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MARKTPLATZ SCHWEIZ HORIZONT 34/2017 24. August 2017 25 REPORT www.horizont.net/report PRIVATRADIO-CHEF JÜRG BACHMANN ÜBER DAS VERHÄLTNIS ZUM SERVICE PUBLIC, ÜBER REICHWEITEN, DAB+ UND DIGITALISIERUNG SEITE 28 FOTO: FOTOLIA / PUDIQ / MONTAGE: HORIZONT Überall präsent Marketingchef Roman Reichelt über Tradition und Innovation SEITE 40 MIGROS CEO Markus Ehrle über den Wettbewerb der Aussenwerber SEITE 32 APG/SGA Warum die Marke nicht nur in der Schweiz erfolgreich ist SEITE 44 EMMI Die Kommunikationsagentur verknüpft Kunst und Kommerz SEITE 46 PRIMOCOLLECTIVE Anzeige III/2017

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MARKTPLATZSCHWEIZ

HORIZONT 34/2017 24. August 2017 25

REPORT www.horizont.net/report

PR IVATRAD IO -CHEF JÜRG BACHMANNÜBER DAS VERHÄLTN I S ZUMSERV ICE PUBL IC , ÜBER RE ICHWE I TEN ,DAB+ UND D IG I TAL I S I ERUNG SEITE 28

FOTO:FOTOLIA/PUDIQ

/MONTAGE:HO

RIZONT

Überall präsent

Marketingchef Roman Reicheltüber Tradition und InnovationSEITE 40

MIGROS

CEOMarkus Ehrle über denWettbewerb der AussenwerberSEITE 32

APG/SGA

WarumdieMarke nicht nurin der Schweiz erfolgreich istSEITE 44

EMMI

Die Kommunikationsagenturverknüpft Kunst und KommerzSEITE 46

PR IMOCOLLECTIVE

Anzeige

III/2017

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Viele Firmenlenker und Marketingchefs,die etwas von Digitalisierung erzählen,verdienen nur ein stirnrunzelndes „Echtjetzt!?“ als Reaktion auf ihr generischesGeschwurbel. Denn tatsächlich tut sichbei viel zu vielen von ihnen viel zu wenig.Das liegt auch daran, dass Digitalisierungschmerzt – vor allem eben Führungskräf-te in etablierten Branchen, die sich aufallen Ebenen von lieben Gewohnheitenverabschieden müssen: Untergebene Di-gital Natives wollen selbst entscheiden,haben weniger Probleme mit dem Schei-tern und bringen nicht zuletzt ein Medi-ennutzungsverhalten mit, das manchemChef fremd ist; Innovation muss schnel-ler gehen als bisher, darf nicht mehr fünfSchleifen drehen durch alle Hierarchien,die sowieso flacher werden müssen. Zuakzeptieren, dass all das zu dem Wandelgehört, der tief in alle Unternehmensbe-reiche und Prozesse wirkt, tut weh – dietatsächliche Umsetzung noch mehr. Dasses undwie es geht, zeigt ausgerechnet einsder traditionsreichen Schweizer Handels-unternehmen, die Migros. Marketing-leiter Roman Reichelt (Seite 40) stellt bei-spielsweise niemanden ein, der sich imVorstellungsgespräch nicht an einen Floperinnert. Eine Kleinigkeit, aber sympto-matisch – impositiven Sinn. Echt jetzt!

Echt jetzt!

ZUMTHEMA

Eva-Maria Schmidt

HORIZONT 34/2017 24. August 20172626REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ

Migros, Emmi, UBS – auf dem Schweizer Mar-kenkongress im The Dolder Grand Hotel, Zürich,sind die großenMarken des Landes ganzselbstverständlich zu Hause. Dazu gesellen sichdie großen Trendthemen, die der Kommunika-tionsbranche unter den Nägeln brennen. 2017war es beispielsweise die Frage, inwieweitInfluencer Marketing sich heute schon alsplanbare Plattform derMarkenkommunikationaufbauen lässt. DiverseMarken wie Fanta undOlympus präsentierten ihre Lösungen undlieferten so dem versammelten Fachpublikumwertvolle Inspirationen. Auch aus diesem Grundhat sich der Markenkongress bei Marken-entscheidern, Dienstleistern undMedien-vertretern als jährlicher Branchentreff mitstarkemNetworking-Charakter etabliert. Imkommenden Jahr fällt das vom ESBMarketingNetzwerk organisierte Event für praxisnahesKnow-how auf den19. Juni 2018.

WEITERE INFORMATIONEN UNTER:MARKEN-KONGRESS.CH

IM FOKUS: Schweizer Markenkongress 2018

FOTOS:SAN

TIAGOCAMPILLO

-LUNDBECK

HORIZONTREPORTist ein Sonderteil vonHORIZONT,

Zeitung fürMarketing,Werbung undMedien

Chefredaktion:Dr.UweVorkötter (V.i.S.d.P.),Volker Schütz, Jürgen Scharrer

Ressortleitung Schweiz:Eva-Maria SchmidtTelefon 069/7595-1676

E-Mail: [email protected]

Redaktion: SantiagoCampillo-Lundbeck,Vera Günther,Markus Knöpfli, Juliane Paperlein,

Michael Reidel

Radiomarkt: Privatradio-Chef JürgBachmann über Player und Baustellen. 28

Digitalisierung: Trotz Fortschritten gibt esPotenzial bei Schweizer Firmen. 30

APG/SGA: CEO Markus Ehrle über neuenWettbewerb bei Aussenwerbern. 32

Zürich Airport: Branding-Werbeformatesollen Auftraggeber locken. 36

Werbeblog: Yves Seiler schlägt sich dieNächtemitWerbern umdieOhren. 37

Cler: Die Bank Coop erfindet sich neu undsetzt dabei auf den Tabubruch. 38

Migros: Marketingchef Roman Reicheltüber Agilität und Innovation. 40

Emmi: Die Schweizer Marke funktioniertauch jenseits desHeimatlandes. 44

Primocollective: Die Agentur verknüpftKunst undKommerz. 46

INHALT

Markus Ehrle, APGInterview Seite 32

„Verglichenmitmeinen früherenErfahrungen in derPrintbranche ist das,was wir bei derAPG derzeiterleben, immernoch ein lauesLüftchen, keinSturm“

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HORIZONT 34/2017 24. August 20172828REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ

Viele private Radiosender in derDeutschschweiz haben ihre Informati-onsleistungen in den letzten drei Jahrengekürzt, auf im Schnitt nur 16 Minuten.Das zeigt eine aktuelle Studie von Pub-licom im Auftrag des Bundesamtes fürKommunikation (Bakom). Warum spe-cken die Sender bei Information so ab?Das sehen wir anders.Wir findenMängelin der Methode. Die Bakom-Studie fragtnur die Primetime ab, aber gerade lokaleInformation wird über den Tag verteilt.Eigentlich müsste daher der ganze Tagbeurteilt werden, umden Lokalradios ge-recht zu werden. Wir haben in derSchweiz eine sehr heterogene Sender-landschaft. Manche Gebiete wie Zürichsind sehr kompetitiv, andere weniger.Dort, wo starker Wettbewerb ist, mussman eine andere Programmierung ma-chen und seine Nische undHörer finden.Da setzt der eine mehr auf Information,der anderemehr auf Community.

Je höher der Musikanteil, umso leichterwerden Radiosender austauschbar. In-formation zu reduzieren, gerade in derPrimetime, kann doch nicht der Wegsein, oder?Es wäre verhängnisvoll, wenn sich Privat-radios von lokaler Berichterstattung ver-abschieden würden, denn dann würdensie in einem zunehmend fragmentiertenMarkt eine Beliebigkeit bekommen. Ge-rade in der Deutschschweiz lässt sich derWortanteil aber auch nicht beliebig erhö-hen. Ähnlich wie in Deutschland kannman die Aufmerksamkeit maximal dreiMinuten halten. Verlängert man denWortanteil, besteht die Gefahr, dass dieHörer abwandern. In der italienischenSchweiz und in der Westschweiz ist dasganz anders.

Informationsprogramme zu produzie-ren ist teuer. Ist der Rückgang des Wort-anteils nicht auch kostengetrieben?Das ist sicher auch ein Kostenthema. Re-gionale Information ist in der Tat der teu-erste Programmbestandteil. Aber es gibt

niemanden, der das sonst kann. Privat-radios haben eine staatspolitische unddemokratierelevante Aufgabe, weil sieüber alles berichten müssen. Diese lösensie gut, müssen aber auch immer maldaran erinnert werden.

Bei der Studie kam auch heraus, dassder Informationsanteil der privatenKanäle dort höher ist, wo die öffentlich-rechtliche SRG keine Regionaljournalemacht. Würde es den Privaten helfen,wenn sich die SRG aus der Regionalbe-richterstattung heraushält?Die SRG sollte sich zumindest mäßigen.Dann gäbe es mehr Luft für private Sen-der. Im Jahr 2019 läuft die Konzession derSRG ab. Im Moment wird diskutiert, obes eine einfache Fortschreibung gebenwird, Einschränkungen oder Ausweitun-gen.Das beobachtenwirmitArgusaugen.Vor allem die Internetaktivitäten derSRG. Über allem schwebt jedoch imMoment wie ein Damokles-Schwert dieNo-Billag-Initiative ...

… die die Abschaffung des gebühren-finanzierten Rundfunks fordert. Wür-den Sie dies als Privatradios nicht be-grüßen?Wir glauben, dass die Schweiz eine gutausgestattete SRGbraucht. Bei der letztenAbstimmung, als es um die Einführungder Haushaltsabgabe ging, war es sehreng. Wir waren Teil einer Koalition, diesich für die Einführung ausgesprochenhat. Aber es war sehr knapp. Derzeit ar-beiten wir noch an einer Position. Diesewird auch davon abhängen, wie die Frageder Konzessionen gelöst wird. Derzeitsteht zur Diskussion, dass Privatradioskeine Konzessionen mehr brauchen. Ei-nige Sender befürchten aber, dass im Zu-ge der Umstellung auf DAB+ nur nochkonzessionierte Radios ein gesetzlichesZugangsrecht zurVerbreitunghättenunddie Radios ohne Konzession auf der Stre-cke bleiben.

Im deutschen Zeitungsmarkt gibt esauch keine gebührenfinanzierte Zei-tung, trotzdem hat man dort nicht dasGefühl eines Missstandes oder einer Un-terversorgung, weil es sich für privateAnbieter dann auch lohnt, teurereNach-richten zu produzieren. Warum sind Sietrotzdem für eine starke SRG?Ich sage ja nicht, dass die SRG so bleibensoll, wie sie gerade ist. Sie kann spürbarzurückgefahren werden. Beispielsweisekönnen reine Spartenkanäle, wie dieMusikwellen, durchaus aufgehoben oderprivatisiert werden. Solche Angebotekönnten ebenso von Privaten gemachtwerden.

Anders als in Deutschland ist den SRG-Sendern zwar Sponsoring erlaubt, Wer-bung aber verboten. Stärkt oderschwächt das Radio alsWerbeträger?Im Grundsatz lautet unsere Forderungseit jeher: Entweder die SRG darf Wer-bungmachen, dann bitte nicht nur Spon-soring, sondern auch normale Spots.Oder sie darf keine machen, also auchkein Sponsoring. Aber nur Sponsoringanzubieten, bedeutet denRahmabschöp-fen. DerWerbemarktanteil der SchweizerRadiosender schwankt zwischen 4 und 5Prozent.Wir glauben, dass sich derMarktausweiten ließe, wenn die öffentlich-rechtlichen Sender ebenfalls Werbungmachen dürften. Im TV hat das zumin-dest gut funktioniert. Dann bestünde al-lerdings auch die Gefahr, dass vor allemgroße private Sender und die Öffentlich-Rechtlichen profitieren und kleinere Pri-vate abgeschnittenwären.

Bei der Digitalisierung arbeiten die Pri-vatsenderwiederumgut und engmit derSRG zusammen. Bis 2024 soll die Um-stellung auf DAB+ vollzogen sein undUKW abgeschaltet werden. In Deutsch-land ist DAB+ umstritten, weil es teuerist und derzeit noch wenig Hörer hat.Was spricht aus Ihrer Sicht für die Um-stellung?Es gibt zwei große Herausforderungenfür Radiosender: auffindbar zu sein undReichweite zu generieren. Zur Auffind-barkeit gehört es, auf allenÜbertragungs-wegen präsent zu sein und dazu gehörtDAB+. DAB+ kommt sowieso. Im Auto-radio wird es keine weißen Flächen ge-ben. Diese Lücken werden sonst von an-deren Anbietern befüllt. Deshalb müssenwir überall präsent sein.

Die aktuelle Digimig-Studie zur Migra-tion von UKW zu Digital zeigt aberauch,dass gerade jungeHörerdieRadio-angebote eher streamen, als sie überDAB+ zu hören. Warum also nicht di-rekt auf Streaming setzen?Würden wir das tun, würden wir uns ab-hängig von den Telekommunikationsan-bietern machen. Sie würden mit uns ir-gendwann darüber verhandeln, welcheSender sie wo präsentieren und welchenicht. Wir brauchen eine eigene Infra-struktur, wenn wir unabhängig bleibenwollen.VordiesemHintergrund finde ichauch Initiativen wie den Radioplayer.deinteressant, denn damit sprechen alleSender mit einer Stimme mit den Telkosoder der Automobilindustrie. Das machtschon einenUnterschied.

AufDAB+kommenaber auch ganzneuePlayer und damitmehrWettbewerb.

Das lässt sich ohnehin nicht vermeiden.Die Privatradios haben gegenüber denneuen Wettbewerbern 30 Jahre Vor-sprung. Wenn jemand seinen Job gutmacht, müsste er diesen Vorsprung nut-zen können. Die Welt dreht sich weiter.Ich glaube nicht, dass es ein sinnvollerEinsatz von Kraft ist, gegen etwas zu sein.Es ist besser, etwas zu gestalten und da-durch dafür zu sorgen, dass die eigenenInteressen richtig abgebildet werden.Werheute 100000 Hörer hat, will diese behal-ten – und er braucht sie auch.

Weil die Reichweite den Umsatz be-stimmt.Genau. UKW wird von verschiedenenTechnologien abgelöst. Deshalb müssendie Sender überall präsent sein und alleWege abdecken. Einen Vorteil hatten wirjedoch in der Schweiz: Der Aufbau derDAB+-Infrastruktur wird über Gebüh-rengelder mitfinanziert. Das macht vielesleichter.

Stichwort Reichweiten: Mehr Übertra-gungswege fordern auchdieMessunghe-raus. Mediapulse misst die Reichweitenvia Audiomatching über die Radio-watch. In Deutschland ist Audiomat-ching extrem umstritten. Halten Sie dieBedenken für berechtigt?Nutzungsforschung ist immer eine Frageder Konventionen. Manmuss sich auf et-was einigen. In Deutschland ist das eineCati-Befragung. Wir wiederum setzenauf Messung. Die Ergebnisse der Metho-den sindnicht vergleichbar. EineZeit langwaren deutsche Berater bei SchweizerSendern und rieten diesen, möglichst oftden Stationsnamen im Programm zunennen.Das hilft inDeutschland,weil dieHörer bei der Mediaanalyse dann eherden Sender erinnern, aber ist für dieSchweiz falsch, weil es hier nurwichtig ist,was die Leute tatsächlich gerade hören.Ich denke, dass unsere Messung einedeutlich härtere Abfrage ist. Es hat aberauch Mut gebraucht, sie 2001 einzufüh-ren, weil die Hörerzahlen zurückgegan-gen sind. Aber nun bleibenwir dabei.

Zum 1. Januar 2018 kommt ein neuesPanel, schon seit Juli läuft es imParallel-betrieb. Warum über so eine lange Zeit?Stecken Ihnen noch die Probleme bei derUmstellung des TV-Panels 2013 in denKnochen?Wir wollen sichergehen, dass es läuft. Esist ein neues und größeres Panel und da-mit gibt es einen Datenbruch. Das ist im-mer hässlich, weil man die Daten dannnichtmiteinander vergleichenkann.Aberich halte das neue System für sehr gut undbin froh, dass wir es bekommen.

Passend zum Swiss Radio Daydiese Woche verteidigt JürgBachmann, Präsident des Ver-bands Schweizer Privatradios

(VSP), die Informationsleistung derSchweizer Privatradios. Diese hätten eine„demokratierelevante Aufgabe“, die sie„gut lösen“, an die sie „aber auch immermal erinnert werden müssen“. Von derSRG erwartet der Goldbach-ManagerMäßigung im Regionalen und Digitalen.

Von Juliane Paperlein

FOTO:VPS

Radiomarkt: VSP-Präsident Jürg Bachmannüber die Informationsleistung derSender und das Verhältnis zur Swisscom

„Die SRG solltesich mäßigen“

Jürg Bachmann ist seit 2006Präsident des VerbandsSchweizer Privatradios.Hauptamtlich ist er seit 2002für die Goldbach Group tätigund leitet die Bereiche Kom-munikation &Marketingsowie Public Affairs. VorseinemWechsel zu Goldbachwar der inMailand auf-gewachsene Bachmann unteranderem Geschäftsführer vonRadio Aktuell, heute FM1,und Energy Zürich. Er enga-giert sich zudem bei Medien-Start-ups wie Seniorweb, TheScope und Radio Volare.

Der Präsident

Der Verband SchweizerPrivatradios (VSP) vertritt diewirtschaftlichen, medien-politischen, technischen undrechtlichen Interessen derPrivatradios. Gemeinsammitder öffentlich-rechtlichenSRG, dem Privatverband RRRund seit 2015 auch denVerbänden Unikom und Limusveranstaltet der VSP seit 2000den Swiss Radio Day, dieGattungsveranstaltung fürSender aller SchweizerSprachregionen. Der Bran-chentreff findet dieseWochein Zürich statt.

Der Verband

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HORIZONT 34/2017 24. August 20173030REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ

Verstecken muss sich dieSchweiz beim Thema Digitali-sierung keineswegs, das zeigendie gängigen Ranglisten, die

den Digitalisierungsgrad verschiedenerLänder und Regionen vergleichen. Siezeigen aber auch, was Thomas Ruck, Ac-centure Digital Lead Switzerland, urteilt:„Die Unternehmen in der Schweiz sindunterschiedlich stark digitalisiert. Inter-national tätige Grossunternehmen undKonzerne sindmeist amweitesten, es gibtaber Potenzial.“ Mutiger und innovativermüssten viele Schweizer Firmen werden:„Es reicht nicht aus, einen kleinenNukle-us innerhalb desUnternehmens zu schaf-fen, der für Digitalisierung steht. DerWandel muss in der ganzen Organisationgreifen“, fordert Ruck.Warum die Schweiz zwar ganz or-

dentlich, aber nicht weiter vorne in die-senRanglisten liegt, untersucht beispiels-weise das „Digital Competitiveness Ran-king“ des International Institute for Ma-nagement Development (IMD): Obwohldie Schweiz 2017 in der übergreifendenWettbewerbsstudie im zweiten Jahr inFolge auf Platz 2 landet, muss sie sich inder Rangliste der digitalenWettbewerbs-fähigkeit mit Platz 8 begnügen. DieSchweiz sei zwar für die digitale Zukunftgerüstet, attestieren die Forscher derHochschule Lausanne, beimThemaWis-sen und vor allem den öffentlichen Aus-gaben für dessen Vermittlung weisensie allerdings auf deutliche Defizite hin.Eine negative Bewertung bringt zudem

die Tatsache, dass Frauen in Sektoren,in denen die Digitalisierung stark Ein-zug gehalten hat, stark unterrepräsen-tiert sind.Wie es um die Digitalisierung in ein-

zelnen Branchen steht, hat sichAccenturedetailliert angeschaut. Dazu hat die Un-ternehmensberatungsfirma 100 Schwei-zer Firmen in drei digitale Profile mit un-terschiedlichen Charakteristiken einge-stuft: Digital Followers, Digital Maintai-ners und Digital Trendsetter. Diedigitalen Verfolger (Followers) sind Fir-men, die ihren digitalenWeg zwar bereitsbegonnen haben, aber noch nicht voll-ständig bereit für eine Transformationsind. Sie haben angefangen, Standard-produkte und -dienstleistungen über di-gitale Plattformen zu verkaufen. Damitbleiben sie einen Schritt hinter den so-

genannten „Maintainers“ zurück, die sichzwar auf digitale Monetarisierung fokus-sieren, aber noch keine kontinuierlicheInnovations-Pipeline haben.

B eiden Gruppen enteilen die DigitalTrendsetter. „Das sind Unterneh-men, die sich sehr stark digitalen

Innovationen verschrieben haben, aberweniger stark aufMonetarisierungder be-stehenden Produkte und des Service-Portfolios durch digitale Methoden undTechniken fokussiert sind“, sagt Ruck.Immerhin, seit 2016 haben viele

Schweizer Unternehmen einen Schrittnach vorne gemacht: Mehr als die Hälfte(54 Prozent), die 2016 von Accenture alsDigital Followers eingestuft wurden, ha-ben sichmittlerweile zum nächsthöherenProfil, den Digital Maintainers, hochge-arbeitet. Allerdings haben sich 43 Prozentder Digital Followers nicht angepasst undverharren somit noch bei den Verfolgern.Und während viele sich entwickeln unddeshalb in diesem Jahr als Trendsetter be-wertet wurden, hat Accenture zugleichfast die Hälfte der Unternehmen (48 Pro-zent), die 2016 als Digitale Trendsettereingestuftwurden, zuDigitalMaintainerszurückgestuft.Die Betrachtung der einzelnen Bran-

chen zeigt grosse Unterschiede beim digi-talen Reifegrad: So reicht die Spanne bei-spielsweise bei „Consumer Goods & Ser-vices“ vom Indexwert 3,9 (Adecco) bis1,2(Hügli Holding), bei „Retail“ von 3,0(Migros) bis 1,7 (HG Commerciale) undbei „Communication, Media & Techno-logy“ von 3,6 (Swisscom) bis 1,7 (Advan-cedDigital BroadcastHolding).

Bei den Vertretern der Branchen„Communications, Media & Technolo-gy“ und „Retail“, zu denen Firmen wieSwisscom, Ringier, APG/SGA und SRG/SSR beziehungsweise Migros, Coop undCharles Vögele zählen, hapert es laut Di-gital Index Switzerland vor allem an derDimension „Manage“. Darin fasst Ac-centure die sogenannten Business Activi-ties zusammen, die zeigen,wie einUnter-nehmen versucht, interne Prozesse zu di-gitalisieren und operationelle Exzellenzherzustellen, also wie es interne Struktu-ren anpasst, um dem Umbruch, der mitder Digitalisierung stattfindet, gerecht zuwerden. Teil dieser Dimension ist auchdie Bewertung des Führungspersonals.

I n der Dimension „Plan“, in der dieje-nigen der 42 untersuchten BusinessActivities eingeflossen sind, die zei-

gen, wie ein Unternehmen strategisch andas Thema Digitalisierung herangeht, istder Handel bereits deutlich weiter als diemeisten anderenBranchen.Verbessern können Unternehmen ih-

ren Status, indem sie die Mechanismender digitalen Innovation und digitalenAsset-Monetarisierung besser verstehenlernen. Digitale Innovation basiere aufder Fähigkeit der Unternehmen, konti-nuierlich innovative Lösungen für ihreKunden zu entwickeln, sagt Ruck. Wiewichtig hier Kontinuität ist, zeigen diegeschilderten starken Schwankungen beiDigital Followers und Maintainers. An-hängig ist diese vom Einsatz neuer Tech-nologien und einer kundenorientiertenService-Design-Philosophie (wie etwaDesignThinking).

Von Eva-Maria Schmidt

Die Schweiz hat Entwicklungspotenzial

Vergleich nach Industrie-Segment

Digital IndexPlanMakeSellManage

Communications, Media & Technology

Retail

Consumer Goods & Services

Quelle: Digital Index Switzerland 2017 / Accenture HORIZONT 34/2017

Index-Werte

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MehrMut bitte!Accenture attestiertvielen Schweizer Unter-nehmen Fortschrittebei der Digitalisierung– findet aber auchgrosse Lücken

Migros liegt klar vor Coop

Top-Unternehmen in der Branche Handel

Migros-Konzern

Valora Holding

Coop-Gruppe

Loeb Holding

Charles Vögele Mode

HG Commerciale

Quelle: Digital Index Switzerland 2017 / Accenture HORIZONT 34/2017

Digital Index Plan Make Sell Manage

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3,8

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2,6

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Index-Werte

Swisscom und Ringier bei Digitalisierung am weitesten

Top-Unternehmen in der Branche Communication, Media & Technology

Swisscom

Ringier

Logitech International

APG/SGA

Ascom Holding

SRG/SSR Radio und Fernsehen

Advanced Digital Broadcast Holdings

Quelle: Digital Index Switzerland 2017 / Accenture HORIZONT 34/2017

Digital Index Plan Make Sell Manage

3,6

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3,5

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Index-Werte

Umsetzung ist die größte Herausforderung für FMCG und Dienstleistungen

Top-Unternehmen in der Branche Consumer Goods & Services

Adecco

Nestlé

SGS

The Swatch Group

Givaudan

ZFV-Unternehmungen

MCH Group

Barry Callebaut

Emmi AG

Lindt & Sprüngli

Richemont

SV Group

Aryzta

Hügli Holding

Quelle: Digital Index Switzerland 2017 / Accenture HORIZONT 34/2017

Digital Index Plan Make Sell Manage

3,0

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2,4

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Index-Werte

Für die Untersuchung „Digital Index Switzerland“schauen sich Experten von Accenture unter derLeitung von Stéphane Piqué, Project Lead DigitalIndex Switzerland, Thomas Ruck, Digital LeadSwitzerland, und Thomas D. Meyer, Digital LeadAustria, Switzerland & Germany und CountryManaging Director Switzerland, 42 sogenannteBusiness Activities aus den Dimensionen „Plan“,„Make“, „Sell“ und „Manage“ an, die relevantsind, um den Digitalisierungsgrad zu messen. Be-rechnet wird er mit Hilfe von Algorithmen. Darauserstellt Accenture für 100 Unternehmen aus zehnBranchenScoreCards,die zeigen,wosiebezüglichdigitaler InnovationunddigitalerMonetarisierungihrer Vermögenswerte stehen.

Digital Index Switzerland

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HORIZONT 34/2017 24. August 20173232REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ

„Härtere Zeiten für die APG“, titelte dasAnlegerblatt „Finanz und Wirtschaft“(FuW), nachdem die APG ihre Zahlenzum 1. Semester 2017 publiziert hatte.Hatten Sie Freude an dieserHeadline?Wir waren nicht überrascht, denn unsereSituation ist nicht völlig neu. Wir sagtenja immer wieder, dass sich der Wettbe-werb intensivieren wird, sowohl inter- alsauch intramedial.

Ein Grund für die Schlagzeile war dieTatsache, dass die APG die öffentlichenAusschreibungen der Plakatkonzessio-nen in Genf, Luzern und bei den Ver-kehrsbetrieben Zürich verloren hat unddie Flächen in Basel und Zürich in Zu-kunft vermehrt mitMitbewerbern teilenmuss. Daraus resultierte bei der APGein Umsatzrückgang von 3 Prozent im1.Halbjahr 2017, erstmals seit längerem.Anders gesagt: Die117-jährige APG-Vor-herrschaft im Schweizer Aussenwerbe-markt beginnt zu bröckeln – eine un-gemütliche Situation für denCEO?Nein, ganz und gar nicht. Denn wir ha-ben nach wie vor ein sehr grosses Portfo-lio und einen hohen Marktanteil. Undwas Sie aufzählten, ist das Resultat derletzten zwei, drei Jahre, in denen wir tat-sächlich ein paar Ausschreibungen ver-lorenhaben,weilwir nicht um jedenPreismitboten. Klar ist das eine Herausforde-rung. Aber verglichen mit meinen frühe-ren Erfahrungen in der Printbranche istdas, was wir bei der APG derzeit erleben,

immer noch ein laues Lüftchen, keinSturm (lacht).

Ein Sturm kommt vielleicht noch – etwamit Tamedias Eintritt in den Aussen-werbemarkt. Dieser erfolgte mittelsMehrheitsbeteiligung an der Genfer Fir-ma Neo Advertising, die derzeit auf ma-ximal 5 Prozent Marktanteil kommt(siehe Seite 35). Hat Sie diese Übernah-me überrascht?Nein, nicht wirklich. Da wir regelmässigunsere Zahlen, die in der Vergangenheitsehr gut waren, publizieren, war uns be-wusst, dass andere Player am Einstieg inden attraktiven Out-of-Home-Media-Markt in der Schweiz Interesse habenkönnten. Zudem wussten wir, dass NeoAdvertising Investoren sucht. Auch derZeitpunkt kam nicht überraschend: Ta-media setzt wohl primär auf die Aus-schreibung der Schweizerischen Bundes-bahnen (SBB).

Tatsächlich erfolgte die Übernahme-Ankündigung am 14. Juli, an dem Tag,an dem die Ausschreibung der SBB fürderen Aussen- und Fahrzeugwerbungendete – die volumenmässig grössteSchweizer Ausschreibung. Doch Tame-dia/Neo Advertising dürften nicht dieeinzigen Interessenten sein: ClearChannel Schweiz (CCS), GoldbachGroup und Admeira haben sich eben-falls eine Offerte überlegt, und auch einPlayer wie Ströer ist nicht auszuschlies-sen. Kurz: Neben Tamedia könnte schonbald eine ganze Reihe weiterer Playeram Schweizer Aussenwerbe-Kuchenknabbern.Absolut. Es gibt zwar kein Offertöff-nungsprotokoll wie bei anderen Aus-schreibungen, aber auch ich gehe von ei-ner CCS-Offerte aus. Von Goldbach-CEO Michi Frank weiss ich ferner, dasssie sicher bei den digitalen Losen offerier-ten. Infrage kommen auch Admeira so-wie die Firma Live Systemmit ihrem An-gebot PassengerTV. Letztere hatten auchin Basel mitgeboten. Die grosse Unbe-kannte ist Ströer – und vielleicht gibt esweitere Überraschungen. Das haben wir

imVorfeld durchaus in Betracht gezogen.Selbst wennwir dazumehrwüssten, wäreunsereOfferte nicht anders ausgefallen.

Was glauben Sie – werden sich nach derSBB-Ausschreibungmehr als drei grossePlayer im SchweizerMarkt tummeln?Es gibt noch weitere Aussenwerbe-Fir-men wie Starplakat, Swiss Plakat undScreen24, die darf man nicht vergessen.Aufgrund der Komplexität und der Grös-se der acht SBB-Lose gehe ich schon da-von aus, dass die „Grösseren“ das Rennenmachen, denn man muss ja einige Er-fahrungen undExpertisemitbringen.

Wie erklären Sie sich dieses plötzliche,grosse Interesse an der Schweizer Aus-senwerbung?So plötzlich ist es nicht, und es wurde jalediglich ein Player aufgekauft.

Aber bei der SBB-Ausschreibung mani-festiert sich doch das Interesse erstmalsso breit und konkret?Das liegt an den langfristig guten Per-spektiven der Aussenwerbung. Zwar hatdie APG aktuell etwas weniger Umsatz inder Schweiz, und auch der Margendrucksteigt: Es wäre daher – auch von Mit-bewerbern – blauäugig zu meinen, dieMargen der Vergangenheit liessen sichauch in Zukunft weiterführen. Aufgrundder Bruttozahlen von Mediafocus geheich davon aus, dass der Aussenwerbe-markt insgesamt weiter wächst. Das istschon mal eine komfortable Ausgangs-lage. Zudem besteht dank Digitalisierungund der Verknüpfung mit Mobile auchWachstumspotenzial. Das macht denAussenwerbemarkt attraktiv.

Tamedia begründete den Einstieg beiNeo Advertising mit der Möglichkeit,ihrenWerbekunden künftig Print-, On-line-WerbungundPlakat- sowie digita-le Aussenwerbung anbieten zu können.Was halten Sie von dieser Argumentati-on?Sie ist nachvollziehbar. Aber aufgrundderErfahrungen bei der Publigroupe denkeich: Eine allzu breite Medienpalette quasi

im Bauchladen zu verkaufen, ist sehr an-spruchsvoll. Tamedia kann das vielleicht,benötigt letztlich aber ein homogenesAngebot. Doch wenn ich das Portofoliovon Neo Advertising ansehe, das derzeitsehr Genf-lastig ist und noch einigeShoppingcenter in der ganzen Schweizenthält, dannkannTamedia nicht viel da-raus machen. Darum ist es für sie wohlentscheidend, etwas aus dem SBB-Port-folio zu erhalten.

Meine Anschlussfrage wäre gewesen:Treibt die neue Multimedia-Strategievon Tamedia die APG in die Arme vonAdmeira, den Werbevermarkter vonSRG, Ringier und Swisscom? Aus demeben Gesagten höre ich aber eine Absageheraus.Nein, keine Absage. Als Admeira auf denMarkt kam, wurden ja alle etwas nervösund es wurden viele Gespräche geführt.Wir sagten stets, dass wir grundsätzlichoffen sind für gute Ideen, die Win-win-Situationen ergeben. Bisher kam nie-mand ganz konkret auf uns zu. Die APGihrerseits hat eine klare Strategie als Pure-Player Out-of-Home-Media, zu dem wirauch Mobile Media zählen. Ich glaube,dass dies erfolgversprechender ist, als daseigene Portfolio unendlich zu erweitern,um dann nicht mehr in der Lage zu sein,die Interessen der Kunden und Partnerwahrzunehmen.

Ein anderer Aspekt: Im Gegensatz zuramerikanischen Firma Clear Channelund zur belgisch-französischen APGsind Tamedia/Neo Advertising durchund durch schweizerische Firmen –ein Vorteil im aktuellen politischenKlima.Das glaube ich nicht. Von ihrer DNA herblieb die APG eine Schweizer Firma: DerHauptsitz befindet sich in Genf, in derGeschäftsleitung sind ebenfalls nurSchweizer tätig, die APG liefert ihr ganzesSteuersubstrat in der Schweiz ab, bezahltin allenKantonen Steuern und ist Partnerder Gemeinden. Kurz: Ein schweizeri-scheresMedienunternehmen gibt es hier-zulande gar nicht.

Markus Ehrle ist CEO desAussenwerbeunterneh-mens APG|SGA und musssich aufgrund der zurück-

liegenden Ausschüttungspolitik sowiedem Einstieg von Tamedia in den Aus-senwerbemarkt auch kritischen Fragenstellen. Ob ihn das anficht oder manchePunkte sogar eine Gefahr für ihn als Chefdes Schweizer Marktführers darstellenkönnen, schildert Ehrle im Interview mitHORIZONT.

Von Markus Knöpfli

FOTO:APG

Nach Tamedias Einstieg in denSchweizer Aussenwerbemarkt gibt sichMarkus Ehrle, CEO des MarktführersAPG|SGA, bemerkenswert gelassen

„Ein lauesLüftchen“umweht dieAPG

Seit Mitte 2014 leitet Markus Ehrle als CEOdie APG. Zuvor führte er drei Jahre im Unter-nehmen die Bereiche Marketing & BusinessDevelopment. Der ausgebildete Kommuni-kations- und Marketingleiter blickt auf einelangjährige Karriere bei der Publigroupe SAzurück, wo er unter anderem als MarketingDirector und stellvertretender CEO der Publi-media AG sowie in VR-Funktionen bei ver-schiedenen Tochtergesellschaften tätig war.Von 2006 bis 2011 war er bei der NZZ-Mediengruppe verantwortlich für den Be-reichWerbemarkt & Business Development.

Zur Person

Page 9: RE HORIZONT34/2017 24.August2017PORT · Lindt & Sprüngli Richemont SV Group Aryzta Hügli Holding Quelle: Digital Index Switzerland 2017 / Accenture HORIZONT34/2017 Digital Index

HORIZONT 34/2017 24. August 2017 33REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ 33

„Dieses Plakat kostet uns1170 Franken.Es soll helfen, unserenMarktanteil wei-ter zu steigern. Bank Cler.“ Plakate wiedieses, in unterschiedlichen Formatenund mit verschiedenen Preisen, prang-ten kürzlich wochenlang überall in derSchweiz an APG- und CCS-Flächen.Hatten Sie eigentlich Freude an der pla-kativen Offenlegung Ihrer Preise undKonditionen durch einenKunden?Eine schöneKampagne, der Link stimmteperfekt (lacht). Natürlich wussten wirschon im Vorfeld davon und waren mitAuftraggeber und seiner Agentur in Kon-takt. Die angegebenen Preise pro Flächewaren nicht ganz korrekt, sondern ent-sprachen einem Durchschnitt je Format.Produktionstechnisch war dies nicht an-ders möglich. Uns wäre es aber lieber ge-wesen, wenn je Plakatstelle der effektiveBetrag gemäss Preisliste in Verknüpfungmit dem Tausender-Kontakt-Preis ge-nannt worden wäre. Denn nach wie vorist das Preis-Leistungs-Verhältnis beimMediumPlakat einzigartig. Zudemwar jader eigentliche Netto-Netto-Preis ohne-hin nicht offengelegt.

Interessant bei derAPG ist ihreUmsatz-struktur: Rund 500 nationale oder in-ternationale Kunden brachten 2016 derAPG 47 Prozent des Schweizer Umsat-zes, 53 Prozent stammten dagegen vonrund 10000 aktiven regionalen und lo-kalen Kunden. Lässt sich mit digitalerWerbung noch im regionalen Bereichausbauen?Der Mix, den wir haben, ist ideal: Lokaleund regionale Kunden sind konjunktur-resistenter und stabiler als nationale Kun-den. Das wollen wir beibehalten, weshalbwir nicht nur in Zürich, Basel und Berndigitalisieren, sondern beispielsweiseauch inChur.Die StärkedesAPG-Portfo-lios ist schliesslich die nationale Abde-ckung bis in die regionalen Kapillaren.

Denn oft ist die Plakat-Werbung auf demLand respektive in den Agglos fast im-pactstärker als in den Städten.

Gemäss Nettowerbestatistik wurden2016 für Digital Out-of-Home (DOoH)in der Schweiz 42 Millionen Frankeninvestiert, 9 Prozent der gesamten Aus-senwerbe-Einnahmen. Wie gross schät-zen Sie das Potenzial in den nächstenzwei bis drei Jahren?Ich erwarte durchaus noch einen Schub.Die SBB zum Beispiel hat in der Aus-schreibung verlangt, dass 200 E-Panels inden Bahnhöfen aufgestellt werden sollen.Mehr Inventar heisst aber nicht zwin-gend, dass die Preise gleich bleiben undsich der Umsatz so linear erhöhen wird.Ich gehe davon aus, dass wir in drei Jah-ren einen Anteil von15 bis 20 Prozent dergesamten Aussenwerbung erreichen. InEngland wird die Aussenwerbung schondieses Jahr zu fast 50 Prozent digital sein.

Anfangs Jahr lancierte die APG die Seg-mentmarke APG Interaction, wo es umdie Verknüpfung von Plakat und Mo-bile geht. Dabei arbeiten Sie unter an-derem mit der Beacon-Technologie.Können Sie kurz beschreiben, wie dasfunktioniert?Es geht um die Möglichkeit, den Kon-sumenten von demMoment an mit rele-vanten, geolokalisierten Werbebotschaf-tenzu begleiten, wenn er das Haus ver-lässt. Ein Beispiel: Am Bahnhof sieht derKonsument ein Plakat oder es wird ihmein Mobile-Ad angezeigt, das ihm einenGutschein anbietet. Er lädt diesen auf seinWallet herunter. Danach geht er an einemKiosk vorbei, der mit einem Beacon aus-gerüstet ist und der den Gutschein aufdemHandy des Konsumenten registriert.Er weist ihn darauf hin, dass er den Gut-schein am Kiosk nun einlösen kann. Dasist eine der Anwendungsmöglichkeiten.

Man kann damit aber auch Passanten-ströme erfassen – natürlich immer mitanonymisierten Daten und bei Beaconsimmer vorausgesetzt, die Leute habenBluetooth auf ihremHandy aktiviert. Da-rüber hinaus setzen wir bei der Planungund Auslieferung von Mobile-Adverti-sing auch andere, bereits bewährte Tech-nologien ein.

Wo stehen Siemit demneuenAngebot?Die Verknüpfung von Plakat- und Mo-bile-Werbung bieten wir mit unseremAngebot „Double Impact“ schon ein paarJahre an. Ganz neu ist das also nicht, aberaufgrund derNachfrage intensivierenwires jetzt und probieren Neues. Vieles istnochTrial andError.Wir sehen insbeson-dere in den Regionen ein grosses Potenzi-al, da man die Werbung auf Mobile sehrlokal ausliefern kann. Aktuell sind wirmit diversen Reichweitenmedien im Ge-spräch, denn es braucht zur Auslieferungder Werbung reichweitenstarke Apps.Ziel ist es,Modelle zu finden, umgemein-sammehrUmsatzmachen zu können.

Klopften Sie auch bei 20minuten.ch vonTamedia an?Genau, ebensobei anderenMedienunter-nehmen.Wir treten hier alsomit jenen inKontakt, mit denen wir andernorts in –neuer – Konkurrenz stehen (lacht). Miteinigen Apps bestehen auch schon Ver-einbarungen. Im Herbst werden wir da-rüber genauer informieren.

Werfen wir noch einen kurzen Blick indie Vergangenheit: Von 2005 bis 2011 –vor Ihrer Zeit – expandierte die APGunter dem Namen Affichage nach Süd-osteuropa, ab 2011 erfolgte dann derRückzug: Wie stark belasten Sie die da-mit zusammenhängenden juristischenFolgen zeitlich und finanziell noch?Es ist tatsächlich so, dass noch zwei recht-

liche Verfahren laufen. Dazu äussere ichmich aber nicht. DieManagement Atten-tion hat sich jedenfalls massiv reduziert,wir beschäftigen uns nicht mehr jedenTag damit. Die Vergangenheit ist mehroderweniger abgeschlossen.

Ein Standbein in Serbien ist jedoch ge-blieben, 2016 brachte es 12 MillionenFranken ein, 4 Prozent des Gruppen-umsatzes.Richtig. Neben dem Stadtvertragmit Bel-grad, den wir über 25 Jahre abschliessenkonnten, haben wir in Serbien noch wei-tere Verträge. Dieses Engagementbraucht noch eine gewisse Aufmerksam-keit. Aber die Firma AlmoQuattro liefertauch einen substanziellen Betrag ans Un-ternehmensergebnis ab.

Zurück zum eingangs erwähnten FuW-Artikel: Erwähnt ist dort, dass die APGin den letzten Jahren die Dividendestark erhöht und mehrmals über 100Prozent des Gewinns ausgeschüttet hat– Geld, das Sie eigentlich in der aktuellhärteren Zeit besser in der Kriegskassebereithalten sollten. Bereuen Sie dieAusschüttungspolitik der letzten Jahre?Die Dividendenpolitik ist Sache des Ver-waltungsrates. Deshalb nur so viel: DieAPG will eine aktionärsfreundliche Divi-dendenpolitik betreiben, denn es machtkeinen Sinn, auf einem hohen Cash-Be-stand sitzen zu bleiben. Darum entschiedman sich, Geld, dasman nicht investierenkann, den Aktionären zurückzuzahlen.Das hat nichts mit der „Kriegskasse“ zutun: Wir sind und bleiben sehr hand-lungsfähig. Da besteht überhaupt keinProblem.Zudem–unddawiederhole ichmich – ist es keine Managementleistung,wennman bei einer Ausschreibung über-höhte Preise bezahlt. Entscheidender ist,obman ein nachhaltigesGeschäftsmodellfahren kann.

Die APG AG ist mit einem Marktanteil voncirca65Prozent inderSchweizMarktführerinim Bereich Aussenwerbung. 2016 erwirt-schaftete die APG, die nach einer gescheiter-ten Expansionspolitik nach Südosteuropanoch ein Standbein in Serbien hat, einenUmsatz von insgesamt 317 Millionen Fran-ken, 0,6 Prozentmehr als 2015.Weil die APGaber in den letzten zwei Jahren Verträge inGenf, Luzern und bei den Verkehrsbetriebenin Zürich an die Firmen Clear ChannelSchweiz und Neo Advertising verloren hat,ging ihr Umsatz um 3 Prozent auf 146 Milli-onen Franken zurück.

Zum Unternehmen

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HORIZONT 34/2017 24. August 20173434REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ

Die 2003 gegründete, inhaberge-führte Genfer Firma ist spezialisiertauf DOoH, etwa in schweizweit 55Einkaufszentren, 260 Tankstellen-

Shops und mehreren Business-Zentren. Seit dieFirma 2015 die Ausschreibung des Genfer Flugha-fens (circa 550 Plakatstellen) gewinnen konnte,vermarktet sie auchanalogePlakatflächen.DiesesJahr kamen zudem 3700 Stellen auf öffentlichemGrund der Stadt Genf dazu. Ab 2018 kommenferner noch 237 von rund1800 analogen Flächenauf öffentlichemGrund der Stadt Zürich dazu.www.neoadvertising.ch

DOoH-Portfolio

Rechtzeitig auf den Swiss RadioDay 2017 hin publiziert Publi-com Daten, dass das MediumRadio subjektiv die höhere Be-

deutung einnimmt als diemeisten anderenMedien, obwohl es weniger genutzt wirdals Internet, Zeitungen und Fernsehen.Das Radio ist auch 2017 für viele Men-

schen ein steter Begleiter durch den All-tag. 85 Prozent der Schweizerinnen undSchweizer haben in einem Zeitraum vondrei Monaten mindestens einmal ein Ra-dioprogramm genutzt. Damit liegt Radioweit vor den sozialenMedien, die auf eineQuartalsreichweite von nur 59 Prozentkommen. Das sind Angaben, die aus derdiesjährigen Mediabrands-Studie stam-men. Für diese wurden schweizweit über5000 Personen zu ihrer Mediennutzungund zur qualitativen Wahrnehmung voninsgesamt180Medienmarken befragt.Dabei überraschte Radio vor allem

auchdurchqualitative Stärken, heisst es ineiner Medienmitteilung von Publicom.„Wird nämlich nach der subjektiven Be-deutung derMedien imAlltag gefragt, er-reicht die klassische Radionutzung denzweithöchstenWert, direkt hinter demIn-

ternet.“ Damit ist die Radionutzung fürdie Schweizerinnen und Schweizer „wich-tiger“ als Fernsehen und deutlich „wichti-ger“ als Zeitungen oder Social Media. Amschlechtesten kommt laut Publicom diemobile Nutzung von TV bei den Schwei-zern an.

Das Ergebnis macht deutlich, dass dieklassische Radionutzung an einem spe-ziellen stationären oder mobilen Radio-gerät (UKW oder DAB+) noch die weitgrössere Bedeutung hat als die Nutzungvon Streaming-Angeboten aus dem Inter-net: Vier Fünftel der erwachsenen Bevöl-

Von Markus Knöpfli

Nur Internet ist wichtigerDie Schweizer Bevölke-rung schätzt Radiomehr als fast alleanderen Medien – undnutzt es ungern digital

FOTO:YAKO

VLEV/FOTOLIA

Quelle: Publicom HORIZONT 34/2017

Radio toppt TV und Print

Subjektive Bedeutung von Mediengattungen/Nutzungskanälen im Alltag der Schweizer Bevölkerung

Internet (Smartphone/Tablet)

Radio (Radiogerät)

TV (Fernsehgerät)

Zeitungen (Print)

Radio (Internet/Webradio)

Social Media

TV (Smartphone/Tablet)

Mittelwerte auf einer Skala von 6 = sehr wichtig bis 1 = überhaupt nicht wichtig

5,1

5,0

4,8

4,4

4,3

4,1

3,7

kerung nutzen Radio zu Hause oder un-terwegs über ein althergebrachtes Radio-gerät, nur 30 Prozent hören Radio überdas (stationäre oder mobile) Internet. DieZahl der Personen, die ausschliesslichübers Internet Radio hören, liegt sogar beiverschwindend geringen 5 Prozent. WennLeute Internetradio hören, geschieht diesalso meistens in Form von Parallelnut-zung, das heißt sie hören Radio je nachNutzungssituation sowohl auf alther-gebrachteWeise als auch übers Internet.Auch was die Akzeptanz vonWerbung

anbelangt, zeigt sich die qualitative Stärkevon Radio. Werbung in Form von Radio-spots wird von den von Publicom befrag-ten Schweizern weit besser akzeptiert alsFernsehwerbung oder gar Werbung aufdem Smartphone. Dabei überrascht, dassdies für alle Altersgruppen gilt, also auchfür jüngere Zielgruppen. Nur geradePrintwerbung hat in dieser Hinsicht nochgrössere Vorteile.Mit der Mediabrands-Studie ermittelt

Publicom jährlich die Brand Performancevon Medienmarken in der Schweizer Be-völkerung. Die Erhebung wurde 2017 imApril und Mai durchgeführt und basiertauf einer für die Bevölkerung von15bis 79Jahren repräsentativen Stichprobe von5098 Personen.

Unterwegs, um das neue Unternehmen Neo Advertising und sein Angebot bekannt zu machen

chende Offerten bei den SBB prüfenwürden.

DreiNüsse für den SchweizerAussenwerbemarkt

Als dann am 14. Juli Tamedia tatsächlichihren Eintritt in den Schweizer Aussen-werbemarkt bekanntgab, war dies des-halb nicht mehr erstaunlich. Und dochenthält die Ankündigung drei überra-schende Elemente. Da ist zum einen dieTatsache, dass der Eintritt nicht nur übereine Offerte an die SBB, sondern gleichüber eine Mehrheitsbeteiligung an derkleinen Genfer Aussenwerbefirma NeoAdvertising erfolgen soll. Damit machtTamedia klar, dass sie künftig in diesemWerbebereich mitspielen will, unabhän-gig davon, ob der Konzern nun bei denSBB zumZug käme oder nicht.DaNeoAdvertising zudem in der ana-

logen, also geklebten Plakatwerbung tätigist, demonstriert Tamedia zweitens einInteresse, das über die Digitalwerbungder SBB hinausgeht. Und drittens zeigtsich Tamedia neu offen dafür, künftignicht mehr nur eigenes, sondern auchfremdes Werbeinventar (hier jenes der

Als die Schweizerischen Bundes-bahnen (SBB) imFrühjahr 2017ihre Flächen für Fremdwerbungan Bahnhöfen sowie in und an

Zügenöffentlich ausschrieben–die gröss-te je erfolgte Werbeausschreibung in derSchweiz –, wurde allgemein erwartet, dassneben APG und Clear Channel Schweiz(CCS) auch andere, neuePlayer offerierenkönnten. Zunächst dachteman an auslän-dische Giganten wie Ströer. Weil aber inder acht Lose umfassenden Ausschrei-bung auch digitale Flächen sowie das On-line-Inventar der SBB zur Debatte stan-den, kamen auch nationale DOoH- undOnline-Vermarkter in Betracht – etwa dieGoldbach Group oder Admeira, die All-media-Vermarkterin von SRG, Swisscomund Ringier, aber auch Tamedia, das seinkonzernweites Inventar seit anfangs Jahrvia die zentrale Vermarktungsorganisati-on Tamedia Advertising aus einer Handanbietet.Die drei Schweizer Unternehmen be-

kannten denn auch im Frühjahr auf An-frage von HORIZONT, dass sie entspre-

SBB) zu vermarkten – etwas, das Tamediabisher ablehnte.Die offizielle Begründung für das An-

sinnen, das Vermarktungsangebot vonTamedia Advertising umAussenwerbungzu erweitern, las sich in der Medienmit-teilung vom 14. Juli allerdings wie folgt:„Durch die Kombination von Print- undOnlinewerbung mit Plakat- und digitalerAussenwerbung sollenWerbekunden vonneuen Angeboten profitieren und me-dien- und plattformübergreifende Kam-pagnen einfacher buchen können.“

Möglicherweisemarktbeherrschend inGenf

Noch ist der Einstieg in den Aussenwerbe-markt nochnicht definitiv.DenndieÜber-nahme von Neo Advertising bedarf nochdes Okays der Schweizer Wettbewerbs-kommission (Weko). Dieses ist allerdingszu erwarten, vermarktet doch Neo Adver-tising aktuell „bloss“ etwa 12000 digitaleund analoge Plakatflächen (siehe Kasten).Demgegenüber kommt CCS auf 22000und die APG auf 55000 Stellen.Allerdings sind Weko-Auflagen für

den Raum Genf nicht auszuschliessen:

Von Markus Knöpfli

Das Interesse an der DOoH- undOnlinewerbung der SBB war bekannt –Tamedias forscher Eintritt in denAussenwerbemarkt überrascht aber

Tamediaüberraschtdreifach

Zwar hat die APG in Genf nach wie vorFlächen auf privatem Grund, und im Ra-dio- und TV-Bereich ist Tamedia nicht ak-tiv. Aber mit dem Plakatportfolio von NeoAdvertising, der Gratiszeitung „20 Minu-tes“, der Tageszeitung „Tribune deGenève“und dem Gratisanzeiger „GHI“ (samt ih-ren Onlineportalen) käme Tamedia imdortigen Werbemarkt doch zu einer ziem-lich starken, wenn nicht gar marktbeherr-schenden Position.

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HORIZONT 34/2017 24. August 2017 35REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ 35

davon generierte die Radiovermarktungnur die Hälfte, den Rest die Spotproduk-tion. Anders gesagt: Der Basler Davidkommt nicht mal auf ein Zehntel desKüsnachterGoliaths.Weshalb aber erging es Cover Media

nichtwiedenandernVermarktern,die ent-weder aufgaben oder nahezu bedeutungs-los wurden? „Nur weil wir von Anfang andie Vermarktung mit der Spotproduktionkoppelten“, sagt Zürcher. „Diese Synergiehat funktioniert: Wer bei uns produzierenlässt, nutzt oft auch unseren Vermark-tungsservice – und umgekehrt.“Wer Hans-Ueli Zürcher kennt, weiss,

dass er nicht nur ein Dienstleister, son-dern auch ein Kämpfer ist. Kämpfenmussten er undWillinger schon 1996, alssie Cover Media mit zwei Partnern grün-deten. Schon bald verkrachten sich dievier aber, finanzielle Probleme waren dieFolge. „Wir waren damals regelrecht inder Bredouille“, gesteht Zürcher. Willin-ger und er machten weiter, was aber nur

Unsere USPs sind Schnelligkeitund Flexibilität: Wenn heuteein Kunde einen Spot in Auf-trag gibt, hat er ihn morgen

auf demRadiosender – inklusive Produk-tion“, sagt Hans-Ueli Zürcher. DiesenWorten ist zweierlei zu entnehmen: derStolz des Mitinhabers und Verwaltungs-ratspräsidenten. Und die beiden wich-tigsten Tätigkeiten der 21-jährigen BaslerFirma Cover Media: die Radiospot-Pro-duktion in zwei eigenen Tonstudios unddie Radiovermarktung. Später kam nochdieProduktion vonTV-Spots undFilmenfür die Unternehmenskommunikationdazu. Zu den Kunden zählen sowohl na-tionale Auftraggeberwie die Coop-Grup-pe,Valora oder derVerbandSpedlogswissals auch regionaleWerbungtreibende wieGrand Casino Basel, Kantonsspital Basel-land oder BasellandTransport AG.

EineRarität imSchweizerMarkt

Cover Media zählt derzeit zehn Ange-stellte, die Inhaber Nicole Willinger, 47,und Hans-Ueli Zürcher, 72, eingerech-net. Seit letztem Jahr hat Zürcher seinPensum aus Alters- und Gesundheits-gründen auf 50 Prozent reduziert. Undauch Willinger, zuständig für die Radio-vermarktung, ist nicht mehr täglich imBetrieb. Mit Internet und IT-Techniksind heute Offerten und Radioplanun-gen schliesslich zeit- undortsunabhängigmöglich. Die beiden wollen sich nachund nach zurückziehen und Jüngerenden Vortritt lassen. Letztes Jahr, zum 20-Jahr-Jubiläum, übergaben sie deshalb die

Geschäftsleitung an Zürchers Sohn Mi-chel, 38, und an Stefan Sommerhalder,32, der einst als Praktikant begann. Wo-bei Zürcher junior das ganze Unterneh-men leitet, während Sommerhalder denProduktionsbereich besorgt. Dass imFolgenden dennoch ausschliesslichHans-Ueli Zürcher zu Wort kommt, hatmit der Ferienzeit zu tun.Der Radiovermarkter Cover Media ist

eine Rarität im Schweizer Radiomarkt.Einst tummelten sich gut ein halbes Dut-zend senderunabhängige Vermarkter inder Szene, von denen die Basler Firma alseinzige übrig geblieben ist – neben derGoldbach Group natürlich, die mit ihrerTochter Swiss Radio World die nationaleRadiowerbung dominiert. Um das Grös-senverhältnis zu erfassen, reicht ein Blickauf die Umsatzzahlen: Die GoldbachGroup erzielte 2016 allein mit der Radio-vermarktung einen Nettoerlös von 42,5Millionen Franken,CoverMedia kamda-gegen auf brutto 8 Millionen Franken,

sie ihre Radiobudgets über Goldbach bu-chen. „Dieses Vorgehen hat einem Ver-markter um den andern das Genick ge-brochen“, sagt Zürcher. 2012 hat er des-halb Goldbach bei den Wettbewerbs-behörden eingeklagt. Es kam zu einerVoruntersuchung, die aber bald einge-stellt wurde: Eine Beweisführung warnichtmöglich.Zürcher kämpft aber nicht nur für sein

Unternehmen, sondern auch für dieBranche. Man könnte ihn als Missionarin Sachen Radio bezeichnen. Als einer,der sich kritisch, unermüdlich, oft unver-blümt und manchmal auch polternd fürdas Medium Radio einsetzt, das er „ei-gentlich für das besteWerbemittel“ hält.Warum nur „eigentlich“? „Weil der

Schweizer Radiomarkt kränkelt“, diag-nostiziert der langjährige Radiomann,der vor der Zeit bei Cover Media zusam-men mit Nicole Willinger als Verkaufs-leiter bei einem Sender tätig war. Für„krank“ hält er nicht etwa die momentanrückläufigen Umsätze bei der Radiower-bung – 2016 sanken die Nettowerbeein-nahmen im Radiomarkt um 3,5 Prozentauf 147 Millionen Franken. Auch diesesJahr sieht es nicht besser aus. Krank ma-chend empfindet er auchnicht die zuneh-mende Konkurrenz durch Onlinewer-bung, von der er übrigens wenig hält. Dassind allenfalls Symptome. NachMeinungvon Zürcher ist es die Branche selbst, diekränkelt, also die rund 50 Privatradiosund dieMediaagenturen.Was schiefläuft, zeigt er an einem Bei-

spiel von Mitte August: Cover Media ak-quirierte für ein grösseres Radio einenNeukunden.DerAuftragwar bereits beimSender – da annullierte die Mediaagenturihn. Der Grund: Das Radio hatte derAgentur inzwischen einen tieferen Preisgeboten, falls sie statt über Cover Mediadirekt beim Sender buchen würde. Wasdiese sofort tat. „Mir fehlen schlicht dieWorte“, schrieb daraufhin Nicole Willin-ger an den Senderleiter. „Ich dachte, wirarbeiten auf einer partnerschaftlichenEbene zusammen…Schade, dass das jetztkaputtgemachtwird.“

Appelle ohneMacht

„Das ist leider kein Einzelfall“, sagt Zür-cher. Weil die Einnahmen zurückgehen,würden einige Radios ihre Kundenbera-ter provisionieren – mit der Folge, dassdiese primär auf Umsatz aus sind. „Dieakquirieren jetzt auch im nationalenMarkt, statt primär ihre Region zu be-arbeiten“, sagt er.Immer wieder appelliert Zürcher des-

halb in öffentlichen Aufsätzen an seineBranche. Kürzlich schlug er sieben Punk-te vor, um den Markt wieder auf Vor-dermann zu bringen. Einer davon:„Schafft die Provisionsregelungen bei denKundenberatern ab und konkurrenziertnicht nationale Kampagnen.“ Eine zweiteForderung: moderatere Werbepreise.„Radio ist in der Schweiz einfach zu teu-er“, meint er. Weiter verlangt er von denSendern einfachere Tarifstrukturen, einEnde von Lockvogelangeboten sowie ei-nenWerbepool, bei dem alle Sender mo-dulartig dazugebucht werden können.Dieser Pool ist schon seit mindestens 20Jahren in Diskussion – ohne Erfolg. „Je-der Sender kocht lieber sein eigenesSüppchen, so findet man keinen gemein-samenNenner“, weiss Zürcher.Nützen solche Aufrufe eines erfahre-

nen Radiomannes etwas? „Nein“, sagtZürcher, dafür sei Cover Media zu klein.Zürcher weiss, dass er sich in der Branchekeine Freunde macht. Das aber kümmertihn kaum. „Es geht uns gut, wir sind zu-frieden. Auch wenn wir etwas im Gegen-wind stehen“, lacht er. „Zudem kämpfeich für das Medium Radio, das mir im-mer noch amHerzen liegt.“

Von Markus Knöpfli

Der kleine Radiovermarkter Cover Mediabehauptet sich seit 21 Jahren zäh im Markt– und ist dank dem zweiten StandbeinSpotproduktion lebendig und laut

DavidmitKämpferherz

Vor zwei Jahren baute Cover Media seine Ge-schäftstätigkeit noch einmal kräftig aus: Die Firmaübernahm das Anzeigenteam des BaslerWochen-magazins TagesWoche – mit dem ehemaligenPublicitas-Mann Kurt Ackermann an der Spitze.Die neue Schwesterfirma erhielt denNamenCoverAdline und fokussierte zunächst auf Print- undOnlinevermarktung, mittlerweile ist sie aber auchfür Aussenwerber wie APG und Clear ChannelSchweiz tätig, ebenso für TeleBasel. Es kamenimmer neue Kunden dazu. Mit der TagesWoche,der Auto Illustrierten und einem SBB-Heft im Port-folio macht Cover Adline heute rund 8 MillionenSchweizer Franken Umsatz.Anfang Jahr erfolgte dann ein Management-Buyout: Ackermann erwarb 80 Prozent der Firma,20Prozent sindnoch imBesitz vonNicoleWillingerund Hans-Ueli Zürcher. Mittelfristig soll sich dasaberändern:CoverAdlinesoll indieSelbstständig-keit entlassen werden.

Umsatzplus mit Adlinemöglich war, weil ihnen einige Radiosen-der die Rechnungen stundeten. Dafürsind sie ihnen noch heute dankbar. Nachvier Jahren hatte Cover Media alle aus-stehenden Rechnungen bezahlt. „2003ging es deshalb wieder so richtig los“,erinnert sich Zürcher. Manchmal mit5 Millionen Franken Umsatz pro Jahr, inSpitzenjahren auchmalmit13Millionen.

Kritisch, unermüdlich,bisweilen polternd

Einen harten Kampf focht und ficht Co-verMedia auchmit der Goldbach Group.Zürcherwirft Goldbach seit Jahren unfai-res Marktverhalten vor. Stein des Anstos-ses ist das fast unermessliche Inventar derrund zwei Dutzend ausländischen TV-Werbefenster im Goldbach-Portfolio:Das Küsnachter Unternehmen binde dieAgenturen an sich, meint er, indem esihnen Freespace auf den Werbefensternanbiete – unter der Voraussetzung, dass

FOTOS:STEFAN

SOMMERHALDER

Führungsteam (oben links):Nicole Willinger mit ihren KollegenHans-Ueli Zürcher (links),Michael Zürcher (rechts oben) undStefan Sommerhalder (rechtsunten). Blick in Büro und Tonstudio;Fast das gesamte Team vonCover Media (unten links)

Page 12: RE HORIZONT34/2017 24.August2017PORT · Lindt & Sprüngli Richemont SV Group Aryzta Hügli Holding Quelle: Digital Index Switzerland 2017 / Accenture HORIZONT34/2017 Digital Index

HORIZONT 34/2017 24. August 20173636REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ

Es ist die größte Baustelle derSchweiz. Und eine Investition inMilliardenhöhe. Am FlughafenZürich entsteht eine eigene Stadt.

Ende 2019 soll „The Circle“ seine Toreöffnen. Hotels, Kongress- und Eventhal-len und sogar ein Gesundheitszentrumdes Universitätsspitals Zürich entstehenauf dem 180000 Quadratmeter großenAreal. Dazu kommen zahlreiche Gastro-nomieangebote und natürlich endloseShoppingmeilen undWerbeformate.Die neue Satellitenstadt ist ein Ge-

meinschaftsprojekt der VersicherungSwiss Life und des Flughafen Zürich, mitdem sie unterirdisch verbunden seinwird. „Der Circle entsteht nicht zufälligan diesem Ort“, sagt Andreas Schmid,Verwaltungsratspräsident der FlughafenAG. Er sei eine Erweiterung des mit Flug-verbindungen, Bahnhof, Autobahn-anschluss, Busterminal und Tram bester-schlossenen Stückchen Lands derSchweiz. Jetzt gehe es darum, diesen Vor-teil zunutzen. „Mankommtkünftig nichtmehr hierher, weil man verreisen muss“,ist Schmid überzeugt, „sondern wegendes Erlebnisses, das dieser Ort bietet.“Der Flughafen als reine Verkehrsinfra-struktur – daswar gestern.

Wer in die Terminals des FlughafenZürich – nur wenige Schritte von derGroßbaustelle entfernt – eintaucht, fühltsich auch heute schon in eine andereWeltversetzt. Reisefieber, landende, startendeMaschinen. Menschen, die weinen, sichumarmen, lachen. Die große Abflugtafel– verheißungsvolle Ziele, die Sehnsuchtnach fernen Destinationen wecken. „DerFlughafen Zürich ist ein ganz besondererOrt“, findet Andrea Etter, Head Adver-tising&PromotionMarketing amZürichAirport. Ein Ort, der Emotionen weckt.„Über 27 Millionen Menschen sind imJahr 2016 hier abgeflogen, angekommenoder umgestiegen und machen so diewichtigste Verkehrsdrehscheibe zum be-deutendstenBegegnungszentrumderRe-gion“, beschreibt Etter.Durchschnittlich 75000 Fluggäste be-

wegen sich täglich durch die Terminals.Dazu kommen die Meeter und Greeterund natürlich die Mitarbeiter. Rund 280Unternehmen beschäftigen hier knapp27000 Menschen. Punkten kann derFlughafen deshalb besonders als Werbe-standort. „Attraktiv für Werbetreibendesind die hohe Frequenz, die Internationa-lität undKaufkraft derBesucher sowie dieVielfalt an einzigartigen Werbeflächen“,unterstreicht Etter, die mit Zielgruppen-daten aus der unternehmenseigenenMarktforschung aufwarten kann.

Für mehr als 34 Franken konsumiertdemnach jeder Airport-Besucher. Der ty-pische Passagier ist männlich (57 Pro-zent), zwischen 26 und 44 Jahre alt (43Prozent) und nutzt den Flieger in derFreizeit (56 Prozent). Mit einem Busi-nessanteil von 33 Prozent baut der Flug-hafen Zürich aber auch eine werblicheBrücke zu der begehrten Zielgruppe derGeschäftsleute.

Interessant fürMarken

Die Luxusuhrenindustrie macht sichdas zunutze. Neben den Airlines gehörtsie zu den wichtigsten Werbekunden desZüricher Flughafens. Zenith etwa war imAirport Shopping Centermit einemVoll-branding präsent. Tag Heuer belegt der-zeit die zwei großen Monitore, die daszentrale Fluginformationssystem amCheck-in umrahmen. Und das Dock Ebietet den Fluggästen auf Interkontinen-tal-Flügen nicht nur einen hervorragen-den Blick auf das Flugfeld, sondern auchauf ein überdimensionales Breitling-Poster an den Passagierbrücken. Hiersieht Etter einen der großen Vorzüge desWerbestandorts Flughafen:GroßflächigeMarkenpräsenz, starkes Branding ist hiermöglich. Und die Menschen haben Zeit:Jeder Zweite hält sich länger als 90Minu-ten amZürichAirport auf.

Digital haben die Eidgenossen schonseit Jahren aufgerüstet: Aktuell kann derFlughafen mit Screens bei den Fluganzei-gen, den Gepäckausgaben und den Ab-flughallen aufwarten. Bereits seit 2004können Kunden im Abflug- und An-kunftsbereich das Ad-e-motion buchen.Ein achtsekündiger Werbefilm begleitetden Passagier auf drei oder sieben seriellangeordneten hochformatigen Stelen aufseinemWeg zumGate. Eine Investition indie Werbezukunft: „Digitale Werbung istaufgrund der Flexibilität und der starkenWirkung durch Bewegtbilder sehr beliebtundwird sich auchweiterentwickeln“, er-klärt Etter. Dennoch glaubt sie nach wievor „an einen guten Mix aus analogenund digitalen Werbeflächen“. Für diesenMix ist ein Ort wie der Flughafen in derTat prädestiniert.

Von Vera Günther

WoEmotion aufKaufkraft trifftZürich Airport lockt mit großzügigen Branding-Werbeformaten und kaufkräftigenZielgruppen besonders die Anbieter von Premiumgütern als Werbekunden an

FOTO:

Der Flughafen Zürich

bietet Raum für riesige

Markenpräsenzen und

digitale Werbeträger

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HORIZONT 34/2017 24. August 2017 37REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ 37

Da ich am liebsten Interviews schreibe,mussmeineTastatur vor demheimischenMac am meisten einstecken. Für die Re-cherchen brauche ich das Web und ausdiesem Grund ist mein wichtigster Ar-beitsplatz zu Hause. Zudem bin ich dannin der Nähe meiner Familie und nehmean deren Leben teil. Ich schreibe haupt-sächlich amWochenende oder amAbendund dann sehr gerne mit einem leckerenBier und zuKlängen vonMegadeth,Möt-ley Crüe und anderen Bands mit frisier-ten Gitarren. Arbeit soll schliesslich Spassmachen.

Waswaren bislang IhreHighlights?Als Höhepunkt erlebe ich all die Men-schen, welche mich seit den Anfängenunterstützt haben. Ich bin froh, dass ichjetzt die Chance habe und mich so beiFrank Bodin (Havas), Markus Ruf (RufLanz), Thomas Wildberger (Publicis)und Dennis Lück (JvM/Limmat), diemich seit dem Start begleiten, bedankenkann. Mittlerweile kenne ich diese„Highlights“ auch persönlich und wirsind im regelmässigen Kontakt. Fürmich war es nicht selbstverständlich,dass ich zum Beispiel Markus Ruf um22.00 Uhr mit Fragen bombardierenkonnte und ich Minuten später seinenRat im Mail-Eingang hatte. Als High-light bezeichne ich somit die Kontakte inder analogenWelt. EinHighlightwar be-stimmt das Interview mit Jean-Remyvon Matt. Der Blog war in der Start-phase, als ich ihm eine Mail schrieb. Ichrechnete mir keine grosse Chance aus.Umso überraschter war ich, als ich nocham selben Tag sein Einverständnis er-hielt. Jean-Remy von Matt hat dann dieFragen an einem Sonntag beantwortet.

Da spürte ich: Mit dem Blog könnte esetwas werden. Dankenmuss ich aber vorallem Andy Hostettler und Regula Büh-rer Fecker. Mit ihnen durfte ich ein In-terview führen, obschon die Seite nichteinmal online war. Bevor ich an denStart ging, benötigte ich genügendMate-rial in der Hinterhand, welches ich ver-öffentlichen konnte. Hätte ich in dieserPhase nur Absagen eingeholt, hättemichder Mut vermutlich schnell wieder ver-lassen.

Mit wemwollen Sie unbedingt noch einInterview führen?Bei dieser Frage lasse ich mich von Mar-kus Ruf und seiner Kampagne für dieVBZ inspirieren:Mit Donald Trump undKim Jong-Un und am liebsten aufSchweizerdeutsch, bei denen kommt jasowieso nurKäse raus.

Wie soll sich Seiler’s Werbeblog entwi-ckeln?Weniger ist mehr. Ich möchte nur nochdie besten Arbeiten und Kampagnen ver-öffentlichen. Oder Geschichten, welchevonPersoenlich,WerbewocheundHORI-ZONT nicht publiziert werden. Ich bin ex-trem stolz, dass ich mit Michael Katheund Andreas Panzeri zwei Kollegen fürdas Projekt gewinnen konnte. Seit ich diezwei an Bord habe, macht es noch vielmehr Spass.

Spielt Geld eine Rolle?Quantität wäre finanziell lukrativer. Ichhabe mich aber dagegen entschieden,auchmit demRisiko, dass Leser absprin-gen werden. Der Blog soll bleiben, wie erist: eine Ergänzung zu den anderen Por-talen.

2014 haben Sie Seiler’s Werbeblog ge-startet.Was hat Sie dazu veranlasst, ne-ben Ihrem Job und der Familie nocheinen Blogmit Inhalt zu füllen?In meiner damaligen Agentur durfte ichwährend einer langen Zeit den CEO ver-treten. Es war ein Schock, als wir vonseinem schwerenUnfall erfuhren.Das12-köpfige Team stand vor einer schwierigenAufgabe. Schliesslich war er Kopf, CDund Inhaber der Agentur. So schwierigdie Situation auch war, so lehrreich warsie. Und das Schönste daran war, dass wirerfolgreich waren. In dieser Phase konn-ten wir sogar Neukunden gewinnen. Alsder CEO wieder genesen war und in dieAgentur zurückkehrte, übernahm er ei-nen Teil meiner Aufgaben. In dieser Zeitstellte ich mir viele Lebensfragen. Einedavon war, ob ich mich an der Agenturbeteiligen sollte. Je länger ich nachdachte,desto klarer wurde mein Nein. Da ichaber plötzlich wieder mehr Freizeit hatte,wollte ich etwas Kleines, aber Eigenes aufdie Beine stellen.

Und daswar der Blog?Ja, das war dann ein Blog. Weil mich dieBranche, die neuesten Kampagnen unddieExponenten, die hinter derKampagnestanden, interessierten, habe ich michentschieden, denBlog zu gründen.

Dannwar die neue Freizeit wieder weg.Das stimmt. Abermeine Frau unterstützt(e) mich zu 100 Prozent, übernahm dasLektorat und hielt mir den Rücken frei,

wenn die Kindermal wieder am Stürmenwaren. Ohne meine Frau hätte ich denBlog nie realisieren können.

Wie viel Zeit schluckt der Blog?Die ersten zwei Jahre habe ich sehr vielZeit investiert. Pro Woche kamen da lo-cker 20 Stundenundmehr zusammen. Soging das die ganze Zeit über und ichmachte alles währendmeiner Freizeit.

Jetzt ist das anders?Durch die Neupositionierung des Blogs,vermehrt auf Eigenberichte zu setzen,dank der Mitarbeit von Michael Katheund Andreas Panzeri sowie meinemWechsel zu Wirz Activation habe ich dasPensum stark nach unten korrigiert.

Ihre Zwischenbilanz?Ich habe fast drei Jahre bewiesen, dassman solch ein Projekt durchziehen kann.Dass wir aktuell weniger News veröffent-lichen, geht für mich völlig in Ordnung.Im September werde ich 42 Jahre alt, fürdie Werbebranche schon fast ein Grufti.Ich möchte jetzt den bestmöglichen Jobmachen, mein Hauptaugenmerk gehörtzu101ProzentWirz. ImÜbrigen kann ichden Job dem Blog verdanken. Nach ei-nem Interview mit dem Kreativchef undCo-CEO Livio Dainese lud mich seineCEO-Kollegin Petra Dreyfus zu Wirz indie Agentur ein. Auchwenn sie zu diesemZeitpunkt keinen Job frei hatte, setzte siesich stark für mich ein und kümmertesich um mich. Sie war es dann auch, diemich an Wirz Activation vermittelt hat.VielenDank, Petra!

Woundwann schreiben Sie am liebstenIhre Blog-Beiträge?

Fachtitel, die über die Kommuni-kationsbranche berichten, gibt esin der Schweiz seit langem – seit2016 zählt auch HORIZONT dazu.

Seit 2014 bereichert aber auch ein Blogeines Werbers, der hauptsächlich überSchweizer, aber auch internationale Wer-ber und ihre Arbeiten schreibt, die Szene.Der Macher dahinter ist Yves Seiler, derder Plattform auch den Namen gegebenhat: Seiler’s Werbeblog. Was Seiler moti-viert, nebenVollzeitjob und Familie nochInterviews und Berichte zu schreiben,und wie er alles unter einen Hut kriegt,schildert er hier im Interview.

Von Eva-Maria SchmidtYves Seiler über seinviertes, virtuelles Baby:Seiler’s Werbeblog

FOTO:

Yves Seiler will Trump gerne auf Schweizerdeutsch befragen – da käme eh nur Käse raus, zitiert er den Ruf-Lanz-Auftritt für die VBZ

„Meinen Jobverdankeich dem Blog“

Am 23. September1975 hatYves Seiler das erste MalZürcher Luft geatmet. Wäh-rend seiner „schönen Kindheitmit vielen Privilegien warendie vielen Bekannten, Ge-schäftspartner und Freundemeiner Eltern meine Schule“,sagt der Berater und Stratege,der bei Wirz Activation inDiensten steht: „Da habe ichdas gelernt, was man in keinerSchule lernen kann: zuhören,aufnehmen und beobachten.“Seiler’s Werbeblog, den erseit 2014 betreibt, kommtdas zugute.Nachzulesen ist es unterwww.seilers-werbeblog.ch.

Seiler’s Werbeblog

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HORIZONT 34/2017 24. August 20173838REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ

Die strategische Neuaus-richtung der Bank Coopstammt von der ZüricherBranding-Agentur Scholtysik& Partner. Das Resultat wareine Bank, die sowohl überihren Auftritt als auch ihreUnternehmensphilosophiesofort als Challenger Branderkennbar sein sollte. DieBranding-Spezialisten identi-fizierten bei den Kunden dasBedürfnis nach einer Bank,„die sich als Interessenver-treterin ihrer Kunden ver-steht“. Diese Angebotslückewill Cler seit Mai nun schlie-ßen. Scholtysik & Partner hatunter anderem schon für dieBasler Kantonbank, SBB undUBS gearbeitet.

Das Rebranding

NeuerName, neue BankW

ennman einGespräch un-ter Schweizern beendenwill, muss man nur einestun: Man muss die Anwe-

senden nach ihrem Gehalt fragen. DasSchweizer Bankgeheimnis ist nicht nurein hochgeschätztes Geschäftsprinzip fürdie zahlungskräftige internationaleKlientel, sondern auch gelebteAlltagskul-tur. Über Geld spricht man nicht. Aus-gerechnet eine Bank macht dieses gesell-schaftliche Tabu nun seit Mai zum zen-tralenThema ihrerKampagne „Zeit, überGeld zu reden“.Der Absender ist zugleich ein Traditi-

onshaus und ein absoluter Frischling inder Schweizer Bankenlandschaft. Mit derKampagne kommuniziert die altbekann-te Bank Coop ihren Relaunch zur Cler-Bank. Und Gregor Eicher, Leiter Marke-ting bei Cler, versucht alles, um zu ver-mitteln, dass die Bank nicht nur einenneuen Namen, sondern auch einen neu-en Anspruch an ihre Arbeit hat: „Heuteist Geld in der Schweiz immer noch einTabuthema. Wir machen den Umgangmit Geld zur natürlichsten Sache derWelt.“ Schon der Name der neuen Bank-marke steht für das Programm: Cler istdas rätoromanische Wort für klar, deut-lich, einfach.Einfach dürfte die Entscheidung zum

Markenrelaunch allerdings keinem derbeteiligten Entscheidungsträger gefallensein. Denn die Bank Coop blickt in derSchweiz auf eine immerhin 90-jährigeGeschichte zurück. Und zusätzlich sugge-riert die große Nähe zur starken MarkeCoopSicherheit. SolangederDetailhänd-ler Coop seine Kommunikationsarbeit

macht, kann eine assoziierte Bank Coopnie vollständig scheitern. Die Kehrseiteder Medaille ist allerdings auch, dass dasFinanzinstitut es alsHausbank desHänd-lers schlicht schwer hatte, von den Kun-den als vollwertigerDienstleister ernst ge-nommen zu werden. Mit einer unge-stützten Markenbekanntheit von 23 Pro-zent lag die Bank Coop Lichtjahre hinterden führenden Bankmarken wie UBS,Raiffeisen undCredit Suisse.Undmit nur32 Standorten in der gesamten Schweizwar sie die kleinste aller national tätigenRetail-Banken.Die Folge war eine Kundenstruktur,

mit der die Bank kaum zufrieden seinkann. Für zu viele Kunden war die BankCoop Zweit- und nicht Hausbank. Auchbei der Altersstruktur sieht Eicher Hand-lungsbedarf: „50 Prozent unserer Kundensind älter als 60 Jahre. Wir müssen ver-stärkt für Berufseinsteiger, Best Ager undjunge Familien interessant werden.“ ImKampf um die 20- bis 59-Jährigen setztCler nicht nur auf humorvolle Werbung,sondern vor allem auf zwei Themen:Frauen als Zielgruppe und Digitalisie-rung der Services.

D en weiblichen Fokus macht dieBank nicht zur offensiv gesell-schaftlichen Agenda, setzt aber

viele Akzente, die vermitteln sollen, dassCler eine Bank ist, bei der sich Frauen alsKunden besonders wohlfühlen können.So ist Cler die erste Schweizer Bank, beider die Lohngleichheit der Geschlechteroffiziell zertifiziert wurde. Über das Eva-Programm bietet die Bank zudem einespeziell auf weibliche Lebensläufe opti-mierte Lebensberatung. Ein Maßnah-menpaket, das nicht explizit auf Frauenzielt, aber wohl gerade in dieser Zielgrup-

pe Hemmschwellen beseitigen dürfte,sind die vielfältigen Ideen, umdemFilial-erlebnis die typische Steifheit eines Bank-besuchs zu nehmen. Der klassische Kra-wattenzwang gehört bei Cler der Vergan-genheit an. Stattdessen tragen die Mit-arbeiter einen eigens passend zurBank-CI gestalteten Casual Look. Sogareinen eigenenDuft hat Eichner zumMar-kenrelaunch kreieren lassen. In den Filia-len selbst sind die Bankschalter ver-schwunden, sagt Eicher: „Wir wollen zueiner Gastgeberkultur kommen, die un-serenKunden den Stress nimmt.“Diese Strategie macht auch vor den

Bankprodukten selbst nicht halt. Cler hatsein Portfolio von sieben auf drei Bank-pakete entmottet und sich von so man-cher alten Branchenkonvention wie etwaeiner Mindestlaufzeit verabschiedet. Ei-cher: „Das ist die alteWelt.Daswollenwirnicht mehr.“ Aber Eicher vertraut nichtallein auf die höhere Kundenfreundlich-keit der Produkte, um das Geschäft an-zukurbeln. Zuder neuenWelt, in derClerleben soll, gehört eine offensiv angelegteDigitalstrategie. Cler will mit digitalenZusatzservices und datenbasiertenDienstleistungen eine Zielgruppe anspre-chen, für die die App die bevorzugteBankfiliale ist. Dahinter steht nicht nurdie Absicht, um jüngere Kunden zukämpfen. Für eine Bank wie Cler, die nurüber ein kleines Filialnetz verfügt, ist dasInternet einfach die effizienteste Platt-form für dieNeukundengewinnung.Damit diese Rechnung allerdings auch

aufgeht, muss es der Marke erst einmalgelingen, genügend öffentliche Aufmerk-samkeit zu erregen und gleichzeitig sichals ernsthafte Alternative zum Finanz-Mainstream abzugrenzen. Der von Hei-mat Zürich für Cler kreierten Kampagne

gelingt dieser kommunikative Doppelsal-to fast in Perfektion: Wenn plötzlich dieschwangere Freundin vor der Tür des un-reifen jungen Mannes steht, wenn dieFreunde im Restaurant alle erst einmalversuchen, den Ober mit Rechnung zuignorieren – oder wenn der Vater seinemTöchterlein erklären muss, warum dasandereMädchennicht nur einHolzpferd,sondern ein echtes Pony hat, drängt sichder Slogan „Zeit, über Geld zu reden“ fastvon selbst auf.

A ber die Cler-Kampagne wagte so-gar denultimativenTabubruch inder klassischen Werbung und re-

dete auch über die eigenen finanziellenVerhältnisse. „Wir sind die Ersten, diesich trauen, eine Kampagne zu machen,in der darüber offen geredetwird,was dieKampagne eigentlich gekostet hat“, sagtder Cler-Marketingleiter nicht ohneStolz. Mit Texten wie „Dieses Plakat kos-tet uns 2862 Franken. Und soll uns 18Neukunden bringen. Minimum“ redetdie Marke in einem Ausmaß Klartext,wie es Konsumenten von Werbungtrei-benden bisher nicht kennen. Seit Augustläuft gerade die zweite Welle der Kam-pagne auf allen Medienkanälen (Media-planung:OMD).Über den konkreten Erfolg der Kam-

pagne kann Eichner derzeit noch nichtssagen.Mit einemwerblichen Big Bang imMai ist das Projekt schlicht zu jung, umschon eine aussagekräftige Erfolgsbilanzziehen zu können. Aber der Marketing-mann hat schon ein erstes Indiz, dass dieradikale Kehrtwende der Marke wenigs-tens nicht geschadet hat: „Wir erlebenkeinen Massenexodus unserer Bestands-kunden. Das ist schon einmal ein sehrgutes Zeichen.“

Von Santiago Campillo-Lundbeck

Mit einem neuen Look inden Filialen und eineraufmerksamkeitsstarkenKampagne von HeimatZürich will Cler imSchweizer Finanzmarktwachsen

Die traditionsreicheBank Coop erfindetsich neu als Cler undsetzt auf den humor-vollen Tabubruch

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HORIZONT 34/2017 24. August 20174040REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ

Sie begleiten die Entwicklung der Mar-ke Migros nun seit vielen Jahren. Wel-che Fragen beschäftigen Sie heute, diesich vor zehn Jahren noch nicht stellten?Die Aufgabe einerMarke ist letztlich, eineRolle im Leben der Menschen zu spielen.Und das Leben der Menschen hat sichverändert. Als Marke wollen wir dieserVeränderung folgen und verstehen, wosich derKunde vonuns nicht gestört fühltund wo wir für ihn relevant sind. Daserfordert sehr viel Know-how in BusinessIntelligence undMarktforschung, daswirfrüher so nicht hatten. Dazu werden wirernsthaft in künstliche Intelligenz inves-tieren müssen, um aus der Flut unsererKundendaten wirklich aussagekräftigeMuster herauszulesen.

Diese Herausforderung gehen Sie aberaus einer äußerst komfortablen Situati-on an. Größer als die Migros in derSchweiz kann eine Marke in einemMarkt kaumwerden.Natürlich haben wir eine sehr gute Aus-gangslage. Wir verfügen als einer der we-nigen Retailer weltweit über weniger Fi-lialen als der Hauptkonkurrent, habenaber trotzdem einen höheren Marktan-teil. Unsere Marke wird meist zur belieb-testen und vertrauenswürdigsten desLandes gewählt. Allein daran zeigt sichschon, dass wir einen hohen Anteil anMenschen haben, die ausMarkentreue zuuns kommen. Das kann aber, provokativgesagt, auch ein Titanic-Problemwerden.

Weil Sie sich an den Bug des Schiffsstellen und rufen können: Ich bin derKönig derWelt?

(Lacht) Nein. Weil Ihnen alle Kunden-umfragen bildlich gesprochen ständig aufdie Schulter klopfen, weil Ihr Schiff ja oh-nehin unsinkbar ist. Es muss uns aber ge-lingen, die Organisation wachzuhaltenfür Eisberge und gleichzeitig einen klarenKurs zu haben. Dieser Kurs darf zwar ausder Vergangenheit kommen, aber nichtdahin zurückführen. Es kannnicht darumgehen, nur das zu bewahren, was wir malin den 50er, 80er oder 90er Jahren waren.Entscheidend ist es, dem Unternehmenüber die Marke eine Zukunft zu eröffnen.Es geht um die Frage, wofür wir in 20, 30Jahren stehen werden. Meine Aufgabe istes, meine Mannschaft für die ErkundungneuerHorizonte zu begeistern.

Sie selbst scheinen dieses Motivations-problemnicht zu haben.Mein Anspruch ist, dass, wenn eines fer-nen Tages meine Nachfolgerin oder meinNachfolger an seinem ersten Arbeitstagneue Marketingtechniken implementie-ren will, er oder sie merkt, dass sie alleschon längst bei der Migros erfolgreicheingesetzt werden. Diese Haltung habensicher auch der ein oder andere Konkur-rent von uns, sodass die Schweizer Han-delsbranche insgesamt sehr weit ist be-züglich modernster Marketingkommu-nikation.

Aber bei aller Liebe zur Innovation sindSie ja auch der Tradition verpflichtet.Die 45-jährige haushaltsführende Kun-din will von der Migros eher nicht überSnapchat angesprochen werden. Wiefinden Sie die richtige Balance zwi-schen Tradition undTrend?Unsere einmalige Chance als Händler istes, dass wir das tägliche Feedback unsererKunden in den Läden und an unserendigitalen Touchpoints haben und sofortsehen können, was funktioniert und wasnicht. Zudem erhalten wir in der Migrosauch aus unseren zehn Genossenschafts-regionen direktes und ehrliches Feed-back, was uns ebenfalls besser macht.Und mit diesem Weg haben wir es zumMarktführer gebracht. Aber Roger Fede-rer hat einmal gesagt: „Es war viel ein-facher, dieNummer1zuwerden, als sie zubleiben.“ Das geht uns nicht anders. Wirmüssen zugleich Fels in der Brandung

undMotor der Veränderung sein für un-sere Kundinnen undKunden.

Und wie ermitteln Sie, ob die Mischungin IhremMarketing stimmt?Marketing und speziell die Marketing-kommunikation ist eine unexakte Wis-senschaft. Kopf, Herz und Hand müssenzusammenspielen. Ich erreiche einen hö-heren Share of Wallet vielleicht auchdurch einenhöherenShareofHeart.Aberwie soll man beispielsweise den Gegen-wert davon ermitteln, dass die Hälfte derBevölkerung einen für den nachhaltigs-ten Händler hält? Da lassen sich viele Re-chenmodelle entwickeln, aber letztlichweiß es niemand genau. Deshalb konzen-trierenwirunsdarauf,wirklichbeweisba-re Fakten zu definieren. Das beginnt beider Planung, wo für jede Marketingmaß-nahme ein Business Case geschriebenwird. Der jeweilige Projektleiter muss da-rin aufzeigen, wie viele Kunden mit derMaßnahme bezüglich ihrer Einstellungoder ihrem Verhalten angesprochen wer-den sollen und welches Umsatzpotenzialsich dadurch für uns aktivieren lässt. Ermuss sich also im Vorfeld darüber Ge-dankenmachen, in welcher Relation zumErfolg sein Budget steht, statt einfach los-gelöst eine Idee zu finden und dann denfür die Umsetzung nötigen Etat einzufor-dern. Und schließlich genießt bei uns dasabschließende Controlling speziell fürMarketingkommunikation einen sehrhohen Stellenwert. Unsere Controllersind nicht die Spaßbremsen mit dem Ta-schenrechner, sondern Experten, derenInput geschätzt wird, um die Wirksam-keit unserer Marketingkommunikationzu verbessern.

Sind Sie denn in Ihrem Tracking undControlling schon so weit, dass Sie auchbei parallel laufenden Maßnahmen dieerbrachteWirkung korrekt dem jeweili-genWerbekanal zuordnen können?Von unserer sehr breiten und tiefen Fir-menstruktur her sind wir ein normalerSupermarkt plus Procter & Gamble plusUnilever plus Volkshochschule plusMcDonald’s plus Intersport plus Media-Markt. Das ist zugleich unser Vor- undNachteil. Es verschafft unserer Markemehr Präsenz imAlltag. Aber die Flut der

Korrelationen zwischen parallel laufen-den Maßnahmen im Markt können wirnicht völlig auseinanderrechnen. Wir ak-zeptieren, dass wir gewisse Effekte meh-reren Kampagnen zurechnen. Der Auf-wand wäre zu groß, auch noch die letztenUnsauberkeiten zu klären.MeinControl-ling-Leiter sagt immer: „Manchmal kön-nen wir nur aufzeigen, wie viele und wiegroße Steine wir wo in den See geworfenhaben. Aber nicht, wer für welche WelleamUfer verantwortlich ist.“

Sie sprachen von der Präsenz IhrerMarke im Schweizer Alltag. Mit wel-chen Inhalten füllen Sie diese Präsenz?Wir sind ein Händler mit Fachmärktenund einem Supermarkt, aber auch mehrals das. Wir sind gemeinwohlorientiert,wir sind der größte Kulturspender desLandes undwir sind das größte Bildungs-unternehmen des Landes. Aber gleichzei-tig sind wir für ganz viele Kunden in ers-ter Linie ein Supermarkt. Diesen Spagatmuss auch unser Marketing leisten. Waswir anstreben, ist Shared Value: Wir wol-len ein profitablesUnternehmen sein, dasim gleichen Maß das Gemeinwohl desLandes erhöht. Vieles, was wir tun, istzwar gewinnorientiert, aber nicht um je-den Preis gewinnmaximierend. DieseHaltung ist unser Marken-Asset. Nichtumsonst sind wir achtmal in Folge MostTrusted Brand der Schweiz geworden.

Mit dem Vertrauen ist es so eine Sache.Man kann es sich erwerben, aber esdauerhaft zu behalten, ist viel schwieri-ger. Und noch schwerer ist es, aus demguten Ruf auch einen messbaren Mar-ketingvorteil herauszuholen.Richtig. Deshalb achtet neben diversenAusschüssen und der Verwaltung zumBeispiel auch die Gottlieb-und-Adele-Duttweiler-Stiftung auf unseren Umgangmit dem moralischen Erbe. Dabei gehtes immer wieder um die Frage: Hättedas unser Firmengründer Gottlieb Dutt-weiler auch so gewollt? Aber logischer-weise ist das nur ein Teil unseres Jobsals Händler. Es gibt auch Kunden, welcheuns in der Marktforschung für unsergesellschaftliches Engagement loben,aber trotzdem lieber beim Discountereinkaufen.

Auf dem ESB-Markenkongressin Zürich gehörte er zu denStars des Tages: Denn als Mar-ketingleiter der Migros verant-

wortet Roman Reichelt nicht nur denzweitgrößten Mediaetat der Schweiz. Erzählt auch zu den Marketers, die von ih-rem Team kontinuierlich ein hohes In-novationstempo einfordern. Und zu die-sem Erfolgsrezept gehört für ihn auch dieBereitschaft zum Scheitern.

Von Santiago Campillo-Lundbeck

FOTO:MIGROS

Migros-MarketingchefRoman Reichelt über dieHerausforderung, auch nochals Marktführer innovativund agil zu bleiben

„365 Tage statt360 Grad“

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DieMarke mit dem Claim „EinM besser!“ startete mit einersehr Discounter-ähnlichenGeschäftsphilosophie. Gott-lieb Duttweiler gründete1925dieMigros, um sechs Grund-lebensmittel auf Lkw zuNiedrigstpreisen zu verkaufen.1941wandelte Duttweiler seinUnternehmen in eine Genos-senschaft um. Rund 2Milli-onen Schweizer sind heuteMitglied. Seine Discounter-Tradition hat Migros bis heutenicht völlig abgelegt: Zumeinen ist der Handelsmarken-Anteil im Sortiment unver-ändert hoch. Zum anderen istdie Migros-GruppeMehrheits-Gesellschafter des SchweizerDiscounters Denner.

Eine Schweizer Ikone

HORIZONT 34/2017 24. August 2017 41REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ 41

sehr selten darauf. Der schießt einfachnur bei den 100-prozentigen Chancen,und so einen brauche ich nicht. Ich brau-che einen Spieler, der häufig schießt undgefährliche Situationen kreiert, die meinTeam zumSieg führen.

Sie haben ja den direkten Vergleichmitdem deutschen Einzelhandel, da Sieeinerseits die deutsche Discount-Kon-kurrenz im eigenen Markt haben undgleichzeitig selbst über Tegut im deut-schen Markt aktiv sind. Was beein-druckt Sie an der deutschen Konkur-renz und wo könnte wiederum derdeutsche Handel von der Schweizlernen?Zwischen dem deutschen Lebensmittel-einzelhandel und dem Schweizer Detail-handel wechselt es in den vergangenenJahren immer hin und her, wer gerade dieNase vorn hat. Anfang der 2000er hat derdeutsche Handel ganz viel von derSchweiz gelernt. Die ganzen Sammelpro-motionen mit ihren beeindruckendenUmsatzeffekten sind Modelle, die derdeutscheHandel teils sogar bei uns einge-kauft hat. Edeka und Rewe sind, was dieMarkenführung in den klassischen Me-dien betrifft, sehr vergleichbar mit uns.Was dem deutschen Handel tatsächlichsehr gut gelingt, ist, die Firmenvision inLadenkonzepte zu übersetzen, die Markeauf die Fläche zu transportieren. Da sindwir noch ein bisschen konservativer undvertrauen auf einen evolutionären Pro-zess. Die deutschen Händler haben damehr Mut zur Revolution, wenn sie ihreLäden umbauen.

Doch das eigentlich brennende Themaim Handelsmarketing ist ja nach IhrerEinschätzung zu Beginn unseres Ge-sprächs die intelligente Datennutzung.Wer hat da dieNase vorne?Wir haben im Gegensatz zu vielen ande-ren Händlern die Daten unserer Kundenalle exklusiv in unserem eigenen System.Diese Datenhoheit ist für uns ein kost-bares Gut, das wir sorgfältig und nachhöchstmöglichen Standards schützen.Dieses Marketing-Gold fehlt Händlern,da sie sich auf eine Dritt-Partei verlassen,die im Zweifelsfall dieselben Daten auchder Konkurrenz geben kann. Aber ichhabe keinen Zweifel, dass wir unsererseitswieder etwas finden werden, das wiruns bei ihnen abschauen können, zumBeispiel bei der intelligenten NutzungdieserDaten.

990000 Fans unserer Facebook-Auftritte– in einem Land mit 8 Millionen Ein-wohnern.

Wie bekommen Sie angesichts der Viel-falt der Aufgaben alle nötigen Spezialis-ten für Ihr Team, um in jedem Kanalglänzen zu können?Die Marke Migros und ihre Marketing-Historie zieht Talente an, das ist nicht diegrößte Herausforderung. Schwieriger istes, dass wir deren Potenzial dann auchentfalten. Für mich ist das eine Frage derArbeits- und Unternehmenskultur. Wirmüssen wegkommen vom alten Prozessdes „Hauptsache Erfolgskennzahlen aus-weisen, egal welche“ – hin zu einem „Winor Learn“. Einer Kultur der Transparenzund des fairen Umgangs mit dem Schei-tern: Nur, wer nicht lernt, hat wirklichverloren.

Ist die Angst vor dem Fehlschlag einProblem von Großunternehmen oderist das ein spezielles Marketingphäno-men?Mein Eindruck ist, dass sich gera-de Marketers gerne mit Powerpoint-Präsentationen absichern.Marketers erzählen gerne Geschichtenund Powerpoint hilft einem, eine Ge-schichte zu erzählen. Insofern ist das auchlegitim. Aber für uns spielt sich die Reali-tät nicht in Powerpoint-Folien, sondernim Laden ab. Ich möchte die Leute nichtdanach beurteilen, wie gut sie ihre Ideeverkaufen, sondernwie ehrlich siemit derIdee in derRealität umgehen.Hat jemandden Mut, offen zu sagen, wenn etwasnicht funktioniert, und dann die Ursa-chen zu analysieren? Auch über solcheLearnings kann man einen echten Wertfür das Unternehmen generieren. Aberdie Kultur in vielen Unternehmen ist lei-der, selbst bei einem offensichtlichenFehlschlag noch nach einer positiven In-terpretation zu suchen.Weil alle glauben,dass nur der befördert wird, der keineFehlermacht.

Liegen sie damit so falsch? Schon beimEinstellungsgespräch sind Erfolgstypengefragt, keineWackelkandidaten.Das ist bei mir anders. Wer mir beimBewerbungsgespräch nicht sagen kann,welchen Flop er in den letzten zwei Jahrenhatte oder einfach sagt, dass er keinenhatte, wird von mir nicht eingestellt. Dasist wie beim Fußball: Der Stürmer, dervon sich sagt, dass er noch nie neben dasTor geschossen hat, der schießt einfach

ser sein. Das heißt: Aus der Tatsache, dasswir an dem Thema als Erste dran waren,müssen wir auch einen echten Kunden-vorteil entwickeln. Oder anders herumgesagt: Was für eine Blamage wäre es,wenn wir CSR seit 70 Jahren machen,und eine Firma, die das erst seit siebenMonaten macht, überholt uns in derKundenwahrnehmung? Unser Auftragist also nicht, aufs Plakat zu schreiben,dass wir besser sind. Wir müssen es denLeuten im Alltag beweisen. Da bin ichguterDinge, dass uns das gelingt.

Und was ist Ihr Königsmedium bei die-ser Überzeugungsarbeit?Es gibt heute kein Königsmedium mehr.Früher wusste man genau, wo man hin-gehen musste, um ein großes Publikuman einemOrt zu erreichen. Aber von die-sem Publikum ist heute nur noch ein Teilvia Massenmedien zu erreichen, der Resthat sich auf andere Kanäle verlagert. Undselbst wennman sich auf einen der neuenKanäle einigen kann, ist dieser so per-sonalisiert, dass es das eine neue Trend-medium faktisch gar nicht gibt. Deshalbsage ich meinem Team immer: Vergesst360-Grad-Präsenz, das ist obsolet! Seidlieber 365 Tage relevant – und sei es nurauf einem Kanal, wenn er für die Ziel-gruppe passt. Das kann Snapchat sein,wenn wir über ein Festival reden, daskann Fernsehen sein, wenn ich an Weih-nachten über eine Spendenkampagne re-den will. Und in der Schweiz darf manauch die kostenlose Pendlerpresse nichtunterschätzen. „20 Minuten“, „Blick amAbend“ haben einfach eine gigantischeReichweite und pushen die Print-Gat-tung deutlich über die Bedeutung hinaus,die sie in anderenTeilen Europas genießt.

Und SocialMedia?Das Selbstverständnis unserer SocialMedia ist der Dialog und nicht die Kun-denbeschallung. Wenn es in den jeweili-genKontext passt, fließen natürlich auchMarketingbotschaften ein, aber sehr oftist es ein Austausch auf Augenhöhe mitunseren Fans. Das wäre in dieser Quali-tät nichtmöglich,wennwirnicht auch indieRedaktion investiert hätten. Sohabenwir in unserem Social-Media-Team je-mand, der sich explizit um Familienthe-men kümmert, jemand, der sich aus-schließlich um Umweltthemen küm-mert, jemand, der sich umKultprodukteund Eigenmarken der Migros kümmertund so weiter. Das Ergebnis sind alleine

Mit seinen Preisen hat Aldi ja eine ganzneue Schärfe in den Schweizer Wettbe-werb gebracht. Haben Sie schon eineAntwort darauf gefunden oder sind diepreissensiblen Kunden für Migros end-gültig verloren?Was im Werbeauftritt zu beobachten ist:dass sich kaum noch ein Discounter alsein solcher gibt. Das sind angeblich allesniedrig gepreiste Klein-Supermärkte, diemit Discounter-untypischen Maßnah-men wie Imagekampagnen oder Sam-melpromotionen am Markt agieren. DieKunden sehen werblich weniger Unter-schiede zwischen Discounter und Nicht-Discounter. Unser Fokus ist deshalb nochstärker auf unserer Substanz: also aufwahrnehmbar besserer Leistung. Damitläuft es auf die Frage hinaus: Wie vieleMenschen akzeptieren die tiefere Leis-tung der Discounter als „gut genug“?Wievielen Kundinnen und Kunden könnenwir dieMehrwerte fürGesellschaft, Naturund sie ganz persönlich vermitteln, diehinter unseremGeschäftsmodell stecken?

Und Ihre Antwort darauf?Am Ende wird der Kampf für mich nichtüber den niedrigsten Preis entschieden.Darauf lassen wir uns gar nicht ein. Wirsind eine Genossenschaft und stehen alssolche für Leistung und das Gemeinwohlin der Schweiz. Unsere Preise haben nichtdas Ziel, eine Besitzerfamilie oder Share-holder noch reicher zu machen. Die Mi-gros gehört den Leuten, das sind unsereBesitzer. Und die Menschen haben einsehr gutes Gespür dafür, dass die Preise inderMigros fair sind. Fair heißt, dass nichtnur wir, sondern auch die Gesellschaftdavon leben kann.

Beim gesellschaftlichen Engagement la-gen Sie ja schon im Trend, bevor es denTrendüberhaupt gab.Wie lässt sich die-se historische Stärke der Marke im mo-dernenWettbewerb einsetzen?Ich sage immer: „Gottlieb Duttweiler hatdas CSR erfunden, bevor es das WortCSR gab.“ Historisch gesehen sind wiralso in vielen der heute relevantenTrendsVorreiter. Und dementsprechend warunser Reflex, auch werblich zu betonen,dass wir bei diesem Thema die Erstenwaren. Die Realität des Kunden ist abereine andere. Wenn er sich zwischenBMW und Mercedes entscheiden muss,ist ihmrelativ egal, wer vor100 JahrendasAutomobil erfunden hat. Die Leistungmuss imHier und Jetzt relevant und bes-

Mit mageren zehn Zeilen teil-te der Migros Genossen-schafts-Bund (MGB) amDienstag vergangener Wo-

che mit, dass es einen neuen Betreuer fürdas zumindest zweitdickste Media-Bud-get der Schweiz gibt. Nach acht Jahrenkümmert sich nicht mehr die OmnicomMediaGroupumSchaltung undPlanungder Werbemittel des 270 MillionenSchweizer Franken schweren Werbeetatsder Migros, sondern Dentsu Aegis Swit-zerland.Den Grund für den Wechsel liefert

Marketingleiter Roman Reichelt in Zeile7 der Mitteilung: „Wir wollen gemein-sam ein interdisziplinäres, auf die Zu-kunft gerichtetes Agenturmodell für dieMigros etablieren, welches das konver-gente und integrierte Denken und Han-deln wieder ins Zentrum stellt.“ Die Ant-wort auf die Frage, wie es zur Entschei-dung für Dentsu Aegis gekommen ist,kommt auf Anfrage perMail: „Wir über-prüfen in regelmässigen Abständen un-sere Agenturbeziehungen auf unsere zu-künftigen Anforderungen. Der Begriff‚Pitch‘ würde in diesem Fall aber zu kurz

greifen, da diesbezüglich eher quantitati-ve Optimierungsziele der Werbeauftrag-geber imFokus stehen. Entsprechendha-ben wir das Projekt intern als Agenturre-vision bezeichnet und auf zukünftigeQualitätsaspekte, Strukturen, Organisa-tion und Verantwortlichkeiten ausge-richtet. Mit dem Ziel, sich in einer sichstark und schnell veränderndenMedien-landschaft für die Zukunft optimal auf-zustellen.“

D iese optimale Aufstellung wirddie Migros nun im Eiltempo ge-meinsam mit ihrer neuen Me-

diaagentur aufbauen, denn ab 2018 sollder Wechsel zu Dentsu Aegis wirksamwerden. Zum Auftrag gehört es, sämt-liche Mediaaufgaben zu übernehmen,aber exklusive Suchmaschinenwerbung(SEA) sowie Suchmaschinenoptimierung(SEO). Gleichzeitig betont die Migros,über eine interne, höchst professionelleund effiziente Mediaabteilung zu verfü-gen, welche beispielsweise nebst strategi-schen, operativ und koordinativ orien-tierten Aufgaben auch das gesamte Kon-ditionsmanagement verantwortet. Zu-

dem bleibt die „sehr geschätzteZusammenarbeit mitWebrepublic beste-hen“, die den Migros Genossenschafts-Bund unter anderem bei Projekten wieder automatischen Generierung von Ad-words unterstützt.Gemeinsam werden die Migros und

Dentsu Aegis nun unter dem Arbeitstitel„Dynamo“ eine Agentureinheit aufbau-en, die im Büro der Mediaagentur behei-matet sein wird, aber bei Bedarf auchMitarbeiter bei Migros vor Ort einsetzenkann. „Es geht darum, ein völlig neues

Team aufzubauen, das alle Dienstleis-tungen aus einer Hand anbietet. Es sollkeine getrennten Einkaufs-, Strategie-und Planungsabteilungen geben, son-dern ein interdisziplinäres Team“, sagtDentsu-Aegis-CEOThomas Spiegel.

D er 35-jährige Agenturchef, dererst seit rund zwei Jahren imAmt ist und Ende 2016 bereits

mit demGewinn desMediaetats von IkeaSchweiz für Aufsehen gesorgt hat, musssich nun auf die schwierige Suche nachmehr als zehn neuen Mitarbeitern ma-chen, um ein rund 16-köpfiges Team fürDynamo aufzubauen. Aktuell beschäftigtDentsu Aegis Switzerland knapp über 50Mitarbeiter. „Die Aufgabe, die vor unsliegt, ist gewaltig“, sagt Spiegel und for-dert sich selbst heraus: „Mein Anspruchist, das, was wir versprochen haben, aufdie Strasse zu bringen und zu liefern.“Helfen soll dabei ein Weiterbildungspro-zess, den die Agentur 2017 unabhängigvon den Gesprächen mit der Migros auf-gesetzt hat. Er umfasst unter anderemdasZiel, dass jeder Mitarbeiter zwei Medienbeherrscht.

Für den CEO von OMD stehen nachdem Etatverlust andere Fragen auf derTagesordnung. „Die Migros ist unsergrösster Kunde. Insofern trifft es uns na-türlich, den Etat zu verlieren“, sagt StefanBurgass. Rund 15 Mitarbeiter waren beiOMD in unterschiedlichem Umfang fürden Kunden tätig. „Wir werden nun mitjedemEinzelnen, den der Etatwechsel be-trifft, sprechen, und sind zuversichtlich,dass wir allen eine Perspektive anbietenund eine sozialverträgliche Lösung ohneEntlassungen finden können“, berichtetBurgass. Er betont zugleich, der Etatver-lust sei nicht existenzbedrohend, „da wirein grosses, sehr diversifiziertes Kunden-portfolio haben“. Ausserdemwerde seineAgentur dasUnternehmenbis Jahresendeund in einzelnen Aufgaben sogar im 1.Halbjahr 2018 genauso professionell wiezuvor betreuen. „Zudem haben wir inden vergangenen acht Jahren bei der Zu-sammenarbeitmit und für dieMigros einprofundes Handelswissen aufgebaut.Dank unserer Kompetenz bieten sich si-cherlich für die OMD im Handel neuePerspektiven. Da bin ich sehr zuversicht-lich“, sagt Burgass. EMS

Migros wirft mit Dentsu Aegis den Dynamo an

FOTO:DEN

TSUAEGIS

Thomas Spiegel, Dentsu Aegis

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Globus – einen massiven Umbruch ihrerBranche. Sichtbarmacht dies unter ande-rem das andauernde „Lädeli“-Sterben,dem einmassiver Anstieg bei denOnline-Shops gegenübersteht.Die grössten Arbeitgeber der Branche,

Migros (mit rund 103000 Mitarbeiten-den) und Coop (mit 85000 Beschäftig-ten), kämpfen weiterhin mit den Dis-countern. So macht beispielsweise Lidl2016 mit einem Umsatzplus von 10 Pro-zent auf 960 Millionen Schweizer Fran-ken Boden gut, genau wie Aldi, dessenUmsatz um 3 Prozent auf 1,9 MilliardenFranken gestiegen ist. Laut GfK Switzer-land sind die Umsätze der trotz dieserEntwicklung mit Abstand unangefochte-nenMarktführer um0,2 beziehungsweise0,3 Prozent zurückgegangen.

Von Eva-Maria Schmidt

BewegungimDetailIm Schweizer Handel legen Discounter undDigitale zu – der Markt insgesamt macht Minus

LidlSchweiz AG

Grösstes Umsatzplus 2016bei 960 Mio. CHF

UmsatzQuelle: GfK Switzerland

10,3 %

Inter-discount

Grösstes Umsatzminus 2016bei 935 Mio. CHF

Umsatz

Quelle: GfK Switzerland

–1,1%

UmsatzSchweizer

Detailhandel2016

92,5 Mrd.CHF

gegenüber 2015–1,5 Prozent

Quelle: GfK Switzerland

JährlicheUmsatzentwicklung

2010 bis 2016

−0,4Prozent

Quelle: GfK Switzerland

gegenüber 2000 bis 2009plus 1,6 Prozent

380000MitarbeitendeimDetailhandel

beschäftigt

Quelle: UNiA

In der Schweizsind

10000Online-Shops mit.ch-Domain bietenihre Produkte an

Quelle: GfK Switzerland

Über

5000Verkaufsstellensind seit 2010in der Schweizverschwunden

Quelle: GfK Switzerland

Top 2 SpenderDetailhandel 2016*

Coop-GruppeGenossenschaft

287,9 Mio.CHFMigros

Genossenschafts-Bund

269,4 Mio.CHF*Brutto-Werbedruck

Quelle: Media Focus

HORIZONT 34/2017 24. August 20174242REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ

Der Schweizer Detailhandel hatin den ersten sechs Monaten2017 gegenüber derVorjahres-periode mit einemMinus von

0,1 Prozent quasi stagniert – im Gesamt-jahr 2016 sank derUmsatz um1,5 Prozentauf 92,5 Milliarden Franken. Das ist dasErgebnis des GfKMarktMonitor, der do-kumentiert, dass der Lebensmittelhandelmit dem gleichen Wert wie im Vorjahrdas Semester abschliesst und sich damitetwas besser behauptenkannals derNon-Food-Handel (minus 0,3).Die rund 320000 Beschäftigten im

Schweizer Detailhandel erleben seit Jah-ren–wie auch ihreKollegen rundumden

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HORIZONT 34/2017 24. August 2017 43REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ 43

Frauen, die programmieren: NachAnsicht einiger Vertreter der Di-gitalbranche gehören sie in einKuriositätenkabinett, da es wider

ihreNatur laufe, den Beruf auszuüben, soderen Meinung. Grundsätzlich gehe dasja auch gar nicht, da Frauen biologischweniger für denErfolg in derDigitalindu-strie geeignet seien. Was sich liest wie Zi-tate aus einer Satire auf vermeintlich ges-triges Macho-Gerede, ist bei vielen Tech-und Internetfirmen auch heute nochRealität – das sexistischeManifest, das einGoogle-Mitarbeiter firmenintern im ver-gangenenMonat verbreitet hat, zeigt diesmehr als deutlich. AuchwennGoogle denVorfall zur Chefsache gemacht und derKonzernchef Sundar Pichai für die Kün-digung desVerfassers gesorgt hat.Umso wichtiger, wenn sich Branchen-

gremien des Themas annehmen. Auchdie IAB Switzerland greift die Thematik

nun mit einer neuen Fokusgruppe auf.Seit geraumer Zeit erkenne die IAB Swit-zerland im Markt das Bedürfnis, einenBlick auf die Repräsentation von Frauenin der Digital-Marketing-Branche zuwerfen, teilt der Verbandmit. Obwohl dieHälfte der Bevölkerung Frauen sind, falleeine Unterrepräsentation von Frauen imDigital Marketing auf. Dies zeigt unteranderemauchdasGeschlechterverhältnisin den IAB Arbeitsgruppen, den IABFührungsorganen sowie den IAB Events,so derVerband.In einemmehrstufigen Vorgehenwird

nun in einem ersten Schritt eine Studielanciert, die den Status quo der digitalenWerbebranche in der Schweiz aufzeigensoll. Basierend auf dieser Studie werdenim Anschluss sinnvolle Ziele für denMarkt abgeleitet, um Frauen in der Digi-tal-Marketing-Branche zu fördern undals Konsequenz daraus den FrauenanteilimMarkt auf allen Ebenen zu erhöhen.Der Branchenverband der Schweizer

Digitalwerbung gibt zudem die Einfüh-

rung von zwei weiteren Fokusgruppenbekannt: Die ehemalige Fokusgruppe Af-filiate wird als Fokusgruppe Performancereaktiviert. Und neben der FokusgruppeDiversity kommt auch die FokusgruppeNative Advertising hinzu, von der einerder kürzlich veröffentlichten Leitfädenstammt. „Wir beobachten denMarkt ste-tig und greifen dann Themen auf, wennwir sehen, dass der Markt diese zusam-men angehen und weiterentwickeln soll-te. Dann ist es unsere Aufgabe, alle Inte-ressengruppen an einen Tisch zu holenund eine gemeinsamePlattform zu schaf-fen. Für die Zukunft der digitalenWerbe-branche ist dies enorm wichtig und not-wendig“, erklärt Roger Baur, Geschäfts-führer der IAB.Unter der Führung von Matteo

Schuerch hat die Fokusgruppe Perfor-mance ihre Tätigkeit im April 2017 auf-genommen. Da der Performance-Bereichals Gesamtheit und als Kombination vonverschiedenen Marketingdisziplinen ste-tig an Relevanz gewinnt, sei es wichtig,

auch hier eine Vogelperspektive einzu-nehmen. Im Zentrum der Arbeit der Fo-kusgruppe steht neben der Professionali-sierung des Marktes durch Schulungenund Veranstaltungen ebenso das Schaffenvon Transparenz wie auch die Beobach-tung des Marktes. Das gesammelte Fach-wissenderGruppewirdüber die IABAca-demy, dieGrundausbildungen imBereichDigital Marketing anbietet, und IAB-Ver-anstaltungen an denMarkt getragen.Aufgrund des Bedürfnisses aus dem

Markt zur Aufklärung von Native Adver-tising wurde bereits 2016 die IAB-Fokus-gruppe Native Advertising gegründet.Ziel der Gruppe ist die Klärung und Ab-gabe von Handlungsempfehlungen. Die-se hat imMai 2017 ihren ersten Leitfadenveröffentlicht, der den Begriff einordnetund über seine Funktion und Werbewir-kung aufklärt.Weitere Informationen über die Tätig-

keiten, Events und Services der IAB Swit-zerland und ihre Arbeitsgruppen sindunterwww.iab-switzerland.ch zu finden.

Von Eva-Maria Schmidt

Für die ZukunftIAB Switzerland baut Fokusgruppen aus und ergänztdie Themen Performance, Diversity und Native Advertising

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HORIZONT 34/2017 24. August 20174444REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ

DieMilchmacht’sE

in Kultprodukt? So weit möchtebei Emmi doch niemand gehen.Doch die Fangemeinde von Em-mi Caffè wächst stetig. Der kal-

te Kaffee aus dem Becher, den es seitvergangenem Jahr auch in der Dosegibt, ist das erfolgreichste Marken-produkt des Konzerns. Im März2004 erstmals gelauncht, ver-kauft Emmi heute jährlich über120 Millionen Becher. Einbisschen steht das Lifestyle-Getränk für die Philoso-phie des größten milch-verarbeitenden Unter-nehmens in derSchweiz. Bereit, immerneue Wege zu gehen, tren-dig sein, nah bei den Kunden. DieseHaltung ist die Basis für die Emmi-Er-folgsgeschichte – als Unternehmen undals Marke. Für die Schweizer gehört derKonzern mit seinen Molkerei- und Käse-produkten und den weltweit 5780 Mit-arbeitern zum Land wie das Matterhornund der Gotthard. „Emmi ist eine kleineNestlé, die aber innovativer ist und es

schafft, Trends gut auf den Zahn zu füh-len“, sagt jemand, der den Markt vor Ortgut kennt. Für nüchterne Schweizer istdas fast schon eine Liebeserklärung. UndEmmi funktioniert längst nicht nur imHeimatmarkt. Außer der Eidgenossen-

schaft zählen die USA, Tunesien,Spanien und Deutschland zuden wichtigsten Märkten. Ne-ben Caffè Latte gehört bei-spielsweise in DeutschlandOnken zu den wichtigstenMarken. In den USA sindCypress Grove, ein Zie-genkäse, und KaltbachKäse starke Repräsen-tanten.

Mit Blick aufWachstum undErfolgschancen

wird trotzdem ständigdas Portfolio überprüft. Jüngstes

Beispiel: Ende Juli verkaufte Emmi seinen24-prozentigen Anteil am italienischenFrischkäsehersteller Venchiaredo an dieMolkerei Granarolo. Emmi will sich inItalien künftig auf sein Dessertgeschäft,Käse-Exporte aus der Schweiz sowie seine25-prozentige Beteiligung am Käsehänd-ler Ambrosi konzentrieren. „Die Schaf-

fung von Markenplattformen ist einewichtige Voraussetzung, um sich im kon-kurrenzintensiven Umfeld zu behaup-ten“, sagt Robin Barraclough. Der heuti-ge Executive Vice President Europe hatte2013 als CMO angestoßen, das Produkt-angebot zu reduzieren. Weniger Marken-vielfalt, dafür mehr Power Brands. CaffèLatte ist dafür ein Beispiel, ein anderesKaltbach Käse. Die Fokussierung hilft,sich imWettbewerb vor allem gegenüberNestlé, Danone und Migros stärker zudifferenzieren. So ist Emmi nach Ana-lysen von The Brand Ticker mit Sitz inZürich im Vergleich zu den Wettbewer-bern bei Innovationen führend.Währendder Konzern hier auf einen Wert von 20Prozent kommt, schafft die Konkurrenzgerade gut 6 Prozent.

W erten die Forscher öffentlicheAussagen über Emmi aus, fälltauf, dass 60 Prozent der Kon-

sumenten die Marke mit dem Attribut„nachhaltig“ verbinden. Das dürfte ander Kommunikation liegen, mit derder Lebensmittelhersteller grundsätzlichWerte wie Natürlichkeit, Frische undhochwertige Qualität transportieren will.So nutzt Emmi Content Marketing, um

Geschichten über die Produkte zu erzäh-len, von den natürlichen Zutaten übergeringe Zusatzstoffe bis hin zu kleinenBauernhöfen als Lieferanten statt Mas-senbetrieben. Geht es um die 16- bis 30-Jährigen, gehören zudem Spaß und Le-bensfreude zu denBotschaften.Mittler sind dabei unter anderem

Out-of-Home, TV und Digital. Die klas-sischen Printanzeigen dagegen spielen ei-ne untergeordnete Rolle in der Kommu-nikationsstrategie. Auf etwa 130 Milli-onen Schweizer Franken belaufen sich die„Ausgaben für Verkauf und Marketing“.Welcher Anteil auf dasMarketing entfällt,kommuniziert der Konzern nicht, auchnicht, wie hoch der digitale Anteil imBudget ist. Nur so viel ist zu erfahren: Ersteigt weiter an, ungeachtet der Diskus-sionen um die Werbewirkung digitalerWerbung. „Die Investition lohnt sich,weil insbesondere jüngere Zielgruppenüber die klassischen Kanäle gar nichtmehr erreicht werden, da sie zur Prime-time kein TV schauen oder keine Zeit-schriften mehr kaufen“, erklärt der Eu-ropachef.

I nfolgedessen gewinnen Mobile undSocial Media weiter an Bedeutung.„Weniger als ein Prozent der Millen-

nials reagieren noch auf traditionelleWerbung“, begründete Silvana Gmür,Head Market Insight, den Shift auf demSchweizer Markenkongress Mitte Juni.Deswegen ist das Unternehmen allein aufInstagrambeispielsweisemit denMarkenEmmi Caffè Latte, Onken Jogurts, Betti-nehoeve, Roth Cheese, Cypress Grove,Cowgirl Creamery, Redwood Hill aktiv.Emmi Caffè Latte verzeichnet dabei nachden Zahlen von Influencer DB derzeit einWachstum von 3,8 Prozent, pro Post gibtes von derzeit knapp 4400 Followern3,1 Kommentare. Vor allem Postings mitdem Liechtensteiner Skistar Tina Weira-ther und der Schweizer Lifestyle-Influen-cerin Sylwina pushendie Präsenz. Zudemnutzt die Marke User Generated Contentunter dem Hashtag #emmicaffelatte mitbislang 2763 Posts. Via Facebook verlosteCaffè Latte die Startnummer von WendyHoldener, der Ski-Weltmeisterin in derKombination. Innerhalb weniger Tagekam hier eine fünfstellige Anzahl vonPosts zusammen. Zuletzt setzte Emmi beider Kampagne #MyLifeMyRules auf In-fluencer Marketing in der Fashion-Bran-che und bei Musik-Festivals, ausgespieltin Kanälen wie Twitter, Facebook undInstagram.Bald wird auch Snapchat zu den In-

strumenten zählen – zumindest ver-suchsweise. „Wir starten demnächst ei-nen Versuchmit unseren Azubismit demZiel, das Unternehmen für künftige Aus-zubildende attraktiv zu machen“, kün-digt Barraclough an. Und auch das ist fürden Topentscheider vorstellbar: dass Em-mi sich zumindest bei einigen Produktenaus dem TV zurückzieht. Sponsoring da-gegen hat im Mediamix seinen festenPlatz. Ski-Weltcups, Open-Air-Konzerte,zudemwar dieMarke etwa bei der Beach-volleyball-WM in Wien präsent. DieEvents sind aus zwei Gründen wichtig.„Das Gute ist, dass die Anlässe länder-übergreifend sind. Wir sind damit nebstder Schweiz auch in anderen wichtigenMärktenwieDeutschlandundÖsterreichzu sehen“, sagt Barraclough.Der Mut zum Experiment zeigt sich

auch an anderer Stelle. Im April und Juni2016 eröffnete Emmi in Zürich und Lu-zern zwei Take-Away-Geschäfte, in denenKonsumenten Jogurtkreationen, FrozenYogurt und Bagels kaufen konnten. EndeSeptember wird das Experiment beendet.Die Geschäftszahlen hatten nicht den Er-wartungen entsprochen. Auch das passtzu Emmi: Die Marke und das Unterneh-men sind bereit, Entscheidungen zu kor-rigieren.Daraus kannKult entstehen.

Von Michael Reidel

Aktuell hat Emmi dieKampagne „My Life.My Rules.“ in densozialen Netzwerkenam Start

Die Marke Emmiverbindet SchweizerGründlichkeit mitdem Hang, sich immerneu zu erfinden.Das schafft Erfolge

Die Emmi-Gruppe ist dergrößte milchverarbeitendeBetrieb in der Schweiz. IhreWurzeln reichen bis in dasJahr1907 zurück. Damalsgründeten 62 Genossen-schaften den Zentralschwei-zerischenMilchverbandLuzern. Heute steht dasUnternehmen für einenReingewinn von140,3Millionen Schweizer Frankenund einen Umsatz von 3,26Milliarden (2016).Zu denWachstumsbringernzählen die Marken EmmiCaffè, Kaltbach und YoQuaJoghurt. CEO ist Urs Riedener.

Das Unternehmen

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HORIZONT 34/2017 24. August 2017 45REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ 45

In der Schweiz gibt es mehr als 400TV-Sender. Genug? „Ja“, sagt RicoKrebs, Geschäftsleiter des neuen Ka-nals Swiss 1, der seit Mitte Juni auf

Sendung ist. Dann kommt allerdings so-fort das grosse „aber“: Denn, so Krebs, esgebe zwar noch genügend Platz für einenweiteren deutschsprachigen Sender imstark fragmentierten Fernsehmarkt,„aber viel zuwenige hochwertige Schwei-zer TV-Sender mit Premium-Content,die für den Schweizer Werbemarkt einennachhaltigen Partner darstellen“.Krebs hat viel vor mit Swiss 1: Der TV-

Sender soll bis 2020 die magische Markt-anteilsgrenze von einem Prozent durch-brechen. Er ist zuversichtlich, dass der Ka-nal aus Uetikon am See seinen Platz imSchweizer Markt finden wird. Zum Startverweist Swiss 1 darauf, dass rund 95 Pro-zent allerHaushalte in derDeutschschweizden Sender empfangen können. Swiss 1 ist

in HD-Qualität bei allen Kabelnetz- undIP-TV-Anbietern frei empfangbar.Der Reichweitenaufbau und damit

ausreichend Marktanteile, um die Wer-beplätze verkaufen zu können, soll unteranderem mit Eigenproduktionen gelin-gen, die „den Zuschauer direkt auf Swiss1 holen“, sagt Krebs und verweist darauf,dass die Programme zudemauf derWeb-site www.swiss1.tv auch online konsu-miert werden können. Eine Eigenpro-duktion, die bereits gezeigt wird, ist „Me-nuSurprise“, eineKochshowmit Schwei-zer Promis und SpitzenkochBeat Caduff.Von der Show sind bereits 64 Teile fertigproduziert. Weitere Formate seien ge-plant, aber noch nicht spruchreif. ImProgramm von Swiss 1 sind zudem For-mate zu finden, die der Sender von na-tionalen und internationalen Produzen-ten und Lizenzgebern bezieht.Zu den Highlights zählt Krebs auch

die Liveübertragung und Magazinsen-dungen zu Schwingfesten, mit denen derSender eine Nische besetzt, die in der

Schweiz eine hohe Bedeutung hat –schliesslich ist das Schwingen (für unseredeutschen Leser: Schwingen, auch Ho-senlupf genannt, ist eine Art Ringen) inder Schweiz Nationalsport. „Die ersteneunstündige Live-Übertragung kamsehr gut an und ist wegweisend“, berich-tet Krebs. „Die Zuschauer haben Swiss 1in der Programmübersicht gesucht, umlive dabei sein zu können.“

Z udem strahlt Swiss Porträts überHollywood-Promis („Close up“)und erfolgreiche Sportler („The

Immortals“) aus. „Als Beispiel wollen wirmit unseren Porträts den Menschen hin-ter einem berühmten Namen beleuch-ten“, erläutert Krebs.DiemeistenwürdenKarl Lagerfeld nur als Modedesigner mitSonnenbrille und grauemPferdeschwanzkennen: „Hinter dieser Person steckt je-doch viel mehr“, so Krebs. Swiss 1 soll„praktisch alle herausragenden Persön-lichkeiten aus Sport und Showbusiness –von George Clooney über Roger Federer

Von Eva-Maria Schmidt

FOTO:SWISS1

Mit der Live-Übertragung des Schwingerfestes ist Swiss 1 zufrieden

Swiss1peilt1Prozent anEigenproduktionen, Shows und Porträts sowie Highlights wieSchwingerfeste sollen dem neuen Sender Schwung geben

bis Madonna – zeigen“. Mit einer Reise-Serie mit Simon Reeve will Swiss 1 denZuschauer zudem mit auf Entdeckungs-tour rundumdenGlobusnehmen. „Abernicht einfach als Tourist, sondern als Insi-der, der eine Destination mit allen Facet-ten erleben kann“, soKrebs.Vermarktet wird der Kanal von Gold-

bach Media, den Online-Part über-nimmt Goldbach Audience. Wann Swiss1 schwarze Zahlen schreiben soll, verrätKrebs nicht. Nur so viel: „Das kommtauch auf die Entwicklung des Werbe-markts Schweiz an.“ Der hat sich 2016leicht positiv entwickelt: Der Gesamt-markt (inklusive Sponsoring) lag 2016bei denNettowerbeerlösenmit 775Milli-onen Schweizer Franken um 2,5 Prozentüber 2015. Auch die Schweizer Privatsen-der haben von der Entwicklung profitiertundmit 85Millionen Schweizer Frankenein Plus von11,6 Prozent verbuchen kön-nen. Swiss-1-VermarkterGoldbach selbstwill wie im Vorjahr im einstelligen Pro-zentbereichwachsen.

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Page 22: RE HORIZONT34/2017 24.August2017PORT · Lindt & Sprüngli Richemont SV Group Aryzta Hügli Holding Quelle: Digital Index Switzerland 2017 / Accenture HORIZONT34/2017 Digital Index

Agiles KollektivL

andkarte studiert,Wanderschuhegeschnürt, Rucksack gepackt: Abin den Urlaub? Nein: Auf zumBusiness-Meeting! Verwitterte

Holzbank versus Stahlrohr-Design vonRay und Charles Eames; Thermoskanneund Brotzeit statt Sancerre und Lunchstehen für denKundenund seineAgenturfür ihr Treffen auf dem Programm. Wa-rum so und nicht „normal“? Weil PrimoBerera undGregor Türk die kommunika-tiveAuftragsarbeit fürKunden anders an-gehen.Für Kunden kann das durchaus eine

Herausforderung sein – zumindest wennes, wie bereits geschehen, zur Bespre-chung in die Sauna geht. Aber eben auch,wenn es zwei Tage durch die SchweizerBerge geht, um zu verstehen, was sich diebeiden führenden Köpfe der in ZürichundMünchenbeheimatetenAgenturPri-mocollective bei demdenken, was sie sichals Kommunikationskonzept für eine lo-kale Tourismusorganisation ausgedachthaben.Zueinander gefunden haben Bereraund Türk während ihrer Zeit bei

Serviceplan inMünchen. Bei-de haben bei Deutsch-

lands grösster in-habergeführter

Agentur als Kreative ge-arbeitet und dabei festgestellt,

dass sie das gleiche Verständnis vonkreativer Auftragskommunikation ver-

bindet. Zu zweit bilden sie die konzeptio-nelle und kreative Keimzelle aller Pro-jekte, die Primocollective für Kunden wieAllianz, Credit Suisse, Helvetia, PwC, Ab-solut Vodka, Lindt & Sprüngli, Migros,Wöhrl und Toggenburg plant und um-setzt. Ihre Arbeitsgebiete: KreativesTeambuilding, Spatial Art und Design,Corporate Art, Erlebnis und freie Kunst.„Wir nutzen Kunst als Kanal zur Kom-munikation und erstellen Kunstwerke,die eine kommunikative Aufgabe haben,aber keine Werbung sind“, beschreibtTürk ihr Schaffen.Der Agenturname ist dabei Pro-

gramm: „DerKollektiv-Gedanke von Pri-mocollective steht für den Kern unsererArbeit und die Herangehensweise an allunsere Projekte: Wir arbeiten mit einemkleinen Kern-Team, das auf ein grossesPartner-Netzwerk zurückgreift. Dieseswird für jedenAuftrag individuell zusam-mengestellt“, sagt Berera, der das Art-Kollektiv gegründet und ihm damit sei-nen Namen gegeben hat – wenngleich erbetont, dass beideAgenturpartner gleich-berechtigt und -wertig für Primocollecti-ve stehen. Das gilt auch auf dem Papier:Dieses Jahr hat Türk 50Prozent der Firmaübernommen, nachdemer runddrei Jah-remit Berera imKollektiv gearbeitet hat.

D ank des Partnernetzwerks, zudem Tischler, Maler und Werbergenauso gehören wie Drucker

und Eventspezialisten, kann Primocol-lective auch Projekte wie die Allianz ArtCollection stemmen, mit deren Kunst-

werken das Versicherungsunternehmenseine rund 700 Agenturen länderüber-greifend ausstattet. „Unsere Herange-hensweise ermöglicht uns, in sehr unter-schiedlichen Bereichen zu arbeiten undmehrere Projekte gleichzeitig zu handeln.Durch die Einbindung unserer Spezialis-ten könnenwir in jederDisziplin Topqua-lität liefern“, kontert Berera das Erstau-nen angesichts solcher Aufträge für seineeigentlich winzige Agentur. „Wir genies-sen es auch, dass wir durch unser ständigwachsendes Netzwerk immer neue tolleLeute kennenlernen. Im Grunde dürfenwir uns immer wieder die Besten der Bes-ten aussuchen undmit ihnen zusammen-arbeiten“, fügt Türk an.Diese Freiheit, sich auszusuchen, mit

wem sie arbeiten, wo sie arbeiten – auf einrepräsentativesBüroverzichtet Primocol-lective – und wann sie arbeiten, schätzenbeide. So und nicht anders wollen sie ih-ren Jobmachen.Dennbeide kennen auchandere Arbeitsumfelder wie das einerGross-Agentur à la Serviceplan oder auchdas eines Handwerksbetriebs, in dem Be-rera auf demWeg zur eigenenAgentur beiseinemVater eine Ausbildung als Sanitär-installateur absolvierte, bevor er einkünstlerisches Grundstudium in Gross-britannien absolviert und anschliessendan der Münchner Akademie U5 dasKommunikationshandwerk erlernt hat.Berera und Türk wissen aber auch um

die Tücken ihrer Arbeitsweise. Denn ob-wohl sie dank ihrer Referenzen sowieKontakte und der daraus folgenden Auf-träge bislang nicht akquirieren müssen,

versuchen sie mithilfe einer neuen Web-site noch klarer darzustellen, was sie bie-ten und wofür sie stehen. „Unsere Out-puts sind das Ergebnis knallharter Arbeit.Und trotz aller Lässigkeit sind wir hochprofessionell und arbeiten immer auf Au-genhöhe mit unseren Kunden“, betontBerera.

G efährlicher als von aussen falscheingeschätzt zu werden, ist aller-dings,was vielen Freischaffenden

passiert: Sie arbeiten bis zum Umfallen.Diese Zwickmühle ist auch den beidenKöpfen von Primocollective bewusst:„Die grosse Freiheit, die uns unsere Ar-beitsweise erlaubt, bringt auch viel Ver-antwortung gegenüber uns selbst mitsich. Wir sind beide Unternehmer, ste-cken in allen Projekten mit drin – da istdie Gefahr gross, dass wir uns dann dochnicht selber freinehmen, auch wenn esmal sein müsste. Wir müssen auch vielDisziplin haben“, sagt Türk. Aber auchdaran arbeiten beide – diesmal für sichselbst: Berera hat gerade eine seiner gros-sen Reisen unternommen, mit denen ersich immer wieder selbst entschleunigt.Und Türk hat eine Familie, die ihn indiesem Punkt diszipliniert. Ausserdemsind sie dabei, sich personelle Verstär-kung zu sichern – aktuell ist als drittesTeammitglied Stephan Koritsch einge-stiegen. Und das Kollektiv bleibt in Bewe-gung:Denn einweiteresMitglied soll hin-zukommen und dann auch zur Bespre-chung mit in die Berge ziehen oder aneinen anderen spannendenOrt.

Von Eva-Maria SchmidtPrimo Berera undGregor Türk arbeitenmit ihren Kunden zu-sammen an Kunst, dieeine kommunikativeAufgabe hat

Arbeiten von Primocol-

lective für Pernod

(oben), Raiffeisen

(Mitte rechts), Allianz

(unten links) und Lindt

& Sprüngli (unten

rechts) sowie der

Zauberwald Lenzerhei-

de (Mitte links)

FOTO:

Gregor Türk (l.) und Primo

Berera sind Primocollective -

mit Arbeiten für Allianz und

Raiffeisen haben sie beim IF

Design, dem Red Dot und

dem German Design Award

gepunktet

HORIZONT 34/2017 24. August 20174646REPORTMARKTPLATZ SCHWEIZ