch bei kleinen Dosen die bestmögliche Beschreibung der Wirkung von ionisierender Strahlung darstellt.

Nuklid und Isotop: Ein Nuklid bezeichnet eine Art von Atomen mit gleichem Atom-kern (identische Zahl an Protonen und Neutronen). Ein Radionuklid ist ein insta-biles, radioaktives Nuklid. Ein Isotop hin-gegen beschreibt eine Art von Atomen mit gleicher Zahl an Protonen, jedoch unterschiedlicher Zahl an Neutronen im Kern.

Risikokoeffizient: Die Steigung der Dosis-Wirkungs-Kurve entspricht dem Risikoko-effizient. Das Produkt aus Risikokoeffizi-ent und Dosis wiederum ergibt das Risiko einer strahlungsbedingten Schädigung.

Schneeberger Krankheit: Veraltete Be-zeichnung für eine bei Bergleuten ge-häuft auftretende Form des Lungenkreb-ses. Ausgelöst wird die Schneeberger Krankheit durch die hohe Radonkonzen-tration unter Tage und die Einwirkung der ionisierenden Strahlung der Radon-zerfallsprodukte auf das empfindliche Lungengewebe.

Strahlenexposition: Strahlenexpositi-on ist die Einwirkung von Strahlung auf Mensch oder Umwelt. Strahlung wird in Materie abgebremst, gibt dabei Ener-gie ab und kann dadurch lebende Zellen schädigen. α-Strahlung ist dabei beson-ders wirksam hat jedoch in Materie die kürzeste Reichweite. So genügen bereits ein Blatt Papier oder die menschliche Hornhaut, um α-Strahlung zu stoppen. β-Strahlung und erst recht γ-Strahlung ist sehr viel durchdringender.

Szintillation: Szintillation bezeichnet die Eigenschaft bestimmter Stoffe unter Ein-wirkung ionisierender Strahlung Lichtblit-ze auszusenden. Diese Lichtblitze werden bei der Messung registriert und gezählt.

Zerfallsreihe: Beim Zerfall eines Atom-kerns kann erneut ein instabiler, radioakti-ver Kern entstehen, der seinerseits weiter zerfällt. Dieser Prozess setzt sich so lange fort, bis ein stabiler Atomkern entsteht.Die von der Natur festgelegte Abfolge solcher Zerfälle und die dabei vorkom-menden Radionuklide bezeichnet man als Zerfallsreihe. In der Natur kommen nur die Zerfallsreihen der drei Radionuklide Thorium-232, Uran-238 und Uran-235 vor. Diese sind:

Uran-Radium-Reihe (Ausgangsnuklid: Uran-238, Endnuklid: Blei-206),Uran-Actinium-Reihe (Ausgangsnuklid: Uran-235, Endnuklid: Blei-207),Thorium-Reihe (Ausgangsnuklid: Tho-rium-232, Endnuklid: Blei-208).

34 Radon in Hessen

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Weiterführende Informationen

Frage: Wo bekomme ich weiterführende Informationen zum Thema „Radon“ her?

Informationen zu Radon allgemeinwww.radon-info.de

Informationsseite zum Radon durch das Sächsische Staatsministerium für Umwelt und Landwirtschaft (SMUL) www.radon.sachsen.de

Bayrisches Radonnetzwerk des Bayrischen Landesamtes für Umwelt (LfU) http://www.lfu.bayern.de/strahlung/radon_netzwerk/index.htm

Radoninformationsstelle Rheinland-Pfalz des Rheinland-Pfälzischen Lands-amtes für Wasserwirtschaft und Gewerbeaufsichthttp://www.luwg.rlp.de/

Informationsseite des hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (HMUKLV)https://umweltministerium.hessen.de

Informationsseite des Bundesamts für Strahlenschutz (BfS)http://www.bfs.de/DE/themen/ion/umwelt/umwelt_node.html

Hessisches Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Mainzer Straße 8065189 Wiesbadenwww.umwelt.hessen.de